ANNEX
LIBRARY
c
026675
THE LIBRARY
OF THE
NEW YORK STATE SCHOOL
OF
INDUSTRIAL AND LABOR
RELATIONS
AT
CORNELL UNIVERSITY
Soziale praris.
($entra£MafI für giogiafpoittifi
mit ber 3Ronat8beilage:
m
5)ct» Q$ewevbeQßvidjt ,
Organ öes Ocrßanöes öeutfdjer ©etoer&egeridjte.
|leue folgt btr „glätter fftr fojiolt groris“ uitb bts „gojifllpolitifdjfn ®tntralM«tts“.
Herausgeber:
Dr. <$rttß Jntttrfu
in Serlin.
&
VIII. gnljrgtwg.
©fttoßer 1898 Bis geptem&ev 1899 .
Qttjf ß&$( und dHuforenregtfftr.
PROPERTY CF L PPARY
r r "' vc::; r;-- f::?ol x
INCU f .,:j. / : \.HK\m
—ccr;.:;ll UwiVersitY
fettig 1899 .
SSerlag uon Wunder & £ u m b I o t.
|nljflUs-Drrjriit)ni|
I. $ndj'$cgtßer.
©ie mit * bereitenden Beiträge finb leitenbe Auffäfce.
Spalte
Arbeiterbewegung, Hu« ber Berliner —
71. 704. 1292. 1319. 1348
AbenbfortbilbungSfd&ulen in fionbon 1898 605
Abenbfurfe, Äfabemifcbe — in greiburg i.B. 166
Atbtftunbenbeweguug, 3mr — in ©nglanb 851
Acbtftunbentog imSifenbabnwefen BagernS 886
— in franjöj\fcben Staatsbetrieben . . .1841
— für bie fiäbtifc^en ÄanalifationSarbeiter
. in Bari«.870
— für ©emeinbearbeiter in Aotbbale . . 563
— ber gemeinblid)en Arbeiter in ©eftbarn
4 (Sonbon) ..673
— für bie Äobletibergleute in Amerifa . 589
—, ©et — in ben SWarinebetrieben in
Amerifa.411
—■ »gl 3?bnflunbentag, Biajimalarbeitstag,
AormalarbeitStag.
Acbtftünbiger Arbeitstag, Urteeil eines
rufftfcf)en gabrifanten über ben — . 1075
Hcbtubrlabenfcblufc, ©er — unb bie $Hein-
Taufleute.341
— ogl. Sabenfcblufc, Aeunubr-flabenfcblufj.
Herste - Streif bei ber DrtSfranfenfaffe
ffolmar i. ©.483
Herstetag, Befcblüffe beS beutfdjen — s u
ben BerficberungSgefefeen.822
AersteoereinSbunb, ©er beutfd^e — unb bas
feranfenserrt^erungsgefeb.508
Herstewabl, greie — in ben ffranfenfaffen 598
Hftiengefellfcbaften, ©penben ber beutfcben
— für Arbeiter.546
HtfoboliSmuS unb ©terblicbfeit . ... 548
— unb Berbredjen in granfreicb . . .1268
—, ©rfolg ber Bewegung su* Befämpfung
beS — in Belgien.661
HÜiansoerbänbe, ©emerbficfje — ... 192
HIterSpenfion ftatt Hrmenoerforgung in
Bonbon.1881
HUerSpenjionen für Arbeiter in ©nglanb . 90
— für bie ©emeinbearbeiter in Baris. . 1077
HlterSpenjionS-Borfcbläge in ©nglanb . . 1247
HlterSoerficberung, ©er ©tanb ber Unfall-,
3noalibitätS- unb — in ©eutfrfjlanb
1897 . 391—893
—, ©a« Bwblent ber — in ©nglanb . . 282
—, ©nquete über bie — in ©nglanb . . 812
—, ©nquete für eine — in Belgien . . 288
— in Aeu-Seelanb.75
— ogl. ÄlterSoerforgung, gnualibitäts-
oetft<berung.
HlterSoerficberungSgefeb, AooeHe sum 3n*
oalibitätS- unb —.73
HlterSoerficberungSfaffe, Staatliche — in
granfreicb. 120
HIterS* unb SnoalibitätSoerftcberung, Wo¬
llene sur —.120
, ©ie — in ben Aieberlanben. Bon
Dr. 3. $. oan Santen . . . 135—137
—, Antrag auf ©infüfjrung einer aUge-
meinen — in Defterreidj.282
HlterSoerforgung, ©ie freiwillige — ber
Arbeiter burcb bie Arbeitgeber . . . 258
— von ©emeinbebeamten in ©laSgow unb
©artmoutb.950
Spalte
ÄlterSoerforgung, ©in B*oiefl über — beS
nieberen Boft* unb ©elegrapbenper-
fonals in granfreicb.283
■ in Defterreicb, ©ie grage ber — . . 1086
ber Brioatbeamten in Defterreicb . . 1225
■ ber ©ifenbabnarbetier in Ungarn . . 854
für weibliche ©ienfiboten in Defterreicb 120
unb Armenfürforge in önglanb . . . 1178
, ©ie grage ber — in ©nglanb 282.312.
670. 708 766. 843. 929. 1178
— ogl. AlterSoerficberung, 3noalibitätS»
oerftd&erung.
ÄlterSoerforgungSgefefc in Aeufeelanb . . 544
Alters* unb 3noalibenoerforgung, Statut
für bie — ber ftäbtifcben Soljnarbeiter
in Stuttgart.221
— für ftäbtifdje Arbeiter in Ulm . . . 1002
Amt für Arbeiterftatiftil, Äoften beS — in
Defterreicb.334
Angeftellte brr BerfebrSanftalten, ©rbebung
beS BereinS für ©osialpolitit über bie
Berbältniffe ber —.10
— ©djufc ber — in Sabengefcbäften . . 476
—, ©efe&entwurf, betreffenb ben Schüfe ber
— im $anbelsgeroerbe.112
— in Bäben, Scfeufemaferegeln für bie —
unb bie ©efefilfenoerbänbe .... 769
*—, Schüfe ber — in offenen Sabengefdjäf»
—, Schüfe ber — in Sabengefcbäften . . 174
—, fcanbelsfcfeule für weiblicfee — in $am-
bürg.1260
—, Kölner Berein weiblicher — ... 1107
— ogl. $anbelsangeftellte, SabenangefteÜte.
Anlagen sur görberung ber Snbuftrie, kom¬
munale —. 1266
Hnfiebelung non Arbeitern unb Tleinen
Seuten auf bem fianbe.1120
AnfteflungSoerfeältniffe, Sohn- unb — ber
Arbeiter ber f<bweiserifcfeen BunbeSoer-
roaltung ..1047
Anftreicfeer unb oermanbte BerufSgenoffeu
©eutfcfelanbS, ©ie Bereinigung ber
SRaler, Sacfirer, —.172
Anträge, Sosialpolitifcfee — im AeicfeStage 191
AmoaltStag, AetcfeS-Bergefefe unb ©eut-
fcfeer -.1814
♦Anseidjen, ©ünftige — .... 433-486
Apotfeefen, Boqfottirung oon — burcfe
ArbeiterTranfenfaffen .455
—, Bogfottirung oon ©iener — ... 483
Arbeit, Unterftü&ung burcb — in ßüttidj . 787
—, ©ntwurf etnes ©efefeeS über bie —
erwacfefener ©änner in ben Aieberlan-
ben. Bon Dr. 3-uan Santen 808—804
—, Drganifation ber —. Bon Dr. ©.
—, Drganifation ber — . . . . . 669
Arbeiter, grembfpratbliebe — in Abein-
lanb-©eftfalen .... 252. 541. 1291
—, ©ommerferieit für ftäbtifebe — in
Berlin.1146
—, Besorgung fiäbtiftber — in Stuttgart 1194
— unb Stommunalpoliti! in ©nglanb . .1146
— unb Aegierenbe in granfreicb ... 443
— in ftäbtifeben Betrieben, Organifationen
ber —.413
Spalte
Arbeiter, Beteuerung auSlänbifd&er — in
granfreieb. 886. 446. 756
— in ber „Xbemfe-öifemoerf* unb ScbiffS-
bau-@efellfcbaft* su Bonbon, Unter¬
nehmer unb —.685
—, ©in britiföeS Urteil über beutfdje — 1049
—, ©«blimrne Bage ber — am Simplon
tunnel.663
ArbeiterauSfdiüffe unb ArbeitSorbnung in
ben ftäbtifeben ftanalifationSwerfen su
Berlin.477
—, Äeine — für ftäbtifebe Arbeiter in
Seipsig . . .408
—, bet ben bagerifebeit ©taatsbaljnen . . 276
ArbeiterauSfperruug, ©ie gro&e — in ©äne-
marT. 1001—1006
— ogl. BlajfenauSfperrung, AuSfperrung.
Arbeiterbäber in fiaatlicben BetriebSftätten 1129
Arbeiterbeifiber, Aationaler Hongrefi ber
— in ben fransöftfeben ©emerbege-
riebten.1205
♦Arbeiter-BerufSgenoffenfebaflen, ©ie — in
granTreieb- Bon Dctaoe geftg 1887—1389
ArbeiterberufSoereine unb Barteipoliti! . 727
— ogl. ÄoalitionS-, BereinS-, Berfamm-
lungSreebt, BerufSoereine.
Arbeiterbewegung, 3ur — . . . 1171—1173
—, ©ie Aeebtfpreebung unb bie — . . . 1048
—, AuS ber englifcben —; bie ©tuefatur»
Arbeiter unb bie ©ptnner .... 587
—, Aus ber fatbolif<ben — in ©eutftblanb 146
— in Boris.679
— in Aufftftb B°lfu.1270
— ogl. AuSftanb, ©treif, ArbeitSlämpfe.
Arbeiterbelegationen auf ber ©eltauS-
fteflung 1900, gransörtfebe — . . . 1378
Arbeiterfürforge bei ben preufeifibenStaatS-
babnen.260
— in JTöln.407
— ogl. gürforge.
Arbeiter- $auSbaltungSbubgetS, ©ürttem-
bergif^e — . ..844
Arbeiterbäufer, ©taatli<be görberung beS
Baues oon — in Ungarn .... 62
—, ©obnungSnotb unb — in ©ien. Bon
§einr. Ablcr.514-616
— ogl. Arbeiterwobuungen.
»Ärbeiterbetm", Berein — in Bielefelb . 124
Arbeiterinnen, Drganifation ber — in
Bubapeft.692
Arbeiterinnenfougref}, Belgifcber — . . 1174
Ärbeiterinnen-Scbub, 8 um — .... 370
— im englifcben §anbelsgewerbe . . . 1055
Arbeiterinfiitut s u Stocfbolut.22
Arbeiterinoaliben, ©täbtifebe ©erTftätten
für — in Bari«.10. 887
Arbeiterfammer, ©tabtratb unb — in 3üricb 477
— ogl. ArbeitSfammer.
Arbeiterfammern. 36. 64—66
Arbeiterfolonie, Berein für bie Berliner
- 1898 796
—, Aeue — bei Berlin . ..1179
Arbeiterfoionien, ©entraloorftanb bfutfdjer 825
Arbciterfongrefe in Sübauftralien . . . 227
Ärbeiterfongreffe, ©ewerTfcbaftlicbe —. Bon
©uftao ©aube. 760—763
—, ©eutfebe gewerffcbaftlicbe — .... 9*
( - <-,* : '
IV
ar&eiterfongreffe, Ber&ot uon — in Ungarn
arbetter*kooperatiogenoffenjcpaften,Staat»
Iittje Befcpäftigung ber — in Italien .
arbfiter*kranfenocrfi(perun 0 , $ie — in
Defierreitp.
arbeitermangel, $er Iänblicpe in Breupen
arbeiterpartei, ©ine finntfc^e — . . . . ]
♦aibeiterprobuftiogenoffenfcpaft, (Sine —
in ber ©laßinbuftrie Norb-Böpmenß.
I—II Bon Dr. SNaj oon %atjentpai
241—246. 269-
arbeiterprobuftiogenoffenfcpaften in granf¬
reiep .
— Sroei im $arj. Bon Dr. grip Specpi
883 —
arbeiterftpup unb konlrolmatfe. Bon
Heinr. abler. 1295—:
—, internationaler —; «ntrag im öfter*
reicpifcpen abgeorbnetenpaufe . . .
—, $)ie internationale Bereinigung für —
unb bie Sogialbemofratie.
~/ £er — unb feine ©niroicfelung im
19 iabrbunbert.
— bei off entluden ßieferungen in Defter«
reidj.
— bei öffentlichen Unternehmungen in Bari«
—, kommunaler in — Bari« ....
—, ©egen bie außbepnung be« — . . .
— im Baugewerbe in Bagern ....
— im heutigen ©irthßgeroerbe ....
—, internationale Bereinigung für — .
*— unb Heimarbeit. 1 —II. Bon Dr.
©ugen Scproieblanb. 105-111.129-
—v außbepnung be« — im kanton 3 uri<h
, $er — in ber konfeftion unb oer-
toanbten ©eroerben. Bon »ffeffor Dr.
aifreb ©eber. 689-
— in ber Sünbholgfabrifation . . 737-
— in ber englifepen Sünbholgfabrifation
— in ber feramifepen gnbufirie ©nglaub«
—, Bet&eiligung $eutfdjlanb« an ber inter«
nationalen Bereinigung gur gorberung
be« — ..
— kein — in funftgeroerblidjen Betrieben
— in Nero-gorf.
Beretn.
arbeiierfdjupamt, internationale« — . !
Ärbeiterfcfjup-Bebingungen bei Staat«-
bauten in Breupen.
arbeitcrftpupbeftimmungen, Sijfiematifcpe
Bearbeitung oon — im Neicpßamt be«
innern.
arbeiterfcpupbill«, ©nglifcpe — . ! ! .
* arbeiterfepupgefepgebung, internationale
Bereinigung gur gorberung ber —.
Bon Dr ©ruft granefe . . . 609-
arbeiterfcpupflaufelu bei öffentlichen ar¬
beiten in granfreiep.
* -.Bon g. Stpottpöfer 1089—
arbeiterfefretariat, kein - in Berlin . .
— in Bremen.
— in Breßlau. 622.
— in 2 >aimflabt.
—, She ©tnrieptung eine« — für Hamburg
ablebnung eine« — burep bie ©eroerf-
fepaften in Hamburg.
— unb Stabtratp in SWannpeim . . .
— SJZündjen.116.
— Nürnberg 1898 .
—, Stuttgarter.
—, $a« fläbtifche — in Ulm . 283. 863-
—, Hoüänbifcpe« —..
arbeiterfefretariate, Neue — ... 670.
—, ©rrieptung oon —.
— in $üffelborf unb Ulm.
arbeiterfianb, H f &ung beö — ....
arbeiterftatiftif, $>ie kommiffton für — .
— ^apret elung roegen auöfagen oor ber
konimiffion für —. .
—, $>ie konimiffion für —.
—, ©utadjten ber kommiffion für —, betr.
bie Regelung ber Nrbeitßgeit in ®e*
treibemüplen.
arbeiterftiftung ber kruppfdjen ©erfe . .
— ogl. Stiftungen, Spenben, ©efipenfe,
Bermäcptntffe.
Spalte
arbeiter - Unfallentftpäbigungßgefep, ©nt-
fepeibungen über ben Umfang be« —
in ©ngtanb.843
—, $>ie ©irfung be« — in ©nglanb . . 828
arbeiter-Unfafloerfitperung ogl Berftdje*
rung, UnfaQoerjicpfrung, arbeiteroer*
fieperung.
arbeiter-UnfaHoerfi^erungfianftalt, Unfall«
oerbütung«oorfcbläge ber — für Nteber-
öfterreich.287
arbeiter-UnfaHoerficperungßgefep in $äne-
mar!.898
arbeheroerbänbe, Unternehmer- unb — in
©nglanb. Bon ©rneft aoe« . 218—219
— unb gabrifantenfpnbifate.275
arbeiteroereine, Berbanb ber falpoliftpen
— in Sübbeutfcplanb.956
—, X>elegirtentag ber fatpolifepen — Süb-
beutftplanb«.1292
—, ^elegirtenoerfammlung be« ©efammt-
oerbanbe« ber eoangeliftpen — ieutfcp-
Ianb«.621
—, ©efammtoerbanb ber ©oangelifcpen —
fceutfcplanb«.42
—, kongrep ber eoangelifcpen — in aitona 955
—, Broteft fatljolifcber — in Berlin gegen
Berfepärfung ber Beftrafung oon Streif¬
oergeben .389
—, ©entralfaffe ber eoangeliftben — in
Bagern.74
arbriteroerbältniffe in ben ©ifenioeifen oon
2 e ©reufot in granfreidj. 10 nO
arbeiteroerfttberung, 2 )ie Sdjiebögericbte
ber —. Bon H- Horn . . 1274—1276
—, 5)ie beutfdje — unb ihre ©rgebniffe . 627
—, ©influp ber — auf bie öffentliche armen*
pflege in Dönabrütf.407
—, Unfere — unb bie Borifer ©eitau««
fteßung.1127
— in Bufelanb.682
— ogl. Berjidjerung, UnfaDoerfitberung,
arbeiter*UufalIoerfitberung.
arbeiteroerfi(berung 8 -©efete, Unterroeifung
in ben — in ben gortbilbungefcbulen
511 Nürnberg.797
arbeiter-Berfuberung«- unb Stbupgefep-
gebung. 3)ie Belüftung ber beutf<bm
§nbuftrie burtb bie —.1813
arbeitcroerficberungöiroeige, ©inpeitlicbe
Drganifation ber brei —.1085
arbeiteroertreter, Beaufftcbtigung ber ©ru¬
hen bureb — in ©ropbritannien, granf-
reitb unb Belgien. 593—597
— unb ftäbtifepe fltegiearbeit in Batterfea
(fionbon).1266
arbeiteroertretung in ber preupiftpen Berg-
toerf«infpeftion.739
arbeiter*©oblfabrt 8 einritbiungen ; ©entral-
fiefle für —.796
—, ad)te konferenj ber ©entralfteKe für
— in Stuttgart ..931
arbeitertoobnbäufer für lanbioirtpfcboflUdie
arbeitet in Dftpreupen.1229
arbeiterioopnungen, Bau oon —; Ber»
fitberungöanftalten.603
—, kommunale — in ©nglanb .... 562
—, Bau oon — in S)reSben . . . 422. 933
—, Beförberung be« Baue« oon — bureb
Sparfaffen.516
— in Hoflanb.685
— in Biülpaufen i. ö.486
— in ©enf.828
— in ber Brooinj H ann00fr .123
—, Stäbtifdje — in karl«rupe .... 77
—, Beleipungsgrenaen ber Berfidjeruhg«-
anftalten für — unb ßungenpeilftätten 17
—, Bau oon — mit Hülfe ber gnoalibi-
tät«ücrfid)erungö»anfialten.871
gorberung oon — burd) bie Berficbe«
rung«anftalt Sd)le«ioig»Holftein. . . 848
Bau ftäbtifcpcr — in Nürnberg . . 586
— ogl. ©obnungen, kleinroopnungen,
arbetterbäufer, kleinpauSgefep in ©ng»
lanb.
arbeitermobnungSfrage, 2 )ie — in Nürn¬
berg .124
— in §üricb.319
Spalte
arbeiteriooljnungitoefen.1179
— auf ber Banf« auöftellung .... 1018
— in Nbfinlanb.654
—, Bbeiniidjer Berein jur gorberung be«
— in $>üffelborf. 77. 206. 617
Hrbeitersüge in ßonbon.549
— in Bari«.1206
arbeitgrber unb arbeiter, ©in ©ropinbu-
ftrieller für bie gemeinfame Drganifation
ber —.755
-, Bereinbarung, gtoifeben — ber
Spinnerei oon ßancafpire.705
— -, Nationalliberaler anirag auf
gemeinfame Drganifation oon — ber
©ropinbuftrie.582
-, Sur ©lei<bbered)tigung oon — 842
— unb Unternehmer. Bon ©emerberiebter
H- Scpmieber. 272—273
arbeilgeber-Beipper, gapreöberitbt be« Ber*
ein« ber — be« ©eroerbegeriept« Berlin
1898 . 460
# arbeitgeber- unb arbeitnepmer * Beifiper,
Broteft ber — be« ©etoerbegeridjt«
Berlin gegen ba« ©efep gum Scpup
be« gewerblichen arbeit«oerpältniffe«
1021—1023
arbeitgeberbunb, 25er beutfepe — für ba«
Baugeroerbe . 621, 676, 1199, 1240, 1878
—, Berliner —.621
—, 2 anbe«uerbanb ffiürttemberg be« —
im Baugewerbe.644
arbeitgeberDerbanb Hamburg-aitona . . 388
• - im Baugeroerbe gu SRüitcpen .... 225
—, Blan eine« engliftpen —.37
arbeit«amt, Stäbtiftpe« — für ©pemnip 204, 223
—, kommunalr« — in ©priftiania. . .1129
—, Stäbtifcpe« — äRüncpcn . . . 419, 688
—, Stäbtiftpe« — in Stproeinfurt . . . 204
—, gürforge be«roürtlembergiftpen®Unifte-
rium« für ben arbeit«nacproei«. —
Stäbtifcpe« — in Stuttgart 1898 . 1297
—, Stäbtifcpe« — in güritp.740
—, S)a« öfterreitpifcpe —.276
—, 2 )ie arbeit«geitung be« öfterreiepi*
fdjen — . 895
— unb Ärbeitsbeiratp in Defterreicp 7, 189—191
arbeit«bebingungen, Regelung ber — bei
öffentlichen arbeiten in granfreiep . . 848
arbeitobeiratp in Defterreidj . 1001, 1049, 1371
-, arbeit«amt unb — in Defterreicp 7,189—191
*—, arbeitöftaliftiftpe« amt unb — in
Defterreicp. Bon Dr. ömil ßoero 189—191
arbeit«börle, Xpätigfeit ber Barifer — im
Sapre 1898 . 737
—, Sireifflaufel ber Sünd)** — ... 515
—, 2>ie ibätigfeit ber — in ©ent 1898 . 1106
arbfit«einfteDungen in granfreiep 1897 . 226
arbeitfi-©ejepgebung, au« ber — Neufee*
lanb« oom Sapr* 1898. 728
—, Saprbutp ber - für 1897 .... 168
—, Brogtamm ber 2rabe Union« für
bi.e —.340
arbeitSinfpeftoren, $ie 3 apre«bericpte ber
nieberlätibifcpen — für 1897 unb 1898.
Bon Dr. S- H- ®an 3 aHtcn 1271—1272
— ogl. gabrif- unb ©eroerbeinfpeftion.
arbeitÄfämpfe, amtlitpe ©rpebungeu über
— in Breupen.1048
— in ©tiglanb 1898 . 450
—, ©ngltfcpe auffaffung oon —. . . . 138
— ogl. Streif«, ärbeit«einfteüungen, au«»
ftänbe, arbeiterbeioegung.
arbeitefammer ber Stabt Süricp 447, 562, 1168
— ogl arbeiterfammer.
arbeit«fammern, ^er nationalliberale an-
trag auf ©rrieptung oon — .... 617
—, Beruf«oereine, Neitp«arbeit«amt 840-842
— .. 86, 64—66
— in ben Nieberlanben.168
— in amfterbam.139
—, $>ie ©aplen ber — in amfterbam. • 948
arbeit«fontraft, Scpup be« — gegen auf-
löfung burep militärifdje Ucbungen in
granrreiep.258
— ogl. arbeit«uertrag.
arbeit«lopn, $ie Biänbbarfeit beß — in
granfrettp.871
y
«palte
Arbeitslöhne, ©ie — in Württemberg. Bon
Dr. Bubolf ©räfeer . . . 1122-1124
—, Sanbroirtt)fdjaftlufce — in Englanb . 1170
— in bcr belgifchen Eifeninbufirie . . . 228
— in 3n&ien.145, 1171
— in ber inbifdjen Baumwollinbufilrie . 690
— im englifchen unb amerifanifchen Schiff¬
bau .1171
— in MaffachufettS ........ 1291
— ogl. ßöhne.
Arbeitslofe, gürforge für — in Breu&en 812, 921
—, Stäblifdjes Begulatio für Vergebung
oon Arbeiten an — in Offenbar a./M. 949
•ArbeitS- unb Dbbachlofe, Stiflfianb unb
Bücffchritt in ber gürforge für —. Bon
Baftor karl Moerchen . . . .626—529
ÄtbeitSlofenfrage, Sie — in ©ent ... 812
Arbettelofenfürforge in Sern.408
Arbeitslofenftatiftif, Amfterbamer — . . 446
Arbeitslofenunferftühung burdj Arbeit in
fiiQe . . . '.676
Arbeitslofen-Berflcherung unb Sübbeutfche
Solfspartei.17
ArbeitSlofißfeit, Berftcberung gegen —. . 682
—, ©ie ftabtifche BerficherungSfaffe gegen
— in köln unb baS ©ewerffchafts-
f arteH.887
—, Stabtfölnifdfje BerficherungSfaffe gegen
— im hinter.1160
—, ©emeiubliche Ma&naljmen gegen — in
Sern.600
—, Eine BrobuftionSgenoffenfchaft als
Mittel gegen —.1158
—, ©ie — in ©roftbritannien im Sah**
1898 . 780
—, fßlan einer Berficherung gegen — in
Safe! . ..906
—, Ma&nabmen gegen bie — in Beu*
SübwaleS.1265
—, Berficherung gegen — in Amerifa. . 968
ArbeitSmaift, ©er — im September . . 40
—, ©er — im Dftober.145
—, ©er — im Booember.3i6
—, ©er — im ©egember 1898 . . . . 419
—, ©er — im Januar.663
—, ©er — im gebruar.682
—, ©er — im Märg.795
—, ©er — im April.907
—, ©er — im Mat.1026
—, ©er — im Suni.1124
—, ©er — im guli. 1220
—, ©er — im Auguft.1353
—, ©er — in Unterfranfen.683
—, Drganifation beS — in Selgien . . 260
ÄrbeitSmafc unb Sonntagsruhe ber Be-
amten unb Unterbeamten ber BeidjSpoft 846
•Arbeitsnachweis. Son Dr. jur. 91 ich-
greunb. 802—808
—, ©er gemeinbliche — unb bie organi-
firten Arbeiter.828
— unb Arbeitsoermittelung.795
—, Eentraloerein für — in Serlin unb
EentralauSfchufj faufmännifcher, ge¬
werblicher unb inbuftriefler Sereine . 287
— unb ©ienftbotenoermittelung .... 76
—, ©er — unb berSunb ber gnbuftriellen 75
—, Eentraloerbanb beutfcher Snbuftcieüer
unb ber —.989
—, SwangSimtung unb.1239
—, ©ie ©ewerffchaften unb ber paritätifche
— . 662. 670
—, ®in 3 eu 0ni& für ben unparteiifchen — 1104
—, 3 um paritätifdjen —. 888
—, gur Drganifation beS — .... 709
—, Berliner Eentraloerein für — . 598. 906
—, Eentraloereine für — in Serlin; Dr¬
ganifation oon paritätifchen gacharbeits-
itachroeifen.418
—, Setheiligung oon Arbeitgebern unb Ar-
beitnebmern an ber Berwaltung beS
EentraloereinS für — in Serlin . . 121
—, ©er — ber Brauereien in Serlin unb
feine ©efdjichte.455
— ber gum „Bereit! ber Srauereien Ber¬
lins unb Umgegenb* gehörigen Sraue¬
reien .856
—, Stäbtifcher — in ÄfcherSleben . . 179
«patte
Arbeitsnachweis, AuSbehnung beS — in
Sielefelb.179
—, Stäbtifcher — in Sonn.283
—, Stäbtifcher — in Eharlottenburg 20 . 652
—, kommunaler — in ©ooer .... 857
— ber beutfcben ©ewerfoereine unb eoan-
gelifchen Arbeiteroereine gu ©resben . 990
-, Dbligatorifcher — ber Bäcferinnung
in ©resben.1178
—, Berbanb gur görberung beS — im
Beg.-Seg. ©üffelbotf .... 75. 844
—, görberung ber gadjauSbtlbung burch
ben — in ©iiffelborf.1178
—, ©emeinblither — in ©öttingen . . . 344
— berSatriotifchen©efelIfchaft in Hamburg 259
—, Bheber- — unb $afenarbeiter-Serbanb
in Hamburg.76
— für Scfjauerleute in Hamburg 816. 508. 670
—, Arbeiterroablen für — ber Schauer¬
leute in Hamburg.598
— ber ©ifeninbuftrteüen in Hamburg . . 888
— für lanbroirthfchaftlicheArbeiter in Ham¬
burg . ..... 488
—, SereinS- — in ßeipgig.419
—, Baritätifcher — \ n ßeipgig .... 989
—, ©ie Eentralanftalt für — in ßiegnijj.
Bon Dr. Wiebenfelb . 1106—1106
—, kommunaler — in ßonbon . . 545. 1195
—, Errichtung eines gemeinblidjen — in
Magbeburg.204
—, Münchener — .178
—, Stäbtifcfter — für Schöneberg . 609, 1178
—, Stäbtifcher — in Spanbau .... 121
—, Errichtung eines ftäbtifchen — für
Stettin.671
—, gürforge beS mürttembergifchen Mini*
fteriumS für ben —. Stäbtifd>eS Arbeits¬
amt in Stuttgart 1898 1297
—, Babifche Eentralanftalten für — . . 894
— unb fianbbeoölferung in Bauern . . 894
— in Selgien. 698
—, Stäbtifcher — in Englanb .... 824
—, ©er unentgeltliche — in granfreich . 883
— in Serbinbung mit ben Baturaloer-
pflegungSftationen in ber Schweig . . 123
—, ©er öfterreichifche ©efefcentwurf über
ben —. Bon Heinrich Abler . 818—815
— für bie ßanbwirthfchaft in Sommern . 204
— ber ßanbwirtbfchaftsfammer für Schie¬
nen .76
—, Staatlicher — in Süinois .... 1854
— in Sübauftralien.77
— ogl. Arbeitsoermittelung, Stellenoer¬
mittelung.
ArbeitSnachmeiS-Änftalt §eibelberg 1897 . 178
—, Allgemeine — köln ...... 484
—, Erhöhung beS ftäbtifchen 3u[thuffe8
für bie Allgemeine — in köln ... 740
ArbeitSnächweis-Antrag im BeichStag . . 418
Arbeitsnachweisbureaus unb Starteräume
für Schauerleute m Hamburg ... 121
ArbeitSna cf) weife, görberung gemeinblicher
— burcf) bie Begierung in fünfter . 315
*—, ©emeinnüfcigfeit unb ©emeinfamfeit
ber —. Bon Saflor Mörlen 1118^-1117
— auf preufeifchen Bahnhöfen .... 571
—, ©ie Beamten bei fommunalen —. Bon
Stabtrath Dr. k. glefch. . . 986-989
—, Einheitliche oergleichenbe ©efchäftS-
ftaiiftif ber —. 1012
— unb BerpflegungSfiationen in Sreufeen 1012
—, Berbanb babifcher —.981
—, Berbanb beutfcher —; S^ütion, betr.
Ertaft oon ©elephongebühren ... 773
—, Bermehrung ber gemeinblichen — in
Bagern.419
—, Ausfchuhfifeung beS BerbanbeS beut¬
fcher . 544
—, Spegialifirung ber Arbeitsoermittelung
* in ftäbtifchen —.906
—, ©ie erfte Berfammlung beS BerbanbeS
beutfcher — in München. Bon Saul
Büfching.18—19
—, Serbinbung fiäbtifcfjer — in Englanb 179
— für Iätibltche Arbeiter in Sreufeen . . 856
—, Sroteft gegen bie Errichtung oott pari¬
tätifchen — .855
«patte
ArbeitSnachweife, Ardjio unb Bibliothet beS
BerbanbeS heutiger - in Serlin . . 488
ArbeitSnachwetSfieHe, Errichtung einer —
in ßiegnife ..233
—, Stäbtifche — Starms 1898 .... 709
ArbeitS- unb SBohnungSnacbwetS, Een-
tralanftalt für — in ©armftabt 1897/98 122
ArbeitS- unb StabnungSnachmeiSanftaft,
Allgemeine — in köln ..1129
ArbeitSorbnungen in Selgien.1176
—, ©ie redjtsfräftige Berlautbarung oon
— (in Defterreich).1175
ArbeitSrath, Achte Seffion beS oberften —
in granfreich.502
—, Beorganifation beS oberften — in
granfreich.1839
ArbeitSftatiftif, koften beS Amtes für —
in Defterreich.384
—, ©ie — unb bie gnbuftrtellen in Defter-
reich .. 898
— in Ungarn . ..1050
—, Bew-yorfer —.589
Arbeitsftatiftifche Erhebungen in Defterreich 697
*ArbeitsftatiftifcheS Amt unb ArbeitSbeirath
in Defterreich. Bon Dr. Emil ßoew 189—191
Arbeitsftreitigfeiten, Beilegung oon — auf
©runbber„Serföf)nungSafte <, in Englanb 829
— in Beu-SübmaleS, Beilegung oon — 1121
Arbeitstag, Schweigerifcher — in ßugern. 764
—, Urtheil eines ruffifchen gabrifanten über
ben achtftünbigen —.1075
*ArbeitSoerbältniffe ber kellner unb keüne-
rinnen, ©ie gefehliche Begelung ber —.
BonDr. Arthur Eohett. 1065—1068.
1094-1096
—, ßohn- unb — im beutfchen Maurer¬
gewerbe 1898 . 1817
— länblicher Arbeiter, ©efefc, betreffenb bie
— in Anhalt.784
— bei ben preu&ifchen Staatsbahnen . . 501
— auf Berliner Biefelfelbern.1348
—, ©aS Urtheil eines englifchen ©ewerf-
fchaftSfüljrerS über beutfcf>e — . . . 1312
—, Englifche Arbeiter über amerifanifche. 1870
— auf ben italienifchen Sahnen.... 1180
—, ©efefcliche Begelung berlanbwirthfchaft-
lichen — in Ungarn.1194
—, gabrifinfpeftion unb — in Ungarn . 818
— in Bu&lanb.876
—, Begelung ber — in ben hollänbifchen
Militärbäcfereien.507
— in Bewf)orf . ..1169
Arbeitsoermittelung,Arbeitsnachweis unb — 795
— im 3 i e 0 t er 9 c roerbe.682
— in ber Schuh* unb ßeberinbuftrie, ©ie
ßöfung ber g^reidfrage über bie — . 484
—/ gabrpreiSermä&igung für 3 lDf tf* *> cr
— in Württemberg.789
—, ©ie —, bie Unternehmer unb bie Arbeiter 980
—, ©ie — iit Defterreich.419
— in Steiermarf .. 122
—, Drganifation ber — in Ungarn . .1353
—, ßänbliche in Baben.990
— ogl. Arbeitsnachweis, Stellenoermitte-
ArbeitSoermitttungSamt, StäbtifcheS — in
Wien.652
ArbeitSoermittelungS-Statiftif in Defterreich 856
ArbeitSoermittlungSfteÜe, ©ie — ber Stabt
DSnabritcf.844
ArbeitSoerficherung, Dbligatorifcfje — für
©ienftboten in Wien.707
ArbeitSoertrag, ©er ©efefccntwurf über ben
— in Belgien. Bon Dr. ©ufiao
Ma^er. .. 273-275
—, ©efeftentwurf über ben — in ben Sieber-
lanben. Bon Dr. g. $. oan 3antett
1024—1025
— ogl. Arbeitsfontraft.
Arbeitswillige, Ein flaffifcheS ©ebiet ber
— (konfeftionSinbuftrie).754
—, Schuh ber — in Schweben . . . .1145
—z ©er Schuh — im preufjifchen Abgc-
orbnetenhaufe.ö6o
—, ©efeh gutn Schuhe .ber — in Schweben 619
*—, ©er Schuh ber — in Schweben. Bon
Dr. Ajel Baphael. 665 -668
VI
6palte
ÄrbeitSroiDige, ©efep mm 6cf>up ber — in
Schweben oerworfen.766
ArbeitSwilligenfchup, Umfrage bei Bunde«
ber 3nbuftrieIIen wegen bei —-. . . 1841
Arbeitszeit, Bie — in (Snglanb .... 501
—> 3 e $ n fiö n b*9 e — für öüe päbtifdjen Ar»
beiter in Stuttgart ....... 586
—, Borfdjciften über bie — in ©etreibe-
mühlen . 606. 647. 792. 852. 1084. 1J74
—, Berührung ber —. 97
—, Bie tägliche — in Deperreidj ... 279
— unb Arbeitsleistung im ©teinfohlen-
bergbau gu Stofpp.674
— ber Sugenblichen tn gabrifen ... 647
—, Siegelung ber — ber gugführer unb
feiger in granfreich.1180
— in $oHanb.1878
Arbeitszeiten, Beränberungen in Söhnen
unb — rofijrenb bei September« in
©nglanb . •. 92
—, Beränberungen ber Söhne unb — 1898
in (Snglanb.1844
Arbeitszeitung, Bie — bei öflrrreic^ifdgen
Arbeitsamte«.896
Archio ber parlamentarifchen Bof umente ber
britten Slepublif in Bari«.812
0rd^ix> unb Bibliothef bei Berbanbe« heut¬
iger ArbeitSnachweife in Berlin . . 488
Ärmenfreunbe, ©elferfommifpon ber Kieler
©efeflfchaft freiwilliger — 1878 — 1898 546
Ärmenfürforge, AlterSoerforgung unb Ar-
menförforge in (Snglanb.1178
Armenpflege unb WohÜhätigfeit, (Sine beut«
fdje (SentralpeÜe für —.629
-, 18. SahreSoerfammlung bei Ber«
eini für — . 21
— -, 19. gahreSoerfamtnlung bei 83er-
eini für —.1381
— unb ©emeinbewablrecht in Bremen . 194
—/ (Sinflufe ber Ärbeiteroerpcherung auf
bie öffentliche — in DSnabrücf . . . 407
Deffentliche — in Hamburg 1898 . . 1202
ÄrmenpflegfchaftSfongrep, Ber internatio¬
nale — 1900 in Bari« ...... 502
Armenunterftüpung, ©täbtifche — für ftrei-
fenbe Arbeiter in (Snglanb .... 780
Ärmenoerforgung, Alteripenfion patt — in
Sonbon.1881
Afptoerein, Berliner — für Dbba<hlofe 1898 628
AufpchtSbeamte, Bie Organifation unterer
— in ben preufeifdjen Bergmerten . . 540
Ausdehnung bei ©ropbetrieb« in Mann¬
heim . ..40
— ber UnfalloerPcherungipPi^t, gur — 1150
Auöfunftei, ©täbtifche — in Berlin . . 305
AuSfunftSbureau, ©täbtifche« — in Koburg 141
AuSfunftSfteüe, ©täbtifche — für bie ar«
beitenben Klaffen für B»f*n . . .68. 872
Auilänbifdje Arbeiter, Bie nationale ©ehr»
fraft unb bie Heranziehung — ... 1265
-, Bepeuerung — in granfreich 886.
446. 484. 756
-ogl. grembfpradfjlicbe Arbeiter.
Äuifperrung unb Streif ber gormer in
Öeipjig ..1054
—, Statutenmäßige — wegenUngehorfami 447
— ogl. ArbeiterauSfperrung, Maffenaui*
f perrung.
Auifperrungen wegen ber Maifeier. . . 881
—, ©treifi unb — in (Snglanb 1897 . . 199
—, ©treifi unb — in Bänemarf . 116. 1245
Auipanb ber Kohlenbergleute im $Icm?n«
fdjen ©runde. 1849. 1880
in ber Möbeltifchlerei oon ©chottlanb 45
im Batifer Baugewerbe ..... 95
ber ©ammetmeber in Krefeld 481. 691.
645. 765
— in ben (Sifenwerfen oon Se (Sreufot . 984
— ber Brünner Beytüarbeiter .... 988
—, Ber 83erfuch bei allgemeinen — in
granfreich im Dftober 1898. Bon
Octaoe ge ftp. 732—786
*— ber Maurer oor bem ©ewerbegericpt
ali ©inigungSamt, Ber —. Bon ga-
brifant 0. SB ei g er t . . . . 1069—1072
— ojjl. ArbeitSeinpeHung, Streif, Arbeit«»
fampfe, Arbeiterbewegung.
©palte
Auiftänbe bei Sfahrei 1898 in granfreich
unb bai ®efep über Bermittelung unb
Schiedsgerichte, Bie —. Bon Dctaoe
gepp. 1003—1004
BäcferauSßanb, Bropenber — in Berlin
147. 172. 565
Bäcferbewegung in Berlin . . . 868. 645
—/ 3 nr ~ in Beutfchlanb.590
Bäcfereiarbeiter, Bie — Berlini ... 264
Bäcfereien, Bolizeioerorbnung für — in
©traßburg i. <S.96
—, BoÜzeioerorbnung fö* Unterelfaß über
— .1084
—(Srhebung über bie Sonntagsruhe in
— Defterreichi. ..92
♦Bäcfereioerorbnung, Bie — in ber
Bon Brof. Dr. K. Dlbenberg . 987—945
Bäcfergemerbe, Bie Siegelung ber Arbeits¬
zeit im — ..568
—, ©ütlidje Bereinbarung zroifcßen Meifter
unb ©ebülfen im — Berlini ... 482
—, Mißftänbe im Brager — 337
—, ©anitäre Berhältniffe im — ©ien« . 981
, Bie 2ehrlingijüchtung im —. Bon
Brof. Dr. St. Dlbenberg . . . 25—30
Bätferinnung, Bai ©prechwefen ber Stutt¬
garter —.796
Bäcfer-3nnungen # (Sentraloerbanb beutfcher
— .225
Bäcfer-gnnungSoerbanb, 12. ©entraloer»
banbitag bei — „©ermania" . . . 1240
Bäcferftreif in ©icht für Berlin .... 565
—, 3ur Bermeibung bei Berliner — . . 283
— in München.850
—, (Snbe bei — in München .... 956
—, Beilegung bei — tn Kopenhagen . . 148
Bädferoerbanbitag in München .... 788
Bahnmartifrauen, Bie Sage ber — auf
ben franjöPfchen Bahnen.759
Banbmirferei, Bie — in unb um ©chwelm.
Bon #elene ©imon 878—875. 896—898
Barbier- unb grifeurgemerbe, ©egen bie
Sefjrlingigücbterei im —.223
Bauarbeiter, Bie beutfdjen — .... 288
—, (Srpebungen jum ©chupe ber — . . 73
—, Bie Sage ber — in Amperbam. Bon
Dr. ©uftao Map er.38—40
—, Ber Bauarbeiterfdjup unb bie — . . 927
—, ©chup für — in Augiburg .... 462
—, Sanbeipoligeiliche Berorbnung $nm
©chup ber — in Anhalt.842
—, Bolijeioerorbnung gum ©thupe ber —
im Unterelfap.1126
— Beutfcpe Unfalloerhütuugi • (Einrich¬
tungen auf ber Barifer SBeltauipeOung
unb bie —.1296
Bauarbeiterfongrefe in Berlin. . . 147. 889
Bauarbeiterfchup, Ber — unb bie Bau¬
arbeiter .927
*—, Bie Regierungen unb ber — in
Beutfchlanb. 751—754
— in Bapern.1246
Bauarbeiterfchup-KommifPon für Bapern. 792
Bauarbeiterfchup-Äongrejj.644
—, (Srfier beutfcper —. Bon @up. Baube
700-702
Bau«, <Srb« unb gewerbliche $ülf6arbeiter,
V. Berbanbatag ber — Beutfchlanb« . 590
Baubarlepne, gnoalibität«- unb Alter«oer«
Pcherung«anftalt Sth^tnprooin$, Sßh^e«-
bericht für 1898, ©runbfäpe für ©e«
Währung oon —.1202
Saugenoffenfchaften, Bierter Berbanb«tag
ber — Beutfchlanb«. . . . . . .1107
Baugefeflfcpaft, ©emeinnüpige — in ©trafj-
burg i. ©.1013
Baugefep, Ber ©ntwurf eine« allgemeinen
— für bas Königreich ©achfen. Bon
Dr. B&ul Boigt ..... 710—712
Baugewerbe, Arbeiterbewegung im — 171.
307. 1125
—, Arbeitgeber unb Arbeiter im Berliner — 736
€?alte
Baugewerbe, Arbeiterbewegung, griebenS«
fcplufe im —. Berhanblungen oor bem
©emeröegericht Berlin al« (Sini-
gungSamt. 1060—1062
—, 3um griebenSfchlup im Berliner — . 1082
—, 3m Berliner — .1101
—, Ber beutfdje Arbeitgeberbunb für ba«
—. 621. 676. 1199. 1240. 1378
—, SanbeSoerbanb Württemberg be« Ar*
beitgeberbunbe« im —.644
—, Arbeiterfcfjup im — in Bapern... 257
—, (Einführung oon ©ntlaffung«fcheinen
für bie Arbeiter be« gefammten Bau¬
gewerbe« . .281
—, Bie Stellung be« Kolonnenführer« unb
feiner ©ruppe im —. Born ©ewerbe«
richter Dr. ©djalborn . .. 1322—1824
—, Au« bem engüfchen —.692
—, Ber Kampf im engüfchen — . 622. 646
—, griebliche Beenbigung be« Arbeit«-
fampfe« im — (Englanbö . . . . . 985
—, Auöpanb im B<mfer —.95
—, Allgemeiner ÄuSpanb im Barifer —.
Bon g. ©chotthöfer.41—42
BaufrawaU oon Söbtau, Ba« Urtpeil in
bem —.531
Baumwoüinbuftrie, Arbeitslöhne in ber
inbifchen —.590
—, Bie Arbeiterfrage in ber amerifani«
fchen —.1318
Baumwoflfpiunereien, Uebereinfommen ber
öfterreicpifchen —, betreffenb eine Be*
triebseinfcpränfung.806
BaumrooOioeberei, Bereinbamng in ber
englifchen —.881
Bauorbnung, Mufter— für ba« Königreich
©achfen. 204-206
Bauorbnungen, 3 U * Sleform ber — . . 128
Bauten, Boüfteioerorbnungen jum ©chupe
ber Arbeiter auf —.1174
Bauunternehmer, ©oaialpolitifcpe Beftre-
bungen ber B^rifer —.889
Bnuoerein, Karlsruher Miether- unb — . 285
—, ©rünbung eine« gemeinnüpigen — in
©och.422
-, Sübecfer -.422
Bau- unb ©paroerein in (SuSfirchen . . 422
— „B^buftion" in Hamburg, Konfum«, — 547
Bauoereine, Minberung ber Wohnungsnot
burch —.828
Bau- unb ©paroereine in Hamburg unb
Umgegenb.261
Beaufpchtigung ber ©ruben bur^ Arbeiter¬
oertreter in ©ropbritannieu, granfreich
unb Belgien. 698—697
Beauftragte ber Unternehmer unb ber
Arbeiter, Konferenzen ber ©ewerbeauf-
pchtöbeamten mit —.201
Bebarf an RabrungSmitteln unb lanbwirth-
fchaftlichen B^obuften, Beutfchlanb« —.
Bon Dr. Baul Boigt. . . . 788—784
Bebienftete, gürforge für ftäbtifche — unb
Arbeiter in Mainj.729
Bebingte Begnadigung in Beutfchlanb . 496
Beenbigung be« KonPifte« |wifchen Arbeit¬
gebern unb Arbeitern in Bänemarf . . 1298
Beerbigung, Unentgeltliche — in Bhurgau 873
Begnadigung, Bebingte — in Beutfchlanb 496
— ogl. Berurtpeüung.
Beilegung eine« ©treif« in ber Schweiz . 687
Bclämpfung be« AlfoboliSmu«, (Erfolg ber
Bewegung zur — in Belgien ... 661
Belüftung ber beutfäjen Snbufirte burch
bie Arbeiter-BerPcherungS« unb ©chup»
gefepgebung.1318
Beleihungägrenze ber Berpcherung«anfialten
für Arbetterwopnungen unb Sungen-
heilftätten.17
Bergarbeiter, Sohnbewegung unter ben —
im Stuprfoplenreoier.43—70
—, AuSfianb ber — im Blouen’fchen
©runbe. 1849. 1380
—, ©ewerfoerein chriftlidjer — Beutfch¬
lanb« .414
—, Sohnbewegung ber — in ©achfen. . 503
VII
Spalte
Bergarbeiter, örfjefmngen über bic Sage
ber — in Deßerreicfj.685
—, Äongrefe ber englifdjen — . . . . 416
—, Saljreßfongrefe ber franjößfdjen — 809. 415
—, bie Sohnbewegung unter ben — beß
franjöftfchen horbreüicrß . . . 790. 851
— in Belgien.1199
— ogl Bergleute, ©rubenarbeiter, Seinen»
arbeiter, Bergbau, Kohlenbergbau,
Äoblenarbeiter.
Bergarbeiteraußßanb in Äleinroffeln 900. 925
Bergarbeiterbewegung, 3ur — in beutfch*
lanb. 10. 145. 258. 282. 867
—, §ur — im Königreich Sachfen . . . 448
—, $ur — in granfreich . . 957. 1029. 1088
Bergarbeiterfongrefe, 3*(N** internatio¬
naler —.»81. 954
Bergarbeiter-Krawatte, bie ferner —1082.
1100. 1125
Bergarbeiterlöhne in Vreufeen.258
—, Siegelung ber fd&ottifdjen — .... 769
Bergaröeiterfdjufe-gorberungen .... 46
Bergarbeiter-Streif in Sachfen . . . .1820
— in Belgien. 790. 846. 879. 901
—, hach bem — in ©übwaleß . . .46. 256
Bergarbeiteroerbanb in Sübwaleß ... 226
—, ©rünbung eine« eoangeliftfeen — . . 788
Bergarbeiteroerhältniffe in Spanien . . 981
Bergaufßchtßperfonal, Bewehrung beß —
in ^ßreufeen.891
Bergbau, Vereinbarung jwifdjen Unter- •
nehme™ unb Arbeitern im englifdjem — 11
bergbauliche gntereffen, herein für bie —
in SRfeetnlanb unb ©eftfalen .... 806
Bcrgbeljörben, Auß ben berieten ber
preu&ifcfeen — für 1898 ..... 1850
Bergleute, ©urmfranffeeit unter ben —
beß Stuhrreoierß.428
—, herein für bie bergbaulichen Sntereffen
in ©ffen unb ber ©emerfoerein «hä߬
licher —.644
— ogL Bergarbeiter.
BergpoIi$ei, Uebergang ber — im Bejirf
eineß fcfeleftfcfeen Väoatbergraerfregslß
an ben Staat.188
Berg werfe, herbot ber benufeung non
offenem Sidjt in ben preufeifdjen — .119
Bergwerfßbetrieb, herunglüctungen mit
töbjtlichemAußgangc beim — in Vreu&en
1897 . 786
Bergwertßinfpeftion, Außgeftaltung ber
preufeifcfeen —.96
—, Ärbeiteroertretung in ber preu&ifchen — 789
beriete ber preufeißhen Bergbehörben für
1898, Auß ben — ....... 1850
— ogl. ^a^redbertc^te.
Berichtigung.964
berufliche unb fojtale ©Iieberung beß
beutfcfeen Bolfeß, bie —.980
Berufßgenoffenfchaften, berbanbßtag ber
heutigen —.828
*—, bie Arbeiter-— in granfreich. hon
Dctaoe geftp. 1887—1889
berufßgenoffenfcfeaftlicbe Drganifation ber
Arbeiter unb bie ©entrumßparlet . .1264
Senifßgenoffenfcfeaftßtag in Äonftanj 1085. 1127
berufßgenoffenfchaftß-herbanb, ber — unb
bie örtlichen hentenfieÜen.794
Berufßftatiftif, Scferoebifcfee — 1870—97 . 642
Berufßoereine, ©efefeentwurf, betreffenb bie
eingetragenen —.406
, baß belgifcfee ©efefc über bie —. hon
Vrof. Dr. örneft SRahaim . . . 60—64
— ogl. Ärbeiterberufßoereine, Äoalitionß-
hereinß-, herfammlungßrecht.
berufßmechfel, ber öinßufe beß — auf ben
©efunbheitßjuftanb.1180
Befafeßeintnbuftrie, bie Sage in ber — beß
3fergebirgeß. hon Stöbert ißreufeler
698—700
Befcfeaftigung non Kinbern unb weib¬
lichen berfonen, bie franjößfche gabrif-
unb ©eroerbetnfpeftion über bie — . 1054
— frembfprachlicher Arbeiter im bort-
munber Bergamtßbejtrfe, herorbnung
über bie -.641
— ngl. örwerbßarbeit, Kinberarbett.
Spalte
befcfemerbebureauß für Arbeiterinnen, 3*h>* 870
an -n j _r.-w__ m _• vr; jr_ .
hefefeneränberungßabgabe, ©cmeinblicfee —
in hapern.140
— in SBürjburg. 9
befteuerung außldnbifcher Arbeiter in granf¬
reich . 886. 446. 484. 766
— ber STOafcfeinenfraft jum heften ber Ar¬
beiter in granfreich.619
— ber einfommenßeuerpßichtigen ©efett»
fchaften unb ©enoffenfcfeaften in breufeen,
©rtrag unb —. hon Dr. <5. f irfch-
berg ..484
Betriebßfranfenfaffeit, Streif in hemfdfeeib;
Drtßfranfenfafle unb —.197
betriebß- (gabrif-) Kranfenfaffen beß beut*
fchen heidjeß. % 842
betriebß- unb Siuhejeit ber ©ifenbafin-
betrlebßbeamten, Beßimmungen üoer
bie — in beutfcfelanb.1861
Betriebßunfätte im ößerreichifchen Äleitt-
geroerbe.873
— auf ben grofebritannifcfeen ©ifenbafenen 1180
Betriebßwerfftätten für brecfeßler in SBien 648
Bettelei, höttige Unterbrücfung ber — in j
granf reich.781
beumer, Dr., unb Dr. non hottenburg .
251. 559—560
bibliotfeef, Archin unb — beß herbanbeß
beutfcher Arbeitßnadfjweife.483
bifouterieinbuftrie, $außinbuftrie alß golge
beß Arbeitermangelß in ber Vfo*S*
heim er —.1169
Bilbergatterie, ©ine — für ©feitechapel 660
binnenfchiffer, Streif ber — in Siotterbam 765
*bißmarcf, ©ebanfen unb ©rinnerungen
non Otto gürß non —. hon V*of-
Dr. ©uft. SchmoIIer .... 209-218
bleioergiftungen in ber feramifchen 3n»
buftrie.768
*— in ber töpferet hon feien e Simon
1218—1218
Board of Trade, baß — alß ©inigungß-
amt.1229
bobenpolitif in Äiautfchou. hon Dr. V aul
hoigt. 825—826
bobenpreife in Äarlßrufee.165
— in brüffel. hon Dr. Ä. non 3Äan-
golbt. 420-421
böttchermeifter, berbanb ber gabrifanten
unb —.877
bopfott burcfe ein Äarteü.1268
— einer ©aßanftalt, Stabtifcher — . . 600
— beß „Sofalanjeigerß* in Berlin, Sefcer-
ftreif unb —.482
bopfottirung non Apothefen burdj Arbeiter*
franfenf affen.455
— non SSiener Apothefen.488
Brauereien, ber Arbeitßnachweiß ber —
in Berlin unb feine ©efcfeichte . . . 455
—, Ärbeitßnacfeineiß ber flum ^herein ber
Brauereien berlinß unb Untgegenb" ge¬
hörigen —.856
brauerftreif in granffurt a. SR.786
—, ©nbe beß — in granffurt a. 3Ä. . . 1054
Braugewerbe, ©egen leichtfertige Streifß
im — ju f amburg.48
briefträgerftreif, 24 Stunben — in Variß 926
buchbrucfer, berbanb beutfcher — . 603. 880
—, ©eneralnerfammlung beß herbanbeß
ber beutfcheu —.1058
—, ©in Sieg ber — in Berlin .... 646
—, Sefemafchinen unb — in ©nglanb . . 450
Bucbbruäereien, Staüftif ber Vctfonal- unb
Arbeüßnerhältniffe in ben — beutfch*
lanbß.758
—, ©emeinfame ©ingabe ber tariftreuen
Vringipale unb ©efeülfen ber — in feffen 586
buihbrucfergewerbe, ©emeinfamer Äampf
oon Vrinjipalen unb ©ehülfen im beut-
fchen — für bie Außbehnung ber Zarif-
gemeinfchaft.66
—/ bie barifbemegung im — beutfch-
Ianbß.219. 406
budjbrudfer-barifbewegung . . . 116. 172
bucfebrucferoerbanb, hom —.1126
Buchgewerbe, Äatholifche Bereinigung ber
Arbeiter beß — in granfreicfe ... 787
Spalte
bürßen* unb Vinfelinbuftrie, ©egen bie
feimarbeit in ber —.860
— ugl. hofehaarfpinnereten.
bunb ber SnbuftrieHen, Umfrage beß —
wegen beß Arbeitßwilligenfchuheß . .1341
— ößerreichifcfeer gnbuftrieller .... 281
CT.
©entralaußfchufe faufmänntfcher, gewerb¬
licher unb ittbußrieDer hereine, ©entral-
oerein für Arbeitßnachweiß in Berlin
unb —.. 288
©entralfaffe ber eoangelißhen Arbeitern^
eine in hapern.. . 74
©entralftelle für Arbeiter - SBohlfahrtßein-
richtungen.. 796
—, Ad&te Äonferenj ber — in Stuttgart . 981
— für bie Äontrole ber SBohlthätigfeitß-
pßege in Berlin.284
— für Ärmenpßege unb SBoblthätigfeit,
©ine beutfcfee —.629
©entraloerbanb ber beutfchen Stucfateure,
öipfer 2 C..226
— ber fanbeiß-, Xranßport- unb herfehrß-
arbeiter beutfchlanb ....... 867
— beutfcher gnbußrieüer unb ber Ärbeitß-
nadjweiß.. 989
— chrißlicher SRaurer.1819
— ber ßäbtifchen f auß- unb ©runbbeßfeer-
hereine, 21. berbanbßtag beß — . . 1227
©entraloerbanbßtag beutfcher Bäder-In¬
nungen .225
©entraloerein für baß SBohl ber arbeiten*
ben Jtlaffen 1898 . 894
©hambrun, ©raf —, ber Stifter beß Musöo
Social in Variß t.529
©hrißli<h s fojiale Bewegung in grcmfreich 499
— Korporationen, Sntrrnationaler Äon*
grefe ber —.789
©häßlich* ©aßhofßgehülfen, Berufßoer-
ein —.72
— ©ewerfoereine, 3 ut ©rünbung — . . 899
©häßlicher ©ewerffcfeaftßfongrefe, ©rßer — 787
— SRaureroerbanb beutfchlanbß . . .1178
©i g arren auß in b u ft r ie v gut Regelung
ber -.678
*—, bie gefefeliche Regelung ber —. hon
Vaßor a. b. Äöfefcbfe . . . 681—682
—, bie gefefelidje Siegelung ber —. hon
©bgar 3affd . 978—980
©igarreninbußrie, petitton um Siegelung
ber f außarbeit in ber —.444
©omeniuß-©efelIf<haft unb ßäbtifche Sefe»
hatten . ..774
benffcferift, ©ine —, wie ße nicht fein
fott!. 999—1000
biamantarbeiter, feimarbeit ber — in
Ämfterbam.461
biamantarbeiterbunb in Amßerbam . . 984
bienft- unb Sohnoerhaltniffe ber ftäbtifchen
Arbeiter in SRannheim, bie Siegelung
ber —.. . 671. 1002
bienßboten, Alterßoerforgung für weibliche
— in Deßerretch.120
—, ogl. ©eßnbe, f außgeßnbe.
bienftbotenoermittelung, Arbeitßnadjweiß
unb —.76
bienßboten-berfammlungen in Berlin . . 1248
bienftoertrag, 3nmng jur ©rfüttung
eineß — . 784
bodarbeiter, bie — in Belgien .... 789
brechßlev Betrtebßwerfßätten für — in
SBien !.648
brof<bfenfutf<her,berIiner — im bajameter*
Betrieb . . . :.307
©igenbetrieb, Stäbtifcher — ber Vferbe-
bahn in Amßerbam. 6 8
©igenbetrie%e, Stäbtifche — in ©nglanb 112
VIII
Spalte
©inigungöamt beS ©eroerbegericßtS Berlin,
(Sin ©tocfarbeiter-AuSftanb oor bem —.
Bon gabrifant 0. Steigert . . 298—294
*—, Bie obligatorifcße Anrufung beS @e-
roerbegeridjts als — in ArbeitSfämpfen.
Bon gabrifant 0. Steigert . . 917—920
—, griebenSfdjluß im Baugewerbe. Ber-
ßanblungen oor bem ©eroerbegericßt
«erlin als —. 1060-1062
— beS ©eroerbegericßtS, Ber ©treif ber
Berliner ©teinarBeiter unb bas —. Bon
HÄ. t>. ©djulg, Borfiß. b. ©eroerbe-
gericßts Berlin. 1299—1802
—, BaS Board of Trade als — . . . . 1229
— im englifcßen Kohlenbergbau .... 325
—, Sonboner —.1018
— in ber englifcßen Rßeberei.294
—, ogl. ©cßiebigertdjt, BerfößnungSämt,
Bermittelung.
•©inigungsämter, Bie ©eroerbegericßte als
— unb bie geroerffcßaftlidjen Bereini¬
gungen ber beutfeßen Arbeiter. Bon
Br. «oerfcß. 494—496
—, $roteft oon Unternehmern gegen — . 984
—, ©in FonferoaüoeS Urt^etl über — .618
— in Belgien. 251.1229
—, ©efeßentrourf, betreffenb — in Senf . 574
—, ©treifs unb — in granfreidj 1898 . 1174
—, 0bligatorifcße — in granfreidj. 461. 910
— bei englitten Hanbelsfammern . . . 849
— unb ©ifeninbuftrie in önglanb . . . 1014
— unb ©djiebSgeritßte tn önglanb . . 674
— unb ©cßiebSgericßte in Reufeelanb
1897/98 . 829
©inigungSamtlidje ober fcßiebSgeritßtlicße
Söfung oon ArbeitSfireiügfeiten, Reuer-
lidje gaffe oon — in ©nglanb . . . 934
©inigungSoerfaßren, 0bligatorifdjeS — in
granfreicß.1856
©inigungSoerßanblungen groifdjc?!i ben Ar¬
beitern unb Arbeitgebern im gimmerer-
geroerbe in Berlin.. 1206
©infommenfteuer, ©infüßrung ber pro-
greffioen — in granfreicß.89
©infommenSoertßeilung, Bie — in Ham¬
burg. Bon Dr. ©. Bfingftßorn 141—144
©in- unb BerfaufSoereinigung, ©ine
HÄüIIer—. Bon Dr. K. HBiebenfelb
699—600
©ifenbaBn ogl. ©taatöbaßn.
©ifenbaBnarbeiter, Ber mißglücfte ©treiF
ber frangößfcßen —.95
—, Außerorbentließer Kongreß fransöftfcßer
— .451
—, SÄinimallößne für belgifcBe — . . . 253
—, Unfälle ber — in önglanb .... 1851
—, Stalienifcße —.174
—, AlterSoerforgung ber — in Ungarn . 854
—, Soßne ber fcßroeijerifdjen —. . . .1170
— in ben Bereinigten ©taaten .... 1206
— ogl. ©ifenbaBner.
©ifenbaßnarbeiterfcßuß in Hollanb ... 707
— in Defterreicß. 842. 641
©ifenbaßnarbeiter-Statiftif, Amerifanifdje — 887
©ijenbaßnarbeiteroerhältniffe in öuropa
unb Amerifa . ..».786
©ifenbaßnbeamte, Bie ©efunbBeit ber
unteren —.40
©ifenbaßnbebienftete, Befcßäftigung in*
oaliber — in Sßreußen.796
©ifenbaßubetriebsbeamte, Beftimmungen
über bie Betriebs- unb Rußegeit ber —
in Beutfcßlanb.619. 1861
©ifenbaßneu, ©onntagSruBe auf ben
frangöfifcßen —.606
—, Betriebsunfälle auf ben großbritannt-
Men —.1180
—, ÄrbeitSoerBältnijfe auf ben italie-
nifcßen —.1180
—, ogl. ©taatSbaBnen.
©ifenbaBner, ©ogialbemofratifcße — beim
öfterreicßifcßen ©ifenbaBnntinifier . . 172
—, HSoBnungSoerßältniffe ber — in Bagern 421
—, BereinSoerbanb ber englifcßen — . . 44
©ifenbaßner-Beroegung.98—94
— in granfreicß ..... 666. 816. 901
©ifenbaBner-Berbanb, «apertfcßer — 42. 677
Spalte
öifenbaBnperfonal, Ueberna<BtungS- unb
ÄufentßaltSräume für baS — . . . 628
©ifenbaßn-Rangirarbeiter, ©treif oon —
in ©rfurt.565
©ifenbaBnfparfaffen in ©nglanb .... 508
©ifenbaßntarifreform in ©cßroeben ... 168
*©ifenbaßnoerroaltung, Bie HÄetßobe ber
Soßnarbeiter-Statiftif berpreußifcßen —.
Bon Dr. ö. Hirfdjberg . . . 998—999
öifenbaBnroefen, Adjtftunbentag im —
BagernS.886
©ifeninbuftrie, ©inigungSämter unb — in
©nglanb.1014
—, Arbeitslöhne in ber belgifdjen — . . 223
©ifeninbuftrielle, Arbeitsnachweis ber —
in Hamburg ..883
öleftrifdje Beleuchtung, Ißrtoate unb Font-
munale — in Sonbon.686
©Ieftrigität, ®aS unb — in ben ©täbten 662
©leftrigitätSroerf, ©täbtifcßeS — in$eiltgen-
ftabt.1146
©leftrigjtätSroerfe, ©täbtifdje . . . 194. 499
— in mittleren unb Heineren ©täbten
BeutfcBlanbS. 1076
—, Ber Bertrag ber ©tabt Berlin mit
ben —.169—171
©lementarMulen, Unregelmäßiger Befucß
ber — in Sonbon.157
— ogl. ©cßulen, BolfSfcBuIen.
Engineering Employer’s Federation in
©nglanb.225
©nquete für eine AlterSoerjtcßerung in
Belgien.288
— über fommunale Unternehmungen in
Italien.642
— ogl. ©rhebung, Unterfudjung.
©ntgegnung (betr. ©tocfarbeiter-AuSftanb) 430
©ntlaffungsfcßeinc, ©inführung oon — für
bie Arbeiter beS gefammten Baugewerbes 281
©ntmünbigung megen Brunffudjt . . . 618
©rbarbciter, ©treif ber — oon Baris . . 12
©rb* unb gewerbliche HülfSarbeiter, V. Ber-
banbstag ber Bau-, — BeutfcßlanbS . 590
©rfrifeßungsräume in ben «oftbienftlofalen 895
©rBebung über bie Befcßäftigung oer-
BeiratBeter grauen in gabrifen . . . 148
— beS BereinS für ©ogialpolitif über bie
BerBältniffe ber AngeficHten ber BerfeßrS*
anftalten.10
©rhebungen, Amtliche — über ArbeitS-
fämpfe in Preußen.1048
— ogl. ©treifftatiftif.
— über ben ©efunbßeitSguftanb beS Boft-
unb^elegrapijenperfonalSinBeutfcßlanb 258
— über bie Sage ber Heimarbeiter in
0efterreicfj.664
—, Arbeiterftatiftifche — in Oefierreicß . 697
— 2 ,um ©thuße ber Bauarbeiter .... 73
— über bie Sage ber Arbeiterinnen im
graphißhen ©eioerbe.10
©rntearbeiter, ogl. Sanbarbeiter, gelb¬
ar beiter.
©rrießtung eines ©etoer6egeri<htS in SBein-
Beim, Ablehnung ber —.717
örtoerbSarbeit ber Sfinber, Befchränfung
ber — in ©nglanb.. . 1025
— ber Karlsruher BolfSfdhulfinber. . . 1267
— junger SÄäbthen, Berfdjiebung in ber — 1170
— ber Äinber ogl. ©eioerbliche Beifü¬
gung oon Kinbern, Kinberarbeit, Soßn-
arbeit oonKinbern, Kinber, ©chulfinber.
©rroerbs- unb HBirtfchaftSgenoffenfcBaften,
©tatiftif ber —.1158
©rjiehungSanftalt für fojiale Arbeit in
Ämfterbam.1060
©rjiehungsbeiratB fürfchulentlaffeneSBaifen
in Berlin, greiroiDiger — . . . 572. 1109
*ötatsbebatte, Bie ©ojialreform in ber
— beS beutfeßen Reichstags. Bon
Dr. ©rnft granefe. 298—801
©oangelifche Arbeiteroereine, ©efammt-
oerbanb ber — BeutfcBlanbS ... 42
-, Belegirtenoerfammlung beS ©efammt-
oerbanbeS ber — BeutfcBlanbS . . . 621
-, Kongreß ber — in Altona ... 955
©oangelifcher Bergarbeiteroerbanb, ©rün-
bung eines —.788
6paltt
©oangelifch-fogialer Kongreß, Ber — in
Kiel. 362. 894. 945
•öjport unbKuItur. BonBrof.Dr.SBerner
©ombart. 834—840
*öjportinbuftrie, Snbuftrieftaat unb —.
Bon jprof. Dr. K. Clbenberg . 745—748
* ff ©jportinbuftrieftaat", ©ntroicfeln mir uns
jum — ? Bon Brof. Dr. SB. ©ombart
633-687
*—, ©ntroicfeln rolr uns jum — ? Bon
Dr. ©alther BorgiuS . . . 748—751
8 .
gabrifanten, Bereinigung oon — in Kre»
felb gegen ©treifS.281
„gabrifantenglüc!", greefeS ©chrift — 963
gabrifantenfqnbifate, Arbeiteroerbänbe
unb —.275
gabrifen- unb ©eroerbe-^nfpeftoren, Bie
SaBreSberichte ber — BapernS für 1898 538
-, Konferenz ber baperifchen — . 1176
♦gabrifgefeßgebung, Reform ber — in
©nglanb. Bon g. ©. ©alton . 918—917
gabrifinfpeftion, Ber SaßreSbericht ber
babifdjen — für 1898 . . . . 622—625
—, AuS bem gahreSberichte ber — für
HÄeiningen 1898 . *853
—; gortfeßritte ber weiblichen — in Beutfd^-
lanb.1371
— in Belgien im gaßre 1897 .... 606
—, Reuerung in ber euglifeßen — . . . 46
— in Ungarn.16
— unb ArbeitSoerßältniffe in Ungarn. . 818
— ogl. ©eroerbeinfpeftion, ©eroerbeauffteßt,
ArbeitSinfpeftion.
gabrif- unb ©eroerbeinfpeftion, Bie fran-
göjifdje — über bie Befcßäftigung oon
Kinbern unb roeiblicßen B ? tf° nen • • 1054
gabrifinfpeftor, SahreSbericßt beS — im
gürftrntßum ©cßroargburg - Rubolftabt
für 1898 . 817
gabrifinfpeftoren, Ber 3aB* e $bericßt ber
—, HBaßl oon — in granfreidj .... 891
—, SSeiblicße — in Br™&™ . . . . ■ . 770
—, SSetblidje — in Rußlanb.228
—, Bie grage ber roeiblicßen — in ber
©djroeij.648
gabrifinfpeftorin, Bie erfte — in ben Rie-
berlanben.16
gabrifinfpeftorinnen, KurfuS für bie AuS-
bilbung oon — in ©tuttgart . . . 175
— in SBeimar.1084
— in ©nglanb.668
gabrif-Kranfenfaffen beS Beutfeßen Reiches 842
gabrifiparfaffen in granfreidj .... 772
gahrpreisermäßigung für 3ro e< * e 6er Ar-
beitSoermittlung tn ffiürtiemberg . . 739
Fair Wages in Hollanb bei Regierungs¬
bauten .685
-in ©nglanb.686
-in Aberbeen.500
-in öffentlichen Berträgen in ©cßott-
Ianb.813
— ogl HÄinbefilößne, HÄinimallößne.
gaßfabrifanten, Berbanb ber — unb
Böttdjermeifter.877
gelbarbeiter, Bie — in Ungarn . . .11. 926
— ogl. Sanbarbeiter.
gerienaufentßalt für ©tabtfinber auf bem
Sanbe.1277
geftumoefen, Btoteft gegen baS — . . . 67
— ogl. Suftbarfeiten.
geueroerfteßerung, Kommunale — in öng¬
lanb .663
gormrr, AuSfperrung unb ©treif ber —
n _ 1 rkc i man
—, ÖrganifaüonSbeftrebungen ber — . . 199
—, 3ur Sage ber — in granfreidj. . . 1200
gortbilbungS - Abenbfcßulen, Bewegung
gegen bte — in önglanb ..... 1260
gortbilbungStcßule, Obligatorifdje — in
HÄagbeburg.861
IX
©paltf i
gortbilbungßfcbulcu.1157 i
—, Außbilbung oon Bolfßfcbullebreru für |
ben Unterricht an IäubKdjen —. . . 1205,
—, Unterweifung in ben Arbeiteroertcbf» '
rungß«@efefeen in bcn — 311 Nürnberg 797 |
gortbilbungßfcbulunterridjt, Sine ©tatiftif
über bcn obligatorifdjcn — in bcn preu»
fetfcben ©robfiabten. Bon Dr. Bubolplj
©räfcer. 320-321 |
gortbilbungßfcbulmefeu, ^övbcrung bcö ge- 1
werblidjen — in Bauten. 797 1
gortbilbungßfdjularoang in Breu&en . . 1355
gortbilbungß* unb §au$baltungßfcbulen
im Bwu&ifcben Abgeorbnctenbaufe;
©tatiftif. 659'
grauen, Erhebung über bie Befdjäftiguug I
oerheiratfjeter — in gabrifen . . . 148
—, äeine — alß ©emeinbewaifenräthe in
Brennen. 1076 1
—, gulaffung ber — ju ben mebijinifeben 1
Prüfungen in Deutfchlanb.812 |
— in ben ©djulfommiftonen oon Bern . 1290 1
—, Die 3»Iaffung ber — aur Bechtßanroalt* |
Waft in granfreidj.1075
grauenarbeit in gabrifen.1145 j
grauenerweib, Bene §außinbufirie alß — 410 1
grauen», gugcnblichen» unb Äinberarbeit, i
©tatiftif ber — in gabrifen .... 278
grauen» unb Äfinberarbeit, ©djufe ber —
in granfreich. 445. 1274
-, Regelung ber — in Stalien . 928
grauenfiubium, Daß — im Beidjßtage . 459
— an ben beutfdjen Unioerftiaten . . . 713
grauenoercin, Die „£>außpflrge" beß Ber¬
liner —.628
grauenoereine, Die 3. ©cneraloerfammlung
beß Bunbeß beutfdjer —.53
greibäber für ©chulfiuber.1033
greilefehaflen in Englanb.157
— ogl. Bolfßlefehaflen, Sefeljaßen.
grembfpra^Iii^e Arbeiter in Bheinlanb»
SBeftfaleu. 252. 541. 1291
-, Berorbnung über bie Bewältigung
— im Dortmunber Bergamt 8 bejirf . 541
-ogl. Außlänbifche Arbeiter.
Friendly Societies in Englanb 1897 . . 817
-, Unterftüfcung ber — burd) ben ©raf»
fdjaftßratb in 1248
— — unb Shop Clubs in Englanb . . 772
-in Auftralicn.50
grifeurgemerbe, ©egen bie 2 e§rling 8 $ücf)terei
im Barbier» unb —.223
gürforge für Arbeitßlofe in ißreufjen 812. 921
— für fraufe Arbeiter, Bereinigung aur
— in Seipjig.932
— für fiäbtif<|e Bebienfiete unb Arbeiter
in SBaina.729
—, ©ojiale — ber ©tabt ©trafjburg . . 730
— ogl. Ärbeiterfürforge
♦giirfl oon Bißmarcf, ©ebanfen unb Er¬
innerungen oon —. Bon $rof. Dr.
©uft. ©demolier. 209-218
©aßanfialt, ©täbtifdjer Bopfott einer — . 5G0
©aß unb Eleftriaität in ben ©täbten . . 562
@aft§of$geplfen,Beruf 8 oerein djriftlicher— 72
©afiroirtbßgeroerbe, ©tellenoermittelung
im — au ©tuttgart.509
—, ©efejjlidje Siegelung ber Arbeitßoer»
oerbältniffe im — unb bie organifirten
©aftwirthßgehülfen.1127
* ©ebanfen unb Erinnerungen oon Otto
gürft oon Bißmarcf. Bon Brof. Dr.
©uft. ©djmoller. 209-218
©efängni&arbeii, Beform ber — in granf«
reich.661
©emeinbe ogl Äommune.
©emeinbearbeiter. Die Bewegung ber —.
®on Bruno Boerfch .... 877—879
—, Adjtftunbentag für —.563
—, Alterßpenfionen für bie — in Buri* . 1077
—, ogl ©täbtifdje Arbeiter.
©emetnbeaufioanb, Reifung beß —. . . 305
Spalte
©emeinbebcamte, Alterßoerforgung oon —
in ©laßgoro unb Dartmoutf).... 950
— ogl.'Äfommuualbeamte.
©emeinbeprogramm, ©ojialbemofratifif)c 8
— in ©achfen.672
©emeinberätbe, ÄBeibliche ©tobt» unb —
in Englanb. 1003 i
— in Englaub, baß Obcxhauß gegen meib» I
liebe -. 1077 ;
©emeinbeoertreter, Äonferena foaialbemo» |
fratifeber — ber Brooina Branbenburg 365
—, gntereffenfonflifte oon — in Slijborf 785 j
—, Erfte flonferena ber foaialbemofratifdjen
— SBürttembergß.758
©emeinbewahlen,©oaialbemofratifcheßBro'
gramm für bie —.277
©emeinberooljlrechi, Befcbränfungen beß —
in ©adjfen.277
—, Armenpflege unb — in Bremen . . 194
©emeinberoaifenrätbe, Äfeine grauen als
— in Breu&fti.107G
©enicinnüfeige Anlagen ber gnoalibenoer*
fuberungsanftalten im gabre 1898.
Bon $. §orn. 648 - 649
General-Federation of Trades . . . 389 1320
©eneralftreif, Erneute Borbercitungen aum
— in granfreidj.638
—, SBifeglücfen beß — in granfreich. Bon
g. ©djottböfer.69-70
©eneraloerfammlung beß ©eweifoereinß
ber beutfdjen ©tuhlarbeitcr ( 2 ejtil- -
arbeiter), 10. orbenllicbe — .... 788
— ber Äatfjolifeu Deutfdjlanbß, bie ©oaial»
politif auf ber —.1288
©enefungßbeim, Daß erfte — in Baben . 460
©enefungßheime in Baben. 236 j
— ogl. £>eilftätten, Bolfßheilflätten, Sun«
genbeilftätten.
©enoffenWafteu, Die eingetragenen — in
Breufeen. 1*0
—, Ertrag unb Beteuerung ber einfont»
menfteuerpfliebtigeu ©efellfcbaften unb
— inBreufeen. Bon Dr.E. |>irf cb berg 484
—, $)ie ftarfeSunabmcberlanbioirtbfcbuft*
Iidjen — in S)eutfcblanb.547
—, ©oaialpolitiWe Seiftungen ber beutfeben
lanbn)irtbfcbufil<h«i — Bon Dr. St.
2bie&.510-514
, Sanbroirtblcbaftlidbe — unb lanbioirtb-
fibaftlicb benupte Bobeufläcbe in ben
beutfeben BunbeSftaaten.1226
—, Beteiligung ber — au ber B ar if e *
SBeltaiiSfleßung.1227
—, ftongrefi ber foaialiftifcben — Belgiens 180
—, 2)ie — in Englanb 1897 . 816
©enoffenfcbaftlicbe BerfaufSbäufer in §am»
bürg.742
©enoffenfcbaftsbilbuug, Anregung beS
Äleinbanbels a wr — bureb $anbel$=
fammern.179
©enoffenfebaftsbunb, ©djioeiaeriWer — 514, 601
©enoffenfcbaftS-Beftaurant in 5)ijon . . 547
©enoffenfcbaftStag, S)eutfdber Iaubioirtl)»
fcbaftlidber — oon 1899 1153
—, 40. Allgemeiner — au Berlin . . . 1203
©enoffenfdjaftSmefcn, ^internationaler Äon*
grefj für länblicbeS — 1900 . .
—, günfaig Sabre beutfcbeS — . . .
—, 3DaS lanbtoirtbfdjaftlicbe — im ©rofj
beraogtbum Reffen 1873—1898 . .
^a« — in Stalieit 1898 ....
©efammtoerbanb beutWer äftetallinbu>
ftrießer.
©efebäftsberiebt, 2 )er — beS BeidjS-Bir*
fWerungSamtS für ba« gabr 1898.
Bon ©tabtratb^. 0 . granfenberg 680—682
©efd)enfe unb ©tiftungeu an Arbeiter unb
an bie unbemittelten BolfSflaffcu . .
— ogl. — ©penben, Stiftungen, Ber«
mäebtuiffe.
©efebübte Arbeiterfategorien, Bertbciluug
ber — auf bie oerWiebenen gnbuftrieu
in Br^ufeen.
©cfellWaft für Berbrcitung oon BolfS-
bilbung.933
— freiwilliger Armenfreunbe, #elferfom»
mifflon ber Vieler — 1873 bi« 1898 . 546
1059
857
1204
1153
732
82 4
1290
Spalte
©cfeDWaften unb ©euoffenfdjaften, Ertrag
unb Beteuerung ber einfommenfteuer»
ppitbiigcit — in Bauten. Bon Dr. E.
§irfdjberg.484
*@efefc sunt SdjufebeS gewerblicbcnArbeitS«
oerbältniffeS, ^5roteft ber Arbeitgeber»
unbArbeitnebmer»Beifiber beS ©ewerbe»
geriibtS Berlin gegen baS — 1021—1023
—, S)er bagerifebe ®anbwerlertag unb
baß —.1369
— betreffeub bie ©idjerljeit unb ©efunb»
beit ber in inbuftrieHen unb faufmän»
nifdjen Unternehmungen befdjäftigten
Arbeiter, Belgifcbeß —.1001
— über bie Arbeit erwadjfener Scanner in
ben SRicberlanben, Entwurf eineß —.
Bon Dr. g. oan 3uulcn . 803—304
©efefcentwurf über Anftcßung unb Ber-
forguug ber jfommunalbeamten,
Breu&ifdjer —.757
— über bcu Arbeitßoertrag in ben Bieber»
Ianbcn. Bon Dr. 3 . $. oan 3unteit
1024—1025
©efmbe, $)er Bertragßbruib beß —. Bon
Becbtßanmalt Dr. S. gulb . . 360 — 361
— ogl. §außgefinbe, $)icnftboten.
©etubeoermiclberunbSteßeuoermittlcrnacb
ber Booeße aur ©ewerbeorbnung 650—652
©efmbeocrlrag, ^Scrfönltc^cr 3u>ang aur
Erfüflung beß —. 1340
©cfunbljeitßtiifpeftorinneu, ©täbtif<be —
in Englanb. 797, 966
—, ©täbtifebe — in Birmingham . 686. 1195
— ogl. Htalth Visitors.
©efunbhcUßauftunb, $er Eintut beß Be¬
rufs wedjfelß auf ben —.1130
©ctreibcmühlcn, Begelung ber Arbeitßaeit
in — . . 505. 647. 792. 862. 1084. 1174
—, ©utadjten ber Äommilfion für Arbeiter«
ftatiftif, betr. bie Begelung ber Arbeit߬
aeit in —.567
©emaltpolitifcr, ©oaialreformcr unb — in
S)eutfd)lanb.694
*®eioerbeauffubt, ^)ie - in B««&cu 1898 -
Bon ®. Staube. 1809—1312
— in ©ürttemberg.959
—, SBeiblidje Äftt^na bei ber — in SBürt*
teniberg.541
—, $ie — in SRedlenburg 1898 . . . 903
— unb Drtßpoliaei.1031
— unb weibliche BJittelßperfouen in Berlin 451
—, Die — in Elfab-Sothringen im 3«bre
1898. Bon Dr. El. ®ei&. * 1146-1149
—, Die — in granfreidj 1897. Bon
g. ©tboüboefer. 902-903
— ogl. ©ewerbeinfpeftion, gabeifinfpeftion,
Arbeitßinfpeftion.
©ewerbeauftdjtßbejmte, Bermebrung ber
1 — in Breufeen.451
' —, Äouferenaen preufeiWer — .... 341
( —, Jfonfcrena ber — in Breßlau ... 369
—, Antrag auf Änfteßung weiblicher —
in Breufjen.625
| Äonferenaen ber — mit Beauftragten
, ber Unternehmer unb ber Arbeiter . 201
| —, Äonferena ber baperifchen — . . . 175
i —, Die gahreßberiebte ber — in SBürttem»
i berg für 1898 766—769
©ewerbebeauffidjtigung, bic Ungleichartig»
1 feit ber — in Deutfcblanb .... 809
! ©ewerbegeriebt, Ablehnung ber Errichtung
eineß — in äBcitiheim.717
*—, Die obligatorifdje Anrufung beß —
alß Eiuigungßamt in Arbeitßfäntpfen.
; Bon gabrifant 0. SSeigert . . 917—920
; —, Safjre 8 bcrid)t beß Bereinß ber Arbeit«
geber*Beit&er beß — Berlin 1898 . . 460
— alß Eiuigungßamt, Daß Berliner — . 46<»
*— alß Einignngßamt/ Anßftanb ber
SBnurcr oor bem —. Bon gabiifant
i D. SSeigert. 1069-1072
-, Ein — ein Unbing!.573
— Berlin, HJZittljeilungen beß — . 1033—1038
1130-1134. 1251—1251. 1322-1826
—, Ueber bie Bedjtfpredjuug beß — au
1 Berlin. Born Borftfeenben beß ©ewerbe«
! geridjtß Berlin SB. 0 . ©chula . 322-325
X
©eroerbegericßte, (Sin Beitrag jur Kont*
petenjerweiterung ber —. Bon 9R. o.
©tfjula, Borfißenbem be« ©etoerbe*
geric^td Berlin. 428-
—, Nocßmal« ein Beitrag jur Kompetenj*
erroeiterung bcr —. Bon 3R. o. ©cßulj,
®ewerffcßaft«fommiffion, Organ ber öfter*
reicßifcßen —.
®eioerffcßaft«Fougrfß, Allgemeiner bent=
fcßer -.' • - .
—, ©rfter c^riflücfjer —
—, ©alMtfdjer —.
Sorjlß. b. ©eroerbegeridjt« Berlin 714—717 i *©ewerffd)aft«organifationeH, Baritätifcbe
Die — al« ©inigung«ämter unb bie I —. Bon Bruno Ißofrfc^ . . 1117 —
getoerffcßaftlicßen Bereiniaungen ber | ©eroerficßaft«politif.
beutfdjen Arbeiter. Bon Br.Boerfcß494—496 ©eioerficßaftSüerein, 3aßre«bericßt be« —
, Au«geftaltung ber —; Anträge im HRündjcn.
Neicß«tage. 578 ©ewerfoerein d^riftli^er Bergleute, herein
, Dienftaufficßt über bie ©efcßäft«* für bie bergbauließen 3«^^effen in
füßrung ber — in Breußen . . . .1013 ©ffen unb ber —.
für bie bergbaulichen 3ntereffen in
©ffen unb ber —.
—, Reform ber — in granfcricß • 326. 1254 ©eroerfoereine, Serbaitb«ßau« ber beutfcßen
—, Nationaler Kongreß ber Arbeiterbei» — in Berlin.
fißer in ben franjöfifcßen — . . . . 1205 —, Petition ber — um Berbefferung be«
©eroerbegeri<ßt«gefeß, Abänberungen be« ©eroerbrgcridjtögefefee«.
— in ber Neicß«tag«fommiffion 661. 909 —, gur ©runbuug cßrifllicßer —- . . .
—, Petition ber ©eroerfoereine um Ser* i —, Die englifcßen — im 3aßre 1897 • •
befferung be« —. 429 —, Bon ben englifcßen —.
©eroerbebggiene, Die — unb bie SRebijinal* — unb SRinifter in önglanb.
bebörben in $reu&en.174 , Begebungen ber — in ©nglanb. Sott
©eioerbeinfpeftion in Neuß j. ß. . . . 810 g SB. ©alton.86-
—, 3aßre«bericßt ber ßeffifcßen — . 957—959 — ogl. Drabe Union«.
— in Defterreicß. 284 ®eroerFoerein«beroegung, Au« ber eng*
—, Die — in Defterreicß. Bon Dr. ©mil j lifcßeu —. 72. 95.
Soero. 1007—1009 i ©eroeifoereingbunb, Der neue — in ©ng-
—, Die Senate ber — im Königreich | lanb. Bon ©meft Aoe« . . 478—
©acßfen für ba« Saßr 1898 .... 1030 I ©eroerfoercinsfongreß, ©cßottifcßer — . .
—, Au«geftaltung ber öfterreichifchen - . 506 — in BUjmoutf) 1083. 1270. 1294. 1346 1
— in Neufiibroale«. 16
— ogl. gabrifinfpeftion, ©eroerbeaufftcßt,
ArbeitSinfpeftoren.
©eroerbeinfpeftoren, Attroeifung für bie —
in Bagern.452
©eroerbeorbnung, Nooelle jur Deutfchen — 616
@eroerbeorbnung«*NooelIe, Neicß«tag«oer*
hanblungen über bie — . . . 808—811
—, Abänberungen ber — in ber Neicß«*
tag«Fommiffion.882
— ogl. Umfaßfteuer.
©eroerbcumfaßfteuer in DrcSbcn .... 37
— ogl. Umfaßfteuer.
©eroerblicß befcßäftigteKinber,gum©cßuß— 284
©etoerblicße Aflianjoerbänbe.192
— Sefdiäftigung oon ©cßulfinbern, Ne-
16 I ©eroerfoerrinSlebcn, Au« bem englifchen —
! *©eroerfoerein«politif, Negatioe unb pofi*
! tioe —. Bon Brof. Dr. Brentano
1185—1189. 1209-1213. 1233-1237.
452 1257—1262. 1281—1288. 1329—1337.
616 1361 — 1
©eroerfoereinftfefretär, ©ßrung eine« —
811 burch Arbeitgeber uubSli beiter in ©nglanb
©eroerfuereinfioerbänbe, Die — in ©nglanb
882 ©eroinnbetbeiligung ber Arbeiter in ©roß*
britannien im Sabre 1898/99 . . . J
37 ©laSarbeiter, Sobnberoeguitg ber bclgifcfjen
284 ©la«ßütte oon Albi.411.
192 ©laSinbuftrie, Brei«* unb Bobnoereinbaruug
in ber — Norbbößmen«.
gelung ber — im Neg *Bej. Bot«batp 1120 j ♦—, ©ine Arbeiterprobuftiogenoffenfcßaft
— Befcßärtigung oon ©cßulfinbern ogl.
©rroerböarbeit berKinber, Kinbcrarbeit,
Sobnarbeit oon Kinbern, Kinber,
©cßulfinber.
— Hilfsarbeiter, Y.Berbanbfttag ber Bau*,
©rb- unb — Deutfchlanb« ....
— S^atiqfeit oon Kinbern in Dre«ben .
©eioerblidjer griebe, gum — in ©nglanb
©emerffchaften. Der britte Kongreß ber —
Deutfchlanb«
in ber — Norbböbmen«. Bon Dr SRay
oon Dagentbal 241—246. 269—
©la^furjmaaren^nbuftrie, gur Beioegung
I in ber — Norbböbmen«. Bon Stob.
j Breußler.1221 — 1
590 1 ©leichberechtigung, gur — oon Arbeit*
L026 j gebern unb Arbeitern.
438 ' ©oIbbud)ioerfftätten, HRafenabmen gegen
I ben ©taub in —.
—, ©rfter Kongreß djrifilicber — ... 955
—, ©ojialpolitifche Unterricht«furfe in
djrifilichen.1060
—, Die — unb ber paritätifdje Arbeit«-
naeßroei«. 652. 670.
—Die beutfehen — im Sabre 1898 . .1241
—, Die — Cefierreich« int Saßre 1398 . 501
—, Kongreß ber ungarifchen — . . . . 983
—, ©onberfongreß ber britifchen — . . 840
—, Die norroegifchen —.790
—, Die amerilanifcßen — gegen bie An*
nejion«politif ber Bereinigten©taaten 334
—, Die *— im ©taate Nendorf ... 926
©eroerffchaftlidje Arbeiterfongreffe. Bon
©uftao Daube. 760—763
— Serjammlungen, Bolitifche unb — in
©achfen.193
©emerffchaftsbemegung, Au« ber ameri*
fanifdien —.416
—, ©inBJenbcpunft inber fchroeijerifchen— 842
©eroerffcbaftSgrünbung, ©ine — in Ham¬
burg; Konfum*, Bau* unb ©paroerein
503. 702. 849. ©rapßifcße« ©eioerbe, ©rbebungen über
. . 955 bie 2age ber Arbeiterinnen im — . .
in ©riffeiiubuftrie, Die, ftaatliche Regelung
. . 1060 ber — in SReiningen.
it«- ©roßbetrieb, AuSbeßnung be« — in SRann-
652. 670. heim.
. .1241 ©roßinbuftrieHe, Befcßlüffe ber rßeinifch*
B . 501 njeftfdlifchen — $ur S»oaIibenoerjiche=
983 rung«*NooelIe.
840 *@rubenarbeit, SWaterial jur grage ber
790 ^eranjiehuug oon Arbeitern jur ßcher*
heit«polijeili^en Beaufüchtigung ber —.
334 Bon ©taatöminifier Dr. grßrn. oon
926 Berlepfch .... 436-442. 465—
©rubenarbeiter, ©treif ber belgifchen — 790.
763 846. 879.
—, Da« ©nbe be« ©treif« ber belgifcßen
193 —. Bon Dr. ©uftao HRatjer . 922—
©rubenaufficht«bienft, Die©inrichtung eine«
416 unteren — in Breußen.
842 ©rubeninfpeftion burd^ Arbeiteroertreter in
©roßbritannien, granfreieß unb Belgien
593—
Brobuftion". 365 ©rubenfontroleure, Aufteilung oon — au«
©eroerffd)aft«hau«, Bau eine« — in Berlin 646
@eroerffd)aft«f)äu[er, Bau oon — . . . 339
®eroerfjcbaft«fommiffion, Au« ber Ber¬
liner —.1268
—, Necßenfcbafttbericht ber Berliner —
für 1898 . 677
646 bem Arbeiterftanbe.
339 ©ritnbbefißer, Scrbanb ber $au«» unb —
in ber Nßcinpfalj.5
1268 ©rütlioerein, ©chroeijerifcßer — . . . .
©umml-Arbeiter, ©cßroefelfoßlenftoff-Ber*
677 giftung ber —.li
„©utaeßteu unb Anträge", lieber — ber
©eroerbegerießte. Bon SW. oon ©cßul$,
Borßßenb. be« ©emerbegerießt« Berlin
1130—1133
' gaar* unb Borfteniuricßtereien, ogl. Boß*
! ßaarfpinuereien.
; Hafenarbeiter,Bewegung ber—Antwerpen«
—, gur Bewegung unter ben —in Hamburg
i Hafenarbeiter-Berbanb, Nßeberarbeit«nacß-
wei« unb — in Hamburg.
i Halbtag«fcßulen in Braßen.
| HanbeUangefteDte, ©cßuß ber —; obliga-
| torifeßer £abeufcßluß.
; —, Neunuhr-Vabenfcßluß unb bie SÄtnimal*
| rußejeit für —.
! —, ©cßuß ber —.
| —, ogl. Angestellte, ^abenangefteDte.
| Hanbfl«gehülfen)cßuß in Auftralien . . .
| HanbeUgehülfinucn, Die V. J age ber — in
j ^eipjtg. Bon S?aura Kraufe. 1373—
HanbeUgewerbe, ©onntag«ruße im —
i —, ©efeßcntivurf, betreßenb ben ©cßuß ber
Angeftellten im —.
Hanbel«gewerbeinfpeftion in fionbon . .
i HanbeUhülf«arbeiter, ©treitigfeiten unter
ben —.
| —, Allgemeiner Kongreß ber — in Kaffei
—, ©tmgung ber — lofaler unb centraler
Nidjtung.
Hanbelefammcrn, ©inigung«ämter bei eng-
Iijdieu —.
Hanbelominifterium, Neorganifatiou be«
franiöfiicßen —.1
! Hanbelefcßule für wciblicße AngefteDte in
Hamburg.:
j Hanbcl«* unb ©ojialwiffenfcßaften, Hocß-
| fcßule für — in grauffurt a. 3R. . . :
! Hanbcl«-, Dran«port* unb Berfeßr«arbeiter
; Deutfcßlanb«, ©entialoerbanb . . .
Hanblung«gef)ülfeu, gujammenfcßluß ber
organtfirten fojialbemüfratifcßen — .
—, Befferung ber Sage ber — . . . . 1
—, Die Bewegung unter ben Barifer — 705.
—, Au«ftanb ber — ber Koloniulroaaren*
| braneße in Bari« .... 340. 868.
©cßußgefeße für — im Kanton gürieß
*Hanblung«gehüIfen*0rgauifationen, Die
| — im Deutfcßen Steicße. Bon Dr.
S- ©ilbermann .... 1189—1
Hanblung«geßülfentag, Bierter bculfcßer —
Hatiblungggeßülfen - Berbanb, Deutfcß-
tiationaler —.1
Hanblung«*Kommi«, Berein für — oon
1858 .
Hanbmerf unb Hau«inbuftrir, görberung
oon — in Ungarn.
Hanbmerfertag, Der baperifeße — unb ba«
©efeß jum ©cßuß be« gewerblichen
Arbett«oerhältniffe«.1
Hausarbeit in ber ©igarreninbuftrie, B**
tition um Negeliutg ber — ... .
Hau«geftnbe, Soßnoerßältniffe be« — in
I ettgltfcßen ©täbten. 1
—, ogl. ©eftnbe, Dienftboten.
Hau«ßaltung«fcßulen in Baben ....
—, gortbilbung«- unb — im Breußifdjen
Abgeorbnetenßaufe; ©tatifttf ....
— ogl. BolfSbauSßaltSfcßulen.
HauhaltungSunterricßt in ben Bonner
Bolfsfcßulen.1
Hau«* unb ©runbbefißer, Berbanb ber —
in ber Nheinpfalj.
Hau«* unb ©runbbeftfjer-Bereine, 21. Ber«
banb«lag be« ©entraloerbanbe« bcr
ftäbtifd)eu —.1
HauSinbuftrie, gormen unb Begriff ber —
| — al« golge be« Ärbeitermangel« in ber
I Bforsbeimer Bijouterieinbuftrie . . . 1
| - , Neue — al« grauenerwerb ....
[ —, Die Neicß«regierung unb bie — . . 1
—, Steuerbefreiung für bie — in Nußlanb
—, görberung oon Hanbwerf unb — in
Ungarn..
— ogl. H e ^ ma rbeit.
XI
Spalte
HauSiubufiriellf, AuSbehnung ber Kranfen*
__— _C V:. • <«_r* ni Ann
oerficherung auf bie — in Berlin 74. 929
—, Kranfeuoerfirf)erung ber — unb Kinber»
fcbufe für Berlin.1872
„HauSpflege", Die — be4 Berliner grauen*
oereinS.628
HauSoerwalter unb Hauswarte, Sinb —
oerficherungspflicfetig?.707
HauSwirthfchaftliche Unterweifuug in ber
BolfSfchuIe. Bon Seljrerin grangisfa
Ofjneforge. 859—861
Health Visitors, Die — in Birmingham . 1356
- ogl. ©ejunbhettsinfpfftorinnen.
Hebung beS ArbeiterftanbeS.618
H*ilbehanblung, Statiftif ber oon ben Ber-
ficherungSanftalten übernommenen — . 597
— ogl. Kranfeufürforae.
Heilfiättenbemegung, SBiScellen gur — .1107
— ugl. Bulfsheililätten, Sungenheilftätten,
©enefungSheinte.
* ^dmarbeit, Befchränfung ber — in ber
KonfeftionSinbuftiie. Bon Slffeffor Dr.
Alfreb SBeber. 721—727
*—, Sogiale Kampfmittel miber bie —.
Bon Dr. ©ug. Schwteblanb 1187—1143
— in ber Biirften* unb Binfelinbuftrie,
©egen bie — . . •.850
— ber Diamautarbeiter in Amfterbam . 451
—, Antrag auf Regelung ber — in Cefter*
reidj. 112
, Arbeiterfchufe unb —. Bon Dr.
©ugen Schwieblaub 105—111. 129—134
— ogl. HuuSlnbunrie.
Heimarbeiter, Grhebungcn über bic Sage
ber — in Defterreid).564
—, Ber öfierrcidjifche ^anbeldminifter über
bie —.1074
-, ©nquete über bie Sage ber — in ber
überreichlichen KonfeftionSiubufirie . . 1050
HeimarbeitSgefcfegebung, Siele unb SBege
einer —.1368
Hetratbßfäfjigfeit, Befrfjränfung ber — in
Amerifa.549
fielferfommiffion ber Kieler ©efellfcfiaft
freiwilliger Armenfreunbe 1873 bis
1898 . 546
HtlfSoerein für weibliche AngefteDte, Kauf*
männifcher unb gewerblicher — gu
Berlin .1029
Hochfdjule für Hanbel«* unb Sogialwiffen*
fchaftett in granfiurt a. 2».1167
Hodjfcfeulfurfe, AuSbefenung ber oolfstljüm«
liehen — in Beutfcfeianb.718
—, BolfStbümliche. Bon Dr. grtfe Specht
99 _iqo
—, BoIfSthümliche — in Berlin . 155. 292
—, Berein für oolfcthümliche — gu Berlin 1060
—, Bie guhörerfchaft ber oolfsthümlichen
— in Berlin.849
BoIfSthümliche — in Hamburg . . 773
— für 3 *bmnann in Seipgig .... 909
— für 2 ßannt)eim .1158
— ogl. Kitrfe, Bortragsfurfe, BoIfSoor*
lefungen, Borlefungswefen.
HoblglaSperlen-ffirjeuger / StaatSunter*
ftüfeung für bie Brobuftiogenoffenfchaft
ber — in Borbböfjmen.362
Holzarbeiter, Bie Sage ber beutfehen —
1341—1343
HolgbearbeitungSinbuftrie, BaS gwifchen-
meifter-Sqftem in ber Berliner —. Bon
Dr. ©eorg BeuhauS . . . 1195—1198
Holginbuftrie, Berfudj einer Unternehmer*
Drganifation in ber —.876
HülfSfaffen, ©rünbung einer nationalen
Bereinigung ber freien — in grantreich 312
HülfSfdjule für fchroachbegabte Kinber in
Bofen.157
HülfSoerein für weibliche AngefteDte, Kauf*
männifcher unb gewerblicher — in Berlin 503
HülfSoereine, Oberfter Bath ber freien —
in granfreid).905
Humbolbt-Afabemie gu Berlin .... 292
Hhgienifche 2BoblfahrtSeinrid)tungen . . 236
HhgienifcheS Snftitut, StäbtifcheS — für
Berlin .1076
HhPotbetenbanfen unb Baufpefulation . 982
3-
' Spalte
gahrbudh ber ArbeitSgefefegebung für 1897 168
gahreSbericht beS gabrifinfpeftorS für
SBeimar, Aus bem —.1009
— ber gabrifinfpeftion für SWeiningen
1898, Au$ bem —.858
— be$ gabrifinfpeftorS im gürftentbum
Sdjwargburg*Bubolftabt für 1898 . . 817
— beS ©ewerffrfiaftSoereinS HWünchen . . 1054
— ber Kffferrnadjer-Brabe-Union . . . 1007
— ber englifchengabrifinfpeftoren für 1897.
Bon Halene Simon.12-16
gahreSbericfete ber gabrifen- unb ©etoerbe-
infpefioren BaqernS für 1898 . . . 538
— ber nieberlänbifchen ArbeitSinfpeftoren
für 1897 unb 1898. Bon Dr. 3- H-
oatt ganten. 1271—1272
— ogl. Berichte.
3abreSoerfammlung ogl. Kongreß.
gahreSoerfammlungen ber fogialiftifdjen unb ber
liberalen Arbeiter in Ho^ub ... 791
gatnmer unb Both, ©in ©aug burch — 817—819
-, ©in ©ang burch — in München 372
gnbuftrie, ©ine ©efahr für bie Konfurreng*
fdhigfeit unferer — auf bem SBeltmaTft 1074
—, Berpflangung ber — aufSSanb in Baben 846
—, Kommunale Anlagen gur görberung
ber —.1266
Snbuftriefammem.250
SnbuftrieDe unb faufmännifche Unternetj-
mungen, Belgifcheö ©efeb, betreffenb
bie Sicherheit unb ©efunbljeit ber in
— befchäftigten Arbeiter. 1001
—, Berein ber — beö Begierungöbegirf«
Köln.731
—, $>ie Arbeitäftatiftif unb bie — in Defter*
reich.898
—, Bunb öfterreidjifcher —.281
gnbuftrien, Bertheilmtg ber gefchüfeten
Arbeiterfategorien auf bie oerfchiebenen
— in Braten.1290
*3nbuftrieftaat unb öjporiinbuftrie. Bon
Brof. Dr. K. 0Ibenberg . . 745—748
gntereffenfonflifte oon ©emeinbeoertretern
in SRijborf.785
gnoaliben« unb Altersrenten. 1201
gnoaliben* unb Alterßrentner in 2)eutfd^=
lanb am 1. Dftober 1898 . 177
*3noalibenbäufer für Arbeiter. BonStabt-
rath H- »• granfenberg . . . 265—269
gnoalibenrenten, 5)ie Höh e ^cr —. Bon
H- Hont. 793-794
Snoalibenoerfitherung, ®ie ©rgebniffe ber
— für 1897. Bon H- Horn. . 176—177
-, Ablehnung beS ©ntmurfS ber — burch
bie ©rofeinbuftrie beS ffieftenö ... 597
—, BentenfteUen für bie — unb ber Ber*
banb eoangelifcher Ärbeitcroereine
SBürttemberg«.. . 1247
—, gur — in Bauern.311
—, ogl. Alteröoerjicherung, AlterSoerfor-
gung.
3noalibenoerfnherungs»®ntwurf, Kranfew
fürforge unb —. Bon SanbeSaffeffor
©. o. SBifcleben.149-161
*3noalibenocrftcherungSgefeh, 5)aS —.
Bon Dr. jur. Bich- greunb . . 470—474
, ®as neue —. Bon SanbeSaffeffor ©.
oon ©ifeleben.1017—1021
—, $er ©ntwurf eine« — im BeichStag
568-570
gnoalibenoerftcherungS-Booelle, Annahme
ber — im BunbeSrath.406
—, Annahme ber — in ber BeichStagS*
fomntifjton.882
—, $te — unb bie ©rofeinbuftriellen . . 507
gnualibenoerforgung, Statut für bie Alterö-
unb — ber fläbtifchen Sohnarbeiter in
Stuttgart. 221
gnoalibitätsgefeb, ^ie Bentenfeftfefcung
unb bie Aufbringung ber SHittel gur
Beftreitung ber Beutenlaft nach ber Bo-
oelle gum —. Bon Dr. 3ul Both s
holg. 285—287
gnoalibitätsoerfidjerung, Antrag auf ©in-
führung einer allgemeinen Alters* unb
— in Oefierreich.232
Spalte
3noalibitatSoerficherung, ogl. AUerSoer-
ficherung.
Snoalibitäts- unb AlterSoerfi^erung, ®er
Stanb ber Unfall-, — in ©eutfdfjlanb
1897 . 391—898
-in Dftpreufeen, Durchführung
ber —.177
-, Die Kranfenfürforge ber Ber-
rtcherungSanftalten ber — für 1898.
Bon Dr. Bothholj . . . 1056—1058
3noalibitätS- unb Alterss BerfldjerungS-
anftalt Berlin, Die —.47—49
-Berlin 1898 .... 1351—1353
-Bhetnprooin^, SahreSbericht für
1898, ©runbfäfce für ©ewährung oon
Baubarlehen.1202
-, Die württembergifche — unb bie
Kranfenfürforge.1104
3noalibitäts- unb AlterSoerfidjerungSan-
ftalten, Kranfenfürforge ber — . . . 1150
3noalibitatS- unb AlterSoerficherungSgefefe,
©rgebniffe beS —.482
-, Booelle gum — .... 73, 97
SnoalibitatSnooeQe, Der ©ntwurf ber —
nach ben Befchlüffen erfter Sefung in
ber Beid)StagSfommif|ion.770
—, Die Befdjlüffe ber Bertreter ber beut¬
fehen BerficherungSanftalten gu ber — 542
*3m>alibität8* unb Kranfenoerftcherung.
Bon Dr. jur. Bich- greunb . 858—856
gnoalibitätSoeifidjerungS - Anftalten, Bau
oonArbeiterwohnungen mitHülfe ber— 871
—, Konfereng oon Borftanben ber — . 482
*3«o a IibitätS»BerjicherungSgefeb, Die Bo-
oelle gum —. Bon Dr. jur. Bich-
greunb .81—86
3noalibitätSoerjicherungS*BooelIe, Die erfte
amtliche Kuubgebung gur — . . . . 203
—, Die —. 287, 627
—, Die Beratung ber — im BeichStage 642
—, Befdjlüffe ber rheinifch s weftfälifdjen
©rofeinbuftriellen gur —.543
gtalienifche Slrbciter, BiaffenauSwanberung
3ugenbliche, ArbeitSgeit ber — in gabrifen 647
—, Sdju& ber — oor Berrohitng im preufei-
fchen H c rrenhaufe.909
— Arbeiter, Abanberung ber Schufeoor-
fchriften für — in granfretdj . . . 854
3unge Stäbchen, Berfcfeiebung in ber ©r-
werbsthatigfeit —.1170
Kammgarnfpiuner, Bereinbarungen ber
beutfehen —.888
Kampf, Bach bem -- in SübwaleS . 45, 255
KanalifationSarbeiter, Achtftunbentag für
bie ftäbtifchen — in Baris .... 370
KanalifationSwerfe, ArbeiterauSfdjüffe unb
ArbeitSorbnung in ben ftäbtifchen —
gu Berlin.477
KarteD, Boqfott burch ein — .... 1268
Kaffenargtfrage, gur —.794
Kaffenoorftänbe, DrtSfranfenfaffen, — unb
Schiebsgerichte. Bon B§- H*rg-9RillS
453—454
Katholifche Ärbeiteruereine, Berbanb ber
— in Süb-Deutfchlanb .956
-, Delegirtentag ber — Sübbeutfch*
lanbS.1292
Kaufmännifche Sehrlinge, Die AuSbilbung
ber -.279
— Bcreine, Deutfcher Berbanb — . . . 900
-, H au Pt öc rfammlung beS beutfehen
BerbanbeS — gu ©ifenach .... 1006
Kaufmännifcher unb gewerblicher fiülfS*
oerein für weibliche Angeftettte gu Berlin
503, 1029
KaufmännifcheS SchiebSgerid)t in DSna*
brücf.461
♦Kellner unb Kellnerinnen, bie BeidjSer*
hebung über bie Sage ber--in Deutfeh 5
lanb. Bon Dr. Arthur ©oben 778—782
, Die gefefelidje Begelung ber Arbeits-
oerhältniffe ber —. Bon Dr. Arthur
©oheu .... 1065—68, 1094—10'
XII
©palte
Kellner unb Kellnerinnen, ©eroegung unter
ben — in ©ariS. 173
—, ©efonberer gefefelidjer Schüfe ber — in
granFreidj .453
—, gefter Sohn für — in ©ambuig . .1168
Kellnerinnenfrage, 3 ur Skgflwng ber —
in ©effen.1273
Keramifdje gnbuftrie, ^Bleivergiftungen in
ber —.758
-, Arbeiterfchufe in ber — ©ttglanbS 882.1176
Keffelmacher * ©rabc * Union, Jahresbericht
ber —.1007
Keffelfdjmiebe, ©er ©eroetFoerein ber —
in ©nglanb.592
Kinbcr, fiülfsfchule für fchroachbegabtc —
in ©ofen.157
—, herein junt Schüfe ber — oor Aus»
nufeung unb 3RijjfjanbIung in Berlin . 074
—, 3um Schüfe geroerblich befcfeäftigter — 284
—, ©eroerblidjeShätigFeit von — itt©reSben 1026
—Sohnarbeit fdjitlpflichtigcr — in ©rofc-
ftabten unb Jnbuftrieortcn ©eutfchtanbs 445
—, Regelung ber geroerblidjen Arbeit fd;ul*
pflichtiger - int Steg.-©ez. ©otgbarn . 1120
—, ©reufeifche ©räftbialocrfügungett junt
Schufee ber —.1272
—, ©efrfjränFung ber ©rroerbSarbeit ber
— in ©nglanb.1025
— als §aufirer in Sioerpool.787
—, ©ie franjöfifche gabriF* unb ©eroerbc»
infpettion über bie ©efdjäftiguug von
— unb toeiblichen ©etfonett . . . .1054
Kinberarbeit, ©eFämpfuttg ber getoerbS*
mäßigen — burch bie Sehrer . . . 043
— in gabriFen unb in ber £>au8inbufirie 335
—, ©Fafenahmen gegen bie geroerbliche m
in ©erlin unb Vororten.928
—, 2Rafjnafjmen gegen bie geroerbliche —
in Uelzen. . 1223
— in granffurt a. 9JF. unb ©Ijentnib . . 40
— in Sangenbielau.534
—, StatiftiF ber grauen», Jugeitblichen*
unb — in gabrifen.278
—, ©eroerbliche — im ^erjoglfjutn ©raun»
fthroeig.08
— in ©nglanb.410
—, Nochmals bie — in ©nglanb . . . 588
— in Sonbon.564
— in Sonbon. ©on ©rnefr Aoeg 1078— 10SO
-, Siegelung ber grauen» unb — in Italien 928
Sdjufe ber grauen» unb — in granf»
reich. 445. 1274
— ogl. ©rroerbSarbeit ber Kinber, ©eroerb»
liehe ©efd)äftigung von Kinbern, Sohn*
arbeit von Kinbern, Kinber, SdjulFinber.
Kinberbefdjäftigung, UngültigFeit von
©olizeioerorbnungen über—, . . . 1223
Kinberfdjitfe in ©reufeen.770
— für ©erlin, Kranfenuerjidjerung ber
HanSinbuftrieUcn unb —.1372
—, Urtljeil beS KamntergerichtS in Sadjen
beS —.175
— in ©nglanb.620
—, Jnternationaler Kongreß für — itt ©eft 1265
KioSFe, Stäbtifche — für antialFoljoItfcbc
©eträufe.730
Kleingewerbe, «Sanitäre Reformen für bas
— in Cefterreich.310
—, ©etriebSunfciUe int öfterreichif^en — . 373
Kleinljaug-®efefe in ©nglanb.685
KleinFaufleute, ©er Slcbtufjrlabenfchlun unb
bie —.341
Kleinwohnungen, ©rbauung von — für
SubroigShafen a. SU).547
— ogl. SSohnmtgen.
Knabcnarbettgauftalt, Stäbtifdje — ju
©armfiabt.730
Knappfd)aftg-©erutSgenofi’enfd)aft, ©ieAuf*
roenbungen ber — für 1898 . . 854. 1276
Koalitionsfreiheit, ©ie — unb baS ©entrinn 197
KoaIitionSrcd)t, ©as — ber beut[d;en Ar*
beiter in ©f)corie unb ©rajiS . . . 480
-, ©aS - ber Arbeiter unb bie parla»
ntentariidjcn Debatten tn ©eutfcfjlanb 583
unb StrciFpoften, 3 l ^ c i ndjtcrliche ©nt»
idjetbungen über Arbeiterfragen in ©ng=
lanb; ©efdjränfung brg - .... 363
e»aitc
KoalitionSrecht, 55a« — ber nieberlättbifthen
Arbeiter, ©on Dr. g. H- ®nn Snnteit
1072-1073
— vgl. ©ereinS-, ©erfammlungSrecht, Ar»
betterberufgoereine, ©erufSoereine.
Äoalitiongjroang von Unternehntrroer»
bänbett.306
Äohleuarbeiter vgl. ©ergarbeiter.
Kohlniarbeiterlöhne in gninotS . . . .1221
Kohlenbergbau, ©iuigungSamt int eng*
Iifchen — . . 325
—, Sohttberoegung im böhntifcheit — . . 1320
— ogl. ©ergarbeiter, ©ergbau, Gruben¬
arbeiter.
Kohleitbergleutf, Achtftunbentag für bie —
in Amerifa. 589
—, ©er AuSftanb ber — im ©iauenfcheit
©runbe. 1349. 1380
KohlenbergroerFarbeiter, ^er StreiF ber bei*
gifchen—. ©ouDr.©uftau SWatjer 846—849
KohlenbcrgroerFö-gnbuftrie, ^)ie Unfafloer-
fidjeruttg in ber belgtfchen —. ©on
Dr. ©uftao 5>?at)er . . . . 904-905
Kofjlengruben»Au$ftanb, 9?adj bent — in
6übroale0. 45. 255
Kohleninbufirie, fiohuberoeguttg in ber bei*
gifchen —. 254. 814
— ogl ShtfjrFofjlenreoter.
Kolonnenführer, 2)ie Stellung be8 — unb
feiner ©ritppe im Saugeroerbe. ©on
©eroerberidjter Dr. ©chalhorn 1322—1324
Kontmifrton für ArbeiterftatiftiF, ©ie — 119. 200
M -, 9Wabregelung roegett Augfagen
oor ber —.282
-, ©ittadjten ber —, betr- bie Stege*
lung ber Arbeitszeit in ©etreibcmühlen 567
— für Arbeiierinneitfchufe, ^ie ©erlitter — 500
Komntunafabgaben-®e[eh, Abänberung beg
— im preubifd^eit Abgeorbneteuhaufe
661. 785
Kommunalbeamte, ©efehputrourf über bie
Stechtgoerhältniffc ber — in ©reufjeu 221
—, ©reufjifdjer ©efejjeutrourf über Auftei¬
lung unb ©erforgung ber — ... 757
— ogl. ©emeinbebeantte.
Kommunale Anlagen jur gorberuug ber
3ubuftrie.1266
— Schulbäber in ©rtglanb.1315
! — SozialpolitiF, Steiihgtaggabgeorbueter
^rimborn über —.90
— Unternehmungen, ©nquete über — in
gtalien.642
Kommunaler Arbeiterfdjulj in ©aris . . 252
— Selephotibienft in ©nglanb .... 673
, Kommunales Telephon irt ©orroegett . . 1315
, Kommunales SöerFftättcnftatut in ©ubapeft 1315
KommunalpolitiF, Arbeiter uttb — in ©ng¬
lanb .1146
Kommunalprogramm für $üffelborf . . 1002
i — ber leipziger SozialbemoFratcn . . . 222
Kompetcnzerroeiterung ber ©eroerbegerichte,
©in ©eitrag zur—. ©oit $?. o. Schulz,
©orrtbenbem beS ©eroerbcgerichtS ©er¬
litt. 423-29
*KonfeFtion, 2)er Arbeiterfdjuh * 11 & er —
unb oerroattblen ©eroerbett. ©onAffeffor
Dr. Sllfreb SBeber . . . . . 689—694
KonfeFtionSarbeiter, Seroegung unter ben — 147
KonfcFtionSinbuftrie, ©efebeittrourf gegen
! bie Uebelftänbe itt ber —.283
*—, ©cfdjränFung ber Heimarbeit in ber
—. ©on Affeffor Dr. AlfrebSBeber 721-727
—, 2>ie—, ein FlafftfcheS ©ebiei ber ArbeitS»
roiüigen.751
1 —, ©nquete über bie Sage ber Heimarbeiter
, in ber öfterreichifcheu —.1050
Konferenz ber ©ertreter ber ©erftiherungg*
anftalten. 482. 507
; — ber batjerifther» gabriFen* unb ©eroerbe-
infpeFtoren.1176
;KonfliFt zrotfeheu Arbeitgebern unb Arbeitern
in $>äneutarF, ©eettbiguitg beS — . . 1293
Kongrefe ber eoangclifefjett Arbeiteroereine
in Altona.955
— ber d)riftlich - fozialen Korporationen,
^internationaler —.789
— djriftlidjcr ©noerfidjnfteu, ©rfler — . 955
1355
1059
948
960
173
740
601
1059
«palte
Kongreß ber ©eroerFfchaften 2>eutfchIanbS,
©rittcr — . . . 603. 702. 849. 889—893
—, Allgemeiner — ber H^nbelShülfSarbeiter
in Kafffl.95
—, $er eoangelifch-fojiale — in Kiel 362.
894. 945
— für öffentliche ©efunbljeitSpflege, $)ie
Schularztfrage auf bem 24. — . . .
— für lättblidjfS ©enoffenfehaftsroefen,
internationaler —.
— für fozialroiffettfchaftlichcS UnierrichlS-
roefen 1900, internationaler — . .
-- ber KranFenFaffen $eutfchlaitb$ . .
— ber 2>gtilarbetter ©elgienS . . .
—, Sedjfter— beS bänifchen©?etallarbeiter-
©erbanbeS.815
— ber ©iotlarbeiler beS ©Filitärequippe»
menlS in granFreich.390
— ber frauzöfifihen labaFarbeiter unb
»aibeiteriitnen.200
—, Sozialpolitiidjer — in ©ettua . . 1121
— ber ungarifdjen ©eroerFfchaften . . . 983
— ogl. iahresoerfatnmlung.
KonFurrenzfahigFeit unferer inbuftrie auf
bem SeitmarFt, ©itte©efahr für bie — 1074
KonFurrettzFlaufcI, ^ie Anioenbung ber— 531
Konfunt»,©au»unbSparoerfin„©robuFtion"
in H^ntburg. 365. 485. 547
*-. ©on H- ©tühmer 612-616
Konfumoerein »©orroärtS - in ©reSben . 867
! Konfumoereine, Ablehnung einer Umfafe-
fteuer für — in Hamburg. 68
—, AuS beut ©echenfdjaflSbericht beg ©cr-
banbeg fchroeizerifcher — pro 1898.
©on ©rof. Dr. gul. ©latter 1151 — 1153
KoutroImarFe, Arbeiterfchub unb —. ©on
Hetnr. Abler. 1295-1296
Kooperatiogenoffenfchaften, Staatliche ©e*
fdjäftigung ber Arbeiter*— ....
KooperatipgefeÜfchafien in ©elgiett . . .
— in ©nglanb.49.
KoftFinber, Stabtärztliche Unterfudjung
ber — in (^fjarlottenburg- ©erpfltdj»
tung ber 'Pflegemütter.1315
KranFenfürforge ber ©erftchentugganftalteii
ber gnoalibitätS» unb Altergoerriche-
rung für 1898. ©on Dr. ©othh°Ij
1055-1058
— ber 3noalibitätS- unb AlterSoerftchc*
rungSanftalten.1150
— unb ittoalibenoerftcherungS - ©ntrouif.
Sott Sanbegaffeffor ©. o.©$i feie ben 149
— ogl. H^l&fhanblung.
KrattFettFaffe für bie Seamten ber Stabt
Seipzig.
KranFenFaffen, ©er ©uberFulofenfongref}
unb bie —.
—, Kongreß ber — ©eutfchlanbS . . .
—, greie Aerzteroahl in ben — • . . .
—, Stellung ber Aerzte zu ben — . 232.
KranFenFaffen-AuSftaub, Stentfcheiber . .
KranFenFaffenfrage, Aerztliche ©enffchrift
Jur —.
KranFenoerfidjerung ber ftäbtifchen Arbeiter
in ©erlin. 287.
—, ©te obligatorifchc — ber Ho^inbuftri-
ellen.74.
— ber HaHäinbuftriellen unb Kinberfchuj}
für ©erlitt . ,.1372
—, Ablehnung ber Slangs»— für Kauf¬
leute in SRagbeburg.151
—, Staub ber — in ©eutfchlaub 1897 . 854
, gnoalibitätg» unb —. ©on Dr. jur.
Stich- greunb. 353—356
—, ©FiSceüen zur —.151
*—, ©ie Steform ber —. ©on Stabtralh
H- ü. granFenberg . . . 1305—1309
—, Unfall' unb — in ber Schroeiz • 121.
152. 772. 963
— ogl. Arbeiter-KranFenoerftcherung.
KranFen- unb UnfaHoerfi<herung ber fiäbti 5
fchen Arbeiter in ©erlin . . . 287. 544
KranFenuerftdjerungggefeb, ©er beut[<he
Aerzteoerein§bintb unb bag — . . . 508
—, ©in Siicfe im —. ©on Dr. ©I. H e *6 311
KranFenoerficberungSpflicht ber ©erlitter
HauSinbuftriellen .... 74. 929. .1372
-151
1218
882
960
598
1246
253
1380
544
822
XIII
Spalte
KranfenoerjidjerungSftatiftif.1224
Sfriegöarfenale, $ut Sage ber Arbeiter in
ben — granfreich«.224
Strippen.423
Kunftgeroerbe, Defterreidjifdje« — im $auS*
balt be« UrbetterS.1168
Kunftgeroerbltcße betriebe, Stein Urbetter*
fdjuß im —.227
Stunftfjiftorifdje Mufeen für bie Stleinfiäbte
in Deflerreid).'603
Sturfe, BolfSthümlicße — oon berliner
hocßfcßullebrern ........ 395
— für bie UuSbilbuttg oon gabrif«
infpeftorinnen in Stuttgart .... 175
— ogl. OodjfdjulfuTfe, Bortrag«rurfe,
BoIfSoorlefungeu.
*.
Sadirer, ©ie Bereinigung ber SWaler, —,
Unfiretdjer unb oerroanbter Beruf«*
genoffen ©eutfcßlanb«.172
Sabenangeftellte, ©er gefeßlidje Schuß ber
— in Uufiraliett.792
— ogl. Ungeteilte.
*2abengefchäfte, Schuß ber Ungeteilten in
offenen —. 637—640
—, Schuß ber Ungeteilten in — 174. 476
Saberifcßluß, Ugitation für ben — . . . 506
—, Schuß ber $anbel«angeftellteu; obliga»
torifcßer —.705
—, ©rüttbe für ben gefeßlicßen einheitlichen
— .852
—, ©in gleichmäßiger unb früherer — . 369
— ogl. Udjtufjr • Sabenfcßluß, SGeuttußr*
Sabenfcßluß.
2änbliche Urbeiter, UTbeitSuadjroeife für —
in Preußen.856
—, ©efeß, betreffenb bie UrbeitSuerhält*
niffe — in Unhalt.784
Sänblicßer Urbeitermangel in Preußen . 533
Sage, Schlimme — ber Urbeiter am Sitnp«
lontunnel.563
Sanbarbeiter, ogl. gelbarbeiter.
Sanbarbeiterberoegung in Ungarn . . 11 . 926
2 anbarbeiter*@nquete, ©err o. Miquel unb
bie — be« herein« für Sojialpoliüf.
2$ott B*of. Dr. Maj SBeber . 640—642
2 aubtag$iüablen, ©ie preußifchen — . . 111
Sanöroirtbfcßaftlicbe Urbeiter, UrbeitSnadj«
roei« für — in Hamburg.483
-, Berftcßerung — in Ungarn ... 772
— UrbeitSIößne in ©nglanb.1170
— UrbeitSnadjroeife, Uufbebung ber Be*
feroiften-UrbeitSnacßroeife 511 ©unften
— in £>annooer.1226
— UrbeitSoerhältniffe, ©efeßUdje Regelung
ber — in Ungarn.1194
— ©ettoffenfcßaften, Sojialpolitifdje Seiftun*
gen ber beutfcfjen —. Bon Dr. K. ©hie ß
510-514
-, ©ie ftarfegunaßmeber -in©eutfd)*
lanb ..547
-unblanbroirtfjfcßaftlicb benußteBoben
fläche in ben beutfdjen BunbeSfiaaten . 1226
— Söhne, ©ie — in ©nglanb .... 620
— Sgnbifate, ©ie ©ßäügteit ber — in
granfreich auf fokalem ©ebiete. Bott
Dr. 0. SBiebfelbt. 329—333
Sanbroirthfchaftlicßer ©enoffenfdjaftstag,
©eutfdjer — oon 1899 1153
Seßrfräfte, ©robenber Mangel an — für
bie höheren Seßranftalten in Preußen.
Born Oberlehrer Dr. (5. pudert 685 — 686
Sehrlinge, ©ie UuSbilbung ber faufmänni»
fcheu —.279
Seßrlingöftiftungen in SBürttemberg . . 234
SehrlingSsücßterei, ©egen bie — im Bar*
hier* unb grifeurgeroerbe.223
* 2 ebrIing« 3 Üd)tung, ©ie — im Bäder*
geroerbe. Bon fßrof. Dr. St. Dlben*
berg.25—30
Sehrmittel, Uitentgeltlidjfeit ber — in 3ürich 1250
SefehaHen, gret* — in ©nglanb ... 157
©omeniu««®efelIf<haft unb ftäbtifdje — 774
— ugl. greilefeßallen, BolfSlefeßaflen.
Spalte j
„Seutenotß*, ©ie Berhanbtungen über bie
— im preußifchen Ubgeorbnetenßaufe . 920
Siga in Belgien gegen ben Ulfoßol, Sozial«
bemofratifche —.280
Söhne, ©ie lanbroirtßfcßaftlichen — in ©ng*
lanb.620
— bei fomtnunalen ©ramroag« in ©nglanb 1170
— ber fcßroeijerifcßen ©ifenbahnarbeiter . 1170
— unb Urbeitögciteu, Beränberungen in —
roährenb be« September« in ©nglanb 92
-, Beränberungen ber — 1898 in
©nglanb.. 1344
—, Regelung ber — ftabtifd^cr Urbeiter ,
für Berlin unb Spanbau.586
— ogl. Urbeit«löfjne. !
Sohn, gefter — für SteHner in Hamburg 1168 j
Sohnarbeit fdjulpflicßttger Stinber in ©roß«
ftäbten unb gnbuftrieorten ©eutfcßlanb« 445 ;
* Sohnarbeiter* Siatiftif, ©ie Metßobe ber
— ber preußifchen ©ifenbahnoerroaltung.
Bon Dr. ©. ^irfchberg . . . 993—999
Soßnberoegung in ©eutfcßlanb .... 676
— im Buhrfoßlenreoter .... 43. 70 [
— in ber belgifcßeu Stohleninbuftrie . . 254 |
— im böhmifcßen Kohlenbergbau . . . 1820
Sohneinhaltung unb Sparjroang. Bon
BedjtSamoalt Dr. Subroig gulb . . 5—6
Soßnregelung für bie ftäbtifcßen Urbeiter
in Mannheim.662
Sohnregulirung, Behörblicße — in @ng*
lanb.193
Sobnfcßuß, ©ericßtlidjer — in Uuftralien 760
Soßnfteigerungen in ben Bereinigten Staaten 67 5
Sohn- unb Streifberoegungen ber Metall*
arbeiter 1898 . 447
Sohnoerhältniffe be« §au«geftnbe« in eng*
lifcßen Stäbten. 1220
— ber ftäbtifcßen Urbeiter in München . 500
—, Begeliing ber ©ienfl* unb — ber ftäbti*
f«hen Urbeiter in Mannheim . .671. 1002
— unb gnoalibenoerftcßerung. Bon $.
$orn . 408—410
Sohn* unb UnfteHungSoerhältniffe ber Ur¬
beiter ber fdjroeijerifdjen BunbeSoer*
roaltung.1047
Sohn* unb UrbeitSoerhältniffe im beutfdjen
Maurergeroerbe 1898 -1317
Sohnuorfcßuß, gft - als ©arlefjn aufju*
faffen. Bon ©eioerberichter Dr. Sdjal*
horn . 797 — 798
Sohnjahlung, ©et« ©efeß über bie — in
granfreich.310. 921
Sungenßeilftätten, BeleifjungSgrenjen ber
BerfidjerungSanftalten für Urbetter«
roohnungen unb —. 17
— ogl. ^eilftätten, BolfSßeilftätten, ©e*
nefungsheime.
Sungenfranfe, Offene BerpflegungSftationen
für -.422
Suftbarfeiten, Befchränfung ber öffentlichen
— im Bfjeinlattbe.700
— ogl. geftunroefen.
1 Mäbdjen, Berfchiebung in ber ©rroerbs*
thätigfeit junger —.1170
I — unb grauengruppen für fojiale §iilfs-
arbeit.49
Bfaifeier, UuSfperrung roegen ber — . . 881
Blaler, bie Bereinigung ber —, Sadirer,
Unftreicßer unb oerroanbter BerufSge*
noften ©eutfchlanb«.172
Sftarinebetriebe, Uchtftunbentag in ben —
in Umerifa.411
BJafchinenbau, ©inigung im englifchen — 1245
— unb Metallarbeiter, ©eroerfoereiite ber
i beutfdjen —.814
|-, ©Ifter ©elcgirtentag be« ©eroerf*
oerein« ber beutfehen — ju UugSburg 983
Blafdjinenfraft, Beftenerung ber — jum
| Beften ber Urbeiter in granfreich . .619
;*B?aß, Ungleiche« —! Bon Dr. ©rnft
' grande. 501—505
1 B?affenau«fperrung unb ©euernfftreif ber
Berliner Bfaurer. 1028
Spalte
2Äaffenau«fperrung in Sfanbinaoien . . 927
— in ©änemarf 116. 957. 984.1004—1006.
1199. 1245
—, ©a« ©nbe ber — in ©änemarf 1293. 1349
— ogl. UuSfperrung, UrbeitcrauSfperrung.
2 £affenau«roanberung italienischer Urbeiter 815
SWaßregeln gegen ©uberfulofe in Bfandjefter,
Stommunale —.1077
SWaßregelung, 3 ur n^nahme einer — in
Stöln.308
— roegen UuSfagen oor ber Stommiffion
für Urbeiterftatiflif.282
Blaurer, 9)?affenau«fperrung unb ©eneral»
ftreif ber Berliner —.1028
—, ©eneraloerfammlungen ber Berbänbe
ber Sintmerer unb — ©eutfchlanb« . 703
—, ©entraloerbanb cßriftlidjer — 1173. 1319
, ©er Uitöftanb ber — oor bem ®e»
roerbegericht al« ©inigungSamt. Bon
gaörifant 0. 2Beigert . . 1069—1072
SKaurerftreif ogl. Baugeroerbe.
9ftajimal*UrbcitStag, ©efeßliche ©inführung
be« clfftünbigen — in granfreidj . . 452
— ogl. Udjtftunbeutaff, 92ormal«Urbeit«tag.
aRajimalarbeit«jeit, HÄinimallohn unb —
in Umfierbatn.1168
Bfebijinalbehörben, ©ie ©eroerbefjggieue
unb bie — in Preußen.174
Bfebijinalreform.235
— unb Breußifcheö Ubgeorbnetenhau«;
Stabtärite.829
Bfebijinifdje Brüfungen, Snlaffung ber
grauen ju ben — in ©eutfchlanb . . 812
Bfeifterfurfe in Straßburg.1205
BfetaUarbeiter, ©eroerfoerein ber ©eutfeßen
Bfafchittenbau- unb —.814
—, ©Ifter ©elegirtentag be« ©eroerfoerein«
ber beutfeßen Bfafchinenbau» unb —
$u UugSbtirg.983
BfetaDarbeiteroerbanb, ©eutfeher — 367. 677
—, 6. Sfongreß be« bänifdjen — ... 815
BfetaOinbuftrielle, ber Berbanb ber — unb
bie UrbeitSroiQigcn. .1125
—, ©efammtoerbanb beutfeßer — . . . 732
Siethen unb Urbeiterroohnung«noth . . 347
BMether*unbBouoerein,©erKarlsruher 235. 819
Üftiethööfrtrag, ©er einheitliche —. Bon
9tedjt«anroalt Dr. Subro. gulb 1262—1264
2Wieth«roohnungen unb SdjlaffteDenroefen,
Bolijeioerorbnung über — in einigen
Stäbten 9Jorb*$annooerS.370
Sftildjhanbel, SJotttmunaier — .... 1373
Bfilitärbädereien, Siegelung ber Urbeit«*
oerßältniffe in ben ßollänbifchen — . 507
Bfilitärequippement, Kongreß ber ©ioil*
arbeiter be« — in granfreich . . . 390
BJilitärifdje Uebungen, Scßuß be« Urheit«*
fontrafte« gegen Uuflöfung bureß —
in granfreich.258
BHljbrattb, Schuß ber Urbeiter gegen — 1296
— ogl. ©hi er hnnrinbuftrie.
Bfilibranbgefahr, Urbeiterfcßuß in ber
©ßi^hnarinbuftrie gegen — .... 706
Blilgbranboergiftung, Berhütung ber —
in ber ©ßierßaarinbuftrie.119
Btinbeftlößne, Stäbtifcße — in Belgien . 388
—, Obligatorifdte — in Bictoria ... 194
HJMnenarbcitcr, Beroegung ber belgifcßeu — 283
—, Kongreß ber belgifcßen — . . . . 43
— ogl. Bergarbeiter.
Minenftatiftif, Belgifcße — für 1898 . . 1377
Bfinimallohn, Ubleßnung be« — für ftäb¬
tifdje Urbeiten in Bern ...... 9
— unb BiajimalarbeitSjeit in Umfterbam 1168
HRinimallöbne für belgifcße ©ifenbaßn*
arbeiter.253
— ber ftäbtifdjen Urbeiter in 3üricß . . 1267
— ogl. Fair Wages.
Minimalprogramm, Sojialpolitifcße« —
im ©emeinberatß.673
o. Miguel, ginanjminifter Dr. — unb ber
Berein für Sojialpolitir.668
MiScellen, Stäbtifcße — 38. 91. 141. 195.
278. 387. 478. 643. 873
Mitteilungen be« ©eroerbegeridjt« Berlin
1033—1038. 1130-1134. 1251 — 1254. 1322
bi« 1326
XIV
Spalte
SRobelfabrifanten, ©erbanb bcr füb-
beutfcben —.1081
Monopole in Sonbon, Kien unb ©erlitt 189
SKüfler- *<5in* unb ©erfaufßoereinigung.
Soit'Dr. k. SBiebenfelb . . . 599—600
„Musee social“, (Sin — in ben ©ieber*
Ianben.386
-, ©reißocrtbeilung beß — in ©ariß
an länblidje Arbeiter.169
-, ©raf Efjantbrun, bcr Stifter beß —
in ©ariß +.529
SRufeett, Äunfl^iftorifcfje — für bic klein»
fiäbte in Defterreicb. 608- 604
* STOufcunt für Sogiale ©rajiß, Ein
beutfdje« —. ©on Dr. Ern ft grau cf c
578-581
— für Sogiale ©rajiß, ^eutfd^ed — . . 755
5©ufter-©auorbnung für baß kontgreid)
Saufen. 204—206
9t.
©ad)tarbeit, ©egen bie — in granfreid) . 1351
©abruttgßmittcl unb Ianbmirt^fc^aftltc^e
©robufte, $>eutfd)lanbß ©ebarf an —.
©on Dr. ©aul ©oigt. . . . 783—784
©aturalDerpflegungßftationeu, Arbeitßnadj-
meiß in ©erbinbung mit beit — in ber
Sdjmeig.128
©aturaloerpflegungßroefeit in bcr Sdjtoeig 546
©eunubr-2abenfd)lufj unb bic SWinimal»
rubegeit für 0anbel8angefle(Ite ... 927
— in ber ©etcbßtagßfoimniffion ange¬
nommen .904
— »gl. Acbtuf)r«2abenfcblu&, Sabenfdjluf}.
©ormal-Arbeitßtag, Antrag auf Einführung
beß — in granfreicb.642
— »gl. SHagimal-Arbeitßtag, Acbftunbcn»
tag, 8 c b»ftunbentag.
©otbftanbßarheilen, ffiinterlidje — in
beutfdjen @täbten 1894/97 .... 561
©otbftanbßarbeiten in granfreidj . . .1343
c.
Dbbacblofe, ©erliner Afgloereinc für —
1898 . 628
—, Stäbtifche SJlictf)ßräume für — in
SKagbeburg.812
, ©tiOftanb unb ©üeffebritt in ber gür-
forge für Arbeitß- unb —. ©on ©aftor
karl 3J?oerdjen. 526—529
Deffentiidje Arbeiten, Arbeiterfcbujjflaujrln
Dmitibußbicnft, kommunaler — in Sioer-
pool.686
DmnibußgefeDfcbaft, ©emegung unter bem
©erfoual ber ©arifer —.309
Organisation ber Arbeit, ©on Dr. E.
grande.166-168
- ber Arbeit, 3 ur —. 669
— oon Arbeitgebern unb Arbeitern bcr
©rofjinbuftrie, ©atiouallibcralcr Antrag
auf gemeinfame —.582
— ber Arbeitgeber unb Arbeiter, ©in ©rofc*
inbuftriefler für gemeinfame — ... 755
— ber brei Arbetterüerficbcruiigßgmeigf,
Einheitliche —.1085
— ber Arbeiter, $ie berufßgenoffcnfdjaft*
Iidje — unb bie ©entrumßpartei . . 1264
— ber Arbeiterinnen in Subapeft . . . 592
Drtßfranfenfaffe unb ©ctriebßfranfenfaffeu,
0treif in ©emfebeib; —.197
—, Allgemeine — gu granffurt a. ©1. . 771
m _ _v _ ca i. i m n
—, $)ie — in ©armen unb ihre Aergte . 1276
Drtßfranfenfaffen, kaffenoorftänbe unb
0cbiebßgeriibte. ©on ©f). ^erj-SWillß
453—454
—, ©roportionalmabl für bie Allgemeinen
— in granffurt a 217. ©on ©b. H*rg-
©2il Iß.959
sp.
©almforbarbciter=©euoffenfd)aff, $>ic — im
0teinnd}grunb. ©onSRajrSWap 1058-1059
Spalte
©arifer DmnibußgefeDfdjaft, ©emegung
unter bem ©eifonal ber — ... . 309
©arlamentarifdbe S'ofnmente, Ardjiu ber —
ber britlen ©epubtif in ©ariß . . . 812
*©artcitag bcr beutfcben Sogialbemofratic
in Stuttgart.30—34
Parti ouvrier fran^ais, ber 17. gabteß*
fongrefc beß —.1294
©aigeOiiung eineß ©itterguteß bureb bie
©emeinbe gelbfirdj.1146
©atentgefefc, 8ogialpolitifcbe ©efiimmungen
im neuen öftcrreic^ifcljen —. ©on
3». Scjjmarj.1120—1121
©enfion für ftäbtifebe Arbeiter in karlß-
rube.365
©enrtonßfaffe für Arbeiter in babifeben
Staatsbetrieben.398
©erImutterfuopfbre(bßIfr,(£entralmerf|tätten .
für — in 2Bien.981 j
*©erfoncntarif-©eform, 3 U * — auf ben
beutfcbeit (Sifeubabnen. ©on Eifcn»
babubireftor 0. be Serra .... 1—4 j
©fdnbbarfeit, $>ie — beß Arbeitßlobneß in
granfreicb.871
©ferbebabn, @täbtif(ber Eigenbitrieb ber
— in Auifterbam.6s
— »gl. Srammat).
„©olitifcb* SWa&nabmen“ in gtalien, $efret
über —. 1049 i
©oligei, ©erbot eineß Streifß bur<b bie —
in 3roidau.1319
©oligeioerorbnung jum Sdjufee bcr ©au*
arbeitcr im ltnterelfafe.1126
— für Unierelfafe über ©aefereien . . . 1084
©oligeiucrorbnungeu junt ©ebufee bcr Ar¬
beiter auf ©auten.1174
I ©oftetat, $er — im Äeicbßtag ... .497
! ©oft- unb Jelegrapbenperfonal, Grbfbun*
• gen über ben ©efunbbeitßsuftanb beß
; — in Ueutfdilanb.253
I-—, öin ©rojeft über Alterßoerior=
gung beß nieberen — in granfreid) . 233
©oft* unb Jelegrapbenbebicnftete, ©erftebe-
rung ber — in Defierreid) . . . . 287 ;
©rämien auf ben ©tnmm’fcbeu Jütten-
werfen.572
©reißfrage über bie Arbeitßoermittelung in
ber ©ebub- unb Seberinbuftrie, $ie
Söfung ber — . . ..484
©reißocrtlieilung beß Musee Social in ©ariß
an Iänblicbe Arbeiter.169 ,
©rioatbeamte, Altcrßoerforgung ber — in j
Dcfterreicb. 12251
©rioatpflegeftellen, ©elbft gu ermittclnbe ;
— in köln.234
©robuftionßgenoffenfebaft, eine — alß I
SBittel gegen Arbeitßlofigfeit . . . .1153!
— ber £>ol)lglaßperlenerjeuger, ©taatß- !
unterfiiifeung für bie — in ©orbböbmen 362
©robuftiogenoffenfebaften in granfreicb . 742
— »gl. Arbeiter-©robuftiogenoffenfcbaften.
©roportionaD23abl für bie Allgemeinen
Crtßfranfenfaffen in granffurt a. ©?.
©on ©’b ©erg*3RiIlß.959
9t
©abattfparoereine.252
©audjoerbrennungßoorricbtungen.... 236
9iccbtßanmalticbaft, $ie 3ulaff»ng ber
grauen jur — in granfreicb . . . .1075
9led)tßeinbeit, S)ie — in ber ©djmeig . . 193
Stecbtfprecbung.1133
—, $)ie — unb bie Arbeiterberoegung . . 1048
— beß <8eroerbegerid)tß, Ueber bie — gu
©erlin.322
©ed)tßfd)u&bureau für Unbemittelte in
©erlitt .545
Reformen, ©anitäre — für baß klein*
gemerbe in Dcfterreicb. 310
©egie, ogl. (Sigenbctrieb.
©egicarbcit, Arbeiteroertreter unb ftäbtifebe
— in ©atterfea (Öonbon).1266
©egierenbe, Arbeiter unb — in granfreid) 443
©eidjß*©erggpfffo unb ^eutfdjer Anroaltß
tag. 1314
Spalte
©eicbß'@efebentmurf „gum ©Äufee beß ge-
merblidjen Arbeitßoerbältnfffeß“,©reuBi*
febeß ^errenbauß unb — . . 1096—1098
©cicbßpoft, Arbeitßmaf; unb Sonntagßrube
bcr ©eamteit unb Unterbeamten ber — 845
♦©eiebßtag, $)ie ©ogialreform in ber (Statß-
bebalte beß $eutfd)eu —. ©on Dr.
örnft granefe. 298-801
—, ©ogialpolitifdfje Anträge im beutfcbeit
- . 275. 301
©eicbßtagßfefrton, ©ogialpolitifcbe ©laue
für bie uäcbfte —.34
baß fogialpolitifcbc gajtt bcr —.
©ou Dr. (S. granefe . . . 1041—1045
©eicbß - ©erbeberungßantt, ber ®efd)aftß*
bericht beß — für baß galjr 1898.
©on ©tabtratb u. granfenberg 680—682
—, baß — auf bcr ©arifer 3BeItaußftefIung 1225
* ff ©etd}ß-3Sobnuitgßgefeö 4 ', ©ereiu — unb
feine ©orfd)Iäge. ©on Dr. k. o. ©tan*
golbt .57—60
—, ©orarbetten für ein —.421
—, ©etition um ein —.181
©cntenfcftfe&ung, $ie — unb bie Aufbrin¬
gung ber Mittel jur ©eftreitung ber
©entcnlaft nad) ber ©ooellc gum gu»
oalibitätßgefe^e. ©on Dr. gul. ©otb-
bolg . 285—287
©entrnftenen, bie örtlicben — „jogial*
gefäbrlicb?".669
— für bie gnualibenoerfidjerung unb ber
©erbaub eoaugelifdjcr Aibcitcroercine
SSürttembergß.1247
—, gorberung ber — für bic Unfaflocr*
ficberuug in Dcfierrcicb.1058
©eferoiflen • Arbeitßnacbmeife, Aufhebung
ber — gu Öunften lanbmirtbfdjaftlicber
©acbmeife in ^annooer.1226
©ettungßgefellfdmft, bie ©erliner — . . 262
©ettungßmefen, (Sentralifatton beß ©erliner
— 874
©beber uub Seeleute, Ableljiuutg eineß
©djicbßgericbtß groifdjen — am (Slpbe 325
©bff>fr s Arbcitßnad)ii)eiß unb Hafenarbeiter-
©erbanb in Hamburg.76
©beberei, (Siniguügßamt in ber englifcben - 294
©iefclfelbcr, Ärbeitßoerbältniffc auf ©er-
Imer —.1343
©ollfutfcber unb ©pebitioußarbeiter, bie
©erliner —.1244
©o&bwu’fpinncreieu, Ueber bie Einrichtung
unb ben ©etrieb ber —, Haar*
©orftenguriebtereien, foroie bcr ©ürften-
unb ©infelmacbereien.1201
— »gl. ©ürfieu« unb ©infclinbuftrie.
o. ©Ottenburg, Dr., unb Dr. ©eumer 251.
559—560
©ubrfobünbergOau, grentbfpracblt(b e
beiter im —. 252. 541. 1201
©ubrfobleninbuftrie ogl. kobleninbuftrie.
©ubrfoblenreoier, 2obnbemegung im — 43. 70
Sammeimeber, Außftanb ber krefelbcr
— . 481. 537. 59t. 645. 765
0anitäre ©eformen für baß kleittgemerbc
in Dcfterreicb.310
Sanitätßinfpeftorinnen in Gnglattb . 797. 966
— ogl. ©efunbbeitßinfpcftorinnen, Health
Visitors.
0cbanfmeien, gorberung ber ©ergemeittb*
lidjung beß — in ©rofebritaunien . . 812
0cbauerleute, Arbeitßuacbmeiß für — in
Hamburg. 508. 570
—, Arbeitßnari)tt)cißbureauE unb Sparte»
räume für —.121
—, Arbcitcrmablen für ben Arbeitßnacbioeiß
bcr — in H ani & ll i’9.598
0cbiebßgerid)t, Errichtung eineß prioaten
— in ©imglau.1254
—, kaufmäunifd)eß — in Dßitabriicf . . 461
—, Ablehnung eineß — gmifeben ©hebern
unb 0eelcutcn am Elpbc.325
—, Einigungßämter unb — in ©cufeelanb
1897/98 . 829
— ogl. Einigungßamt, ©erföbnungßamt.
XV
©djiebsgeridjte, Äaufmäunijdje - - . . . 1
— bcr Hrbeitcruerfid;crung, Bie —. Bon
©. ©orn. 1274—1
—, DrtSFranFenFaffen, Äaffcuuorfiäube unb
—. Bon Bb- ©er 3 *®HUS . . 453-
—, ©inignngSämter unb — in ©nglanb
—, Bie AuSftänbe be$ gabreS 1898 in
granFreid) unb baS ©efefc über Ber*
mittelung unb —. Bon Dctaoe
gefti). 1008-1
— bei ArbeitSftreiligFeiten in ©daneben .
©rfjiebSgericbtlicbe Söfung von Arbeitsfrei*
tigFeilen, Reuerliche gäHeooneinigungS*
amtlichen ober — in ©nglanb . . .
Schiffbau, Arbeitslöhne im engtifchen unb
anterifanif^en —. 1
©djlacbtfteuer in Breslau, Aufhebung brr —
©<hläd)tergefenen, Bie djrifilidjen — Berlins
—, Berbanb ber — Berlin« unb Umgebung 1
©chlaffteflenwefen, BaS —.
—, ^olijeiuerorbnung über BtietbSwob*
nungen unb — in einigen ©täbten
Rorb»©annooerS.
©cbneibergewerbe, Betrachtungen über bie
bieSjäbrigeu Scbnbeioegungen im —.
Bon gof)S Simm .... 950-
—, BetriebSwerFftätten im — ....
—, Berbanb ber Arbeitgeber für ba$ —
in SKündjen.
©djneiberberoegung in Beutfchlanb . 590.
©dmbfabriFen, Arbeitgeber unb Arbeiter
ber — in Tuttlingen.
6 d)ub- unb geberinbuftrie, Bie göfung ber
Breisfrage über bie ArbeitSoermittelung
in ber —.
Schub* unb ©cbäftefabriFaiileii, Berbanb
heutiger —. 1
6 <bulär&tf, ©täbtifrfje — ... 100 . 262.
— in Berlin unb ©barlottenburg . . .
—, Tbötigfeit ber — in Tarmftabt 1893 99 :
— in ber ©tagbeburger Stabtoerorbneten*
oerfammlung.
—, ©täbtifdie — in @d)öueberg . . .
©djularjtfrage, Bie — auf betn 24. Äon*
grefe für öffentliche ©efunbbeitSpflege :
©djulbäber, Äommunale — in ©nglanb :
Schulen ogl. elementar», BoIFsfdjuleit.
©djulentlaffcne SBaifen, greiwilliger ör*
giebungsbeiratb für — in Berlin . .
©djüleruoritellimgen in ©tagbeburg. . . .
©chulfinber, greibäbcr für — . . . .
—, ©rwerbStbätigFeit ber ÄarlSruber —.
—, Unterfuchung über bie erwerbstätigen
— in ©nglanb.
— in ben ©traben non Öonbon. . . .
— ugl. Äinber, Äinberarbeit.
©djulFommiffionen, grauen in ben — oou
Berit.
Schulpflicht in ©ollanb.
Schulpflichtige Ätnber, Regelung ber ge»
werblichen Arbeit — im Reg.-Bej.
BotSbam.
©djulfparFaffenfrage, gur — in ©nglanb
*3chub ber Ängeftefiten in offenen gaben*
gefdjäften. 687-
— ber Arbeiter auf Bauten, Bolijeioer»
orbnungen jum —.
— ber Arbeiterinnen, gum — . . . .
*— ber „Arbeitswilligen", Ber — in
©cfjtüeben. BonDr. Ä£el Raphael 665-
— ber „Arbeitswilligen", ©efefe 3 um —
in Schweben.619.
— ber Arbeitswilligen, ©efefr jum — in
Schweben oerroorfen.
— ber Äinber, Berein jum — oor AuS»
nufeung uttb ©fifefjanblung in Berlin .
— ber Äinber, Breii&ifdje Bräftbialoer»
fügungen juin —.
* — beS geroerblidjen ArbeitSoerbältniffeS,
Broteft ber Arbeitgeber* unb Arbeit»
nefjnter-Beiiijjer beö ©eroerbegeridjtS
Berlin gegen baS ©efefc 311 m— 1021 —
be$ gewerblichen ArbeitSoerhältniffeS.
Bon Dr. ©ruft grantfe . . . 969-
— beS geioerblichen ArbeitSoerhältniffeS,
BreufjtfcfjeS ©errenljauS unb Reichs-
©efefcentwurf jum — . . . 1096—
©djufo beS gewerblichen ArbeitSoerhältniffeS,
Bcr bat)crifd)e ©anbwerFertag unb baS ;
©efefe 3 um — *.1369
©chufemafjregeln für bie AngefteDteu in
gäben unb bie ©eljülfenuerbänbe . . 769
©djufcoorfdjriften für bie Arbeiter in Th°*
maSfd)lacfen*S?übIen.852
—, Abänberung ber — für jugenblidje Ar*
beiter in granfreid).854
Schwachbegabte Äinber, ©ülfsfdjule für —
» in Bofen.157
„Sdjwarje giften". 280. 620
— - ber ©pänglergenoffenfdjaft in ©tünchen 877
©chwefelFohlenftoff»Bcrgiftung ber ©untnti»
arbeiter . . . .. 1102
©(bioinbfud)t$befäntpfung, gur — . . . 101
> ©ee*BerufSgenoffenfctjaft, Beutfcbe — 1898 1103
©eeleute, gur Umgeftaltung ber Berficbe»
> rungSgefeße für bie —.823
—, Bewegung unter ben englifdjen — 255. 1294
—, Ablehnung eine« Sd)ieb 3 gericbt$ 3 wifdjcn
Sftbebern unb — am ©Itjbe .... 325 j
> —, Staatliche Berfi^erung ber — in Oefter* ;
reich. 843!
©eemannSfongreh, gweiter beutfeher — in j
Hamburg.148. 411—413!
» ©eibenweber, AuSfperrung unb ©treif ber |
— in Ärefelb. 839 |
1 ©efcerftreif unbBotjfottbeS^gofalaujelgerö" i
• in Berlin.482
©ejjntafchinen, ©tatiftif ber — in Beutfch 5
» laub.787
© hmafdjinen unb Budjbrucfer tn ©nglanb 450
Shop Clubs, Friendly Societies unb — in
©nglanb.772
Shop Hours Act, Bie — in gonbott . . 1297
©ipgelegcnbeit fürBerfäuferianen in gaben»
\ gefd)äftett.548
> — für gabnerintten in ©nglanb . . .1149
5 Slums, Befeitigung ber — in gioerpool . 654
©ommerferien für ftäbtifche Arbeiter in
) Berlin.1145
> Sonntagsruhe im $anbel3gemerbe ... 16
—, ArbeilSmafe unb — ber Beamten unb
> Unterbeamten ber AeichSpoft .... 845
) —, ©rbebung über bie — in Bäcfereiett
DefterreichS.92
— auf ben fran 3 Öüfchen ©ifenbabtten . . 606
) —, Bie — auf ben englifeben ©ifenbabnen 237
l ©osialbemofraten, Äommunalprogramm
l ber geip 3 iger —. 222
! *©o 3 talbemofratie, Bie beutfehe — im gabre
1898, I—II .... 356-360. 877—384 |
l *—, Barteitag ber beutfdjen — in ©tutt» j
j gart.80—34
©o 3 ialbemotratiicbe@ifenbabner beim öfter»
reichifchen ©ifenbabttminifier .... 172
) — ©emeinbeoertreter, Äonferen 3 — ber
1 Broüinj Branbenburg.365
-, ©rfte Äonferen 3 ber — ©ürttem»
bergS . . . . .758
) — £ochf!utb, ©inbämmungSmafjregeln ge»
> gen bie «-.137
— giga in Belgien gegen ben Älfobol . 280
) ©osialbemofratifdjeS ©emeinbeprogramm
in ©achfen.672
1 — Brogramm für bie ©emeinbewablen . 277
) Soziale Arbeit, ©r 3 iebungSanftaIt für —
in Amfterbam.1060
3 — Begleiterfcheinuttgen wirtbfchaftlicher
©anblungen in Berlin. Bon Dr.
5 Ä. Tbiefe. 686-688
— Bienfte, Amerifanijche giga für — . . 871
5 — gürforge ber ©tabt ©trafjburg . . . 780 j
— ©lieberung, Bie berufliche unb — beS
1 beutfeben BolfeS.980
— ^ülfSarbeit, Stäbchen* unb grauen*
2 gruppen für — in Berlin.49
— Äommiffioit in ber ©tabtoerwaltung
SKündjenS.252
*— BrajiS, ©in beutfdjeS SKufeunt für -.
3 Bott Dr. ©ruft grantfe . . . 578—581
— BrajiS, BeutfcheS STOufeum für — . . 755
2 © 03 ialenquete in einem Arbeiteroiertel oon
Bari«.620
©ogialer ÄurfuS, Braftifch— beS BolfS-
8 ocreitts für baS fatbolifche Beutfdjlanb 78
Spalte
© 03 iaIiSntuS, Bie 5trifis im franiöfifchcn
—.1143—1145
© 03 ialiftifche ©enoffenfehaften, Äongrefe
ber — Belgiens ..180
— unb liberale Arbeiter in §oBfanb,
gabrcSoerfammlungen bcr — ... 791
— Uniüerfität, ©ittgebeit ber — in Brüffel 774
© 03 ialiftifd)er Bienft, gnlernatiottaler — . 88
© 03 ialiftifcbeS Btinintalprogramm im Ba*
rifer ©emeinberatb.673
— ^BlrbiScil" in ©nglanb.250
©oiialofonomifchc Abteilung bcr Barifer
©eltauSfteQung 1900 846
© 03 ialpolitif, Befcheib beS preu&ifd)en
©ifenbabnminifterS an ben Berein für — 89
—, Bie — in ber beutfdjen Tbronrebe . 248
—, AeidjStagSabgeotbneter Brimborn über
fontittunalc —.90
—, Bie — auf ber ©eneraloerjantmlung
ber Äatbolifen BeutfcblanbS .... 1288
—, ©emeinbltdjc — in grauffurt a./3». . 365
—, Berein für —.405
—, ©eneraloerfammluttg beS BcreittS für— 1001
— auf @ee.1083
—, Bie — in ber Bubgetbebattc ber fratt-
^Öftfcheti AbgeorbnctenFammer . . . 532
—, BaS neue SKinifterium unb bie — in
granFreich.1075
— auf ber Barifer ©cltauSfteDung 1900 . 277
—, Ungarifche Bon Heinrich Abi er
529-531
©ojialpolitifcbe Anträge im Beutfcben
Reichstage. 191. 275 301
— Bebatten im Reichstage.474
— Befcblüffe ber Rationalliberalen in
©achfen.498
— Bläne für bie nächfte ReidjStagSfeffton 34
— UnterricbtSFurfe in chrifilichen ©emerf*
fchaften. 1060
— Arbeiten beS fran$öflfcheii BarlamentS.
Bon gr. ©chottboefer.249
— Bebatten in ber franjopfchen Bepntirteu»
Fainmer.895
— Begebungen ber ^arifer Bauuuter*
nehmet.389
@o 3 iaIpoliiifdjer Äongrefe in ©enua . . 1121
*— Bormarfch in Beutfchlanb. Bon Dr.
©ruft grantfe. 865—868
©o 3 ialpoütifcbe$ auS Belgien . . . .87. 533
*— gajit ber ReicbStagSfeffton. Bon Dr.
©. grantfe. 1041-1045
— Brogramm ber franjofifdj«n Regierung 785
*©ojialreform, Bie — in ber ©tatsbebatte
beS beutfehen Reichstags. Bon Dr.
©ruft grantfe. 298-301
—, Bie — tu Beutfcblinb im gabre
1898 . 384-385
— Bie — unb bie Rationalliberale Bartei
im Reichstage.385
—, Broteft gegen gortfübrung jeher — . 617
, ©eltmachtpolitiF unb —. Bon Bro*
feffor Dr. ©rnft oon ©alle. I. II
522—526 658-659
—, Abolf ©tötfer über ©treiFoorlage
unb —.1289
—, ©ebrFraft unb —.1073
©ojtalreformer unb ©emaltpolitiFer in
Beutfchlanb.694
©ojialftatiftifcher Bienft, gnternationaler —
276. 362
©ojialmiffenfcbaftlicbc Bereinigung in
Seipjig.32 L
©oiialwtfTenfchaftlicheS UnterrichtSwefen
1900, gnternationaler Äongre§ für — 948
©parFaffen, Breufeifche — 1897 . . . • 508
—, Beförberung beS Baues oon Arbeiter*
wobnuugen burch —.516
©parFaffencinleger, BerufSftatiftiF ber —
in Batjern. 230—232
Sparfiun, ©pieltricb unb —.1027
©paroerein, Bau* unb iti ©uSFirdjen . 422
©paroereine, Bau- unb — in ©antburg
| unb Umgegenb.261
| ©parjwang, gobneinbaltung unb —. Bon
Rechtsanwalt Dr. gubwig gulb . . 5—6
I —, Bie rechtliche 3alöfftgFeit beS —. Bon
Belgeorbnetem gehn)alb.
CSV (S)
XVI
Spalte
SpebitionSarbeiter, Tie Verliner Voll*
futfdjer uttb —.1244
Spenben ber bcutfdjeu ticngefcDfcfjaftcu
für Arbeiter.546
— ugl. ©efebeufe, Stiftungen, Vermacht»
niffe. |
(Spieltrieb unb Sparfinu.1027
Spinner, Aus ber englifchen Aibeitcrbewc*
gung; bie Stucfatur-Arbeiter unb bic — 537
Spinnerei, Vereinbarung jroildjen Arbeit¬
gebern unb Arbeitern ber — uon fiattfa»
ffjire.705
pirituSriug, Agitation für bcu — . . . 676
taatSbafjnen, ArbeiterauSfcbiiffe bei ben
bat)eiifd)en —.276
—, SSohnungSuerbciltniffe ber Vebienfteten
unb Arbeiter ber bagerifefjen — . . . 858
—, Arbeiterfiirforge bei ben preufjifd)ett — 260
—, ArbeitSuerfiäUniffe bei ben preufeifdjen
— .501
Staatsbauten, Arbciterfdjufc-Vebinguugett
bei — in ^reufeen. .1102
Staatsbetriebe, VenftonSfaffc für Arbeiter
im babifchen —.393
Stabtärjte,3)?ebijinalrefonn unb VreufeifchcS
AbgeorbnctenfjauS; —.829
Stabt- unb ©emeinberätfje in Gnglaub,
SBeiblicfjc —.1003
Stvibtratl) unb ArbeiterTamnier in 3ürid) 477 j
Stäbtebeleudjtuug, kommunale — in Gng»
lanb.. . 1003
Stäbtetag, Steiler preuBifdjer — ... 476
—, Vranbenburgifd^er — . . . 1218, 1371 i
—, IX. §effi[d)cr —. 8 I
— ber ^roüinj Sadjfeu.1099 I
—, 2f)üringi[d)er.1122 |
— ber mittleren Stabte Habens . . • 1372
Stäbtifdje Arbeiter, Tie — in Berlin unb
ber Sftagiftrat.391
-, Äranfeunerfidjerung ber — in Berlin 544
- - , Regelung ber Sötjne — für Berlin
unb Spanbau.586
— —, Sommerferien für — in Verlin • 1145
—, Ablehnung beS SJtinimallofjuS für
— in Vern. 9 I
— —, Tie ftäbtifdjen — in Gannftabt . 671 i
-, Statut für — in Karlsruhe . . 222 .
-, fßenfion für — in karlSrube . . 365
— —, Tie Regelung ber Tieuft* unb 2of)n*
uerbältniffe ber — in SKannljeiut 562, 1002
-, fiobnoerhältniffc ber — in SJtündjen 500
— 3 e ^ n ftü»bige Arbeitszeit für alle —
in Stuttgart.586
-, Verforgung — in Stuttgart . .1194
-, Alters- unb gnualibitätSuerforgung
für — in Ulm.1002
->, SWinimallöfjne ber — in 3üridj • 1267
-ugl. ©emeinbearbeiter.
— Vebienftete, gürforge für — unb Ar*
beiter in Sftainj.729
— betriebe, Drganifationeu ber Arbeiter
in -.413
— kioSfe für antialfofjolifdje ©etränfe 730
— Sofjnarbeiter, Statut für bie Alters*
unb gnualibeuuerforgung ber — in
Stuttgart.221
— SHiSceDen 38, 91, 141, 195, 278, 387, 478,
643, 873
— SBerfftätten für Arbeiterinoaliben in
VariS . 10
StäbtUdjeS Sieben unb VolfSgefunbheit . 459
Statiftif ber entfdjäbigungSpflidjtigen —
für bas gabr 1897 . 1224
— ber GrmerbS* unb VürtbfdjaftSgenoffen*
fdiaften.1153
— ber grauen-, gugenblicben- unb kiuber*
arbeit in gabrifen.278
*—, Tie 3J?etf)obe ber 2of)uarbeiter*— ber
SpAlte |
Steiumejjgciuerbe, Streit im — . . . . 1380
Steinfeber, Streit ber — in Berlin . . 1053
—, Ter Streif ber Verliner — nur bem
©ewerbegeridjt als GinigungSamt. Von
2N. u. Sdjulj, Vorfifc. b. ©ewerbe»
geridjts Berlin . 1033 — 1036
Stellenoermittelung im ©aftwirtbSgewerbe
Zu Stuttgart.509
— ogl ArbcitSuadjtueiS.
Stcrblidjfcit, AlfotjoliSmuS unb — . . 548
—, SBohnuugSiuefen unb — in Siuerpool 1033
Steuerbefreiung für bie ©auSinbuftrie in
Vufelaub.67
Sticfereiuerbanb in ber Sdjtueiz .... 95
Stiftung für 2Sof)IfabrtSjwecfe ber Surfer*
fabrif granfcntbalS.629
Stiftungen, ©efdjenfe unb -- an Arbeiter
unb an bie unbemittelten VolfSflaffeu
824, 1178
— ogl- Vermäcbtuiffe, ©efdjenfe, Spenben
Storfarbeiter-AuSftaub, Gin — uor bem
GinigungSamt beS ©emerbcgeridjts
Berlin 93on gabrifant D. Söeigert
293—294
—, VodjmalS ber — oor bem GinigutigS*
amt beS ©croerbegeridjts Berlin . . 397
—, Gine Gntgeguung betr. — . . . . 430
Strafeenbabn-Angefteflte, formen für bic
Tieuftzeit ber — im Äönigreid) Sad)fen 818
Straßenbahnen, kommunale in Gnglaub 1266
—, Tarife für — in V?agbcburg unb Viün*
djeu.1218
—, Stäbtifdjer ober priuater betrieb uon-- 1146
Straßenbahuuerwaltung, kommunale —
in fionbon.813
Streif ber Verfilberer ju Berlin, Ter —.
Von 2Jf. u. Sdjulj, Vorfifeenbent beS
©emerbegeridjts Berlin . . . 114—115
— ber Verliner Steiuarbeiter, Ter — unb
baS GinigungSamt beS ©ewcrbcgerid)ts.
Von 9J?. u. Sdjulz . . . . 1299—1302 |
—, Gin furjer —. Von 2)?. u. Schulz,
Vorfijjenbem beS ©ewcrbegericbtS Berlin
1824 — 1325
— ber Arbeiter für bie Totinenabfubr
in Bremen. 1380 i
—, Beilegung eines — burd) Vermittelung 1254
— uon Gifenbaf)n*2langirarbeitern in Gr»
furt.565
— ber gornter in Seipjig, AuSfperrung
unb —.1054
— in 2iemfd)eib; DrtSfranfenfaffe unb Ve-
triebsfranfenfaffeu.197
—, Verbot eines — bureb bie Polizei in
3micfau.1319
— ber belgifcben ©rubenarbeitcr . . . 879
— im englifdjen Stucfarbeitgeioerbe . . 791
— ber frauzöftfeben Gifeubabnarbeiter, ^er
mifeglücfte —.95
— ber Grbarbeiter uon VanS .... 12
— ber Vinnetiftbiffer in 2totterbaui . . 765
—, Veileguug eines — in ber Schweiz . 537
— ugl. AuSftanb, ArbeitSfämpfe, Arbeiter¬
bewegung.
Streifbewegung in 25cutfd)Ianb .... 565
— in Vöbmeu.789
Streifenbe Arbeiter, Stäbtifcbe Armenuuter-
ftübung für — in Guglanb .... 730
Streifgefefe, 5^as beutfdje —.112
Streifflaufel, Vergebung fisfalifeber Ar¬
beiten in fßreufjcn unb bie — . . . 947
— ber 3»ricber ArbeitSborfe.545
Streifpoflen, 3>9^ richterliche Gntfdjeibun-
gen über Arbeiterfragen in Guglanb;
Vefcbränfung beS ÄoalitionSredjteS
unb —.363
— uor ©eridjt in $eutf<blanb unb Gnglaub 1379
Streifs in $eutfd)Ianb im September 42
Spalte
Streifs in Velgieu in 1898 . 617
— unb AuSfp?rrungen in $>äucmarf 116 1245
-— in Gnglaub 1897 . 199
— in granfreid; 1897 . 226
— unb GinigungSämter in granfreid) 1898 1174
— in gtalien uon 1879—1896 .... 226
— in Oefterreid) 1898 . 925
—, ©egen leichtfertige — in ber Schweiz 72
♦Streifftatiftif, 2>ie Organifation ber amt¬
lichen —. Von Dr. Gruft granefe 246—248
—, Nochmals bie beutfefje — .... 304
*—, $>ie amtlidje beutfdje — . . . 974—978
-, $ie amtliche bcutfdjc — für baS
I. £>albiaf)t 1899 . 1291
— für Varjeru in 1897 . 198
—, Ceflerreichifche — für 1897 .... 565
— ugl. Grbebungeu über Arbeitsfämpfc.
Streifoergeben, 'proteft fatbolifcher Ar*
beitcroereine in Verlin gegen Ver-
frflärfung ber Veftrafung uon — . . 389
Streifuorlage, ®ic angefiinbigte — . . 6
—, Abolf Stöcfer über — unb Sozial*
reform.12*9
Stucfarbeitgewerbe, Streif im englifchen — 737.
791
Stucfateure, ©ipier :c., Gcntraluerbanb ber
bentfdjeu —.226
Stucfatur-Arbeiter, AuS ber englifchen Ar-
beiteibewegung; bie — unb bie Spinner 537
Stuhlarbeiter (Jejtilarbeiter), 10. orbent*
liebe ©eneraloerfammlung beS ©rmerf»
uereinS ber beutfehen 788
Submifrtonen, Verücfpchtigung ^leinge-
werbtreibeuber bei ftäbtifcheu — in
grauffurt ci. SJl .387
— ugl. Vergebungen.
SubmifftonSorbnuug in9D?annheim,2?eue — 1077
t.
Sabafarbeiter unb »Arbeiterinnen, Äongreß
b r frauzöftfeben —.200
2abaffabrifeu, $>ie Arbeiter in ben öfter*
reidjifdjen —.223
£abafinbuftrie, $:ie Arbeiter ber fran»
Zönfcbeu —. Von gr. Scbotthöfer
1315-1317
Sapetcnfabrifauten, Verein beutfd)er — 338
—, 9tiug ber —. 1080. 1378
Jarifbewegung, 2)ie — im Vudjbrucfer*
gewerbe ^eutfdjlaubs.219
Sarifgemeiufdjaft, ©emeinfanter ^ampf uon
Vrinztpalen unb ©ehülfen im 2)eutfd)en
Vucbbrucfgewerbe für bie AuSbebnung
ber —.66
Sarifoereinigungcn.946
£ajameter«Vetrieb, Verliner S)rofd)en-
futfeber im —.307
Selegrapbenbebieuftete, Verfidjerung ber
Voft* unb — in Öefterreicb .... 287
^elegrapbenperfonal, Grbebungen über ben
©efuubheitszuftanb beS fßoft» unb —
in ®eutfd)lanb.253
—, Gin Vrojeft über AlterSoerforguug beS
niebereu ^oft* unb — in granfreicb . 233
Telephon, kommunales — in Norwegen. 1315
^elephonbieuft, kommunaler — in Gng*
lanb.673
ierroriSmuS, kein — ?.1319
Textilarbeiter (Stuhlarbeiter), 10. orbent*
lidje ©eneraluerfammlung beS ©ewetf*
uereinS ber beutfdien —.788
—, kongrefj ber — VelgienS .... 173
i Textilarbeiter-Vewegung in krefelb . . . 307
; Textilarbeiterftreif, Ter — in Vrünn 881.
9S3. 1007. 1052
—, Urtheile über ben Vrüuner — . . .1101
preufjifcbeu Gifeubahnuerwaltung. Von —-im Cftober. 146 Textilarbeiterucrbanb, Ghriftlidjer — in
Dr. G. ^>irfd)berg . 993—999 —- im 9?ouember . 307 3D?.*©labbach . 226
Steiuarbeiter, Streif ber beutfeben — 1319, 1380 -— im Tezeinber.414 —, Ter elfah-lothringifcbe — .... 1269
—, Ter Streif ber Verliner — unb baS —-im Vtärz. 787 Textilinbuftrie, Agitation für ben 3 e ^ u *
GinigungSamt beS ©emerbegericbtS. -im April. 900 ftunber.tag in ber —.851
Von V?. u. Schulz, Vorftfe. b. ©c* —, Tic — in Teutfcblaub 1898 1844—1346 —, Ter 3 e b n f* im bentag in ber öfter*
werbegericbtS Verlin . . . 1299—1302 — int Vraugewerbe, ©egen leichtfertige — rcidjifdjeit —. 900. 1173. 1240
Steinfohlenbergbau, Arbeitszeit unb Ar- Z u Hamburg.43 — f Urteil eines gabrifanten über ben
beitSleiftung im — ju Voffife ... 674 —, Tie bablfcbe Vcgiernng unb bie — . 86 3 f bnfiunbentag in ber —.876
XVII
Spalte
$f)ter§aarinbuftrie ; Slrbciterfd^ufe in bcr
— gegen VMIjbranbgefahr . . 119. 706
—, BunbeSrathSoerorbnung jum Schufc
ber Arbeiter in ber —.505
— ogl. Vfiljbranb.
£honiaSfd)latfen*V?üblen,Schufcüorf<hriften
für bic Arbeiter in — . . . . 257 852
£fjn>nrebe, $>ie preufjifchc —.406
—, $>ie Sojialpolitif in ber heutigen — 248
$ifd)lertag, $5eutlcher —.1241
2onnenabfuf)r, (Streif ber Arbeiter für bic
— in Bremen.1380
Trade Unionisme, Smashing —? . . . . 415
$rabc Union$, VJinbeftforberungen ber —
nn bie ©efefcgebung.173
, £>err L)r. Beumer unb bie englifdjen
—. Von Dr. oon Vottenburg
161-166. 185-189
—, Programm ber — für bie Arbeiter-
gcfefcgebung.340
* —, Nochmals §err Dr. Beumer unb bie
englifdjen —. Von Dr. non ^Otten¬
burg . 490 - 494
—, Plan einer göberation ber — . 389. 1320
—, $>ie — auf ber Parifer SBeltauSftellung 1200
—, gahrcSfongrefc ber — in piqmouth
1083. 1270. 1294. 1346
Spalte
UnfaDoerficherung berSceleute ingranfreid) 178
— in beit Vieberlanben.682
—, $>ie — in Defterreid).929
—, gorberung ber SRenlenfieflen für bie —
in JDefterreid).1058
— in Vufelanb. 930
—, Äranfen- unb — in ber Sdjwcij . . 152
— ugl. Verficherung, 2lrbeiter«UnfaHoer*
fidjeruitg.
ünfafloerfiiherungSgefefc, grattäöfifdjeS —
oom 9. Slpril 1898. Von @ef). 9teg *
SRatt) Dr. 3 ac b cr .1010—1012
—, $>aS ginnifdje — Von Dr. 9t. af
Urfin. 228-230
—, ßranfen* unb — in ber Scfjweij . . 963
UnfafloerfitherungSpflicht, 3»r 2luSbet)nung
ber —.1150
UnfanoerfidjerungSoorfage, $>ie — in ben
97iebcrlnnben. Von Dr. g. £. oan
3anten .1177—1178
Unfall-, ^noalibitdt«* unb SllterSoerfidK’
rung, $)er Stanb ber — in $eutfd}-
Ianb 1897 . 391—393
Unfall- unb Äranfenoerficherung i n ber
Sdjweij.772
♦Unglei^eS TOaafe! Von Dr.©rnft graticf e
401—405 !
— ogl. ©ewerfoereinc.
SramwagS, Söhne bei fomntunalen — in |
©nglanb . . .'.1170 |
— ogl Pferbebahn.
Transport» unb VerfchrSarbeiter, ©entral-
oerbanb ber §anbelS», — 5)cutfd)IanbS 367
2runfiud)t, ©ntmünbigung wegen — . . 618
— ®ie Abnahme bcr — in S)eutfd)lanb
Von Dr. 23. Bobe .... 1031-1033
£uberfulofe, kommunale Vfafjregeln gegen
— in SJiandjefter.1077
2ubeifulofen=5bongref}, 2)er — in Berlin
236. 322. 396. 486. 797. 965
—, £er — unb bie tfranfenfaffen . . . 882 :
2uberfulofcn*2ag, Vom — bcr Verfamm-
Iung beutfeher Vaturforfdjer unb Slerjte
in SDüffelborf. Von Dr. ©eorg Siebe 52 j
u.
Uebernadjtungß* unb 2lufenlhaltsräunte für
baS ©ifenbahnperfonal. 628 ;
Umfa&fteuer, Slblehnung einer — für tfou-
fumoerciiie in Hamburg.68 ,
— ogl. ©croerbeumfafcfteuer.
Unentgeltliche Becrbigung in £f)nrgau • 873
Unentgeltlichfeit ber Sehnnittel in 3iiri<h 1250
UnfäDe, Statiftif bcr entfchäbigungSpflidj*
tigen — für baS gabr 1897 .... 1224
— ber ©ifeubahnarbeiter in ©nglanb . . 1351
llnfalDSntfchäbigungSgffefc, $ie SBirfnngen
beS neuen — in ©nglanb. Von g. VS.
©alton. 201-203
UnfaDgefabr, (Sr^öfjntig ber — burd) un*
ftänbige Arbeiter.1224
UnfaDflatiftif, $ie £>auptergebniffe ber
öfterreidjifdjfn — für bie gahre 1890
bis 1896 . 961
Unfanoerhütung in Belgien.1273
— in Defterreidj.454
llnfanoeibütungS-©inrid)luugcn auf ber
parifer SSeltauöfteflmig unb bie Bau*
arbeitet.1296
UnfafloerbütungSoorfchläge ber Arbeiter-
UnfaflüerfidKrungSanfialt für Vieber»
ö fl erreich.287
llnfanoerfidjerung, Äranfen» unb — ber
ftäbtifchen Arbeiter in Berlin ... 287
—, S)ic — in ber bclgifdjcn Äohlenberg«
toerfs-gnbuftrie.904
—, Durchführung ber — für bie gewerb*
Iidjen Arbeiter in granfreid) .... 649
—, SDrgauifation ber gewerblichen — in
granfreid).962
—, Die Drganifation ber gcioerblichen —
in granfreich- Von g. Schotthoefer
819—822
—, 3 ur 3™0 C ber gewerblichen — in
granfreidj. Von gr. Schott ho f er .
1176-1177
Unioerfität, ©ingehen ber fojialijtifchen —
in Trüffel.774
University Extension in Sonbon .... 293
— — in Dejterreid).1060
Unterbrücfung ber Bcltelei, Völlige — in
granfreich.731
Unternehmer, Slrbeitgeber unb —. SBon
©eioerberichtcr Schmie ber . . 272 — 273
—, ^roteft oon — gegen ©inigungSämter 934 j
— unb Arbeiter in ber *£bemfe»®ifenroerf-
unb Sd)iffSbau=©efeDfchaft < ' ju Sonbon 535
— unb Slrbeiterfoalition.447
Unternehmer- unb Slrbeiteroerbänbe in
©nglanb. 91on ©riteft ?loeS . 218—219
Unternehmcr=Drganifation, 93erfuch einer
— in ber .^ol^inbuftrie.876
Unternehmeroerbänbe, ^oalitionöjmang
oon —.306
UnterrichtSfurfe, Sojialpolitifche — in
chriftlidjen ©emerfichaften.1060
UnterridjtSiüefen, gnternationaler Äongrefe
für fosialmiffenfchaftlicheS — 1900 . . 948
Unterftüfeung burch Arbeit in Süttich . . 787
Unterjochung über bie ermerbsthätigen
Schulfinber in ©nglanb.92
— ber ftoftfinber, StabtärUIiche — in
©harlottenburg. Verpflichtung ber
Pflegemütter.1315 ;
— ogl. ©rhebung, ©nquete.
Urtheil in bem VaufrawaQ oon Söbtau,
2)aS —.581 I
— über beutfehe Arbeiter, ©in britifcheS — 1049
Verbanb faufmännifcher Vereine, $>eut-
fcher -.900
-, ^nnptoerfammlung beS beut-
fchen — ju ©ifeitach.1006
— fehroeijerifdjer Äonfumoereine, 2luS bem
VechenfchaftSbericht beS — pro 1898.
Von Prof. Dr. gui. Platter 1151—1153
— ber Slibeitgeber im Baugewerbe ju
München.877
— -für baS Schneibergewerbe in
München.732
— ber £>au£= unb ©mubbeHher in ber
Vheinpfalj.235
— ber fatfjolifdjeu Ärbeiteroereine in Süb=
beutfchlanb.956
beutfdjer 2lrbeitSnad)weife, 2)ie erfte
Verfammlung bcS — in Vtündjen. Von
paul Viifdjing.18—19
-, Slusfdiufefifenng beS — . . . 544
— beutfdjer Vudjbrucfer. 880 i
— ber VtetallinbuftrieHen unb bie SlrbeitS-
willigen.1125
— beutfdjer Schuh- unb Schäftefabrifan*
ten .1081
Spalte
Verbanb ber fübbeutfdjen Vtöbelfabrifanten 1081
VerbanbShauS ber beutfehen ©ewerfoereine
in Berlin.956
VerbanbStag, V. — ber Bau=, ©rb- unb
gewerblichen ©ülfßarbeiter ^eutfdjlanbS 590
— ber beutfehen BerufSgenoffenfchaften 823
Verbot eines Streifs burch bie polijei in
3wicfau.1319
VerbrauchSfteuern, gorterljebung ber — in
§cibelberg. 113
Verbrechen, SllfoholiSmuS unb — in gratif-
reich.1268
Verein w 2lrbeiterheim" in Bielcfelb . . 124
— „ülrbeiterfdjufe" ........ 481
— für Slrmcnpflege unb SBohlthätigfeit,
18. gahreSoerfammlung beS — . . . 21
-, 19. gahreSoerfammlung
beS —.1381
— für bie bergbaulichen gntereffen in
Vheinlanb unb 2Beftfalen.306
— -in ©jfen unb ber ©ewerf*
oerein chrifilidjer Bergleute .... 644
— für £>anbluitgS*SfommiS oon 1858 in
Hamburg. 808. 59t. 850
I — ber gnbuftriellen beS VegierungSbejirfS
Äoln.731
*— „VeidiS - SBohnungSgefeh" unb feine,
Vorfchläge. Von Dr. ß. o. VJangolbt
57-60
— jumSdjufe ber Äinber oor SluSnufeung
unb Vfiphanblung in Berlin . . . 674
— für Sojialpolitif.405
-, ginanjminifter Dr. o. Sfliquel
unb ber — 668
— -, §err o. Viiquel unb bie Sanb-
arbeitcr-©nquete beS —. Von Prof.
Dr. SKaj SBeber. 640—642
-, ©rhebung beS — über bic Ver-
hältuiffe ber 2lngeftcIItcn ber VerfehrS-
anftalten .10
— — —, Bcfdjeib beS preubifchett ©ifen=
bahnminifterS an ben —.89
— — - , ©encraloerfammlung beS — . 1001
— jur görberung beS Slrbeiterwohnungs*
wefenS, 9U)einifd)er —.206
— für VcrfidjerungSwiffenfchaft .... 1276
— für VolfShpgiene, ^eutfdier — . . . 1205
— beutfdjer 2Serfjeugmafchinenfabrifen . 1081
— weiblicher Slngeftellter, Kölner — . . 1107
Vereinigung ber Arbeiter beS Buchgewerbes
in granfreidj, Statbolifdje — ... 737
— für gemeinnühige3«necfe, 5)ie 3J?.=©lab*
badjer —.629
— oon gabrifanten in Ärefelb gegen Streifs 281
— jur görberung beS 2lrbeiterfd)ubeS, Be-
theiligung ©eutfdjlanbS au ber inter¬
nationalen — . . . 792. 869—870. 893
-, $)ic internationale — unb bie
Sojialbemofratie.811
— 3 ur giirforge für franfe Arbeiter in
Seipjig.932
VereinS-SlrbeitSnachweiS in Seipjig . . 419
VereinSgefep, §. 8 beS prcufjifchen — . . 192
—, $aS fädjfifchc — unb bie VJiuber-
jährigen.1025
Vereinsredjt, 3 ur Auslegung beS fächfl*
fdjen —.948
— ogl. $oaIitionSrcd)t.
Vergebung fisfalifdjer Arbeiten in Pveufjen
unb bic Streifflaufel.947
Vergebungen ogl Submiffionen.
Vergemeinblichung, ^ie grage ber — in
©nglanb .643
— beS SdjaufwefenS, goiberung ber —
in ©rofjbritannieu.812
Verfäuferinnen, Si^gelegenheit für — in
Sabcngefdjäften.548
Verfaufshäufer, ©enoffenfchaftliche — in
^ambuig.742
Vcrfehrsanftalten, ©rhebung ber Vereins
für Sojtalpoütif über bie Verhältuiffc
bcr Slngefteflten ber — ..... 10
Vcrmdd)lnifje ogl. Stiftungen, Spenbeu,
©efebenfe.
Vermittelung, Beilegung eines Streifs
burd) - *.1254
— ogl. ©inigungSamt, VerföhnungSamt.
3
XVIII
Berpflegunggftationen, Offene — für Sun*
genfranfe.422
—, Strbeitgnadjnjeife unb — in $reufeen 1012
Berfammlungen, ©olitifcbe unb getoerf*
fdjaftlube — in ©acbfen ..... 193
Bereicherung gegen HrbeitglofigFcit ... 682
— --i n timerifa.963
-, ißlan einer — in Bafel . . . 905
— lanbioirthfcbaftlicberHrbeiter in Ungarn 772
— ber Seeleute in Defierreicb, Staat¬
liche —.343
— ogl Unfafloerficberung, Arbeiter-Unfall«
Betficberung.
Berficberiingganftalten, 2)ie Befcblüffe ber
Vertreter ber beutfcben — ju ber 3n*
üalibitätgnooelle. .542
—, ©tatiftiF ber non ben — übernommc*
nen ©eilbebanblung.597
—, ftonferenj ber Vertreter ber — 507
—, Sau non Arbeiterioobnungen; - . . 603
—, Beleibungggrenjen ber — für Arbeiter*
roobnungert unb Sungenbeilftätten . . 17
BerFtcberungggefefce, Befcblüffe beg beutfcben
Aerstetageg ju ben —.822
— für bie ©eeleuie, §üt Umgeftaltung
ber —.823
Berjt<berungS*@efefegebnng, 3ur Reform
ber — beg Ncicbeg.921
BerficberunggFaffe gegen ArbeitgldfigFeit,
2>te fiäbtifc^e — inftöln unb bag ©e*
toerffcbaftgFartell.387
-, ©iabtfölnifdfje — im ©inter . 1150
BeritcberunggtoerF, 2>ag — in ber Sdjmeij 343
Berficberunggioiffcnfcbaft, Berein für — . 1276
Berfilberer, $)er ©treif ber — ju Berlin.
Born Borfifcenben beg ©etoerbegeridjtg
2R. n. ©tbulj.114—115
„BerfobnungSafte", Beilegung non Arbeitg*
fireitigfeiten auf ©runb ber — . . . 829
BerföfjnungSamt, ®er $Ian eineg natio*
nalen — in ©nglanb an bem ©iber»
ftanbe ber Unternehmer gefd^eitert 695—697
— ogl. ©inigunggamt, ©djiebggeridit.
Besorgung ftäbtifdjer Arbeiter in ©tutt*
gart.1194
Berfudj mit untauglichen SRittefn, ©in — 605
Bertljeibigung, ©in ©ort jur —. Bon
fSrof. Dr. ©. n. 2Rapr.894
Bertraggbrucb, $er — beg©efinbeg. So»
Necbtganroalt Dr. 2. gulb . . . 360-361
Berurtbeilung ogl. Begnabigung.
BolFgbab, Neueg — in Bremen .... 1356
—, ®aS erfte — in ©arte ■.797
BolFöbibliotbeFen unb BolFglefeballen . . 156
, $ie beutfcben —. Bon Dr. ©ruft
©djulfce ....... 1161 — 1168
—, Staatliche Betbülfen für —. Bon Dr.
©rnft ©cbutfce . . . . . 655—659
BolFgbilbuttg, ©efeflfcbaft für Berbreituttg
non —.933
BoIFgbureau, JbötigFeit beg — in HRündjen 448
BoIFggefunbfjeit, ©täbtifcbeS Sebcn unb — 459
BolFgfjaugbaltgfcbulen, Ueber —. Bon
grau ©eljeimratf) Sötte SBinbfc^cib
456—459
— ngl. #augbaltunggfcbulen.
BolFgbeilfiätten, Berein für — in ©ürttem*
berg.322
— ngl. £eilftätten, Sungenbeilftätten, ©c=
nefunggbeime.
BolFgijpgicne, $)cutfcber Berein für — . 1205
BolFglejeballeiT, BolFgbibliotbeFen unb — 156
— ngl. SefebaHen, grcilefeballen.
Bolfgfcfjulen ogl.©lcmentarfd)uIcn,©djulen.
BolFgfcbüler, Hamburger — imStabtiljeater 605
BolFgfdjuItocfen, $aS preufeifdje —. Bon
©eneralfefrefär 3- £eroS . . . 288-292
Bolfgtbümlidbe ^ocDldbulTnrfe, Augbebnung
ber — in ©eutfdjlanb.713
— —. Sou Dr. grifc Specht . . .99 — 100
-in Berlin . . 155. 292. 395. 573. 1060
— — in Hamburg.773
SolFgunioerfität, 2>ie erfle — in granfreirf) 797
SolFgoeretti für bag Fat^olifd^e $eutfdj*
Iatib, SraFtifcb*fosialer ÄurfuS beg — 78
BolFgooTlefungen, grnnffurter Ausflug
für —.713
Cpalie
BoIFgoorlefungen.1109
— ngl #o<bfd)ulfurfe.
BolFgoorftellungen beg HRannbeitner £of*
tbcaterg.1158
Bolfgtoobnungen, ©au non — burcb bie
©emeiitbe in ©trafjburg i./ö. ... 654
Bolfgfläfjlung, ©ogtalpolitifdbe ©ünfdje jur
na^ften —. Son Dr. ©. $irfcb6erg
1237—1239
©orlefunggmefen ber Dberftbulbehörbe in
©amburg.1355
— ngl §od|frf)uIfurfe.
©ortrnggfurfe über ©ürgerlunbe bei
SWäbdjen- unb grauen»©ruppen für
fojiale ^ülfgarbeit in Berlin .... 774
Sortraggreiben,Solfgtbümli<l)e — in Berlin 573
— ngl §ocbfd)ulfuife.
SB.
SSaljbrahtf^nbifat, Borfcbrijten beg — . 446
Starteraume, §lrbeitgna(b>neigbureau£ unb
— für ©(bauerleute in Hamburg . . 121
©eher, 2obnberoegnng unter ben — in
Ärefelb.866
©eberaudfperrung in fteidjenbacb in ©c^lef. 765
2Beberei, ©egen bag Sroeiftnhtf^ftem in
ber —.283
©eberftrei!, Ärefelber — . . . 889. 413. 502
—, Sermittelung int ftrefelber — ... 704
! ©eberfireifg in ffrefelo unb in Steifen-
1 badh i./©chl.814
i ©eljrfraft, $)ie nationale — unb bte ^eran-
I Siebung augiänbiftber Arbeiter . . . 1265
I — unb ©ojialreform.1078
©eiblidbe SngefteUte, Äaufmännifcber unb
geroerblicber ^ilfgnereirt für — 5 u
; Berlin. 503. 1029
-, $anbelgf(bule für — in Hamburg 1250
-, Kölner Berein —.1107
— ©etoerbeaufjicbtgbeamte, Hntrag auf I
2lnfteHung — in ©reu&en. 625 1
— Hffiftens bei ber ©emerbeaufftdbt in
©ürttemberg.541
— gabrifinfpeFtoren tn Bublanb . . . 228
|-, 2)ie grage ber — in ber ©djroeis 648
i — gabriFinfpeFtion, gortföritte ber — in
i ieutfcblanb.1371
! — ©emeinberatbe in ©nglanb, $ag Dber-
i baug gegen —.1077
' ©eltaugfteßung, ©ojialöFonomtftbe Slbtbei«
j Iung ber $arifer —.846
| —, ©ojialpoliti! auf ber ©arifer — . . 277
j — # Unfere Ärbeiteroerfttberung unb bie
! ©arifer —.1128
I —, Beteiligung ber ©enoffenfdbaften an
ber Batifer —.1227
®ag 9leidbg e Berfi(berunggamt auf ber
I Barifnr —.1225
, —, Beuiftbe UnfaHoerbütungg * ©inrid)=
I tungen auf ber Banf« — unb bie
; Bauarbeiter.1296
— gransöftftbe Hrbeftcrbelegationen auf
ber ^3arifer —.1378
*©ellmacbtpolitiF unb ©o$ialreform. Bon
Brofeffor Dr ©rnft oon ©alle,
1. II. 622—526. 553-559
t ©erft, ©oblfabrtgeinricbtungen auf ber
| Faiferlidjen — in SFiel.233
©erFbaugprtnjip, S)ag — in ©nglanb . 501
| ©erfftätten für 2lrbeitertnüaliben,©täbti[cbe
1 — in Burig.387
i ©erFftätteufiatut, 5FomntunaIeg — für
Bubnpeft.1315
j ©erFjeugmafcbinenfabriFen, Berein beut*
j fdjer —.1081
©irtüfcbaftlidje ©anblungen, ©ojiale 23e=»
glciterfdKtnungen — in Beiltn. Bon
; Dr. St. 2bifb . 586-588
©irtb^geroerbe,2lrbeiter)cbiibtmbeutfdben— 284
©oblfabrtgeinridbtungen, $pgientfcbe — . 236
— ber Ätßniglid) spreufeifrfjen ©afferbnu*
i oermaltung.627
j — auf ber Fatferlid^cit ©erft in Äiel . . 233
: ©oblfabrtgpflege auf bem Snnbe . 509. 572
! —, ©täbtifdbe unb priuate — . . . 234
6pa!tt
©oblfa^rtgjmecfe, ©ttftung für — ber
ßueferfabri! granfentbalg.629
©oljnbäufer, ©rritbtung oon — für Hrme
in ©nglanb.654
ffiobuungen, Öeerpebenbe — in Berlin . 1229
—, UeberoölFerte — in Breglau.... 827
—, SRangel att Fleinett — in Btagbeburg 684
—, $>te Äotnmiffton gegen ungefunbe —
in ©trafeburg t. öl)..182
—, ©aferegeln gegen ungefunbe — in
©tTQ&burg i. ©lf. 98
— ogl Ärbeitertoobnungen, Äleinroob»
nungen, ftleiubauigefe^ in ©nglanb.
©obnunggamt, ©rritbtung eines — in
Stuttgart.235
©obnungfibau, ©taatlidjer — in B«u^en 154
©obnunggeienb, ©egen baS — in ©trafj-
bürg i. ölf.872
jBobnunggenquete in ©ottingen .... 422
—, Brioate — in SWüudjen.154
©obnunggfrage, ©emeinblidje gürforge in
ber — ju SWüntben.949
*—, Sur — in $)eutfcblaitb . . 1045—1046
— in granFfurt a. 9R., — Bon ©tabt*
ratb Dr. gief«.1156-1157
—, $5ie — unb SRinifter oon SRiquel . . 476
—, ÖingaBe ber ©oangelifeben Arbeiter*
oereine sur —.1108
, —, 5)ie — in §oßanb. Bon Dr. 3 . ©.
! oan 3 fl nten.50—51
: —, $5ie — in Öonbon . . . 155. 859. 1298
I —, $ie — in öonbon. Bon g. ©. @al*
ton. 845-347
©obnunggfürforge in beutf^en ©töbten . 907
— in 2eipsig*2inbenau.1260
— in SRagbeburg unb 2R.*©labbadj . . 77
—, ©emeinblidje — für ftäbtifebe Ärbeiter
unb Bebienftete in Nürnberg .... 1248
— tn ©tolp i. B.1108
— ber Seidjgpoft-Berroaltung .... 1229
©obnungggefefc ogl Beidb« * ©obnungg-
Ö'fefc-
©obnunggFommifrion/ Slug ber fiäbtifdjen
— in ©trafeburg i. ©lf.486
©oljnunggnacbroeig, ©entralanftalt für 2lr*
beitg* unb - in ®armftabt 1897/98 . 122
©obnunggnacbioeig-Ämt, ©täbtifcbeg —
in SERüHjaufen i. ©lf.113
©obnungSnotb in bcutftben ©ro&ftäbten 51. 602
— in beutfdben SRittelftabten.319
—, SRilbcrung ber — burtb Bereine . . 1165
—, 9Rietben unb —.347
—, 2Rinberung ber — bureb Bauoereine. 828
—, 2>ie — in ©barlottenburg .... 261
j —, 3 U ^ Befeitigung ber — in BreSben . 349
; —, ®ie — in granFfurt a. 3R. unb bag
Borgeben beS granffurter SRietberoer-
eing. Bon Dr. St. 0 . SRangolbt 152—154
— in ^orbe 547
— in fttel Bon ©tabtratb Dr. g. ©oet»
beer. 1820—1322
—, ©egen bie — in ftöln.181
— in Sonbon. 155. 859. 1293
— in Stuttgart 1898 517
— unb «rbeiterbäufer in ©ieu. Bon
§einr. 2lbler.514—516
©obnunggpflege, Blätter für Hamburger — 1822
©obnunggpflegegefe^ in Sübecf . . . .1179
©obnunggpolitiF in ben ©emeinben, im
©taate unb im Beicb.870
—, ©täbtifdje — in greiburg i. B. . . 181
—, Nürnberger —.827
©obnunggpolisei in ^)üffelborf .... 603
©obnunggreform, Staatliche — in Bauern 1248
— tnSRüttiben.BonBoulBüfcbtng 1158—1155
©obtuuiggftaüftiF in $arlgiube unb HRann*
beim.908
©obnunggftiftung, Äberg’fcbe — in Süffel*
borf.828
©obnunggimterfudbung, ©ine — in ©eibcl*
berg. Bon 2Raj SRaq . . . 601—602
©obnunggoerbältniffe, Berbefferung ber —
oon Arbeitern in preufeifdben ©taatg*
betrieben.826
— ber ©ifenbabner in Batjern . . 421. 858
—, Berbefferung ber — in Hamburg . . 652
— in Äarlgrube.1250
XIX
Spalte
9Bobnung$oerhältniffe in amerifanifchen
©täbten . 1179
98ohnungsiüefen unb ©terblichfeit in
Sioerpool.1038
9BurmfranHjeit, $>ie — unter ben Berg-
. Ieuten be« 9tuhrge6iet3.423
3 .
Sehnfiunbentag in ber öfierreicfjifchen
2e£tilinbuftrie . . . 850. 900. 1173. 1240
— in ber $e£tilinbuftrie, Urteil eine«
gabrifanten über ben —.875
— ftampf um ben — in Brünn . . . 956
— ogl. Adjtfiunbentag.
3iegeleiarbeiter # 5)ie Sage ber jugenblidjfn
unb weiblichen — unb ber Bunbes-
ratlj. Bon SBilhelm ©wientg 116—119
Siegeleien, 9tochmal8 bie Befdjäftigung non
Arbeiterinnen unbjugenblichenArbeitern
in—. Bon ©ewerberath Säger 255—257
Spalte
3iegeleien, BunbeSrathSoerorbnung über
bie Befdjäftigung oon Arbeiterinnen
unb jugenblid^eit Arbeitern in — 73. 96
3iegeleioerorbnung, (Sine autfjenti|cf)e
Interpretation ber jüngfiert — ... 868
Siegler, Bierte ©eneraloerfammlung be$
©eioerfoereinS ber — in Sippe . . 447
—, ©eroerfoerein ber — in Sippe . . . 308
Sieglergeroerbe, ArbeitSoermittelung im — 682
Zimmerer unb Murer, ©eneraloerfamm¬
lung ber Berbänbe ber — 5>eut[d)lanb$ 703
3immerergemerbe, ©tnigungSoerhanblun-
gen gioifchen ben Arbeitern unb Arbeit®
gebern im — in Berlin.1206
—, Äorporatioe So^nregelung im — oon
Baris.981
3immerleute, $>ie Drganifation ber — in
Anterifa.227
3in!büttenarbeiter, Unterfudjung über bie
Sage ber —.928
3ugfü|rer unb feiger, Regelung ber Ar-
oettsgeit ber — in granfreicfj . . .1180
6paiie
Mnbhötgchen-öefefj, $a$ — in ber Sdjipeig 148
Sünbbölger, Austreiben be$ ©chroeiger
BunbeSrathS für ©erfteHung ungefähr¬
licher -.1297
Sünbholgfabrilation, Arbeiterfchufr in ber
— . 787-789
—, Ärbeiterfdjufc in ber englifdjen — . . 1084
—, $)te Arbeiter in ber frangöpf^en —.
Bon gr. ©djottfjöfer . . 1219-1220
3ünbholgfabrifen, ©thufe ber in — be*
fdhäftigten Arbeiter ....... 1245
3ünbljolginbuftrie, ©cijufc ber Arbeiter in
ber ttoeigerifdjen —.46
SroangSinnung unb Arbeitsnachweis . . 1289
SroangSfranfenoerficberung, Ablehnung ber
— für Äauflente in Mgbeburg . . 151
3mangSoerfteigerungen, Bie — unb ihre
Opfer. Bon gabrifantD. Steigert 196—197
3n?eiftul)Ifr)ftem in ber SBeberei, ©egen baS 283
Swifchentneifter-Spftem, BaS — in ber
Berliner^olgbearbeitungSinbuftoie. Bon
Dr. ©eorg 9teuf)auS . . 1195—1198
II. Jtittomt-gegißrr.
Spalte
Abi er, Heinrich, Bebafteur in 'Bien
313. 514. 529. 1295
AueS, ©rneft, in Sonbon . 218. 478. 1078
o. Berlepjdj, ©taatSminifter, Dr. grljr. ©.,
in ©eebach i- 2:pr.436. 465
Beutner, Dr. Mal. b. Abg., in Büffelborf 251
Bobe, Dr. raed. 93., in ©ilbeShrint . . 1031
BorgtuS, Dr. 98althcr, ©efretär ber
(Sentralfteüe für Borbereitiing oon
©anbelSoerträgen, Berlin.748
Brentano, Dr. Sujo, ©eh- ©ofratf),
Bvofeffor an ber Unioerfttät Machen
1185. 1209. 1233. 1257. 1281. 1329. 1361
Biifdjing, Baut, in Mn<ben . . 18. 1158
(iohen, Dr. Arthur, in Machen 778.
1065. 1094
Be Berra, 0., ©ifenbahnbireftor in ©üben 1
e ft i), 0 c t a o e, Beamter bes Arbeitsamts
in .... 732. 1003. 1037. 1337
glefd), Dp. 5t., ©tabtrath in granffurt
a. m . 986. 1156
brande, Dr. @rnfi, in Berlin 34. 166.
246. 298. 401. 433. 578. 609. 622. 637.
650. 694. 766. 865. 969. 999. 1041
o. grattfeuberg, ©., ©tabtrath in
Braunfcbtoeig. 265. 680. 1305
greunb, Dr. jur. 9t., Borfifccnber ber
Alters- unb gnoalibitätSoerficherungS-
Anftalt Berlin ... 81. 353. 470. 802
gitlb, Dr. Submig, 9te<htSanwaIt in
Miug . 5. 360. 1262
©alton, g. 93, in Sonbon 86. 201. 345 913
©räfcer, Dr. 9tubolf, Banfoto —Berlin
320. 1122
ooti ©alle, Dr. ©ruft, B^feffor an ber
Unioerfität Berlin. 522. 553
©eif$, Dr, 61., in Berlin . . . 311. 1146
©er g-3JtillS, Bh-/ gabrifant in granf«
furt a. 2Jt.. 463. 959
©irfchberg, Dr. ©., Bireftorial-Affiftent
am ©tatiftifdjen Amt ber ©tabt Berlin
484. 993. 1237
©orn, ©., 9tebafteur in Berlin 176. 408.
648. 793. 1274
©itcfert, Dr. ©., Dberlchrer in Aciffe . 685
gäaer, ©ewerberath in Berlin .... 255
Saffe, ©bgar, in Berlin.978
Spalte
5t och fehle, Baftor a. B., in Mtben . . 581
5traufe, Saura, in Setpgig.1373
Sehrnalb, Beigcorbneter in BuiSburg 35
Siebe, Dr. med. ©eorg, Argt in SoSlau,
0.-© chlef. 52
Soetü, Dr. (5mil, in 9Bien . . . 189. 1007
SKahaim, ©meft, B^ofeffov an ber
Unioerfität Süttidj.60
o. Mngolbt, Dr. 5f, in granffurt a. Bt. .
57. 152. 420. 1072. 1271
Bfai), Mg*, in ©eibelberg . . . 601. 1058
Mg er, Dr. ©uftao, in Brüffel 38. 273.
846. 904. 922
o. Btaijr, Dr. ©eorg, B^feffor an ber
Unioerfität Btünchen.894
o. Btiguel, Dr., ginangminifter, Bigc-
Bräftb. b. ©taatSminifteriumS, Berlin . 668
Btoerchen, Ätarl, Baftor in Bethel b.
Bielefelb. 526. 1113
9t e u h a u S, Dr. © e o r g, in ©h fl riottenburg-
Berlin.1195
0hneforge, grangisfa, BolfSfchul-
lehrerin in ©triefen-BreSben .... 859
Olbenberg, Dr. 5t., B^ofeffor an ber
Unioerfität Marburg . . 25. 745. 937
Bfingfthorn, Dr. ©., in ©amburg . . 141
Blatter, Dr. Julius, ^rofeffor am Bali) 1
technifum in Särid).1151
Boerfch, B runo, ©efretär bes ©entral-
oerbanbeS ber in ©emeinbebetrieben
befchäftigten Arbeiter in Berlin 494.877. 1117
Breupler A 9tobert, Sttebafteur in B5ien 698.1221
9tapfjael, Dr. Aj:el, in ©tocfholnt. . 665
Stothholg, Dr. SuliuS, Seitcr beS
©tatiftifchen Bureaus ber Alters» unb
SnoalibitätSoerficherungS - Anftalt in
Berlin. 285. 1055
o. 9t Ottenburg, SSirfl. ©eh- 9tath,
Kurator ber Unioerfität in Bonn 161.
185. 251. 490. 559
©chalhorn, Dr., ©eioerberühter in Berlin
797. 1322
©djmiebcr, ©., ©eioerberichter in Berlin 272
©ch nt oll er, Dr. ©., B^feffor an ber
Unioerfttät Berlin .209
©chotthöfer, g., in Baris 41. 69. 249.
443.819.902. 1089. 1176. 1219. 1315. 1339
Spalte
©chulfce, Dr. ©rnft, in Berlin . 655. 1161
o. ©chulg, 9W., Borfifeenber beS ©eioerbe-
gerichtS Berlin 114. 322. 423. 714.
1033. 1130. 1299. 1324
©djtoarg, 3K., in SSien.1120
©chroiebianb, Dr. ©ugen, Brioatbogent
an ber Unioerfttät in SBien 105. 129. 1137
©ilbermann, Dr. 3., in Berlin . . . 1189
©intott, ©elene, in Berlin 12. 873. 896. 1213
©oetbeer, Dr. g., ©tabtratl; in Stiel . . 1320
©ornbart, Dr. ^Srofeffor an ber Uni¬
oerfttät Breslau. 633. 834
©pecht, Dr.grijj, in ©barlottenbura 99. 883
©tühmer, ©., Borftanb ber ©enoffntfehaft
„BroI>uftion' y in ©amburg . . . . 612
©loieutt), SBilljelm, in Berlin ... 116
Baube, ©uftao, in Berlin . 700. 760. 1309
o. Baijenthal, Dr. Btaj, I. Affiftent ber
©attbels- unb ©etoerbefammer in
BetoS, ©eneralfefretär b. ©efeüfchaft
f. BoIfSbilbung.288
Bljiep, Dr. Ä., ©eneralfefretär in Offen¬
bar a. 9Ä.510. 586
Bimm, Johannes, Arbetterfefretär in
Machen.950
Urfin, Dr. 9t. 9t. af, in Burht (Abo) . 228
Ban ganten, Dr. 3- $•/ tn Amfterbam
60. 135. 303. 1024. 1177. 1271
Boigt, Dr. Baul, in Berlin 710. 783. 825
93eher, Dr. Btar, ^Srofeffor an ber Uni¬
oerfität ©eibelberg.640
93 eher, Ajfeffor Dr. Alfreb, in ©har*
lottenburg. 689. 721
93eigert, 0., gabrifant in Berlin 195.
293. 917. 1069
93iebcitfclb, Dr. 5t., in ©runeioalb-
Berliit .599
9Biebeitfelb, Dr. Bv 9tegierungSaffeffor
in Siegnifc.1104
9Siebfelbt, Dr. 0., in 2)reSbctt . . . 329
93inbfchcib, grau Oleheitnrath Sotto, in
Seipgig.456
o. 93iblcben, ©., SanbeSaffeffor in
Berlin.149. 1017
Sacfjcr, Dr., ('ich. 9tcgienmgSrath in
Berlin.1010
©ebtueft bei 3ullu0 Sittenfclb in Scrltn w
vm. fujjrgang.
Berlin, bett 6. Dftober 1898.
•Unmnur 1 .
Soziale ptrayis.
^enfrafMatf für ^ogiafpofifiß
mit bet DfonatSbetlage:
Das ( 5 cu>evbc^cvtd}ü
©rgait bes Derbanbes beutfdjer ©etperbegericfyte.
«Reue golge bet „Blätter für fojtole BraytS" unb be§ „Soaialpolittfchen (SentralblattS*.
(triftetet t» iekew ^emtcrfteg. ^ecauSgcberl ftretS *ierlelja$rllft 2 SR, 50 $f.
SRebaftion: Berlin W., Bapreutherftrafee 29. Dl*. Ctttfl /tdtuktt Berlag öott Duntfer & $>umblot, Cctp3ig.
3 uf)ült
ßur^erfonentarifreform auf ben
beutfdien Gtffcnbabnen. S 3 on
Otto be Sexta, ©ifenbabnbireftoT,
©üben.1
Vlflfwetat Ciiitl* nb BHrtbfftaftS«
psUtii .5
^obneinbaltung unb ©par*
3ioang. Sion Dr. Subtoig gulb,
‘JtefttSamoalt in Dlaina.
©ie angefünbigte ©treifoorlaße.
Arbeitsamt unb Arbeitöbeiratf) in
£>efterrei$.
ftoammnale «•§tel# 0 ltttt.8
IX. #effiffter ©tübtetag.
SlefiboerönberungSflebütjr in SBürj«
bürg.
Ablehnung beS SRintmaltobneS für
ftäbtifdje arbeite! in Bern.
iap«Ie 3nftinbe . 10
©rpebungen über bie Sage ber Ar*
beiterinnen im grapbifcben ©etoerbe.
©rpebungen beß Bereinß für ©o^ial*
politif über bie Berbältniffe ber
Angeftellten in Berfebrßanfialten.
©läbttfdje SÖerfftütten für Arbeit«,
inbaüben in Baris.
Ks*tfte«&e»c«init. 10
Sion ber Bergarbeiter-Betoegung.
Bereinbatung jn>if<ben Unternehmern
unb Arbeitern im englifcbcn Bergbau.
Sanbarbeiter-Bewegung in Ungarn,
©er Streit ber ©rb arbeitet üon Bari«.
«rbeiterfftn*.12
©er 3ahte8beri(bt ber engli«
fften gabrifinfpeftoren für
1897. SSon ^elene Simon, Karls¬
ruhe.
Sonntagsruhe im JpanbelSgewerbe.
©ie erfte gabriffnfpeftorin in beu
Mebexlanben.
gabritinfpeltion in Ungarn.
©eteerbeinfpeltion in Sleufübtoaleß.
Krkeit(rbetfl4(imtifl. C^artoffen . 17
SeleihuitgSgrenje ber BerfidjerungS«
anftalten für Arbeiterwobnungen unb
Sungenhcilftatten.
ArbeitßlofemBerfifterung unb ©üb«
beutffte Bolfßpartei.
tUtettSnafttoei* .18
©ie erfte Berfammlung beS
BetbanbeS beutfiher Arbeitß«
nachweife. Bon $aul Büffting,
München.
©täbtifdjer Arbeitsnachweis in ©bar«
Iottenburg.
©cnoffenfftaftStocfesi .20
Arbeiterprobuftiogenoffenfcbaftcn in
^ranfreich.
9lrmmp$m$ . 21
©ie 18. SahteSberfantmlung beö Ber«
eins für Armenpflege unb Söohl*
thätigfcit
Bt)tet«ng «nb SSUbnng .22
©aS Arbeiterinftitut ju ©tocfbolm.
Inhalt beS ©ewerbegeriftts Sir. 1.
Beilage! „9m» ©etoerbegertftt“ Wr. 1.
Abbrud fömmtlicher Artüel ift Bettungen unb ßeitfftriften geftattet, iebodj nur
mit boHer Quellenangabe.
Jtor perfeuentarifreforui auf ötn öeutfdjen
(Eifenbabnen.
Dtit liiert geringer Spannung werben fortgefefct bie drörte*
rungen oerfolgt, bie fic^ an bie fdjmebcnbeu Berhanblungen über
bie nun f<hon fo lange erfehnte Reform unferer 'ißerfonentarife
fnüpfen.* Ueber ihre Unhaltbarfeit befteljt längft, and) an ben
tnafegebenben Stellen, nid)t mehr ber geringfie S^eifel. 3n golge
ihrer oott autoritatiner Seite anerfannten Buntfdjecfigfeit, 35er*
roorrenheit unb ihres ttjeilroeifen BMberfinnS ftnb fie nid)t allein
ben (Eifenbahnoerwaltungen eine beftänbige Quelle wachfenber
Schwierigfeiten, namentlich bei .Jtanbhabung ber ftetig weiter aus*
gebehnten Bahnfteigfperre, beren wefentlich humane Beweggrünbe
: übrigens allmählich in immer weiteren Mreifen gewürbigt werben.
! 3 « noch oiel höherem s Jtöa&e hat ba^ ^ublifmn barunter $u leiben,
ba§ bei weiteren Reifen feiten ol;ne ein ^eitraubenbe^ Stubium
j über bie billigfte unb bequemftc 2 lrt ber ^luöführung flar 3 U
werben oermag unb häufig genöthigt ift, fid) babei ber £)iilfe ber
I amtlichen ?lu3funft£ftcücn ober gar prioater Vereine 311 bebienen.
S^adjbcm ba^ s ^ublifum unb bie öffentliche Meinung ü;r be*
' red)tigte§ Verlangen nad) enblicher 33efeitigung bie|e^ fdjicr uit*
[ erträglichen 3 uftanbeö unb namentlich auch & er uielen liitgcred)tig s
I feiten unb 2 £iberfprüd)e in unfereit ^erfonentarifen bnrd) ben ^iu=
j wei* auf bie „Unguitft ber ^eituerbältniffe", b. i. bie allgemeine
1 giuanslagc, bie feinerlei möglidjcrwcife foftfpieligc (irpeviiitenle ge*
| ftatte, lauge 3 ah^c hindurch haben befehwichtigen laffen, wirb mit
1 mn fo größerer ßutfdjiebenheit geforbert, baß jefct, nadjbeut ber
, SSerfeijr unb mit il)m bie (Einnahmen feit mehreren 3 ahicn eine
gerabe 3 ii erftauuliche ?lufwärtsbewegung 3 etgen, eublich uolleubet
werbe, wa^ fdjoit 1891, leiber ohne bett gemünfd)ten Erfolg, be*
gönnen würbe.
S)er einmüthige s 2 £iberftanb, ber fid; batttalö gegen bie mit
bent befanntett 9teformplan oerbunbenen, wenn and) nur gering*
fügigen (Erhöhungen ber bisherigen ^BeförberuttgSpreife erhob,
3 eigt beutlid), was matt im Solle als Siinbeftmafe uott ber lange
erfchnteit ^Reform erwartet. Unb es ift äu&erft 3 weifclhaft, ob bie
in eiit 3 elnen 5:ageSblättern fortgefefct auftaudjeitbeu 9}fahnungeu,
man möge fid) 3 unädjft einmal mit etioaS weniger begnügen, bei
einer anbauernb giinftigen (Sntwidclung ber Serfehrsnerhältniffc
fei es bann noch immer 3 eit 31 t weiteren Reformen unb namentlich
Serbifligungeit, ihren augenfcheinlichen 3 uJecf einer Sefdjmidjtigung
unb ^erabftiinmung ber bringenben SSüttfdje breiter Solfsfchichteu
erreichen werben.
9 Rait weife recht wofel, bafe bie Siberftänbe, bie jebe Sfefonn 31 t
überwinbett hat,uid)t gleidjntäfeig mit beren Umfang 3 U wachfen pflegen
unb bafe es ausfidjlsooller ift, oon oomherein gleich oollftänbige
! Durchführung einer anSreichenben Reform — innerhalb ber ©rett 3 en
! beS jeweils Möglichen unb (Errcidjbaren — 311 oerlangen, als fid)
! mit einzelnen ?lbfchIagS 3 ahIungen 311 begnügen, bereit jebe eitt 3 eltte
! möglicherweife toieber auf neue §>ittberniffe ftöfet. Di an fagt fich
I beShalb nid)t mit Unrecht, bafe ber jefeige, auch utttfaffenberen 9fe*
! formen in ihren wefentlidten SorauSfefeuttgen 3 toeifelloS giinftige
j 3 e üpunft ttidjt ungenüfet bleiben biirfe, wenn biefe Reformen nicht
j als ad calendas graecas oertagt gelten follen. Df an ift oerflänbig
unb ciitfichtig genug, nicht mehr utopiftifd)eu 3 ^^», wie betn
(Etigerfdjeit 3auentarif ttach 3 ujagen unb felbft bie Sorge für weit*
gefeenbe Dartfermäfeigungen ttad) uttgarifd)em, öfterrcidtifcheitt, bei*
gifchem ober rufftfehettt Diufter fpäteren (^efdtledttern 311 überlaffett.
Dfan oerlangt itn ®ruitbe nicht oiel mehr, als bafe bie jefet in ?orm
aller mögli^ett Sottberertnäfeiguttgen gewährten iUnSnahtnen, bie
mit Sug uttb Decht als ein 3 ugeftäitbnife an bas ÜBebiirfuift einer
«Soziale $ratri$. Gentralölatt für Sojialpolitif. 9ir. 1.
4
Verbilligung bcr Tarife, als citt Slnerfenittniß btefeS VebürfniffeS
betrachtet werben, oerallgemeiiiert, jur Siegel gemacht werben. SJian
fiebt hierin eine unabweislidjc Forberung wirtßfcßaftlicßcr unb
fokaler ©ereeßtigfeit, beren Vcrwirfücßuttg um fo tneßr geboten
unb um fo eßer 31 t ermöglichen ift, als bie SluSnaßttteu gegen*
rnärtig feßon berart bie Siegel übertoiegen, baß non ihrer (Geltung
als SlttSnaßmc in Birflid)feit längft nicht meßr bie Siebe ift. (Ein
ioidjtiger fo 3 iaIpoIitiftßer ©efidjtSpunft babei ift, baß bie meiften
auSnaßmSweifett (Ermäßigungen jeßt auf ben Fentocrfeßr entfallen,
alfo ßauptfäcßlid) beut befiergeftcllten Steile aller Sieifenbcn 3 U
gute fommen.
(Erft fiir^lid) ift in ber „So 3 iaIen ißrafiS" (Sir. 38) oon einer
§crabfeßung ber ^erfonentarife für ben Siaßuerfeßr in Stußlanb
berichtet worben. Vei ber aut 1./13. Tc 3 embcr 1894 auf ben
ruffifeßen (Eifenbaßtten eingefübrteu ^erfonentarifrefonn, bie —
hauptfächlich aus praftifeßett, in ber getoaltigen Slusbeßtiung beS
ruffifeßen S?eid)c3 begriinbeten (Erwägungen — auf einer Vcrbütbung
ber Staffel* mit ber 3 oncn i ar iff oriu fußt, mar ber Staßoerfeßr,
auf ben aud) in Sfußlattb ber weitaus größte Xßeil aller Sicifcit
entfällt unb ber namentlich für bie große Sftaffe ber SNittber*
bemittelten unb Vefißlofeti gan 3 befottberS in ^Betracht fomrnt, oon
ben mit bem neuen Tarif oerbnnbenen, tßeilmeifc feßr bebeutenben
(Ermäßigungen gerabe in ben unteren klaffen naßesn oöllig aus*
gcfd)Ioffcn worben. Sieben einer SBegünftigung beS FernocrfcßrS,
bie bei ben 311 m Xßeil feßon augebcuteten befonberen Verhält*
niffen Siußlaubs eine gewiffe Verccßtiguitg haben mag, war für
ben neuen Tarif bie Slbficßt beftitnmcnb, bei bem wefeutlidjften
Iheile bes Verfeßrs (EiunahineauSfäHc uaeß S)iöglid)feit 311 ocr*
hüten, Xaß ber neue Tarif, wie in Sir. 38 mitgetßeilt, fd)on im
erften Faßre feines VefteßenS anftatt ber erwarteten SfuSfäHc eine
feßr beträeßtlidje SJießrcinnahmc (4 250 000 Siubel) ergeben ßat unb
baß man fidt barauf ßin oeranlaßt fteßt, ben fcßmereit oerfcßrS*
tecßuifdjen 1111 b namentlich aueß fojialpolitifeßen Feßler gitt 3 umacßen,
311 beut jeßt als irrig erwiefene tßeoretifcße (Erwägungen oerlcitet
haben, ift unuerfennöar weit über bie ©rennen Siußlaubs ßinattS
oon gruttbjäßlicßer Vebeutung.
Tiefe (Erfahrung beftätigt 001 t neuem, baß Xarifcrmäßi*
gttngen, bie einem mirflidten VerfeßrSbebürfniß ent*
fpreeßett utib weit genug geßen, um feine Vefriebigitttg
311 ermöglidjen, nießt 311 einer SJiinberung ber (Einnaßmen,
fonbern im ©egentßeil bureß rafcßcS Slnwacßfcn beS ^BerfehrS 3 U
ihrer S)?eßrnng führen. Beim bei uns bie fteigenbe (Entwicfehing
bes ^erfouetioerfeßrS in ben oerfloffcnen Faßrctt als ein beweis
bafür angeführt wirb, baß ttnfcre Tarife, bereit Unooüfommenßeit |
bei aller Belt außer Zweifel fteßt, in ihrer jeßigen £>öße fein >
Minberitiß für bie Vefricbignitg bes tßatfädjlicßen VerlcßrSbebiirf*
nijfeS feien, fo feßeint ßicrin eine bcbauerlicße Verlenmtng ber
tßat|äd)lid)eu Vcrßältniffc 31 t liegen. SJÜt feßr oiel größerem S?ed)te
föunte baraits gefolgert werben, baß baS oorßanbene VerfeßrS*
bebiirfttiß all^n rege ift, als baß fclbft unfere einer Vcreinfad)itng
unb Verbilligung brittgenb bebiirftigen Tarife feiner oollctt Ve*
friebiguug itt größerem SJiaßc ßittberlid) wäret!.
Siacß ber im SicicßS=(Eifettbahnautt anfgeftelltcn Statiftif bcr
(Eifenbaßttcn TcntfdjlanbS für 1895/96 würben in biefetn Fahre
beförbert: in bcr 1. Klaffe 2 322 321, in ber 11. Mlaffe 58 307 184,
in ber III. Mlaffe 364 771 432 unb in ber befanntlid) nur in Slorb*
beutfdjlanb beftchettber IV. Mlaffe 155 736 676 ^ er fönen. Tie
(Einnahmen betrugen: I. Mlaffe 17 583 2 to , II. Mlaffe
99 901119 c /#,'lll. Mlaffe 196 957 017 J(.., IV. Mlaffe
79 256 360 J(, Febc ^erfott ift bunßfd)iiittlid) beförbert: itt ber
i. Mlaffe. 93,|. km, 11. Mlaffe 35 ,47 km, 111. Mlaffe 19 ,01 km,
IV. Mlaffe 24,. 4 - km.
Ter bei weitem größte Xßeil bes gefammten ^erfoneitoerfeßrS
entfällt alfo auf bie unteren Bageuflaffen (III unb IV) unb auf
ben Siaßuerfeßr. Mi er ift bas Verfeßrsbcbürfuiß am ftärffteu: bie |
unbemittelte große SJicßrßeit ber Vcuölfcriing ift eben, (wie in |
meiner „Sozialen VcrfcßrSpolitif", Berlin 1895 3. 7 bemerft), j
feßr oiel mehr als bie S.kiitbei^aßl ber Vefißenbeit 3 m* ©ewiniuutg |
ihres 2ebensnuterhalteS auf bie Vcimßiuig ber (Eifcubahneu, 31 W 1
Slnffncßtuig oon Arbeitsgelegenheit 11 . bergl. tu. augemiefett. Sic |
ßat beSßalß aueß baS allergrößte Qntereffe an bcr beoorfteßenbeu
Steform. Taß ttaeß bem VetriebSbericßt ber prcnßifcßen Staats*
baßnen für 1896/97 an ber Steigerung beS VerlcßrS wie bcr
(Einnaßrnett barauS (gegen bas Vorjaßr) bie IV. Bagenflaffc „am
erßeblicßftctt betßeiligt gewefen ift", 3 eigt, wie naeß Verbefferung
ber IV. Bagenflaffe namentlich bureß SluSftattung mit Vänfctt ein
immer größerer Xßeil ber Sleifenben, bie fieß friißer ber III. Mlaffe
bebientett, in bie IV. Mlaffe übergeßt.
Tie aus ©rünben wirtßfdjaftlicßer unb fittlicher Slrt fid)erlicß
ebettfo bebauerlid)e wie bebenflidte 3 una ^ mc ^ er llnfeßßaftigfeit
großer unb wießtiger SeoölferungSfdßicßten, itamentlid) bcr länb*
ließen Slrbeiterfreife, burd) §oeßßaltuitg ber SBeförberungSpreife eilt*
bämmen 311 wollen, ift, wie an biefer Stelle faunt ausgefüßrt 311
werben braueßt, ein llnbing. Scßott beSßalb, weil fie als ein*
malige, wenn aud) noch fo fcßw.er 3 U tragenbe Saft ttur feiten ein
wirffanteS £)inöerniß bilben werben, wo bauerttbc, wenn aueß nur
oenneintließc Vortßeile ba 3 tt locfcn, bie bisherigen — unbefriebigen*
ben — SSerßältniffc mit anberett 31 t oertanfeßen.
Slitf bie einzigen tßatfäeßließ wirffauten SJHttel, bem oben er*
wähnten bcflagenSwcrtßen Uebelftaitbe ab 3 ußclfctt: Hebung ber Sage
bes länbließen SlrbeiterftanbeS in materieller S^ießttng ( s BoßnungS*
oerßältniffc), wie namentlich aueß in geiftiger unb fittlicher £üufid)t
bureß größere pcrfönlicße Slrtißeilnaßme unb (Einwirfuttg u. a. m.,
fantt bei biefer (Gelegenheit nießt uäßer eittgegangen werben. Stur
eins ber ba 3 u geeigneten „flcincn SJtittel", bie nmfaffenbe unb einßeit*
ließe Slusgeftaltung beS SlrbeitSitadiwcifeS, bie bureß Scgrüitbuttg
eines 3SerbanbcS bentfeßer SlrbcitSnaeßweife erft füqlid) einen erfreu*
ließen Seßritt oorwärts getßan ßat, fei ßier noeß crwäßnt, weil bei
biefem Sltittcl 3 U einer größeren Birffamfeit bie ausgiebige S)iit*
toirfutig bcr (Eifettbaßuen, bureß ©cwäßrung befonberer (Ermäßi*
gungen für bie oott ben SlrbeitSnaeßweifeftellen naeß anberett Crten
birigirten Slrbeitfudjenben, unentbehrlich ift. Tie öfterreießifeßen
Saßnen gewähren für folcße 3 roerfe eine Fahrpreisermäßigung oon
50%. 3m Sittereffe ber mirtßfeßaftließen unb fo 3 ialpolitifeßen ©e*
reeßtigfeit, beren oberftc unb treuefte ,*püter 3 U fein inSbefonbere
alle ftaatließcu Drgatte berufen finb, ift bie balbige 33efeitigung ber
jeßigen unhaltbaren Sottberbegiinftigitttgcn 311 ben oerfeßiebenften,
nid)t burd) ein öffentliches öutereffe bebiitgtcn Smecfcn fidßerließ
aufs inttigfte 3 U loünfdjctt. S?atß wie oor aber werben bie (Eifett*
Bahnen, befonberS bie ftaatlidicn, itt ben Tienft aller gemeittnüßigen
BoßlfaßrtSeinricßtiingen 31 t ftcllen fein, unter benen ber — am
Scften oott Staatswegen ober boeß oonftaatlicßen Mörperfcßaften
3 U orgattifirenbe — SlrbeitSnaeßweiS eine ßeroorragenbe Stelle
einnimmt.
Bcnn es tßatfädjlid), wie namentlicß aud) itn Sntereffe ber
(Eifenbaßoerwaltuttg felbft unb ißreS SlnfeßettS 3 U hoffen unb 3 U
wünfeßen ift, 3 itr SluSfüßrung bes SHeformplancS oon 1891 mit
feilten brei Bagettflaffen uttb ben (Eiitßeitsfäßcn oon 2, 4 unb 6 4
unter .Jerabfeßitng bcS bamals oorgefeßetiett Sd)nell 3 ug 3 iifd)lages
oon 1 auf 0,5 4 für bett Milometcr*) fommen foHte — unb mit ber
(Erreichung bicfeS 3ideS wirb man fieß 3 uttäcßft begnügen miiffett unb
aueß föntten , fo wäre barnit übrigens gerabe für bie unteren Scßieß*
teit fittaii^icll nidits gewonnen, inbetn ber Fahrpreis oierter Mlaffe
aueß heute 2 ,i\ für ben Milometcr beträgt. Tie Sebenfen gewiffer
Mrcife gegen bie Förberttng ber „(Eifcttbaßnoagabonbage" bureß bie
bcoorfteßenbe Sie form finb fomit ooüftänbig hinfällig. Boßl
aber würbe bie Vcfcitigung ber fieß oott ber brüten fd)ott ßcutc
fautn noeß grunbfäßließ unterfcßeibeitbeu oiertett Bagenflaffe unter
llebertragung ihrer Faßrpreife auf bie brittc Mlaffe bie bebauerlicße,
namentlid) in Siorbbeutfeßlaitb übließe ftrenge Slbfd)ließung bes
fogenattntett oierten StanbeS oon ben übrigen Mrcifen bcr S 8 c*
! oölferung minbern. Unb baS wäre immerhin eilt nießt 311 unter*
fdjäßettber fogialpolitifd^er ©ewittn.
(Subett. Otto bc Terra.
*) Beim bie „Hoff. 3U1-" lS?r. 3m>) bauott fprtcßt, idj hatte biete,
(Erhöhungen gegenüber bem jeßigeu Tarif ausidtlicßctibc SKaßregel „als
eine burdjgreifcubc Sieiorut be^eidmet", fo beruht bie*? auf einer irrigen
2lnffaffuug meiner Ausführungen.
6ogiale $rayis. (Jentralblatt für ©ogialpolttif. Rr. 1.
ü
Mgetneine öojfd- unb IWrtl)fd)aftej>olitik.
Soßneinßaftiutg mtb Spargfömtg.
2 )ic grage ber 3uläfftgfeit ber ©iitbeßaltung oon ßoßttbeträgen
ber Arbeiter bureß beit Arbeitgeber gum 3meae beS 6paretts‘ ift
in ber lebten 3 e i* in ber treffe roteberßolt erörtert morben uitb
bte bariiber geäußertem ^rnfidjten gingen jum £ßeil reefjt roeit aus*
etitanber. Auf ber einen Seite ftanben bte Vertreter ber Meinung,
meleße biefeS Verfahren für tntoeretnbar mit betn geltenben ©c*
roerbereeßt erfanntcu, auf ber anberen bie, meleße itt^befoitbere im
|)inblicf auf Aeußerungett, bic bei ber Beratßung ber Rooelle gu
ber ©eroerbeorbmutg oon 1891 im ReießStag feitcnS eines Ber*
treterS ber oerbünbeten Regierungen getßan mürben, baS ©egen*
t^eit behaupteten. $ie VrayiS ber Bcrroaltungsbcßörben fteßt
gang überroiegenb auf bent Boben ber leßtereit Aufeßauuttg. Vrüft
man bie Rechtsfrage — unb nur um biefe ^anbelt eS fief) gunäcßft
— unbefangen unb unbeeinflußt bureß bie politifdje ^arteiftcllung,
fo läßt fieß nießt -oerfenttett, baß 3roeifel in Anfeßmtg ihrer Be*
antroortung aüerbingS für Senjenigen möglich fittb, rcclcher eiiter^
feits beut Sßortlaut eine ^ auSfchlaggebenbc Bebeutung beilegt,
anbererfeits in ber AuSlafiung oon Vertretern ber oerbünbeten
Regierungen eitt autßentifcßeS AnSlegungSmaterial erblicft. &aß
bei ber Beratßung ber Rooelle ein Vertreter ber Regierungen
i'oßneinbeßaltungen für gitläffig erflärt ßat, ift uitbeftreitbar, aber
barauS fetnn hoch noch nicht gefchloffen merben, baß bie gefeß*
gebenben gaftoren bie Auffaffmtg SiefcS Vertreters getßeilt hüben.
$)ie Aeußerung Famt Feinen ßößerett Söcrth bei ber ©ntfdjeibung
ber AuSlegungSfrage beanfprueßen, als bie in ber $iSfuffion ge*
äußerte Bieittmtg trgenb eines Abgeorbneteit, unb cS mürbe boeß
gn ben bebenfheßften ftonfequengen führen, moHte man folcße im
Saufe ber Debatten oott einem Vertreter ber Regierungen ab*
gegebenen ©rflärutigen als entfcheibeitbe SDireftioeit für bic geft*
ttellung ber Abfidjten ber ©efeßgebnng unb bie £ragroeite ber ge*
feßlidßen Vorfchriften attfehen. Soroeit bie £aaeSpreffe unb Die
Vehörben bie rechtliche 3uläf|igfeit ber Soßneinbeßaltung lebiglid)
auf ©ruttb ber betreffenben Aeußeruttg beS RegierungsFotnmiffarS
angenommen ßaben, niuß baher biefe Vegrünbung jebettfallS als
eine ungenügettbe angefehen merben.
$ie ©emerbeorbnung geht nun baoon grunbfäßlicß aus, baß
bie Sößnc ber Arbeiter in Vaar auSgugaßlen fittb; bie Vaar*
auSßänbiguttg ift bie Regel, nur in einigen gallen ßat baS ©efeß
gemiffc Ausnahmen oon biefer Regel gugelaffeit, roeldje, roeil fie
AuSnaßmen oon bem Rormalett enthalten, "einer ©rroeiteruitg burch
Auslegung unfähig finb. Von Sohneinbehaltungen fprießt baS
©efeß in §. 119a; bie VoranSfeßungen, unter toeld)en bie ©in*
ßaltnng ftattßaft ift, ftnb ßier gang genau normirt, fo baß auch
nießt ber Berfucß gemacht merben fann, biefe Veftimntung gur
Rechtfertigung anberer ßoßrteinbeßalhingen ßeraugugießen, alfo auch
nießt berjenigen, bei roelcßen ber Spargmecf ber tnaßgcbettbe ift.'
©benforoenig mie auf §. 119 a fann man fieß aber auf §. 117
Abf. 2 gur Redttfertiguug begießen, bemt ßier ift überhaupt nießt
oon einer ßoßneinbeßaltung bie Rebe, fottbern oon einer Vcrmett*
bung beS SoßtieS gu ©unften unb gum Veften oon Söoßlfaßrts*
eiitricßtungen ber Arbeiter unb ißrer gatnilien. 3 ro if<ßcn ber
Soßnoenoenbung unb ber ßoßneiitbeßaltuug ift aber fomoßl gram*
matifalifcß als aueß juriftifcß ein roefentlicßer Uittcrfcßieb, uttb fo
lange nießt in gmeifelfreier Bkife bargctßatt merben fann, baß ber
©efeßgeber bei ben „Berroenbungen" aud) an bie „©ittbeßaltungen"
beS SoßneS aebaeßt hat, mirb matt bie Berufung auf biefen V^ra*
grapßen hierbei nießt amteßmen fönnen. ©in berartiger Racßmeis
ift aber unmöglich unb fomit muß bie ©nlfcßeibuttg nießt gu
©unften ber SluSnaßnte, fonbern oielmeßr ber Regel ausfaüett,
b. ß. gegen bie 3«^ffigfeit ber fiohneinbeßaltung.
bem ©rlaß beS RegicruttgSpräftbeittett in SDüffelborf an
bie §anbelsfammer ©refelb, meld)er oott biefer in ihrem für baS
3faßr 1897 erftatteten SößreSbcridjt mitgetßetlt morbett ift, mirb
bemerft, baß ein gmingenber ©rnnb, bie Spenung beS Soßngut*
ßabettS mit bem Austritt eines Arbeiters aus bent gabrifbetriebe
aufgußeben, nießt oorliege, ba ja bie ©parfaffenbtid)er ©igeitthunt
ber Arbeiter mürben unb aueß nach Austritt aus bem Betrieb
ißr Gigentßum blieben. SDiefer ©runb bemeift für bic gange
Srage garnicßtS; benn nießt fomoßl bartttn ßanbelt es fieß, ob baS
Sein Arbeiter an bem Sparfaffenbud), begto. an ber bureß baffelbe
oerbrieften ^orberung gufteßenbe ©igentßumSrecßt bttrd) bas in !
Rebe fteßenbe Verfahren oerleßt mirb, meldjes ißnt bie Biöglicßfeit
nimmt, innerhalb einer beftiutmten 3cü über biefe ^orberuttg frei
oerfügen gu fönnen, fottbern oieltneßr bariim, ob bie Vorentbaltung
| beS baar auSgugahlenbeit Soßnes nießt mit bem geltenben ©c*
j roerbereeßt itt sSiberfprucß fteßt? ©iebt matt aud) gu, baß für bic
Vkrtßinterpretation bie ©ntfcßcibuttg eine nießt gtoeifellofe ift, fo
muß bagegen mit ©tttfcßiebenßeit betont roerbett, baß bie Vertief*
fidjtigung beS legiSlatorifcßen RfotioS ber §§. 115—119 a einem
3mcifel fautu Raum läßt; ber ©efeßgeber roill, baß ber Arbeiter
Sen ißnt gc[djulbeten ßoßtt audß mirflicß in Vaar erßält, foroeit er
nießt auSbrücfüiß eine RuSnaßtne gugelaffen ßat, er miß, baß er
naeß feinem Belieben bantit fcßalten unb malten fann unS baritnt
ift bie Soßucinbeßaltung gum 3 roec f e ^ er ©ingaßlung bei einer
Sparfaffe ebenfo unftattßaft mie bie Suriicfbeßaltung gum 3roecfe
ber Vegaßluna ber c » ier SebettSoerfidßerung, roelcße ber
Arbeiter gu ©unften feiner ©ßefrau abgefcßlotfcit ßat. 3n beit
©rörterungen ber SageSpreffe ift aueß auf bie Recßtfprccßung beS
ReicßSgericßtS auftuerffam gemaeßt morben. 2)ireFt ßat ber oberfte
©ericßfsßof groar gu biefer $rage noeß nießt Stellung genommen,
rooßl aber ßat er bie grunbfäßlidßeit ©elleßtSpunfte,. bie bei ber
Auslegung ber §§. 115 — 119a in Vetracßt fomnten, nteßrfaeß
ßeroorgeßoben unS hierbei bie Ruffaffttng oertreten, baß prinzipiell
jebe Soßneinbeßaltung uuterfagt ift, für meleße nießt eine ungtoei*
heutige Vorfcßrift beS ©efeßeS bie ©rlaubniß entßält. 3D2an barf
baßer aHerbitigs oermutßen, baß baS ReießSgericßt bie Legalität
foleßer ©inbeßaltungeti nid^t anerfettitett mürbe.
®ie oorfteßettben ©rörterungen haben nur begmeeft, bie Srage
unter bem juriftifeßen ©eficßtSpunfte gu beßanbeln, es tnüffcit
baßer bie fogialett Vebenfen unerroäßnt bleiben, meleße gegen
biefe Veoormunbung ertoadjfener Rtenfcßen fpreeßen, bie roeber ent*
iniinbigt noeß als Verfeßmenber erflärt morben fittb. $>aß biefe
einer ?ltterfennung ber 3»iöffigfeit biefeS Verfahrens im SBege ber
©efeßgebttng, etroa bureß eine aittßentifd)e Auslegung, unbebittgt
entgegenfteßen, bebarf ttadß Slnfteßt beS VerfafferS Feiner Slusfüß*
rung. i)ie fiohneiitbeßaltuitg fteßt mit ben elementaren ©ruttS*
fäßen beS moSernen 2)ienft* unb 2lrbeitSred)tS berart im grunb*
fäßlid^en VMberfprucß, baß ißre ©eftattung mit ber Vefeitigiutg
eines ber mefentlicßften ©runbpfeiler biefeS RecßtS gleießbebeutenb
märe. *)
9Jiaing. Submig Sulb.
attgefünbigte Streifoorlage ift ©egenftanb maneßer ©erüeßte.
S)er „Slllg. 3^9-" BFüneßen mtrb berießtet, baß fie nießt in einer
Slenberung Ser ©emerbeorbnung, fonbern in fpegialifirtett Be*
ftintmunqen gum Scßuße ber perföttließen greißeit auf bem ©ebiete
beS allgemeinen StrafgefeßeS befteßen roerbe. 5)ie ,,0d)lef. 3tg."
in Breslau ^ßört, „bie Rooelle gutn Scßuße ber perfönlicßett grei*
ßeit" merbe nießt bloß fd)ärfere Strafbeftimmungen gegen Streif*
terroriSntuS, fottbern aud) „gegen unrechtmäßige ©intoirfuttg auf
eittgelne Unternehmer beßufs ©rgmingung ißreS Beitrittes gu fo*
genannten Spitbifaten, Kartellen, Ringen unb bergleidjett enthalten/'
J)er „§amb. ©orrefp. meint, es ßanble fieß um Rbänberuttg beS
§. 240 beS ReidßS*Strafgefeßbud)S. ®ie „Rorbb. ?lllg. "
erflärt nur baS ©ine gu rciffen, „baß nießt rneßr unb nid)t roettiger
geplant ift, als belfere gefeßlkße 9lbmeßrmaßregeln gegen ben
auf Reoolution abgielenben fogialbcmofratifcßcn XerroriStttuS, unter
melcßem bie Rrbeiterfcßaft furdjtbar gu leibett ßat unb oott melcßent
fie befreit merben muß, menn anbcrS baS &eutfcße Rcidjs nid)t
aufßören foll, ein RecßtSftaat gu fein." 23ie bic „Ratiottal*3tg."
erfäßrt, ift noeß Feinerlei Befd)luß gefaßt, ob bic RuSftanbogefeß*
gebung im Raßmen ber ©emerbeorbnung ober beS Strafgefeß*
bucßeS erfolgen foH; eS ßaben barüber noeß feine Verßattblungen
ftattgefunSen, uttb eS mirb att ber erforberließett Unterlage für biefe
*) ^Xtt Der .'panbclsfammer gu Barmen ift jnugft ein neuer ©rlaß
bei? Rcgicriiugspräfibcntcu oon Xiiffclborf in Sadjeu bcs Spargmangi
erörtert morben. Racß ber „Barmer 3tg." mar aber bie .vtaubelvfammer
entfdtieben bagegeu. £er Borfißeubc ber Kammer, Mommergieuratl)
Bartbels, erflärte, er föniic fid) fdjon bcöljalb uidjt gur ©infüljruug be|
^parfaffeugmaitges für feine jugcnblidjeu Arbeiter eutfdiließen, meil ein
fteter Mangel au jugcublidjen Arbeitern troß ber feßr guten v /öbue fid)
fühlbar rnädje unb biefer Bcaitgel fid) burd) ben 2parfajiengmang ttodi
als? brinfenbcr ermeifen merbe. -V>err .'oin^berg proteftirtc unter Beifall
ber Berfantmltutg gegen bie irrtlmmlidje ?lufd)aumtg bes? Regierung^
präfibcntcu, als? ob ben Aabrifanten ein faftifdjev Recht auf ©inlialtuug
uou ©rfpantiffen gegeben fei. .V>err 3teiuboff beantragte, beut Regie=
ruugvpräfibcnteu mitgutbeileu, baß es? allmälig bes? ^nutuges? genug fei
unb bie Kammer beffeu meitere AÖrberuug ablebue. Tie Berfamiulitug
erflärtc fdilteßlid) bie Biittbeiluug bev Regieruugspräubeuten bmili
Meuntuißnabme für erlebigt. -- Tie vanbels?faiumer in ©iberfeib fpradi
fid) mit Rüdfidtt auf bie außerorbentlidie Bernlnebeniieit ber Betriebe
gegen eine allgemeine obligatorifebe ©infulirnug ber /maugvfparfa’nn
an*. Tie Rcb.
7
€>o$ia!e $ra$t$. Eentralblatt für ©ojtalpoliti!. 9fr. 1.
8
fo lange fehlen, als noch Antworten ber BuubeSregievungeu auf
bie Umfrage beS (Grafen ^ofabomSfp oom D^ember o. Q. auSftehen.
Bis jefft finb biefe Antmortcn noch feineSroegS nolljä^lig. ®te
„Srff. 3*9-" enblic^ läfft fid) aus Berlin mittheilen, eS toiffe 3 itr
3 eit mahrfdjeinlirf) noch Sftiemanb, in roeldjer Öorat biefcr ©effff*
entrourf an ben 9frid)Stag gelangen mirb. — 'Dass glauben auch mir!
Am 29. (September hat ber ©emerffchaftSauSfchuff beffhloffen, bie
©eneralfommiffton ber ©cmerff(haften D>eutfd)lanbS 3 U beauftragen:
1. äße auf bie ©trcifs bezüglichen Materialien, insbcfoitbcrc über
bie ooit ben Unternehmern prooo3irteit ©trcifs unb bie Anmen*
bung ber ©trafbeftimmungen gegen ftretfenbe Arbeiter 3U fammeln
unb biefe Materialien 311" ücrö ff entluden;
2. fobalb bie Befd)ränfuug bes ÄloaUtiünSrechtcS greifbare ©eftnlt
in gomt einer ©cfctmorlage annchnten füllte, bie ftd) entmidelnbe
Broteftbemegung ber Arbeiter nad) Möglidjfeü einheitlich 511 geftalten.
Arbeitsamt unb 2lrbeitö6etrath in Defterreidj, Am 26. ©ep*
tember ift in BMen ber ArbeitSbeirath, ber bem neu gegrünbeteu
©tatiftifdjen Arbeitsamt beigegeben ift (ogl. © 03 iale $ra;ris
Sa^rg. VII ©p. 1143), eröffnet morben. Bei bem großen
Öntereffe, baS bie Errichtung eines Arbeitsamtes grabe für ^eutfef)*
lanb, roo mir Ieiber einer foldjeit Snftitution noch entbehren müffen,
befifft, geben mir im 9frnhftehenbeu einen ausführlicheren Bericht
über ben Verlauf ber EröffnuugSfiffung:
HanbelSminifter Dr. Bärnreither hielt nad) Äouftatinmg ber
Befchlufffähigfett beS ArbeitSbeiratljeS folgenbe Anfpradje: Die (Sin*
ridhtung beS arbeitsftatiftifdien Amtes ift bem ©ebanfen entfprungen,
bafe bie Arbeit in ihren oerfdiicbenen Beziehungen 3ur mirthfdjaftlidjcn
unb gefellfdjaftlichen Entroidlung fpejialtftreuber ©tubien bebürfe, baff
biefe ©tubien ft(h ergänzen unb ocrbichtcn follcit, um ©efcpgelmng unb
Bcrroaltung praftifd) 3U bcinfluffen, ftets cingebenf, baff ber mtrthfdjaft*
liehe gortfdjritt nur bann ein fieserer, ber menfdjlidheit ©cfellfdjaft burd) s
aus h^ilfamer ift, rcenn er fich gleichmäßig vollzieht, mit anberen Porten,
menn bie BolfSioirtbfdjnft nicht nur öfonomtfdi, fonbent auch fnlturell
fortfehreitet. Auf biefem SSege merben mir allerbings oor bie fchmierigfteu
Probleme gefteöt. Einfcitigfeit märe bas größte Hinberniff ihrer 2öfung.
Urtfcre Unterfudjiutgcn merben ftd) baher" nicht nur auf bie Arbeit als
jenen groben fokalen gaftor, auf bem bas Sebcu unb ber gortfdjritt ber
aufftrebenben klaffen beruht, befdjräitfen, fonbern auch auf bie Be*
3iehungen ber Arbeit 3U ben ^robuftionsintcreffen, bie bie ©runblagc
einer blühenbeii ^nbuftrie unb eines gefunbeu ©ctoerbcS bilben, er*
ftreefen. 3<h mödffe eS oermeiben, in biefcr Hinfidjt heute fchon ein
oollftänbigeS Programm für baS arbeitsftatiftifdje Amt aur^uroUeu, meil
id) ben ficherften B>eg, bem neuen Amte Aufehen unb Einfluß 311 er*
ringen, barin erblide, baß es oon einer pofitiuen, fcjtiimfdjviebeiieii
Aufgabe 3ur anbereu fortfehreite, baß es ftef; bie 31t behanbelnbcu B l *ü s
bleme im Bereut mit bem Arbeitsrath felbft feße, baß bie, uerfchiebenen
babei betheiligten Berfönlichfeiten ftd) nad) unb nach in eine gemciitfamc
geiftige Aichtung einarbeitcu_, unb baff in Jyolge beffen baS Amt an
feinen eigenen Erfolgen machfc unb gebet he.
3unäd)ft f)«t bas arbeitsftatiftifdje Amt eine Erbfdjaft ait3utrcten.
Das ftatiftifd)e Departement bes HanbclSminifteriuntS hat bereits Ar*
beiten beforgt, bie in bas (Gebiet ber ArbeitSftatiftif fallen. Dicfe merben
oon bem neuen Amte aufftuuehmen fein. Dies gilt oor allem ber ©treif*
ftatifti!. Diefe hat fid) einen gemißen Beifall ermorbeu. ©letchmobl läßt
ftc mefentlidje Berbeffcrungen 3U. Äamcntlidj muß bie ©tatiftif ber Berg*
bauftreifs einbe3ogett merben. Der Acbner berührte bann nodj bie Ar*
beiten über Arbeitsvermittlung unb bie gemerblicheit @enoffcn*
f(haften unb fuhr fort: (Sine meitere Aufgabe bes arbeitsftatiftifchen
Amtes mürbe bie fortlaufenbe Bublifatiou eines Organs fein,
bas, ähnliche 3roede oerfolgenb toie bie befannte englifchc „2abour @a*
jette"', unferen h e i nT Uth en Berhältniffen an3upaffen fein mirb. Meiner
Meinung nad) muß eine brennenbe grage unferer fokalen ©efepgebung,
bie ^ragc ber Aeform ber Unfall* unb Äranfeuocrficherung
bas Amt unb ben Arbeitsrath ebenfalls halb befdjäftigen.
Die 3 u fa»tuieufeßung beS Arbeitsrathes ift bereits mehrfach fritifirt
morben, id) befenne aber offen, baf) id) mit uollem Bemnßtfein ©egen*
fäpe in biefcr örpcrfd)aft oercinigt habe. Bei bem Berfuche, fd)mierige,
gefeHfd)aftlidje Probleme 311 lofen, ift ein Bcfultat nur 311 ermarteu, menn
offen unb löijal, fachlich unb ernft bie entgegenfiehenben gutereffeit ihre
Bertretung finben, unb menn burd) bas gegenfeilige ©id)alts =
fpred)en nad) unb nad) jener SBall oott Mißtrauen, oon
Mihoerftänbniffen unb c in fei t i ß eu $artci*Aitfirfjten abgc=
tragen mirb, ber fich heute nod) ätoifdjcn ben klaffen ber j
mirthf*haftlidjen Bcoölfernng aufthürrnt. BerithruugSpunfte
für einen foldjen McinimgSaustaufch giebt cS bei uns rtod/mcnigc.
Uttfere politifdjen ^örpcrfdjaftcn unb Bcreinc finb burd) anbere fragen
abgc3ogen. od) hoffe, baß in ben neuen ©eioerbegcridjten eine
^nftitution heroorgerufen ift, 100 fid) auf bem Bobeti ber Aedjtsfiubuug
ein foldjer höherer Ausgleidj entgegenfteheuber ^ntcreffeu ool^ieljen mirb.
^ebenfalls füll aber ber Arbeitsrath eine ©tätte merben, 100 bas
bisher ^einblidje unb ^reutbe .pmädjfi Blaß niadjcn füllte bem Berfteheit
unb BH'trbigeu bes gegeutheiligeu ©tanbpunftes, um auf biefem B?ege
ua^ unb nach 31t bemufjteu nttb baher gefunbeu .stomprümiffeu 31t ge*
taugen. Der Arbeitsrath mirb ein mit bem Amte innig oerbnnbener
2fjeil beffelbeu fein. Dmd) ihn füllen bie Bcrbinbuiigsbrähtc hergcftellt
merbett, bie bie Mitroirfung ber Unternehmer itnb Arbeiter
bei ben Erhebungen fidjeru, burd) ihn füll eine ftänbige Ber bin*
buitg mit ber miffenfehaftliehen BJclt hergcftellt merben, bie in
biefem Greife glüdlidjermeife fo heroorrageub ocrtretcu ift. Durch ihn
foH baS Amt Anregungen empfangen unb umgefchrt Beobleme, bie bas
Amt in Angriff nimmt, Begutachtung unb Ergänzung erfahren, ©elingt
es uns, biefe SBechfelroirfung herjuftcden, treten fid) alle an biefem 93erfc
Betheüigteu in ernfter unb ehrlicher Arbeit näher, berurffuhtigeu mir
ftets in gleicher SBeife bie Bcforberung unb Ausbehuung- unferes ©e*
merbcfleißeS mie bie Regelung ber fü3ialen Bcrhältniffc, finb mir in allen
unferen Arbeiten ftets objeftio, üben mir feine Bürffid)t, aber, menn es
nothmenbig ift, 9?achfid)t — bann haben mir heute ben ©ruub 31t einem
guten SSerfe gelegt.
Bor llebergaitq 3 ur DageSorbituttg ftellte ber §anbelSminiftcr
ber Berfammluttg ben BUnifterialrath Ör. BJataja als 3 ufünftigen
Borftanb beS arbeitsftatiftifchen Amtes oor. lebhafter Beifall be*
grüßte biefe Btittheilung. .pieranf ergriff baS BSort §)err Ablcr
(§anbelS* nnb ©emerbefammer ÜSien), um im Manien ber
buftriellen unb ©emerbetreibenben bem §anbelsminifter ben D)anf
ab 3 uftatten unb ben SBitnfd) auS 3 ufprechen, bafj ftch in Defterreich
enblidf) bie politifdjen Beirren löfen mögen, bamit Snbnftrie, .^anbel
unb ©emerbe gebeihett fönnen. — ^err .'pueber, ©efretär ber
©eroerffdhaftsfommiulon DefterreichS, begrüßte eS als Vertreter ber
flaffenberaufeten Arbeiter, bafe burch bte Errichtung beS arbeits*
ftatiftifchen Amtes enblidh ein fo 3 ialpolitifcher ©dhrht in Defterreich
gefcfjehen fei. D)ie Arbeiter feien fid) 3 toar bemüht, baß fie allzu
viel nicht hoffen bürfeti, hoch biirfe man tool)l ermarten, bafj eS
bei gutem Sillen aller möglich fein rnerbe, in baS D^uttfel
ber mirthfchaftlid)en Berhaltttiffe ber Arbeiter einigen Einblicf 31 t
erlangen unb bie berechtigten ©üitfche unb Bcfd)merbett ber Ar*
beiter einer fad)Üchen Beurtheilung 3 U 3 ufüI)ren. D)ie Arbeiter feien
hierhergefomtnen, um ihre Dteinuug oom ©tanbpunfte beSiilaffen*
bemußtfeinS aus 3 U oertreten, nichts 3 U oerflaufuliren, nicht 3 U
heucheln, fonbern baS 3 U fageit, maS fie bebriieft, aber mit bem
guten Sillen, felbft mit ihren ©egnern 3 U arbeiten auf bem ©e*
biete, too 311 arbeiten möglich ift. D)ie llnterftiibung ber organi*
firteu Arbeiterfchaft roerbe baS neue Amt jebergeit haben. D>ie
Arbeiter tooflen alles baranfebeit, mn 3 U beioeifett, baf) fte gcroiUt
finb, auf biefem ©cbietc 3 U arbeiten. — iluioerfitätsprofeffor
Dr. o. ^hi^bpooid) gab im tarnen berjenigen, bie h^ 1 ’ ffin
befonbereS Qntcreffe 311 vertreten haben, bem ^Danfe AuSbrucf, baß
mit ber Errichtung beS arbeitsftatiftifchen Amtes in ber Dhat ein
Öortfchritt nid)t nur in ber BermaltungSorganifation, fonbern
hoffentlich aud) in unferer garten © 03 ialpolitif inaugurirt morben
fei. D>urd) unfere Berufung foll 311 m AuSbrucf gebracht merben,
baff, menn Arbeiter itnb Arbeitgeber berufen mürben als SMcr*
effenten, bieS nid)t ettoa beSffalb gefcffal), meil nur eine intereffen*
artige Oöfung möglich Uh fonbent baff bie gan 3 e Bcoölfernng,
©cfellfchaft unb Staat ein Sntereffe baran haben, bie einheitliche
Söfung biefer Sragen burd) 3 uführen. D)aff ein gortfehritt aus ber
©egenüberfteüung Der Bfeinungen refnltiren fann, h a ^n mir 31 t
unferer greube aus ben Porten bcS BorrebnerS entnommen, ber
anerfannt hot, baff biefeS arbeitsftatiftifdje Amt eine Beiffe oon
fo 3 ialen Aufgaben oorbereiten unb bitrchführen fautt, an benen aud)
bie flaffenbemufften Arbeiter feffr inteieffirt finb.*
danach mürbe bie ©iffung, bie nur ber £onftituirnng beS
BeiratljS galt, oertagt. . Auf Antrag beS ArbciteroertreterS §ucber
mürbe auf bie DageSorbnung ber nächfteu ©iffung bie 5ragc ber
Erhebungen über bie Berhaltniffe ber Heimarbeiter unb ber ArbeitS*
unb Sohnoerhältniffe im Bergbau geftcllt. — Am 1 . Dftober h«i
baS Amt für ArbeitSftatiftif in Defterreich feine Dljätigfeit begonnen.
flommmtale Sozialpolitik.
_ IX. ^efftf4er ©töbtetag. D)ie Berhanblungcn ber IX. 3ah r ^ s
oerfammlung beS Heffifdjen ©täbtetageS 311 SSiffenhaufeu am
10 . nnb 11 . 3uni 1898 finb jefft oom Eaffeler ©tabtfaffenrath
Boebicfer 3 nfammeugeftellt unb im Drucf erfd)ienen (Eaffel 1898.
D)rncf oon SSeber & Söeibemeijer). danach gehören oon ben
64 heffiföcn Nähten nunmehr 52, barunter alle bebeuteitberen,
bem ©täbletage an. Borfißenber ift Dberbürgermcifter B?efterburg*
Eaffel. D)er Dag genehmigte u. A. einen Bertrag mit bem
Allgemeinen Dentfchen Berfid)erungsoerciu, rocldjcr bie heffifdjen
©täbte gegen Haftpflicht ocrfichert. Weitere fragen betrafen bie
SHuhegcfjaltS* unb AltcrS 3 iiIagefaffcH ber Scfjrer unb Lehrerinnen
an öffentlidjen BolfSfdjulen, bie AnSftattnng 1111 b Einridjtung ber
©chulen unb ©djulränme nad) ben Anforbcruugen ber Aeii 3 eit,
eine Aormal*nunbe)teiicr*Drbnuug, bie BJaffcrleitungeii oon ©ein*
9
Sojlale $rast*. CcntralBIatt für ©oztalpolttif. S&r. 1.
10
Raufen unb §>ofgeiSmar in teegnifeger unb roirtgfcgafilieber Se*
Ziegung lt. f. ro. SBinfe über bie Fiuanzoerroaltung foroie bie Gin*
nagmeqncllen ber f)cffifcf)en Stäbte int £>inblicf auf bie neue
Stäbteorbnung für .jpeffeit*$Raffan gaben Stabtfaffenratg Soebicfer*
Gaffel unb Sürgernicifter Straug*|)ersfelb. 3 ur Erläuterung finb
eine SReigc oon Formularen über Einlage unb Führung beS
ftäbtifd)en £agerbucgeä mit abgebrueft. Sürgermeifter Strau& gat
eine Sergleicguug ber £>aupteinnagmequeflcn oon 20 größeren
gcffi[djen Stabten geliefert. Sie fliegen aus Fügungen beS
ftäbtifegen ©runbbefigcs, aus Unternehmungen im Selbftbetrieb
ber Stabt (felbftbetriebcnc Sanb* unb Forftroirtgfcgaft, Sriiege,
©ruben, 3iwkien, ©aSanftalten, SBaffer*, Gleftrizitätsrocrfe,
Scglacgtgäufer, Subenoerleigung zu aRärften, Sagergäufern, £>afen*
anlagen, Kellereien unb Waagen), aus bireften Steuern unb aus
inbireften Abgaben. $>ie Einnahme aus biefen oier GinfomtnenS*
arten betrugen für {eben Kopf ber Seoölferuitg in Gaffel 33 dt,
in .frounooer über 29 dt., in Fulba, Gfcgrocge, ©elngaufen, Star*
bürg, Sdjmalfalben unb ©olfgagen zonfegen 20 unb 25 dl ; in
$erSfelb, Frigid SHgengaufeit, Allenborf unb ^ofgeiSmar zroifegen
15 unb 20 c 41, in ben übrigen Stählen 10 bis 15 /ft. unb nur
in Oberfirdgen unter 10 dt ^)urd)fd)nitt entfallen uon biefem
Auffommen 36 % auf folegeS aus Fügungen unb Unternehmungen,
64 o/o hingegen auf birefte unb inbirefte Steuern, liefen $£)nrcg*
fegnitt roeift §ofgeiSutar auf. ©ünftiger liegen bie Sergältniffe in
9tinteln, baS 39 o / 0 aus SRufeungeit unb Unternehmungen bezieht,
£>erSfelb erhält 40 o/ 0 , Fulba 47 o/ 0/ ©elngaufen 48 o/ 0/ £>omberg
49 oj 0f Slllcnborf 63 o/ 0 , Frisör 70 o/ 0 ,. (gcgliiegtern 73o / 0 unb
aBolfhagen fogar 75 o/ 0 . Ginen höhnen Srozentfag als 64 bringen
bureg Steuern Starburg (71 o/ 0 ), ^Reifungen (74 o/ 0 ), $anau unb
Schmalfalben (je 75 o/ 0 ), Artenburg (81 o/ 0 ) r Franfenberg (84 o/ 0 ),
Dbernfircgen (86 o/ 0 ), Gaffel unb 2 Sigengaufen (je 88 o/ 0 ), unb
Gfcgroege (90 o/o) auf. S3ei ber Seurtgeilung biefer Sergältniffe
fpielt natürlich bie ©röge ber Stäbte eine auSfdjlaggebeitbe SRolle.
StaS für eine fleine Stabt fegon ungiinftig ift, fann für eine groge
noch reegt giinftig fein. 2ie bireften Steuern fegroanfen oon
2/94 dt auf ben Kopf ber Seoölferuitg (Seglüdjtern) bis 19 ,45 dt.
(Gaffel). Sott ben inbireften Steuern ift bie roiegtigfte bie Abgabe
auf Seglacgtoieg, Fkifd) unb Fteifcgmaaren. Sie bringt burd)*
fcgnittlicg 1,30 dt auf ben Kopf ber Seoölferung (in Gaffel 3,91 dt,
in Efchmcge 3,15 dt, in .?>anau 2,30 dt, in $ersfelb 2, 27 dt, in
Schmalfalben 2,13 dt,). Dann folgen bie Sranntroehifteuer, Srot*
abgabc, Sicr*, unb dRalzfteuer, Shlbpret* unb ©eflüget*, Dbftroein*
abgabe, bie |>nnbefteuer unb bie ßuftbarfcitSfteuer. $)ie Sefig*
roecgfelabgabe, bie eine fegr begerzigenSroertge Steuer genannt
mirb, gaben «ur oier Stäbte; fie erhielt auf ben Kopf ber Se*
oölferung in $anau 92 4, in Gaffel 87 4, in Gfegroegc 54 4, in
SBigeithäufen 49 4- $er Sebner fcglog mit bem aueg in anberen
Xheileti 2>eutfcglanbS zu begerzigeitben Grfucgen an feine Kollegen:
Kauft ©runbftücfe unb erriegtet, menn 3gr fte noeg niegt befigt,
Sparfaffen unb ©aS« ober EleftrijitätSmerfe! —-^ic Ueber^
nagmc ber 3utotungcit oon ©aS unb ^Baffer auf bie Stabt jiegt
in ber SRegel groge SSortgeile für bie Stabt naeg fug, ba bie be*
treffenben Gintiagmen fieg bebeutenb fteigern unb aSerjinfung unb
Tilgung bcS GinlagefapitalS fegr reicglicg einbringen.
9eft^PerüubermtgSgebüht in aöür^biirg. $)en zahlreichen ©e«
rtteinben in Saqern, Die eine ftäbtijcge feefihoeränberungSgebügr
ergeben (oergl. „Sogiale $rapS" Sagrg. VII Sp. 1194) ift jegt aueg
Sürjburg beigetreten, ber fommunale 3 u f(gfag P r ftaatlicgen ©e^
bügr mürbe auf 1 / 2 % beS UmfagmertgeS feftgeftetlt.
atblebitung beS aRivimaUohtteS für fföbtifdje Arbeiten in fBem.
Slm 25. September oo^og fieg bie SBolfSabfiimmung in Sern
über bie Sefd)lüjje beS ©enteinberatgeS, einen s JRinimalIogn für
ftäbtifege airbeiten einzufügren (oerat. „Soziale ^ßra^is" Fabrg. VII
Sp. 1252); bas Grgebnig mar bie Slblegmtng. Ueber bie©rünbe
hierfür fegreibt ber „Sunb":
Sogar in Der Ärbeiterfdjaft felbft mar feine redjtc Segeiftermtg
für bie Sacge bemerfbar. GS mag gier unb ba bie Scfürcgtung, bag
ber äRinimallofm ju einer ?lrt 9?ormaIlofm fidj ausmaegfeu unb bie
Bohne für beffere ?lrbcitslciftung eher herabbriiefen merbe, gemirft
gaben. Sei ben ?lrbcitgeberu, bei ben .^anbmerfern 1111 b ©emerbe»
treibenben faub ganz befonbers bie Sefiimmung ?lnftog, bafj ber ®tiui*
tnallohn and) für alle oon ber ©emeinbe au S l 'ioatnnternef)iner ocr*
gebene Arbeiten gültig fein fofle. ^sm ©eiteren mirftc bie Sefiirdjtung,
bag bie Jvcftfeßung bes äRinimallogneS für bie 6)cmeinbcarbciter eine
allgemeine Bohnfteigerung zur ^olgc gaben merbe. Unb enblid) fdjrccfte
oiele Sürger bie in ?(iiofid)t ftcheube Siehrbelaftung beS 6)cmciubc*
bubgets um ooooo bis 8 uocm) ^reS.
aiod) ungünftiger mirfte angeblich für bic ?lbftintmung bie burdj
bie maglos godjmutgige unb beleibigenbe Haltung beS Sozialsten*
orgaitS in ber Serner Sürgerfcgaft erzeugte Grbitterung; man gäbe
einmal, fo erflärt baS genannte Slatt, biefem anmagenben ©e*
baren Gingalt tgun mollen. — Sebauerlicg ift babei {ebenfalls,
felbft menn biefe Serftimmung begrünbet fein foUte, bag eine an
fieg gute Sacge barunter leiben mug.
Soziale J»fCätt2tr.
Cffgeliijei über bte fia^e ber Krbeiterttttteit im grapgiftgett
©etoerbe. ^Dte ©eneralfommtffion ber ©emerffegaften ^eutfcglanbS
madjt ben Serfucg, bie ßage ber Arbeiterinnen in ben oerfegiebenften
Fnbuftricgruppen in objeftioer 2öeife barzuftellen. ©egenroärtig
erfolgen bie Ergebungen für bie ©ruppe ber grapgifegen Serufe.
Um ein ficgereS Silb z« ergalten, füllen Arbeitgeber unb Arbeite*
rinnen über bie ArbeitSoergältniffe befragt roerben. Sei bett Arbeit*
gebertt mürbe bie AuSfitttft fieg auf bie Art beS Setriebs, Ser*
menbung oon SRafcginen, mecgfelnben ©efcgäftSaang, 3^gl ber be*
fcgäftiqten Arbeiter unb Arbeiterinnen mägreno ber flotten unb
ungünstigen ©efcgäftSperiobe unb bie J)öge ber Sögne eirftrecfen.
£>ie Arbeiterinnen roerben über igr Ginfontmen, igren Fantilienftanb
unb igre ßebcnSgaltung befragt. 3n Stuttgart gaben fieg nun
oerfegiebene angefegette tarnen, mie bie Frau Oberbürgermeister
Sümelin, Frau Oberft Fenidfe, Frau Stabtpfarrer ©erof, Frau
Obermebizinalratg Surcfgarbt, bereit erflärt, im Serein mit ben
©eroerffegaftsfügrern Ausfiinfte entgegenzunegmen, um oon oorn*
herein eine ©eroägr zu geben, „bag bie ^arftelluncj ber aemottnenen
Staterialien oöHig tenbcnzloS erfolgen mirb". SDiefeS 3ufammen*
gegen oon „Silbuitg unb Arbeit" auf einem ©ebiet praftifeger
Sgätigfeit ift ein gutes 3^icgen für ben in Stuttgart gerrfegenben
fozialpolitifdgen ©eift unb es ift nur ju münfegen, bag an ber
geplanten Enquete bie Arbeitgeber fieg eifrig betgeiligen.
©rgebung beS SereinS für SoziaYpolitif über bie Sergültntffe
ber Angeftcttteit ber SerfegrSanftalten* 2Bie bie „Wiener 3^itung"
im halbamtlichen Sgeile mclbet, gat bas öfterreiegifege Gifen*
bagnminifterium fieg auf eine Sitte beS SereinS für Sozialpolitif
Zu Scrlitt bereit erflärt, bie oon biefem Serein geplanten Gr*
gebungcu über bie ArbeitS* unb Öognoergältniffe ber bei SerfegrS*
anftalten befegäftigten Seamten unb Arbeiter bureg Sammlung unb
Uebermcifung geeigneten 9RaterialS zu unterftügen. — ©leiege ©e*
futge gatte ber Serein aueg an bie Gifenbagnoerroaltunqen ber
bcutfdjen Ginzelftaaten geriegtet. SiS jegt ift gier ein Sefcgeib
notg niegt erfolgt; es mürbe uns aber bei ber gerrfegenben Strömung
niegt SBunber negmen, menn er ablegnenb lauten füllte.
Stilstifege Söerfftätten für ArbeiterinPaliben in $ariS. Sn
ben amtHcgen Kreifen ber Sßarifer Stabtoermaltung befegäftigt man
fieg gegenroärtig mit bem ©ebanfen, munizipale SBerfftätten an*
Zulegen, in benen Arbeiter mit befd)ränfter Arbcitsfägigfeit ©e*
legengeit zu einem igrer fieiftuitgSfägigfeit entfpred)enben ArbeitS*
oerbienfte finben foüen. 3Ran benft babei au SBerfftätten oon je
70—80 Arbeitern in ben oerfegiebenen ©tabttgeilen. Um biefen
Skrfftätten bie nötgigen Aufträge zu fitgern, füllen bie ©emeinbe*
oermaltung, bie Departements unb Armenbegörben ignen igre
SefteUungen referoiren, fomeit als bieS möglich ift. £ie erften
Ausgaben roerben auf 18 000 F^cS. oeranfcglagt. S£)er (sjemeinbe*
ratg oon Saris mirb fid) bemnäegft mit bem betaiUirten S r ®i e ^
befegäftigen. _
Arbeiterbewegung.
Son ber Seraarbeiterbetoegung* ®ie Semegung unter ben
ofterreiegifegen Sergarbeitern ift in ein neues Stabium ge*
treten. 2)er Sorftanb beS GentraloerbanbeS ber Sergarbeiter
OefterreicgS gat einen Aufruf erlaffen, in melegem bie Sergleute
aufgeforbert roerben, Ades zu oerfuegen, um igre Forberungen
ogne 3n>angSmittel burdjzufegen. 9?acg Ablehnung ber Force*
rungen burh bie ©rubenoerroaltungen füllten fie zunäegft baS
GimgungSamt ber Sergbaugenoffenfdgaft zur frieblicgen Seilegung
beS Streites anrufen unb überhaupt ben gefegliegen Snftanzcnzug
oöllig erfegöpfen. Seitens ber ©rubenoerroaltungen finb an*
fegeinettb alle Sorbereitungen für einen ctroaigen AuSftanb ge*
troffen. Es roerben Koglcnuorrätgc angegäuft unb Solizetfräfte in
ben Koglenreoieren zufammengezogen, aud) militärifdjc Einquar*
tierungen oorbereitet. ^ie „©iener Arbeiterzeitung" fdjrcibt: „D cr
erfegntc Streif, ben bie Kohlenbarone in einer für bie Sergarbeiter
ungünftigen 3 e ^ gerbeiroiinfd)en, zu bem fie alle Sorbereitungen
etroffeu unb bie Arbeiter oolle oier S3od)cu gernuc*geforbert
aben, mirb niegt eintreten. ^)ic Sergarbeiter oerfprecgeu fid) nicht
11
Soziale $rajts. fcentral&latt für Sojtalpolitif. Br. 1.
12
3 tioiel oou bem Ginigung*amt, aber fie gewinnen 3^'it, bie jie bf-
ltupen werben, um ba* Btougclhafte in ber Crganifation noch
au* 3 nbauen. 3 n einem günftigeu 3 eitpunfte roerben fie bann bic
SorDernngen unter allen Ümftänben burchzufepen wiffen." ~ Auch
unter ben Bergarbeitern be* 9iuf)rret)ier3 gäprt e* mieber. giir
bcn 4 . £>ftober fiub eine Beihe oon Bergarbciterucrfammluugen
au*gefd)rieben, bie fiep mit ber Sohnfrage befaffen füllen. — 3n
Belgien ift unter beit Bergleuten eine Bewegung im_@ange, bie
auf eine Sohnerhöhung abzielt. -- 3» Sübroale* ift bie Arbeit
in beu Stoblengrnbcn feit Becnbigung be* ^luSftanbe^ in aller
Bulje aufgenommen worben, fo rafd) wie bic Bkrfe für ben Be¬
trieb wieber in Staub gefegt werben fonnten. Ginigc Schwierig*
feiten oerurfaebte bie ^ortbaner ber Befcbäftigung ooit Arbeitern,
bie wälirenb be* Streif* eingcftellt worbeit waren^ aber fie haben
feinerlci Bebeutung gehabt. 3ept unternehmen bie Bergleute
Schritte, um ihre fefjr unoolljtänbige Drganifatiou 3 u oerbeffern.
(lieber bie Bereinbarung im englif^en Kohlenbergbau fiepe bie
folgettbe BÜttpeilung.)
Bereinbarung $toifcf}tn Unternehmern nnb Arbeitern im engli-
fehen Bergbau. Surcp bte Klugheit ber Arbeiter nnb ba* Gntgegen-
fommett ber Unternehmer ift Guglanb oor einem neuen Streif
bewahrt worben, ber an Umfang unb Bebeutung bie Au*ftättbi
ber Btafcpinenbauer unb ber SSalifer ^oplengräber weit überragt
haben würbe, Ser Berlauf ber Singe ift in hohem Bfaße bezeid)-
nenb für ben fo^ialpolitifcf^en Staubarb in Guglanb. Seit beut
großen Slöplenftreif im 3apre 1893, ber burdj Sorb Bofcbert)*
Bermittelung beigelegt worben ift, war eine fehr ftarfe 3mtahme
ber Mohlenforbernng unb zugleich aud) eine Brciderhöpung ein¬
getreten. Sie* gab ber ^Miners federation of Great Britain", bie
faft % aller Bergarbeiter umfaßt, Anlaß, eine fofortige Sohnerpöhung
oon 10 (, /o über ben Sopttfap oou 1888 311 forberit unb im Salle
ber Steigerung bcn Streif aii 3 ufiinbigen. Am 6 . 3uli antworteten
bie Unternehmer mit einem (^egenoorfcplage; fie erflärten fiep bereit,
bie gegenwärtigen Sohnfähe für ba* lepte Quartal biefe* 3 apre* !
um 2 V 2 °/o 3 » erhöhen, ferner füllte währenb ber nädifteu 3 wei •
3apre bie Beguliruitg ber Sopnfäpe oon einem Ginigung*-
au*fd)uffe oorgenommen werben, wobei ber Btinimalfap 30 °/„ unb
ber Bfajnmalfap 45 o / 0 über bem Soprtfap oou 1888 31 t fiepen
fommen fülle, Samit waren Anfang* bie Arbeiter niept eittoer-
ftanben, aber bie Siiprcr biefe* mächtigen unb wohlorgauifirten
Wcwcrfuercin* beurthcilten hie Sachlage anber* unb traten für bie
Einnahme be* Untcruchmeroorfd)Iage* ein. Beit aller Gucrgie unb
bewunberungSwürbigem Giefdjicf wußten fie bie Arbeiter oou ber
Bicptigfeit ihrer Anfd)auung 31 t überteueren. Bur bie Sancafpire
Seberatiou oerhielt fid) ablehnenb, fügte firf) bann aber ber Bt'epr-
heit, fo baß 47 Selegirtc, hinter benen 317 500 Arbeiter ftanben,
ben Befcpluß faffeit fonnten, mit ben Unternehmern auf ber Baß*
jener Borfd)läge Abmadjungen 311 treffen. Sie* ift benn auch am
29. September gcfrfjcpen. Sie Berpanblnngen nahmen nur flirre 3 c 't
in Aufpruch nnb oerliefen in perzlicpfter Steife, wie „Sailt) Gpronicle"
fid) au*briicft. Ser Borfipeubc ber Berfammlung, ber ©ruhen*
befiper A. Hewlett, fprad) fein Bebauern au*, baß ber Ieitenbe
Arbeiterführer, ber befamtte Abgeorbtiete ^ßtefarb, wegen $ranfpeit
ber Sipuitg nidjt beiwohnen fönne. AI* Sprecher ber Arbeitcr-
bclcgirten erflärtc ber Abgcorbnete S. Stoobs, baß fie mit ben
Bor)d)lägen einoerftanben feien. Bur zwei fünfte waren nodj 3 U
erörtern. Al* Sermin für bie Sohnerhöhung würbe ber 1 . Cftober
feftgefept nnb beftimmt, baß unter gewiffeit Bebingungeu bie Ar¬
beiter über Sage ebenfalls an bem Äbfommeit tpeilnchmen füllten.
Ser Borfipenbe unb bie Sdjriftfüprcr holten bann perfönlid) oon
bem fraufeu .perrit Bi darb feine Uuterfchrift ein unb in beftem
Ginoeruchmen trennte fid) bte Berfammlung. So ift eine große
(Gefahr oon bem BHrtl)fd)aft*Iebcii Gtiglanbs abgewenbet worben
- - Sauf ber fogalpolitifd^eu Ginfidjt ber Unternehmer, ber 3eftig=
feit uitb SiS 3 ipliti ber Arbeiterorganifation unb ber Autorität ber
t^ewerfocreinsführer, bie il)r AeußerfteS aufbotcu, um einen Streif
31 t oerhüten. Sold)e Shatfadjeu muß man in Grinnernng behalten,
wenn toicber einmal im BeidjStag bie englifchcn XrabeS-UuiouS oon
•Perm oou Stumm unb feinen Bad)bctern fur 3 weg mit bem Stört
„Bid)t»-alS-Streifoereiue" abgethan werben.
Sie Sanbarbeiterbemeguug in Ungarn geht im Wcheimcn
weiter trop aller Berfolgnngen. Sen geheimen Jifd)geuoffcn-
filiaften gegenüber ift bic Regierung ol)nmäd)tig. 3iir beu 28. nnb
29. Se3ember b. ift nad) Ipegleb wieber ein Kongreß ber
Aclbarbeiter nnb Mleiubauerit einberufeu, ber fid) mit ber Ab*
änberung be# Aclbarbeitergefepess unb beu Tvorberungcii ber orga-
uifirteti A-dbarbciter befaßen füll. And) bie f0,3ialbe 1110fratifd)e
Bartet Ungarn* will 311 Stcif)nad)teu in G.jegleb einen Saube*- I
foitarefj abhalten. G3 foll über folgenbe Bunftc oerhanbelt werben:
Staplrecht, Arbeiterfchupgefepe, Ungarn^ wirthfd)aftltd)c Sclbft-
ftänbigfeit nnb poiitifebe Unabhängigfeit, Äoalition^rcd)t ber uitga-
rifchcu Arbeiterfd)aft. Surcp Grlaß be£ in ift er* be* 3nncrn fiitb
nenerbing* bie Dbergcfpane jitr Beridjtcrftattung über bie (M)eim-
organifation ber ungarifchen ^elbarbciter unb bie fo^ialbemofratifcfje
Agitation unter ihnen aufgeforbert worben.
Ser Streif ber GtrbarBeiter Don (fo wirb un* oon bort
gefdjricben) fcfjieit einige Sage lang [ehr langwierig 31 t werben,
al* bie Unternehmer ftd) allen Bcrgleid)*oerI)anblungen gegenüber
ablehnenb oerl)ieltcn unb fogar bie Bilbmtg eine* Gittigung*amte*
oerweigerten. Sie Arbeiter felbft ließen fid) in biefett ^agen einige
Shätlid)feiten 311 Schulben fommen, ittbem fie in ein 3 elne Banpläpe
eiitbrattgen unb noch arbeitenbe (^enoffen 311 m Bcriaffen ber Arbeit
nötl)igten ober aud) bic Sterf 3 euge :c. zertrümmerten. Gi^elne
Baupläpe waren in orolge helfen uulitärif^ gefchiipt worben. So<h
beginnt bic §altung ber Streifer fd)on weniger feft 3 u werben.
Bereit* lepten Sonnabenb hol^ n etwa 700 Arbeiter wieber bie
Bewältigung aufgenommen. Obwohl ber Stabtrath 20 000 3rc*.
unb ber Gleneralräth be* Seinebepartement* 10 000 ^rc*. — beibe
Boftcn ohne Bcanftanbung oon ber Regierung genehmigt — Unter*
ftüpung an bie Samilien ber Streifeitben bewilligten unb auch
burd) Kolleften beträchtliche Summen 3 ufammenfließen, fo fiitb bod)
faunt bie nothwenbigften SBittel oorhanben, um ben Arbeitern ben
Äampf längere ‘$eit 311 ermöglid)en. Sie Gifcitbahngcfellfchafteu
habetr 3 ubem begonnen, bie itt StiUftaitb getretenen Bauten burch
Bahnhof- unb ^treefenarbeiter meiterführeu 3 U raffen. Sie Unter¬
nehmer oeränbertett ihre SteHuug wenig, haben fid) 3 ulept auf eine
zweite Aufforberuitg aber auch bereit erflärt, ihre Selegirten zum
Ginigung*amte 311 wählen. Sic neuen Ginigung*oerfuche gehen
auf bie 3 >nitiatioe beS SDfinifter* be* Snnern 3 urüd, beffen 3 nter-
oention oom Barifcr Stabtratl) nachgefucht würbe. Sie Unter¬
nehmer haben unter biefett Ginwirfungen 3 wei Söfungen oorge*
! fd)lagen: entweber bie Söhne werben in beu oerfd)icbeiteu Breisliften
1 unb Sieitft 3 weigen ber Stabt B ar ^ auf 69 Gentimc* uni^irt ober
aber bie Arbeiter füllen alle im Sagelohu au*gcführte Arbeit bireft
oon ben Behörben übernehmen unter Umgehung ber Unternehmer.
Siefe Söfung*oorfchlägc beziehen fich felb|toerftänblid) nur auf bic
itt öffentlichen Arbeiten eugagirten Unternehmer. Sic Bnoatiinter-
uehmer fiub ja nicht wie jene an fefte Berträge gebuttbeit unb
fönuett bie Söhne oiel Ieidjter erhöhen, wenn bie Sage e* erforbert.
Ärheiterfdju^.
Ser 3af)re*btri<ht ber englifchcn ^abrtftttfpeftoren für 1897.
Bach bem „GJefep zur Grgän 3 ung unb Au*behnung ber Be-
ftimmungen über Sabrifen unb S^erfftätten oon 1895," 2 ) ntüffen
bic enghfepen Unternehmer ben Be 3 irf*iitfpeftoreu über An 3 ahl,
Alter unb G3efchled)t ihrer Arbeiter, oorfommenbe Unfälle, Blei*
weiß-, BÖ°äphor-, Arfenif* unb tfarbuufelcrfranfiiugen Biittheilung
ntad)en. Au* biefer SO?elbepflid)t crwädjft bem Bcamtenftab eine
A lt He neuer, oorwiegeub ftatiftifd)er Aufgaben, über beren 3«an-
griffnahme bereit* 1896 berichtet mnrbe 3 ) unb bie in biefetit 3ah^
eine bebcutenb erweiterte Aiteführuug gefunben haben.
Scpon bie erftett Untcritehmerberiditc (Annual Returns) oon
1895 unb mehr noch bie oou 1896 4 ) haben eine wcfentlid)e Ber-
oollftänbigung ber amtlidjcn Begifter im SBiniftcriunt be* 3nneru
unb ber Siftrift*infpcftoreu ergeben. Sie ermöglichen ferner eine
Statiftif, bie ber ungeheueren Siirerei^intitg gewerblicher Bcrrid)-
htngctt Bed)mutg trägt; il;r SKerth al* Borbebiugung elfter Mennt-
niffe über bie ©efahren ber ein 3 elnen (bewerbe nnb 0 )ewcrb* 3 weige
unb über bie Bothwenbigfeit unb bie Biirfung einer entfpred)enb
bifferctt 3 irten Okfepgcbnitg ift nirf)t leidjt iiberfdjäpbnr. Allein ftc
3 eigt aud) „flarer al* je 311001 * ba* s l)iißoerl)ältniß 3 toifd)en ber
3abl ber Beamten unb ber gewaltigen nnb 3 uuel)meubcu Bt'affe
9 Annual Report of the Chief Inspeetor of Faetories and Workshops
for the year 1897. Kyre & Spottiswoode, London 1898. Price 3 sh. 10 d.
2 ) ilebertvagcu im BJortlaut in Braun* Ardiio für Soziale Oicfep-
gebiing mtb Statiftif Bb. VII 1 .s5eft 4 l s*»5 ; lu'iprodjeit cbenbafclbfi
Bb. IX. peft 2; 1 siic* oon Bnughau Bafb.
3 ) Sielje Animal Report etc. for the year 1890. Bergteidjc and)
•V>. Simon/ Tie engliidje ^abrtfgcicpgebuug, ba* Wefep oon 1S95 nnb
ber Aaf)rc*bcrid)t ber ^abrifiufpeftoren für 1 s’.m;, in 2d)nieder* 3af)rbudi
für C'lefepgclmug, Berwaltung :e. Bene A-olgc XXII. Jahrgang 2. peft
S. 3«Hl.
'*1 Xte ..Annual Returns“ oou I st*7 fiub mir t heil weife frfjou
I bearbeitet.
13
©ogtale $ragtd. Eentral&latt für ©ogialpolittt. Jftx. 1.
oon Eingelaufgaben oerfd)iebenfter Sliatur, für bic fic oerantwort*
lieh finb."
Es unterftehen bcm ©taatsfchufc 200 000 gabrifen unb Berf*
ftatten mit 4 500 000 Verfonen, ohne bic fehr beträchtliche ©innme
ber ©od*, Berften*, Slnlageftetten*, Baarenljäufer* unb SAuSarbeiter;
bie ßefcteren nur in gewiffen Snbufirien unb unter beftimmten
VorauSfefcungen. 3 U ih rer Ueberwaehung ftitb nur 114 eigentliche
©taatsinfpeftoren eingeftefft, bie atterbingS non 2003 ®iftriftö®
?lmtSwuubärgten („Certifyiug Surgeons“) unterftübt werben. gür
bie Berlftättenhpgiene fommt bie nur ftettenmeife tiefgreifenbe fom*
muitale ©anitätsinfpeftion in Betracht. Befenilid) gefiärft roirb
bie SliiffidjtSthätigfeit burch bie Biiarbeit ber Beoölferung, poli**
tifcher, philaittropifdjer, religiöfer unb inbuftrietter Vereine, fpegiett
ber organifirten 2lrbeiterf<haft.
Von beit 200 000 im Stoffe 1896 oerfanbten 2lufforberungen
gur Veridjterftattung, blieben nach groeimal roieberbolten Bahnungen
unb mehreren ©trafoerfolgungeu 7555 unberücffichtiat. ©ie oor*
liegenben Tabellen beruhen auf 160948 Unternehmerberidf)ten 5 )
gegen 144 008 im Vorjahre; gum ©heil greift ihre ©ruppirüng
noch auf bie (enteren guriid; fie uuterfchetbet nach ©raff(haften,
©enterben unb ©emerbSgweigett, gabrifen unb Berfftätten, nach
ßXlter unb ©efchlecht ber refpeftioen Arbeiter.
©ie 1897 gemelbeten 40 000 Unfälle finb nach ©enterben,
9lrt unb Urfache ber Verlebuitq unb nach ben betroffenen Arbeiter*
fategorien tabeUirt; bie 1200 Bleiroeifj*, Slrfeitif*, V^Phor* unb
Starounfclerfranfungen nach ©enterben unb $Arbeiterf<hid)ten; bie
3500 ©trafocrfolaungen (prosecutions) nach ©iftriften, ©enterben
unb 5lrt ber Verftöfee.
.^inftchtlich ihrer $rt unb Slngahl gefonbert behanbelt, ftnb
bie gefährlichen Jnbuftricn, bie SAuSnahmebeftimmungen („Special
Rules“), fomie bie ©enterbe, bie ber „Particulars Clause“ unter*
ftehen, b. ff für bie nähere Angaben über gu entrichtenbe ©tüd*
löhne gemacht werben muffen. ©eit 1895 für alle ©cjtilgewerbe
in ©eltung, würbe fte, in golge ihrer ungemeinen Beliebtheit in
ber 9lrbeiterflaffe, 1897 auf oier weitere, 966 gewerbliche Anlagen
umfaffenbe Snbuftrien auSgebehnt: ©afdjentiicher *, ©chürgen*,
ßäbdjeu* unb Bloufenfonfeftion, gabrifation oon ©dilöffern,
©rüdern uub ©djliiffeln, oon letten unb §acfen unb oon gilg*
hüten. ©ie eiitfchlägigen Erlaffe, fowie bie neuen, ebenfalls 1897
angeorbneten SAuSnahmebeftimmungen für BoHfortiren, auf glafd)en
giepen oon foblenfaurent Baffer unb Vulfanifircn in ©utnmi»
anftalten finb im 3nhreSbericf)te im Borttaut mitgetheilt. ©ie
finb ergangen auf ber ©runblage oon Erhebungen gweier
Sfontmifnonen, bie 1895 mit ber Prüfung biefer unb anberer ge*
fäfjrlicher Jitbuftrien betraut würben; („Dangerous Trades Com-
mittecs“) biefe haben bisher brei oortänfige Berichte (Interim Re¬
ports) mtb einen ©djlufebericht oeröffentlicht. 6 )
3hrc Ergebniffe finb im Jahresbericht nur geftreift; bagegen
ift eine fpegiette Untersuchung ber ^orgeüan* unb ©bonroaaren*
inbuftrie unb baS Einpödeln oon gifdjen ausführlich behanbelt.
©ie ©efammtgahl ber oon ben Unternehmern angegebenen
Arbeiter beläuft ficf> auf 4 398 983 (baoon 655 565 in Berfftätten)
gegen 4103 485 in 1895; baoon 2 903 324 männliche unb
1 495 659 weibliche, gegen 2 699 917 männliche unb 1 403 568
weibliche Arbeiter im Vorjahre.
Von ben 295 498 Behreinftettungen fallen nur 1 930 auf bie
Xeytitinbuftrie.
Einer 3 una haie oon 6 138 Ermadjfenen, ftebt hier bie er*
freulidje Abnahme jugenblidjer Arbeiter um 4202 (baoon 2369
Stinber 7 ) gegenüber, 2luf bie fehr fpegifigirte ©ruppirung ber
Arbeiter nach Sitter unb ©efdjledjt in ben einzelnen ©egrtilgeroerben
unb Verrichtungen, (©pinnen unb Beben) fann hier nur hinge*
wiefen werben. 3h« ©efammtgahl beträgt 1 077 687; baoon finb
nur 412 841 männliche Arbeiter; bie 3unahtne oertheilt fich faft
gleich auf bie ©efchledjter (bie ber ^Arbeiterinnen überwog um 16),
fo baff fich ein relatio ftärferes S(nwad)fen ber ^Arbeiter ergiebt.
Ein Ueberwiegen ber ^Arbeiterinnen (3298 gegen 2338 Arbeiter)
fommt fonft nur noch in ber 3ünbholgfabrifation oor; hoch fiitben
fie fich in .faft allen ©ewerben. 3n ber Betattoerarbeitung unb
Eifeniubnftrie belaufen fie fid) auf 26 226; baoon 4000 in gafjr*
rabfabrifen, beren 3 a hf fowohl als bie ihrer Arbeiter fich 1896
faft oerboppelte; baffelbe galt für bie Berfftätten.
*) 9 luSfdjliefelicb gewerblicher ^Anlagen, bie nur Arbeiter beschäftigen,
mit Ausnahme oon Väcfercieit.
6 ) Jm Vudfhanbel erhältlirfj. ©iehe aud) meine s 8efprcrf)ung beS
erften „Interim Report of the Departmental Committee appointed to in-
quire into and report upon certain miscellaneous trades“ (London, Eyre & !
Spottiswoode. Price 3 l /ad.) in ber ,C 3 ?euen 3 eit ,v 9 ir. 9 SBb. XVI 1897 / 98 . !
14
3n l>rr ^orgellan* unb ^hanwaareninbuftrie waren 27 135
^Arbeiterinnen gegen 43 738 Slrbeiter. 7 )
3n 24 3nnbhoIgfabrifen mit 1 700 Arbeitern wirb weiter
ober gelber $ho^Ph°r oerwenbet. ©eit Erlau ber „Special Rulcs u
oon 1893/94 finb 24 JäHe oon ^ha g Ph°rnefrofe befannt geworben.
SDie oielerörterte Verheimlichung fchwerer Öälle in ber ßonboner
Jirma Vrpant & Bat), haben eine eingehenbe Unterfuchung ber
betreffenbeu Sabrifation oeranlafet, beren Ergebniffe noch aus*
ftehen.
©ie ©efammtfumme qemelbeter Vergiftungen beläuft fich 1897
auf 1239 gegen 1050 int Vorjahre; baoon fontmen auf Vh° 3 pl)or*,
Slrfenif* unb $arburifelerfranfungen 25; auf Vleiweife*, ©las*
unb Jarbeuinbufttie, ©chmelgen oon BetaHen, Verginncn unb
Emailliren, Bagnereien, geilenhauen unb oerfchicbene ©ewerbe
768, unb auf bie alleinige Vargellan* unb ©haa^aareninbuftrie
(potteries) 446 (!).
„Ban hat guten ©runb angunehmen, bah bic 3ah^a weit
größer wären, wenn alle gälle au bie Deffentlid)feit gelangten,
©urch 3 e il un Ö^ er ^^ c un ^ fonftige Vropaganba wirb amtlicherfeits
oerfneht, bett 9Xergten im gangen Öanbc bie Verpflichtung gur Bit*
theilung folcher £ranfheiten flar gu machen, natürlich unabhängig
oon ber Belbepflicht ber Unternehmer." Eine ftarfe, in breiten
©djidjten aller ©tänbe Slnflang finbeitbe Agitation für ben ©chufe
ber Vleiarbeiter hat auch hi cr ©infehung fpegieder Unter*
fnchungSfontmiffionen geführt, ©ie Ungulänglidjfeit bereits erfolgter
Verfd)ärfungeit ber betreffenben „Special Rules“ ift in einer hach*
intereffanten UnterhauSbebatte 8 ) übergeugenb nachgewiefen worben,
wobei ol)ne ben ©ebrauch oon Vleiweife glaftrte V° r S e üanplatten
runbgegeigt würben. 9 ) ©ehr unterrichten!) finb bie oben erwähnten
Bittpeilungen beS VlaubuchS, aus einer ©onberprüfmtg ber 3a s
ftänbe in ber Vo^öan* unb ©honwaareninbuftrie, feitenS gweier
gabrifinfpeftorinnen (Report of Miss Paterson and Miss Deane). 10 )
3h« Slnalpfe umfaßt 404, im ßaufe eines 3ah«$ in 182 gewerb*
lic|en Vlitlagen mit 3040 V^rfonen, oorgefallene Vleiweihoergiftuugen;
baoon fommen 233 auf Arbeiterinnen; unter neun Erblinbeten
wären gwei 18jäl)rige Bäbdjen nach breijähriger ©hätigfeit. ©rofe
ber oerfdurften ©efehgebung unb oermehrter ?lufmerf|amfeit ber
Jnfpeftoren haben bie VIeiweihoergiftungen in ben lebten brei
Jahren an 3 a ht ©chwere gugenomtnen. ©ieS ungünstige
Aefultat feheint auf gwei ©rünbe gurüdführbar: 1. Dberflä^lichfeit
ber VorbeugungSma|regeln; 2. bie ©djwierigfeit, gegenwärtig feft*
gnftellen, wer Jür ihre Beobachtung oerantwortlid) ift.
©a gewiffe Jnbioibuen befonberS empfänglich finb, fo wirb
erft ihre SluSfchliefeung einen Erfolg ber „Special Rules“ erutög*
liehen. ErfahrungSmäBig präbiSpontrenbe Elemenle ftnb: Jugenb,
perfönlichc Jbiafpnfrafie unb ©efchlecht.
©ie Arbeit ift eine faft ungelernte unb Iäftt für jeben anberen
VerufSgweig uuuorbereitet; ein VefchäftigungSoerbot Jugenblid)er
würbe forntt an fich eine Vermiuberung nngeeigneler Erwachfener
bewirfen; jejt hält fie ihre Untauglichfeit für anbere Arbeiten im
Berufe feft; man erfennt fie an ben blutlofen, blauen ©efichtern
unb bem ftarren Vlicf, ber fchoit ben erften ©tabien ber Vleiweife*
oergiftimg eigen ift. „Vlinbbeit ift oielieicht bie traurigftc gortn,
unter ber bas Hebel feine Dpfer paeft" — „©er Einfluf beS
VleieS auf baS ÜReroenfpftem ift inbefe weniger auffällig unb all*
gemein als feine Birfuna auf bie blntbilbenben unb repro*
ouftioen gunftionen. ©arum ftnb grauen burch ih« fonftitutio*
nette Jbiofpnfrafte mehr als Bänner gefährbet (§luSfage beS
Dr. Dlioer). ©ewiffe Umftänbe fönnen V cr fatteu empfänglich
machen, bie es fonft nicht waren. ©ieS beweift ber befonberS ein*
gehenb unterfudjte Einfluß beS Bleies auf ©attinnen unb ihre ftinber.
7 ) ©ie 3 af)lenangabcn beS 3 abrcSbcrid)tcS prätenbiren fetneswegs
überall eine abfolute Eenauigfeit; fic bcanfprudjen nur als annäherube
©chäpung ber thatfächlichen Verhältniffe Ecltung.
8 ) ©iehe bie fehr ausführliche Biebergabe in ber ,,©ime*",
BO. 3 uli 1898 .
ü ) ©iehe auch ,.3ah«^berid)ie ber töniglidj preuf)ifd)en Glcwerberäthe
für 1897 " ©. 65 : „Unter beit Elafurarbeitern ber gasreichen itachelofen*
fabrifeu beS VegirfS Votsbam waren wieberI)olt gahlreidje Vlcierfranfungeu
oorgefommen. ©as Urtheil eines erfahrenen AtranfenfaffenargteS ging
fogar bahin, baf) fänuntlidjc ('Haturarbeitcr an, wenn aurf) leirfiter,
chronifdier Vleifranfhcit litten" :c.
10 ) ©ie thcilweifen Ergebniffe einer mehr tedmifefjen Untcrfmhmig
über Vleiweifpabrifation unb »ocrarbeituug, mit fpegiefler VerücfficijtigHug
ber gu ergreifenben Vorbeugungsmafjregcln, unter Bitarbcit bcs be=
fannten AtoimniffioiKMirgtes Dr. £lioer unb bes (5hefs bes ^egtenrngv-
laboratoriums, finb gwar bem ©taatsfefretär bereits cingcretdd, ber
Ceffentliriifeit aber nodj Vorbehalten worben. 3iche bariiber „limr^"
wie oben.
15
Sogtalc ?xajt$. Eentralblatt für Sogialpolittf. 9lr. 1,
16
Von 77 Ehefrauen waren 15 HnberloS unb offne HbortuS, 8 Ratten
21 Dobtgeburten, 35 Ratten 90 geljlgefmrten, oon bicfen brad)ten
15 überhaupt feilt lebettbeS $ittb gur Söelt; 36 Ratten 113 Iebenbe
Stinber, oon benen 61 erhalten fitib; bie Vleffrgaffl ber 52 Dobtett
ftarben an Strümpfen im SäuglingSalter. Eine 25 jährige, feit
ihrem 17. Fahre SBIeiiucife oerarbeiteube F^att, batte in 7 Fahren
3 Dobtgeburten nnb eine 5-e.bIgeburt. Ffft* einzig IcbenbeS Minb
ift in etnent Fahre geboren, in bem fie gum erften Vtal ihrer Hr*
beit fernblieb, feine grau ooit 35 fahren, 10 Fahre oerffeiratffet,
20 im Vcruf, ^atte 8 Fehlgeburten unb 4 ttittber, oon benen 3 als
Säuglinge ftarben. Ein brüte, 28 Fahre alte Frau hatte 3 norf)
Iebenbe ftinber, ehe fie in Vlei arbeitete; toährenb ber 4 Sabre, feit
benen fie biefe Xhätigfcit aufnahm, fiatte fie nur ein früh oer*
ftorbeneS Stinb. Vr. 4, 28 Fahre alt, 7 Fahre oerffeiratffet,
10 Fahre im Veruf, hatte 5 Dobt*, 3 Fehlgeburten unb ein leben*
beS Stinb, baS wenige Wochen nad) ber Geburt an Krämpfen ftarb.
hingegen haben bie Fälle oon 0cff roinbfu d)t, Hftffnta unb
ähnlichen liebeln in Folge ber beffereu 'Durchführung ber Vctttila*
tionSoorfdjriften abgenommen.
Die Vermehrung ber Unfälle (40474 gegen 33557 im Vorjahre)
troff ber burcf) baS neue llnfgllgefeff 1J ) bcwirfteit bebeutenben Vcrbeffe*
ruttg ber Sd)uffoorrid)tungeit, wirb tffeilmeife ber genaueren Vericfft*
erftattung, theilmcife auch ber mit bem Hufftfjwung ber Fitbuftrie
oerbunbenen, ftärferen Hrbeitereinftellung, 3 ugefcf)ricben. Die meiften
Unfälle ereigneten fich nicht mie gewöhnlich Vooentber ober Dftober,
foitbern im Degembcr; bie menigfteu, mie immer, im Huguft. Huf
Fabrifen fomuten 655 iöbtliche (gegen 596 in 1S96 unb 455 in
1895) unb 39 739 nidjt töbtliche." „Dbwoffl biefe Fahlen mit
Vorfidjt (some reserve) aufguitehmen finb, bemeifen fie fchlageitb
baS ungeheure lleberroiegen ber Unfallgefahr in Fabrifen." Die
Funahme ber Unfälle ift nicht auf eine Hrt, llrfacffe ober Fnbuftrie*
gruppe 3 urücf 3 ufiihreu, aber fie fällt oornehmlid) auf bie erwaefffe*
neu Arbeiter; eine Verminberung ergab fid) nur für bie £iuber.
Die groffe Vtehrgaffl, 272 DobeSfälle unb 13 921 Verlegungen finb
burd) bie Vfafffftm' oerurfad)t, fpegicfl bnrd) Peinigen berfelbett
mährenb fie in Veroegung ift; 95 töbtliche unb 1698 nid)t töbtliche
Unfälle burd) Hufgüge unb Erahnen; 7 töbtliche unb 1000 nicht
töbtliche burd) toisfägen. Vei weitem am häufigften finb Vranb*
wunbeit, (Schürfungen unb Diietfcffungen; eS folgt ber Verluft ooit
©liebem, a) ber rechten, b) ber iinfen §aub; Verleffnttgen an tfopf
unb (>3cfid)t, ©lieber*, Sfnocffen*, ©elenf*, Hrrn* unb Vcutbrüdje; in
45 Fällen fanb oollftäubiger ober tffeilweifer Verluft bes Sehoer*
tnögeus ftatt. Vach Fobuftrien oertffeilt, ift am ftärfftcu belaftet
bie Viafdjinen*,V 5 erf 3 eug 2 c.Fabrifation mit 9835 Unfällen (82 töbtlicff);
5717 Unfälle fommen auf Vletallgieffereien unb *Schmelgereien,
5193 auf ben Schiffbau, 4393 auf bie Dertilinbuftrie, baoon über
bie Hälfte auf bie VamnmoHoerarbeitung, faft 3000, baoon bie
hödffte Hugaffl töbtlicffer ( 88 ) auf bie .Jiafenarbeü, über 1000 ferner
auf £>olg, feffemtfalien, ^ßapiermaaren, Drucfereiett unb oerfcbiebcitcS.
Fm Htlgcmeineu wirb eine Abnahme ber llebergeitctrbeit, fowie
eine beffere Veobacfftung beS Verbote ber Vlitgabc oon Arbeit in
bie .‘peime, nad) Hblauf ber gefcfflidjen Stunbcngaffl oermelbet.
Die 4 Fobnftricn, in benen bie Unternehmer oerpflichtet finb,
Rcgifter über bie oon ihnen bcfcffäftigteit HuSarbeiter $11 führen
unb fie gtoeintal jäbrlid) bem Diftriftsinfpeftor eiiigufenben, (Hn*
baffnung 511 einer Regelung ber .sjeimarbeit) finb Anfang 1898 um
eine 5., bie ^elggcrberei, oerntehrt worben. HuS Vlaitcffeftcr wirb
oon 1307 Hilfsarbeitern in ber Monfeftion, Vlöbeltifd)lerei, Feilen*
nnb galoanifirten Vletallwaareninbuftrie berichtet. Obwohl ihre
Fahl hier unb anberorts burd) ben wachfenbeu V 3 aareniimfaff,
fpe,$iell in ber .stonfeftion, noch gunimmt, neigen ältere Firmen
bagtt, ihre V>erfftätteu 511 erweitern unb ihre Hitsdrbeiter gu oer*
minbern. J2 )
Die Faffl ber feit 1895 in allerbingS uit^ureichenber 3Seife
bem Staatefchub nnterftellten iß3afd)anftalten beläuft fid) auf 6801
!706 mehr al* im Vorjahre): bie Unfälle fliegen oott 84 auf 94,
baoon 2 töbtlid)e. ©trafoerfolgungcn würben 85 (!) gegen 21 im
Vorjahre angeftreugt. lieber beit bisherigen Grfolg bes ftaatlid)en
11 1 ..Workinen's rmn|)cjisation Act.“
ia » HuS ?)ianrfiefter wirb ferner oon „4<)0 Arbeitern in ber uidjt
regiftrirptlidjttgen Sihinmntmftric berichtet". 6s banbeit fid) babei um
Verfertigung fehr orbinnrer, plumper Schirme für ben Orport und)
Fubieu. F-di hatte Olelegeubeit, mehrere enge itub fdituunftarrcubc, 311=
gleich als V 3 obn=, Wodi* unb Sdjlafrnum bieitenbc ?lrbeitsftätteu ,su
fciicu, in benen eine zerlumpte Fioinheuineiftcriu ,smci bis brei eben
folcber Arbeiterinnen gegen 6 s sb. uuühentlid) (Saifouarbeit) mit ber
fehr unbaubliriien Arbeit befebäftigte: ein gcrabe.su uertbierter Veftaubtljeil
bes Viefeuräbcrioerfs internntioualeu OÜitcrnustaujchcs.
(Eingriffs lauten bie Verichte oerfchiebeit. (Sin Fofpeftor fprid)t
oon großer Vefriebigung unter ben SSäfcherintten, über bie Ver*
tür^ung ber HrheitSseit (60ftünbige HrbeitSwoche aufeer ben Ueber*
ftunben) unb bie oerbefferte ©anitation.
„Die Hufbefferung ber 3 u ffänbe in 5Safd^fabri!eti unb 2Öerf*
ftätteu hiafichtlich ber ^Ventilation, Hborte, (rinfriebung ooit Via*
jehinen nimmt einen fehr langfanten Fortgang," h^i&t e£ im Ve*
rieht ber Fnfpeftorinnen.
Fhrc Dl)ätigfeit galt neben ben gefährlichen Fn^offrien, ber
Unterfudjung eingelaufener Vefchmerben, oor allem ben oerfeffiebe*
iten Drucfgefetjeit, gatts fpesieÖ bem 1879 in $raft getretenen
„Truck Act“ oon 1896 über 0trafbuffen unb Hbgüge. „Die Vericfft*
erftattertnnen ftintmett überein, baft bie Hufgabe bisher wefcntlid)
oorbereitenber 8 ?atur (of an educational character) für Huffid)tS*
beamte, Unternehmer unb Hrbeüer war. Fm Olan^en ift ein bc*
friebigenber (Schritt oorwärts gur (Srfefcung anfechtbarer 0 traf*
bufteitregletneittS burch genau befinirte Vcftitnmungen gethan, bie
ben Hrbeitern eine etwas oermehrte (Sicherheit besüglich tl)rer i?ohn*
anfprücfje geben.
Die hier beabfidffigte fur^e Httregitng fann ber reichfliefeenben
Oueffe ttü^litfjer (Siitblicfe, bie baS Vlaubmh gewährt, nid)t gerecht
werben. Für bie groffe Httsahl neuer gefe(jgeberif<her, ocrwaltuitgS*
rechtlicher unb ted)itifchcr ©efichtspunfte muff auf beit FahreSbericht
felbft uttb faft noch mehr auf ben oorjährigen Vcricht hiogewiefen
werben. Veibe finb eine werthoolle, eiitaitber bebingenbe unb er*
gättsenbe Erläuterung beS Fabrif* unb s Ber!ftättengefcheS oon 1895.
Karlsruhe. §elene 0 im 011 .
Sonntagsruhe im .öanbefSgctoerfce. Der Viagiftrat oon Frauf*
furt a. VI. ift mit ben Stäbten Dffenbach, •'Oanau, Darmftabt, Vlaitt^
unb V^ieSbaben in Verhanblungcn bariiber getreten, ob bie Vc*
ffhäftigung oon §anbclsangeftellten in Fabrifen, Vanf* uttb EttgroS*
gefdhäften am 0onntag gänzlich ju oerbietett fei. Von ber Vürger*
meifterei gu Dffenbad) bcotoegeit befragt, hat bie bortige ^anbelS*
fammer fid) balffn auSgefprodjen, baff oon berVefugniff, §anbels*
geftetltc in ber F e ^ ü °n 11—1 Uhr VlittagS an 0onn* unb
Fefttagen (mit HuSnahme bes erften Dfter*, Vfingft* unb V3eih s
nad)Sfeicrtages, an welchen jebe Vefd)äftigung oon ^anbcls*
angcftellten oerboten ift) 311 befd)äftigcn, in Dffenbach m nid)t
erljeblichetn Vlaffe ©cbrauch gcmad)t werbe, baff aber für bie F « 5
haber ber genannten ©efd)äfte bie Vlöglid)feit, bringenbe 0achcn
auch an 0ottn* unb Fefttagen erlebigeit gu lajfen, nid^t gättglid)
befeitigt werben biirfe. ©egen eine weitere Einfdjränfuitg ber
HrbeitSgeit für ^anbeisangeftellte an 0ottn* unb Fefttagen auf bie
Dauer oon 11—12 Uhr würbe bie §aitbclsfammcr nichts eiitgu*
wenbett haben. — F« t>er 5Uage gegen ein ^oitfefttotiSgefd)äft bat
baS DberlattbeSgeridff Franffurt a. VI. bie Entfchcibung ber Vor*
inftaitgeu bestätigt, wonach eine 0töruitg ber 0oitntagSrul)e bariit
gu erb liefen fei,' baff an Sonntagen gu ber für bett ,§>anbcl frei*
gegebenen Feit Hrbeüer für Heinere Reparaturen an oerfaufteit
kleibertt befd^äftigt werben, unb gwar att fertig oerfauften, wie au
nad) Vtaff angefertigten. Soweit bie Firma fertige illeibungsftiicfe
oerfaufe, betreibe fie aHerbittgS ein g)anblungSgetoerbe unb fei
baffer gu berartigett Hrbeiteit auch am Sonntag bered)tigt, foweit
fte aber Äleibungsftücfe nach Vlaff anfertigen laffe, betreibe fie fein
.jpattbelSgemerbe, foitbern eine Sd)neiberei, bie nicht ein Dffeü iffreS
f)anbelSgewerbeS fei. Fn biefen Vkrfftättcn ber Schneiber biirfe
nad) ber ©ewerbeorbttuitg nicht gearbeitet werben.
Die erfte toeiMi<hc ^abrifinfpeftorin ttt ben Rteberfanbcn«
Fm Staatshaushaltsetat für 1899 wirb ootn Vliuifter für £>anbel
unb Fnbuftrie eine Ärebitforberung eiitgefefft, um itebft gwei neuen
Su'ilfStttfpeftoren and) eine Fabrif in fpcftoriit angufteHen. Dann
wirb eS in #ollanb fed)S Fafpeftoren, ad)t $iilfSinfpeftoren unb
eine §iilfSinfpeftorin geben.
§abriftitfpcHüm ttt Ungarn. Fm Huguft würben 1580 fabrifen in
Ungarn lüfitirt. Vorn Januar bis Aitguft haben bie Jufpeftorcit 34.‘W
Fabrifen befudjt unb werben bis Eitbc bes Jahres liubcbingt fäntmt*
liehe FabriFcn bes SattbeS unterfudit fein. Vor ber Heorganifatiott ber
Jnftitiition ber ©ewerbeinfpeftoren würben jährlich nur 900 bis 1000
Fabrifen bcfid)tigt.
©emerbeinfpeftion in RcitfübwaleS. Der erfte FaffreSberid)t
über bie Ergebitiffe ber Faetories and Shops Act 1896 giebt an,
baff itt Spbttet) 1673 Fabrifen im lefften Jahre regiftrirt würben,
bie gnfaminett 29 503 Vcrfoncn, barunter 7009 Frauen, befeffäf*
tigten. Hm meiften crfcfjeiut Frauenarbeit oertreteu itt ber 8 e*
fteibintgS* ttnb Sdnthinbuftrie, ber Vapier* uttb Aabafinbuftrie,
bem lapegierergewerbe unb V3äfd)creieu.
17
©ogiale fßrajtS. Genttalblatt für SogialpoItttF. Rr. 1.
18
Ärheitcmrrpdjerung. SpathttOen.
®elethmfgSg?eitgfti ber ^erfi^erungdanftaltett für Arbeitertoofj*
unitgen nnb fimtgenijcilftättcn. $>er Ausrufe bcr gnoalibitätS* unb
AItersuorf ich er u n g S a n fia It Rf)einprooin 3 oerhaubelte am 17. Auguft
511 ©üffelborf über einen Antrag an beit ^rooinjiatüerbanb auf
Genehmigung jur ^ppothefarifd^en SÖeleihung oon Grunbftücfen
3 um 3mecfc ber Grbauung non Arbeitermohnungen unb £ungen«
heilftätteu über bie Riünbelfidjerhcit ^iitau^ bis gur Gefammthöhe
non 10 °/ 0 bes 33ermögenS. Rach bem $rotoFoÖ mürbe bie be«
beutenbfle SRebe babei non £>errn Saubeshauptmann Dr. SHein ge*
halten. Gr führte u. A. aus:
„Gr habe im AuSfdiuffe unb ’&orftatib flctö bie uertreteu,
bafe bie angefannneltcn Veftänbc in erftcr 2tnic ihrem gefepiieheu 3metfe
ber StentenbemiUigung gu bienen hätten unb nicht jur görbcritng aller
möglidjeu ^ol)lfabrtSeinrid)tungen, möchten biefe an unb für [ich aud)
noch fo numfdjfuSmertb unb gut fein. $$enn bie augcfatnmel«
ten Beträge gu grob evfdjicncit, bann muffe man bie Stenten
erhöhen ober bie Altcrsgrenge herunter fepen. Gefnnbc Arbeiter*
roohnungeu bauen, liege aber nidjt nur im gittereffe ber Arbeiter, fonbern
aud) ber Rcrjitfjerungeanftalt, inbent baburd) bie gätlc ber ^mjalibität
nnb bcr Rcntcngablung oerminbert mürben, $affelbc gelte auch oon
ber Surdjführuug bes «tpeiluerfnbrenS. Alle fokalen fragen lieben fid)
nur burd) 3 ll fanunenarbeiteu uon unten herauf löfen. Xie Verfid)erungs*
anftalt uuterftüfce beohalb beit Sergif d)eu herein für Gnnctmuol)l, beit
herein gur Verpflegung ©enefeuber inStöIu unb attbere lofalc i'erbänbc
tu ber Grfcmitmft, bab bie Refonualcsgentenpflege im .fteilurrfahren bie
michtigfte «teile einuehnte. $aS Vermögen fei mehr als hoppelt
fo grob/ mic ber ttapitalrocrth ber Stenten.*) s Bei beit früheren
ftatiftifcbeu S?cred)ttungen habe matt nämlich bie äkrmaltungofoftcu 511
hodj gegriffen, guoiel Altersrenten oorauSgcfcpt, nicht genitgenb iit $8c=
trad)t gejogen, bab in ber Rbeinprooing mehr Sftäbdjen gur .£>ctratf)
fommen unb mehr Skrftchcrte felbftftäubig merbert als in anberett ^ro=
otogen."
3» ber Segrünbung beS Eintrages ift neben beit juriftifchen
Ausführungen über bie 3 u läffigFcit her höhnen Beleihung baS
Verhalten anberer 2 $erfid)erungsanftalten in biefer grage mitgctheilt.
^anad) ift Sommern ermächtigt, jährlich 250 000 <s1L bis gu 75 0 %
ber £aye auSguleihen, .S>effen*Raffau jährlich 400 000 J(, bis 311
75%, Sachfen*Atihalt jährlich 500 000 JL bis 3 U 60%%, ,£>au*
nooer barf bcS Vermögens in ber im §. 129, Abf. 2 bes 3» s
nalibengcfebeS be^cid;neten SBeife gur görberung beS 23aueS non
Arbeitermohnungen nermeitben unb hatte am 1 . April 5911708 ,51 c 4t
bemifligt unb baoott über bie müubelfidjere Grenge 3294248,51 Jt
0chleSmig*.§olfteiit barf V 10 beS Vermögens in §>ypotheFeu auf
Grunbftücfe außerhalb ber pupiUarifdjcn Sicherheit aniegen, Mittel*
franfeu fantt auf Arbeiterljäufer §ypothcFenbarlehen bis 3 U 75%
beS 2Bertt)eS gemähren, Grofchergogthum Reffen \U beS Gefammt«
nerntögenS für ben SBmi non Arbeitermohnungen. S)ie Rhein*
prooins hatte bis 18. 3uli für Arbeiterroohnuitgen überhaupt
5 370116 ^ bemiHigt, baoon über bie Riünbelficherheit hinaus
bis 31 t % bes Berthes 2 928 516 M bei einer burchfchnittlichen
AmortifationSquote non 1 V 2 %- — &er GingangS ermähnte An«
trag mürbe angenommen.
ArbeitSlofen - öcrftdjertntg unb ©übbcutfdje SMflpartel Auf
bem Parteitag ber Siibbeutfchen 3$olfSpartei am 24. September 31 t
Stuttgart machte ber SBorfitjeube nach ber „granff. 3^9-" gleidj
GingangS ber SSerhanblungeit bie RUttheilung, „baß ber gmeite
Gegenftanb, bie ArbeitSlofen*35erficherung, non ber SageSorbmtng
abgefeimt merben miifete, ba ber Stefereut, 2. Sonnemann, nicht
erfchienen fei". Auf eine Anfrage mürbe erflärt, „bafe bie nou
£>erm Sonnemann in ^Betreff ber Arbeitslofigfeit norgefchlagetie
^efolution nicht ben 93eifaH beS engeren AuSfhuffeS gefunben habe,
unb bajj §crr Somtentann es beStjalb für räthlich erachtete, non
feinem Vorträge abgufehen". Abgeorbnetcr Vatjcr bemerft, „es
fei non Anfang an ni^t bie Abficht gemefen, bie Sache Fticr
materiell 311 bisfutiren. SJian hatte gehofft, git einer einheitlichen
gformulirutig gu gelangen, maS auf Sd)mierigfeiten geflogen fei.
$err Sonnemann habe bie Anficht gehabt, bafe er in biefem Salle
auf eine Serichterftattung ner 3 icf)teu folle." — GS märe intereffant
gu erfahren, roelche fünfte im AuSfehufe gu SflcinungSoerfrfjicben*
leiten geführt haben, nachbem man fid) boef) früher auf bie Grunb«
guge eines V ro 9 r antmS geeinigt hatte, ^ie Srage foü nun übers
3ahr auf bem nädjften Parteitag gur Spraye Fommen.
*) GS betrug 1. Januar 1898 ü9ii(iöi)S2,i5 X (gegen ;.o:m3 7S9_ ; .ii M
bes Vorjahres) unb fteigt ourausfidjtlid) jabrlidj um ctma lu SJiillioncit
SPtarF. Xer ifapitalmerth ber ber Aujtnlt giir Vaft gelegten 'Mioalibeii*
unb Altersrenten betrug am 1. oamtar ls97 22 190;?92 Ji.
3Crhtlt5üiod)«ici5i.
^ie erfte Serfammlnng bcS SerbanbeS beutfeher ArbettSuachtoetfe
in München»
Am 27. unb 28. September hat ber Skrbaub bcut|d)er Ar^
bcitSnachmeife feine erftc Honfereng in SMndjeit unter ^hcilnahme
gal)lreid)er s D2itglieber uub oieler Oiäfte, bie il)t* Sntereffe an ben
Arbeiten beS VerbanbcS auch in ber ^isfuffion bcFitnbeten, ab«
gehalten. Gs mar oorauSgufehen, ba& bie baperifche Siegieruug
bem Skrbanbe ihre Sympathien nt erFennett geben mürbe, ^er
Staatsminifter beS 3nnern, Sreiperr oon öcili(jfch» bcr bie Ste«
gicruitg oertrat, tl)at baS in Porten aufrichtiger AnerFennnng bes
Geleifteten. Sotoohl ber S)hnifter, mie ber thatFräftige ^orfipenbe
bes VcrbanbeS, Dr. 0reunb«^3erlin, betonten in ihren Anfpracheii
bie SiothmeubigFeit einer burd)auS uttparteiifchen unb unetgeinitiibigen
Leitung ber ötfentlichen SlrbeitSnachmeiSftellen mit oollem Stedjt als
eine Grunbbebiugung für eine erfolgreiche Gntmitflung ber 3nftitu*
tion. S)tit einem auSbrücflichen ^5rotcft gegen ben Sefchlitö beS
ArbeitgeberocrbanbeS in l^eipgig, bag ber ArbeitSnad)meiS allein
ben Arbeitgebern 31 t unterteilen fei (ogl. Sogiale V^ayiS, 3afn>
gattg VII Sp. 1322), fchlofe Dr. greunb feine Ausführungen. Gs fei
hier gleich eingefügt, baß fpäter aus ber 9Jfitte ber SSerfammlung
Stabtratl) S3erghauji«Ä(iln noch einmal Aitlafe nahm, gegen bie
&eipgiger 93efd)liiffe gu proteftiren; bie bort oerfammelten Vertreter
ber Gro^inbuftriellen hätten auch im tarnen beS ftleingemerbeS ge«
fprochen. ^)ie Glemerbeoereine, bereu SSorfifccnbcr er, Acbner, fei,
ftünbcit nicht auf biefem StanbpuuFtc. Gr bebauere, ba& bie Grofe*
inbuftricHen ben gefunben Aufmuchs ber gemeinnüfcigen ArbeitS«
nad)meife gehemmt unb gefährbet hatten, ^ic .^in^ugiehung ber
Arbeitnehmer habe fid) überall trefflich beroährt.
$on ben fechs fünften ber STageSorbitung fonnten mit SHücf«
ficht auf bie oorgefd)ritteue 3ctt nur oier 3 ur Grlebiguttg Fommen,
mähreub bie 5öehanbfung ber fragen: $ie ArbeitSoernuttlung für
roeiblid)e ^erfonen unb ^ienftboten unb bie Grrichtung oon Ar*
beitSnad)toeifen in Heineren Orten leiber oertagt merben mußten.—
9)tait mirb tropbem aus ben einbringenben unb fachlichen 33e«
ratl)uugen bcu Ginbrucf gemonuen haben, baß fie eine 3«Hc oon
bedchteitSmerthen Anregungen für bie Fünftige Arbeit ber Arbeits«
itad)meisftelleu ergeben haben, meitn fie auch Feine formellen S3e«
fchliiffe 311 3:age geförbert haben. 3)ian hat ber Anregung bes
StaatsminifterS greif)errn oon 33erlepfd), fich bei ben 33erathungeu
auf eiugchenbe Sefprcchung ohne ^efdjlufjfaffuitg über bie oor«
licgetiben 9tefolutionen 31 t befchräuFeit, aus guten Grünbeit gu«
^eftimntt, ba fich aus ber Sisfuffion oft bie 3?crfchiebenheit ber
Drgauifation ber eingelneu lofalcn ArbeitSnachmeife ergab unb ba
jebc Giitengnng biefeS burch bie fpcgiellen DrtSocrhältni|fe gebotenen
inbioibueden GharaFterS ber Fommunalen unb prioaten ArbeitS«
nachmeife burchaus 3 U oermeiben ift.
S>er erfte Gegenftanb ber 33erathungen betraf bie grage:
2öaS fönnen bie ArbeitSnachmeife bagu beitragen, ber
l?anbmirthfchaft ArbeitsFräfte gu erhalten unb 311311 «
führen? Als Referenten maren Rath Dr. Raumann«f)amburg,
33ürgermeifter Dr. £h°ma«greiburg i. 33r .uub Affeffor Dr. Xreuter«
§>alle a. S. befteüt. AuS ben Referaten unb ber TisFuffion ging
heroor, bafe bie Anficht im Allgemeinen oorherrfchenb ift, baft aud)
bie ArbeitSnachmeife 3 ur Giufd)rättFung beS 3 li gs in bie Stabt
uub ber GutoölFerung auf bem platten Sanbe für ihren £1)°^ bei«
tragen Fönnen. Als Mittel 3 itr Erreichung biefeS 3icls mürben an*
geführt: AufFläruug unb '-Belehrung ber Iäublid)en BeoölFerung,
Verbinbung mit ben lanbmirthfd)aftlid)en 33ehörben unb Corpora*
tiouen 311 m 3mecFe ber mcchfelfeitigen Snformation über beit je*
toeiligen Staub bes ArbeitSinarfteS in Stabt unb fiaub, 33eoor=
311911119 ber eiul)cimifd)cn oor ben gugeroanberten |läitblid)cit| Ar*
beitern bei ber 3umeifung oon Arbeit in ben ftäbtifd)cn Arbeits«
uachmeifen, 3 ul 'ücfn>eifung oon Arbeitfuchniben, bie itid)t geuiigeube
Rapiere oorlegen fönnen,' Serbinbung mit ber Vreffe 3111 ' regel*
mäßigen Rcittheilung oon llcberfüllung beS Arbeitsmarftes. Gs ift
erFlärlid), baß bie amoefenben Vertreter ber Arbciteroerciue mtb
Gcmerffd)afteu fid) gegen ben SSorfdjlag ber 33eoorgugung ber ein*
heimifdjeu Arbeiter unb ber Kontrolle ber Rapiere ausfprad)en: —
an biefer Stelle möge gleidjgeitig bas erfreu(idie gntereffe, bas
man in meiten ArbciterFreifen bcr Ihätigfeit ber nuparteiifdieii
ArbeitSnachmeife entgegenbriiigt, mit befouberer Genugthnuug oer*
gcid)itet merben. — ^ie Ausführungen bes Referenten Dr. Aan=
mann fd)Ioffeu mit ber ^efürmortuug einer Refolntion, über bie
jebod), ber ermähnten Anregung gnfolge, nicht abgeftimmt mürbe.
3u biefer Refolution mirb neben ben oben fd)on ermähnten
19
6ogiaIe $ra$tö. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Str. 1.
20
Voftulaten bic regelmäßige £>erftcllung unb Vefanntgabe einer
Ueberficßt ber angebotenen unb nacßgefragteit Stellen nach wirtß*
fcßaftlicß gufammengeßörigen Vcgirfen geforbert.
Die Verßanbluugen über ben gweiten $unft ber Veratmungen:
ArbeitS.n ad>tü ei^ftatifttf, oeranlaßten etugehenbe ftatiftifcfte unb
fogialpolitifcße Erörterungen ber Srage bureß bie Referenten SDireftor
Dr. Vleicßcr*3frauffurt a. VL unb Dr. 3aftrow*Verlin. giirs erfte
wirb itacß bem Ergebnis biefer DiSfuffiou ait ber Fortführung
unb möglidjft forgfältigen AuSgeftaltung ber ^efd^äft^ftatiftif weiter*
gearbeitet werben, wäßrenb bie Durchführung einer Snbioibual*
jtatiftif mittelft 3äbtfarten wegen ber bamit oerbnnbeneit Soften
oorläufig noeß auSgefcßloffen fein wirb, Dirdtor Vleicßer [teilte
eine Steiße non Einträgen, bie, wie bie Stefolution Des StatßS
Dr. Naumann im Ausfcßuß oerarbeitet werben ; in biefen Anträgen
wirb eine genaue unb gweefmäßige Führung ber (^cfc^äftöftatvftif
bureb bie einzelnen Arbeitenacßweife geforbert.
Eine wenn aueß fnrge, fo bodb febr fruchtbare Debatte ergab
bie DiSfuffion über baS Dßema: Empfiehlt fieß bie E)e*
biißrenfreißeit bei ber ArbeitSoermittlung? (Referent: E)eß.
Dberfinangratß FudiS*$arlSruhe), ba gerabe hier fieß bas Vor*
banbenfeiu großer Vcrfeßiebeiißeiten in ber Drganifation ber einzelnen
(Stellen ßerausftcttte. Die Debatte ergab benn aueß, baß bie An*
fießtett über bie 3 10ec f m äßigfeit ber Erhebung oon ßiebüßren feitenö
ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer je nach ber Drganifation beS
fpegieflen ArbeitSnadjweifeS oerfeßieben fein müffen. Der Wunfcß
ita<ß oofliger Unabßängigfeit ber Stelle uon Arbeitgebern unb
Arbeitnehmern, bie nur Durch (Muihreitfreißeit erhielt werben famt,
pt in gewiffen fällen bic gleiche Verewigung, wie in anberen
bie Erwägung, baß bie Erhebung einer (Gebühr oon Arbeitgebern
begw. Arbeitnehmern in Solge befonberer Vcrßältniffe, aus materiellen
ober ctßifcßen Gkünben, burcßauS am ^lafee ift.
Vtit ber Vefprcdjung über bie ©ebüßrenfreißeit feßloß bie
ftonfereng am Dienstag; am Mittwoch faitb noeß eine engere $on*
fereng ftatt, bie ftdfj inSbefonbere mit ber Örage ber Verarbeitung
ber Anträge unb Vefolutionen befcßäftigte. Der Vorftanb würbe
bur<h Afflamation wiebergewählt.
3weifelIoS hat bie erfte ftonfereng beS VerbanbeS beutfeher
Arbeitsuadhweife außerorbentlicß niele Anregungen gegeben, bie für
bie 3nfunft uon Vebeutung fein werben, anbererfeits hdbeu bie
Verathungen, bcfonberS über bie Srage ber Abhülfe in ber länb*
liehen Arbeiternotß manche unrichtige, bisher uielgehörte llrtßeile
wiberlegt. Senn ber Verbanb beutfeher Arbeite nach weife, bem
jept 66 ArbeitenacßweisfteHen als Vtitg lieber an gehören, fich fo
ausbeßnt, wie es im Fittercffe einer Ecntralifation beS Arbeite*
itacßmcifeS wünfcheitewerth ift; wenn er ferner in ber iiage fein
wirb, bie entgegengefepten Veftrebungen ber. ein [eiligen Fnteretfcnten*
Arbeitenacßweife nttb ber gefährlichen gewerbsmäßigen Arbeite*
uermittler erfolgreich gn befänipfcit, fo ftef)t gu erwarten, baß bie
reichen Anregungen ber Vfündjener ftonfereng auf einen fruchtbaren
Voben fallen unb baß ber Verbanb beutfeher Arbeitenacßweife ein
fräftigeS Werfgeug bei ber Durchführung ber fogialen Reform
fein wirb.
VJüucßcn. V fl nl Vüfcßing.
* *
*
AuS Anlaß ber VJüncßetier ArbeitSnacßmeiS*£onfereug uer*
öffentlicßt ber „Vorwärts" eine ^nfeßrift, j n njelcßer mit Siücfficßt
auf baS Veftreben gewiffer Untcrueßmerfreife, ben Arbeitsnachweis
als ein Machtmittel im fogialen Kampfe in ben £>änbcn ber Unter*
neßmer gu organifirett, uor einer Verfcßmelgung ber gemerffeßaft*
ließen Arbeitenacßweife mit ben unparteiifeßen fommunaleu ArbcitS*
naeßweifen gewarnt unb befürwortet wirb, ben Arbeitsnachweisen
ber Unternehmer inöglicßft überall gewerfftßaftlicße Arbeitenacßweife
entgegengufepen. Sn ber ^nfeßrift wirb gwar ber Aupert ber un*
partetifeßeu Arbciteuermittelung für ben Arbeiter anerfannt unb
betont, baß gruubfäplicß nichts bagegen eiitgewenbet werben fönnc,
wenn ber Arbeitsnachweis als foießer ben fogialen DageSfäntpfen
banernb cntgogeit werbe: aber folange e* ben fommunalen Aacß*
weifen nicht gelinge, innerhalb ißres (Geltungsbereichs bic Unternehmer*
naeßweife gnnt Anfcßluß an baS fontmunale Snftitut gu gewinnen,
werbe es mit einer erfolgreichen VMrffantfcit beS gemeinfamen
ArbeitSnacßweifeS überhaupt feßr rafd) gu Enbe fein. Ai'ait ßättc
in Vciindien ben Vertreibungen ber Unternehmer, ben ArbeitSnad)*
weic' gu monopolifiren, fcßärfeu gu treibe geßen itnb ftatt eines ein*
faeßen VrotcftcS über Mittel unb VJege beratßen füllen, wie ben
Unternehmern ihre einfeitigen .^errfcßaftegeliifte oereitelt werben
tönnteu. DaS fei iticßt gefdjeßen unb ben Arbeitern bleibe nießts
übrig, als ben uämlicßeu V3eg gu befdjreiten, ben bas Unternehmet*
tßum auf ber üeipgigcr itonfereng eingefeßlagen ßabe..
Stäbtifcßer Ar&eit$tta<ßtoet$ in Eßarlottenbnrg. Am 1. DFtober
ift in Eßarlottcnburg ein ftäbtifd)er Arbeitsnachweis eröffnet. Die
©efcßäftsftunben finb oon 8—12 llßr oormittagS ,(im 0omnter
7—11) unb ‘3—6 Ußr nachmittags an ben Wochentagen unb 8—9
Ußr uormittagS an ben 8onutagen feftgefept. Der Arbeitsnachweis
»ermittelt Arbeitsgelegenheit, unb gwar foftenlos, nur für un*
gelernte Arbeiter unb Arbeiterinnen, welcßc in Eßarlottenburg
woßnen, mit Ausnahme beS EefinbeS. Die Wahrnehmung ber
VermitlelmtgSgefcßäfte ift in ber männlicßen Abtßeilung einer
männlidjen Vcrfon, in ber weiblüßen Abtßeilung einer weiblicßett
Verfon übertragen. Verwaltung unb Veaufßcßtigung beS
ArbeitSnacßweifeS ift eine Deputation, befteßenb aus bem Vor*
fipenbett beS EJewcrbegericßts, einem «EtellDertreter unb je brei
Arbeitgebern unb Arbeitnehmern eingefept. — Die enge Vegrengung
ber Dhätigfeit beS ArbeitSnacßweifeS ift gwar bebauerlicß; wo aber
erft ein Anfang gemaeßt ift, werben bie Verßältniffe feßon gur
AuSbeßnung brängen.
©enoffcnfdjaflsnicrni.
Arbeiterprobtthingettoffenfchaften in ^ranfreteß. Das fran*
göfifeße Arbeitebureau ßat leptßin eine befoitbere Erhebung über
bic Arbcitcrprobuftiugenoffenfchaftcu in Sranfreicß angcfteUt unb
baS Ergebniß fobaun in eingeßenber Ausarbeitung gur Veröffcut*
lidjung gebracht (Les Associations Ouvriöres de Production. Paris,
Imprimerie Nationale, 1897). Die erfte Vegriiitbung einer
Arbeiter*Vi*öbuftiogenoffenf(ßaft fanb banaeß in SJraufreicß bereits
im 3aßre 1834 ftatt, aber einen größeren Auffcßmung naßm bie
8 ad)e erft im %afyvc 1818, als ber 8taat brei VFillionen JvranfS
gu bem 3 lüef f e nusfepte, um ©enoffenfdjaftcn, welcße tßeils oon
beit Arbeitern allein, tßeils non Arbeitern in Verbiitbuitg mit
Arbeitgebern gegriinbet würben, gu unterftüpen. Auf biefen, wefent*
ließ biird) bas Eingreifen bes Staats beförberten Auffdiwmtg folgte
aber fcßoit im Saßrc 1S52 ein Vücffcßlag, nadj wcltßcm erft 1863
wieber ein lebhafteres Sntereffe für Arbcitergenoffeufd)aftsgrünbungen
fich geigte. Der beutfd)*fraugöfifd)c Mrieg oon 1870/71 mußte oen
Arbeiterprübnftiugeuoffen|d)afteu naturgemäß große 8d;äbigunaen
bereiten unb ift es Deshalb uüßt gu oerwuttbern, wenn biefelben
feit 1871 wieber meßr guriieftraten. Eine Weitbung trat wieberum
im vSflpc 1881 in Jyolge oerfeßiebener Umftäube ettt; einmal traf
ber V^üfeft beS 6einebepartements befonberc Anorbnuitgen, um gu
erleichtern, baß größere öffentliche Arbeiten butd) Arbeitergenoffen*
fcßafteit fontraftmäßig übernommen werben föunteu; fobanit würben
Durch ein VcrmäcßtmH beS 9)f. SHampal ber Stabtoerwaltung oon
Vatis aufcßulicße Summen gur Verfügung geftellt, um biefelben
bureß ©ewäßrung oon Darlehen gur Unterftüpung aller Arten
oon Arbeiterqcitoffenfcßaften, feien eS Vtobuftiogenoffenfdjaften,
feien es Diftributiogcnoffeufcßaften, feien eS Ä'rebitgenoffenfcßaften,
xu oerweitben; enblid) bilbetc aber noeß eine wefentlicße Sörbcrung
Die Vegriiubung ber allgemeinen genoffcnfcßaftlicßeu Vereinigung
Der Vrobuftiogenoffenfdjaftcii. Aacßbem itad) 1885 wieber ein ge*
wiffer StiUftanb eingetreten, wirfte 1888 ber Erlaß einer bc*
fonbereu Verorbnnng neu bclebeitb, in welcßer bic Vebiitgungen,
unter welcßen bie Arbeitergenoffenfcßaften bei ber fontraftmäßigen
Verbinguitg ber offentlidjeit Arbeiten gngclaffeit werben foUteu,
aUgemein eine für Die (^eitoffeufchaften günftige Regelung fanben.
3tn Qaßre 1893 fanb enblicß bie Elrünoung ber Vanf für V l *o*
buftiogeuoffenfehaften ftatt unb ebeufo bie erfte einer Steiße oon
Vewifiigungcn öffentlicher ©elber, welcßc bureß ben Vefcßluß ber
gefepgebenben 7?aftoreit gur Unterftüpung ber Arbciterprobuftio*
geuoffenfdjaften gur Verfügung geftellt würben, Vewilligungen,
toelcße fid) bureß bie folgenden Satire in gleidjer Weife fortfepten
unb wefcntlicß guitt weiteren Auffcßwung unb ©ebeißcit ber Ar*
beiterprobuftiogenoffeiifd)aften beitrugen. Die Ausarbeitung giebt
fobanu eine genaue Darftelluug ber einzelnen tppifcßcit Arten ber
Dorfomtneuben Oleitoffenfdjaften unb umfaßt citblidj eine eingeßenbe
ftatiftifeße Aadiweifnng für bie fämmilicßeu in ?raufrcich befteßen-
beu Arbeiterprobnftiogeiioffeufchafteu, in welchen bereu Verßältitiffe
nach bem 0taube ooin 3aßre 1895 im Eingelucu, foweit bie bagu
uötßigeu Daten gu erlangen waren, flargclcgt werben. Wir wollen
Daraus nur folgeube allgemeine Angaben unter Umrccßniiug ber
Wertßbateu auf nufere Währung ßeraushebeu. Die (^cfamtiitgaßl
ber Arbeiterprobuftiogeuoffeufchafteu belief fid) nach ben ^eft*
ftcllnugen im oaßre i s 95 auf 172; oon fiebeit berfelbeu waren
21
©ogtale $rafi$. Eentralblatt für ©ojialpolitif. Sir. 1.
22
aber oerroertbbare SDlitt^eiluiigeit be^üc^Hcfj ihrer Berl)ältniffe im
Eingelneu liiert 511 erlangen, fo baß fid) alfo ber weitere
Etngelheüen nur auf 165 ©enoffenfehaften belieben. Die ©efammt«
mitgüebergabl betrug Enbe 1895 9029, baS eingegahlte Anteil*
fapital 9 372 400 Jt, bie ©utljaben ber einzelnen Biitglieber
gegen bie ©enoffenfehaften 1 115 920 Jt, ber ©efammtwerth ber
im 3abre 1895 entern!eiten ©efd)äftSthätigfcit 23 916 280 Jt„ ber
gefammte ©ewintt beS QahreS 1895 1 928 180 Jt Bon ben einge«
gablten ©enoffenfchaftSantheilen gur ©efammthölje non 9372400^
ift weitaus ber größte Dheil, über brei Viertel, in ben Hanbett
oott Arbeitern, welche aud) gur 3 C ^ noch ^Befd)äftigitng burd) bie
Oien offen fd^aft haben wollen, ber Betrag ftellt fid) auf 7 153 820 Jt \
675 540 Jt ber Anteile befipen frühere Arbeiter ber ©enoffett«
fefjaft unb 1 288 880 Jt aitbere Arbeiter, welche aber git bem oon
ber ©euoffenfepaft betriebenen BerufSgweige gehören; nur 254160 Jt.
entfallen auf britte 'ißerfonen, welche gu ber ©enoffenfehaft in feiner
weiteren Eichung ftehen. Als (Gewinn würben 1895 inSgefammt
1622 920 Jt gur Bertheilung gebracht; baoon floffen 162 400 Jt
in ben BeferoefonbS, 960 040 Jt würben als 3infen ober Diui«
benbe auf bie Kapitaleingahlungen begto. bie Anteile oertheilt,
61 860 Jt entfielen auf bie ©efc|äftsleitung, auf bie Arbeit würbe
ein 3 ll fd)i a 9 gegeben, unb gwar an bie oon ber ©enoffenfehaft be«
fdjäftigtcu Btitglieber 229 860 Jt, an befchäftigte Bid)tmitglicber
156 250 Jt, enblid) würben noch als SottbS für unoorhergefehene
llnglücfSfälle 52 480 Jt einbehalten. Die ©efammtgaf)l ber Be«
fdhäftigten belief fich währenb bes 3apreS 1895 in Biiuimo auf
8287, in Biarimo auf 11 599, an Biitgliebern würben in Biinimo
4013, in Btayimo 4864 befchäftigt, an s 32id)tmitgliebern in Bhnimo
4274 unb in 'Diajimo 6735. Der gezahlte Sohn betrug inSgefammt
9 725 360 Jt Dagu ift aber noch hernorguheben, baß bie franko*
ftfd)c Darfteüung bie DranSportgenoffenfdjaftert mit unter bie $ro*
buftiogenoffenfehaften gäplt, was fonft meift, fo auch in ben eng*
lifchen Berichten beS Labour Department, beS Board of Trade,
nicht gefchieht; unter ben 165 oorbehanbelten ^robuftiogenoffen^
fchaften befinbeit fid) 1? DranSportgenoffenfchaften, h au Pifäd)li<h
Bereinigungen oon Drofchfenfutfchern, für welche ein Bkrth bes
©efdjäTtSbetriebeS mit 3397980 Jt unb ein (Gewinn mit 166940 Jt
in Anlaß gebracht ift. Anbererfcits ift aber bie große Mehrheit
ber Bäcfereigenpffenfd)aften (509 oon 514 ber im 3 af)re 1895 be*
ftehenben) im frangöfifdjen Bericht nicht mitberücffid)tigt worben,
ba man biefe irt graitfreich burepmeg 31 t ben Diftributiogenoffen*
fdjaften (societes cooperatives de consommation) rcd}net, ein Ber«
fahren, welches auch nicf)t allgemein üblich ift, aber ftch barauf
grüubct, baß bie größte 3 a hl ber Bäcfereigeuoffenfdjaften in ber
Haupt) aepe ober auSfd)lieblich tpr ©efepäft nur für beit Verbrauch
ber ©cnoffenfcpaftsmitglieber betreibt. Bom Staat ober aitbercn
öffentlichen Korporationen erhielten im Sapre 1895 148 Arbeiter®
Brobuftiogenoffenfcpaften Bekräftigung, ber ©efepäftsbetrieb ber*
felben war im Clausen mit 13 237 180 Jt, bewerbet unb entfielen
baoon 3 658 660 Jt- auf bie burd) ben Staat ober bie fouftigen
öffentlichen Korporationen gebotene Befcpäftigung. Staatliche Bei«
hülfen würben in ber $t\t t>om 1- Sanuar 1893 bis gunt 1. 3a*
nuar 1897 inSgefammt an 135 Slrbeiter^robuftiogenoffcnfchaften
gewährt unb baneben auch an bie Allgemeine Bereinigung ber
^robuftiogenoffenfehaften, an ben Sübweft«Bunb ,unb an gwei
•probuftingenoffenfehaftsbanfen; bie Höhe biefer Beihülfen ftellt fich
auf 289 600 , //. geftgeftellt ift, baß im 3apre 1896 bie Arbeiter«
^robuftiogenoffeufefiaften fich in gang wefentlichem Blähe weiter
eittwicfelt haben; ipre 3 ah* ft>H bis auf 202 geftiegen fein.
3Umenpflegr.
Die 18, 3ahreSoerfamm(ttttg beS BereinS für Armenpflege ttnb
SBofjlthätigfeit tagte am 29. unb 30. September in Nürnberg.
(Den erften Bericht erftattete Stabtrath Dr. Biuenfterberg«BerIin
über auSlänbifcheS Armenwefen; er gab eine lichtooHc Heberftd)t
über bie neueren Begebungen auf bem (Gebiete beS ArmenwefenS
im AuSlaitbe. Darnach fpraef) 9tegierungSrath 5alch*Stuttgart
unb Sanitätsrath Dr. Bär*§jirfd)berg über $ülfe in aufeerorbent«
liehen Bothftänben. Bach Kenntnifjnahme biefer Beridjte würbe
oorläufig Bertagung ber Berathung über biefen ©egettfianb bc*
fdhloffen. @S beachteten fobann Dr. §irfchberg«(5hatlottenburg,
Dr. 3afftein«$otSbam unb Dr. Btuenfterberg«BerIm über 3n?angS«
maßregeln gegen ernährungspflichtige Angehörige. Die Befo*
lutionen hfergu betonen im Anfd)tuh an bie oorgeleaten drgebitiffe
ber herüber ftattgehabten Erhebung bie Schwere oiefeS fogialeit
unb wirthfehaftlichen Hebels. 3 n ber fchr lebhaften Erörterung
befürwortete bie Btehrgahl ber Bebner Einführung beS Ber«
pflegutigSgwangs. Ein bahingchenber Antrag Büh^amburg
würbe mit bem 3 u fab angenommen, bah bie befiehenbeit Straf«
oorfchriften ocrfchärft werben.
B?citcr berichteten BathSaffeffor 3leifchmann«Bürnberg unb
Armenratl; Dr. Bulanb«Eolmar über bas Dhema: „Die medjfel«
feitige Unterftübung oon Beidjsangehörigen in ben eingelneu
BunbeSftaatcn." Beibe Berichterftatter gehen oon ben eigenthüm«
liehen Berhältniffen ihrer .^eimathlänber Bapcrn unb Elfah-
Sothringcn aus. Beibe Bebner halten entfprcchenb ber burch bie
BeidjSoerfaffung unb bie BMrthfchaftSgefebgebung gefchaffenen recht«
lid)en wirthfehaftlichen Einheit DeutfdjlanbS auch auf bem (Gebiete
ber Armenpflege bie Herbeiführung eines einheitlichen 3 u ftanbes
für erforberiid). Ollei^mähiae, gefeplidj fichergeftellte Unterftüpung
für jeben Dcutfchen, 5artfall willfürlicher AuSweifung feien un*
erlähliche Sorberungen. 3n ber Berfammlnrig herrfchte hierüber
DÖÜige Uebcreinftimmung, unb eine bahingehenbe Befolution fanb
bemgemäh Annahme. ES folgte ber Bortrag beS Beigeorbneten
Dr. Schmibt«3Jlaing über baS ihema: „Epiftengminimnm in ber
Armenpflege, fowie Anrechnung ber Seiftuugeit ber Brioatwohl*
thätigfeit unb ber Qnoalibenrenten auf baffelbe." Korreferent war
Stabtrath Eitno«KönigSberg. Es würbe eine Befolution an«
genommen bes QnhaltS, bah bie Höhe ber aus öffentlichen Btittelu
gu gewährenben Hnterftüpung auf ben gur notdürftigen Unter«
haltung nach örtlichen unb inbioibuellen Berhältniffen erforberlichen
Betrag für bie bem Haushalte augehörigen Sainilienglieber gu be«
rechnen fei. 3uoaliben«, Alters« unb Hufallreuten feien grunb«
fäplich in Berechnung gu giehen, Seiftungen ber Brioatwol)lthätig«
feit nach billigem Enucffen. — Den Schluß ber Berhanblungen
bilbete baS Dhema: „3ufluchtftätten für weibliche ^Serfonen",
worüber Beigeorbneter AberS«ElbcrfeIb berichtete, inbent er bie
©rünbung berartiger Anftaltcn ben Berfammelten briitgenb ans
Herg legte. — Bach Erlebigung geschäftlicher Angelegenheüen würbe
bie Berfammlung 00 m Borfipenben Sepffarbt«Krefelb gefchloffen.
St|iet)uitg nnb fiilbung.
Daß ArHitennflitMt gn ©torfljolm, bcffcit SBirffamfcit burd) Er*
wähnung fowopl in biefen Spalten (Jahrgang 1896/97) als in beut
„Arbeitcrfrcunb" (Jahrgang 1896) bcutfchcii Befcru fepon befannt ift,
bat einen Bcridjt für fein 18. Arbeitsjabr (13. September 1897 bis
30. April 1898) erftattet. Die Borlefungsfurfc, bie alle 3Berftage uni
8‘A Uhr Abenbs, Sonntags um 9 llljr Borgens unb 5 lU)r Abcttbs
gehalten werben, haben Kalligraphie, SRatöciuatif, Aftronomic, SKctcoro«
logie, Ehemic, Anatomie, ^hpfiologie, OU'funbhcitSIchrc, allgemeine unb
fchwcbifdie Kulturgcfd)id)te, uorbifdjc 5Eittcraturgeffhidhtc unb Bolfs«
wirthfdiaftslehre behanbclt. Auherbem ftnb einzelne Borlefungcn in
oerfdiiebeueit Fächern gehalten, ^nsgefammt ftnb, gegen ein Eintritts«
gelb oon 10 (begw. 25) Cere 242 Borlefungcn gehalten, bie oon etwa
22 300 Zuhörern befudjt worben finb. Das ift eine nidjt unbeträchtliche
Abnahme im Berglcicp mit bem oorigeit 3ahrc; ber (Mrittib liegt wohl
in ber großen ffanbinaoifd)en AuSftcHung bes Borjahres. Außerbcm
ftnb au Sonutagsabeubeu 28 Bolfsfongerte (Eintrittsgelb 25 £cre)
gegeben worben, bie oon 11 500 3uhörern bcfucht waren. Die Biblio«
thef enthält jeßt 2245 Bäitbe, wooott 1229 oon 271 Ausleihern britußt
würben. Die 2cfehalle würbe oon 3371 ^erfoiteit befucht. Das Ber«
mögen bes ^ufütutes beträgt 126 592 Kronen (baoon bas ftebäube gu
98 592 Kronen gcfdjäpt); bie Ausgaben beliefen ftch auf 19 909 ,17 Kronen.
Die gleicpgeitig h^nnit ausgegebene Br. 1 ber BtonatSfcprift
„DaS ©etotrbegen^ enthält:
3ur rechtlichen Stellung ber Hßituarbciter. ©utachten
bcS BegutacfttungSauSfchuffeS bes ©ewerbegerichts Dffenbach- —
Berfafjung unb Berfahreu: Borfipenbe unb Beifiper im ©e«
toerbcgcridit. — Statut beS ©ewerbegerichts Boftocf. — Bccpt«
fprechuttg: Btittpeilungen aus beit Entfdjeibungen ber ©ewerbe«
gerichtc 3micfau, Breslau, Berlin, Solingen, beS ©ewerbegerichts unb
| SanbgerichtS Köln, bcS ©ewerbegerichts, Sanbgeridjts unb 0ber«
i IanbeSgcrichtS Jranffurt a. s Hc., bes Königlichen DberlaubeSgerithi^
I Hantm unb bes SanbgerichtS Stuttgart. — Einigungsämter:
j 3um Branbenburger 3öumererftrctf. — Berfdjiebeues: Beifiper«
oereinigitng. — BerbattbS*Angelegenheiteit: Beitritt gum
Berbanbe beutfeher ©eroerbcgerid)te. — Eintritt in ben Ausfluß. —
Brieffajten: S. Br., Boftocf. — H- Bi. — oiihalisaiigabe
ber „Sogialcn Braris".
ScrantioortlicQ für blc Äcbaftion: Dr. Grnft granefe tu SBculin \V„ Satjrciilljcrftmßc jj.
23 Soziale ^rajiö. Gcntralblatt für Sojialpolitif. 9ir. 1. 24
®f* »»$o{iale pvuvtö** crfOjeint an jebem 5T onner^tafl unb ift burci) alle Vucbbanblungen uiiö V°Üüinter (Voitacitungßnuinmer 67 % 29 ) ju bejteljen. £>er ^Jreiv
für baß Vierteljahr ift 2Ji. 2,50. 3ebe Stummer foftet 30 Vf- ®«t AnjeigenpreiO ift GO Vf- für bie breiqefpaltene V^üjeile.
Um beit lteufjtnjiigetrctcueii Abonnenten nuferer Söodjcu*
frf;rift bcu Vejug brr älteren Jahrgänge Su erleichtern, Inffcn
mir bie folgrnbc zeitweilige ^reietherabfehttttg eintreten:
£o lauge ber mir noefj geringe Vorrat an oollftäubigeu
ISyemplaren reicht, mcrbcu öic CtrftClt fcd}S
3abrcjän<$e ber Sozialen praris, t>. n.
Xa«< 3o,hnlpolitifd)c <£entralblatt Jahrgang
I—III (Januar 1892 biö September 1894), unb barau
anfdjließenb
$ie Soziale $ragt£, Jahrgang IV—VI (Cftober
1894 biö September 1897)
junt ermäßigten ©efamtbarpreife non mir 36 9Jtarf für
bad hollftänbige (^cmplar abgegeben (ftatt bisher
60 Sftarf), lieferbar ^eip^ig.
3u biefen Vcbiuguugcu fauu jebc befferc Sortintentobud)*
baublung liefern.
vripjtg, imih. Smufeet & fjntiiblot.
Solange ber nur noch geringe Vorrat an ooll=
ftänbigcu lfj:emplaren reicht unb biefe zeitweilige 'J$rei3=
herabfetinng ntdjt aufgehoben ift, merben bie
Slütto für ioniilE ptaris,
Jahrgang I, II unb in. Jahrgang, erfte*
ü.uartal (jnfantmen 117 Hummern) (4. Januar 1893
bis! 28. V?ärj 1895)
jum ermäßigten ©efamtbarpreife uou 13 8Wf. 50
für ba* oollftänbige Grentplar (ftatt bisher 22 Vtf. 50 Vf )
abgegeben, lieferbar Seipjig.
3u biefen Vcbiugitngen faun jebe befferc Sortimente*
budjbaublung liefern.
Ihirdi jebe Sortimentsbudjhcmblung ju be¬
lieben:
lieber einige
(Q rnnbfrnnen her gnpnlplitik
unb ber
T)olf$wtrtfd>aftelehre.
Don
tßuftav» ScbmoUer.
^ 18M8. -rf
-Otei? 0 JHIt. 40 Pf.-
Revue cTEconomie
Politique.
Hgg. von Cauißf&s, Gide 9 Schwiediand und VMey. Redactionssecretüre: Jay
und Kouchon. Diese Monatsschrift brachte bisher u. A. Beiträge von Beauregard, v. Böhm-
Bawerk, Brentano, Bücher, Clark, Cossa f, Foxwell, Issiyev, v. Körösi, Laveleye t,
Levasseur, Doria, Macleod, Mataja, du Maronssew, Menger, v. Miaskowski, Munro,
v. Philippovlch, Piernas, Pigeonneau f, Rabbeno f, Sauzet, Schmoller, Walras, Webb,
Westergaard. - Ständige Chtouik der Wirtschafts Gesetzgebung Frankreich*
Preis jährlich 21 Francs.
Verlagshandlung L. Larose in Paris.
Tli^ (ßiitfü^rung in Me ^rahtirdfc pflegetkätigketi
¥FlT P | |T| P Jl f 11 I J P Von Stabtrat Br. jur. h\ Wünftcrbcrg. ls97. 0 )cb. Vff. 3.—.
iperlag»on®tto Cirlmiiiim, Berlin W. 35.
Sie fozialiftifehe ^rkttcrbeiucpng in i)er ßdmieij.
(Ein Mrng pr ®rfd)iri)tc foi farinlrn |eme$un$ in hn letzten breiig fnljm.
Dr. tfrait? Scrghoff-Jfing-
gr. 8° (XVI, 415 .Seiten). 1895. preis 8 «fflJark 40 Pfennig.
„Xie Sdimeij ift ju gut, um, mie (tfenoffe ^icbfncrfd erflärt bat, ein Vcrfudiofelb für focialpolitifdjc
Vrobleme ju fein. Xaju ftub mir 31 t gut für bie Herren Socialiften in Xeutfdjlanb unb in ber Sdjmeh."
Vunbesrat tendier in ber Debatte über ba$ „Acdit auf Arbeit" im Aationalrate.
Verlag von Gustav Fischer in Jena „ ~ Geschichte
Der Anarchismus ^ es uocialismus revolutionären Bewegungen
Kritik n. Geschichte der anarchistischen Theorie
von
E. V. Zenker
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Ludwig Felix.
— Preis 2 Mk. 40 PF. —
in Russland.
Von
Alphorn« Thon.
- Preis 7 Mark. -
»eraiitroortltd) für bte Hmeigen: Sentnutl) «etbel, Betpjtg. - »erlag uon Duncfer & fcumblot, tteipjig. - «ebrurft bet Sultu* eittenfelet, »crltr.
vm. la^rgflag.
I «Berlin, ben 13. Dftober 1898.
Humm« 2.
Soziale ptajte.
@enfra£Maft für §>ogiafportfili
mit ber HKonatSbetlage:
Das CBewerbe^ericßt»
©rgan Öes Derbatibes beutlet <Ben>erbegerid}te.
91chc golge bet „Slätter für fojfale fPtofW" unb be« „Sojlalpolttifdjen Sentralblnttg*.
Srfftetet an Icbew Sonnerfiag.
SRebaftion: Setlin W., Sapmitljetftra&e 29.
Herausgeber.
Dr. drnjl Jtaftdte.
fteet« nimölüfll# X WU 60 ff.
»erlaß bon ©unefer & ©umblot, Setpglg.
3ttljatL
&onflte& bet belflifcfcen HKinenarbetter.
Scbioeiaer ©tfitUverein.
©et BcxeinSvetbanb ber ettfllif<^en
©ießebrlinßÄ jfl^tuuö im335iier«
Ae»erbe. Bon Brofeffor Dr. R.
Olbenberg, HKnrbutß.25
©er farteitag ber beutfefjen
6 <> 3 ialbemofratie in Stutt¬
gart.30
MU §emetnt ©*«tal* »«bÄteHHaft*»
ptftttf.34
Soaialpolitifcbe f Idne für bte
nödjfte 8 teidj 8 tafl«feffion.
©ie redjtlitbe ßulüffiflteit be«
©parawangß. Bon ßebmaib,
»eigeotbnetem in ©uidburg.
AtbeitSfammern.
©ie babifdjeStegierung unb bieStreilß.
©oaialpolitifcbed au« »elgien.
flan eine« engliftben Arbeitgeber*
Berbanbe«.
mmmmmU Coaialpalittf. 37
©eweibeumfafcfteuer in ©reÄben.
Stäbtifibe BiiSceflen.
Soziale Bnftänbe . ;.30
©ie Sage bet Bauarbeiter in
Amfterbam. Bon Dr. ©uftav
HK aper, Btüffel.
©er ArbeitSmarft im September.
©ie ©efunbbeit ber unteren Eifen*
babnbeamten.
Ämberarbeit in fttanffurt a. HK. unb
(Sbemniß.
9tu«bel)nung be« ©rofebetrieb« in
HKannbeim.
Hnbeiterbetncfanfl.40
Allgemeiner Au«ftanb im B<*'
rifer »augetoerbe. Bon ft.
©c&ottb&fer, Bari«.
©efammtverbanb ber EvangeHfdjen
Arbeitervereine ©eutfcblanb«.
©er bapetifebe' EtfenbabnerVetbtmb.
Streif« in ©eutfipianb wößtenb be«
September«.
©egen leichtfertige Streif« im Brau-
geroerbe ju ©amburg.
Sobnbewegung im Htubrfoblenrevier
Eifenbapner.
9lad) bem tfoplengruben » AuÄftnnb in
Süb*9Date«.
AuSjtanb in ber HKöbeUtfcblerei von
©cpottlanb.
üvbctlcrtfM#.45
»ergarbeiterfebuß-ftorberungen.
Sd)ufc ber Arbeiter in ber febttjeijeri.
f<ben Sünbboljinbuitrie.
AuSbebnung be« Arbeiterfcbu|j)e« im
Danton Büricb
Neuerung in ber englHdjen f^abrif«
infpeftion.
ttrbciter*erft<be*»«i4- ©parfaffen. 46
©ie Snöalibität«. unb Alter«.
oerfi(berung«*Anfta!t Berlin.
ft) »plf aprt« eiterig uitgen.48
HKäbcben* unb ftrauengruppen für
fojiale £Uf«arbeit in Berlin.
©enoftenf<baf*3toefett .49
©ie ÄooperatiogefeUfcbaften in Eng*
Ianb.
Friendly Societies in Auftralien.
ffBppnungftmefen.49
©ie SöobnungÄfrage in ^ol*
lanb. BonDr.S. B. vanßanten,
Amfterbam.
3Bobnung«notb in beutfepen ©roß*
ftßbten.
Staatliche ftörberung be« Baue« von
Arbeiterbüufern in Ungarn.
©oaioie $»ngtcnf.51
Born Suberfulofen • Sage ber
Berfammiungbeutfcber Htatur-
fotfeper unb Aergte in ©fiffel*
borf. Bon Dr. ©eorg Siebe,.
So«lau, ©berfcplefien.
Avauettbetvcfung.53
©ie 3. ©eneralvetfammlung be«
Bunbe« beutfeber fttauenVeteine.
Vtlterartfäe *lngtt§e?i.54
Abbrucf f&mmtticper Artifel ift Leitungen unb 3 e üf duften geftattet, jeboep nur
mit voller Quellenangabe.
Bit Üf^tllac^jiidjtnng im Batfaergemerbe.
©>ie Enqueten ber lebten Sa^re haben gegeigt, baß gerabe in
ben wenigen Branchen, in benen ba^ Jpanbmerf nod) einigermaßen
lebensfähig ift, bie Hfteifter fid^ bureß bas gemiffenlofe HKittel einer
übermäßigen ßehrlingSgüchtung bereichern. (Sin HKeifter, ber
mehrere Lehrlinge unb baneben feinen ©efellen befchäftigt, fpart
an ärbeitsloha, fann aber ber SttuSbilbung unb ^rjiehung beS
einzelnen SehrlinaS nicht bie nötige Sorgfalt guroenben unb tragt
gleichseitig bagu bei, fein ©eroerbe mit Senifsanroärtem 311 über*
füllen. Vielfach wirb auch ber ßehrling überanftrengt, nur einfeitig
auSgebilbet unb nebenbei 311 häuslichen ©ienften- mißbraucht.
3 u biefen §>anbroerfen gehört bie »äeferei unb Sfonbitoret.
9tad) ber BäcfereUiSnquete non 1892, bie gerabe bie fdjiimmften
ßehrliugSbrutftätten nur geftreift hat, fann man fräßen, baß
minbeftenS 40 % ber ©efchäfte, bie mit Lehrlingen arbeiten, toe*
niger (Mellen als Lehrlinge befcßäftigen. Ueber bie empörenbe,
3 um Shell non ben HJteiftern felbft eingeftanbene Ausbeutung btefer
Lehrlinge finbet man in ben Seftftellungen ber leßten Sah^e 1 ) ge*
nügenbe Snformation. 3ur 'Biebergabe ber <Sin 3 elhetten ift \)m
Ieiber fein SRaunt. „Eigentlich", meinte ber bie amtlichen Verneh¬
mungen 1894 leitenbe llnterftaatsfefretär n. IKottenburg, „ift bie
Sehrgeit boeß fo gebacht, baß ber Lehrling im ©etoerbe auSgebilbet
roirb, aber nießt fo, baß er als f>anblanger bient," worauf ber
berliner Dbermeifter £unße, feine fialtbKitigfeit nerlierenb, heraus*
plaßte: „©ewiß, fatt madfien unb auSfcßlafen laffen, unb wenn
bie Arbeit norbei ift, fönnen wir ißn ja weefen. 3a, ba 3 u haben
wir feine Lehrlinge!" '
|>auptfiß ber LehrlingSsüchtung fd^eint baS platte Lanb unb
bie fleinftabt 3 U fein. Aber auch in ber größeren 6 tabt ift ber
»äcferlehrling ein gefugter Artifel, unb par gans überwiegenb
bie Sungen oom Lanbe, 2 ) am liebsten fräftige Sangen, „tleine,
fcßwadie Sangen nehmen wir lieber nicht; benn bei unferer ArbeitS*
weife haben wir bie Erfahrung gemacht, baß man oiel ©elb an
ben Schwachen sufeßt." (AnberS im ^onbitorengewerbe). „§ier in
Verlin fpejtett", fagte ein »äcfergcfelle 1894 aus, „hat ftef) bie
Sitte eingeführt mit ber LehrlmgSsücßterei. Es ift traurig ju
fehen: fobalb bie Einfegnungen ftattgefunben haben, ift fosufagen
eine Bewegung in ben oerfchiebenen ©ewerben.^ Aber feiten wtrb
ein Samilienoater fein $inb Väcfer lernen laffen, unb in Solge
beffen gehen bie »äefermeifter feßon etwas weiter, nach Ober*
fcßlefien; ba werben bie SangenS sufammengetrieben unb fommen
nun mit ber »aßn nach ©*rlm." Agenten oermitteln ben Vegug
biefer lebenbigen Baare, 3 . V. in Verlin unb Leipzig. 8 ) „Ein
großer Lehrling foftet 10 , ein größerer 15 //, unb bie größten
werben mit 20 JL begahlt." „S)em jungen Vtanne, ber eben bie
©cßule oerlaffen hat, wirb gar füß -unb lieblich oorgerebet, wie:
,S>a braueßft S)u nießt junger 3 U leiben, wie in anbern §anb*
werfen 4 , ober: ,$>a befommft S)u £ucßen gu effen. 1 " Sie Lehrlings*
gücßtung wirb fo gu einem Drgan beS großen Sangapparats, ber
!) Bgl. bie gafammeuftellung in meiner Schrift: ©er HKajitnal*
arbeitstag im Bäcfer* unb Äonbitorengeroerbe, Seipgtg 1894, S. 55 ff.
unb 65 ff., unb bie ,§anbroerrsenquetc be« Berein« für SogialpoIiHf.
*) HKajimalarbeitstag S. 59. Schriften be« Vereins für Sogial*
politif »b. 63, S. 394; Bb. 68, S. 126; »b. 70, S. 225. Aucß in Eng=
lanb würbe im Anfang ber 60er Sabre amtlich berichtet, bas Bäcfer*
gewerbe fei troß ber traurigen ßaae bes Arbeitnehmers ftets mit ifait*
bibaten überfüllt. Aefrutirungsgebiete für Öonbon feien Scfjottlanb, bie
meftlicßen Agrarbegirfe Englanbs unb ©eutfcßlanb. Bgl. HKarr, ©as
Kapital, I 4 213. ... _ .
3 ) HKaEimalarbeitStag S. 59. Schriften bes Vereins für Sügtal*
politif Bb. 63, S. 895.
ber Sanbroirthfdjaft bic tüdjtiaften ^Trbeitefräftc entgleit unb einer
cicfä^rlid)en 3nBnftrialifirnng bei* Bolfgroirthfd)aft Borfchub leiftct. 4 )
Um ben Umfang ber Sehrliugggüdjtung feftguftcllen, mirb man
auf ©runb ber üblichen Slnfäpe non ber Sinnahme auggchcn
bürfen, bah in einem mäfeig roadjfenben ©eroerbe bei breijähriger
ßebrgeit * eg minbefteng ad)t big neun 9)tal mehr ©efellen nnb
SMfter geben muh alg ßehrlinge, roenn bie Lehrlinge Slugficht
Baben foÜen, bereinft in ihrem Berufe unternommen. lieber
bie 3afU Ber Bäderlehrlinge gab eg eine utnfaffenbe Statiftif big
1895 nicht. Bach ben non ben 3twungen roieberholt gemachten
Erhebungen fonnte man fchäfcen, baß bie Öehrlinge ein drittel ber
©efetten« unb Sßeiftergahl augmadjten, roag auf eine jä^rlic^e
Ueberprobuftion oon mehr alg 9000 auggeleraten BädergefeUen
führt. 2)ie amtliche „Erhebung über Berhältniffe im §anbroerf"
oom Sommer 1895 erftredt fid^ über noch nidjt 10 000 Singehörige
beg Bäder» unb Honbitorengeroerbeg unb füfjrt auf ben $rogeitt«
fab 26/100. dagegen umfaßt bie Betriebgftatiftif oom 14. 3uni
1895, beren Befultate erft fürglich oeröffentlid)t mürben, bag gange
Bäder» unb Honbitorperfonal (209 000) 5 ). Bad) biefer 3ählung
gab eg in ben beiben ©eroerbgraeigen 42 120 Seljrlinge (mit (Sin»
fchluh oon 1385 im ©efdjäft mitarbeitenben Familien ungehörigen
unter 16 fahren) unb 166 857 anbere Berufgangefjörige; bie Sehr»
Iinge finb alfo auch nach biefer ooUftänbigen 3ählnng 25 % ber
letzteren 3 a hl*
3 n SSirflichfeit bürfte ber Sßrogentfafc nicht unroefentlidj größer
fein, roeil nämlich unter ben 166 857 auch Bie ungelernten Arbeiter
oon Bäder» unb Honbitorbetrieben mit enthalten finb, §augfnechte,
Hutfdjer, Slugträger u. bgl., beren Bläfce für ben gelernten Bäder
ober Äonbitor nicht mitgählen. $)ie am felbcnSTage aufgenommene
Berufggählung rechnet 7800 in biefe Bubrif, roeitere Saufenbe
roerben oon ber Berufggählung bei anbent Berufgfategorien unter»
gebracht fein. 9Rit Büdfid)t barauf, bah biefe Slrbeiterfatcgoric
mit bem ©rohbetrieb gunimmt, bie Boften für gelernte Bäder fich
alfo oerminbem, mirb man bie Summe ber für gelernte Bäder
(Honbitoren) fünftig oerfügbaren Sofien auf höd)lteng 150 000
herabminbern müffen. 3n biefer Qafyl finb bann noch SEaufenbe
fogenannter SlUeinmeifter (18 882) mit enthalten, bic menig Slrbeit
haben unb eigentlich gum groben £hril übergählig finb; man oer»
gleiche bie Erhebungen ber Hommiffion für Slrbeiterftatiftif über
bie Slrbeitgbauer in fleinen Bädereien.
Sluf ber anberen Stite ift bie 3at)l Ber Lehrlinge, ober fagen
mir allgemein Berufganroärter, gu niebrig angefefct. 3u Englanb
finb, aUerbingg unter bem mitroirfenben Einfluß ber Bäderfchufc«
aefefce, bie Bäderlehrlinge faft gang üerfdjrounben unb jugenblid)e
Arbeiter an bie Stelle getreten. Eg hanbelt fich babei um eine
oiel allgemeinere moberne Erscheinung. 3u Bonbon oerfchminbet
g. B. auch Baugeroerbe bie ßeljrUngfchaft; junge Öeute, who
picked up tbe trade, treten in ben Beruf ein. 6 ) Slud) in ®eutf<h s
lanb bürfte eg fein feltener 3faü fein, bah junge £eute alg un»
gelernte, aber gut begabte Bädereiarbeiter anfangen unb fpäter
„alg Bäder gehn". Eg roirft alfo auch oon Ben jungen Leuten,
bie nicht Lehrlinge finb, ein erheblicher Xtyil gur Befrutirung beg
Berufg mit. 3u ber Berufggählung haben 2184 junge ßeute
groifchen 12 unb 18 3uh«n fich alg ungelernte Bädereiarbeiter
angegeben, ober roenn roir bie 16» big 18 jährigen nur gur £>älfte
anrechnen, 1627. Bur ein fehr fleiner Xfytil oon ihnen roirb
lebenglänglich £>augfnecht bleiben rooHen; bafür finb anbere in ber
Berufgftatiftif unter anbere Bubrifen gerathen, bie ing Bäder»
geroerbe gehören, fo bah roir bie Summe ber Slnroärter beg
Bäder« unb Honbitorengeroerbeg auf 44 000 roerben erhöhen
bürfen; bag ift 29 % ber auggelernten Bäder.
Eine anbere Bechnung füfjrt auf eine noch höhere Summe.
Bad) ber Enquete oom September 1892 ftnb 52,9% ber Bäder«
unb Honbitorlehrlinge unter 16 3ah*e alt. 1895 tourbett 24 787
Arbeiter biefeg Sllterg in ben beiben Berufen gegäblt; bag ergiebt,
auf 100 o/o ergängt, 46 856. ©o<h bleiben roir oorfichtigerroeife
bei 44 000 uno 29o/ 0 .
Eg ift oorhin baoon auggeaanaen roorben, bah bie £ehr«
linge bei breijähriger ßehrgeit % oig % (genauer 11%%)
ber Summe oon ©efetten unb ttkeiftem augmachen bürfen, ohne
bag ©eroerbe gu überfüllen. 3n SSirflichfeit bauert nach ber
Statiftif oon 1892 bie ßehrgeit im Smrchfdnütt (roenn man bie
4 ) Slnberer Meinung ift Bücher/ Schriften beg Bcreing für Sogial«
politif Bb. 76, S. 129, gegen Boigt, ebenbort S. 102.
Ä ) Blännliheg ^erfonal, oon bem audj tm ^olgenben augfchließlidj
bie Bebe fein roirb.
6 ) de Rousiers, le trade-unionisme en Angleterre, Paris 1897, S. 51,
62 . Bgl. auch 244.
Lehrlinge an fleinen Drten gemigeub berüdfidjtigt) nur ettoa
2 1 /-, 3ahre. 3>cr guläffige ^rogentfab fiuft bann auf 9, 7 °/ 0 . Statt
bcffen finben roir 29o/ 0/ b. h- ^ roerben 19, 3 % = 28 950 junge
Öcnte gu oiel angelernt unb jährlid) 11 big 12 000 gu oiel aug»
gelernt; fie finb in ihrem Berufe überzählig, ^ag ift ungefähr
baffclbe Bef ultat, bag bei einer oor oier S^h^n mit geringerem
unb älterem SÜlaterial für bag Bädereigeroerbe (ohne bie Hon»
bitoren) aufgeiiellten Berechnung herangfam.
Sag roirb aug ben übergähligen Bädern? SBir föitneu biefe
3 ufunftgfrage nur aug ber Bergaugenheit bcantroorten. Blau
fönnte gunächft glauben, bie Bäderei' fei in Jo fchneUem B$acf)g«
thum begriffen, bafe fie ein ftarfeg Uebermafe oon Sehrliugen ab»
forbire. ^ie (feinegroegg nadjgeroiefene 7 )) 3unahme beg Brot«
fonfumg, ber Büdgang beg Selbftbadeug roiirben für, bie Erfpa»
rung oon gelerntem Berfonal im ©roßbetrieb gegen biefe Sinnahme
fpredjen. 23ahrfd)eiitlich ift fie nidjt. Bach SS^moller 8 ) hat in
$rcußen 1795 big 1861 bie 3ah^ Ber Bäder mit ber Beoölferungg»
gunahme giemlich gleichen Schritt gehalten, obroohl Bie mit ben
Sahren genauer roerbenbe Statiftif eine fdjeinbar fchneöere 3«"
nähme erroarten liege; unb bag oor ber Entroidelung beg ©rofe«
betriebeg. Söcnit bie Honbitoren etroag mehr gunahmen, fo haben fie
feitbem burch bie Beftaurantg unb Eafgg fchroeren Slbbmch erlitten.
5)ie Statiftif oon 1895 geigt nun gegenüber ber oon 1882 eine
3unahme beg männlichen Bäder« unb Honbitorenperfonalg um 21
big 22 000 (= % Beg Slnfanggbeftanbeg) über ben Beoölferungg»
guroadjg hinaug, roährenb bie Ueberprobuftion an Lehrlingen in
13 Saften nach obiger Bechnung an 150 000 beträgt. 3ener
ftatiftifdje 3nroachg erflärt fich aber gum großen S^h.eiXc fchou aug
ber genauer aeroorbenen 3ählnng. Ueberbieg ift bei unferem Sin«
fab ber guläffigeit Öehrlinggquote febon eine über bie Beoölferungg«
gunahme roefentlid) hinauegeheube Bermehrung beg ©crocrbeg an«
genommen unb auch nicht beriidfidjtigt roorben, bah feit ber Blittc
oeg 3ah^hnnbertg, roo bie gu ©ruube liegenbe Bechnung aufgefteUt
rourbe, 9 ) mit bem allgemeinen Büdgang ber Sterblichfeit auch Bie
Bäder (bereu Slrbeitgbebingungen fich üferbieg roefentlich gebeffert
Ö 10 ) langlebiger geroorben fein roerben unb nicht mehr fo
roic früher bem Badpouchg Sßlafe machen. Eg roirb alfo
nidjtg überbleiben, alg ben Berbleib ber übergähligen Bäder
anbergroo gu fuchen alg in ben Bädereien.
3>ie Bädergcfellen finb junge Seute. Bidht nur müffen fie
roegeit ber üblichen Söohnung beim Bfeifter in ber Begel unoer«
heirathet fein, fonbern fie finben im gereiften Sllter überhaupt nicht
leicht mehr Brbeit. Selbft in fleinen Stabten befommen Bäder«
gefeiten, bie bag 25. ober 30. Cebengjahr Übertritten haben, mit«
unter grunbföfelich feine Befdjäftigung mehr. 11 ) $)ie Berufgftatiftif
oon 1895 beftätigt bag. Sluf 3ah^giff^i rebugirt, aab eg unter
ben Bäder« unb tonbitorgehülfen, mit Einf<hlu& ber höheren fßoftcn:
14—16 jährige
11 876
30—40 jährige
1098
16—18 «
12 804
40—50 »
408
18—20 »
10 712
50—60 «
207
20—30 «
4 911
60—70 *
87
Sinb nun bie altentben ©efeKen, alg fie feine Stellung mehr
fanben ober hrirathen rooEten, Bteifter geroorben? 2)ie Sllterg«
ftatiftif beg gangen Bäder« unb $onbitorenftanbeg, mit Einfchlufj
ber Bteifter, gießt barauf Slntroort. 3n ber folgenbeu Tabelle,
Spalte a, ift bie grequeng ber 16 big 18 jährigen Bäder unb Hon«
bitoren = 100 angefefct unb bie grequeng ber höb^a Slltergflaffen
auf biefe ©runbgahl begogen. 3 11 ©palte b ift biefclbe Bedhnung
für bie gefammte männliche Beoölferung beg Beidjg aufgefteUt.
S)ie britte Spalte giebt an, um roieoiel bie Sllterggruppirung beg
Bäderftanbeg oon Der ber gangen Beoölferung abroeidjt.
Sebengjahr
a
b
a: b
16.—18.
100
100
1,00
18.—20.
84
99
0,85
20.—80.
50
81
0,62
30.—40.
31
64
0,48
40.—50.
18
49
0,37
50.-60.
11
37
0,30
60.—70.
4
23
0,17
7 ) $5ic 3anahme beg Brotfonfumg beeft fich nicht annähernb mit
ber beg Eetretbefonfumg, ton roeil je nach bem Umfang ber Bieljbal*
tung, bem Staube ber betreibe«, Butter« unb f^Ieifchpoctfc eine roechfelnbe
Quote oon (betreibe unb felbft Sftehl ang Biel) oerfüttert roirb.
8 ) Sdjmoüer, 3 ur Ecfchidjte ber beutfdjeu Hleingeroerbe im
19. 3ahrhunbert, S. 54 unb 416.
9 ) Bgl. 3eitfd;rift beg fäcfjfifdjeu ftatiftifdjen Bureaug 1860, S. 111;
and) Sdimoller a. a. 0. S. 341.
“) Blajimalarbcitgtag S. 119.
n ) Sänften beg Bereiug für Sogialpolitif Bb. 70, S. 228, 874.
29
©ojiale Prajis. ©entralblatt für ©ogialp oltttf. Str. 2.
80
2öo finb bic Fehlbeträge ber höheren SlltcrSflaffen geblieben?
1. @s ift neulich in biefer Scitfcßrift 12 ) berechnet worben, baß
bie 21 rbeitslofigf eit im Bäcfer* unb Stonbitorengewerbe min*
beftenS 20000 erreicht. 3n ben höhnen ältere flauen ift bie
2lrbeitSlo|igfeit etwas oerbreiteter: 14. bis 20. Qahr 3 %, 20. bis
30.3ahr 7%, 30. bis 50. 3aßr 8 %, 50. bis 70. 3aßr 10 <>/ 0 .
Allein in Berlin giebt es nach Angabe beS DbermeifterS Stunde
neben 4000 arbeitenben 2000 ftettenlofe Bärfergefetten 13 ), roähreitb
bie ©tatiftif nur etwa 1000 mit ©infcßluß ber Stonbitoren gäßlt.
1868 fcßäßten bie Berliner Bärfermeifter, baß über bie Hälfte ber
Berliner Börfergefetten in ihrem Berufe unbefchäftigt fet. $)iefe
arbeitslofe Steferoearmee ift ein oraanifcfter Befianbtßeil in ber
fogialen Berfaffttng beS BärfergewerbeS; fie briirft bur<ß baS be*
ftänbige ßungerige Angebot ihrer Slrbeitsfraft bie Slrbeitsbebingungen
ber bcfcßäftigten Bärfergefetten herunter, unb macht eS inSbefonbere
bett burch bte illoyale Stonfurreng ber LeßrlingSgücßter bebrängten
SReiftern erft möglich, ftch an ber Slrbeitsfraft ihrer ©cfeUeu
fcßabloS ju halten. $>ie Slrbeitslofigfeit ift bas natürliche Probuft
ber LeßrltngSgüchtung. 3«r ©rflärung ber obigen Tabelle trägt
aber biefe Slrbeüsloftgfeit nicht bei; Denn bie arbeitslofen Bäcfer
fmb bort mitgegäßlt.
2. (Sin anberer £ßeil ber alternben ©efetten etablirt ohne
eigenes Kapital unb ohne Slusficßt auf genügenben 2lbfaß jämmer*
Iuße 3roergbetriebe. ^>aS Kapital liefert Der SRütter, ber SReßl*
hänbler („SReßlfriße"), ber ©tettenoermittler; er ernennt mit mehr
ober weniger menfdßenfunbigem Blirf Bäcfenneifter (moßl oft
§eiratbsfanbibaten), bie fortan in feiner ©cßulbfnechtfcßaft leben
unb alljährlich in großer 3 a ßl banferott gehen, um Nachfolgern
$lafe gu machen, Unter ben 19 bis 20 000 „Meinbetrieben" ber
BetriebSftatifnf futb biefe ©jiftengen gu fuchen. Sticht ooll be*
fchäftigt, repräfentiren fie bie Mbeitslofigfeit im SReifterftanbe.
©ie haben im 0rganiSmuS bes BäcfergeraerbeS bie gunftion, mit
ihren zahlreichen Banferotten als ftatiftifcßeS BeroeiSmaterial gu
bienen, wenn bie Bäcfenneifter gur Mroeßr einer fogialpolitifcßen
Bäcfereiocrorbnung ihre wirtßfcßaf fließe Stotßfage naeßweifen müffen.
3ur ©rflärung ber obigen Tabelle tragen aber auch fie nichts bei.
dagegen gmeigt ftch aus ben beiben klaffen ber Slrbeitslofen eine
oierfache ©ruppe ab, bei ber baS atterbingS ber gatt ift.
3. (Sin Xßeil ber Slrbeitslofen finft ins Lumpenproletariat
herab. Unter ben Bagabunben unb Louis föflen frühere Bäcfer
ftarf oertreten fein.
4. (Sin anberer £ßeil geht pßtjfifdß 5“ ©runbe . H )
5. (Sin britter ^h c ^ ber Nrbeitglofen (ober auch ber noch
Befchäftigten) roechfeft ben Beruf, g Un ä<hft prooiforifch, wie bie
©tatiftif geigt, 15 ) bann enbgilüg. ®ie fehr ftarfe Berbreitung
gemefener Bäcfer in anberen Berufen fann als notorifcß bezeichnet
werben. 16 ) 3n 3ena, wo bie LeßriingSgücßterei blüht, foö oon ben
oermögenslofen Lehrlingen ber allergrößte £h e Ü nach einigen
3ahreit beit Beruf wecßfeln, wäßrenb 10% feßon wäßrenb ber
Leßrgett wieber auSfißeiben. l7 ) 3n ben BunbeSratßSenqueten ber
70 er 3ah« wirb wieberholt ßworgeßoben, im Bäcfergewerbe
pflegten befonberS oiele Leßrlinge gu entlaufen. ®ie Xabette be*
ftahgt ben frühzeitigen Beginn bes BerufSwechfelS.
6. ©ehr ftarf feßeint unter ben beutfeßen Bärfergefetten bie
SlnSwanberung gu fein. 3« Baris unb im ©einebepartement
Itnb oon ben 800 „©iener" Bärfergefetten 60 6 / 0 beutfdj ober öfter*
renhtfeh, oon ben 5200 ©efetten ber ©robbärferci 5% Mslänber.
(Stne 1887 itt ben Bereinigten ©taaten aufgenommene ©tatiftif
über 2183 Bärfergefetten ergab, baß nicht weniger als 1123, alfo
l '& er & lc f^älfte, bas ©ewerbe in $>eutfcßlanb gelernt hatten.
Lonbon mtmmelt oon beutfehen Bärfern: SReiftern unb ©efetten,
angebltch faft 50% aller Lonboner Bäcfer: unb es mag cßauoi*
ntfttfchi übcrtrieBen fein, wenn ihre englifcßen Slonfurrenten, benett
fie bte Arbeit wegnehmen, behaupten, biefe beutfehen BerufSgenoffen
feien metft erft in Lonbon oon ihren Lanbsleutcn aufs Sfotßbürf*
ttgfte angelernt worben. &ie arbeitslofe Beferocarmee in £onbon
aber wirft ihre ©chatten bis nach Srlanb hinüber; in (Sorf fiel
1890 ent Bärferftreif ins Bkffer, weil es ben SJteiftern gelang, aus
£onbon ©rfaßleute gu holen.
2öaS auf bic überfälligen ßehrlinge an SluSbilbuttg oerwanbt
würbe, ift oolfswirthfchaftlich reiner Berlnft. ^>ie gur gewerblichen
Jusbilbung am meiften geeigneten Lebensjahre ftnb oergeubet. Sin
") S?r. 42, 8p. 1099.
,3 ) Bärfcrgeitung, 24. guitt 1S94.
u ) BfarimalarbettStag 8. 89 ff.
,5 > Bgl. 9?r. 42, 8p. 1100.
16 ) SRafimalarbcitStag 8. l(X), 115.
17 ) ©chriften beS BercinS für ©ogtalpolitif, Bb. 7o, 8. 220.
ben SluSmanberern oerliert bie BolfSwirthfchaft noch nteh*\ Slber
biefer unmittelbare Berluft oerfchminbet neben bem ©chaben, ben
bie burch LehrlinaSgüchtung gefdjaffenen Slrbeitslofen, Söittfelbärfer,
fittlich ober phpfifä) 3 U ©eunbe (berichteten erleibeit unb ftiften,
unb neben ber oolfSmirthfchaftlichen ©efahr, bie aus einer fpfte*
matifchen SluStefe ber beften lanbwirthf<haftli<hen Slrbeitsfräfte
entfpnngt.
®as oorjährige ^attbwerfSgefeß hat ben 3®angSinnungen,
ben ^anbwerfsfammem, ben LanbeScentralbehörben unb in erfter
fiittie bem BunbeSrath baS Stecht gegeben, bte guläffige Lehrlings*
gahl ju befchrättfen. @3 fönnte g. B. mehr als ein Lehrling nur
für Betriebe mit minbeftenS oier ©efetten jugelaffen unb zugleich
oorgefd^rieben werben, baß ein SReifter, ber fetne ©efetten befd)äftigt,
höchftenS brei 3ahte lang Lehrmeifter fein barf. Bietteidjt geht
es auch an, bie ©utnme ber im 3 anwn 9 ^bejirf eittÄufchreibenben
Lehrlinge im Berhältniß gur Qafy ber SReifter unb ©efetten gu
begrengen. 3« beiben gätten müßte ein 2öeg gefunben werben,
bie Umgehung beS BerbotS burch ©inftettung jugenblicher Arbeiter
(wie in ©nglanb) gu oerhüten, nötigenfalls burch ©efeß. 3e
weniger erwartet werben fann, baß bie Bärfcrmeifter ben ftnn*
reichen Apparat ber LehrlingSgüchtung mit eigener f>anb gerftören,
um fo bringenber ift gu wünfehen, baß burch Snitiatioe ber ©e*
fettenoertretungen ober ber Stegierung ©anbei gerafft werbe.
SRarburg. Ä. Dlbenberg.
Brr Partritas irr irtttfdjrn öojialbcuiohratir
in Stuttgart.
SluS ©übbeutfchlanb wirb uns getrieben:
3ntn erften 3Rale nach bem (Sriöfchen beS ©ogialiftengefeßes
trat am 3. Dftober ber Parteitag ber beutfehen ©ogialbemofratie
auf fübbeutfehent Boben gufammen. ©ar baS 3«faH, ober hat
man ©übbeutfchlanb abftci)tli<h gemieben, weil hi^ im Slttgemeinen
eine minber boftrinäre Dichtung unb eine milbere £aftif heimifch
war als ittt Storben? 3m Ießteren gatte wäre eS gu begrüßen,
baß man bie ©<heu oor bent milben ©üben überwunbeu |at.
©ie bem auch fei, {ebenfalls war ber ©tuttgarter Parteitag nicht'
ba^u angethan, bie reoolutionären Steigungen ber ©enoffen an*
guftacheln, unb es wäre noch weniger ber galt gewefen, wenn nicht
nodf) furg oorher ben ©charftnadbern in ber 'partei wittfommener
©toff geboten worben wäre, büftere SuftmfSilber entwerfen,
ben allein ben BourgeoiSintereffen bienenben SUaffeuftaat in greller
Beleuchtung gu geigen unb gum Stampfe gegen biefen (Srbfeiitb ber
Proletarier oon Steuern aufguforbem. Unb troßbem erhißte man
ftch eher gegen als für bie Nufer im ©treite, bie ihre ©timme
gegen bie „Berfumpfung" ber Partei, gegen baS Slufgeben ber
alten bewährten Pringipten, gegen bie Berfchleierung ber ©nbgiele
unb für bie energifeßere Saftif bei ber Agitation erheben gu müffen
glaubten.
©ine gewiffe frieblicße ©timmung würbe feßon burch ben oon
ben ©tuttgartern ihren ©äften bereiteten ©mpfang in ben $)elegirten
beS Parteitags ergeugt. $>en ©langpunft beS BegrüßungSabenbS
bilbete bie feenifeße 2)arftettung „©eßwaben arüßt ©ueß", wobei
jeber ber Ttebgeßn ©aßlbegirfe ©ürttembergS Durcß ein agrariftß
anmutßenbeS Pärcßen in feßwäbifeßer Stationaltracßt repräfentirt
würbe. ^5ie Bertreter einer reoolutionären Partei, bic mit Agrarier*
tßum unb ©ße, unb partifulariSmuS unb Stationalität unb allem
fonftigen 2Utoäter*§anSrath beS bourgeoifen Stlaffenftaats aufräumen
wollen, hätte es nach unferer Bteinung eßer gegiemt, burdf) feßwer*
gerüftete Strieger begrüßen gu laffen, bureß Strieger, oielleicßt auch
Slmagonen, gewappnet mit bem gangen ©iffen beS gahrßunberts
unb beweßrt mit allen ©affen, bie man für gur Eroberung ber
politifcßen SRacßt notßwenbig eraeßtet ßätte. $)a jeboeß aus ben
Steißen ber Parteioertreter fein Proteft gegen baS fneblicße ©dßäfer*
fpiel erßobcn worben ift, haben wir gewiß feinen Slnlaß eS nadß*
träglicß gu tßun.
3weierlei Stümpfe finb es, bie bem Slußenfteßenben an ber
©ogialbemofratie unb ißren Parteioerfammlungen befonberS gu
intereffiren pflegen, ber Stampf gegen bie befteßenbe ©irtßfcßafts*
orbnung unb bte auf bereu Boben fteßenben Parteien, fowie ber
Stampf ber ©ogialbemofraten untereinatibcr. Bon erfterem hofft
man, baß er oon 3aßr Saßr fieß abfeßwaeße, oon Icßterem, baß
er fteß oerfcßärfe, bamit womöglich bie Steoolutionäre fieß gegen=
feitig unfcßäblich maeßen ober bureß eine ©paltung ber Partei ißre
£raft gebrochen werbe, ©ir halten bie erftc Hoffnung für be*
grünbeter als bie gweite. ©oßl traten feßarfe ©egenfäße inner*
31
Sojiale $ragi*. Eentralblatt für Sojialpolittf. Sfcr. 2.
32
halb bcr Vertreter bcr 5ßartci heroor, man bekämpfte ftd) gelegent-
lief) mit aufrichtiger Erbitterung unb mit perfönüchent §affc, aber
trauern finb bic Eegenfäfee nicht ber Art, ba& fie in abfehbarer
3cit 311 einer Spaltung ber Partei führen fönnten. $)er Eine be*
zeichnete fie als biofee £emperamentSunterfchiebe, ber Anbere als
RteinungSoerfchicbenhcit über bie £aftif bei grunbfäfelid)er Heber*
einftimmung in Programmfragen, unb nur bei ber fleinen rabifalcn
(Gruppe, bie u. 91. burch bie weiblichen Eenoffen 3etfin unb
^uyentburg oertreten mürbe, trat ftheinbar manchmal ein tieferer
Eegenfafe ber^Erunbauffaffung heroor. Qn Wahrheit tjanbelte eS
fich jebod) nicht um fcheibenbe Eegenfäfee, obwohl oon ben rabi*
falen .'peifefpornen ihren Eegnern, ben „Opportunsten", „ßeife*
tretern" ober roie fie fonft genannt mürben, manchmal gerabeju
baS Specht, fich Sojialbemofraten ju nennen, abgefprodjen mürbe.
Vefanntlidj breite fich heuer mie auf früheren Parteitagen
ber $>auptftreit um bie Frage ber £aftif ber Partei. 5DaS 22>ort
parteitaftif erweeft nun leicht ben Anfdjetn, als ob es fich um
etwas ganj anbereS Ijanbele als thatfädjlid) ber Satt ift, unb in
ber Xfyat hat man an bie falfdje Vorftcllung 00m 3n^alt biefeS
SBorteS bei Freunb unb Sciitb fchon ganj falfdje Folgerungen ge*
fnüpft. £aftif bebeutet hier feineSwegS bie Kunft, bie Schlaft*
orbnung gegen bie Vurg beS Kapitalismus 3U fteHen, ober bie
KriegSfunft beS flaffenbewufeten Proletariats gegen beit heutigen
Klaffenftaat. An biefen Krieg benft man noch gar nicht; Der
fommt erft, wenn einmal bie politifche 3Rad)t erobert ift. Vorerft
märe es Xtyxfytxi, fich mit bem Staat in einen ungleichen Kampf
einsulaffen, bariiber befteht nur eine Meinung. Unter £aftif wirb
in ber |03ialbemofratifd)en Partei heute lebiglid) bie Viethobe ber
Agitation, alfo, wenn man es fo nennen will, 2Bahltaftif oer-
ftanben. Es Ijanbelt fich gan3 allein um bic Frage: 2Sie oer-
gröfeent mir am beften unb fchneflften bie 3abl nuferer Anhänger
ober Wähler? $)aß felbft bie fd)ärfften Eegcnfäfee in biefer Frage
niemals 3U einer Partcifpaltung führen fönnen, dürfte ohne Weiteres
flar fein. An etwas Anbcres aber hat nie ein Eenoffe gebaut.
VSenn er alfo reoolutionäre £aftif empfiehlt, fo heifet bas
nicht, er will ben gemaltfamen Kampf gegen bie befteljenbe Eefell*
fchaftSorbnung, fonberit nur, bafe er münfd)t, ben 28ählern möge
als 3iel ber So3ialbemofratie bie oölligc Söefeitigung beS prioat*
eigenthumS an ben ProbuftionSmitteln unb ber Damit 3ufammen*
hängenben Sot)nfflaoerei hiugeftettt werben unb nicht nur etroa bie
Abfcfeaffung ber Kitiberarbeit, bie Einführung beS adjtftiinbigen
9iormalarbeitStageS unb eines 3um menfehenmürbigen $)afein fein*
reichenben ViitiimallohneS. $ie Vertreter ber reoolutionären Xaftif
wollen ferner, bafj ben V$ählcrn ber Fntereffengegenfafe 3mifchen
Kapitaliften unb Arbeitern möglichft fcharf oor Augen geführt, bafe
baS Klaffenbewufetfein ber Arbeiter nach Vioglicfefeit gefdjärft werbe,
bafe oon ben Eebieteu, auf benen bie Sntereffen ber Unternehmer
unb Arbeiter fich beden, nicht gefprochen unb eine Harmonie smifdjen
beiben als unmöglich hingefteöt werbe. Sie wollen, man folle ben
Wählern fagen, bafe eine bauernbe unb grünbliche Teilung aller
oon ihnen empfundenen Schöben erft ber fosialifirten Eefetlfchaft
alias 3«lunftSftaat 3U erwarten fei. Sie wollen auch eine heftigere,
energifchere Sprad)e gegen Staat unb Regierung; man fotte felbft nicht
baoor 3uriicffd)euen, oergangene SReoolutioncn 311 oerherrlichen
bis hinauf 311m Aufftanb ber Eommune oon 1871. 3ufünftige
SReoolutionen aber halten aud) fie für oöllig uunüfc unb weifen
ben Vorwurf, bafe fie bem VlanquiSmuS hulbigen, mit Entrüftung
3urüd.
2>ie anbere Dichtung will etwas fänftiglidjer mit ben SSählern
oerfahren, weil fie mit ber anberen SRetfjobe fchon fcfelechtc Erfafe-
rungen gemacht hat. Vian fennt feine £eute unb weife, bafe fie
nicht nur nicht auf ben §)immel, fonbern auch nicht auf eine ferne
3ufunft oertröftet fein wollen; fie finb ungebulbig unb wollen
fofort Erfolge ber politifdjen Xl)ätig!eit ber Partei* feben. 3ene
hätten fich in ihrer SBahltaftif gulicbe am liebften auf bie inbuftriellen
Arbeiter befd)ränft, benen fie angepafet war. Vtan fleht jebod),
bafe man, foE bie politifdjc SRadjt erobert werben, fich an weitere
Kreifc wenben mufe. „2Sir finb eine Vertretung ber gefammten
nothleibenben s J)tenfd)heit, bie unter ben fcfelimmen Folgen beS
Kapitalismus leibet", bemerfte ein Vertreter ber fanfteren, oor*
fichügercu Xafti!, bic auch ßanbarbeiter, ben Kleinbauern, ben
.s^anbwerler unb ben fleinen EefdjäftSmann für bie Partei ge¬
winnen will. $)en erfteren beiben gegenüber barf man nicht 3U
fehr bie 9lbfd)affung beS prioateigenthumS am Voben betonen,
baS cinftweilen noch ihr Fbeal ift, unb ben leideren beiben barf
man ihre proletarifirung, bie hoch bie notfemenbige Vorftnfe ihres
fpäteren 9iufgehenS in bic fosiale Ecfetlfchaft ift, nicht mit aÜ3u
lebhaften Farben fchilbern, bamit fie nicht burch Purgatoriuni
abgefchrecft, wieber ben Kober ber VMttelftanbSpolitif erfchnappeu,
ben ihnen bie fapitaliftifche Eefellfchaft oon ber anberen Seite
gumirft.
^)aS finb praftif<he0chwierigfeiten, mit benen ber heutige Agitator
fich tnit mehr ober weniger Eefdjicf absufinben hat. Verleugnung bcr
Enbsiele, Verfdjleierung ber Enbsicle, Einfchliefeung berEnb3icle m ben
Silberfdjranf — baS waren bie ted)nifd)en 9luSbrücfe, bie ber Partei*
tag für biefe nid)treootutionäre ^aftif gebrauchte. Soweit barin 311
gehen, mie ein medlcnburgifcheS SBahlflugblatt, wo es h^:
Erunb unb Voben foE gefcEfchaftlidl) bearbeitet werben, wenn es
aber 3emanb oor3«ht, fo foll ihm fooiel 2 a nb gegeben werben,
wie er für fich feine Familie braucht," würbe 3war oon feiner
Seite gebilligt; Im Allgemeinen aber waren bie Kolonifatoren ber
Partei, bie Eroberer neuen EebieteS, bie fianbagitatoren u. f. w.
ber Meinung, bafe bie Enb3iele, wenn man fie auch nid)t gan3 bei
Seite fehieben foüe, bo^ in ben .sjintcrgrunb 3U treten hätten wegen
ihrer geringen Vkrbefraft im Vergleich 3U ben praftifefeen 3i c l e n
ber Eegenwart. „Probirt es hoch einmal mit Eurer Xaftif! er¬
obert mit ihr einmal einen neuen Vtaljlfreis!" riefen fie ben
„Stubenhocfem", ben „SöeibSleuten", ben ^heoretifern, ben föe*
bafteuren 3 U, „ba werbet 3h* feh^n, wie weit 3h* fommt mit ben
reoolutionären Erunbfäfeen". 3m ein3elnen Falle war es aller*
bingS fdjmer 3U entfeheiben, ob 3. V. 2$. §eine wegen ober trofe
feiner oerföhnlichen ©al)lpolitif in Vcrlin gefiegt habe.
2)aS geringe Fottfchreiten ber Partei bei ber lefeten Reichs*
tagSwahl würbe 00m Referenten als ein trauriges Ergebnife be*
3eichnet, unb feiner ber folgenben fRebner wibcrfprach biefer peffi*
miftifdjen Auffaffung ernftlich, ujenn auch VoÖutar einmal ge¬
legentlich bemerfte, bafe trofe aller Klagen über Verfnmpfung, bte
Partei fid) hoch 311 einer anfehnlichen $öhe „hiuaufgefumpft" habe.
SRadj ber offiaieEen Parteiftatiftif hat nämlich feit bcr »ihl oon
1893 bie Partei nur reichlich IV2 ü /o her 2Bäblerfd)aft beS bcutfdjeit
SReidjeS für fid) hinsuerobert, fo bafe fie bei ber bieSjährigen 2ßal)l
18,4% berfelben beträgt. $>iefe Erfahrungen bilbeten bie Erunb*
läge ber Debatte über bie Vtohltaftif. — Unb in ber $hat, geht
bie Partei nid)t fchneller ober gar in abnehmenber Progreffion in
3ufuuft oonoärtS, bann liegt baS Qitl ber Eroberung ber poli*
tifefeen 9Diad)t noch in weiter F**n?- ®i e ht es fein Vtittel, baS
2öachsthum ber Partei 3U befchleunigen? 3)as war bie F*age, bie
bie immer wieber fich erhebenbe Debatte über bie ^aftif beherrfchfe.
Niemals fam ber reoolutionäre Eebanfc auch niir anbeutungsweife
3um AuSbrucf, bafe mau auf bie Stimmenmehrheit netten fönne,
wenn man baS deficit ber 3aljl burch «ine gröfeere politifche Energie
erfefee, bie etwaige ©iberftänbe burch ih*e 2Su^t 3erfchmettere.
Auch ber So3ialbemofrat fann fich unter politifdjer 3:hätigfeit
ber Partei gar feine anbere als bic parlamentarifche oorfteUen, unb
er hat sugleid) eine 3U grofee Ehrfurcht oor bem bemofratifchen
Prinsip bcr Majorität, als bafe man fich hie Eroberung ber
politifdjen 3Ra<ht anberS als burch Eroberung oon minbeftenS
199 $Reid)StagSmanbatett benfen fönnte. SDafeer ber peffimiftifd)c
3ug, ber na^ bem AuSfprud) eines ^ebnerS burch bie Vemegnng
gehe unb fie farblos unb traurig mache. VHe weit man fich n °d)
00m 3iele fühlt, bafiir ift auch bcr AuSfpruch VoIImarS beseidjncnb,
bafe ber beutfefeen So3ialbeutofratie gar nichts Ungliicflidjeres ge*
fd)ehen fönne, als wenn ihr bie 9Rad)t plöfelid) in ben Scfeofe fiele,
weil fte noch gar nicht ben SReifegrab erreicht habe, um ftc 3U
gebrauchen.
So fteht eS mit bem Enb3iel nach feiner praftifchen Seite hin.
2>ie theoretifchen Erörterungen über baS Enb3iel beS So3ialiSmuS
fnüpften sumeift an bie befanuten Auffäfee VernfteinS in ber
„SReueit 3 e ^" an, bie baS Enb3iel überhaupt aus bem Spftern be*
feitigt wiffen wollten. ^)ie Vewegung ift AHeS, baS Enb3iel ift
nichts, war baS SRefultat ber Vernftein’fchen Artifel, ein SRefnltat,
baS auf bem Parteitag oon PeuS noch fchärfer bahitt pointirt
würbe, bafe es überhaupt feine Eilbriefe aebe. Es wäre falfc^,
wenn man behaupten wollte, bamit fei für Die Anficfet beS Partei¬
tages bic Formel auSgefprodjen. Sic fanb oon oerfd)iebenen
Seiten energifche Ablehnung. FnSbefonbere wanbte fid) Vebel mit
einem „Quos ego u gegen oie Umftür3ler ber Enbsiele: „Xa hört
hoch AHeS auf! ES giebt gar fein Enbgiel!" Eine fätnpfenbc
Partei müffe beftimmte 3iele oerfolgen unb habe natürlich auch
ein Enb3iel. — 2>aS war ein etwas abgefii^ter Sdilufe, bei ber
wir nicht gan3 ftcfjcr finb, ob ber nid)t quaternio terminorum unterlief
unb ob es mit allen 3roifd)englieberu feine SRichtigfcit hat. Auch
mit Veruftein war man fd)iiell fertig, ^ie Erörterung feiner wiffen*
fd)aftlid)eii Anfid)teu gehöre nicht oor ben Parteitag, fonbern in
| bie preffc — bie übrigens bisher and) faft gar nid)t fich au il)u
I herangewagt habe —, unb es würben 3o>eifel laut, ob biefe „fo*
83
©ogtale $ragi£. Eentralblatt für Sogtal politif. SRr. 2.
34
genannten" wiffenfchaftlichen Slrbeiten, bie ben ERutfj ber Partei*
genoffen gu lärmen brohteit, v nicht hoch etwa ber nötljigcn liefe
entbehren.
Eine befinitioe Pefeitigung biefer neuen Mefeereien formte aifo
noch nicht ftaitfinben, unb fo werben fie wohl weiter fi<h oer*
breiten unb weiter wirfen, felbft auf bie ©efaf)r hin, bafe bann
bie Sogialbemofraten aufhören würben, Sogialbemofraten gu fein.
Denn je mehr rnan fie^t, bafj bie Enbgiele oerfd)wimmen, befio
mehr wenbet man fich praftifcher, pofitioer Slrbeit für bie ©egen*
wart gu, unb eg ift ohne jeben 3«)eifel, bafj eine ftarfe Strömung
in ber Partei nad) biefer Stiftung brängt. 28er fidj ben $örern
empfehlen woEte, gab fic^ für einen Praftifer aug, ber im Saufe
ber Sabre gelernt höbe, unb fpottete über bie ungeftümen Sungen,
bie aud) einmal „alte ©fei" werben würben. Slug bem PeifaE,
ben bie SRebner ber oerfcbiebenen SRidbtungen fanbcn, war gwar
ferner gn entfcbeiben, auf weffen Seite oie Mehrheit ber Delegirten
ftanb, auf ber ber Praftifer ober ber ber reoolutionären Ib^oretifcr;
benn Slpplaug würbe febr freigebig nach beiben Seiten gefpenbet.
28obI aber war aug ber ©efammtftimmung, aug bem Eharafter ber
Pleljrgahl ber SReben unb bem Perfehrgton in ber Perfammlung
gu erfennen, nach welcher Seite bie ^Majorität neigt.
0ür ung fommt eg jebod) weniger barauf an, ob eine größere
ober geringere 3<*hl ber Sogialbemofraten fnf) für bie praftifche
lljätigfeit unb gegen ein Perfolgen ber Enbgiele augfpredjen
würbe, alg oielmehr barauf, welche SRoEe bie Enbgiele überhaupt
in ben politifchen Erwägungen unb Entziehungen ber Sogial*
bemofratie fptelen, unb gu biefem 3roecfe werben wir ung bie
eingelnen ©egenftänbe ber lagegorbnung näher anfehen müffen.
2Birflid)e politifdje Pebeutung haben bie Enbgiele für bie Sogial*
bemofratie bod> nur bann, wenn bie eingelnen politifchen Ent*
Ziehungen aug ihnen abgeleitet, wenn fie gugleid) bie Pringipien
ber politif finb. Daburdf) aber woEen bod) bie Sogialbemofraten
ftch non bürgerlichen Sogialreformern unb Demofraten unter*
febeiben, bah fie ihre Entfchliehungen im £>inblid auf bag fc^liefelidje
3iel einer oöliigen Umwälgung ber beftehenben ©efeEfchaftgorbnung
faffen, währenb biefe aug ©rürtben, bie fich aug ber augenblicf*
liehen politischen unb fogialen Sage ergeben, ihre Entfcheibungen
treffen, prüfen wir aber aug biefem ©efZgpunfte bie auf bem
biegjähriqen Parteitage gefaxten 5Öefd)lüffe, fo werben wir bei
feinem etngigen bie nothmenbige Pegiehutig gu ben Enbgielen
finben; aEe hah. en kenntlichen eine Pegrünbung erfahren, bie
mit ben reoolutionären Pringipien ber Partei nicht bag geringfte
gu thun hah fonbern bie fid), wie eg bei allen anberen Parteien
auch üblich ift, an augenblicfliche Situationen anlehnt.
Meiner hat bie pro(etarifch*reoolutionäre laftif, bie feine Per*
[öhnung unb feine Permittlnng fennt, fo ftarf betont, wie Schönlanf
in feiner Mampfrebe am britten Perhanblunggtage. Eg war, wenn
man fo will, eine reoolutionäre SRebe, aber war fie reoolutionär im
Sinne beg fogiaüftifchen Programmeg? Sie oerlangt ben Mampf
big aufg SDleffer gegen bag Spftern beg perfönlicfjen SRegimentg,
gegen bie Politif ber überfeeifdjen Slbenteuer unb ber SRomanüf
unb gegen bag Spftem ber 3 er f < h tne ^ erun 9 & cr politifchen unb
öfonomijchen Polfgrechte. Um in biefem Sone biefe djartiftifchen
Kampfrufe ertönen gu Iaffen, bebarf eg aber weber eineg £affaEe
noch eineg ERarj mit ihren Iheorien, auf beren Mcnntnifc Schön*
lanf einem opportuniftifchen ©enoffen gegenüber trumpfte. Dag
fonnte man fd)on lange bevor bie 3)ienfchheit von materialiftifcher
©efchichtgauffaffuug unb ben öfonomifd)en ©efepen etwag wufjtc,
bie mit SRaturnothwenbigfeit gur Expropriation ber Expropriateure
führen füllen. Ebenfomenig finb bie Mataftropljen, oon benen
Mautgfp unb £iebfned)t fpradjen, folche im Sinne beg reoolutionären
Sogialigmug. SoEten fte in biefem ober jenem £anb fommen, fie
würben ben Sogialigmug nicht um bie Preite eineg ERefferriicfeng
weiter bringen, weil fie mit ihm auch nicht &ag geringfte
gemein haben.
Die SRefolution über bag $oalitiongre<ht fteht gang auf bem
Poben ber heutigen SBirthfchaftgorbnung. Sie hat gur Peran*
laffung bie befannte Difchrebe beg ^aiferg gu Depnljaufen. Dh ne
biefe aftueEe Peranlaffung wäre bag ^oalitiongrccht auf bem
Parteitage überhaupt nicht gur Perhanblung gefomuten, unb ohne
fte hatte auch ®iöfuffton einen gang anberen Perlauf genommen.
Ohne biefe befonbere Peranlaffung, bie etnen furgen einheitlichen
proteft herangforberte, hätte fich nämlich bei bem ©egenftanbe
^oalitiongrecht ohne 3n»eifel eine Debatte ber „reoolutionären"
Politifcr gegen bie ©ewerffd)aftler entfponnen, in ber jene biefen
beutüch bemonftrirt hätten, wte wenig ©emerffchaft unb ^oalitiong*
recht mit ber reoolutionären Sogialbemofratie gu thun haben. S^fct
würbe umgefehrt oon ben Politifern ber Slnlafe freubig ergriffen,
um mit bem gang unreoolutionären ©egcnftaitb reoolutionäre, b. I).
erregte, fampfluftige Stimmung gu mad)en. Dag gelang oor*
güglich- Mein ©egenfiaub würbe währenb ber adjttägiqen .Per*
hanblnngen oom Pegrüßunggabenb an fo oft erwähnt, fo oft in
ben oerfchicbenften 3nfammenbängen unb Peleud)tungen gegeigt, wie
bie angeüinbigte „3uchtl)augoorlage", wie fie nun einmal hei&en
wirb, welche ©eftalt fie audj fhliefelid) annehmen mag. 9)tit biefer
Slnfünbiguug fei ber legte SReft ber SEufion oom fogialen Mönig*
thum enbgiltig gefchwuuben, mit ihr feien bie Öebruarerlaffe bur<h*
ftrichen unb auggelöfdjt worben.
Ebenfo wenig foginl*reoolutionär wie bie Sorberung bc«
^oalitiongred)teg ift ber folgenbe Perhanblungggegenftanb beg
Pergarbeiterfchuheg. Er gab gu einer Stefolution gu ©unften ber
Slnftellung oon Snfpeftiongbeamten aug bem Slrbciterftanbe Slnlafj,
bie in ihren §auptpunften auh in biefen-Plättern fchon vertreten
worben ift. (Pergl. herüber bie SRotig unter „Slrbciterbewegung".)
Slehnliche Pcmerfungeu hätten wir gu machen gur Ptoifeier unb
gur gangen Sdjaar oon Ijunbert ober mehr Slnträgcn ginn Pereing*
recht, gur Haltung bei ben Sanbtaggwahlen, gnm ©efinbered)t, gur
SReichgoerfaffung, gur ©efchäftgorbnung beg SReid)gtagg unb gu aE
ben anberen ©egenftänben, bie ben Parteigenoffen biefeg ober jeueg
SBahltreifeg am §crgeu lagen. Unter Mein war etwag Sogial*
reoolutionäreg md)t gu entbeefen. Sie ftanben auf bem Poben ber
jegiaen SBirttjfchaftgorbuung unb Staatgoerfaffung, wiinfd)tcn fleiue
Slenberungen in biefem ober jenem Sinne, bie man anuehmen oba*
oerwerfen, befämpfen ober förberti, ernfthaft nehmen ober belächeln
unb oerfpotten fann, bie aber ©emaltmajgregeln weber gu ©unften
berfelben empfahlen, nod) gegen biefelben h €rfl n^forberten ober
nothwenbig machten.
Pefonberer Erwähnung oerbient noch ber legte groge ©egen*
ftanb ber Perhanblung, bie SteEung ber Partei gur beutfhen 3oE*
unb «ipanbelgpolitif. Einmal begljalb, weil, wie hier and) ber
f>auptrefereut betonte, biefe Srage oöEig inbifferent bem fogialifti*
fchen Programm gegenüberfteht. 28eber eine S^ihanbelg*, noch
eine SchuggoEpolitif läfjt fich ben pringipien beg programmg
ableiten, unb fo ift benn auch oon ben Autoritäten ber Partei eine
fefte SteEung in biefer Srage nicht genommen worben. Der
©othaer Parteitag hat fie lebiglidj baburcf) gu einer Parteitage
gu ftempeln gefucht, baf* er fie für eine rein interne Angelegenheit
ber Pourgeoifie erflärte, um bie fich ber Proletarier gar nicht gu
fümmern brauche. §eute ift man barüber anberer Dieinung, unb
barin liegt ber gweite Umftanb, ber bie Pebanbluug ber §anbelg*
politif burch bie Sogialbemofratie gu einem bebeutfauien Ercignift
macht. Auf feinem ©ebiete tritt nämlich fo offenfnnbig gu läge,
ba& Unternehmer unb Arbeiter unter Umftänben hoch fehr erheb*
liehe gemeinfatne Satereffeu haben. So fam benn in ber Debatte,
aEen parteipringipien gum Irog, gelegentlich eine, wenn and) fehr
befcheibene Snbuftriefreunblichfeit gum Slugbrucf, bie bie s J)föglid)feit
eineg 3.aEfchugeg einzelner Snbujtriegweige priugipieE anerfanntc.
28ir fönucn nur wiinfehen, ba^ bie Erfenntnijg biefer Sittereffen*
gemeinfehaft bei beit Sogialbemofraten fortfehreite, müufdjeu aber
auch anbererfeitg, bafe bie Unternehmer unb bie Regierung fe()eu,
wie wenig gute Srüd)te eine politif ber unbebingteit Slblehnung
unb beg Mampfeg gegen bie Slrbeiterbeftrebuugen trägt.
^Ulsetneine Stajial- unb BJirtljfdjoftsspoliHk.
SogialpoUtifche piine für bie nidffte SReichgtaggfeffion*
Dbwohl ung nod) etwa fed)g 28od)cn oon bem Peginn ber erfreu
Seffion beg neugewählten SReidjgtageg trennen, glaubt ein ber
fächnfehen ^Regierung nabeftcfjenbcg Dregbener Platt eine Art fogial*
politifchen programmg für fie aufftcEen gn fönnen. Sin elfter Stelle
wirb bie SRoDcEe gur Snaalibeu* unb SUtcrgoerfid)eruitg genannt,
fobann ÜJtafenahmen „gum Sdiup ber Slrbcitgwiüigen gegen ben
Streifterrorigmug", benPcfchluB madjeit fogialpolitifd)e Slnträge ber
Parteien. 28ag in biefem Programm an SRegierunggoorlagcn auf*
geführt wirb, ift befanntlicf) nidjt neu, unb man mug fchon fehr
anfprud)glog fein, wenn man, wie bie offigiöfe „Siorbb. Slllg. ^tg."
bieg tl)ut, barin ben Pewcig erblicft, bah bag Dentfche Weid) muh
in 3 u fitaft fid) ben Siuhm, in ber gürforge für bie Arbeiter balin=
bre^enb ooraugefdjritteu gu fein, nidjt fihuiälern, fonbern beliarr*
lieh nnb planmäßig an bem weiteren Slugbau ber Sogialreform
arbeiten werbe. Sclbft wer mit biefem Platte bie £öfung neuer
fogialpolitifcher Probleme ablebut unb nur ein bebutfameg plan*
mägigeg Sortfchrcitcn auf ber bisherigen Palm forbert, wirb bodi
gugefteheit, bag bie mit fohher SBucht augefüubigte Streifoorlage
©ogiale PrajtS. ©entralblatt für Sogialpolitif. Rr. 2.
35
30
eher einem Rücfferlitt als einem Fortfeßritt ähnlich feßen roirb, ob*
roohl ja batte ttod) Riemanb roeiß, mie ber ©utrourf fdjließlicß be*
fcfjaffeii fein mirb. ©as aber bic Rooellc gur Fuoalibcn* unb
VllterSoeificßeruna betrifft, fo mirb fie Fjoffeutlid) eine nn^Iicfjc
Vorarbeit gur herein fadjung ber Verwaltung liefern, fdjmerlidj
aber liegt es in ißrer fmupttenbeng, ben feit Fuß ren laut geworbenen
Forberungen 311 ©unfteti ber Verficßcrlen 3 U entfpreeßen. ©amt
oollenbs bie fo bringenb notßroenbige Reform ber Unfalloerfidjerung
fommen mirb, bie oor Faßt* unb Sag fdjeiterte, meil bie Regierung
oor ben ©roßinbuftriellen gurücfroicß, baS liegt nodj im llngeroiffen.
Von einer Fortführung beS RrbeiterfdjußeS ift überhaupt feine SHebe
in ben offigiöfett blättern; bie „Rorbb." erinnert groar an bie
Kaiferbotfcßaft oon 1881, baß eS aber auch Kaifererlaßc oon 1890
giebt, bat fie oermutljlicb oergeffen. Rtan macht ©nqueten, es
roerben (Erhebungen gepflogen, ein gewaltiges VeroeiSntaterial häuft
fid) auf, aber bie Regierung lägt es ruhig in ben Rrcßioen
fcßlummern, ohne bie gefehgeberifdjeu Folgerungen 311 gießen.
Sroh aller mortreichen Vetßenerung 00 m ©egcntßeil ift bie
amtliche Sogialreform oööig ins Stocfen geraden, mofern man
nicht lieber oon einer Umfeßr unb RücfroärtSreoibirung reben roiü.
Unter biefen Umftänben fällt bem Reichstag, ben Parteien, ber
Nation felbft bie Rufqabe gu, oorroärts gu treiben. 3lu<h menn
ber VunbeSratß taube Obren hat für fogialpolitifcße Vefcßlüffe beS
SReidjStageS, barf bie VoIfSoertretung nicht barauf oergichten, immer
mieber laut unb nacßbrücflich ihre Stimme gu erheben. Steter
Sropfeit ßößlt ben Stein! 3111er VorauSficßt nad) roerben ja auch
btejenigen Fraftionen im Reichstage, bie ben fogialpolitifcßcn Rücf*
ntarfdj nicht mitmachen — unb bic 3 ahl ihrer Angehörigen ift bnrd)
bie Rcumahlen nicht oerringert morben —, ihre Einträge auf Au*
crfennuitg ber VerufSoereine unb Sicherung ber ^Bewegungsfreiheit
in ihrem legitimen Bereich roieberbolen. Fu ©entntmsfreffeu mirb
ber ©ebattfe ber ©rrießtung oon ArbeitSfantmern ermogen. gröcßft
beacßteitSroerih ift bie 00 m Abgcorbueten profeffor £iße auSgeßenbe
Anregung ber ©infeßung oon lofalcn Arbeitsämtern, in ber Beamte,
©emeinbeoertreter unb einfießtige Bürger gufammen rcirfen gur
befferen, groeefmäßigeren Ausführung bereits befteßenber Aufgaben
auf ben ©ebieten ber Strbeiteroerficfjcruitg unb beS ArbeiterfcßußeS.
5)aß bie ©rrießtung eines Reichsamtes für Arbeiterftatiftif, mie bie
„Sogiale Praxis" es neuerbitigS mieber oorgefchlagen bat (oergl.
Faßrg. VI 1 Rr 38), auch iut ReidjStag Unter jtüßuug finbet, hoffen
mir beftimmt. Angefünbigt finb ferner bereits Petitionen unb Anträge
auf (Einführung eines obligatorifcßen ©inigungSoerfahrenS. ©benjo
mirb bie ©oßnungSreform fid) nicht mehr oon ber SageSorbnung
oerbrängen Iaffen. Unb fcfjlicglich muß bie Fortführung unb ©r*
meiteruug beS ArbeiterfdjußeS fich trofe allen ©iberftanbeS burdj*
feßen, ba bie fteigenben Anforderungen an bie VolfSfraft bie
Sicherung ber ©efunbßeit unb £eiftungSfähigfeit ber Rtaffeu gur
unentbehrlichen VoranSfeßung ihrer Erfüllung haben: Ausbau
ber ©eroerbeaufficht, fimtgetnäße AuSbeßnung ber FufpefHon auf
Kleinbetrieb unb gjaitSinbuftrie, htjgienifcßer RlayimalarbeitStag,
Scßußoerorbnungen für gefährliche unb ungefunbe betriebe — baS
finb alles Riaßnaßmen, bie feit 1891 gefcglict) gu Redjt bcfteljen, aber
meift nur auf bem Papier. ©S ift bodj roafjrlicb fein umftürglerifcßeS
^Beginnen gu forbern, baß fie enblidj einmal gur £ßat roerben.
©nolicß mirb fich &er Reichstag angelegen fein Iaffen, für bie
Veamten unb Arbeiter in ben Staatsbetrieben gu forgen; aud) hier
finb mir recht meit nodj oon bem 1890 aufgeftellten Qkk.
©in foIcbeS fogialpolitifches Programm für ben Reichstag ift
aüerbingS bebeutfamer unb umfangreicher als baS offigiöfe. Für
uns ift eben baS ©ort „Sogialreform" fein leerer Schall, fonbern
ein ©ebot ernfter Rothmenbigfeit, bie gcbietcrifch oorroärtS brängt,
auch menn unter bem ©iberftanbe einflußreicher Unternehmer bie
Regierungen fich gegenmärtig gaghaft oon ihr abroenben.
©. g.
£ie rechtliche 3uläf{tgfeit beS SpargtomttgtS.
3ur ©rqängung ber Ausführungen beS f>errn RedjtSanroaltS
Dr. £ubroig ?\ulb*3)taing in ber vorigen Rununer erhalten mir
oon .f>erru Veigeorbtieten Ikßroalb in Suisburqjolgenbe 3ufdjrift:
S. 105 ber ©emerbeorbnung begeidjuet bie Feftfehung ber Skr*
hältniffe gmifdjen ben felbftftänbigeu ©eroerbetreibenbeu unb ben
gemerblichen Arbeitern oorbehaltlich ber burdj ReichSgefep be*
grünbeten iBefchränfungen, als „©egenftanb freier Uebereinfunft".
i?. 115 oerlangt baare 3luSgahlung ber Slrbeitslöljne, fomeit nicht
bie Koften ber bort eingeln aufgeführten SebenSbebürfniffe in 3lb*
gug gu bringen finb, unb §.117 erflärt Verträge, toeldje bem
§. 115 gumiberlaufen, für nichtig, besgleidjen Perabrcbungen
gmifdjen ben ©emerbetreibenben unb ben oon ihnen befdjäftigteu
Arbeitern über bie Skrioeubunc} beS Perbicnftes berfelbcit gu einem
anbern 3 1ö ecf als nir S3etl)eihgung au ©inrichtungen gur Skr*
befferunq ber Sage oer Arbeiter ober ihrer Fuuiilien.
®aß gu foichen ©inrichtungen auch eine Sparfaffe gehören
fann, in melier bie l]ol)nbeträge ber Arbeiter eine momöglich be*
oorgugte S3erginfung genießen, bebarf feiner roeiteren SluSführung,
nur muß oerlangt roerben, baß bie Skrginfung unb fpätere Rücf*
gaßlung ber ^oljnbeträge in einer ooflfommcn auSreichenben fBeife
fidjer geftellt ift. ©s fann alfo nidjt für ftatthaft erachtet roerben,
baß bie fiohnbeträge in prioatfparfaffen ober unmittelbar in bem
betriebe beS Slibei'tgeberS angelegt roerben, auch tocnn &ie ^cn*
tabilität beS ^Betriebes begro. bic ©arantie für bie richtige Skr*
ginfuna unb Rücfgahlung biefer Skträge im eingelnen Foöe über
jebeit erhaben roäre. ©ine Sktriebsfparfaffe bürfte nur
bann als eine bem 3‘oecfe beS ©efeßeS entfprechenbc s BohlfahrtS*
einrichtung angufehen fein, roenn bie S^erroaltung ber Kaffe gemein*
f<haftli<h burch ben Slrbeitgeber unb eine oon ben Sparern ge*
roählte Vertretung erfolgte unb entroeber eine münbelfichere Einlage
aller ©elber irgenbroic garantirt ober aber feitenS beS SlrbcitgeberS
bis gur .frohe ber Spareinlagen Kaution geftellt roäre. Grifft eine
biefer Vertagungen nicht gu, fo müßten bie ßohnbeträge bei einer
öffentlidjeu Sparfaffe gur ©ingahlung fommen, bamit ber ©harafter
ber ©inrichtung als einer gur Skrbefferung ber ßage ber Arbeiter
bienenben uubebingt geroahrt bleibt.
$>eS ©eiteren forbert §. 117 eine „Verabrebung" groifeßen ben
©emerbetreibenben unb ben oon ihnen befdjäftiqten Slrbeitent über
bie Verroenbung beS VerbienfteS ber leßteren. Sie Arbeiter müffen
fuß alfo mit ber 00 m Arbeitgeber getroffenen ©inrießtung, roonaeß
beftimmte Rfinitnalbeträge iljrer S?ößne regelmäßig an eine Spar*
faffe abgeführt roerben, einoerftanben erflären. Fft für ben be*
treffenben Vetrieb nach ben Vorschriften ber ©eroerbeorbnuitg eine
Slrbeitsorbnuug obligatorifdj, fo roirb aueß in biefer ber Spar*
groang gu regeln fein. F^er neu eintretenbe Arbeiter erfennt
burdj ben Antritt beS SlrbeitSoerhälhiiffeS bie eingelnen Vorfdjriften
ber Slrbcitsorbnung, bamit alfo aücß ben Spargroaug für fid) als
redjtSoerbinblicß an. hierin Hegt eine ftidfeßroeigenbe Slnnaßme
ber oom Arbeitgeber getroffenen Rfaßnaßmen, toclcße einer aus*
brütflicßcn an RecßtSgültigfeit ooUfommeu, gleicßflcßt. Aeßnlicfy
liegt ber Full, menn bte Vcftintmungen über Spargroang erft nach*
träglich in bie Slrbeitsorbnung aufgenommen roerben foQen. ©e*
langen biefe Veftimmungen oorfdjriftsmäßig burch ben ©rlaß eines
Rad)trageS ober einer neuen SlrbeitSorbnung gur Einführung, fo
muß bei benjenigen Arbeitern, bie nadj Fnfrafttreten berfelben im
StrbeitSoerßältniß oerbleiben, ein ftiüf^roeigenbeS ©inoerftänbniß
mit bereu Fnhult angenommen roerben.
©enn bagegen ber Spargroang in einem Vetriebe befteßt ober
neu eingeführt roerben foH, für ben eine Slrbeitsorbnung nießt er*
Iaffen ift, fo muß felbitoerftäublicß mit jebem neu eintretenben ober
in bem Vetrieb bereits bcfcßäftigten Arbeiter eine auSbrüdflicße
Verabrebung ftattßnben, roonaeß fid) berfelbe bem Spargroang
unterwirft. Schließlich wtuß noeß geforbert roerben, baß eine Ver*
roenbung beS VerbienfteS ftattfinbet, baß alfo bie Slnlaae bei ber
Sparfaffe fpäteftenS unmittelbar naeß ber Fälligfeit beS VerbienfteS
erfolgt.
©in Spargroang, ber unter ben oorfteßenb erörterten Ve*
bingungen ausgeübt roirb, fann alfo. unbebenflicß als eine nadh
§. 117 Abfatl 2 ber ©emerbeorbnung gültige Verabrebung groifeßen
ben ©emerbetreibenben unb ben oon ißnen bcfcßäftigten Arbeitern
über bie Verroenbung beS VerbienfteS berfelben gur Vetßeiligung
an einer ©inridjtung gur Verbefferung ber öage ber Arbeiter an*
gefeßen roerben.
Duisburg. ikßroalb.
Slrbeitsfamutent. ^iefe roießtige Angelegenheit foQ auf ber
am 13. Dftober in Straßburg i. ©. ftattßnbenben ©jeneraloerfamm*
lung beS VerbanbeS „^Irbeitcrrooßl" eingeßenb erörtert roerben.
An erfter Stelle ber XageSorbnung fteßt ein Vortrag beS Vor*
fißenben F^ung VranbtS*3K.*©labbad) über „Fnbuftrie unb Arbeiter*
fammern"; über Drganifation ber 3lrbeitSfammern roerben ReicßS*
tagSabgeorbneter Prof. Dr. §iße*5Rünfter unb Fubrifbefißer s Di.©iefe*
©erben fpredjen. — ^ie „Sogiale prag'is" roirb f. 3t- über bie
Verhanblungen berichten.
^te babifeße Regierung unb bte Streifs» lim Staatsßülfe bei
Streifs hatte ber ©entraloorftanb beS babifeßen öunbroerferbunbcS
bie babifeße Regierung erfudjt. 2)er ©entraloorftanb glaubte als
37
Sogiale frajiS. Eentralblati für Sogialpolitif. Nr. 2.
88
Vorbeugungsmaßregeln empfehlen gu foEen, baß bei VerMttgungS*
©ertragen mit ßieferungSfriften Vorbehalte gemalt roerben möcßten
baßittgehenb, baß bei AuSbrurfj oon AuSftänben ober ©cfcßäfts*
fperrefo lange Stunbnng (griftoerlängerung) gemährt roerbe, als
ber AuSftanb ober Me ©efdjäftsfperre anbauere, unb baß eoentuett
feftgefe^te Ronoentionalftrafen nießt in ©irffamfeit treten follen.
Auf biefe Eingabe ßat naeß ber ©eroerbe*3eitung" baS
ERinifteriutn folgenbe Antroort ertßeilt:
„$cm Vorfiatib beS Vabifdjen £>anbroerferbunbeS erroibertt mir
im Einoerftänbntß mit ben übrigen Vtimfterien, baß mir im All*
gemeinen bereit fmb, bei Ausführung ftaatlicfjer Sauten, roenn feine
©efaljr im Verguge liegt, aus ©rünben ber Vtttigfett ben burtß Streifs
ßerbeigeführten befonberen Verhältniffen im Sinne ber bortfeits ge*
äußerten SSünfdbe Segnung gu tragen, baß mir uns aber bie Ent*
frfjließung uon gatt zu gatt uorbehalten müffen. (Sine allgemeine
Verorbnung in ber angegebenen Nidjtung gu erlaffen, ober gar,
mie bortfeits angeregt mirb, Veftimmungcn begüglirfj Verlängerung ber
Cieferungsfrift unb AuSfejjung ocreinbarter Äonoentionalftrafen in bie
IHeferungSoerträge aufgunefjmen, fmb mir bagegen nießt in ber Sage,
meil bie ttRöglicßfeit eines AuSftanbeS in golge unbilliger Veljanblung
ber ©ehülfen unb Giefetten feiten* ber Arbeitgeber nirfjt ausgefrfjloffen
ift, in biefent gatte aber eine Veroiüigung ber griftoerlängcrung an
leßtere nur ungerechtfertigte Vegünftigung ober Unterftüßung berfelben
ßerbeifüßren mürbe, $ie Entfcßeibung ber Sache im einzelnen gatte
mirb fomit oon ber Vrirfung ber Urfadje unb ber Vegrünbung beSAuS*
ftanbeS abhängig fein. Außerbem aber mirb norfj in Vetracßt fomnten, baß
burrfj bie ©eroäßrung ber Stunbung einer Lieferung eines ooit bem
ArbeiierauSftanb betroffenen ©eroerbetreibcnbeit unter Umftänben bie
ÖieferungSfriften aurfj ber anberen bei ber ^erftettung beS betreffenben
ftaatlirfjen ©ebäubeS ßetßeiligten §anbmerfer ungünftig beeinflußt merben
fönnte, mas nießt erroünfeßt märe."
SogtalpolitifcßeS aus Vclgiett. ®ie belgifcße Regierung ßM
aus politifcßeit ©rünben ein größeres Sntereffe baran, ERittelftanbS*
politif als Arbettcrfogialpolitif gu treiben. So ift fie beim auch
mit oerfeßiebenen Vorunterfudjungen für gefeßlicßc ERaßnaljmen im
Qntereffe ber §anbroerfer unb flehten Raufleute befdjäftigt. ES
ßanbelt fief) um eoentuell Jtaatlicße görberung oon Noßftoff* unb
©aareneinfaufSgenoffenfcßaften, um bie ERöglicßfeit, ben Vagarcn eine
befonbere Steuer aufjuerlegen 2 C. $>ocß fott ber ArbeitSntinifter
gang unter ber ^panb muß bie Veranftaltung einer Enqufcte über
bie Sage ber Srfjneibcrinnen in ben 23rüffeler Ateliers augeorbnet
haben, mo in Vegug auf ßößne unb Arbeitszeit 3uftänbe ßerrfeßen,
bie, roenn fie ber Deffentlicßfeit befannt roerben roürben, bie aE*
gemeinfte Mißbilligung erregen müßten.
$fasi eines euglifcßeu Arbcitgeber-VerbattbeS. Unter bem Vor«
ftße oon Sir ©iEiam ßeroiS rourbe am 3. Dftober in ßonbon über
ein Vrojeft beratßen, bie großen Arbeitgeber im ßanbe zu einem
f ieroaltigen Verbanbe zu oereinigen. Nadh bem „NerocaftleEhronicIe"
ollen bie gabrifanten*Verbänbe ber einzelnen Subuftrien zu einem
„Nationalen Verbanbe" oerbitnben roerben. 100—200 Spezial*
Verbanbe follen fiel) feßon bereit erflärt haben, ißm beizutreten.
$)er Vlan geht oon bem SDireftor ber „South ERetropolitan ©aS*
©efeEfcßaft", Sioefep aus, unb ber oerftorbene ^räfibent beS Ver*
banbeS ber ERafcßinenfabrifantett, Dberft 2)per, foll fich feßr für
bas ^rojeft erroärmt haMn.— Vefanntlich planen aurfj bie (ferner!*
oereine Sie ©rünbung eines großen nationalen VerbanbeS. §\n
Januar foll auf einer Verfammlung in Ntonrfjefter barüber Vefdjlitß
gefaßt roerben.
ftonttmtitale $o|ialpoiitih.
©etoerbemufiihfitener in Bresben. Nach faft zmeijährigen
©rroägungen befchloßbaS Stabtoerorbneten*RoIlegium am 8 . Dftober
bie Einführung einer ©eroerbeumfaßfteuer für aEe ©cfdjiifte inner«
halb beS StabtbezirfeS, ehtfrfjließlirf) beren 3u)eiggefchäfte unb
VerfaufSfteEen, in benen ßebenSmittel, ©enußmittel, VefleibuttgS«
gegenftänbe ober attbere für ben roirthfchaftlirf)en Vebarf beftimmte
©egenftänbe im Einzelnen oerfauft roerben, unb zmar ohne Unter«
fchieb, ob ftch bie ©efrfjäfte in ber §anb oon einzelnen ^erfonen,
offenen ^anbelSgefeüfchaften, Rommanbitgefettfrfjaften, Aftien«
gefettfd)aften c Rommanbitgefellfrf)aften auf Aftieu, ©efellfrfjaftett mit
befchränfier Haftung, eingetragenen ober nirfjteingetrageuen ErroerbS*
unb SSirthfchaftSgenoffenfchaften ober ^erfonenoereinen befinben.
2)er Steuer follen aurfj unterliegen: Nieberlaffungeu, VerfaufSfteHen
unb 3weiggefchäfte oon außerhalb beS StabtbezirfeS gelegenen
Erzeugungsftellen ober £>anbelSgefchäfien, fofern fie fich mit bem
Einzcloerfauf ber begeichneten 2Baaren befaffen, ferner Vereine gum
gemeinfchaftlichen Einfauf oon Gebens* ober s MrthfchaftSbebürfmffen
im ©roßen unb Verlauf im Einzelnen (Rottfumoereine). ®ie Steuer
foE erhoben roerben bei einem 3ahreSumfaß oon über 200 000 bis
500 000 <1L mit bei einem 3uh r cSumfaß oon über 500 000 M
bis 1 Ntittion mit 1 , bei einem Umfaß oon über 1 ERiEion
mit 2 oom §unbert. Ein Umfaß bis gu 200 000 J(, bleibt
fteuerfrei.
«Stlbttfche VHSeellett. 2)te Stäbte roerben allgemach gu einer ftär-
ferett Verürfffchtigung ber Arbeiterintereffen gebrängt. 2)er ^artfer
Stabtrath unb Ser Seine»©eneralratfj gehen — mit ©enefjmigung ber
Negierung — fo roett, ben ausftänbigen Erbarbeitem bei ben feelt*
auSftellungSarbeiten 20 000 unb 10 000 grc. Unterftüßung gu beroittigen.
2)ie hottänbifche Stabt 3moIIe (etroa 80 000 Einroohner) ^at in ißrer
©aSfabrif baS ^)reifdhirfjten*Stjftem unter Veibcljaltuna ber bisherigen
fiöljne befchloffen, roie es fchon in einer Neiße oon großen Stäbten be*
fteßt. $er V erlin er SRagiftrat lj fl t fich Somit einoerftanben erflärt,
Saß bie Vermattungen ber ftäbtifdjcn Vetriebc ArbetterauSfchüffe
bilSen fönnen, fofern fie folchcS für groerfmäßig erachten, geborfj follen
ihre ©efdjäftSanroeifungen im gntereffe einheitlicher ©runbfäße genelptigt
roerben. Ein folrfjer ArbeiterauSfrfjuß befteljt bereits bei ben ftäbtifchen
©aSroerfcn, eine golge beS ©aSarbeiterftreifS. gn Eljarlottenburg
unb ®chöneberg ift bie Errichtung unentgeltlicher ftäbtifrfjer ArbeitS*
nachroeife befchloffen SBäljrenb aber ber Eharloltenburger baS ©eftnbe
auSfchließt unb fich nur an ungelernte Arbeiter unb Arbeiterinnen roenbet,
rourbe in Schöneberg bie AnSbehnung auf männliche unb roeibliche
$ienftboten unb bie Verbinbung beS ArbeitSnarfjroeifeS mit einer un¬
entgeltlichen AuSfunftsftefle in VerfidjerungS* unb NerfjtSfragen angeregt.
®chließlirfj ift hierher gu einem %l)cik ber Vefrfjluß beS Münchener
SIRagiftratSfottegium gu rechnen, ber nach bem Vorgänge anbercr großen
Stäbte beim Minifterium bie Aufhebung ber ©rengfperre für ®djla<ht*
oieh forbert, bie bie ©efamnttbeoölferung fchäbige. — 3« 8Raing hat
bie ftäbtifeße ginangfommiffton einfümmig befchloffen, für bie SBaifen*
ßauSfinber bie gamtlienpflege einguführen. — gn ^>alle a. S. beroü»
ligten am 27. ®ept. bie ®tabtoerorbneten einen Rrebit bis gu 10000
gu Vorarbeiten für bie Errichtung einer eleftrifcßen Eentralc. 2)ie
grage, roer baS SBerf bauen unb betreiben Jolle, rourbe oorläufig un*
entfdhieben gelaffen. — $>n Srottorf fnüpfen fich bie Vläne auf Er¬
richtung eines EleftricitätSroerfeS an bie Erroerbung eines SRüfjlcn-
grunbftitrfs mit bebeutenber SBafferfraft bureß bie EleftricitätSgefettfchaft
w §elioS". — £ie Verfucßc mit ©asautomaten haben in Verl in (fie
roaren in $)ienftroohnnngen angeftettt) immer nodh nießt gu einem fießeren
Ergebniffe geführt, gm SSinter roitt man es nun mit Vrioatleuteu
©tanbinßabem ber 9Rarfthatte 2 c.) oerfueßen. Sonberbar ift es, baß
man aus anberen (Stäbten längft oon guten Erfolgen biefer Einrichtung
gu berichten roeiß.
Jnftänbr.
®ie Sage ber Vanarbeiter in Amperbam»
s Bie in ber „Sogtalen SJka^iS" fetnergeit*) mitgetheilt rourbe
ßat bie Stabt Amfterbatn unter bem Einfluß ber umfangreichen
ArbeitSlofigfeit, roeldje fieß im SSinter 1896/97 feßroer fiißlbar
tnaeßte, bureß Vefrfjluß oom 30. 3um 1897 eine Rontmiffion eitt*
gefeßt, roelrfje in Verbinbung mit bem ftäbtifeßen ftatiftifrfjen Vureau
bie äage ber Arbeiterbeoölferung ber Stabt unterfueßen unb be*
fonberS bie 9Röglicßteiten, bie ArbeitSlofigfeit eingufeßränfen, prüfen
foEte. ®ie Rommiffion roanbte bereeßtigterroeife ißre Aufnterf*
famfeit guerft bemfenigen ArbeitSgroeige gu, roeltßer unter ber
ArbeitSlofigfeit am rcgclmäßigfteit uno am meiften gu leiben ßat,
ben Arbeitern in ben Vaugeroerben. 2>ie Ergebniffe biefer nunnteßr
im &rucf erfeßienenen Enquete**) feien im gfolgenben furg gu*
fammengefteEt.
$)a bie VeoölferungSberoegung unb bie roecßfelnbe Sntenfität
ber Vautßätißfeit oon beftimmenbem Einfluß auf bie Sage ber
Vauarbeiter ftnb, fo müffen einige ©orte barüber oorauSgefcßicft
roerben. ©egen Enbe beS oorigen 3aßrßunbertS betrug bte Ein*
rooßnergaßl oon Amfterbant etroa 217 000 V er fonen, biefe 3 a M
ging unter ber folgettben frangöftfeßett ^errfeßaft auf etroa 200000
gurücf. Erft um bie ERitte unfereS Saßrßunberts ßatte Amfterbatn
ungefähr roieber biefelbe Einrooßnergaßl roie 100 Saßre guoor.
Ein Vebarf nadj Stabtausbreitung roar in biefer 3^it alfo nießt
Dorßanben. Aucß in ben groangig Saßren oon 1850 bis 1870
blieb bie VeoölferungSgunaßme ttoeß in ben befeßeibenen ©rettgett
oon 8 , 7 %; bann aber ftieg fie für Sic ^efabe 1870 bis 1879 auf
18% unb 1880 bis 1889 fogar auf 25, 6 %. Snnerßalb biefer
SDefaben fanten übrigens, roie bemerft roerSen muß, bie ftärfften
*) Sogiale $rn£i* 1897 Nr. 38 unb 1898 Nr. 18.
i: 1: ) De Toostaml der Werklieden in de Bouwbcdrijven te Amster¬
dam. Rapport uit^ebraeht door de Ceinmissie van Onderzoek. 1898
(Verkrijgbaar bij het Ilureau voor Statistiek, Amsterdam).
39
©ogtale BrajtS. ©entralblatt für ©ogialpolittf. 9h:. 2.
40
©chroanfungeit oor. Aus biefctt 3 a ^ en wirb erflärlicß, baß bie
©rf)Öpfung ber neuen ©tabttßeite beS heutigen Amfterbam erft furg
oor 1870 begann. Streit .jpöbepunft erretcßte biefe lebhafte Bau*
periobe 1882. 3n biefem 3aßre mürben 931 neue Käufer fertig
gefteHt. $aS AuSftellungSiaßr 1883 bradjte bann eine $rifiS;
roäßrenb non 1880 bis 1882 2266 Käufer gebaut mürben, maren
eS 1883 bis 1885 nur 1289. Bacß bem 3aßre 1890 begann troß
beS BacßlaffenS ber fdjnellcn BeoötferungSgunaßme mieberum eine
[ehr ftarfe Bautßätigfeit, roelcße aber ißre Urfacßen nicht forooßl
im reellen Bebiirfntß ^atte als in ber Drganifation beS Bau*
frebits unb beffen fpefulatioer AuSnußung. $>iefe Beroegung farn
erft im hinter 1896 gum ©tillftanb.
$cr mastige Auffcßroung ber Bautßätigfeit nach 1870 hatte
crflärlitßcrroeife einen ftarfen 3uflufe non ArbeitSfräften nad) ber
pauptftabt gur Sol0 e - &ie 3 a ßl her iw Baufach befcßäftiaten
Berfonen ftieg non 6868 in 1859 auf 13 870 in 1889. 3n einer
3eit, mo bie Beoölferung um 68% geftiegen mar, Ratten fuß bie
Bauarbeiter um 102% nermeljrt. £)ie $olge mar bann natürlich
meit oerbreitete ArbeitSlofigfcit, als bie Stonjunftur utnfcßlug. Sieben
biefem Umfcßroung ber Monjunftur I>at bie fapitaliftifdje Um*
geftaltung beS Baugefd)äftS bie Sage ber Bauarbeiter ungünftig
beeinflußt. ÖS ift bamit in Amfterbam nidjt anberS gegangen
als in ben großen beutfdßen ©täbten. And) hier hat bie Bau*
fpefulation non ©enfcßen oßne Kapital allein im Bertrauen auf
ben äfrrebit ber ^ppotßefcnbanfen m ben traurigften $ataftropßen
geführt. SDtan hat in Amfterbam Das ©ort „Revolutiebouw“ für
biefe Art non ©efdßäftsbetrieb erfunben. X)och ftnb bie SBerfaffer
ber Önquete ber Anficht, baß bei Snfolneng ber ©pefulanten bie
Berlufte ber Arbeiter in Amfterbam nic^t fo groß futb mie in
SDeutfcßlanb, ba bie roöcßentlicheAuSgahlung eines geroiffen„©tanbarb*
loßnes" bie Siegel fei. SDieS gelte and) für bie Arbeiter auf ©tücf-
Ioßit unb bie fleinen 3wifcßeuineifter. dagegen fteßt es mit ben
generellen folgen ber fapitaliftifcßen Umgestaltung beS Baugefcßäfts
auf ben Arbeiter ebenfo mie bei uns: bie Arbeiter roerben nur
noch für bie Botlenbung eines beftimmten Baues angenommen
unb fielen nicßt meßr im bauernben Berßältniß gu einem Arbeit*
geber. Unter ben ungeheuer cjeftiegenen Anforberungen an bie
0d)neHigfeit ber Arbeitsteilung ift bie qualitatioe ÖeiftungSfäßigfeit
beS Bauarbeiters Beträitjtlicf) gefüllten; ber ©iücfloßn hat ben
©tunbcntoßn im meitefteu Umfang nerbrängt, aber bie große Shm*
furreng unter ben Arbeitern hat bie Soßnfäße immer roeiter ge*
örücft, fo baß bie Arbeiter ließ oielfacß ben 3eitloßn gurücfroüitfdjen.
©äßrenb ber ©tunbenloßn fid) feit 1875 non 13 bis 14 ©ent auf
20 bis 25 ©ent erßößt hat, nerbient ein Arbeiter, ber in ben
günftigen 3aßren 1875 bis 1880 eine roöcßentlicße Öinnaßme non
25 bis 30 ©utbcn hatte, feilte feiten meßr als 12 bis 20 ©ulben.
Sreilicß ift feit biefer 3^it ber Arbeitstag non 12 ©tunben unb meßr
auf 11 ©tunben ßerabgefeßt morben. 5Dic Arbeitslöhne finb übrigens
in Amfterbam banf ber Bemühungen ber öacßoereinigungen aucß
heute nodj ßößer öls in allen anberen hottänbifcheit ©täbten,
moburd) freilid) ber Anreig gur 3umanberung beftehen bleibt.
Xüe Önquete befchäftigt fich eiugehenb mit ben Beränberungen
in ber i ? age ber oerfd)iebencu klaffen ber Bauarbeiter: ber3immer*
leute, ©teinhauer, Biaurer, ©hnfarbciter unb BZaler. $)ie Sage
ber leßteren ift am uuerfreulichfteit, bie ArbeitSlofigfeit bei ihnen
am größten, nirgeubs ift in ßolge ber Bcrrailberung beS Bau*
gcfdjäfts bie Cualität non Material unb Arbeit fo gefunfen mie
bei ihnen.
©egen Mranfheit fjnb bie Arbeiter faft ausnahmslos nerfidjert,
gegen Unfall meift nur bie, melcfje unter Baumeiftern arbeiten.
3m Öigcnbau fehlt es faft burcfjmeg an einer Unfallnerßcherung.
^orf) mirb .^ollanb nermuthlid) nodi in ber folgenben fBinter-
feffion eine obligatorifchc Unfallnerficherung erhalten.
3nm ©d)Iuß prüft bie önqnete bie Biittet, melihe bie Sage
ber Bauarbeiter beffern fönneit. Öiner Berfidjermig gegen ArbeitS*
lofigfeit ftehen bie Beranftalter ber Erhebung au^ tcii)iiifcf)en ©riinben
ffcptifdi gegenüber. Audi non einer Arbeiterbörfc erhopen fie feine
mefcntlidie Abhülfe ber häufigen unb meitgeheuben ArbeiSlofigfeit.
dagegen ermarteu fie güuftigc Stefultate non iubirefteren SJcaß*
nahmen mie non einer SHeform bzz ©ubmiffionSmefenS. Arbeiter*
unb Arbeitgebernereiuigungeu follten fid) über Bcinimalftürflöhue
einigen, meldie bei allen ©ubmiffionen in Auredjnung gebradit unb
innegehaltcn merben müßten. ^aS .gauptaugeumerf* füllte aber
auf bie Betampfiing beS r Revolutiebouw ti geridjtet merbeu. ÖS
müßten fid) große ©efellfdmften grünben, tueIdie niefjt nur felbft
Käufer bauen, fouberu fie and) felbft erploitiren. ©aS ©elb,
meines man l;ente ben .pppothefeubaufen gumenbet, mürbe ihnen
gufließen, unb bie ©tabt, meld)e bie ©runbftücfe in örbpadjt*)
auSaiebt, müßte fich mit (Garantien nerforgen, baß bie örbauer beS
$au|eS auch Befißer bleiben mollen.
Brüffel. ©uftan SKaper.
$er KrüeüSmatft tm ©eptember geigte in $)eutfd)lanb mieberum
baS günftige ©epräge, meldjeS nur bureb ben jeßt beenbigten
fpanifch=amerifanifd)en Strieg geitmeife unterbrochen mar. $)ie all¬
gemeine roirthfd)aftlid)e ßage ber 3nbuftrie, mie fie im Banf* unb
Börfenuerfehr gum AuSbrucf fommt, mirb noch immer überroiegenb
giinftig angefehen, ift aber nicht frei non Borgängen, bie einanber
miberfpredjen. $ad) ben Örgebniffen ber ArbeitSnachroeiS-Berroal*
tungen, mie fie in ber Berliner SDtonatSfdjrift „$)er ArbeitSmarft"
neröffentlid)t finb, bemarben [ich um 100 offene ©teClen im ©ep*
ternber 101,0 gegen 104,2 im ©eptember beS BorjahreS. 5Der
Anbrang hat an 33 (+ 2 auStänbifchen) Drten abgenommen unb
nur an 19 (+ 2 auSlänbifchen) JDrten gugenommen.
^te ©efmtbljcU ber untere» ©tfenbah»Benmte» mar fürglich
©egenftanb eingeßenber Berathungen ber Berfammlung beutfeher
Öifenbahnärgte in Stöln. ®ie Berfammlung begcichnet bie An-
ftedung oon Aergten als SRitglieber ber oberften Bahnoerroaltungeu
nach & e m Btufter BapernS als ein bringenbeS Bebürfniß gur Ueber-
roac|ung beS ©efunbheitSguftanbeS ber Beamten, ber ja in Solge
ber naturgemäß feßr unregelmäßigen öebenSmeife ber Angefteflten
unb burch ihren 2)ienft an ber Außen feite ber ^erfonenmagen bei
2Sinb unb ©etter fd)meren ©chäbigungen auSgefcßt ift. AuS-
brücflich mürben baßer bie ©ießtigfeit georbneter ®ienftgeit, groeef*
mäßiger örnäßrung, Befleibung unb UnterfunftSräume betont,
ferner mürbe oerlangt, baß jeber Beamte jährlich einen regel*
mäßigen mehrmöchentlichen Urlaub genießen fülle, ber um fo länger
fein ntiiffe, je anftrengenber ber $)ienft unb je älter ber Beamte
fei. Önblicß mürbe oen öifenbahnbeljörben bie öinrichtung be*
fonberer ©enefungS- unb ÖrhoIungSheime roarm empfohlen.
fttnberarbeit in ^ranffnrt a. 9W. unb (£|et«mß. 2)ie Beit*
theilungen beS 3ranffurter Armenamtes forbern Öinfd)ränfung ber
£inberarbeit. Aus bem 23. Begirf mirb berichtet:
Btelfacß machen mir bie Beobadjtung, baß fchulpflicßtige SHitber in
ißrer freien 3 c ü bei frentben Leuten gegen Bcgahlung arbeiten, ©o
roerben namcntlid) bei bem 3äten ber ^ueferrüben fepr oiele ^inber
benußt. öu roäre feitens ber ^oligei am ^laße, einmal fcftguftcQen, ob
bie Äirtber bei biefeu Arbeiten nießt in moralifd)er unb gefunbheitlicher
Begießung gcfdjäbigt roerben. Aamentlid) foüte eS poligeilidjerfcits oer¬
boten fein, baß Rinber ÄbenbS in ©irthsßäufern gleicßüiel mit melier
Arbeit bcfcßäftigt roerben ober in benfelben mit ©aareit ßauftren gehen.
Um ben BUßbraucß finbtießer ArbeitSfräfte im S*feftaurationS*
betriebe eingufthränfen, ift in ößemniß jeßt bie Beftimmnng ge*
troffen, baß i^naben gum ^egelauffeßen nur an gmei £agen in her
©oeße ßerangegoaen roerben bürfett. 2>ie örlaubniß ift oon ber
guftänbigen ©chulbehörbe eingußoten unb barf nur ertßeilt roerben,
roentt ber £itabe 12 3«ß« alt, fräftig ift unb tabellofe ©djul*
leifturtgcn anfmeift. Btacßt er am &age naeß bem ^egelauffeßen
ben Öinbrudf ber örfcßlaffung, fo ift bie ©eneßmigung fofort gurürf*
gugießen.
Auflehnung beS ©ro$betriebS in Vtautthttut. Aus Mannheim mirb
uns gefdjrieben: ^er oor Burgern erfeßienene, bie ©eroerbeftatiftif ber
beutfdjen ©roßftäbte nach ber 3äßlung oom ©ommer 1*95 bcßanbelnbe
neuefte Banb ber ©tatiftif bcs Teutfeßen Aeicßes geftattet eine Ber*
gleicßung mit ben oom ßiefigen ftäbtifeßen ©tatifiifcßen Amte im Xe*
gember hörigen 3oßreS für Sftannßeim oeröffentlicßtcn örgebniffen. öS
läßt fid) baranS erfeitnen, in mie roeitg eben bem Bfaßc bie großbetrieb*
Iidjc Rongentration in unferer ©tabt fortgefcfjrittcn ift. 3ur 3üßtungs*
geit beftanben nämlicß in Mannheim 14 Betriebe mit je über 200 bai*tn
Befdiäftigten, gnfammen mit 5797 Berfonen. Xamit iibertrtfft Btaitnßeim
13 oon Den 28 fämmtlid) größeren beutfeßen ©roßftäbten, barnnter auch
uriferc Aacßbarftäbte gremffurt, ©tuttgart unb ©traßburg. Jpinficfjtlicp
ber ©efammtgaßl ber in ÜDiotorenbetrieben oerroeubeteri BT cl 'bcftärfen
fteßt aber Atanußcim mit 15 262 fogar feßon an ficbenter ©teile unb
laßt felbft brei* unb oicrntal jo große ©täbte, roie Biiindicu, XreSben
unb Breslau tßeilmcife erßeblid) ßinter fid) guriief. 3m Bcrgleid) gur
Beoölferung, b. ß. bei Bcred)iiuug ber auf einen (Simuolincr entfallcnbcn
Bferbeftärfcn ber SWotoreubetriebc, roirb unferc ©tabt überhaupt nur
noeß oon Xortmunb iibertronen unb roiirbc bei öiureeßnung ber feitßer
cinoerleibteu Borortc Ääfcrtßal, ©albßof unb S?ecfarau maßrfd;einltd)
fogar an bie erfte ©teile rüden.
: ) Xurcß Befcßluß oom 16. 3uli 1*96 oerfauft bie ©enteinbe
Amfterbam ben ihr gehörigen Olrunbbefiß nid;t mehr, fonbern gtebt ihn
mir nod) in örbpadit aus.’
41
©ojtalc frasis. «entralblatl für ©ojtalpolittl. ftr. 2.
42
^rbtiterbesuegirag.
Allgemeiner AnSfUtttB im ^atifet BangetoerBe.
Aus Boris wirb uns getrieben: Der Streif bcr ©rbarbeiter in
Baris, bcr 2Ritte September begann unb binnen wenig Dagen faft alle
Baupläfte ergriff, fo baß ©nbe September etwa 15000 Arbeiter feierten,
bat fidf) nun jum AuSftanb faft beS gefammten Baugewerbes ent*
nricfclt. Die Bewegung ^aite urfprüuglich nur eine 20proxentige
ßobnerböbung für Die ©rb* unb Bohrarbeiter jum 3mecfe. geboch
lag in biefem einfachen Verlangen \)öfyxcx Soßne fchon ber Keim
Zu einem prinzipiellen Streite. Die oon ben Arbeitern oertangten
Sohnfäfte fteüten nämlich bie bei ben Koftenbered)nungen ber öffent*
liehen Arbeiten ber Stabt Baris $u ©runbe gelegten Da;ren bar,
unb biefe Dajen, bie fich feineSwegS nach Nachfrage unb Angebot
non Arbeitern richten, fonbern auf ben effeftioen ßebenSfoften ber
arbeitenben klaffen beruhen, erfcheinen in gemiffem Sinne als
Bfinimallöhne. gür ihre eigenen SHegieunternehmungen zahlt bie
Stabt ganz felbftoerftänblich bie ßöhue biefer BreiSliften, bie fo*
genannten prix de serie, unb feftt oorauS, wenn fie es auch nicht
auSbrücflich ftipulirt, baß bei ihren an Brioatunternehmer oer*
gebenen Arbeiten biefe ßöhne ebenfalls befahlt toerben. ©anz
natürlicherweife ermaßt bann bie Denbenz, biefe ßoljnfäfte für baS
prioate Baugewerbe, namentlich für bie Bauunternehmungen ber
(Sifenbahngefellfchaften zu oerattgemeinern. Die Unternehmer freilich
wiberfeften fid). Die ßöhne, welche fie burchfeßnitttich Z a ^ cn ^ halten
fich etwa 20 °/ 0 unter ben Dajen ber offiziellen Breisliften. Selbft bie
in ftäbtifchem Aufträge ftehenben Unternehmer zahlen geringere Säfte
unb motioiren biefeS Berftalten bamit, baß fie bei ben Submiffionen
beträchtliche Rabatte auf bie amtlichen Koftenoorfchläge gewähren
müffeit, ferner eine Sfteihe oon ©eneralunfoften zu tragen hüben,
welche bei ben amtlichen Berechnungen nicht berücffichtigt werben.
Anläßlich beS feßwebenben Streites haben übrigens auch Z^ei
ftäbtifeße Ingenieure erflärt, baß bie Unternehmer an ber un*
qualifizirten Arbeit nichts oerbienen, bafür freilich an ber qualifizirtcn
um fo größere Profite machen.
Das ift ber reale Untergrunb, auf bem ber Streif ber ©rb*
arbeiter ansbrach, ber bis zum 8. Dftober zum AuSftanb oon
35—45000 Bauarbeitern aller Kategorien geführt ßot unb in einen
©eneralftreif ber ganzen Arbeiterfcßaft beS SeinebepartementS aus*
Zuarten broßt. Baris befinbet fich benn auch fcßon feit einer Wocße
wenn nicht im formellen, fo hoch im tßatfäcßlichen BelagerungS*
Zuftanbe. Erwähnt muß übrigens werben, baß bie ganze Be*
wegung nicht frei oon potitifchen Sföotioen ift. ©S war anfänglich
bie um bie „Betite SRepublique" gebitbete ©ruppe ber fozialiftifchen
Führer, welche ben Don angab, unb bie Streifer ließen fich felbft
herbei, bie oon ber nationaliftifcßen Partei (ehemalige Boulangiften)
gefammelten Unterftüftungen zurüefzuweifen. Unb wenn fich heute
bie Befchäftigten ber Dransportunternehmungen ben Bauarbeitern
anfcßließen wollen, fo bringt bamit ein Element in bie DiSfuffion,
welche ben wahrfcheinlithen ©rfolg ber Bauarbeiterbewegung fehr
gefährben fann. Denn bie Bewegung ber Ieftteren begegnet faft
überall fympathifeßer Beurtheilung. $at fich bo<h ber ©emeinbe*
rath oon Baris zum auSgefprochenen unb riicfhaltlofen Bertreter
ber Arbeiterforberungen gemacht, unb fanben bo<h auch bie aus
öffentlichen Mitteln bewilligten 30000 grcS. Unterftüftung für bie
Familien ber AuSftänbigen — bie freilich erft nach Beenbigung
beS Streifs oertheilt werben — anftanbslos bie ©enehmigung ber
Staatsregierung. Alle biefe Sympathien bürften fic| aber oer*
lieren, fobalb bie oon ber reoolutiouär * fozialiftifchen Arbeiter*
beoölferung granfreichs mit Borliebe gepflegte Sbee beS ©eneral*
ftreifs baS bisherige fehr eyafte Streifprogramm ber Bauarbeiter
oerbrängt. Diefe Denbenz, bie Bewegung zum allgemeinen Aus*
ftanb, mit reoolutionären 3ielen, sunt Butfche fortzubilben, wirb
fchon allzu beutlidj.
Der gegenwärtige Stanb ber Berhanblungen ift ein berartiger,
ber nicht auf raffen Abfcßluß beS Streites hoffen lägt. Die Ber*
fueße zur Bilbung eines gefeftlicßen ©iniqungSamteS mißlangen,
dagegen haben bie Bemühungen beS Bartfer ©emeinberatheS
wemgftenS einen ©rfolg gehabt, ber wenigftens für bie im Dieitfte
ber Stabt Baris fteßenbe Unternehmer unb ©rbarbeiter ben Kon*
flift beenbigen fönnte. Diefe für bie Stabt Boris befchäftigten
Unternehmer hoben nämlich auf ihre abgefchloffenen Berträge oer*
Zicfttet unb bewilligt, baß bie Stabt Boris alle Dagelößnerarbeit,
bie in ihren Aufträgen enthalten war, in eigener SRegie ausführe,
woburd; bie ©rbarbeiter zu ihren geforberten ßöftneu fämeu. @S
bleiben jeboch noch bie grofte 3ohI ber prioaten Bauunternehmer
unb bie ©ifenbahngefellf(haften, welche oon biefnt Berhanblungen
nicht bireft berührt werben unb bie heute noch feineSwegS zum
$achgeben geneigt fefteinen.
Berfchltmmert wirb bie Situation burch bie nunmehr fehr
beträchtliche Xheilnahme ber übrigen Bauarbeiter am SluSftanbe.
©S hoben fich etwa 50 Slrbeiterfategorien für ben Streif erflärt.
SJfferbingS würben bie offiziellen ©ewerffchaftsbefchlüffe nicht allzu
ejaft ausgeführt. 9)tit bem (Eintritte ber übrigen Bauarbeiter,
namentlich ber Btaurer, Schloffer, Scftreiner, hot fich auch baS
Streifprogramm erweitert. 9Jtan forbert nicht nur ben ßoftn ber
amtlichen B r et^Iiften, fonbern oerlangt [choit ftaatsgefeftliche geft*
legung ber BreiSliftenfäfte als Btinimallöhne. ferner werben bie
ftänbigen Sorberungen, wie 2lbfd)affung ber Btarchanbage, Berbot
ber ßohnabjüge für UnfaUoerfidjerung 2 c. als unerläßliche Be*
bingungen etneS frieblichen BerglcichS genannt *)
Boris. 5. Schotthöf er.
©tfammfrerBattb ber ©öangclifchett IrBelferocreiae $etttf<h*
laitbS. Sn einer SluSfchuftüftung z u Söittenberg am 19. unb
20. September würbe eine SRefolution gefaftt, bie eine weitere gort*
führung ber fozialen Beform als eine $othwenbigfeit forbert; ins*
befonbere habe fie fich S u erftreefen auf bie Schaffung gefeftlidjer
Beftimmungen, weiche eine wirffame Bertretung ber StanbeS*
intereffen ber Arbeiter burch SlrbeiterauSfcftüffe unb Slrbeiterfammern
ermöglichen, auf bie Begrünbung gemeinfamer Drganifationen ber
Arbeitgeber unb Arbeiter, auf bie obligatorifcfte ©inführung oon
©inigiingSämtern unb ScftiebSgerichten mit Urtheilfprcd^itng unb
eoentucU mit ejefutorifcher ©ewalt, auf ein arbeitsftatiftifches Amt,
auf ftrengere Beauffichtigung ber £>auSinbuftrie, auf angenteffeue
Kürzung ber Arbeitszeit, foweit fie im 3ntereffe ber ©efunbheit unb
beS gamilienlebens nothwenbig erfcheint, auf weitere Befdjränfung
ber grauen* unb Kinberarbeit unb auf geregelte Durchführung ber
Sonntags* unb SRacfttruhe für bie Arbeiter. — galls ein nationaler
ArbeiterfdEjuftfongreft z« Stanbe fommt, foll er oont Berbanbe be*
fehieft werben. Sftachbriicflich würbe für „ein enblicheS praftifdjeS
Angreifen ber Wohnungsfrage im groften Stile im Sinne eines
BeichSwohnungSgefefteS" plaibirt. Sn Sachen beS Koalitionsrechts
unb ber obligatorifchen ©inigungSämter oerharrt ber Berbanb auf
feinen früheren Befcftlüffen. Die ©rrichtung eines arbeitsftatiftifchen
Amtes würbe für unerläßlich erflärt. ©benfo würbe bie ©infeftung
fozialer Kommiffionen in ben Stäbten für nötftig befunben. Schließ*
lieh faßte ber AuSfcßuß ben Befcßluß, es fet eine Reform ber
Alters* unb SnoalibitätSoerficherung im Sntereffe ber Arbeiter*
beoölferung namentlich in ber Bicßtung einer §>erabfeftung ber
Altersgrenze, ber Betheiligung ber Berficherten an ber Berwaltung
unb SRechtfprecßung, ber Berfünung ber Karenzzeit unb ber Be*
feitigung mancher bei ber Becßtiprechung in ben unteren Snftanzen
entftanbenen gärten bringenb erwünfeht.
Der Bafterifche ©ifenBaftnertierBanb, beffen ©rünbunaSaefchichte
unb bisherige Dhätigfeit bie „Soziale BrofiS" im Sayrg. VIl
9fr. 35 befproeßen hot, hot fich jeftt ein eigenes Drgan mit bem
Ditet „Der ©ifenbahner" gefchaffen, baS auch Zugleich als Drgan
ber babifchen ©ifenbahnbebienfteten bient. Sn beut programmatifchcn
©inleitungSartifel wirb ber 3mccf beS Blattes wie folgt bezeichnet:
Der „©ifenbahner" wirb ein gewerff<haftlid)es Organ fein, baö
für bie §ebung unb für bie wirthtchaftlicfie BcffcrfleÜung ber Bahn*
bebienfteten uito ber Bahnarbeiter eintritt, bercdjtigten Klagen 9tu$brucf
aiebt unb geeignete Wünfcßc unb Beffenmgöuorfthläge an bie Oeffentlid)*
feit bringt. 2SaS z»r Belehrung beS ©ifenbahnbebienfteten unb Arbeiter)?
gehört, was ins ©ebict ber gefunben 0elb[thülfe einfchlägt, was in
anberen Säubern unb Betrieben GJuteS in nuferem gaeß gefdjaß'cn wirb,
foK in unferem Blatt mitgetheilt unb erörtert werben.
©in anberer Seitauffaft ift aus ber gebet beS ©ifeubahu*
bireftors 0. be Derra in ©üben, unfern ßefertt als Mitarbeiter
ber „Sozialen B r oji§" mohl befatmt.
Streifs in DeutfcBlanB tnährettb BeS SeptemBerS. 9fa<h einet
ftatiftifchen 3 u fommenftellung in ber 3citfchnft „Der ArbeitSmarft"
betrug bie 3 a h^ im September neu begonnenen Streifs 2H
*) Die leftten, oor Acbaftionsfdjiuß cingctroßencu tclegraphiidjni
Aacßridjten über ben Stanb beS Streifs fmb oom 11. Oftober Abeubi?
unb lauten: Dem „Stfatiu" gitfolqc erflärtert bie Bertreter bcr ©rb*
arbeiter, bie Arbeit erft bann aufzuuehmen, wenn aud) bie gorbermigen
ber übrigen ©ewerffdjafteit, mit beneit fie fidj folibarifdi erflärt hatten,
erfüllt feien. Die Bertreter beharrten hierbei, obglctd) ber Bi’öfibcut
beS ©emeinberathS ihnen bie (Gefahren eittev ^pifammeuftoßcs mit ben
Üruppcn, ja fogar bie für ben galt rum Unruhen bie Bepubtif be-
brohenben (Gefahren oor Augen hielt. Bon ocrfdjicbeneu Seiten wirb
oerßehert, baß ber AuSftanb im Abnehmett begriffen ift. '{um £dn\i}c
bcr Baufteücn waren gefteru 23 0üü Solbateu aufgcbotcu.
43
©ojialc Ißrajis. ©entralblatt für ©ojialpolitif. 9fr. 2.
44
gegen 56 im Vormonat; bas Baugeroerbe jeigt abermals bie
metften AuSftänbe (8). £)er September roeift in ben erften neun
Monaten beS 3uh rc 3 hiermit bie niebrigfte 3öf er auf- ©egen ben
Auguft §at fid) bie 3 a hl ber Streik um mehr als bie Hälfte oer*
minbert. ^ie meiften Stu^ftänbe finb baju ihrem Umfang nad)
unbebeutenb. Namentliche ©rroähnung oerbienen nur ber AuSftanb
ber Sdjieferbecfer in ^reSbeit mit 147 unb ber ©kberftreif in
©lauchau mit 150 Betl)eiligten.
©egen leichtfertige Streife int ©rmtgetoerfce p ^atnbttrg fpracß fid>
jiingft eine Stötiglteberocrfantmlung ber bortigen ©eftion beS (Eeittral*
ocrbanbeS ber ©rauer unb oerroanbten ©crufSgenoffen ans. ©S mürbe
lebhafte Klage barüber geführt, bah in lejjtcr ^eit in ^amburg baS
9?ieberlegen ber Arbeit in einzelnen Brauereien faft epibcmifdj zu merben
fcheine, unb befdjloffen, „bah in gufunft ArbeitScinfteßungen in ben
Brauereien, bie ohne oorberige Anmclbung bei ber ©cftionsocrroaltung
befdjloffen unb auSgefüf)rt merben, moralifdj unb finanziell uuberiicffuhtigt
bleiben füllen."
fiopttbettefpita int fRtthrfohlettrtlritt. Sfruerbings macht fid)
unter ben Bergarbeitern bes SßuhrreoierS eine Sohnbemegung be*
merfbar. X)aS Organ beS fozialbemofratifdjen ©erg* unb Hutten*
arbeiter*BerbanbeS fcfjrieb jüngft unter ber ©pipmarfe: „©Soßen bie
SHuhrbcrgleute ftreifen?" golgenbeS:
„©tubirt man bie monatlich herausgegebenen ©efdiäftsberidjte ber
3 echengefeDf(haften, bann mirb einem mit (bemalt bie ©rfemttniß auf*
gebrängt: ©o alänzenbe (Hefdiäfte mie heute madjten bie BergroerfS*
bcftper nod) nie! Auf bem ftelinftäbter unb Xortmunber ©erguiännStag
bejeidineten mir einen Xurdßrfjmttslohn oon 4 M . für bie bcutfdjen
Bergleute als SKinbcftforberung. Heute ift ber Xurdßdniittslobu bes
SRuhrbcrgmannS aller K laßen erft 3,60 J£. 2Bir haben alfo eine £ol)n*
erhöhung für alle Auhrbergleutc oon 10% anjuftreben. SSenn mir bie
jepigc außerorbentlid) günftige $eit oerftreidjen laßen, ohne minbeftens
ben ©crfuch gemad)t ju haben, beffere Arbeitsbedingungen- zu fdjaffen,
bann begehen mir ein grobes Unrecht an uns unb unferen Angehörigen.
Kameraben im Shiprgebiet, mir forbern ©ud) auf, (Sud) alle uns an*
Zufcpließen. ©Senn mir jept einig unb befonnen oorgehen, bann fönnen
mir fchon ©rfolge erzielen. Am 9. Oftober rooßcu mir in ben oon
unferen ©ertrauensmännern in Xortmunb, Bochum, ©ffcit, Dbcrhaufen
einberufencn ©erfammlnngen uns barüber beratfjen, fein beitfeitber
©ergmamt, ganz gleich roeldjer polilifdjen Aidjtung, barf fehlen. ©Sir
erwarten, baß unfere Kameraben fich in SRaffc einfinben zur ©efdßuß-
faffung über unfer ©orgehen. Alfo GHi'trf auf!"
£>ie Jyorberung einer zehnpn> 3 entigen Lohnerhöhung ift bereits
im oorigeit 3ah rc oom ©hriftlid)en ©ergarbeiteroerbanb erhoben
morben. Anfdjeinenb holten fid) bie Bergarbeiter für ftarf genug,
bie Lohnforberuitg frieblid) unb ohne ©treif burchzufepen. 3n ben
bisherigen Bergarbeiter-Berfammlungcn finb ftetS Die nachtheiligen
^folgen eines etroaigen AuSftanbeS h er o° r 9 e hobeit worben. — 23te
aus 3 e ünngSberichten zu erfehen ift, hohen in Bochum, ©ffcn unb
Dberhaufen bie oom Borftanbe beS alten (fozialbemofratifehen)
BergarbeiteroerbanbeS angefünbigten Berfammlungen ftattgefunben,
mährenb bie für £>ortmunb auf ben Bonnittag angefepte roeaen
ber Dberpräfibialoerorbnung über bie äußere $eilighaltung oeS
©onntageS ausfiel. Sn ben anberen, fepr ftarf befud)ten Ber*
fammluttgen mürben Befolutionen gefaxt, bie für Koalitionsfreiheit,
Zehnprozentige Lohnerhöhung, ArbeiterauSfd)üße, Heranziehung oon
praftifchen Bergleuten zur ©rubenaufficht eintreten.
Kotigreg ber belgifcheu Bimenarbciter. Am 2. unb 3. Dftober
ßnb in gramerieS bie X)elegirten oon 50 ©ruppen ber belgifd^en
Bfinenarbeiter oerfammelt getoefen, oor Aßent, um über bie ©Uttel
ZU berathfd)Iageit, mie man am Bcften Angefidjts ber glänzenben
Lage ber Snbuftrie unb ber gegen baS oorhergehenbe 3al)r noch
bebeutenb gediegenen ©ioibenben, eine Lohnerhöhung burchfepeit
fann. Aße Bebner ftimmten barin überein, bap ein ©treif nur
als ultima ratio angefeheit merben bürfe unb bafe aße gütlichen
©Uttel oorerft zu oerfuchen feien, ©ine Sftefolution fanb Annahme,
melche fich für bie fofortige (Errichtung eines conseil des char-
bonnages auSfprid)t, ber z u gleichen ^heilen aus Arbeitern unb
Arbeitgebern beftehen unb eine ©iitigung über bie Lohnerhöhung
oermitteln foß. ^em Conseil foßen rcenigftenS fiebeu Arbeiter
angehören, mcld)e oon ben Iofalen Drganifationen in ©leitar*
oerfantmlungen zu mäl)Ien feien. Aße Befd)lüffc beS Conseil foßen,
um ©iiltigfeit zu erlangen, ben regionalen Drganifatiotten ber Ar*
beiter zur Annahme oorgelegt merben. Anwerbern mürbe burch
Befolution für jebeS Koljlenoaffin bie ©chaffnng einer ftänbigen,
gleichmäßig aus Arbeitern unb Arbeitgebern beftef)enben Komiffiou
für Siegelung aüer Lohnfragen gefolgert, ©in ^h e ^ ^ er ^efo*
iutioucu beS Kongreßes touroe geheim gehalten; oermuthlid) alfo
biejenigeu, meldje fid) auf bie ©oentualität eines ©treifs beziehen.
Sn ber erften 9iooetnbermod)e foß in La Lonoiere ein mciterer
Kongreß abgehaltcn merben.
(Einer amtlichen ©tatiftif ber Annale$ des Mines de Belgique ent*
nehmen mir folgenbe Angaben: Xie belgifcße Kohlenerzeugung belief
ftef) im S^hfe au f 21 492 446 Sonnen ober 240 076 mehr als im
©orjahre, eine 3 a hh bie noch nie erreicht morben mar. £er !?urch*
feßnittspreis ftellte fich a»f 10,74 grcS. Xie Arbeiterzahl betrug 120 382
ober 1136 mehr als im Sahrc 1896, worunter im ©anzett 636 roeib*
ließe. An Löhnen mürben bezahlt 123 258 500 Srcs., ber Sahreölohn
belief fid) netto auf 1006 Jvrcs. unb ber Jagelohn auf 3, 4 o 3rcs., bas
ift eine (Erhöhung oon 48 (EentS ober lö% gegen baS ©orjahr, baS
in ben Kohlengruben angelegte Kapital erzielt einen Oleminn oon
35 861 000 gres. ©on ben 209 596 100 SrcS. ber Kohlenerzeugung ßelen
o5 9 /io°/o auf bie Arbeitslöhne, 35‘ i /io°/o auf ©etriebsfofteu unb 8 ü /i 0 °/o
auf baS Kapital. 3m Sabre 1897 mareu 48 Aimftänbe zu oerzeichnen,
oon benen nur oier zu fünften ber Arbeiter enbigten. Xic oon ben
AuSftänbigen eingebüßten Arbeitstage bezifferten ftd) auf 464 500, bie
einem Sohnbetrag oon miubeftens 1 579 300 $rcS. entfprechen.
8<h»ei|crifchcr ©rfttliberein. X)em oor Kurzem erfeßienenen
Bericht biefeS größten fd)ioeizerifchen ArbeiteroerbanbeS ift zu ent*
nehmen, baß ©ube 1S97 bic 3al)l ber ©eftionen fich auf 324 mit
annähernb 11000 s Mtgliebern belief, ©eit fieben 3ah rai 9 e .^ ^ cr
Beftaub ber BUtglicber fortroährcnb zurücf mib zwar, mie ber
©entraloorftanb freimütl)ig erflärt, hauptfäd)lich beSmegett, meil ber
Berein fich & er ‘Sozialbemofratie zugemanbt h a */ ^ fl nn aber
auch in öolge ber Konfnrrenz ber lofafen unb BetriebSfranfen*
faffen unb ber gefinnungS* unb zmecfoerroanbten Drganifationen
mit zum großen X()eil mebrigen Beiträgen, freilich in ber Begel
auch bementfpredjcub geringeren Leiftnitgen (aßgemeine Arbeiter*
oereine, fozialbemofrattfd)e s DiitgIiebfd)aften, lofale ©arteiorgani*
fattonen unb Arbcitcrnnioncn, ©emerffchaften unb ©enoffenfehaften).
X)ie Kranfcnfaffe beS BereinS nnterftiißte im oergangenen Sahre
1428 s JD?itglieber für 38 730 KranfheitStage mit 65 221 ftres. 0eit
ber ©riinbung beS SnftitntS bezogen 12 352 ©Jitglieber für 973 955
Kranfcntage 1 623 467 Srcs. Unterftiipung. Xde ©terbefaffe zahlte
im Berichtsjahre für 79 ©tcrbefäüe 23 180 feit ihrem Be*
ftanb 263 330 JfacS. X)ie ©terberentenfaffe zählte 39 ©eftionen
unb zahlte feit 1889 25 319 JrcS. aus. daneben befteht noch
eine centrale llnterftüpungSfaffc, mclrf>e im Berichtsjahre 46 Btit*
glteber mit 3200 3rcS. unterftiipte. Sti ben ©eftionen beS BereinS
mirb baS ©chieß*, Xurn* unb ©efangmefen eifrig gepflegt, ebenfo
and) baS Unterrichts* unb BortragSmefen. Unterrichtsfächer ftnb:
©chreiben, ^fedjnen, Budibaltnng, 3eid)nen, frembe ©pradjen,
©eograpßie unb ©cfd)id)te, BcrfaffungS* unb ©cfepeSfunbe. X!ie
Haupttpätigfeit beS BereinS liegt aber auf politifcpem uub fogial»
politifd)em (>)ebiet, too er als „linfer fjlügel" in ©emeinbe, Kanton
unb Bunb manchen Borftoß ausübt. ©s mirb im Bericht Klage
geführt, baß bie ©emerffchaften unb ©enoffenßhaften, namentlich
bie Konfumoereine, bie politifcpe Aftion beS ©rütlioereinS oiel z«
meitig mürbigen. ©ine fraftooße poiitifdpe Arbcitcrberoegung ber
©croerffdjaftS* unb ©enoffenfehaftsberoegung, bie oom Unternehmer*
tpum einerfeitS unb oon einem mobern aufgepupten 3ünftlerthum
in Hanbel unb ©emerbc anbererfeits fortmährenb leibenfcpaftlicpen
Angriffen auSgefcpt feien, biete roerthooßen ©cpup für ihre freie
©ntfaltung. Außcrbem liefen ©emerffchafter mie ©enoffeufchafter,
bie oon ber hohen Bebcutung beS politifchen Kampfes ber Arbeiter*
fepaft iüd)t burepbrungen feien, leicpt ©cfapr, zu oerfnöd)ern; als
©emcrfjchaftcr risfirten fie, in bic 3nnftleret zurütfzufaßcn, unb
als ©enoffenfd)after (fpezieß als Konfumoereinler) auf bas geiftige
$ioeau beS naep ^roßt pafepenben Kleinbürgers zu oerftnfen.
®et BereinSPerBattb ber engltfdjett ©ifettBaptter pat oergangene
SSocpe in Loubon feinen SapreStag abgepalten uub ift trop ber
üblen ©rfaprungen im oorigen Hcrbft im ©taube gemefen, einen fepr
befriebigenben Beridit fomopl über feine gortfepritte im lepten Sapr,
mie über bie gegeumärtige Lage zu erftatten. 3 ro ar finb bie
Klagen über niebrige Löpnc unb lange Arbeitszeiten nod) immer
häufig, aber bic eingetretenen Beränberungen finb boep aße zu
©unften ber Arbeiter gemefen, uub ber fürßlid) ocrößentlid)te AuS*
meiS beS Arbeitsamtes zeigt, mie beträchtlich bie Lobnftetgcrungen
roaren (oergl. „©oziale ^raiciS" VII ©p. 1314). ©Sie uns gefdjrieben
mirb, miß ber Bcrbanb fich c i ne Bertretuug im Unterlaufe fichern:
er miß fid) bemühen, jmei Abgeorbuete zu entfenben, bie mit feiner
politifd)cn Boißü, meber mit beit Konfei*oatioen, nod) ben Liberalen
ober bcu ©ozialiften gehen, fonbern ganz auSfd)Ucßlid) bic ©ifeit*
bal)ner= v 3ntercßen oertreten foßen. ©o bebauerlid) biefe engherzige
©ittfd)äpuug ber parlameutari)d)cn Bßidjteit ift, fo mürbe eine
foId)e Stcpräfcntation einer großen Arbeitergruppe hoch angemeffen
uub oenuinftig in einer Kammer fein, bic unter ihren s Dcitgliebern
nid)t meniger als 66 ©ifenbahnbireftoreu zählt. — S)er Borfchlag
einer Sufion bes Aßgemeinen ©ifcnbahnarbciteroereiuS mit beut
Berbanb ber ©ifeubahner ift auf bem Kongreß angenommen
45
Sogialc $ra$t«. ©cnlralblatt für © ogialp olitif. Ar. 2.
46
roorben; gelangt er gur Ausführung, fo roirb bamit ben Bereichen,
roie in 1890, bie fd)led)tgelöf)ntcn Arbeiter auf einer befonberen
Bafid gu organifiren, ein Siegel oorgefchoben. Anfangs ftröinten
in ber Begeiferung für ©crocrfoerewe nach betn grafen $)ocfer*
ftreif ron 1889 bie ©ifenbahnarbeiter 31 t £aufenben in ben neuen
unb billigeren Bereut. Stber bied pilgartige Auffchic&en war nicht
oon langer £>auer unb feit einiger $t\t fdjon ift bie Bebeutung
biefed Bereind gietnlich unerheblich- 3« tmmfdjen ift b’aber bie
JDrganifation auf einheitlicher ©runblage. BieUeicht hat bie ©r*
fahrung ber leften Sabre bie Mitglieber bed alten Berbanbed ge*
lebrt, feine ejfluftoe ^olitif 3 U oerfolgcn unb bamit Iebiglid) bie
Sntereffen ber „Ariftofratie" unter ben ©ifenbahnern 3 U wahren.
URad) betn $0hlcngrulcii*Aiidfitanb in ©äbroaled. BHe und mit«
getbeilt roirb, fmb in oer oergangenen 38oche bie ®inge im Noblen*
biftrift non ©iibroaled rtidjt glatt gegangen. ©ine große Angahl
uan Bergleuten hat in ©iberfpruch S u bem l e ttt e n Abfommen
(ogl. „©ogiale B ra £id" gahrgang VII ©p. 1287) ben abgefebafften
Monatdfeiertag, ben „Mabondtag", abgebalten. T)ie ©rubenbefifcer
ftnb barüber feljr aufgebracht unb haben befchloffen, bie geiernben
3 U oerflagen. Die gälte ftnb noch nicht nor ©ericht gebracht, aber
road auch bad ©rgebnife fein mag, ed roirb feine folrfje Tragweite
haben roie bad Berbalten ber Arbeiter felbft. $>enn ber Bruch
einefc in aller gorm abgefchloffenen Abfommend, mag ber Anlafc
aud) aerbältnifmäfig noch fo unwichtig fein, muf nothroenbiger*
weife ernft genommen roerben. $>ie Abneigung ber Unternehmer,
bie Arbeiterorganifation an 3 uerfennen, erhält aud folgen Borfällen
ftetd neue Nahrung, unb bie Mage, baf fogenannte Bereitibarungen
nicht mehr roertb feien ald bad Bapier, auf bem fie getrieben,
roirb baburdj beftärft. „Um ihrer felbft mitten," febreibt itnfer
Lonboner Mitarbeiter, um bed guten Ramend ihrer Drganifation
unb ald Beweis ihrer Bertrauendroürbigfeit ift ed bie ernfte Pflicht
ber uerantroortlichen Leiter oon Arbeiteroerbänben, peinlich ehren*
haft in ihrem Beftehen auf ©Inhalten ber einmal getroffenen Ab*
madjnngen 3 U fein, unbefümmert roie unroillfommen biefe auch fein
mögen, 2Benn bie 3«t für ihre Beränberung fommt, fo barf
roieber nur bie allgemein anerfaitnte Methobe inbuftrietter Diplomatie
angeroanbt roerben; fonft oerfättt biefe rettungslos in Mißachtung."
3 u beachten ift inbeffen gerabe in biefern gatte, baf bie Drgantfa*
tion ber BSalifer Bergleute äuferft lofe, ihre ^id^iplin feljr fchroach
ift. 3Med trat in bem gan 3 en Berlaufe bed Audjtanbed heroor.
Audftaub ln ber Möbeltifdjlerci bon ©«haUlanb. Man fchreibt
und: ©eit oielen 2Bod)cn h err f<^t in ber fchottifdjen Möbeltischlerei
ein ©treif. ©r enftanb wegen ber ©tiieflöhne, wogegen bie Ar*
beiter nachbrücflich proteftirten. ®od> ift ed wenig roahrfcheinlich,
baf fie siegen roerben, ba bie Arbeitgeber einig unb gut organifirt
finb. Qi e Arbeiter ftnb bamit einoerftanben, baf ihre gorberungen
einem ©chiebdfprud) unterworfen roerben, bie Arbeitgeber aber
lehnen bied ab, ba fie bed ©ieged ficher ftnb. ®ie Arbeiter würben
baher gut thun, in ber ^auptfache nach 3 ugeben unb ihre $raft
auf bie Regelung ber ©tücflöhne 3 U oerroenben, anftatt auf ihre
Befeitigung. früher war ©tücflohn bie Siegel in biefer ©eroerbe*
gruppe, aber bie Mufter waren barnald oiel weniger gahlreid).
gefci hat fid) bied geänbert, ber fchnette SÖedjfel ber Mobe unb bie
Audbehnung ber Arbeitsteilung haben bie Arbeitdbebingungen
oerfchoben. Aber bie ©efellen roerben biefe ©ntroicflung nicht auf*
hatten; ihr Augenmerf mufe barauf gerichtet fein, bad T)tücfen ber
greife unb bie Audnüfcung ber Arbeiter 3 U hinbern. ®ad ©tüdf*
lohnfpftem fönnen fte nicht abfehaffen.
^rbeUrrfdjuig.
Berg«rBfiterf<htth'g 0 rberungem $er in ber ©ergangenen Söodje
in ©tuttgart abgehaltene Barteitag ber beutfehen ©ogialbemofratie
hat fich auch niit betn Bergarbeiterfchufc befdjäftigt. Aachbem ber
fo 3 ialbemofratifche Beichdtagdabgeorbncte für Sßalbertburg in ©chle*
ften, ber fächfifche Bergarbeiter '©a<h&e*3wicfau, in einem fdjlid^tcn
Referat fich über bie Lage ber beutfehen Bergarbeiter oerbreitet unb
befonberd einer befferen ©rubeninfpeftion burch § era n 3 iehung er*
fa$rener Arbeiter bad BJort gerebet hatte unb nachbem noch ocr *
fchiebene ^elegirte aud ben $ohlenbe 3 irfen bie ^othroenbigfeit eined
befferen Bergarbeiterfcbufced bargethan hatten, rourbe einftimmig
eine SHefolution angenommen, in welcher eine grünbliche Befornt
ber Berggefehgebung in ®eutfcf)lanb nach folgenoer Dichtung oer*
langt roirb:
*1. Seftfcfcung einer Arbeitzeit oon hochf^nd 8 ©tunbett, ©in*
unb Audfabrt eingcfd)loffen, Ueberfdjubten, welche nicht jur Fortführung
bed Betriebes nöthig/ finb 3 U »erbieten. B$o bie Temperatur in beii
©rubenräumen 4 - 28 ©rab ©elfiud überfteigt, muh bie ©dpd)tbauer aut
fedjd ©tutiben ermäßigt werben. 2 . Abfdjaffung bed Afforbfpftemd für
unterirbifche Arbeiten. 3. Männlidben Arbeitern unter 18 Sah rcn iÜ
bie unterirbifdje unb Fraucii überhaupt jebe ©rubeiiarbeit 3 U »erbieten.
4. Bermehnmg ber ©rubenfontrolcure aud ben Aeipen ber Bergarbeiter;
auf hödjftend 1000 Mann ber Belegfchaft foü ein Arbeiterinfpeftor
fommen. 2)iefe .fmlfdinfpeftoren finb »on ben Arbeitern 31 t wählen unb
»om ©taate 3 U be 3 ahlen. 5. gür mit Schlagwettergafen behaftete
©rubenräume finb bafür »orgebilbete Sßetterbcamte an 3 uftetlen. 6 . ©r=
rieptung 3 wedcntfprcdhenber ä&afdjanftatten (©in 3 el*Braufebäber) unb
Mannfchaftdftuben ( t ^auen). w
Der Barteitag beauftragte bie SReidjdtagdfraftion, ben ©rlafe
eined 9teichd*Berggefehed im ©inne biefer gorberungen gu bean*
tragen. ©0 lange eine rcichdgefebliche Regelung bed Bergarbeiter*
fchufeed nicht eingetreten ift, fotten bie fogialbemofratifd^en Abge*
orbneten ber bergbautreibenben Bunbedftaaten in ben betreffenben
Sanbtagen eine Reform ber Sanbed*Berggefehgebung in obigem
©inne herbe^uführen fuchen. ©d ift 3 U erwarten, ba& bie fogial*
bemofratifche ttteichdtagdfraftion bem i|r erthcilten Aufträge fofort
nach bem 3 u fammentritt bed SReichdtagd entfprechen roirb.
Sihtth ber Arbeiter in ber f<htoet$erifd)eti 3üubholjinbiftrie.
Nachbem bad 3 nnbhöl 3 chenmonopol oorn ©chroe^eroolfe leiber ab*-
gelehnt roorben, will man ed, ba bie BhoSphornefrofe immer roieber
neue Dpfer forbert, 3 um groeiten Maie mit bem Berbot ber Ber*
roenbung bed B^P&ord probiren. Bereits hat ber SRationalrath
ber hierauf begüglic^en bunbedräthlid)en Borlage beigeftimmt, unb
nun erflärt fiep auch bk ftänberäthliche ^ommiffton in allen Bnnften
mit ben Befdjlüffen bed 9?ationaIrathd einoerftanben. ©in £>aupt*
aeroicht legt bie fommiffioit auf bie ftaatlidhe .fontrole. Die
gabrifation fott nur geftattet roerben unter Bebingungen, bie mit
SRücfficht auf bie ©efutibheit unb ©icherheit ber Arbeiter unb bed
Bublifumd erforberlich finb. SSährenb ber SRationalrath bie ©in*
fuhr oon gelbem Bha^ph° r nur für roiffenfchaftliche unb pharota*
geutifche 3 roecfe geftatten will, geht bie Stommiffion etroad weiter
unb will eoentuett auch anbere 3n>ecfe, fo 3 um Beifpiel folche ber
gnbuftrie gelten laffen, ed fott babei jeboch eine ftrenge $ontrole
walten. Mit bem Bunbedrath unb bem Slationalrath hält bie
$omtniffion eine ©ntfehäbigung ber gabrifanten nicht für nöthig-
Audbehtumg bed Arbetterf<htt|ed im Danton Bnri#, 2)er
3üricher Äantondrath roirb fid) nädjftend mit ber Borlage, be*
treffenb ein neued ©eroerbe* unb Arbeiterfdjufc*©efeö, gu befaffen
haben. S^ach ber Borlage fott bad ©efefc Anroenbung finben auf
alle hanbroerfdinäfeigen unb inbuftrietten Betriebe foroie auf bad
öanbeldaeroerbe, foroeit fie nicht bereits unter bem eibgenöffifdjen
gabrifgefefe ober bem fantonalen Arbeiterinnenfchuhgefeh ftehen.
Die 83 Barographen bed ©ntrourfed betreffen, roie bem „Bor*
roärtd" gefdjrieben roirb, bie Bebingungen, unter benen ein Betrieb
errichtet refpeftioe fortgeführt roerben fann, bie ©idjerheitd* unb
©djufcoorrichtungen, bie Bcfchaffenheit ber Arbeitdräume (auch ber
©ohnräume, in benen gewerbliche Arbeiten oerrichtet roerben unb
bie roeber 3 um ©chlafen noch 3 um Wochen benufet roerben bürfen),
bie täglidje Arbeitszeit, bie auf elf, an ©onnabenben auf gehn
©tunben feftgefefct ift, bie Arbeitende an ©onn* unb gefttagen,
bie ßohngahlung, roelcbe auf ©runb oon Sah^nngegetteln ftatt*
3 ufinben hat unb roobei für Miethc, Reinigung, Beleuchtung :c.
feinerlei Abgüge gemacht roerben bürfen. gür bie faufmännijehen
Bureaud beträgt bie wöchentliche Arbcitdgeit 60 ©tunben, bie
Arbeit an ©onn* unb gefttagen ift für bie Angestellten unb Sehr*
linge unterfagt. ftaufmännifche Sehrlinge müffen beim Antritt ber
£el)re bad 15., gewerbliche bad 14. Alterdjahr gurücfgelegt haben.
S)er Befuch öffentlicher gortbilbungdfchulen ift für fie obligatorifch
unb unentgeltlich; ben Lehrlingen fönnen ©tipenbien für bie Be*
rufdlehre roie für ben ©djulbefuch, ben Arbeitern unb Unter»
nehmern gum Befuge auswärtiger Audftellungen unb geroerblicher
Bilbungdanftalten 00 m ©taate gewährt roerben. 3)ie Borlage ent*
hält auch Bestimmungen über bad ftaatlidje ©ubtniffiondroefen unb
ben unlauteren BSetiberoerb. ©ie fielst ferner gur Mitroirfung bei
ber Ausführung bed ©efefced groei fantonale Äommiffionen oor,
eine für bad £>anbeld* unb eine für bad ©eroerberoefen oon fechd
refp. gehn Mitgliebern, welche auf Borfd)lag ber Arbeiter* unb
Unternehmerorganifationen oom Steffortminister gewählt roerben,
ber auch in beiben Mommiffionen ben Borfip führt. Beibe gnter»
effengruppen enthalten bie gleiche Bertretergahl.
Weitentiig tu ber englifchen gabriftufpehton« ©ine bebeutfamc
Neuerung oottgieht pfh gegenroärtig in ber englifchen ©eroerbe*
infpeftion. ®em ©hief*gnfpeftor ist eine mebigiuifche Autorität
unterftettt roorben, über beren Aufgaben ber Minifter bed gnneru
bem Unterhaufe folgenbe Mittheilungen machte:
47
Sogiale präzis. Gentralblatt für Sogtalpolittf. Rr. 2.
48
„£cr neue ärgtlid)c ^>tifpcftor fott tu Lonbon wohnen mtb feine
Xteufte werben beut ganzen l'aube gur Verfügung ließen. (Sv wirb
uaef) ben Rnorbnmtgeu beS (SC|tcf*^iifpcftQr fpegiellc uub allgemeine
Unterfudiungen in fragen, welche bic Wefuiibheit uub Sidjerbeit ber
Rrbeitcrfdjafi betreffen, nnftclleu unb eine allgemeine Rufficht über bie
befeßeinigenben Herste (Certifvins* surgeons) ausüben, befoitberS ba, wo
biefelbcif mit gefährlichen Verlegungen 511 tlnm haben. (Sr wirb bie
ftäfle non Vlei* unb anberen Vergiftungen beßanbeln, welche unter bem
<Meß von 1895 gur ?Ingeige fommen, unb im allgemeinen ben Veantten*
ftab in allen inebiginißhen fragen, bie mit feiner £ßätigfeit uerfnüpft
finb, berafben.
(Sr' wirb ferner auf Rnweifung beS GßieK^tfpeftorS oor (Bericht
RuSfunftertbeilungen, feibft ein Verfahren jebod) auch nur auf höhere
Crbre ßi n einleiten. Vei Vefucbcn non gabrifen unb SBcrfftä'tten fofl
er feine befoubere Rujmerfjamfeit allen Gingen guweuben, weldje bie
Wefnnbßeit unb Sicherheit ber befdjdftigten perfoneit betreffen, bie
Vegirfsinfpeftorcn non allen Unregclinäfjigfeiten unb Wefeßwibrigfeiten,
bie er beobadjtet hat, unterridjten unb ihnen mittheilen, weldje* Vath s
fchläge er ben Unternehmern ertßeiU hat. Rudi fott er ißre Rupnerffamfeit
auf 3alle richten, in benen er baulidje Veränberuitgett ober bie (Ein¬
leitung einer ttlage für nöthig ßält.
£er gnfpeftor wirb ferner bie §ofpitälcr an foldjcu Orten, wo
gerocrblidje Äranfßeiten herrfdjen, befucheit unb im Uebrigen gemeinfam
mit ben anberen Veamten, ben Rergten unb Crtsbeßörben ßanbeln."
3(rhdtcrt)cr(td)ening. Sparhaflen.
$ie gnbalibttatt* unb RlterS=Vcrfi<berungSttnffalt ©erlitt.
Wine Rnfdßauung oon bem gewaltigen Rnwacßfen ber Sn*
oalibitäts* unb RlterSoerficherungSaufialten, oon benen ftd) weitere
.Streife faurn ein Vilb machen, geben bie ftetig an Umfang unb
3nl)a(t guitehmenben VerwaltuugSberichte. Vor uns liegt ber
„VerwaltungSbericht ber gnoalibüäts* unb RlterSoerficherungS*
anftalt Verlin für baS Rechnungsjahr 1897", ber fuß als ein ftatt*
licßer Vanb in Wroßquart barbietet. $)ie umfangreichen Tabellen,
bie ben Anhang bilben, geben eine genaue Statiftif ber RlterS*
unb ber Snoalibenrentner, ber VSohnfiße ber Rentenempfänger, ber
Renten, ber VeitragSerftattungen, Strafen u. f. w. £>er Vorfißenbe
beS VorftanbeS ift L)r. grcuub*Verlin. 3>aS Vureau befchäftigte
1897 58 Vearnte unb 7 Unterbeamte. Von ben runb 150 Ver*
irauenSmättnern wehren 3351 (Gutachten abgegeben, oon ben Rergten
würben 881 ausführlichere Wutachten eingeholt, beren fmuptmaffe
(629) innere itranfreiten betraf. gür ben Vcgirf ber VerficherungS*
anftalt Verlin beftel)t ein SchiebSgericßt, beffen Vorfifecnber (Re*
gierungSrath oon WoftfowSfi) unb Vurean zugleich für bie ber
VerficßeruugSanftalt Vranbenburg zugehörigen &cf)iebögeri<fjte ber
Stabtfrcife Wßarlottenbnrg unb Spanbau unb ber Lanbfreife
Xcltow, Rieberbarnim uno Dfthaocllanb, fotoie für baS Unfall*
fchiebSgencßt ber in Verlin bomigilirenbeu Seftionen ber gewerblichen
VerufSgenoffenfcßaften amtirt. $)ie Soften werben im Verhältnis
ber erlebigten Verufungen oertheilt. Rn ber 3 una h me ber We*
fdjäfte — es gab 1897 158 810 (Sin* unb RuSgänge — waren
hauptfäcßlich bie Rnträgc auf VeitragScrftattuug in £)eiratf)S* unb
£obeSfätten, fowie bie Suuulibeuanträge betheiligt. Rm 3ah regs
fchluffe war ein Veftanb oon 2641 RlterS* uub 3285 Snoaliben*
renten. Rn bie Rrmenoerbänbe würbe 1897 als Wrfaß wegen ge*
leifteter Rnnenunterftüßung 19 932 ,75 ,.1( Rente iiberwiefen, baoon
19 555,42 t.4i. an bie Rrmenbireftion Verlin. 3n ber fmuptfaeße
ßanbelte es fich babei um Qnoalibenrenten, oon ben 754 Rn*
fprüchen finb es 676; ber iiberwiefene Vetrag feßwanfte hierbei
gwifdjcn 570,91 < H> unb 0 , 4 0 *.41, je nach ber $öße ber Rente unb
bem 3 c itraum, für welchen bie Rente bei Wrßebung beS RnfprucßS
rücfftänbig war. Sßie oiel baoon auf bas Slonto beS immer noch
recht fchwerfäÜigen geftftettungSoerfahrenS für Renten gu fdjrciben
ift, ift nicht mitgetheilt.
^ie Rnthcilc ber RlterSrentner an ber Wefammtheit ber Renten,
bie für beibe Wefchlechter auf baS jüngfte Jahrfünft entfallen,
werben oon 3al;r gu 3^h r Heiner, währenb bie Rntljeile ber
älteren Sahrgänge nunmehr überwiegen. Vei ben 3m>aliben*
rentnern überwiegt in allen S^hnm bei beiben Wcfchlechtern baS
Rltcr 65 bis 70 5toh re / worauf bie Rntheile ftarf finfen. ^libcffen
waren 1892 nur 4 , 2 % ber männlichen 3uoalibcnrcntncr über
70 öahre alt, 1897 bagegen bereits 10 , 2 %, währenb weiblidje
onoalibenrentner bicfeS RlterS erft feit 1893 oorfommen, bamalS
mit < 8,7 %, 1897 bagegen mit 13, 9 %. 2)ie prozentuale 3 una ^we
bei ben Rltersreutncrn wirb oon 3«h r 3«h r Heiner, bei ben
männlichen J>noalibeiirentuern ift bagegen ein Steigen beS Prozent*
fapeS oon 35,n % im 3al;re 1896 auf 42, > % im Verid)tsjahr gu
oergeid;nen. ^)ie ber Snoalibenrentner für beibe Wefchlechter
hat bie ber RlterSrentner fdjoit überholt. ®ie ftärffte 3u”öhme
unb größte 3 a ^ ber Snoalibenrentner weifen bie Lebensalter
60 bis 65 unb 65 bis 70 auf. Sollte barin nicht eine Mahnung
liegen, bie RlterSgrenge für bie RlterSrenten h^abgufehen? ®as
wäre auch wirthf^aftlicher für bie Rnftalten. öür Rechnung ber
Rnftalt Verlin finb oon 1892 bis 1897 1 584 946, 8S RlterS*
unb 840 924,72 JL Snoalibenrenten, gufammen alfo 2 425 872,eo JL
qegahlt tOorben. 3)ie Steigerung ber Velaftung ber Verliner Ru*
ftalt burd^ frembe Renten nimmt prozentual ftärfer gu als bie ber
Velaftung ber fremben Rnftalten bnrth bie Verliner Rnftalt.
RlS Urfadje ber Snoalibität ftehen bie Lungenfchwinbfucht unb
bie £ranfheiten ber Lunge an erfter Stelle, bei Viännem 23 ,59 o / 0
4 - 12,21 %, bei grauen 13, 8 7 °/o 4- 0,40 %. Vei ben grauen
fpielt nod) ©utfräftung unb Vlutarmut (17,28 %) wnb Wicht
( 10,99 %) eine größere Rotte. ®aS Sanatorium gu Wütergofc
bient bem ^eiloerfahren (§. 12 bes gnoalibengefeheS). 3ur Unter*
haltnng unb Rnrcgung führen bie Patienten bort Herbfchnitt*
arbeiten aus. 3)aS Rohmaterial liefert bie Rnftalt, bie gefertigten
Wegeuftänbe werben ben Pfleglingen als (Sigenthum überlaßen;
auch eine Vücherei ift oorhanben. Währenb ber Rtonate Rpril bis
^egember überftieg bie 3^hl ber Rufnahmegefuchc faft bauernb bie
3ahl ber Vafangen. gm VerichtSjahre würben im Sanatorium
oerpflegt 334 Perfonen. Von biefen würben 149 als geheilt,
29 ungehcilt entlaßen unb 101 bis gur Wrwerbsfähigfeit gebelfert.
Sn Ve'hanblunp blieben 55.
&er (Eintritt ber WrwerbSunfähigfeit batirte in brei gätten bis
über 500 Sage, einmal bis 1164 Sage feit Rufnahme in baS
Sanatorium gurücf. Von fämmtlichen 279 männlichen perfonen
hatten, beoor fie gur Rufnahme gelangten, 159, alfo über bie
£>älfte, eine WrwerbSunfähigleit bis 100 Sage, hierunter 84 bis
50 iage hinter fich- Von biefen 159 blieben nur 7 ungeheilt,
währenb oon ben übrigen 120 Pfleglingen mit einer WrwerbS*
unfähigfeit über 100 £age oor ihrer Rufnahme 24 ungehcilt ent*
laffeu werben muhten, feenn aud) attergröhtentheilS währenb ber
^ranfheitSgeit oor ber Rufnahme in Wütergop bie Äranfenfaffen*
pflege cinfprang, fo beweifen bie 3®hf en n0( h S u
beffern ift. @S muß eine Vefcpleunigung ber Rufnahme, befonberS
bei Lungenfranfen ermöglicht werben. $)ieS ift erwünfeht, weil
ber geilerfolg bei oerheiratheten Mranfen häufig oon ber Sidjerung
ber gautilie währenb beS ^ciloerfahrenS abhängt, biefe Sidjerung
aber in Verlin nad) ben getroffenen Vereinbarungen oft baburch
bewirft wirb, baß baS Hranfeitaelb ber gamilie gufließt, bic Soften
beS §eiloerfahrenS aber bie VerficherungSanJtalt trägt, ßine Reihe
oon Slranfenfaffen gewähren nun aber nur 13 bis 26 Sßodjen
^ranfengelb, fo baß nad) biefer 3^it bie gamilie leer auSgeht,
Von ben obigen 279 männlidien ^ranfen waren 217 oerheiratljet
(215 grauen unb 357 umnünbige Äinber unb 3 fonftige Rngehörige
waren oon ihnen gu unterhalten), 165 begogen ßraufengelb, 106
(barunter 79 Verheirathete unb 2 VHttwer) waren fdjon auSgefteuert.
82 gamilien würben, ba baS Vebürfniß nachgewiefen würbe, oon
ber VerfidjerungSanftalt mit 3 bis 7 , K, wochentlidj unterftüßt.
Seit Eröffnung bes Sanatoriums (14. Ruguft 1894) bis 1897 finb
oon ben 734 fentlaffenen 643 erwerbsfähig gewefen, 106 erhielten
Snoalibenrenten. i)ie Weheilten madjten 50, bie Webefferten 38o/o
auS. Rußerbem fanb bie feranfenbehanblung in ber Volfsßeilftätte
beS Rothen ÄreugeS am Wrabowfee (männliche Lungcnfranfe), in
WörberSborf (weibliche Lungenfranfe) unb einer Reiße §)eilftättcn
unb ilranfenhäufern ftatt. 2)ie $ur bauerte bei ben lungenfranfen
Rtänneru begw. grauen 94, 3 begw. 78,7 £age unb oerurfadjte
294,89 Jt begw. 368,33 c if, Soften. Wine Teilung unb 93 Veffe*
rungen würben ergielt. 2)ie Rnftalt hat gur Rnlage eigener §>eil*
ftätteu ein Wrunbftücf oon etwa 140 ha gum ^aufpreife oon
400 000 gu beiben Seiten beS VaßnhofS Veeliß erworben.
DuittungSfarten gingen 1897 440 284 ein, barunter 337 667
eigene, 103 157 frembe. RuS bem Verlauf oon VeitragSmarfen
würben 5 640 928 J( gelöft. ®ie VeitragS*WrftattungSanträge in
,£>eirathS* unb 2:obeSfätten (§§. 30, 31 beS SuoalibitätSgefeßcS)
haben fich gang bebeutenb gefieigert; bie erfteren beliefen fid) 1897
auf 175 897,14 jft, bie leßteren auf 39 230 J( V3ir möchten
hierbei an eine Veftimmung erinnern, bie als £)ärte oon ben Ve*
troffenen empfunben wirb, nämlich, baß eine oerheirathete grau
nur bann Rnfprucß auf ferftattung ber Veiträge h a h ^enu
minbeftenS fünf VeitragSjahre oor ber dße aufguweifeit h Q t-
§äußg genug wirb ber "galt eintreten, baß bie grau oor Rblauf
ber fünf 3ah re ^eiratßet, gleicßwohl aber bie oerfid^crungSpflicßtige
Vefdjäftigung noch ein ober einige gah re fortfetit. Sie muß bann
ißre Veiträge weiter entrichten, wiewohl fie jeßt fcßoit weiß, baß
biefe für fie oerloren finb.
49
Sogiale fßrajtS. ©entralblatt für Sojtalpolitif. JRx. 2.
50
$ocf) immer urtterlaffeit Arbeitgeber bie Berroenbung oon Warfen
für ihre Arbeitnehmer. $>afür mürben oon ber Anftalt 1895:
1209, 1896: 2072, 1897: 1909 Strafen oerhängt; baS $anbelS*
genjerbe (419), |>oIg* unb Sdjmbftoffe (208) unb Befleibuttg (198)
fteEten baS ©auptfontingent folc|er Arbeitgeber.
$>aS ©efammtoermögen ber Anftalt hat fich feit 1891 um runb
5 SMionen jährlich oermehrt unb fteUt fid) auf 34897408,04«^
(BetriebSfottbS 33 415 595,54 jff t SteferoefonbS 981 8 12 ,50 *41).
S)er ^apitalmerth aEer ber Anftalt burdj enbgiilrtge Bertheilung
bis jurn Schluffe beS ^Rechnungsjahres 1897 gur ßaft faEenben
Renten beträgt 5 363 378,42 M, er ift alfo geringer als bie (Sin*
nähme aus ben BeitragSleifiungeit.
SR&bdjen* tmb grcutettgnippe* für feciale $ülf£arfceit ht Berit». 5)ic
Aufgabe ber feit 5 fahren beftehenben Bereinigung ift, „junge HRäbdjcn
unb grauen gu ernfter $flid)terfüllung tm £ienfte ber ©efammtfjeit
beransujieben." $ies gefd)iel)t in tljeoretifdjer AuSbilbung burdj Bor*
träge unb in praftifefjer jfjätigfeit; biefe letztere beftcht in ber Sfjätigfeit
in WoI)lfal)rtS*(Stnrid)tuiigen für bas jugeiibli^e Alter (Grippen,
Btäbd)enl)ortcn, BolfsHnbergärten, Watfenhäufern), in Anftalten ber
Armenpflege, in BolfSfiicbcn, in ftranfen*Anftalten, mie in anbermciter
fogialer ftiilfsthätigfeit (perfönlicher giirforge bei hulfsbebürftigen
Familien u. A. m.) £er jept oorliegenbe Bericht über baS ArbeitSjahr
1897/98 h^bt als befonberS erfreulich l)eroor, bafe einige ber SRit-
arbeiterimten fich SU felbftftänbtgem Schaffen gebrängt fühlten; fo mürbe
eine £eihbibliothef für Blinbe eingerichtet, ferner bilbeten ftch Heinere
Greife, bie Befprechungen über WohlfahrtSemrichtungen, Armenpflege
unb ^äbagogif abljtellen. 2)ur<h einen engeren Anfdjluf} an bie Greife
ber Sehrerinnen oerfudjt baS Komitee, bas gntereffe ber Sehrenben für
bieS neue Element ber grauenhilbung gu roecfen. gür bie praftifefje
Jhätigfeit ift folgcnber Arbeitsplan mafjgebenb: 1. Armen* unb Wohl*
fahrtspflege (AusfuuftSfteEe für Wofjlfa&rtSeinridjtungen, 2)arlef}nSfaffe
bcs berliner grauenuereinS gur Abhülfe ber Aoth unter Heinen gabri*
fanten unb ,£>aubroerfent, ^auspflege bcs berliner grauenoereinS, BolfS*
fitchen, (Srtbeilitng non Unterricht an ttinber im ÄranfenhauS am Urban
unb im Biftoria*.£)auS, Befuche tu einzelnen Abtheilungen ber (Sharite,
^eimathhauS für Stellung fuchenbe SDtäbdjcn, Bureau beS ArbeitSuadj*
ujeifes für grauen unb Btäbchen, giirforge für cntlaffene Strafgefangene).
2. Blinbenpflege (Befuch bei einzelnen Blinben, Blinbenocrein, Blinben*
anpalt für töfinber 2 c.). 3. giirforge für ftinber (.trippelt, tinbergärten,
3J?ribd)cufjortc, BeauffidjHgung unb Aachhülfe bei bett Schularbeiten,
Haushalts* unb $anbarbeitsfrf)ule, gugeubheim, ©rgteljungsbetratf) für
fdjulcntlaffene Wäifcn). Aebeit ber Betheiligung an einer Solchen gülle
ptafttfdjer SSohlfahrtsbeftrebungen roirb auch bie theuretifche Ausbildung
gepflegt unb groar ftitb für bas fommenbe Winterhalbjahr
folgende Borlefungen in Ansficht genommen: 1. Armenpflege unb
Wobltbätigfeit. Fosent: Stabtratl) Dr. BUinfterberg. 2. Ausgemählte
tapitel aus bem 9Birthfd)aftSleben. £ogenten: Sßrofeffor Dr. Albrecht,
Dr. 3. geig, 9Ragiftrats*Affcffor Dr. .ftergfelb, (Geheimer Aath non Btafforo,
Stabtrath Dr. Btiinjterbcrg, grau Anette Sdjroerin, gräuleitt $elene
Simon, Dr. ,£>. Weber. 3. Bürgcrfunbc. Sogcrit: SanbgerichtSrath
$one. 4.' $äbagogifd)er turfuS im Bcftaloggi*gröbelhauS. S>ojcnten:
^rofeher unb grl. Sdjmabe. 5. Seminariftifdje Uebungen in (Knippe A.
Aeferate unb Befprechuugen über einzelne grageti aus bem ©ebiet ber
Armenpflege. 6. Sentinariftifche Uebungen in (Gruppe 0. Äeferate unb
Befprechungen über einzelne gragen ber Bäbagogü.
PRO PERTY CF UBRAFTf
Friendlv Societics tit Anftralieu. @in amtlicher Bericht, ber
fitfi auf ftatiftif(f)e ®atcn pro 1895 unb 1896 ftüfct, fonftatirt baS
ftete 2üad)btfium ber Friendlv Societies in ben auftralifdjcn
L . i f i i 'er r:.A AniMnmiHon •
utl“" ' I •: :.t
®te tooperatibgcfeflfchafteu in ^nglanb. item 3«
Cooperative Union aufolge gählte mäTf‘Ötibt'TOTT"
gcfeEfchaften in dnglanb mit einem tapital oon £ 2
über 420 ©efeEfd)aften mit £ 2 150 582 in 1896),
täten inoeftirt mar. 9£arf)ftehenbe ^abeEe enthält
SDaten betreffenb baS britifche ©enoffenfchaftSmefen
Art ber
©enoffenfehaft.
3o 1)1.
AngefteUte.
©efammt*
lohnfumme.
Ätletnc .Hon [um*
£
genoffeiifchaften.
2)ic fchotlifche Whole¬
. 211
10 359
383 921
sale Society . .
$robuftiu=©enoffen=
1
4 607
169 310
fchaftcii . . .
38
3 261
162 918
Brob&äcfercieit .
Srifdje Btild)*
2
980
42 816
genoffenjdjai'len
1
ö
203
248
19 212
759 168
,Tr ; mm.
: nULATIOI
irtre^herii^e^j:
622 711 (gegen*
. baS in äleali*
bie michtigften
2)en Bebienftcten
gugemiefener
©eminnanthetl.
£
3 abl ber
3 ahl ber
3 ahl ber
Friendlv Societies.
Branchen.
aRitglicbcr.
Bictoria . . .
. 32
1074
80 691
SReufübroalcS .
. 39
803
68 333
OueenSlanb. .
. 19
279
21 901
Sübauftralien .
. 15
487
42 703
Weftauftralten .
. 15
41
8 138
^aSmania . .
. 17
123
10 426
Aeufeclanb . .
. 33
374
30 905
170
3181
258 097
gonbs
Kapital per Btitglieb
£
£
sh. d.
Bictoria. . .
. . 1 155 408
14
6 5
9tcufübmaleS .
. . 542 364
7
18 9
OueenSlanb .
. . 173 546
7
18 6
Sübauftralien.
. . 475 654
11
2 9
Weftauftralten.
38 007
12
2 3
SaSmanta . .
. . 89145
8 •
11 0
9teufeelanb . .
. . 581 119
18
16 1
3 055 243
11
16 9
®ie SSobnunflSfrage in #oOanb
ift gegemoärtig im Sl«6- ?lu8 8tmfterbam roirb ber „©osialcn
ißrajiä" harüber gef^rteben: 3im 24. September tagte un
£>aag ber herein für 9Jationalö!onomie unb Statiftif, ber mepr
ate 600 fflittglicber jäfilt. $iefeS 3at|r roar bie Sürbetter.
roofinungSfrage ®egenftanb ber ©efpredjung. ®utadjtcn lagen
bienu oor oon Dr. oon Routen (früher 9Kinifter be8 ynnern),
^rofeffor Srabbe (©roningen) unb Dr. g. S. oon Slierop
($ireltor ber Slmfterbamer Sanf). ®er Stanb ber 5B5obnung8fragc
in $oHanb ift jefct fo, bafe in einigen roenigen ©täbten ( 4 . 93.
Sirnbeim unb ßeiben, in Slmfterbam bot bie ©emeinbe felbft Kapital
jur Verfügung prioater Vereine gefteHt) prioate SSereine für ben
Bau non Arbeitermohnungen eriftiren. Oft garantirt oie ©emembe
bann bie 3infen. Bon ber Regierung roirb es jeboch ben ©c*
meinben nicht geftattet, bafj fte felbft eigenes Kapital jum Bau
oon Arbeitermohnungen oermenben, ba angeblich baS Stifuo gu groß
ift. Aufjerbem mint fytx bas ©fpropriationSgefefc fehr h in per*
lieh; es geftattet bie 3roangSentäufcerung nur auf ©runb aEgemeuier
Sntereffen unb jebeSmal hebarf es eines SpegialgcfeheS. ®a ben
(Sigentf)ümern ber ooEe SKarftroerth unb nicht ber reeEe Boerth
gegahlt merben mufe, fo mirb bie ©jpropriafion ben ©ememben
oiel gu foftfpielig. ®ie brei ©utadhten beS BereiuS ergangen fich
oortrefflid). ®err oan Routen oertritt bie orthobo^e Schule; er
münfcf)t fein ©ohnungSgefeh, fonbern neben Befämpfung ber Ar*
rnuth nur gmeierlei: erftenS auf bem ßanbe ben Arbeitern .pänfer
mit einem für ihre ©mährung auSreichenben ©runbbefih gu geben,
bamit ber 3 U 9 nach ben Stabten aufhöre unb ber ftäbtifchen
BSohnungSnoth geftenert roerbe; gmeitenS bie ©fpropriation gu er*
leidhtern. ^rofeffor Krabbe, ber ^ath^berfogialift ift, befampft bie
Regierung, mclche bie ©emeinben in ber SBohnungSfrage behinbert;
M)r finbet biefeS oerfaffungSmibrig. Auch er roünfcht fein aEgentemes
WohmtngSge|e(j, ba bie ©emeinbe nach il)rein ©nneffen hanbeht miiffe.
Aber er oerlanat, bafc bie Äotnmuite Kapital gur Berfiiguitg fteEe unb
bafe $rioatoeremen unter gemiffen Bebittgungen baS Stecht, ©igenthum
gu entäufeern, gegen 3nhinng beS aftneEeit JßkrtheS gegeben merbe.
©r miE bie ©elber ber 9teichS*^|Softfparfajie. theilmetfe bagu oer*
roenben, um ben Bereinen Kapital gegen mäßige 3infen gu geben,
mie cS in Belgien gedieht, jeboef) ohne bie Arbeiter gu ©tgen*
thümern beS |>aufeS gu machen. — £>err oan 9tierop roiE ebcnfaES
bie ©elber ber 9teichS*$oftfparfaffe gum Wohnungsbau oerroenben,
aber er legt ben größten 9tachbrucf auf bie mannigfachen praftifdjen
Schmierigfeiten, roelche bie Befeitigung ber alten Wohnungen
fdjaffen roirb, roenn beren Beroohner in ihren iubioibueEen 3nter*
effen gefchäbigt merben.
®ie Debatte h^i fi<h leiber meiftentheils auf bem ©ebiete
ber Theorie, unb gmar meniger ber öfonomifcheit unb fogialpoliti*
fchett S;h c nrie, mie man hntte ermarteti fötiuett, fonbern ber )taats*
redjtlidjen. Btan fprad) meitläufig bariiber, ob bie ©emeinben baS
^tedht hätten, felbft bie Aufgabe gu übernehmen unb ob ein Hol)=
nuttgSgefcfc nöthig ober münfdjenSmerth^-lpä^ evfte Stebncr,
51
©ogiale VxajiS. ©cntralbiatt für SogtalpoUtif. Ar. 2.
ber frühere Abgeorbuete £cop, braute bie Debatte fdjott auf biefen
2Beg; er crFlärte fich für ein ©efefc unb gegen bie Vertocnbung
ber 9ieid)$ s VoftfparFaffe. Vergebens nerfudjten anbere Vebner, roic
VechtSanroalt toifematt, AbgeorbneterFünfer unb SauitätSinfpeFtor
9)2enno £>uiginga, ber Debatte eine praFtifdje SfHcf)tung gu geben.
VefottberS Herr ©unFer fprach energifd) für bie Vefeitiguitg non
fdjlecbten ^Bohnungen in gröfttmöglichcm Umfang unb für Staats*
hülfe. ©ie praFtifaje grage ber ©ntfehäbigung auSgefefeter ißerfonen,
bie SchmierigFeit, neue, ebenfo billige SBohuungen gu bcFommen,
blieb faft gang unbefprod)en. ©a in bem Vereine Feine Abftim*
mungen ftattfinben, fo fehlte es, obgleich ber Vorftanb SragepunFte
aufgefteKt hatte, ber Debatte an beftimmten 3ielen unb bie Ver*
fammlung hat bie fiöfung ber fdjroierigen 8*age nicht oiel ge*
förbert.
3n berfelben 3Bod)e mar bie ArbeiterroohnuugSfragc ©egen*
ftanb ber öffentlichen Vefprechuttg auf bem $ongreft für öffentliche
©efunbheitSpflege, ber am 29. unb 30. September in Utrecht tagte.
@s lag ein ausführliches ©utachten einer ^ommiffion oor, baS in
folgenoett Sorberungen gipfelte: kommunale Verorbttuitgen über
Vemohttung, Unbemohnbar*©rFlarung unb SBohmmgSaufficht, Ver*
befferung beS @£propriationSred)tS, Vau neuer Wohnungen unb
Staatsauffidjt. ©er ^ongreft unterfchieb fidh baburch non bem
oben ermähnten Verein, baft hier rein praFtifche gragen behanbelt
mürben unb baft man oiel rabiFaler raat. Auch einige Sogial*
bemoFraten betheiligten fich nicht ohne ©rfolg an ben Verathungen.
©S mürben beftimmte ©iutenfionen für S^nrnter, inSbefonbere für
Schlafgimmer feftgcfteHt. Auf Eintrag ber SogialbemoFraten mürbe
bie Verpflichtung ber ©emeinben, unreine Käufer, melche ber ©igeu*
thiimer gu reinigen fich roeigertc, felbft reinigen gu laffeir, aus*
gefprothen. ©benfo bie Verpflichtung ber ©emeinben, ihren Sin*
geftcllten, bie felbft Feine gute SBohnung finben Fönnen, biefe gu
bcrfchaffen, unb, jebod) erft nad) langen ©isFiiffionen, auf Antrag
Vrof. ©rutferS, bie Verpflichtung ber ©emeinben, benjenigen,
meldjc behufs Abbruch ihrer Sßohnung auSgefefct roerben, eine neue
Wohnung gegen gleiche ober hoch fehr menig höhere Viiethe gu
oerfchaffen. Sind; mürbe ber Wunfch auSgefprodjen, baft bie Veid)S*
poftfparFaffe guin Vau neuer Wohnungen herangegogen unb baft
bie ©emeinben 3tttfen unb Amortifiruna beS Kapitals für biefen
Vau garantiren unb fogar baS Kapital felbft leihen füllten. 3 unt
Schluß erhob fich eine Debatte groifchen |>errn ©rüder unb ben
SogialbemoFraten über bie grage, ob an erfter Stelle prioate
Vereine ober bie ©emeinbe ben Vau neuer Wohnungen unter*
nehmen foEte, melche VßeiitungSoerfchicbenheit oon Dr. Vutjfch, Vor*
ftanb ber Abteilung „©efunbheitSpflege" im ©epartement beS
Snncrn, bahin gelölt mürbe, baft bie ©emeinbe bie Vflid)t gum
Vau habe, fomeit bie Aufgabe nicht oon ^rioatoereinen gelöft
mürbe, ©er Vtinifter beS Säuern, melcher halb ein WohnungS*
gefeft einbringen mirb, mohnte ber Verfammlung bei.
Ainfterbatn. Dr. 8. §. oan Santen.
Wohnungsnot!) tu beutfdjeu ©roftftäbteu. ©roftbem ber '|>auS*
befifter^longreft eine WohuungSuoth einfach leugnete, mehren fich
bie Klagen barüber. ©in Mangel an Fleinen Wohnungen ift beim
£>Ftober*Umgug in ©harlottenburg feftgeftettt. ©iner Angabi
oon Samilien, bie auf Fleine Wohnungen angeroiefen fmb, mar es
nicht gelungen, ein geeignetes llnterFommen gu finben, fo baft fie
mit ihren §»abfeligFeiten ohne Dbbadj maren. Sie mürben beShalb
oon ber ^ßoligeibireFtion bem V?agiftrat iibermiefen. Auf ben Antrag
ber ArmenbireFtioit hat bemgemäft ber ©harlottenburger VJagiftrat
befcftloffen, bie obbadjlofen gamilien im ftäbtifchen Varadenlagareth
am neuen -Jürftenbrunncr Weg in Weftenb untergubringen. —
Aus bem 23. Armenpflege*VegirF in SranFfnrt a. V?. berichten
bie „Vlittbeilungen beS AnneitauiteS" (Ar. 2, 1898/99) Aehnlicbeä.
8m April hat Die Sßoligei auf Slntrag ber Slrmenfommiffion fünf
s Bohnungen roegen ihres ungefunbeu 3»ftanbeS gu frfjlieften oer*
fügt; biefe finb aber heute noch oor mie tiad) bemoljnt, ba eS ben
Vemohncrn fd)roer hält, eine anbere 3Bohnilng gu befommen. ©S
ift gegeumärtig ein grofter Mangel an groeigimmerigen ^Bohnungen,
ber fid) gerabegu gu einer Kalamität fteigern bürfte. ©roftbem fei
eine ftrenge SBohnungSprüfung enblich an ber 3?it. ©aS Sinnen*
amt möge bei ber StabtFäinmerei um lleberlaffung einiger ftäbtifcher
Käufer oorftellig merben, bamit ber ©iftriFt in ber i'age märe,
ben älteren ober finberreidjen Sllnmnen billige SBohnnugcu gu
iibcrlaffen. ©S mürbe babei entfcfjiebcu ©elb gefpart, meil bie
Stabtfämmcrei biefe Käufer gu fehl* niebrigeu greifen oermiethet,
mährenb bie ©eueralpädjter ihre Slftenuicther an^beuten unb einen
hübfdjeu ©eminn aus ben §änfem ergielen. Slls ©runb bec>
SteigenS ber llnterftüftungen mirb oon faft allen ©iftnftcu ^u
erfter £inie bie Vertheueruna ber Viiethmerthe angefeheu. — x\n
©angig Ijitft bie prioate feohlfahrtSpflege tüchtig nad). ©le
Slbegg*Stiftung hat fo für Slrbcitenoohnungeu 22 ©oppclbanfer m
Secgftrieft erbaut, ©ie auf bem ©elänbe beS ©angiger ^pcir*
unb VauoereiuS neu erbauten Slrbeiterhäufer mit 30 SBohnungcu
Fönnen bemnächft begogen merben.
Staatliche Sörbcrung bfß Vawcö Pon «rbeiterhäufem in Ungarn.
©er Öinangmimfter oerftänbigte, laut einer Vtelbuna aus V^ft, bie
Slrbeiteroereinigung „Slrbeiterheim", baft ihr gur Sbrberung beS
Vaues oon Slrbeiterhäufcrn l / 2 VUHion ©ulben gur Verrugung
gefteflt roerbe. 300000 ©ulben merben bem öFonomifd)en SonbS
entnommen, 200 000 ©ulben ftreden bie VernSborfer Vtetaümaaren*
fabriFen oor, bie bafür gemiffe Vegünftigungcn gugefidjert erhalten.
Sujidle fymitnt.
öont SwbetFnt0fc*2:age ber »erfammlnnfi bentfeher ^atnrforfrher unb
«ergte in ©fiffelborf*
-SUS gu ^fingften in Verliu bie oon ber gleichen Verfanunlung
1897 in Vraunfhmeig gemähte Äommiffion auf ©runb einer oon Sitebe
uerfaftten ©enffchrift*) eben berathen mofltc, meldje ftampiesmittcl gegen
biefe VolFSfeudje fie ber bie^jährigen Verfammlung oor)d)lageu joac,
erFlärte ber Vertreter beS beutfeften ©entralcumiteS für Volföl)cilftatten,
Dr. SJaimroife, baf; btcfr^, bn numneftr bir »olfbficilftättcnliciBCflimg i»
giuft gcbracfit worben fei, feinem urfprünglic^en weiteren 3iel t»aj i«;
• menben unb bie gelammte VeFämpfuug ber 2uber!uIofe auf
bem Voben ber fogialen $i)gieue in Angriff nehmen moße. ©ic
.Hommiffion glaubte baher, baft fich ber SuberFulofe*©ag ber Statur*
forfdjer * ©efcüfchaft auf miffeufd)aftlichc unb thenretiicfte prägen be=
{ÄräuFen )oüc. ©ic ©renge freilich gmifheu biefen betben Funftlid)
gefchaffenen „Stegierung^begirfcn“ ift moftl fehr feftmer gu gicl)cn. ©icei
geigte fid) beim aucft fofort in ©iiffelborf. ©ie Veriantmlung munfdjte
unb erreid)te, baft bie oom Vorftaub oorangefteHten minenfchaftltchen
Vorträge auf ben Siachmittag oerfhoben, b. h- gum groften ©heil gum
Ungebnltenmerbeu oerurtheilt mürben, ©ie Verhanbluugen beS Jor*
mittags begannen mit einer ©ebatte über bie SBaftl ber, iugmifdjen oon
ber ©cfdjäftsfipuug ber ©cfeUfdjaft für permanent erflärten «ommif)iou.
©ie ©ebatte mar ebenfo unFlar, mie bie gange Snefte |elb|t; oenn nad)
ber obengenannten Verliner ©rflärung meift man, gmtfeften gmci etuhlen
fiheub, e'igcntlid) md)t reeftt, maS bie .Hommiffton jo 11 unb mas bas
©entralcomite mill, unb man muft feine gange Hoffnung auf bie gu
erfprieftlidiem Raubein nöthige Klarheit auf ben im grüftjaftr 1899 in
«Berlin ftaitfinbcuöen beutfehen ^uberfulofe-gtongreft feften.
Stad) groei miffenfchaftUd)en Vorträgen (^iiiFler: lieber ©imcift*
ernähruna, meld)e gegenüber manchen moberner Strömungen mieber gu
ihrem Veite fommen fon, unb Voller, lieber bem ©uberfelbaeilluS oer*
manbte SRifroorganiSmen) entmicfelte ^aubrath Dr. jur. .^epbmeiler*
Hltena bie ^ragc: &*er foü .^eilftätten bauen? # Wenngleich man bie
anberen gaFtoren, ^noalibitäts * VcrficherungSanftaltcn, Äranleiifaftcn,
Vereine n. f. ro., nicht entbehren fann, )mb bod) bie berufenen ©rbaucr
oon .^eilftättcn bie .Kommunen; beim nur fie bieten ben unbebingt nötigen
finangieüen VücFhalt.**) #i . r .,, . A
©inen meiteren bas fogialc ©ebiet gcmaltig beruhrenben Vortrag
hielt, einer Slufforberung beS Veferenteu in banFensmcrthcr Weife
folgenb, Dr. Weicfcr*©örbcrSborf. Seine Haren Ausführungen, m bem
oon allen VoIFSf)eilftätten*Aergten unterfd)riebenen Safte gipfclnb, baft
erft burd) ftürforge für bie Familien unb nur in Vcrbtubuug mit <vur*
forge für bie ©ntlaffenen bie £>eilftättenbehanbluug mirfltdjen Werth
erhalt,***) unb feine (als ätfauuffript gebrudtc) ^ufammenfteaung ber
auf biefem ©ebiete oorhaiibeneu (§ inrtcfituugen bei fämmtlidjm Vei*
fnheruugsanftalten merben boffentlidj mefeiitlich mit bagu beitragen, biefe
/$raqe enblich in gluft gu bringen. r .
Vefercut fprad) fobann über ben Alfoftol m VolFShciljtattcn,
barlegenb, baft ber Alfoftol als VaftrungS* unb Heilmittel gu entbehren,
als ©cnuftmütcl aber besmegen unbebingt oermerfen fei, meil bie
.'peilftätten hogienifthe ©rgichungsiiiftitute fein jolltcu, in Deneni man
nicht ein ©ift als ©emiftmittel geben biirfe, baS auf tautenb Wegen
geeignet fei, bie 'Juberfulofe gu ergeugen unb gu oerbreiten, unb baS
jeber ehrliche Kämpfer gegen biefe Seuche auf bic ^roffriptionSlt|te
feften müffc. ©aft felbft bei bcneit, meldje fid) nod) nicht euttcftlteneu
Fönnen, ans biefer fid) immer meftr bahiibrcd)eubcn Aufd)auung bie
Äonfetiucngcn gu gtefteu, bie Ucbcrgeugnng oorhanben ift, es Föime m
ber bisherigen Weife mit Irinfgmang unb SKaffenfuff uid)t meiter geften,
geigte ber felbft biefem heiflcn Iftcma, noch bagu um bie V?ittags|tunbe
*) ©ic VeFämpfung ber ©ubcrFutofe. ©cittfcfte VicrteljahrSfdjrift
für öffentliche ©efunbheitSpflege XXX. 4. 189s.
■'*) Vur fie fönnen g. V. auch bem Argte unb bem Veamteu
^enfioiisbercd)tigung gemähreii.
S. lieber, SoubcrFraiifeiianftalteii unb AÜrforge pir Zungen*
franfe. ©Mi: Micbe, ©acobfohu, VFcijer, Haubburi) Der ilrnuFciiocrforguug
iiub^straufenpflege. Vcrlin 1898, Seite 200 unb ^14o.
53
©ojiale $tagi8. Eentralblatt für ©ojialpolitif. Nr. 2.
54
gehalten, folgcnbe Beifaß, ben Ncfcrcnt gcrabe bcr guten ©ad)c
wegen um fo eher ju ermähnen fid) für berechtigt hält, alg er fclbft ihn
auf biefc linb nicht auf feine Perfon bezogen bat.
Den ©djlnß beg Bormittagg bitbete ber Vortrag von ©ontmcrfelb:
3ur Beurteilung ber Teilerfolge in Sungcnheilftättcn. ©ontmcrfelb
tßeilt bie Begeiferung SNanrfjer für biefc Auftalteu uidjf, mahnt junt
Dßeil mit Necßt, 511 m Dbeil überffeptifd) jur Borfid)t, ju genauer
©tatiftif u. f. m. unb empfiehlt bajn einen von ißm entmorfenen grage*
bogen. 3cß fage: jurn 2bcit mit Necbt, benn cg giebt immer nod) Seute,
weldje glauben, mau fönne mit ben Bolf*beilftättcn bie Duberfulofe
angrotten, unb eg feien weitere fojial=t)pgienifdjc Maßnahmen bureßaug
nidjt nötßig, — aber auch überffeptifd), bemt baß bie Teilftätten bereite
jeßt eine Unmenge ©egen verbreitet haben, ift bod) gewiß nidjt mcf)r
ju leugnen.
Der Anfang beg Nadjmittagg feßte getviffermaßen ben Vormittag
jort. Dr. Sajarug*Berlin fpraeß über bie Duberfulofe im Äranfenhanfe,
weldjeg er gegen bie Anftdjt vertßeibigte, baß Duberfulofc im &raufen«
S e nicht geteilt werben föune. Man muß bei biefer grage jebod)
t unterfdjeiben jroifeßen tfranfenhäufern wie bie Eßarite, bie
Dr. Sajarug nebft bem iübifeßen $ranfcn häufe in Berlin immer alg
Beifpiel anführte, unb ben tfranfcnßäufcnt ber Provittj. SBer eine
größere Anjaßl ber Ießteren gefeßen unb — beroeben ßat ; ntufj meineg
Eracßteug beu ©ab unterfeßreiben: Teilbare Sungenfranfc geboren in
eigene Teilftätten, aber nicht in allgemeine Siranfenbäufer. ©0
feßränfte benn auch Dr. Sajarug, ber im Anfänge feineg Bortragg
immer non Suttgenfranfen überhaupt fpracb, gegen Enbe bie' in alt«
gemeinen ftranfcnßäufern Unterjubringenbeit auf bic febweren gälte ein.
Darin wirb ißm Niemaub wiberfpredjen.
Einen weiteren Vortrag I)iett Dr. 3acobfoßn*BerIin über bag Pflege*
perfonal in ©pejialfranfenanftalten, iugbefonbere in Sungenßeilftätten,
ber recht viele gute unb neue ©eficfjtgpunftc enthielt, aber bureb Ieiber
ju leifeg ©predjen voßftänbig feine SBtrfung verlor.
Die gorberungen welche Dr. grtcbberg=BerIin in feinem Bortrage:
„Die fojialpoliiifchen gnftitutionen unb bie ©cbwinbfudjtgbefämpfung"
fteßte, nämlich bie „ber Eentralfontmiffion ber Äranfenfaffen Beding
unb Umgegenb", fuib ben Sefem b. Bl. befannt, auch itt einer Denf*
fdjrift: „3ur ©ehwinbfueßtgbefämpfung. Berlin 1898. ©elbftverlag ber
^ommiffion" niebergetegt. gür bag Teiloerfaßren, für bie Bolfg*
^efunbljeitgpftege alg propßijla^e, für ©putunt»Unterfucbungen u. f. w.
tollen bie Beriicßerungganftalteif meßr ßeraitgejogen unb namentlich fofl
aug bem Siechte beg §. 12 eine Pflicht gemacht werben.
Die iehr furje Digfuffion breßte fid^ namentlich um ben lebten
Punft. Danach würben wegen allgemeiner Abfpamtung fämmtliche
weiteren Borträge, bie jum Dßeil recht intereffant ju werben verfprachen,
jurüefgejogen.
3n bie permanente Sfommiffion (ftänbiger Augfcßuß!) würben ge*
wählt: bie Tpgienifer Tueppe * präg (Borftßenber), ginfler*Bottn,
Blaftug-Braunfcßwetg; bie jfHutter v. Setjben* unb ©erßarbt=Berlin,
v. Settbe* 2 £ürjburg, Martiug*Noftocf; alg Vertreter ber organifatorifdjen
©eite (5ngelmann* s Serlin (Sieichggefunbheitgamt), 9 ?annmib=(Sharlotten«
bürg (Deutfdjeg (Seutralfontitee), 0ebharb*yübecf; alg gachärjte 9Reiffen* i
Tohenhonef, SHumenfelb * SSiegbaben, ^iebc*Öoglau (Schriftführer); alg I
praftifd^e Sterjte Äriege*$armen unb gricbeberg*Serliu. ;
üoglau D./©. ©eorg Siebe.
^ranenhtmegmig.
Die 3. @ester«l»erfatss»tl)mg beg Smtbeg Dewtfcber grtmenoereiie
tagte vom 3. big 5. Dftober in Tamburg unter bem Dorftb von
3rl. Slugufte ©cbmtbt. Die ^erbanblungcit waren in erfter Siitic ber
S^eoifion ber ©tatuten unb ber 5Reu*0rbnung beg ©cfdjäftggangeg
gewibmet unb führten wegen ber Skrfdjiebenartigfeit ber 3 l c l e / bie fich
bie einjelnen Vereine beg 93erbanbeg — jc^t 107 — gefefct haben, ju
langwierigen unb febarfen Debatten, bei benen auch persönliche Eingriffe
nicht immer verntieben würben. §ieran fd;loffen fich bie Söcridjte über
bie Dhätigfeit ber ftontmiffionen, in benen bag ©chwergewiiht ber Sunbeg*
arbeit ruht, junächft bcr Stechtofommiffiou, erftattet von grl. Stafcbfe,
welche bie Bemühungen barlegte, bie bebufg Erweiterung ber Stechte oer
grauen im Bürgerlichen (fJefehbudjc unb ber T an M lin ß g ß e bülfinnen
unternommen finb. 3b* folgten %x. Bieber*Böhm unb grl. Toffmann
mit Berid;ten über bie ©ittliihfeitg* unb SKäbigfeitgfommiffionen, welche
burch Jliigblätter, öffentliche Berfammlungen unb ^Petitionen an Sieid)g*
tag unb Bunbegratb ju wirfen fuchen, ohne fidj feboch Diöher großen
©rfolgeg rühmen ju bürfen. §rl. ©alonton wieg barauf htn, baß bie
Jfommiffton für weiblidje ©ewerbeinfpeftionert ben Anfang mit praftifcher
iugbilbung von grauen für biefe ©teßung gemacht habe, unb gab ber
Toffnuug äugbruef, baß auch in Preußen ©chülfinncn ber ©ewerberäthe
angefteßt würben, nachbem Bapertt unb T^fKu vorangegangen feien.
Stad; einigen weiteren Berichterftattungen folgte bie Bcrathung von
Slnträgeu, u. 91. vom Nürnberger grauenverein gefteßt, bie Begebungen
$ur Berbeffcruug ber Sßflege unb Erjiebung von verwahrloften unb aßen
außerehelichen Ätoftfinbem jur Bunbcgfadic ju machen, eine ©cneral*
vormunbfehaft fowie Ueberwachüng burch Äerjte unb ftaatlich angefteßte
SerantiooTtli<^ für bie ftebaftton: Dr. dm ft
| Pflegerinnen ju forbertt. Die Genehmigung würbe im prinjip erflart,
j bie genaue gormuliritug einer Äommiffion überlaffeu, um ben Antrag
I mit ben Beftimmuugcn beg Biirgerlidjeu ©cfeßlutcheg in Einflang jn
1 bringen, gür bie gorberuitg ber Einridjtung obtigatorifdjer gortbilbitugg=
I fchnlen für Ntäbdjeu feiteng beg ©taateg, von verfd)iebeucn Bereinen
1 gefteßt, trat bic Berfaimnlitug ein, nachbem grau Eaiter hatte erfläreu
laffen, baß fie auf Bcrathung ihreg ähnlichen Shitrage* feinen Sertl)
mehr lege, ^uftimmung fanb ferner bie Einfeßung einer ftebenten
Jtommiffion beg Bunbcg jur görberuna ber gcwerblidjen Dhätigfcit unb
wirthfdjaftlichen ©elbftftänbigfeit gebiloeter grauen. 3 wei Anträge beg
Dattjiger Bereing „grauemvohl" betr. görberung ber ©efeßcgfuitbc
unter ben grauen unb volle Bereing* unb Berfammlunggfreiheit ber
grauen würben burch Berweifung an bie Sled)tgfommiffion erlebigt;
ein britter Antrag beffelben Bereing betr. Erlangung ber SKitmirfuna
von grauen in fommunalen ©chul* unb Ärmenangelcgenheiten burgj
eine Stefolution erfeßt, welche biefe Begebungen oen Einjelvereiuen
juweift.
Stuf bag politifcße ©ebiet würbe bic Debatte burch einen Slntrag
beg Berliner Taugfrauenvereing, vertreten burdj gr. 9J?orgenftern, hinüber*
gefpielt, inbem ber Bunb bie griebengbeftrebungen feinen Slrbeitg*
gebieten htujujufügeu aufgeforbert würbe. Nach lebhafter Slugeinanber*
feßuug, in ber grl. Sifchnewgfa, eine Bolfgfd^ullehrerin, bag Priiuip
beg gerechten Kriege* vertrat, wäßrenb anbere Nebnerinnen bic felbft*
verftanblidje guftimmung aßer grauen für Erhaltung beg griebeng
betonten, befonbere Unterftüßung ber barauf hinjielenben Beftrebungen
feiteng beg Bunbeg für überflüffig erflärten, fchloß Ttcß bie Bcrfammlung
unter Erfcßung beg SKortcg „Slrbcitggebietc" bnrdj „Programm" bem
Slntrage an.
Slußer ben ©ißungen ber Delegirtinnen unb ben Äommiffions*
berathungeit fanben noch öffentlidie Berfammlungen ftatt, tn benen bie
verfdjiebenften Dhcmata aug bem ©ebiete bcr grauenfrage Erörterungen
unterjogen würben, ferner Bcfudje ber ja’hlreicßen $amburgifd)en
Erjichungg* unb SBohlthätigfeitganftalten für Ntäbdjen, über bie
grl. Bonfort eingehenb bercd)tct hotte, fo baß bie ©eneraloerjammlung
beg Bunbeg ihren cinjelncn Bereute einanber ju nähern unb
bie Beftrebungen ber grauen burch 3ufammenfaffung aßer verftrcutcu
Äräfte in ganj Dcutfcßlanb ju förbem, erreicht hot.
£iterarifd)e ^njeigeo.
I. Bü$tt tmb Brofchüreit.
Nbler, Dr. Emanuel, lieber bie Soge beg Tonbmerfg i n Defterreid)
(SBiener ftoatgwiffenfd;aftUche ©tubien, herouggegeben von Ebmunb
Bemaßif unb Eugen von Philippovidj in B5ien. Erfter Bonb.
Erfteg Teft). greiburg i. B. 1898, 3 . E. B. Ntoßr (poul ©iebeef);
SSien, BZanj’fche f. u. f. T°f Ä ^ er logg s u. Unioerfttätg*Bu(hhonb=
lung. preig im Abonnement JL 2,50 * fl. ö» SB. 1,50. preig
im Einjelverfauf M. 3,m = fl. ö. SB. I,».
tompffmeper, Paul. SNefjr SNacht! Äritifche ©treiflichter auf bog
Erfurter Programm ber beutfehen ©ojialbemofratie. Berlin 1898,
Berlag ber ©ojioliftifdjeit Btonotghefte. 38 ©. preig 30
Borbericht unb Berhanblungen ber ftonferenj beg B erb an beg
beutfeher SBohlfohrtgvereine, Berlin, 14. 9Woi 1898, im
Neidjgtagggebäubc (©cßriften ber Eentralfteße für Arbeiter-SBoßl*
fahrtgeinri^tungen). Berlin 1898, Earl Tepmann’g Berlag.
57 ©. preig M. l /90 .
SKüller, 0 tßmar. ©teuerlaft unb ©teuerfraft ber ©emeinben beo
Äantong ©t. ©aßen (©tatiftif beg ftantong ©t. ©aßen. XII. Teft).
Bem 1898, Buchbrucferei ©tämpfli <fe Eo.
II. Dnuffi^ett von Berttalttmgett, Berehtett k.
Berwaltunggbericht ber Snvalibitätg- unb Altergoerftchemngganftalt
Berlin pro 1897.
Pofen. Bericht über bie Berwaltung unb ben ©tanb ber ©emeinbe-
angelegenheiten in ber ©tabt Pofen pro 1. April 1897 98.
N?.*®labbach. Bericht über ben ©tanb unb bie Berwaltung bcr ©e*
membeangelegenßeitcn ber ©tabt SN.*©labbadj pro 1 . April 1885
big 31. 2Mrj 1897.
Teibelberg. Nechenfchoftgbericht ju ben Nennungen ber ftäbtifdjen
Waffen pro 1897.
pforjbetnt. Nechenfdhaftgbericht ju ben Necßnungen ber ftäbtifdjen
Waffen pro 1897.
3ufammenfteßung ber Betriebg*Ergebniffe ber in Äöln unb ben ein*
emeinbeten Bororten vorßaubenen, unter Auffidjt beo 0ber*
üraenneifterg fteheubeu 0rig * Atranfenfaffen, Betriebv'
(gabrif*)Äfranfen!affeu unb 3onnuugg*ttranfenfaffen pro 1897.
ranCfe in Berlin W., Sagreui^erftra^e 2y.
Soziale ^retftS. Gentralblatt für Sojialpolitif. $r. 2. 56
©ie äoitalo Dravi«" cr^cint an jebem Sonnentag uub iit burefc eitle 33 ucf)banblungcn unb ^oftämter OPofaeitunganuniiiicE 6723 T) 3U besiegen, ©er %xe\t
für baß SBierteljafyr ift 9 Ji. 2 , 50 . Sebe Kummer foftet 30 ^f. ©er »meigenpreiö ift 60 %Sf. für bie brcigefpaliene ^cti^eilc._
£>eft 35. QxVXtnWtftn. Ucberfirfjt über bie neueren 93eftrebuugen auf beut ©cbictc bei* ?lrmen=
pflege iu ben für ®eutfd)Iaub nudjtigften Staaten beö 9lu£laube3. SSon <£♦ 9Jtnnfterbe*fl. ?>m3 1 3)?. 60
«peft 36. irrmngsmflljrejeln gegen nnijrpfUrtjtige ^ngeljürige. ©m^te, erftattet uou e. $irtd)i>crg,
Jafftciu, (§. 9Jttuiftcrberg. ©reis 2 3)7.
§eft 37. fjtlfe in nulferxiriientlirtien JtlltJtnnöen. ©oridjt Über beit 37otftanb int 97iefengebirge iiad) bem ©od)=
mager uüiu 30. Juli 1897 unb bie babei cntroiifclte .'pilfstljätigfoit. ©ou CbUmlb ®aer. — S3rad)t uou
e. Said). «Preis 1 3)7. 80 ©f.
§cft 38. fie merijfelfeitige |lnter)iüi?ung an Uetdjöangeljärige in iien eiweinen ^uniiee(idflten.
©on 28. gicifc^nianu unb .f>. 9iitlaitb. ^SreiS 2 3)7.
$eft 39. 5ngurijtö(iätten für uieiblittje ^erfnnen. © 0 n e. sibers. ©rtptfnpmnttnum in iier Armen¬
pflege. Anredpiung Der |eiflnngen iier priuntuialjUIjnttgheit unb Immlibenrenten. ssou
Sd)ittibt uub (Siuto* $rei$ 3 9)?. 20 $f.
Verlag der Arbeiter-Versorgung. TfrOSCbCl in )3cMin YC-
Deinnichst erscheint:
Früher erschien bereits:
Verzeichnis
Verzeichnis
der
der
üetriebskrankenkassen
©rtskrankenkassen
des
des
Deutschen Reiches.
Deutschen Reiches.
l Nach amtlichen Quellen zusammengestellt.
Mit Benutzung amtlicher Quellen zusammengeslellt.
Nebst einem alphabetischen Ortsverzeichnis
und einer Zusammenstellung der Fabrikationszweige.
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lebst eines alphabetischen Orliverzelehns.
Preis einschliesslich des 1. Nachtrages
2 Mark.
Durdj jebc SorthncntsbudifyauMung 311 bc*
Sieben:
lieber dinge
(b ninM't'ntifii brr ffojinlpolitih
unb ber
t>olfen?irtf(t»cift 0 le^rc.
©uftan SdjmcUcr.
^ 1898 . ^
- Preis 6 üllt. 40 pf. -
SerantroorUt<$ für bie «njeigen: ©cOmutt) öetbel, fietpjtg. — »erlag oon Jumfer & ©umblot, l’eipjig. — öebrurft bet 3 uliu 8 etttenfeln, »erltn.
©erlm, ben 20. Dttober 1898.
ilummrr 3.
{$ent*afMatf fötr gjogictCpoeifiü
mit ber SRonatöbcilage:
Das ©ewerbegevicht.
©rgatt öes Detbanbes bcutfdjer (Beroerbegericfyte.
Reue golge bcr „©lätter für fokale sßtajtö" unb beS „Soaialpolitiidjen Eentral6latt§\
Srfd*rf»t om jetan 2>OMueHlog. f)ecau§geber: *ret« Hrrltlfatjrll* 2 SR. 50 *f.
Rebaftton: ©erltn W., ©ahreutherftraße 29. ÖP* Ctttfl ©erlag Ooit Duntfer & fmmblot, Cctpjlg.
©et ©etein „ReichS’ÄobnunflS*
gefefe" unD feine ©orfd>läge.
®on Dr. Ä. üon SRangolbt,
granffurt a. 9R.57
®aS belgtfche ©efefc übet bie
©erufSüereine. ©on g5rofeffot
©rneft SWo^aim, Sütticb ... 60
WiCMiotaf fDtab MMb
.64
Ätbeitetfammern.
Semeittfamer Äampf oonSßriit»
jipalen unb ©ebülfen im
©eutf$en »ucbbtudgemetbe
füt bie ©otifgemeinftbaft.
Aufteilung bon ©rubenfonttoleuren
an« bem 9Irbeitcrftnnbe.
©roieft gegen baS geftunmefen.
Steuerbefreiung für bie JpauSinbuftrie
in Rufelanb.
ftMUMMMMle CpMfüHl ... .68
Ablehnung einet Umfafcfteuer füt
Äonfumoereine in Hamburg.
StÜbtifcber ©igenbetrieb bet fßfetbe*
bahn in Amfterbam.
Stäbtifche AuSfiinftSftelle füt ©ofen.
Soziale Baftänbc . ;.68
Sewerbltdje Ätnberarbeit im
^etaogtbum ©rounfchwelg.
tUB*itar&«*»e|mi§.69
SRiftglüäen beS ©eneralftrcil«
in grranfreidj. ©on g. Schott*
böfet, ©ariS.
Bewegung bet Bergarbeiter im Ruhr*
gebiete.
©on bet ©erlinet Arbeiterbewegung.
JBensfSnerein djriftlidjer ©afthofö»
geholfen.
Bufammenfdjlufe bet organifierten
fojialbemoftotifcben 4?ano!ung£ge*
hülfen.
©egen leichtfertige Streif« in bet
©d&meia.
An« bet engliföen ©ewerfbetein«*
bewegung.
73
©unbe«ratb«berorbnung übet bie ©e»
fcbüftigung bon Arbeiterinnen unb
jugenblidjen Arbeitern in
Erhebungen jum Schufce bet ©au»
arbeitet.
2U9eitt*t»evfl4etnng* ®patf offen. 73
©ie hobelte jum Snbalibitüt«*
unb Alter«berficberung«gefefe.
Auöbebnung bet Ätanfenöerfic&erung
auf bie £au8tnbnftrieUen in ©etlin.
(Sentralfaffe bet ebangelifdjen Arbeiter»
beteine in ©abetn.
AlterSberßdjerung in Reu»Seelanb.
BU5ttt5ita4toeii.75
©et Arbeitsnachweis unb bet ©unb
bet Snbufiriellen.
Erfte ©etfammlung be« Setbanbe«
3 Ut götberung be« Arbeit«nachweife«
im RegterungSbeairf ©üffelborf.
Arbeitsnachweis unb ©ienftbotenber«
mittelung.
©et Arbeitsnachweis bet Sanbwirth»
fchaftSFammer füt Schießen.
SRh^erarbeitSnachweiS unb $afen»
arbeitetbetbanb in Hamburg.
Arbeitsnachweis in Sübauftraiien.
CdohnnngStvefen.77
Rheinifdjer ©erein jut gbrberung beS
ArbeiterwohnungSwefenS in ©fiffel»
borf.
SBohnungSffirforge in SRagbeburg unb
3R »©labbach.
Stübtifdje Arbeitet Wohnungen in
Karlsruhe.
©titchnng unb ©Übung.78
©taftifcb’foaiatet 5turfu« be« ©olFS»
oerein« füt ba« fatholifche ©eutfch»
lanb.
AttnavifAe Äsptgtit.78
tiefer 9«mnet (feieit ?n|tU$«erjel<|iii| ntl pie(i(«tt ffte 9«|t|«tt| TU Per
?r«xis ,< lei.
Abbrucf f&mmtltchet Artifel iß Bettungen unb ßeitföriften geftattet, jeboch nur
mit Dotier Quellenangabe.
3 ttljnli
■«»(UctfUBD
Ber „Bereit! Reidj 3 -öloljnttng 59 efelj“ unb feine
Borfdiläge.
Die SSohnungSfrage ift reif für einen großen ge[eö*
gebenden Aft — biefe tleBerjeugung ift in biefer 3eitf<hrift fcfjon
mehrfach oertreten worben; es märe überflüffig, ba£ fycv nod) ein*
1 mol su thun. ÄuSgehenb non biefer Ueberjeugung f)at ficb am
i 25. 9Rai b. Qä. in granffurt a/30®. ein „©erein $eiib3*©$obnung£*
! gefefe" gebilbet. Heber ben 3 roec ^ gtebt §. 1 ber 6 afcungen
äuöfuuft:
„©er am 25. 9Kai 1898 in granffurt a. 3Ä. gegriinbetc „©erein
Steicbsroobmingsgefefc" bat ben S^ecf, jitm ©el)ufe ber ©erbefferung bcr
SSobnungSücrbältniffe eine burcbgreifenbe ©efchgebung, in erfter 2 inie
non Seiten be« 9tetdje«, aitjnregen unb oorjuberciteu. (Sr betrachtet es
bemgemäß als feine Aufgabe, entfprecbenbe gefe^liche ©faßregeln gegen
bie ©Jifjftäube auf bem (Gebiete beS ©Sobnungsroefens in ©orfchlag §u
bringen, ber Ueberjcugung non bereu 9Jotl)n)enbigfett burch ausgiebige
öffentliche (Srörteruug au allen bafiir geeigneten Stellen 311 m ©urcpnuh
ju oerhelfen, auf bie Regierungen unb bie politifcheu ^arteten in feinem
Sinne einjumirfcn unb inSbefonbere ben ©eutfcheit Reichstag 3111 *
Stellungnahme in biefer Angelegenheit 311 bewegen."
©)er ©erein hat e 8 fith S un äthft angelegen fein laffeit, einen
Arbeit 8 au@fd)ii& 3 U bilben unb burch biefen ©orfdjläge für ben
materiellen 3 «h a H be^ angeftrebten (^efefeeS an§ 3 uarbeiten. ©iefe
©orfchlage, bie in einer füglich erfchienenen ©rofchüre beS Unter*
jeichneten: „S)er ©erein 9teiths*S!BohnungSgefeb unb feine ©or*
fchläge*)" näher entmicfelt finb, forbern bie reic^Sgefe^lic^e ©)ur(f)'
führung folgenber fechS großen ©ruppen uon SReformmaferegelu:
1. S)ie Einführung einer SßohnungSinfpeftion unb ber 3oneu*
enteignung für bebautes ©elänbe.
2. $>ie allgemeine Renipon ber ©auorbnungen unb ©e*
bauunggpläne im Sinne ber mobernen Reformbeftrebungen auf
biefem ©ebiete.
3. 2)ie ergänjenbe ^robuftion Heiner Wohnungen burch plan*
majjige ©ilbung uon ©augeuoffenfchaften unb *gefeHf<haften unb
burch beren Unterftühung mit billigem öffentlichen $rebit.
4. 2)ie ©efdiaffung bittigen ©aulanbeS burch Reform beS
EuteignungSrechteS unb ähnliche SRafcregeln.
, 5. ^)ie Reform beS RtiethrechteS, Rhethproaeffeg unb ber
SroangSooUftrecfung.
6 . Allgemeine Anregung unb gförberung roeiterer, oorftehenb
nicht genannter Reforatmaftregetn — wie 3 . ©. beS ©ororts*
oerfehrs — burch bie Organe 3 ur Durchführung ber ©JoIjnungS*
reform.
©ehuf 0 biefer Durchführung wirb nämlich theiltoeife ein neuer
Apparat oorgefeljen, beffen hauptfächlichfte ©lieber finb ein Reichs*
©Johnungöamt, SöohnungSinfpcftoren, ©aubanfen unb — etwa je
für ben ©ereicb eines RegierungSbe 3 irfeS — follegiale, grofeenthcils
aus ehrenamtlich roirfenben Öaien beftehenbe ©ehörben, genannt
©au* unb 2 SohnungSräthe.
Diefe ©orfdhläge tragen inbeS noch nicht in allen Eingelheitcit
ben EharaHer ber Enbgültigfeit. Der ©erein erbittet fich jefct über
ben gansen ©lan wie über beffen Ein 3 elbeiten ©utacfjten 001 t einer
*) ©erlag uon Johannes Alt, Avanffitrt a. Rf. ©reis 5 bei
Abnabme oon 25 Stiicf 40
ö!) Sojtale 1ßra£i$. ©entralblatt für Sojialpolitif. Br. 3. 60
Betbe Ijeroonragcnber 3acf)üerftäiibiger; nad) ©ittlauf bcr ©utad)ten I unb barf baS Beicb nic^t oerfagen unb lief» beit Bang oon beit
foH im Sötnter eine Sacboerftänbigeufonfere^ abgebalteu unb ba?
nad» fodett bie non biefer formulirten Borfd)läge einer ©eneral?
oerfatttmlnng bes BeretttS oorgelegt werben. ©rft auf ©ruttblage
ber fo enbgültig geftalteten Borfdfjläge fott es bann 31 t einer
Agitation in großem Stile fommen, §u bereu Leitung unb Be?
treibung oorauSfid)tlid) ein Bureau in Berlin errietet werben wirb.
SnbeS hofft ber Berein fid) aud» bis babin fdjon wefentlid» au«*
gebeljnt ju haben. ©itt erheblicher Sb c M ber Eiaffen, bie oor allem
an ber B*obmtngSreform ein Sntereffe haben, finb in gewiffen
Eörperfcbaften jufammengefafet: in Blietbcrucrcitien, Baugenoffen?
fdjafteu, ©ewedfebaften unb ©cmedoereitien, eoangelifdiett nnb
Jatbolifcben ^Irbeiteroereinen u. f. w. Ser „Berein Beid^BSob*
nnitgSgefeß" wirb fid) an alle biefe Drganifationen wenben unb
fic bitten, ibn bttrd) Batbertbciluug, Blitglicbfdjaft, ©elb unb
pagattba ju unterftüßen. (Sr fiofft fo in abfebbaret* $rit eine
acbtunggcbictenbc Bladjt ^ufamtnensubringen, welche alle politifd»en
Parteien nötbigt, ber Bk>bitnttgSfragc unb ihrer reid)Sgcfcßlid)ett
Regelung ihre Slufuterffamfeit ju wibmen. daneben werben
natürlid) aud» ©injelmitglicber nnb beren Unter)tüßuiig febr will?
foutmen geheißen.*) Sd)licßlid) wirb and» ber BeicßStag uidjt
umbin föuncn, Stellung 311 nehmen, nnb wenn er oietteid)t and)
baS erftc unb gweite Blal nod» feine Blebrbeit für biefe glätte auf?
weift, fo muß man bodj ber guten Sache Zutrauen, bafe fic
fdjliefjlicb bie Blebrbeit gewinnt.
(£8 ftebt freilid) baljin, weither eubgiltigc ©rfolg ber Be¬
wegung befebieben fein wirb. Sb re Anfänge finb jebenfatts nitbt
nnglüdlid) gewefen. Sit feiner ©eburtsffabt, granffurt a. Bl., haben
ficb ?lngebörige faft fcimmtlicber Parteien, üott bett Eonfcroatioen
bis 3 U beit So^ialbemofratcit, an beut Bcreitt beteiligt: fiibrenbc
©lemeitte oon ihnen allen fißeti ittt Borftanb nnb Slrbcitsausfdjiiß,
einntütbig überzeugt oott ber Botbwenbigleit eines fold)en B>edeS.
Sie große reffe, allen ooratt bie „Sranffurtcr 3 c ib i ng" unb bie
„Eölnifd)c S^ang", bat ben Berein oielfad) freuttblitb begrüßt;
aud) bei feinen erften ?(ttfmipfungen nach Slußett ift ber Berein
bisher oott ©liicf begiinftigt gewefen. ©S ift freilid) wahr: bie 3eit
ift augcttblicflid) foldjett großen fo^ialpolitifchen Brojeften nid)t
güitftig. 2 lber bie 3 *it bes ettergifcbeti fo^ialpolitifdiett fvortfebreiten«?
wirb bod), wie man hoffen unb erwarten muß, einmal wicbcr fomnteu
unb batttt wirb bie SßobttungSfrage eilten ber .sjauptfclber ihrer
Betätigung bilbett unb cS wirb bie oorber gcleiftete BorbcreitungS*
unb 2(ufflärungSarbeit uidjt mufouft gewefen fein. Sie Beffcrnttg
ber ©obtutttgcwcrbäüniffe begegnet feinen internationalen Sdjmierig?
feiten: bie Opfer, bie 311 tragen fittb, fallen großeutfjeilä beut arbeite?
Iofett (Siufoinmcit ber fteigenben ftäbtifdjen ©runbreutc 3 ur Laft; bie
Snbujtrictten, beren BMberjtanb bei attberett fosialpolitifdjcn Reformen
311 fürditett ift, boten fogar erbeblitbett Bortbeil oon ber B*obtiungS?
refornt: alle Bestrebungen 3 ttr tnoraIifd)en uttb gefttubbeitlidjen
Mebuttg ber breiten Bolfsmaffen müffett bie Beffcruug ber 3BobnttngS?
oerhältitiffc freubig begrüßen; enblid) ift au ber BJobnungSreform
nicht nur ber Slrbeiierftaub, fonbern cS finb baran atttb weite
Sd)id»ten beet BolfcS fott ft lebhaft intereffirt. @0 fomntt Bielen 31 t? !
fatnmett, um beute eine Bewegung auf bicfeS 3iel auSficbtSreid)er 311 I
geftaltcn als bie auf attbere fo 3 ialpolitifd)c 3iele, unb fo ift eS gewiß
fein 3ufall, bafj aud) gegenwärtig bie Befferung ber BJobnungS?
oerbältniffe in Belgien, Moüattb uttb fyrattfreid) fotoie bei uns itt
einigen CSiuselftaateit eine Bolle in ber praftifdjen Bolitif fpielt.
Bkttn man aber einmal eine berartige Befortn anftrebt, fo muh
cs eine ootn Belebe au^gebettbe fein. Sie 3uftänbigfeit bev Beid)e^ ift
gegeben, theild bireft, theil^ inbireft burch ^Irtifel TS ber Beid)ö-
oerfaffnng. (S^ hat feinen Sinn, eine in allen ^anbcvthcileit ber j
Bcgcluitg bebürftige Tvrage au 26 oerfebiebenen Stellen atijufaffen; I
nur im Beid)e nnb im ^Infcblttß an bett Beicb^tag läßt ficb bie I
große Bolf^bewegung für B3obnnttg*reform orgattifiren, bie wir I
brauchen. Uttb enblid): in folchett Lebensfragen ber Bation foll j
!
'.'Jiitglicbsauuiclbiiiigeit unb Beiträge finb |n abrcffiucn au I
..-'oerru (»Jcucralbireftor Siehc, «nfurcr be^ Bereinv Beirf)y?SBoluumgv? |
gefrß, Avaufiurt a. Bt., Bluiifanteuweg 46 ", nidg au ben Berein als j
ioldieu. '
(Sin 3 elftaateu ablaufen Iaffen. Sßtr haben es bringenb nötbig, bafe
baS Beicb ben großen Blaffen beS BolfeS nicht nur als 3 c fcrc
unb Bebmer für Blilitär unb Blarine erfd»eint, fonbern auch als
©eher unb Schüler feiner beften ©üter. Saö ift ein moralifeber
Buf, ein §lnfeben, baS in fritifeben 3 e ^ en miebtiger unb ent?
febeibenber fein fann als gait^e Slrmeen. £>offen wir barum, bafe
bas Beicb ficb aufrütteln Iäfet 3 U einem tbatfräftigen Borgeben im
Sinne beS BereinS.
2BaS aber auch gefdjeben möge, ein ©rfolg ift beut Berein
auf jebcit gfall fidler: burch bie Agitation, bie er 3 U entfalten im
Begriffe ftebt, wirb jener gan 3 e oielocrfcblungene Enoten oon BH&?
ftänben auf beut ©ebiete beS 2öobnuttgSwefeuS, werben beren Ur?
facbett unb SlbbilfSmittel fo befannt unb fo oiel erörtert werben,
wie nicht leicht burch irgenb etwas anbereS. Hub febott bas wirb
ein drfolg fein, ber bie Blühe lohnt!
Srauffurt a. Bl. E. oott Blattgolbt.
I Ba£ hdglfd)c über bie ßerufeuereltte«
I ^(ls im belgtfd)cn Parlament bie Sebatten über ben ©efeß?
entwurf betreffenb bieBeritfSoereine eröffnet würben, habe ich an biefer
Stelle bett Staub ber Jvrage uttb ihre Sluffaffuttg itt Belgien bar?
e (Br. 9 ber So 3 ialcti üont 2 . Sc 3 ember 1897). Sie
, tnblnngen über bie Borlage bauerten ungewöhnlich lang. Sie
Begierttttg batte bie Eatnmern 311 einer außerorbetitIid)ett Seffiott
einen Bloitat früher als fonft in ber Hoffnung cirtberufen, bafe
j biefer 3 e i( 9 cnj iait sttr SertigftcHuug beS ©cfefeeS auSreicbett würbe.
I Liber eS ift nid)t itur biefe auftcrorbentlicbe Seifiott oon ben Be?
| ratbuttgen ansgefüllt worben, fonbern es beburfte aud) noch mehr
als brei Bloitate itt ber orbentlichen Sagung, um 3 unt 3icle gu
I gelangen, ^sm Senat mußte bas oon ber Slbgeorbncteufammer
angenommene ©efeß bas fd^arfe fetter ber Sanften in ber Dppo-
j fttiott auShaltcn, unb auch hier war ein Blonat bis 3 ur Beettbigung
| ber Sebatten nötfjig. s JlllerbingS ift bie Borlage, im Unterfcbieb
| oott beut frait 3 Öfifd)ett ©efeß, liuocrfebrt aus bcr Bebefd)Iacbt beS
1 Oberbaufcs gefotumett, ba nufer Senat, attbers als ber fran 3 Öfifcbe,
; gegen bie Begieruug febr willfährig ift, biefer aber nichts baran
iag, ben (Entwurf nochmals oor bie Eantmcr 3 U bringen.
SU nun baS in beißen Sebatten fo oieler Blonate 3 ur Betfe
gebrachte ©efeß 00 m 31. Blär 3 1898 wenigftettS ein Bleifterwerf
I att Eiarbeit? Saoott ift eS weit entfernt! Sie oerfrfiiebenen ©nt?
I würfe, bic in ad)t^ Sab^n oor ber parlanteutarifdjeit Beratl;ung
ber Srage fid) anfamincltcit, wiefen auf ftarfc BleituitigSücrfdjiebeii?
I feiten gwifebett ihren Urhebern bin, obwohl biefe alle flerifal unb
regiert!tigSfreunblid) finb. Siefe Sifferet^ett traten auch itt ber
.Hammer 31 t Sage unb würben noch erweitert burch sabllofe
BmenbeinentS ttid)t nur bcr fojialtftifcben Dppofitioti, fonbern auch
eines Sbetles ber Besten. Sie Begierung batte fid) gegen brei
ober oier oerfd)iebene Shiffaffungen über bie BerufSoereitte gu
wehren unb bat ihren ©ntwurf nur mit $ülfe oon Eompromtffen
burdjgebracbt, bie bie Eiarbeit ber eigenen Sluffaffung jerftört ober
bod) getrübt haben.
^aS ©rgebniß ift, baß baS ©efeß eine Blettge Scbwierigfeiten
enthält unb 3 war in einem ('Habe, baß im Senat ber rabifale
Senator oott Liittid), £>err Sanfott, ber fofort bei ©röffttung ber
Berathung eine neue Lltiffaffitiig über bic BerufSoereitte feinerfetts
; oorbrad)te, beinahe einen BcrtagungSantrag burdigcfcßt hätte; eS
| fehlten ihm ttur brei Stimmen att Der Blebrbeit. Blan wirb unter
biefcit lltnftänbeii begreifen, baß es mir in biefeut Llitffafee nicht
I möglich ift, all bie Bbafeit bcr BarlamentSoerhanblungen ober bie
oerfebiebenen Softriuen oorgufübren, bie entwicfelt worben finb.
S<b bcgttüge mich mit bem .f)ittweis, baß bie taufenb Seiten ^arla?
meitisberidjte über bie Borarbeiten ein ernftlicbeS Stubium oer?
bienen; nid)t nur ber BolfStoirtl) unb ber Soziologe, fonbern auch
ber Bfpdjologe werben bort ©etoitttt finbett. .v)ier muß ich mich
auf bie Sarlegitng ber fmuptbcftimmuugeit bcs ©efeßeS, ihrer
Tragweite, ihrer Bebeututtg nnb ihrer wal)rfd)einliihen Bedungen
befcb’ränfett.
Urtifel 1 fteflt Brit^ip unb 3^ c ff beS ©efeßeS feft. Blau
weiß, baß cs fid) nid)t um bie ?lnerfenttung ber 3 nläffig!eit ber
BerufSoereitte hattbelte, ba bie l ) lf| 03 iationSfreiheit itt Belgien un?
befdjränft ift. Ser Llrtifel fagt: „Sic BerufSoereitte haben baS
Becbt ber juriftifd)en B er fan itt ben ©ren 3 e. 1 t unb unter ben Be?
bingmtgeit biefe« ©efeßeS/' Sas Brin 3 ip felbit ift nicht befinden
61
©öjialc ?rajts. Eentralblatt für Sostalpoütif. Br. 6.
62
roorbett; im Senat haben bic Herren 3aufoit uttb Dupoitt (Öiittid))
einen llnterfdjieb machen rnollen stuifdjen ber „juriftifchen s Perfon"
unb ber „juriftifchen Erifteits" auf ©runb einer siemlid) felifamen
Jljeorie, bie sroifchen ber politifcheti, in ihrer Bkfenheit bauernben
Berfönlidjfeit unb ber geitiüeiltgen juriftifefjen Berfon unterfcheibet.
darauf einjugetjen aber hat ber Senat abgelcljnt.
Brtifel 2 befinirt ben BerufSoerein. tiefer ift „eine Ber*
einigmtg, auSfchliehlid) 311 m betriebe, 511 m Schuft unb sur Ent*
roicfeluitg ihrer Beruf Sintereffen sroifeften $erfonen gebilbet, bie in
ber Snbuftrie, int fmnbel, in ber fianbroirt^fd^aft ober in ben
freien berufen mit einem ErroerbSsroecf entroeber benfelben ober
ähnliche Berufe, entroeber baffelbc Wem erbe ober folche ausüben,
bie auf bie >>rftellung berfelben Brobufte ab^elen".
Batürlid) gab faft jebeS SBort biefer BegriffSbeftimmung ^Inlafe
Su beträchtlichen Debatten, unb bie Erörterung einiger fünfte roirb
uns über bie Dragroeite beS ©efeftes ^luffdjlufe geben. So hat
bas Söort „auSfcftiieftlid)" ben 3wecf, mm ber Södftlthat beS ©e*
fefteS biejenigett Vereine, auch bie BerufSoereine, auSsufdjliehen,
bie einen politifdjen Eftarafter haben. Sobalb ein Sheil bes Ber*
einSoertnögenS in bie klaffe einer politifd)en Partei roanberc, fo*
halb ein herein ^aubibaten für eine ©emeinbe*, ^rooinsial«*,
Sfammerroabl empfehle, treibe er aftioe ^olittf unb fei nicht mehr
„auSfcftlieftlich" Berufsoerein. Es heifee inbeffett nicht, ^olitif
treiben, trenn geforbert roerbe, bah bie Btitglieber eines Vereins
unter allen llmftänben baS ^rioateigenthum, bie Familie, bie
Religion oertfteibigen. Dies feien Icbtglicft Bürgfcftaften, bie be*
greiflicfterroeife für ben Eintritt in ben herein oerlangt mürben.
So ift laut in her Kammer oerfünbigt morben.
3 <h fann nicht umhin, in biefer einf<hrän!enben Auslegung
einen ber unglücflidjften 3^9^ beS ©efeftes 30 fehen. 3ft es boef)
^hatfache, baß in Belgien bie ungeheure Bfeftrsahl ber Berufs*
oereine eine „politifche Särbung" hat, b. h-, affen ober nicht, einer
politifcfteit Partei angehört. Die fich sur Arbeiterpartei haltenben
Vereine führen einen Df) e il ber Beiträge ihrer BHtglieber an bie
Maffe beS EentralratfteS ab. Die ftatftolifen jeber Dichtung unb
auch bie liberalen grünben täglich BerufSoereine. ©eroifj ift baS
fein Borsug oom Stanbpunft ber ©eroerfoereinStaftif aus unb bie
DrabeS ÜnionS haben ficher niemals baS 23eifpiel hierfür gegeben,
baS aus Sranfreicft flammt. Aber es ift ju fpät, bie Betoegung
3 U hinbern. 9Ban mirb bei uns nie mieber 311 bem reinen Berufs*
oerein suriieffehrett. Es mar baljer eine oerfehrte Dcnbens, gefeft*
liehe Beftimtnungeu 3 U treffen nicht für baS, maS ift, fonbern roaS
fein follte. Das praftifefte Ergebnis biefer in ber Kammer, roie
E fd)ehett, interpietirten SSorfdjrift mirb fein, bah alle bie fosialifti*
ett Vereine oott ben S53o^Itf;aten beS ©efeftes auSgefd^loffen
bleiben, roährenb bie Vereine ber fatholifdjen Partei ihrer theil*
haftig toerben. Das 2£ort „auSfchliefelid)" fteht auch im fransöfi*
fehen ©efeft, aber es hat bort bie Berbinbuttg oon Spnbifaten mit
einer Partei nicht gehinbert, roeil man erfannt hat, bah ihr
Politiker Eharafter nur Beiroerf fein fann.
Der ftreng berufliche Eharafter ift baburch betont morben, bah
bie Kammer abqelehnt hat, bah bie Vereine neben ben Berufs*
intereffen ihrer i&itglieber auch beren mirthfchaftliche Qntereffen
roahrnehmen, mie bieS ber urfprüngliche $lan sulieh unb baS
fransofifefte ©efeft geftattet. Die llnterfcheibung ift feftr fubtil.
Das belgifdje ©efeft erlaubt ben Sßerfonen, bie freie Berufe mit
ber Abfid)t bes ©erointtS betreiben, einen BerufSoerein au be*
grünben. Dies fön neu alfo Sonrnaliften, Scftriftfteller, Erjrinber.
2öaS baS £ehrfad) betrifft, fo muh man unterfdjeiben: ßeftrer unb
Btofefforen an öffentlichen Anftalten bürfen es nicht, ebenfomenig
Berfonett, bie gratis, aus reiner öingabe an bie Sadje, Unterricht
erteilen; mohl aber bürfen es oieJßrofefforen ber freien ^In*'
ftalten, fobalb fie Eehalt begießen.
So ift alfo beS aefefclichen Vorrechts mürbig nur biejeuige
Bereinigung, bie sunt 3med baS Stubium, ben Schuh unb bte
görberung ber Serufsintereffen im engften Sinne beS Portes hat.
3)ieS ^rinsip beherrfdjt baS gan 3 e Öefeh unb hat bie SJtehrsahl
ber folgenbett Beftimmungen bebingt.
S)er 5lrbeitSminifter 9ipffenS hat fich bemüht, einige ber er*
laubten &bätigfeitSgebiete eines bem E)efeh entfprccheubeu BereinS
auf 3 U 3 ählen; fo 3 . B. gehört ba 3 u: „ 3 eft 3 ufteIIcn in jebem Ee*
merbe unb in jebem Berufe bie beften unb probuftioften §JrbeitS*
bebingungen, burch baS aemeinfame Erforfd)eit biefer Siegeln unb
Bebingungen, burd} bie Einridjtuitg unb Entmicfelung beS berufe
liehen Unterrid)teS, burch bic §luSbilbung tüchtiger Lehrlinge, burd)
bie Einridjtung oon Bibliothefeu, Sammlungen, Bcrfucfjsfelbern,
burch baS Stubium ber HrbeitSbebingungen unb ber Btarftlage
im ÄuSlanbe, burch Reifen unb ^Iborbnungen 3 U biefem 3n>ed.
5)ann Erörterung ber 2lrbeitsbcbinguugen mit Unternehmern unb
2lrbeitgcberu mie ber X'auer ber 2 (rbeitS 3 cit, Bubetage, Sonntagsruhe:
Seftftcllnug ber 3)ich s unb Äloutrolmethoben; ^3cfd)äftigung mit
ben Öragen beS ßohneS, ber £a£Cit, ber ^ohnauSsahluug, ber (^e«
minnbetbeiligung; ferner Sicherung gegen 2lrbeitSlofigfeit, Unter*
ftüfeung arbeitslofer BereinSmitglieoer, nrbeitSnachmeiS 2 c.; enblich
— unb baS ift nicht baS llnmid)tigfte — bie Drganifation oon
Beiferouteit für Arbeiter, bie im 2 luslaiibe arbeiten rnollen." SDauach
ift, um eS 3 ufammeit 3 ufaffen, ber bem ©efefe entfpredjenbe Berufs*
oerein eine Ä'affe für ©iberftanb unb Slrbeitslofigfeit, nichts meiter,
unb bie Beaierung hat oorgeforgt, bah i^m ieber anbere 3 °^
oerfagt bleibt.
So fönnen bie Bereute auch nicht, obmohl baS im Seft beS
©efefees nicht auSbrücflich fteht, fid) als ©efeflfchaften 31 t gegen*
feitiger §iilfe (ftranfenfaffen) fonftituiren, noch Waffen surBeiftcherung
gegen Unfälle unb für 2UterSoerforgung bilben. SDer ©ruttb, marutn
bieS auSgefd)Ioffen ift, liegt in ber Sorge ber Begiernug für bie
BerufSoereine, in ber 2lngft, bah beren Waffen burd) foftfpielige
Streifs ruinirt roerben fönnten. B^an muh wahrhaft ftaunen, bah
eine fonferoatioe Begieruna gegen bie Grabes UnionS bie ,,Ber*
mirrung ber Staffen" für ^rärfarge unb Streif ins gelb führen
fonnte, bie immer als ein Unterpfanb ihrer Klugheit unb Btähigung
oon ben Sreunbett beS Rialen griebenS gepriefen morben ift.
SDer So 3 iaüft |>eftor ®ettis mar es, ber auf biefe Argumente
gegenüber ber fonferoatioett Begierung binmieS.
Ein anberes Berbot aber fteht im 2lrt. 2 : „5)ie Bereine bürfen
felbft toeber einen Beruf noch ein ©etoerbe auStiben." $>ieS mirb
im SluSlanbe nid)t befremben, roo es ben Bcreiiten (abgesehen oott
einer 2ln3ahl lanbrairthfehaftlicher Bereine in granfreid)) nidht in
ben Sinn fommt, £>aubel ober ©etoerbe 3 U treiben. ®iefe Be*
ftintmung oerbanft ihre Entftehung ber f<|arfen Oppofition, bie
bie Bfehrheit ber Besten ben Anträgen ber BUitberheit, ben
Ehriftlid)*2)emofratett unter ber Rührung ber 2lbgcorbncteu .§eUe*
putte, Earton be 2Biart unb Benfin, machte. S)iefe Bfäntter be*
trad)ten ben BerufSoerein als ein 2 Berf 3 eug ber Eman 3 ipation für
bie Arbeiter, bie §anbroerfer unb bie Bauern. Sie rnollen ihn
gleichennahen 3 U einer UnterftüfcungSgefellfdjaft unb sur B^obuftio*
genoffenfd)aft machen — eine 2luffaffnng, bie, oon ben So 3 ialiften
unterftü(jt, gart 3 offen reoolutionär auftrat. So oerbietet matt
gruitbfäfclid) ben gefefelid) auerfannten Bereinen ^aitbelSgefchäfte
3 u treiben, unb in ber Beforgnih, bah fie ft<h in ^anbelSopcrationett
einlaffett, bie für ihr Bcrntögen gefährlid) toerben fönnen, unter*
fagt man ihnen, Slnthcilfcheine ober Hftieit iit $anbclSunterneh*
mungen, anonymen ©efeüfd)aften, ^ommanbiten unb felbft ©e*
noffenfdjaften 3 U ermerbett. 2llIeS, maS fte thun bürfen, ift, bah
fie Sittichen 31 t feftem 3i n ^f u 6 machen fönnen, 3 . B. Obligationen
ober Staatspapiere aufnehmen.
Batürlich bürfen biefelben B^fonen, bie einen BerufSoerein
bilben, baneben eine ©enoffenfehaft grünbett, aber bann ift bieS
eben eine neue Bereinigung, bie bett gorberungen bes ©efefces oon
1873 genügen muh- Qttbeffen hat hoch baS $räceben 3 ber lanb*
mirthfd)aftlicheit Bereine in $ranfreich unb ber Bauerttbünbe in
fylattbcrtt bie Begierung bemogett, eine SluSnahtne gu machen. 2)ie
BerufSoereine bürfen 3 um ©ieberoerfauf an ihre Btitglieber Bol ) 5
ftoffc, Sämereien, Düngemittel, £>anSthiere, Biafchittett unb anbere
2 öerf 3 euge attfaufeit; ebenfo bürfen fte Er 3 eugniffe bes eigenen Be*
Berufes faufen unb an baS ^ßublifum oerfaufett, fie fönnett Sehr*
merfftätten unterhalten — 2WeS aber unter ber auSbrücflichett Be*
bittaung, barauS feinen ©erointt 311 sieben. 5ür biefe Operationen
muh ber Berein eine befonbere Bechnung führen. Die 9urd)t,
ba| bie Bereine ein ©etoerbe auSiiben fönnten, ift fo groh ge*
roefen, bah matt ihnen bie BJöglichfcit genommen hat, Hrbeits*
ftätten für 2lrbeitslofe 3 U errichten, meil barauS ftättbige $ro*
buftionsftätten toerben fönnten.
Bkr fann ttntt Biitglieb eines BerufSoereittS toerben? Darüber
giebt 2lrt. 3 Slnffchluh- 3»nge ßeute oon 16 fahren an uttb Ehe*
frauen ftnb nur batttt sugelaffen, mettn ber Bater ober ber ©atte
nicht Eittfpruch erhebt. Der Biinberjährige hat feine befchliehenbe
Stimme. Der Berein fann Ehrenmitglieder ernennen, felbft toentt
fte nid)t bem Berufe angef)örcit, hoch barf ihre 3 fl hl «id)t ein
Biertel ber 3 a h^ ber mirflidjctt Biitglteber überfd)reiten. Schattf*
roirthe fönnen nicht Ehrenntitglieber roerbett, meint fie md)t min*
beftenS roährenb oier Öah^f ben betreffeitben Beruf auSgetibt haben.
2BaS bie^fonn ber „ 2 lnerfennuitg" betrifft, fo muh ber Berufs*
oerein als getttäh bem ©efefc gebilbet burd) beti Bergroerfsratl)
(Conseil des Mines) erflärt toerben, ber in Belgien bie Aufgaben
beS BegiftrarS in Englattb unb beS BureauS ber Sijnbifate im
fransöfifchett BHnifterium ausübt. Der Bergmerfsratl) bcftel)t ans
68
Sogtale ©ra$t«. Gentralblatt für Sogtalpolttif. Wr. 8.
64
fünf Beamten unb gehört gum Arbeit«minifterium. Gr ift eine
alte Snftitution, beren Ar6eit«laft nic£;t allgu feiner ift unb ber
mau neue)? ßeben hat einflöfeen wollen, iubent man fic gu einer
Art ©erwaltung«gericht0hof für bie ©erufgoereine machte. Seine
Aufgabe befteht einfach barin, fich gu oergeroiffern, ob bie gefefc*
licken ©eftimmungen erfüllt morben finb. 3“ biefem 3n>erf muffen
bie ©erufgoereine bei il)m ihre ©afcungen, eine ßifte aller ihrer
©Utglieber unb eine Grflärung einreichen, bah alle ©Utglieber
eine« ©ereilt« auch wirklich betnfelben ©erufe angeboren. Hin
S gu fein, müffert bie Statuten eine SRci^e oon SBorfd^riften
m, bie hauptfädjlich in Art. 4 aufgegählt finb, nämiid^:
Warne, domigil, 3 Tl)e( ^ herein«, ©ebingungen be« Gin* unb
Austritt« ber ©Utglieber, Drganifation ber ©orftanbfd)aft, ©tobu«
ihrer Ernennung, dauer ihre« Amte«, Art ber ©ermögen«aulage,
Wechnunggleguttg, Gefd)äft«orbnuiig für Statutenäuberungen, Die
oom herein gebilligten ©eftimmungen für bie ©eobad)tung feiner
Gefd)äft«orbnung, enblid) „bie ©erpflidjtung, gemeinfam "mit ber
Gegenpartei bie ©Uttel unb Söege gu fudjen, um jebe Streitigfeit,
bie ben ©erein angebt unb bie Arbeit«bebingungen betrifft, fei e«
burdt) Einigung, fei c« burch Sd)ieb«gericht beigulegen."
die ©eröffentlid)utig ber ©erein«ftatnten erfolgt im „Staat«*
angeiger". Alljährlich muh ber ©erein beni ©ergroerfgrath eine
Abrechnung über bie Ginnahmeu unb Auggaben, fowic bie ßifte
feiner ©orftanb«mitglieber einreicben. ®iefe lefcteren muffen ©eigier
ober, wenn fie Au«länber finb, gum SSobnüb in ©elgien befugt fein.
Scbatifmirtbe, getoiffe Kategorien oon ©erurtbeilten, ©aufrotteure
bürfen nicht im ©orftanb eine« ©erufgoerein« fifcen. Wach bein
Kommiffiotigentwurf foHte auch eine ooflftänbige Warnen «Ufte
fämmtlid)er ©Utglieber oorgelegt werben. diefe ©eftimmung ftiefc
auf beu lebhaftesten ©Uberftanb bei ben Sogialiften. Schfiehlich
entfdjloh man fid) nur gu bem ©erlangen, baf* im ©ercin«lofal
eine auf bem ßaufenben gehaltene ©titglieberlifte aufgelegt werben
muffe, bie ben ©Utgliebern gur Ginficht offen flehen foH.
die Artikel 10, 11 unb 12 beftimmen bie Wechte ber ©eruf«*
oereine al« juriftifcher ©erfon. „der ©erein barf al« Kläger ober
©ertbeibiger gum Schub ber inbioibuellen Wechte, bie feine ©Ut*
glieber in ihrer Gigenfchaft al« ©Utglieber beftben, oor Gericht gu*
gelaffen werben. da« trifft im ©cfonbereit gu für bie gerichtlichen
Schritte gur Ausführung ber ooni ©erein für feine ©Utglieber ab*
gefchloffeuen ©ertrüge unb für bie Schabenerfafcflageu,' bie burch
Wichterfüllung biefer ©orlage oerurfaebt werben." die grage nach
ben Wechten unb ber ©erantwortlichfeit ber ©erufgoereine ift febr
fchwierig. Sie h<U in granfreief) einer WechtSauffaffung ben ©oben
bereitet, bie ben Spnbifaten feinbfelig gegenüberftebt. Sn ©elgien
finb bie miberfprecbenbften Anfichten oon ben Quriften be« ©arla-
rnent« geäußert worben, ©i« gu welchem Grabe fann ber Schuh
ber ©erufgintereffen bie Sntereffen (nicht bie Wechte) dritter oer*
leben? die Gntfcheibung h<U man ber SBürbigung ber Gerichte
überlaffen.
der ©erein barf, „als Gigenthum ober fonftwie" (g.©.in ©Uethe)
feine anberen Qmmobilien befifcen al« fold)e, bie erforberlich finb
„gur Grrid)tung feiner ©erfammlungglofale, ©ureaiiy, gewerblichen
Schulen, ©ibliotbefen, Sammlungen, Saboratorien, "©erfuch«felber,
Unterkunft für $au«tbiere, ©tofd&inen unb ©krfgeuge, Stellen*
naebweife, Arbeit«börfen, ßehrwerfftatten, Verbergen unb Kranfen*
bäufer". ®iefe ©eftimmung gebt weiter al« bie entfpreebenbe
im englifeben ober frangöfifchen Gefefc. Sie ift natürlich heftig
oon ben liberalen Senatoren angegriffen worben, bie barin bie
SBiebereinfübrung ber „tobten £anb" erblicfen. — der ©erein
barf Gefdjenfe unb Legate annehmen, aber er muh bagu in jebem
eingeltien Salle burd) königliche ©erorbnung ermächtigt werben,
der Gefcbenfgeber ober Grblaffer fattn gu feinem ober feiner Grben
Wufcen fidh Wecf)4 oorbebalten, im Salle einer Auflöfung be«
©erein« eine bem SBertl) be« oermaebten Gute« entfpreebenbe
Summe gu ocrlangen. Al« Gntfdjäbigung ber ©cfifeoeränberung«*
gebühr erbebt ber Staat eine 3abre«taje oon 4 °/ 0 be« fatafter*
mäfeigen Ginfommen« oon ben bem ©erein gehörigen Gritnbftücfen.
$)ie Slrtifel 14 # 15, 16 bebanbeln bie Wuflöfung be« ©erein«,
bie oon ben Gerichten oerfügt werben faitn, wenn oer ©erein fich
nicht ben ©orfdriften be« Gefefte« fügt, wenn fein ©ermögen gu
einem anbern 3^ecfe, al« für bie ber ©erein gegrünbet worben
ift, oerwenbet wirb, wenn bie Leitung fidb nicht im Wähnten be«
Gefefee« hält. ©$a« bie ßiguibation betrifft, fo ift gu bemerfen,
bafe ber ^ftioreft, nach ber Schulben, einem ähnlichen ober
oerwanbten Snftitute gugefiibrt wirb, ba« entweber bie Statuten
ober bie Generaloerfammlung beftimmt. äßangel« einer folcben ©e*
ftimmung nimmt ber Staat ba« ©erein«oermögen an ftd), um e«
3wecfen De« gewerblichen Unterricht« guguwenben.
Wrtifel 17 enthält Strafbeftimmungen gegen ben ©erein«*
oorftanb unb bie ©Htglieber. Slrtifel 18 gewährt ben ©erbänben
oon ©erufgoereineu ba« Wecbt ber jurifttfeben ^erfon mit ber
3Kahgabe, bafe folche ©erbäube eingig unb allein au« ©ereineit
beffelben Gewerbe« beftehen. Slrtifel 19 ettblicb legt ber Wegieruug
bie ©erpfliebtung auf, alle brei Sabre ben Kammern einen ©eriebt
über bie Slu«fiibrung be« Gefefce« oorgulegen.
^)ie urfprünglichen Gntwürfe enthielten auherbeui einen
Schlufeartifel, ber ben ^Irtifcl 310 be« Straf gef erbliche« abänberte,
wonach mit Strafen belegt wirb, „wer in ber 2lbfid)t, bie ßöljne
gu erhöhen ober gu erniedrigen ober bie freie §lu«iibung be« Ge*
werbe« ober ber Wrbeit gu beeinträchtigen, Gewalttaten begeht,
©eleibigungen ober Drohungen augftößt, Gelbbufeen, ©erruf,
Sperren ober irgenbwelcbe ©erfolgungen oerhängt, fei e« gegen
diejenigen, bie arbeiten, fei e« gegen bie, bie arbeiten laffen."
da« frangöftfehe Gefefc hai^ ^«f e ©orfd)riften in ©egug auf Gelb*
bufeen, ©erruf unb Sperren, bie in ben Statuten ber ©erufgoereine
egen ihre Wiitglieber beftimmt waren, fallen laffen. die Urheber
er erften Gntwürfe, felbft Konferoatioe, in ©elgien wollten eben*
faß« biefc Wtittcl gugeftchen in ber Grwägung, bah, menn bie ©ereilte
feine 3mang«mittel gur durd)führuitg ihrer ©efcfjlüffe in ber .£Sanb
haben, jebe Lohnpolitik, jeber Streif unmöglich fei. diefe Grwägung
hat inbeffen bei ber belgifchett Wegierung nicht burchgefd)lagen,
fonbern au« ©eforgnih dor ©tigbräuchen h^t fte ben ?lrtifet 310
be« Strafgefeijje« unoeränbert beibehalten, die ©ereine fönnen
bernnad) Strafbeftimmungen gegen ihre ©iitglieber erlaffen, aber
„fte bürfen fid) nicht auf Abmachungen ober dhatfachen berufen,
bie geeignet fein würben, bie Wechte oon ©erfoneu auherhalb ber
©ereine gu febäbiaen." G« wirb mtereffant fein gu oerfolgen,
weld)en Gebrauch bie Gerichte oon biefetn 3^iefpalt gwifcheu bem
Strafgefeh unb bem neuen Gefefc machen, ©on ihrer Auffaffung
wirb e« abhängen, ob bie ohnehin auf bie Wolle oon Streitfällen
befebränften ©ereine nicht einmal im Stanbe finb, wirffam ©Hber*
ftanb gu leiften.
die Sogialiften h^cn bä ber Abftimmung über ba« Gefeh
erklärt, bah fie fich f c i ncr bebienen würben. Sn ber dhat
bietet ihnen ba« gemeine Wed}t weniger .^emmniffe unb bie 2$obl s
that ber juriftifeben ©erfon ift für bie fogialiftifeben Si)nbifate, bie
feinen Grunbbefih h^^en, recht wenig wertl). Sahrfdieinlid) werben
nur bie oon ber fatbolifcb-fouferoatioen ©artei gegrünbeten ©ereine
unb bie ©auernbunbe (Boerenbonden) ber chri|tlid)en dentofraten
oon bem neuen Gefefc Wu^en giehen.
ßüttid). ©rofeffor Grueft Wfahaitn.
Allgemeine «oiiaJ- unb l&irtfyrdjitftepolitik.
Arbdterfßmmrru,
die Generaloerfammlung be« ©erbanbe« „Arbeiterwohl", bie
am 13. Dftober in Strahburg i. Gif. abgehalten würbe, befdjäftigte
fich mit bem dhema „Arbeiterfammern". S» feinem einleüenben
©ortrage führte ber ©orfifcenbe Jabrifbefifeer gr. ©raubt«*
Wt.*Glabbach (wie wir 3^kng«berichten entnehmen) etwa folgen*
be« au«: dheoretifch würbe ba« ©eftreben ber Arbeiter, fid)
nach ©erufgfiänben gu oereinigen, noch oon feinem Snbuftriellen
beftritten. ©raftifch werben jeboch oiele ©cbenfen laut. Unfer
©eftreben muh barauf gerichtet fein, bie bie Gefettfchaft fchwer
fd)äbigenben Kämpfe unb beren folgen abgufd)wäd)cn. Al« ©Uttel
erfcheinen un« bagu bie Arbeiterfammern, in benen beibe dheile
oereinigt finb, um ihre gemeinfamen Sntereffen in ruhige Grwägung
B giehen. die Wegierungen werben fich nicht ber Grfenntnih oer*
liehen fönnen, bah ein Sortfchreiten ber Arbeiterbewegung un*
au«bleiblich fei. Gin Stiitftaub ober Wücfgang faitn auf bem Ge*
biete ber fogialcn ©ewegungen ber Gcfeßfchaft eben fo wenig eintreten,
wie in ber dedjnif unb ber SSiffenfchaft. ©on biefer Grfenntnih
au«gehcnb, glauben oiele Snbuftrielle, bah angebracht fei, ber
fogialeu Arbeiterbewegung fich nicht gu wiberfehen, fonbern fie fo*
aar gu förbern, um fie m frieblid^ere ©ahnen gu lenfen. Sie er*
blicken barin ba« eingige ©Uttel, beut Kampfe feinen Stachel gu
nehmen. Gin gemeinsame« 3 u i am menarbeiten oon Unternehmern
unb Arbeitern in gabrif, Gemeinbe utib Staat macht bod) noch
nicht nothwenbiger 2öeife bie Snbuftrie weniger leiftunggfähig,
lockert bod^ nod) nicht bie di«giplin. gür bie gegenteilige ©e*
hauphtng fehlt jeber ©ewei«. die Grfahrungen au ben Gewerbe*
gerieten, in ben Arbcitcr*Au«fchüffen finb fel)r günftig. Gin rech^
geitige« Gingehen auf bie berechtigten gorberungen ber Arbeiter
wirb ein gute« Ginoemehmen h^deiführen unb anbererfeit« ben
rabüalen ©eftrebungen ben ©oben entgiehen. iBenn bie Unter*
65
Soziale $ta$i0. Eentralblatt für Sogtalpoltttf. Rr. 8.
66
nehmet fortfaßren, bem Streben ber Arbeiter VHberftanb gu leiften,
fo wirb ber offene ober fcf)letc^cnbe Hampf ein bauember bleiben.
$>er anbere SSeg fcßließt auch nießt ben ^rieben in fuß, führt ober
einigermaßen leiblichen Verßältniffen. Die Arbeiterfammern
werben eine 3aßl oernünftig benfenber Arbeiter* Vertreter fefjaffen,
ioeId)e gur görberung beS Friebctte unb ber Aufflärung beitragen
werben. Damit wirb für beibe Dßeile ein rnodus vivendi be*
reitet. Rton braucht nicht gu befürchten, baß bie Fnbuftrie
barnnter leiben fonnte, wenn ber Arbeiter bei ber waeßfettben
Vilbung ßößere Anfpriicße fteßen würbe. ÜRan muß fich oergegen*
wärtigen, baß ein intelligenter, gebilbeter Arbeiterftanb aud) gur
Förberung ber Snbuftrie bient. SKit einem gebilbeten Arbeiter»
ftanb wirb aud) ein weit beffereS AuSfommett fein. Vknn ba$
gefammte Unternehmertum fi(ß freunblicß gur Sogialreform faßen
würbe, fo würbe aud) eine Utnbilbung beS heutigen VefftmiSmuS
ber Arbeiter eintreten. ©ir hoffen, bagu beigutragen, baß baS
fatferlicße Söort ber gebruar^Iaffe oon 1890 bafb gur Durch¬
führung gelangen wirb.
Als Referent für bie Sfrage war Reicßstagsabgeorbneter $rof.
Dr. §iße*3Riiufar befaßt: Racßbem bie ©efeUen beS £anbwerfs
in ben ©efeßen*Aitefcßüffcn ber Sunungen unb in ben |>anbmerfer*
fammerit oertreten finb, befdjränfen fid), fo führte er etwa aus,
bie Arbeiterfammern groeefmäßig auf bie Arbeiter unb Arbeitgeber
ber ©roßinbuftrie, b. i. fjabrifett mit minbeftettS 20 (10) Arbeitern.
Rur fo weit in einem Vcgirfe eine ftarfe, gefcßlofane £>auSinbuftrie
oertreten ift, fonnte biefe aud) betheiligt werben. Es finb lofale
(für größere ©emeinben refp. Greife) unb VegirfSfatnmern für
größere Vegirfe (na<ß Vorbilb ber ^aubelsfatnmern) gu bilben. Als
Aufgaben ber lofalett Hämmern ergeben fi<h:
1 . ©«tagten unb Horfd)Iäge — auf Aufforberung hin ober aus
eigener Snitiatioe — nusguarbeiten. ») Für bie ©emcinbe-Verwaltuug.
Die wichtigen fogialen Aufgaben ber ©emeinbe-Herwaltuug maeßeu es
wünfcßenSwertß, baß eine ftänbige fogiale Hommiffioit gebilbet wirb, in
ber bann bie Arbeitcrfaimuer bureß ftänbige Vertreter betheiligt werben
fonnte. b) Für bie örtliche $oligei*Herwaltung unb bie „untere Her*
waltungsbefiörbe", foweit biefen Veßörbeit fogiale Aufgaben guaewiefen
finb. c) pfiir 58oßIfaßrtSbeftrebimgen unb Vereine (Vereine für Arbeite
ttaeßweis, HSoßnungSfitrforge, VolfSbilbutig, .frausßaitungsfdjulen, Holte*
wol)I, Hefämpfung beS HtißbraucßcS geiftiger ©etränfe u. f. w. Aueß
für biefe empfiehlt cS fieß, bewährte SRitglicber ber Arbeiterfaminer bei*
gugießen. . t v
2 . Hlarfteflung ber wirtßfcßaftlicßen Verßältniffe: Entwidelung
ber Fnbuftrie, Sage ber Arbeiter, Höften ber Sebeiteßaltung, Stanb,
Fortschritte ber Sößne u. f. w.; ber ©oßuuitgsuerßältniffe: ber fanitären,
fogialen unb fittlicßen 9J?ißftänbc (begiiglidj AvbcitSgcit, Hcrßältniß ber
Hinter gu ihren Cuttern, Hcfdjäftigung ocrßcirntßeter grauen, Wißbraucß
geiftiger ©etränfe u. f. w.); ber SBirfuttgen ber Sogialgefefcgebung für
Lebenshaltung, ©efunbßcit, Familienleben, 3 u friebenßeit, ber äRdngel
ber Durchführung u. f. w.; ber widjtigften fogialen Ereigniffe: wirtß*
fdjaftlicße Hrifcit, Fortfehritte, Ausftänbe unb AuSfpcrrungen u. f. w.;
bureß ftatiftifd)c Erhebungen unb eoentuell Hemeßmungen.
3. Regelmäßige Hcricßterftattung über bie oorfteßenb begeidjneten
Verßältniffe unb Einrichtungen.
4. HorftcIIungen unb Anregungen an Arbeitgeber unb Arbeiter im
Fntereffe bc3 wirthfchaftlidien, fogialen unb ßttlichen gortfd)ritte3 unb
be3 guten Eiuuernehnteite oon Arbeitgebern unb Arbeitern.
D)ie Aufgaben ber föegirtefamtnern bewegen fich wefentlid) in
ber gleichen Richtung: 1. ©utadjten unb Horfchläge, 2. ftatiftifdje
Erhebungen, 3. regelmäßige iöeridjterftattung, nur mit bem Unter*
{(hiebe, baß fie in erfter ßinie an bie 5öegirte*Regierungen, an bie
Staate* unb Reid)8*^ebörben unb bie gefeßgebenben gaftoren fich
wenben, unb auf bie Vorarbeit ber lofalen Arbeiterfammern ßch
ftüßen. 8für ben weitern gweefmäßigen Altebau ber fogialen ©e*
feßgebung unb Verwaltung ift bie gutachtliche unb anregenbe 9JHt*
wirfung ber Arbeiterfammern oon entfeßeibenber Vebeutung. 5)ie
Sogialreform wirb aud) oiel mehr ^ntereffe unb Verftättbniß finben,
fuh fcßneller einleben, wenn fie unter ber s JWitberatf)ung ber Arbeit*
geber unb Arbeiter gu Staube gefommen ift. Der Vorfißenbe muß
neutral fein; in elfter ßinie wirb ber ©ewerberath (ober$abrifen*
Sttfpeftor) für biefe Stellung ftch eignen. Die Ernennung liegt
ber Staateregierung ob. Die Verathungen finb in ber Regel
öffentlich. Die Höften trägt bie Staateoerwaltung. Die Vegirfö*
9Übeiterfammern foÜten ihren 3 u f atnmcn f c h^6 finben in einem
Reich^ 3 Arbeitsamt.
Die Arbeiterfammern lenfen bie Arbeiter auf nädfte, praftifche
3iele; fie brängen Arbeiter unb Arbeitgeber gu gegenseitiger Alte*
fpraeße ber Vefdjmcrben, Hlagen unb V?ünfd)e; fie bereiten fo bereu
SBürbigung unb bie gegeufeitige Verftänbigung oor; fie lehren
anbererfeite mit ben Schwierigfeiteu unb ©rengen ber Erfüllung
ihrer iBünfcße rechnen; fie bredben fo neuen, oernünftigen unb
maßooUeren Anfdjauungen unb Veftrebungen im Stanbe ber Ar*
beiter wie ber Arbeitgeber Bahn, als fie bisher Dielfach bort
herrfchen, unb wirfen baburch insbefonbere auch ber Sogialbemo*
fratie mit Erfolg entgegen. 3n Velgien unb in §oilctnb beftehen
bereits Arbeiterfammern, in Defterreidj ift ein entfpreeßenber An*
trag cingcbradjt worben. ES feßeint an ber 3eit, alle SRittel an*
guwenben, um auch in Deutfdjlanb bas erftrebenSwerthe 3iet ber
Errichtung oon Arbeiterfammern gu erreichen.
oer DiSfuffion gab ftch bei attfeitiger 3«ft^inniung gu
biefen Ausführungen bie Uebergeugung funb, wenn bie ©efeß*
gebung burch Errichtung oon Arbeitenammern ben berechtigten
feünfcßen beS Arbeiters entgegenfomme, fo fei bamit ein neues,
wirffameS VerföhnungSmoment geraffen. — Rach bem Verlauf
biefer Verfammlung barf man annehmen, baß bie EentrumSpartei
im ReidjStag einen ©efeßentwurf, betreffenb Errichtung oon Ar*
beiterfammem einbringt unb bamit ber Sogialreform im Sinne
ber Haifererlaffe oom 4. Ffebruar 1890 einen neuen, fräftigen
Smpuls giebt. _
©oneinfenuer Hatnpf oon $ringfya(en mtb ©ehülfen tut Dentfern
Vuhbrucf gern erbe für bie AnSbeßnung ber Darifgemeinfchaft
AIS oor Sahr unb Dag in Sacßfen einige gabrifanten öffent*
lieh ben ^roteft oon Arbeitern gegen Öohnbrucferei in ber eigenen
Vranche unterftüßten, weil fie felbft höhere Söhne gahlten
unb oon ber Honfurreitg ber billiger probugirenben Unternehmer
fich aefchäbigt fühlten, fanb biefer gall eines ^anbinhanbgeßenS
ber Arbeitgeber unb Arbeiter in weiten Hreifen Veacßtung. Viel
bebeutfmner ift aber jeßt ein Vorgang im Vucßbrucfgewerbe, oon
bem wir bureß bie Rümmer 40 ber „3ritf<ßrift für DeutfcßlanbS
Vucßbrucfer", bem offigieüen Drgan ber s $rittgipaie, Henntniß er*
halten. Erinnert fei baran, baß im 3>ahre 1896 bureß eingeßenbe
Veralßung oon Vertretern ber Unternehmer unb ber ©ehülfen ein
beutfeßer Vucßbrucfertarif feftgefteHt worben ift, ber einen Ausgleich
ber beiberfeitigert Fforbernngen barftetlt. Diefer am 1. Quli 1896
in Hraft getretene Darif ift auf fünf Jtaßre abgefcßloffen, boeß be*
fteßt eine Hlaufel folgenben QnßaltS: Falls naeß Ablauf oon brei
Saßren, alfo am 1. Fuli 1899, feftgefteüt werben follte, baß bie
3aßl ber ben Darif anerfennenbeu ^kingipale unb ber naeß ißm
arbeiteuben ©eßülfen nießt „fortgefeßt" größer geworben ift, fann
er bereite am 1. Fuli 1899 für ben 1. Dftober 1899 gefünbigt
werben. Run läßt gwar bas beftänbige ©acßstßum beiber Faftoren
(September 1898 würben in runb 2100 Drucfereien in 665 Drten
mit faft 30 000 ©eßülfen bie Veftimmungen beS DarifS ein*
gehalten) nießt befürchten, baß biefe Hlaufel in Hraft trete, aber
um für alle Füße einen Riegel oorgufd)ieben, wenben fuß nunmehr
bie SßringipalSmitgtieber oom DarifauSfcßuß mit einem öffent*
ließen Aufruf an bie Vucßbrucfereibefißer, in bem fte betonen, baß
alle Einwenbungen gegen Einführung beS DarifS als ungutreffenb
gu begeießnen feien, ba ber Darif bei einigermaßen gutem Söitten
in feber Drucferei gur Einführung gu bringen fei, gumal er fa
aueß ben Verßältniffen ber Vringipale in fleinen Stäbten oollauf
Rechnung trage. Es bebürfe freilich ber fortgefeßten Vearbeitung
beS atterbingS feßr fpröben RtaterialS ber noeß rücfftänbigen
Drucfereien, „um gur ooßftänbigen Erfüßung ber Vertrags*
bebingungen, an ber $ringipalen wie ©eßülfen im gleichen
Riaße gelegen fein muß, gu gelangen," wie bas genannte
Drgan ber Vringipale fid) auSbrücft. Es ergeht fomit an bie ber
Darifgemeinfcßaft noeß fernfteßenben Unternehmer baS bringenbe
Erfucßen, ben Darif anguerfennen unb eingufüßren. Dann aber
ßeißt es in bem Aufruf weiter:
Der DarifauSfcßuß brr beutfeßen Vucßbrucfer ßat aueß für btefeu
§erbft eine Agitation gur weiteren Darifeinfiißrung befcßloffen. Dort, wo
unfere foflcgialen Vcmiißungen auf Anerfennung beS DarifS feinen
Hoben fanben, werben bie ©eßülfen in ben näcßften SBocßeu
beftrebt fein, eoent. mit orbuungsgentäßer Söfung beS Ar*
beitsoerßältniffeS bie Darifeinfiißrung gu erreichen. Unfere
ArbcitSnadjweife werben in foldjen Fällen ben betreffenben Drucfereien
Arbeitsfräfte nid)t überweifen, woßl aber biejenigen ©eßülfen, welche
eine Drucferei wegen Darifeinfiißrung oerlaffen, gemäß §. 48 bes Darifs
in erfttr Reiße anberweit unter bringen. SSir rechnen hierbei auf bie
Unterftüßuug aller tariftreuen Finnen, in bereu Fnterffe es liegen muß,
baß aud) bie Honfurreitg auf bem Arbeitsmarft fid) nad) ben für bas
gange Deutfdje Reicß gültigen SJoßn* unb Arbeitsbebingungen ridjtet.. .
Unb in einem Öeitartifel berfelben Rümmer beS Unternehmer*
blatteS wirb gefagt:
„2Bir mödjten bie tariftreueu Hollegen bitten, bie Verallgemeinerung
beS DarifS baburd) gu lmterftüßeu, baß fie bei Einftclliing oon ©eßülfen
möglicßft in erfter 9inic bie für ben Darif arbeitslos ©cwor*
betten berücffid)tigen unb fo bagu beitragen, baß biefe ©eßiilien unter*
gebradit unb für ißr Eintreten gu ©iiufteu bcs DarifS fdjabloS ge*
ßalten werben. Es erfcßeiitt bies ntdjt meßr als? redjt unb billig; beim
67
«Soziale Prajis. Eentratblatt für ©ojialpolitif. Ar. 3.
68
ol)lic bic opferwillige VfUwirfuug bcr ftfeljülfeti würbe eS
um bie im 3»tcrcffc jcbeS Einzclnen gelegene Vcrallgemci*
nenutg bes Xarif* übet bcftc111 fein."
(Sine gleidje Aufforberung, wie hier bie Prinzipale erlaffen in
ber leßten Aummer bcS„Eorrefpoubent" audj bie 0)eh iilf enntitglieber
beS Tarif * Amtes uub *AusfchuffeS an bie (M)ülfcu in beu Vu<h s
bnufereieu, bic außerhalb ber Tarifocrcinigmtg fielen. Tauad)
itiirb bas Tarifatnt aitgemiefen, „ftrengfte Anrocifung an bic ^Irbeid»
iiarfjiueife ergeben 311 laffen, nur foldje ©ehülfen in iljre Siften auf* 1
Ziinehmcn, ir»efcf)e nachweislich aus Trmfercien fotnmcu, bic urnn
Tarifamt als tariftren ocröffeutlirfjt finb." Tann l)cif>t cs weiter: |
„V?ir forbeni besfjalb nodj einmal bie riirfftünbigcn Kollegen an j
allen Orten Xcntfdilnnbs auf, am Soititabciib, ben 22 . Cftobcr bei iljven j
'Prinzipalen auf Einführung bes Tarife^ oorflellig 311 luerben, uub he*
firebt zu fein, bies ^icl mit allen gcfeptiiäßigcit Viittcln zu crveidicit.
Alle bic 6 >cf)ülfcu, weldje biefe Anfrage am genannten Xage au ihren
Prinzipal [teilen, mallen non beut ihnen geworbenen Vefchetbe beu 311 =
ftänbigcu (üehülfcn = Krcisocrtreter umgeljcub bcnadiridjtigen, bamit cs
beu iarifbeljörben ntbglid) ift, oor jeber Küttbigitug nod) einmal zu
oermitteln. Xicjriiigen (Mjülfcu aber, bie ihre Arbcitsftäücn zweds
Tmfciuführitng 0 er laffen muffen, wollen ihre genaue xHbrcffe unter
Eingabe ihrer Vefdjäftigung beu «SÜreiSurrtretcru zugehen laffen, bamit
biefe bie Unterbringung ber (üemaßregelten burdi btc ArbeitSnadimcifc
bemirfen tönneu. Xie für ben Tarif arbeitslos Weworbeucn werben an
elfter 3 teile untergebradit."
V$ir feßen hier alfo, wie zwei mäd)tige Organifationeu non
Unternehmern mtb Arbeitern in einem großen, über ganz Teutfcß*
lanb oerbreitetcu (bewerbe, bie fich uad) früheren Kämpfen — ber
«Streif non 1891/92 ift nod) in aller 6 )ebäd)tniß — 31 t einer güt*
liehen Vereinbarung entfd)Ioffen höben, jeßt in oofler EJemeinfamfeit
oorgeßen, um bic Mefem Abfouunen nod) fernftehenben prinzipalc>
mtb (M)ülfen 311111 Veitritt 311 bewegen, bamit überall gleichmäßige
Ooßn* unb Arbeitsbebiugmtgen ßerrfdjcu. 11 nb zwar füll ba, wo bie
Vitte fristlos bleibt, ber Streif ein treten, bcr oon Seiten ber tarif*
treuen Prinzipale tßatfräftige Unterftiißung fittben wirb, wie anberer*
feite bie opferwillige SJiitwirfnng ber (behülfen für bie Ausbreitung
beS Tarifs mit ooller Anerfennnng betont wirb. UnfereS Eradjtette
ift es Aufgabe berVeßörbert in Staat unbOlemeiube fowie berprioaten,
bie Vucßbrucfer itt biefeni gered)ten Kampfe babnrd) 3 U förbern,
baß Tru cf auf träge nur tariftreucn Vudjbrücfereien 3 ugewenbet werben.
Shtftettnng non EJrubcufontroleuven ans bem Arbeiterftaiibe.
AuS bem £)berbergauttsbe 3 irf Tortmnub wirb ber „Sranff. 3^9*"
gemelbet, es würben in nid)t ferner Qcit Olrubenfontro*
teure auS bem Staube ber Arbeiter angcjtellt werben.
ES liege in ber Aatur ber Sache, baß bic Veßörben beS längeren !
erwägen, in weld)cr SSeifc biefe für ben beittfdjen Vcrgban oöllig i
neue Maßregel fid) am heften ein* uub burd)führen läßt. Aud) !
fönnc bie Aufteilung ber Montroleure erft erfolgen, wenn ber
Oanbtag bie Mittel hierzu bewilligt. Es werbe aber bem Oaubtag
in ber nächsten Seffion ein hierauf bc 3 Üglid)er Entwurf zugehen.
— TaS wäre h 0 d) erfreu lief)!
Proicft gegen bnS g-eftnmoefen. Sine am 15. Oftober in Köln
abgehaltene Verfammluttg oon Vertretern ber tuirthfet)aftltcl)en i
Körperfdjaftcn 0011 Abeinlaub unb Söcftfnleu, fowie beS Vereins
ber ^nbuftriellen nahm angefid)tS be§ licberhanbnehmcnS ber ßuft* !
barfeiten einen Vefcßliißantrag au, wouad) bie 3ufammenlegung l
möglid)ft Dieter Kircßtocibfeiern auf einen 3 e ^P 1,l ^h minbe)teitS I
aber in möglid)ft grofzen Vezirfen, als unumgänglich notl)wenbig |
erachtet wirb, um ben 3nbuftriebetrieb oor empfinblid)en Storungen 1
1111 b bie Arbeitswilligen oor unfreiwilligem feiern 311 fchüßen. ferner I
würbe befd)loffen, bie zuftänbigen Vefjörben unb nötigenfalls bie
gefeßgebcubeu Äörperfd)aften 311 erfitd)eu, bem 'Jveftunwefen nad)-
brücfiid) cutgcger^utreten. Von beu in bcr Versammlung oer=
tretenen 50 ,§anbelsfammeru ftimmten 28 für ben Vefd)lußantrag. :
währeub fid) 3 wei ber Stimmabgabe enthielten.
Steuerbefreiung für bie ^»nuSinbuftric in föußlnnb. ^citungS*
berichten zufolge füllte in Vnßlanb eine gefeßlidie Vegeiuug ber
ÖmiSinbuftrie geplant fein. (fingel)olte Informationen ijabeii nun
ergeben, baß ailcrbingS eine Regelung beS Kleingewerbes, nicht je-
hoch eine befonbere 0 )cfeßgebung in Vetrcff ber .pauSiubnftrie in
Vußlanb tl)atfäd)Iid) geplant ift. Miugegcn würbe oor Kurzem be¬
reits eine rnffifdje Olemerbefteuer eiugeführt uub bei bereu Schaffung
bie ^ausinbiiftrie berücffid)tigt. Tauad) finb nämlid) Familien«
betriebe fowie flcingewerblichc lluternchmnugeu, weld)e bloß einen
(behülfen ober zwei ßehriungeu unter 15 fahren befchäftigen,
ferner Artcle, bereu Stammfapital loooo Anbei iiiclit liberfteigt !
uub welche uid)t mehr als oier (Kehiilfen befd)äfligen, oon ber ('»Je-
werbefteuer befreit.
ftotttatttttale Sojialpolitib.
Ablehnung einer Umfahftener für ftonfnuttoereine in Hamburg.
Tie Vürgerfd)aft §at in ihrer Sißung 00 m 12 . Oftober mit großer
9M)rl)eit einen aus ihrer Viittc ciugcbrad)ien Antrag, ber im Aus®
fdjuß angenommen war, auf Ginführuug einer llmfaßfteuer für
konfumoercine abgelehnt, bagegeu aber bie AuSbehnung bes
@3enoffenfchaftSgefetjes auf bie Vcamten4loufiimoereine befürwortet.
Stäbtifdjcr Sigcnbetrieb bcr Pferbebahn in Amfterbant. Pfau
fchreibt uns: Am 12 . Oftober befdjloß ber Auifterbantcr Okmciitbc*
rath, ber pferbcbal)ngefellfd)aft für 1. Januar 1900 bie Kouzcffion
311 fiinbigen unb oon ba au bic Straßenbahn in Gigenbctricb 31 t
nehmen. Ter üKagiftrat hatte oorgefd)lagen, ber Pf erbebahn eine
neue Konzeffion, unter ber Verpflichtung, bas Aeß auszubcbucn, 31 t
ertt)eilen, unb biefer Antrag würbe 00 m ftänbigcu AuSfd)uß für
Sinanzaugclcgenheiten unterftiißt, währeub eine üJfagiftratsminber*
heit mit betn Senator für öffentliche Arbeiten unb bem betreffenben
AuSfchuß Sigcnbetrieb empfahl. Dhne lange Erörterungen würbe
mit 31 gegen 13 Stimmen ein Antrag 311 (fünften beS (figcn«=
betriebes angenommen. Es bleibt oon beu großen tfonzeffioneu
ber Stabt nunmehr allein bie ber Eleftrizitätsgefcllfrfjaft (ocrgl.
S 03 . prayis V Ar. 40); biefe Wefeflfd)aft hat bei Weitem nid)t
foldie Vfaclitftellung wie bie Telephon*, 0)aS*, VJaffcrleitungs* unb
Pferbebahngefellfdiaften, unb eS läßt fich erwarten, baß bie Stabt
bei Einführung eleftrifdjer Kraft für ihre Straßenbahnen zugleid)
bie cleftrifcfjc Stromliefernng fommmtalifiereit wirb. Tic Amfter*
bamer Straßenbahnen finb bie erften in fiollanb, bic in eigene
Aegie genommen werben, .^öffentlich folgen Diele halb nach, fo
namentlich in .sjaag, wo bic Straßenbahnfrage ebenfalls auf ber
TageSorbrtung ftel)t unb ber bisherige fonzeffionSmäßige Vetricb
einen Eingriff oon feiten ber Stabf oiel nothwenbiger erfd)einen
läßt als in Autftcrbam.
Stäbtifche AuSfutiftSftette für Pofeu. Aad) bem Verwaltnngsberidjt
18y7/08 ber Stabt pofeu hat ber Verhaub ber öffentlichen unb prioatcn
Armenpflege unb V^ohlthätigfeit (Seftion zur AÜrforgc für fraufc Ar*
heiter) bafelhft beu 3Kagiftrat erfudjt, heim ftäbtifdjeit (')ewcrheamt unter
Aufteilung einev hefoitbereu Veamteu eine Aiudunft^ftclle eiiizuridjtcn,
wcldje itt allen Aragen ber Arheiteroerfidjerimg Aatlj zu eriljeileu, bie
Schreiharheit für bie Aathfudjcubcu 31 t heforgeu uub bic tfiulcituug bcr
^•ürfergethütigfeit burdi bie zuftänbigen Organe (ber Arheiteroerfidicruug,
^ohlthatigfcit, Armenpflege) herbeizuführen hätte. Xcr Viagiftrat er*
flcirt fiefj titit biefer Jvorberuug gntnbfäßlidi cinoerftauben, bod) fonntc
gefd)äftlidicr .«piuberniffe wegen bic Einrichtung bi« zum Sdiluß bc«
Veridjti?iahrev nicht herheigefithrt werben. — Xicfe Auofuiiftv>fteIle wäre
immerhin eitt fdjöner Anfang, bcr 31 t einem ftäbtißheu Volfvhitreau
uad) Art ber nüplidjen Arheiierfefretariate führen föitnte.
Sojittk 3uft5nör.
©ewcrhliche Kinderarbeit ttn $erzogthum Vrauttfchtoetg»
Tie Ergebitiffe ber 00 m Aeichsfanzler angeorbneten Erhebung
über bie gewerbliche Vefchäftigung oott Sdjulfinbern (ogl. Soziale
praris ?;ahrg. VII Sp. 306) unterliegen nuferes Kiffens gegen*
wärtig ttod) ber ^ofammenftellung itub Verarbeitung im faifcrlid)en
ftatiftifdjen Amte. VMe ber Staatsfcfretär bes Tunern im Aeid)S*
tag angefiinbigt hat, füll biefe Enquete and) oor bie. Kommiffion
für Arbcitcrftatiftif gebrad)t werben. Vis babin wirb jeboch
immerhin nod) einige oergehen. ES ift baher oon Vierth,
jeßt feßon Theilrefuitate 31 t erfahren. Tie „Soziale Praxis" war
bereits oor einigen Viouaten in ber Vage (3al)rg. VII Sp. 1068),
einige fold)e Eiuzclcrgebuiffe aus Preußen nub Sadp'en 31 t beleud)ten.
Seßt ocröffeutlidjen bie „Vciträge zur Statiftif beS .perzogtbumS
Vraunfchtoeig" (Tieft XIV) „Statiftifd)e Erhebungen über bie er*
werbstf)ätige Vefdiäftiguug ber Sd)ultinber außerhalb bcr /sabrifeu
mit Ausfd)luß ber Ianbioirthfd)aftlid)en Thätigfeit unb bes Elcfiitbe*
bienfteS für bas Kierzogtbum Vraunfcßweig, 1898." V:ir entnehmen
ber forgfältigeu unb übcrfichtlicße Arbeit, bereu Verfaffer Finanz*
ratl) Dr. ^immermann, ber Vorftanb beS ftatiftifdjen VureauS in
Vraunfd)weig, ift, folgcube Angaben:
Xie x 3ahl ber ttt obigem Sinne crwerbstbntigen Sdmlfiuber im
Vanbe beträgt b aö finb 4,h°o bcr fämmtlidien uub 10 , 4 % her*
jeutgen Srfiulfinber, in bereit .Hlaffen überhaupt crwerhvthättgc Schüler
feftgeftellt worben finb. Auf Stabt uub 2 aub oertheilt fid) biefe 6 Jc*
fammlfuntme etwa 311 oier unb bret Siebentel. Xie ;(al)l her Si nahen
(2442) ift mehr als hoppelt fo groß als bic ber Viäbdjen (1143); Stabt
uub 2 aitb weifen nahezu bas gleidie Verhältuiß auf. Schon 0011 t
leehfteu Lebensjahre au (!) gieht es erwerhsthätige Kiuber (15), bas
fieheme (snhr haben U 2 zuriiefgelegt, bas adjte mehr als bie hoppelte
x ßahl, uemi oahre finb 201 uub zehn o all re 39ü Atinbcr; bie Maupl*
muffe ber erwcrhstt)ätigcu Sdjiiler fällt in bas 11. (512), 12 . (772),
69
©ojiale $raji3. ©entralblatt für <S ogialp olittf. Hr. 3.
70
13. (802) £ebendjafjr, bad 14. 3afjr, in bem gunteift bte Bolfdfdjule ocr*
Iaffen roirb, rueift nocf) 623 Hngehörige auf. SBad bie Befcf)äftigiingdart
betrifft, fo ift am ftärfften ber Hudgel)e= unb Botenbienft, ooruebntlid)
bad Brob* unb geUungatidiragen, vertreten; er umfaßt genau bie .duilftc
fämmtlidjer ttinber (1795 unb gmar 1149 Knaben unb 646 ^äbdjfit).
Sad Vertäuten im i*aben bat nur eine untergeorbnete Bcbeutung
(15 Knaben, 57 SDfcibdjen). Sehr otel gal)lreid)er merben Kinber im (Ge«
merbebetricbe oermevtbet (706 Knaben, 304 Viäbdjen), roobei aber (Gafi«
mirthfdjaft (Kegclauffebcit!) mit 29 Knaben mtb 18 50täbdjcn unb
£>auftrctt mit 88 Knaben unb 64 iPtäbdjen befonbed gcrcd)uct finb.
Vorlefen, Befdjäftigung am 2f)cater, Kirdiendjorgcfang (gufamnten
99 Knaben unb 33 VJäbdiett) btlben eine mciterc Vcfd/äftigungdfatcgorie;
alte fonftigen Bcfdjäftigungcn umfaffen 81 Knaben unb 16 GMbcheit.
3nt betriebe bed Katers roerbcit indgefammi 38,4 u / 0 ber Knaben unb
50,9«>/o ber Slcäbdjcu oermenbet. Sie Malier ber ©rmerbdibätigfeit in
ber VSodjc ift febr uerfd)icben. lieber ein Viertel fämmtlidier Kinber
bat nur eine StrOeit^^ett bid gu 5 Stunben wöchentlich, gmifdjeit 5 unb
10 Stunben ebenfalls runb ein Viertel, 10—15 Stunben ein fünftel,
15—20 Stunben möcbentlid), alfo 2—3 Stunben täglidj neben ber
Schule, haben aber 339 Kiitbcr, 20—30 Stunben (3—4 Stunben täglidj)
fogar 409 unb eine Hrbcitdgcit non mehr nid 30 Stunben
wöchentlich, alfo non ntinbeftend 4—5 Stunben täglid) außer ber Sd)ul s
jeit, haben immer noch 129 Kinber. Sied biiftere Btlb mirb ctioad
gentilbert babureb, bah gang normiegenb Hachmittagdarbeit in Vetrad)t
fommt, bet 1887 Kinberh audfdiltefünh; früh Morgend nor ber Schule
finb 506 Kinber bcfd)äftigt, Vormittag* unb 9iad)inittagd 280 Kinber,
lebiglid) Hbenbd 370 Kinber unb Hadpnittagd unb Hbenbd, b. b- mobl
bid in bie SRacbt ^tnein, 474 Ktnber. Sei 86 Kinbern mar bic Be«
febäftigung nur an Sonntagen. (Sin fefted Vertragduerbältmfj beftanb
nur bei einem Srittel ber Kinber unb groar ^imieift in Stabten. (Sin
baarer £of)nbegug ift bei mehr ald ber Hälfte feftgeftellt morben, auch
hier miegen bie Stabte nor. Sd)äblid)e folgen für bie (Gefunbf)eit, bie
mobl itirfjt immer ftatiftijd) genau gu erfaßen ftnb, merben für 4,7%
ber Kinber fonftatirt, fdjäblid^e folgen für bett llnterridjt freilich in niel
höherem Maße, nämlich bei einem Viertel ber Kinber. Sie Stabte finb
hieran abfolut unb prozentual mehr betbeiligt ald bad Öanb.
Ser Bericht nermeibet ed, irgenb rcelcbc Schlußfolgerungen
aud ben 3 a ^^nangaben gu gie|en. 2Sir unfererfeitd fönneu barin
nur aufd 9ieue bie ^othmenbigfeit erhärtet feljen, mit gefchlichen
Maßnahmen bie ermerbdthätige Hrbeit non Sdptlfinbern, befonberd
in gemiffen Betätigungen, eingufchränfen. Seiber finb bie (Sr«
bebungen in ben oerfdpebetten Staaten nicht genau nad) beufelben
(Gcfichtdpunften oollgogen morben, fo baß bie praftifebe Brauchbar«
feit ber ©nquete oermuthlid) barunter leiben mirb. ©d hätte fid)
unfered ©rastend empfohlen nor ©rlaß bed SRunbfchreibend bed
9fei<hdfaitglerd nom Sßooember 1897 burch eine Befprecf)ung non
eingelftaatlichen Vertretern ein gemeinfame^, für ba3 aan^e Gleich
gleichmäßig geltenbeö (Srhebuug^fonnular feftguftetten. Söarum baS
nicht gefrfjehen, ift un§ nicht befannt.
SUbeüerfaewegmtg.
be« ©eneralftreifö in ^ranfrctch,
Qnt Saufe ber ncrfloffeucn SSoche hat bie ?(u§ftanböbercegung
im $arifcr Vaugemerbe laitgfam abgeebbt. 3 un äfhft fanb ber kou«
flift gmifchen ben (Srbarbeiteru itnb ben Unternehmern, meld)er ber
gangen Vemegung ben 5lnfto§ gegeben, burch &i e Suternention ber
Vchörben einen für bie Arbeiter günftigen ?lu^gaug. Schon am
7. Dftober hatten bie Unternehmer öffentlicher Arbeiten bem intcr*
oenirenben ©emeinberath non $ari3 al§ Söfung^mittel norge«
fchlagen, auf ihre eigenen Verträge ocrgid)ten gu moUeu, batnit bie
Stabt Sßaris bie ^agelohnarbctten in eigener Sftegie au^führeu
fönne. Snbeffen ging ber Olemeinberath nicht formell auf biefett
Vorfchlag ein, menn "fein Vorgehen auch fiä) fnbftantiell bautit
beeft. @r {teilte fraft ber au§ ben Verträgen ihm guficheubcu
Rechte an bie Unternehmer baS Ultimatum, bie untcrbrod)enen
Arbeiten am 10. Dftober roicber aufgunchmen. ?(nbernfall3 mürben
fie burch bie Stabtoermaltung auf Äoften ber Unternehmer meiier«
efnhrt merben. Unter biefent SDruefe auf ihre ©egner gelangten
ie drbarbeiter gum Siege. 3m Verlaufe meniger Sage mareu
faft alle Vaupläfce ber Stabt in oollem Vetricbe; auch gahlreidje
Vrioatunternehmer oerftanben fid) bagu, ben Slrbeitcnt ben uer«
langten Sohn oon 60 (Sentö pro Stunbe gu gahlen unb auf bie
bi^h^r übliche Unterfdjrift ber Arbeiter, feine höheren Söhne gu
oerlattgen, gu oergidjteu. 3ür bie drbarbeiter hatte alfo ber $lu£«
ftanb mit einem oötfigen Siege geenbet unb fie haben fich nachher
nicht oom Solibaritätigefül)! oerleiten Iaffen, mit ihren Slamerabeit
oom Vauaemerbe meiter gu ftreifeu.
3u ihrem Siege fameu bie Arbeiter übrigen^ nur Sauf ber
euergifd)eu outeioention be$ $arifer Otemeinberatbä unb ber [ehr
freuublid;eu Haltung ber Staat^regierung. ift babei freilich
nicht gu oerfennen, bafj bie Unterftü^ung, meld)e bag $abinet ben
?lu^ftänbigen gu Sheil merben ließ, gum grofceu Sheile ber feljr
prefäreit Sage entfloh, in melier es fich S^r 3 e ü i |1 3oIge anberer
politifdier Vorgänge befinbet. Saimerljin mar ba^ Äabiitet hoch
nicht gcroillt, bie Streifbemegung bi^ gum SXeufterften gu förbern.
Sie oeränbede ihre Haltung gegenüber bem $uäftanbe ber übrigen
Äatcgorieu ber Vauhanbmerfcr, melche fich au£ Solibarität ben
©rbarbeiteru angefchloffeu unb ba3 Streifprogramm fofort^ er*
meitert hatten, ©ine Selegatioit ber Streifer bei ben VUniftcnt
be§ 3nncrn, ber öffentlichen Arbeiten fomie für öanbel unb
3nbuflrte fanb nur höflid)e Slblehnnngen ihres Verlangend, bie
Unternehmer burd) bie Staatdgemalt gur Siachgiebigfeit gu oer*
anlaffen. Sie Viinifter fonnten fid) bagu umforoeniger oerftehen,
ald bie Vemegung fid) immer bcutlidjer gmn reoolutionäreu©eneral«
ftreif meitergubilbcit begann. 3aöeffcn maren bie offigieHeit @e«
merffdjaftdbefdjlüffe nur halb befolgt morben. 3ah^amäßig lä^t
fid) ber Umfang ber Sludftaubdbemegung fanm genau angeben.
Sebenfalld merben bie Verfammlungen bec Streifer in ber Sßarifer
Hrbeitdbörfe oon Sag gu Sag [djmächer befucht, menn and) bort
ltod) immer regelmäfug befdjloffen mirb, ben £ampf fortgufehen.
Huch geigen fid) bie Unternehmer üer[öljnlid)er.
Von ben oerfchiebencn Korporationen, melche fid) anfd)icften,
in ben Streif ber Vaufjaubmerfer eingutreten, finb am meiteften
bie Metallarbeiter gegangen. Sie erflärten ben Hudftanb ihrer
3achgenoffen in gahg^ranfreich. Hllgu oiel iBirffamfeit biirftc biefer
Hppeu bed nationalen ©ieroerffchaftdaudfchuffed faum haben. Selbft
menn er überall fehr günftigen Sidpofitionen gut Hrbeitdeinftellung
begegnet märe, fo müßte nunmehr bod) ber oöllige Mifeerfolg
bed proflamirten ©tfenbahnftreifd alle Suft bagu uerfdjeudjeu.
Vefanittlich fteht bie Örage eined Hudftanbed ber ©ifenbahnarbeiter
fchoit feit Hpril b. 3- fehr int Vorberarnnbe. Huf bem lebten
Kongreß hatte bie Verbanbdleitung Vollmacht erhalten, mit. beit
©ifenbahnfompagnien gu oerhanbeut unb, menn nötl)ig, ben Streif
gti orqanifireu, um bie ©rfüllung ihrer Öorbernngen burdhgufeheit.
Von ben 100 Selegirten jetted Kongreffed haben nur 52 für ben
eoentnellen Streif geftintmt. ©d mar barum fd;on eine fel)r ge«
magte^ßolitif für bie Verbanbdleitung, mit fo fd)mad)em9?üdhalteinbcu
Hrbcitermaffcn ein Ultimatum an" bie Unteniehmergefellfdjaften gu
[teilen. 3a ber Sljat hatten feither bie 3ül;rer ber ©)emerffd)aft
it;re 9Ueberlage nur fütnmerlich oerhüdt unb ihren laitgfamen 9fitcfgug
mit ihrer ^riebettdliebc tnotioirt. 2Bie ed fd)eint, hofften fie oon
ber Hufregung bed Hudftanbed im Vaugemerbe eine Stimulation
in ben eigenen Leihen, obmol)!, fomeit aud ben geheimen Sihnngett
bed ©emerffdjaftdaudfdjuifed oerlautet, and) biedmal eine Umfrage
bei beit lofalen ©temerffdjaften ber göberation nur eine äufgerft
fchmadje Majorität (12 gegen 11) für ben Streif fonftatirte. Ser
Streiferfläruttg bed Verbanbdaudfchuffed folgten fofort gtoei gur
9tuhe erntahnenbe ©legenerflärmigen ber beiben fonfurrirenben Ver«
bänbe oon ©ifeubahubebieitfteten, unb ber Verfud) enbete mit
oölligcm Mißerfolg. Hld mtattgenehmed Vegleitergebnifg bleibt bie
entnutthigenbe 9?ücfmirfung auf bie fünftigeit Vejtrcbungett ber
©ifenbah'narbciter, bereu Vertrauen in eine Verbanbdleitung, bie
geftcru einen Streif erflärte unb h eu ^ c fä)° n öie Vilbung eilten
©ittiguttgdamted ocrlangte, nod) elje ein Hrbeücr bie Hrbeit oer«
Iaffen, bamit nicht allgufehr gemiunt.
Varid. 3- Schotthöf er.
Sic Vemegttng ber Bergarbeiter im Diuhrgcbiet hält an. 3a
jtarf befugten Hrheiteroerfammluttgeu, bte auf Verattlaffung bed
alten (fogialbentofratifd)cn) Verbanbed etnberufen morben mareu, ift
befanut(id) eine Sohnerhöhung oon 10% unb bie §eraugiehung
ber Hrbciter gur ©lntbcu«Veanffid)tigung geforbert morben. 3a
allen Verfammlungen tourbe folgenbc SHefolution antgenommeu:
„Sie Verfaimiilimg beauftragt ben Vorftanb bed Vergarbeitcr«
Verbanbed, an bie Vermallimgeu ber 9tul)rged)cn folgenbe Aorberuugcn
gu [teilen: 1. ©ine £o litt erb ö buitg oon 10 0 0 ift aöeu Hrbciter«
flaffen gu genml)ren. 2. gur Regelung ber fiel) bei ben 01ebittge«Hb=
macfjuugeu licrandfterieuben llrtgleirf)beiten in ber Vcbaubluttg ber Hr«
beiter [citeiid ber Beamten, fomtc gur [Quellen unb befriebigeuben Bei*
leguug ber au? ben (Grubenbetrieben unb ber Vermattung ber Unter«
[tußitugdfaffcn, bem Straffijftem, ber Üobnaitv’gabluug unb bem Sanitäter
mefeu (2s?a[d)fammern unb Verbanbfiuben) gmiidjen Vclegfdiatt unb Vc«
triebylcituug [idj ergebeubcu Siffereugcn finb Hrbeiteraudftbüffe auf
allen (Gruben gu berufen. Sie Huduhußinitglieber geben and ben freien,
oon ben Velegfdjrtfteu getbätigteu VJablcu beroor. 3e nadjbem fid) bic
VH'rfbcfißer gu nuferen nidit uubefdieibeueu V'itufdtcii ftelleu, bat ber
Vorftanb bed Vcrgarbeitcruerbaubc* meitere 2djlitte gum Vefieu ber
Vergarbeiterfdjnft gu tbmt."
Huf ©Inutb biefcd Huftraged hat ber Vorftanb bed_ Verg«
arbeiter«Verliaubed einen Hufruf an bie Bergarbeiter erlaffetu &er
71
Soziale $ra|i«. «cntralBIatt für ©ojiatyolitif. Ar. 8.
72
zum Eintritt in bic Drganifation aufforbert, „jcbc ditmtifcßnug
non irgenb einer nicßtbergmäunifcßen Seite" fcßarf guriidroeift unb
mit ben ©orten fcßließt: „^ameraben! ^eft pfammengcfdjloffeu,
bann fiitb mir unwiberfteßlicß. UnauSgefeßt neue Gruppen an*
merben, bie (Gleichgültigen im ©djacßt aufflären, fie für unfere
ftorDerungett interetfiren, baS ift nun dure Aufgabe. UnbcbtngteS
Vertrauen p bei* fclbftgewäßtten Leitung, Auße nach außen, 'uub J
ber Sieg ift unfer!"
ds mirb aus beut Außrreoier berichtet, baß bie (Gruben*
Vermattungen feft entfdjloffen feien, bie tvorberungen ber Arbeiter
bnrdjauS abpleßnen unb auf einen etmaigen Streif mit ber Be*
triebSeinfdjräuFung unb ber £)erabfebung ber Söhne p antworten.
VMr mürben es für bebenflicß ßalten, menn bie Bttinfcße ber Ar*
beiter, einerlei ob fie erfüllbar fnib ober nicht, ohne meitere Prüfung
unb frieblicße Berhanblung runbroeg gurücfgemiefen mürben, roeil
bit'S bem fokalen griebcn unb ber ruhigen Bkiterentwicfelung ber
ArbeitSuerijältniffe ficßer nicht bienen mürbe. 2LaS inSbefonbere
bic Heranziehung ber Arbeiter jur (Gruben*3nfpeFtiou betrifft, fo
follteu boiß bie fcßroeren (Grubcn*UnfälIe ber lebten 3 e it eine ernfte
Vtaßnung fein, biefe Sorberuttg, bie ja au<h fdjon im preußifcßen
Abgeorbnetenßaufe ft)mpatfjifd) aufgeuommeit morben unb in dng*
lano, granfreich unb Belgien bereite bitrchgeführt ift, nicht priicf*
jurceifen. Kenner ber Verljälhtiffe behauptin, baß bei ben Berg*
leuten bie Loßufragc hinter bic Srage ber (GrubenFontrole jurürf*
treten unb baß bie SlnfteHung oon Arbeiter*3nfpeFtoren fchon oiel
Zur Beruhigung ber (Gemütßer beitragen mürbe. (Bcrgl. bie be*
treffenbe Aotig unter ber AitbriF „Aflgem. Sozialpolitik" in biefer
Kummer.)
Bmt ber berliner Arhetterbewegmig. Dnrdj bic neue polizeioerorb*
mmg über bie ftaubfreic BiitFlabfußr, welche am 1. CFtober in .Graft
getreten ift unb oont ßngieniicßeu Stanbpunfte aus autf) non ben
Arbeitern begrüßt mirb, 'fühlen' fief) bie BtüIIFuifcßer unb SAülI*
abfitßrarbeitcr in ihren Lobnuerßättniffen beeinträchtigt, ba nun
mancher Acbenucrbterift megfalJe. Aur ein Heiner 3heil ber ftuhrßerren
fall eine Lohnerhöhung bemilligt haben. Biit Aürffidjt auf ben Gin*
nahmc*Ausfall unb unter Hinweis auf bie gefunöbcüSfdjäbHcßc unb im*
angenehme unb noch bazu überaus auSgebchitte Arbeit (häufig
iS 20 Shntbcn täglich) haben bie Arbeiter in einer gut bcfucßtnt
Bcrfnmtulintg befdtloffen, eine Erhöhung bcS Wochen lohne? bis zu 30 „4
ZU forbent ttub eine Gonmtiffiou gewählt, wcldje mit ben Huljrhcrrnt
uuterbaubelu unb eocutuelf mcitere Biaßnahnteit treffen foll. ”$Vn ber
Berfaunnluug mürbe mitgetfjeilt, baß Bcüfttutjdjer unb Schaffner iefet
20 22 ,✓/. bezm. 18 .//. biircßfdinittltdj pro Biodje Lohn erhielten,
bau bie Arbeitszeit oüllig ungeregelt fei, nidjt fetten uoit früh 4 ober
5 Uhr bis 10 Uhr Aatfjts bauere, unb bah bie Arbeiter oon ihrem
Lohn nod) ctmaigc polizeiftrafen bezahlen müßten.
Die Töpfer mollcu bicsinal oon bem fonft regelmäßig am
15. rttober begiuneitben Senftcrftreif, mcldjer ber Gnmingnug beS
Arbeiten® bet ocrglaften Svenftern auf ben Bauten gilt, abfeßen, einmal,
meil bic Crgauijation ber Arbeiter mangelhaft fei unb bann weil
fid) bas Döpfergcwerbe in einem allgemeinen Atebcrgang beßnbe, fo
baß heute faft bie Hälfte ber Töpfer fclbft in ber Saijou feine Be*
ichäftigung finbe.
Die organiftrteu GanalifatiouSnrbeiter fiitb wegen ber Gut*
laffung einiger ihrer Kollegen mit ber BctricbSbircftion in Differenzen
gerathnt unb haben btcfcrljalb aut 1. September b. 3- baS Gtniguugs*
amt augerufen. Da bic Antmort bcS 2)?agiftrats auf bic Anrufung
bisher ausgeblieben ift, fanb jiingft eine ftarf befuchte Berfantmlung
ftäbtifcher Arbeiter ftatt, in meid)er oon einem Beauftragten bes B?agi=
ftrats beftritten mürbe, baß ber letztere bie Koalitionsfreiheit ber Arbeiter
bcfrfjrättfeit molle. Borgefommene Bei*ftöße feint auf untere Beamte
zurürfzuführen. Die Grmägungen baritber, ob ber Bcagiftrat bem SHufc
oor bas GiuigungSamt folgen merbe, feien nod) nicht abgefdjloffeu.
Gs haubele fid) um bic ?vrage, ob bie Ganalifation ein Olcmerbcbetrieb
ober eine fumutuualc y BoI)lfahrtSciurid)tung fei, in meid)’ le^terem Halle
bie ^uftäubigfeit bes WemcrbegeritfjtS megfalle. Sobalb ber Bfagiftrat
über bie Ara ge eutfdjicbeu habe, merbe er bem demerbegcricht ant*
morten, ob er bem Aufe oor bas GintgungSontt folgen merbe. — Die
Berfantmlung fprad) in einer 9iefolution "bic Hoffnung aus, baß ber
Biagiftrat halb Sdjritte thun merbe, um eine Regelung ber zmifdjen ben
Arbeitern ber Ganalifatioit unb ber Betriebsleitung fdimebeuben Din’e=
reuzen herbeizuführen, unb baß ber Biagiftrat bie "Betriebsbeamten att=
meifen möge, baß fein Arbeiter megen 3 u gcßörigfcit zur Crganifation
eutlaffen merben barf. $sui llebrigcn trat bic Berfammlung für Gilt*
führung ber Benfionsberedjtigung ber ftäbtffdjen Arbeiter ein,' toie fie in
anbereit Stabten (Stuttgart, Biaiuz, Gffen, DreSben u. f. m.j bereits '
ciiigefithrt fei, fomie für ben Anfdjluß ber orgauifirten ftäbtifdjcu Ar*
beiter an bie Berliner OlcmerffdiaftSfommiffioti.
3n ben Bucfjbinbercieit unb oermanbteu Betrieben Berlins broßt
megen ber Ginführung eines neuen Lohutarifs unb aitbcrer Aorbenmgen
ein allgemeiner Ausftaub, bei bem eoeutueH einige Daufenbc oon ntännltdjen
imb weiblichen Berfoneit, bie in ben fiuymjpapier*. Glfenbein=Karton*
fabrifen, fomie in ber Lebcrgalauteriemaareu* unb Gontobudibrand)e
befdjärtigt finb, in fvrage fommen mürben.
UuterbenlBergolberujunb Berfilbcrem mar eine Lohnbewegung
entftanben, bic 511 einem fdjarfen Gonßtft mit ben Arbeitgebern zu führen
broljte, jept aber im gütlichen 3Lege bcigelegt z» werben fdjeitit. ^>it
einem Betriebe nämlich waren bic Arbeiter oor Bollettbimg ißreS AfforbeS
itt ben Ansftaitb getreten; ber Betriebsinhaber oerflagte fie oor bent
Wcwerbegcricbi, bas fie, nach Sd)citent ber oon ben Arbeitern angc*
botenen dinigungsoerfndje, zur Beeubiguug ber betreffenben Arbeit ocr*
urtheilte. Außerbem aber hatte ber Untcrnehmeroerbaub ber Branche
eine allgemeine AuSfperrung ber Arbeiter angebroßt nub biefe auch fchon
tbeilweif'e ausgeführt. Daraufhin befd)loffctt bie Bcrgolber, gemäß bem
Urthctl beSO)emerbegerid)tS bie Arbeit toieber aufzunehuten unb nadjfteriig*
ftellung ber alten Afforbarbeiten mit ben Arbeitgebent über eine Lohn*
aufbefferung bei Annahme oon neuen Arbeiten zu mtterhanbeln. Biehrerc
Arbeitgeber ließen erflärcn, baß fie ihre Arbeiter für ben LohnauSfaH
in ber betreffenben B3od)e entfdiäbigen würben, ^nr ben ?vall, baß
eine Lohnaufbeffentng nicht erfolgt, beabfid)tigen bie Bcrgolber, ben
AuSftanb zu erneuern. Die auSftänbigen Berfilberer haben aud) in ber
^ßat bie Arbeit wieber aufgenommen, unb bie gabrifanten haben
beSßalb bie Sperre zurücfgezogeit unb alle Arbeier wieber eiugefteHt.
dtn BernfSberetn djrtftllcher GtaßhofSgehüIfen ift am 13. Dftober
in $öln gegrüubet worben; e® ift bannt ein Befrißluß beS Ärefelber
KatholiFeutage® z um ^Beginn feiner Ausführung gelangt, benn ber
Berbanb wiu, fobalb er erft in Äöln feften ffuß gefaßt hat, feine
jOrganifatiort über ganz Dentfdjlanb auSbreiten. D)er H au Ptiuhatt
ber Saßuugen ift folgenber:
„Der Berufsocreiit diriftlidjer (^aftwirthsgehülfen bezwerft ben Schuß
unb bic ^örberung ber Aed)te unb ^utereffen feiner SKitglieber nad)
chriftlidien tth’uubfäßen, auf gcfcßlidieut B>egc. Der Bereit! feßt fich zur
Aufgabe: 1. Grztelnng geregelter Arbeit®* unb (Gchaltsbebingungen;
2 . Herbeiführung einer angemeffeucn ArbeitSbaucr; 3. Aeditsfdiuß ber
Btttgttcber; 4. llnterftüßung in fällen ber Aotf); 5. geiftige Hcöung
feiner Biitglieber bunh fvortDilbuug ber Aad)Feuntniffe; 6 . Grmahnung
iur s l?fttd)ttreuc int Berufe unb bürgerlidien Leben, z» ehrenhafter de*
finmntgs* unb HaublungSmcifc im Allgemeinen.
Dicfe 3 l oecfc fudjt ber Bereut z 11 erreidjen: 1 . bttreh Regelung ber
Stellenoermittcluug mittels eines unentgeltlichen Arbeitsnad)weisbureaux'
im Anfdjluß au fotnmtmale ober reid)S*(lanbes=)bel)örbttdje Ginridj*
tungen; 2. burdj Leiftung oon Aedjtsfdjuß mittels ber BolfSbureauS;
3. burdj drftattuug oon (Gutachten unb Gingabe au bie Bcljörben bezti».
Parlamente; 4. burdj Berbrcitung unb Durdjfüljrung ber rsJewcrbc*
geridjtSwahlen iit djri|tlidj=foziaIcm Sinuc; 5. bunh Gmdjtuug einer
Hiilfsfaffe; 6. bureß Berfaminlttugeu uitb Borträge unter AuSfcßluß jeg*
lidjer fonfeffioncücn unb parteipolitifdjen Grocterungen."
3u bem PunFte ArbeitSnadjweiS würbe bemerFt, baß im An*
fdjluß an ben Fommunalen ArbeitSnachroeiS ein befonbercr 9?adj*
weis für £eHner unb (Gafthofangefteflte eingerichtet werben foll.
diu Bufainmenfchluß ber organiftrieu fo^ialbemofratifchcu Hattb*
InitgSgefjülfcn auf zentraliftifcper drunblage ift jüngft erfolgt.
Die „freien Vereinigungen ber G'anfleute" in Berlin, Bh'indjett unb
DreSben löfen fieß auf uub oerfdjmelzeu fieß mit bem oor zwei
Saßren ins Leben gerufenen „3ntiraloerbanb ber HaabluttgS*
geßiilfen unb *(GcbiiIfinnen Deutfdjlanbs", ber feinen Siß in H auiB
bürg hat. Die 3 a hl ^ er SerbanbSmitglieber würbe baburdj auf
ehoa 1000 fteigen, gegenwärtig foll fie rmtb 400 betragen. Aebett*
bei eine Fleitte 3ahl gegenüber ber Btttglieberziffer ber nid)t auf
fozialbemofratifcßem Vobett fteßenben HanblungSgel)ülfen*£)rgani*
fationen. Der fozialbemoFratifcße Vcrbaub gewährt SJiedjtSfdjuß
unb llnterftüßung bei StellungSlofigFeit unb erftrebt bie acßtftiinbige
Arbeitszeit, Adjtuhrlabcufdjluß, otiligatorifdje SortbilbuugSfdjuIen
unb Vefudj berfelbcu bei DageSzeü, ^öefeitigung ber G'onFnrrcnz*
Flau fei im ^anbcI^gcfetjBiid)^ Faufmäunijdje SthicbSgericßte im An*
fdjluß an bie (Gemerbegeridjte.
tlegen leichtfertige Streifs in ber Sdjteelj. Das dettlral*
fomite beS fdhwctzcrifdjeit (GemerFfcßaftSbnnbeS tjat befdjloffen, aus
ber VunbeSFaffe Feine Streifs meljr p unlcrftüßen, für weieße nidjt
oorßer bie dinmilligung beS domiteS cingeßolt werbe. Der Be*
fdjluß wirb bamit ^egrunbet, baß oiele Streifs zu leichtfertig unb
ooreilig erFlärt worben feien, wobnreß ber deutralfaffe nnoerljältniß*
mäßig große Dpfer erwinßfen. Die Hmuptfcßulb liegt, wie man
uns duS ber Schweiz feßreibt, oßne 3n)cifel au ber lofalen Arbeiter*
preffe, welche bureß ißre oft maßlofe Sprad)e bie demütßer nur z«
leicßt erßißt uub babureß bie unbebaeßten, Fopflofeit Streifs form*
lidj prooozirt.
AuS ber euglifcßtu dewerfberetnSbewegunfl. Das pariamen*
tarifeße dotnite ber (Gewerfoereine 'hielt oorige Bßocße eine
@ißung ab, in ber oerfdhiebene Trade Unions ißre BMinfdjc oor*
brauten. BetnerfenSwertlj war ein Brief beS SefrciärS beS trifeßen
dlewerhiereinSfongreffeS, ber erflärte, bie. Abhaltung biefeS Sonber*
FongreffeS habe nidjt bie minbefte feiublidje ©piße gegen ben (Ge*
wertoereinSfongreß beS oereittiaten KöitigreidjS. Der oout parla*
mentarifeßen dotnite ertßeilte Befcßeib barauf lautete Füßl oaßiu,
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©ojtale $ragi*. ©entralbtott für Sogialpolittf. 9fr. 3.
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eg märe nidjt nöthtg, groei Äongreffc abguhalteit. — $)ie „Unab**
hängige Arbeiterpartei" (fogialbemofratif<h> tub gu einer Äonfereng
in Sci)uiangelegenheiten ein; bag ©omite lernte ab, „roeil ein Der**
artigeg Serhalten außerhalb feiner Sunftionen liege", dagegen
oerhieft bag ©omite einem Anträge Der Arbeitgfcbubliga, bie ifte*
gierung gu oeranlaffen, ihren Arbeitern ein Sohnminimum oon
24 ft), roöchentlid) gu gewähren, feine Unterftübung. 3)ie Ser«*
tretnng ber oont testen Itongrefe in Briftol gefaxten Sefchlüffe oor
bein Parlament rourbe unter bie arbeiterfreunblicheit Abgeordneten
oertheilt. ferner mürbe befchloffen, bafj bie ©etoerfoereine bie
Sriebengfunbgebung beg 3 aren allgemein befürworten füllten. ©nb**
lid) ging ein ©rfucheit an beit Schafcfaugler, gu geftatten, baf$ bie
©eroerfoereine ihre Kapitalien in ber ^ofifparfaffenbanf beponiren.
Am 12. Dftober fanb in ©arbiff eine Koufereng ber $)elegirten
ber bisher befanntlid) nur gang lofe organifirten Kohlengruben**
arbeiter oon 6üb**2Saleg unb ßftonmouthfhire, foroohl ber
gutn Serbanbe ber Befifcer gehörigen, roie ber nicht bagu gehörigen
3e<hcn, ftatt. ©g mürbe befchloffen, einen ©eroerfoerein gu
gründen unb barauf möglidjft halb in bie nationale
Söberation ber Bergleute eiugutreten. $)en Antrag ftcllte
ber ^arlamentgabgeorbnete Abraham. Big bieg 3^ erreicht märe,
bemerfte er, mürben bie oier 3al)re, toährenb melier bie oerfd)iebbare
Sohnffala in Ära ft beftänbe, abgclaufen fein. 2)ie £>elegirten auf ber
Äonfereng oertraten 120 000 Arbeiter. 9£ad) bett Statuten beg neu
gu griinbenben ©eroerfoereing foll jebe 3*d)e ihre eigene Soge bilben.
S)ag Beitragggelb foll 1 fl), ben Bionat betragen. $)ie Konfereng
billigte bie Anftreugungeit ber nationalen Säberation, auf gefefc*
lid)em SSegc einen adjtftünbigen Arbeitgtag „from bank to bank“,
b. f). oon Der ©infahrt in bie ©rube big gur Augfahrt, gu erlangen.
Ärbeittrfdjul}.
Bmtbegrftihgfcembnnng über bie Befestigung oon Arbeite«*
rinnen nnb jjngenblicben Arbeitern in Biegeteien. $>ie Befannt**
machung oom 27. April 181).% bie auf ©runb beg §. 139a ber
©eroerbeorbnung bie Sefdjäftigung oon Arbeiterinnen unb jugenb*
lidjen Arbeitern in 3i e 9 e kieit regelt, erftreefte bie 2Bir!famfeit biefer
Beftimmungen auf ben 3?itraum oom 1. Sanuar 1894 big 31. ®e**
gernber 1897. $)urdh Sefamthitachung oom 16. $>egember 1897
mürbe inbeffert biefe Berorbnung big gum Schluffe beg 3af)w$
1898 oerlängert, ba bie ingmifefjen oeranftalteten Hebungen unb
Sorberathungen noch nicht gu ©ttbe gelangt marett. Sefct toirb
amtlid) mitgetheilt, bafj ber Bunbegratl) am 13. Dftober „bem ©nt** j
rourf oon Beftimmungen, betreffenb bie Befestigung oon Arbeite** |
rinnen unb jugenblidjen Arbeitern itt 3kgeleien," gemäjg ben Aug**
fd)u&anträgen feine 3uftimmung ert&eilt hat. S)ie neue Berorbnung i
felbft ift aber noch nidjt oeröffentlidjt morben, fo bafe mir nid)t
fagen fönnen, ob fie lebiglid) eine SSieberholung ber bereite gelten**
ben Beftimmungen ift ober Seränberungen oon Belang enthält.
©rhetmugei §nm Sd)ufce ber Bauarbeiter ftttb im ©ange unb
gtoar bürfte eg ftä) babei nach einer Bewertung beg Staatgfefretärg
beg Qfanern in ber lebten SReichgtaggfeffion um eine bag gange
SReidh betreffenbe ©nquete banbeln. Borläufig aber erfahren mir
nur, bafc in Bauern Utiterfud^ungen angeoronet finb. $>ort l)at
bag Staatgminifterium beg Snnern ,,itn Sntereffe eineg mirffamen
Scfjufccg ber Bauarbeiter gegen Unfälle unb ©efunbl)eitggefahren"
bie $h:eig*$Regierungen unb bag Sanbegoerficherunggamt beauftragt,
in ©rtoägung gu gieljen, ob gu bem genannten 3roecfe bie ©rlaffung
meitergebenber pofigeilid|er Borfd)riften neben ben bereitg beftebenben
oeranlafet erfc^eint. — Bor ettoa Sabregfrift haben bie geroerffchaft=
lief) organifirten Bauarbeiter eine Äommiffton (mit bem 0ifce in
Hamburg) gu bem eingefe^t, Btaterial gu einer Serftärfung
ber Sdhufeoorfchriften gu fammeln (ogl. 0oj. ^Srajig 3ahrg. VII
0p. 818). ©g märe nüfclid), menn bei ben fefct eingeleiteten amt**
li(§en ©r^ebungen bag oon Arbeitern aufgebrachte Btaterial berücf-
fidfltigt mürbe. _
^rhctttraerfldjeraug. SparbafTen.
# -
®ie 9toOfüe gnm Sfnoalibitütg« ttttb AItergperfirhtrmtgggefr$
ift bereitg bem Bunbegratb gugegangen unb oon biefem in feiner
lebten 0iba«9 ^ en gaftänbigen Augfi^üffen übermiefen morben.
5Racih offigiöfen Anbeutungeu roirb gnitädift barin ein neuer 2Seg
gum finangielleit Auggleid) ber oerfd)icbenartigeii Belüftung ber
eingelnen Berfidjeruuggaiotalten gefuc^t. ©g ift befannt, bafe einiae |
Berrnberungganftalten in ßanbegtheilen mit oonoiegenb Ianbmirtp* 8 I
fdhaftlidher Beoölferung finangiell fe^r ungünftig fielen (fo oor i
Allem bie Anftalten in Dftpren&en unb föieberbaperit), mäf)renb
bie Anftalten mit inbuftrieller Beoölferung (Berlin, .<panfeftäbtc ic.)
über reiche Mittel oerfngen. ©ine 9teihe oon Serfid)eruuggauftalteu
mürbe bei ber iefcigeu ^ertheilung ber haften gu einer ©rl)öf)ung
ber Beiträge übergeben müffeti, mäl)renb in beit inbuftriellen Be*
girfen Deren §erabfebung erfolgen fönnte; bie Berfidberuuggbeiträge
mürben bkraad) innerhalb Xcutfchlanbg oon ber am 1. Sanuar
1901 beginnenben Beitraggperiobe ab gmifchen bem 2-^fachen Be«*
trage ber jetzigen 0äfee nnb einem Betrage febmanfen, mcldjer fid)
etma nur auf 10o/ 0 ber jetzigen 0ä(je jteuen mürbe. ^)ie Borlage
ftrebt nun einen Auggleid) an unb gmar in anberer Steife alg bie
9tooeIIe, bie oor gmei 3at)t*en bem 9teichgtage gugina, aber nad)
ber erften ßefung faßen gelaffen mürbe. Auch jefct foß gmar bag
Bermögen fämmtlicber Anftalten gur gemeinfamen Tragung ber
Serfidjerungglaft in Anfpruch genommen merbeit, aber nicht bag
gange Bermögen, fonberu nur ein entfpredjenber beg
Bennögeng eineg jeben &rägerg ber Berfidherunggpflid)t h era n*=
gegogen merben, roährcnb ber Beft jeber Anftalt gur freien Ber*
fügung oerbleibt. 4)ie (iJefammtbelaftung aßer Anftalten mirb
hiernadh in eine ©emeinlaft unb in eine Sonberlaft getheilt:
für erftere haftet ein alg ©emeinoermögen auggufonbernber iljicil
beg Bennögeng ber eingelneu Anftalten, für lefctcre Dagegen ber
ßteft beg Bennögeng jeber Anftalt alg Sonberoermögen. 3)er
©emeinlaft unb bem gu bereu ^erfung beftimmten (^emeinoermögeu
merben bie ©ruubbeträge ber 3aaalibenrenten unb bie biefen ©runb*
betrügen fortab gleichfommenben Altergrenten gugemiefeu. ^ie
übrigen Saften (Steigerunggbeträge ber Qnoalibenreuten, Beitragg**
erftattungen, Berroaliunggrofteu) entfaßen auf bag Sonberoennögen.
$>ag Berhältni^, in toeichem bie ©efammtlaft gur Sonberlaft fteht,
ift redjnunggmäfcig auf 6 gu 4, b. h- auf 3 /s gu % ermittelt, ^ie
Trennung hat nur buchmäßig ftattgufinbeii.
2)ieg ift ber eine michtige Borfdhlag Der SRooeße. ®er anbere
begieht fich auf bie ©rrichtung örtlicher SRentenftellen für
Heinere Begirfe. ®iefe foßen auf ©runb ber oon ihnen oor*
mnehmenben thatfädjlidhen Jveftfteßungen unter 3 u 3i e ^ un 9 00,1
Bertretern ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer über bie Gtemährutig
unb ©ittgiehung oon Renten felbftftänbig entfeheiben. S)urd) biefe
meitgehenbe ^egentralifation mürbe nad) Anficht beg ©ntmurfg ben
Arbeitern bie (Gelegenheit gemährt merben, ihre Anfprüdje oor ber
SRentenfteße perfönlidE) gu oertreten unb Damit fich felbft gu über«*
jeugen, bafe ihre Behauptungen gehört unb im ©ingelnen geprüft
finb. $ierburd) roirb aber ferner auch bie Stöglidjfeit geboten, ben
Arbeitern über aße auf bie Snoalibitätg* unb AUergoerficherung
begüglithen Angelegenheiten eingehenbe fachoerftäubige Augfunft gu
erthcilen unb bag Serfahren oer ^entenfeftfehuna roefentüch gu
befchleunigen. ©egen Die ©utfchlieSung ber örtlichen SRentenfteße
mürbe bemnächft umgefehrt mie bigher bie Berufung an Begirfg**
Schiebgaerichte — unb gmar für bie Berficherungganftalt mie
für ben Sfcentenfucher — offen ftehen, Deren Gntfdjeibungen eine in
ber Sofalinftaug gefällte, auf Der örtlichen ©rmittelung ber Ber«*
hältniffe begrünbete Boreutfcheibung gu ©runbe läge. ,,©g ift
ftcher anguuel)men," fo fchliegt ber offigiöfe Bericht, „ba§ fich
biefer Berlegung ber S^merfraft ber ©ntfeheibung in örtliche Qn**
ftanjen bie 3altf ber Aeoifionen unb Berufungen mefentlich oer**
minbern unb Damit eine Cucße perfönlicher Berftimmung unb
roirtf)fchaftlid)er Benachtheiligutig bcfeitigeit Iaffeit mirb, toelche in
ber häufig monatelang hinauggefd)obencn ©ntfcheibuHg Der Schiebg*
gerid)te über begrünbete ober nnbegn'inbete SRentenanfprüche liegt."
Someit biefe Anbeutungeu .sjanbhaben gu einem llrtl)eile bieten,
glauben mir, baft mit beibett Sorfdjlägen Die Sftooeße ben rid)tigeu
&eg einfehlägt. Sorool)l ber Biobuc? Der Sertheilung ber Gtentcnlaft
mie bie ©rrichtung oon Iofalen Berficherunggämtern enthalten fehl*
beadhtengroerthe Reformen, bie im ^ringip 3aftimmung oerbienen.
Attgbehnnng ber ÄranfenPerfichentitg auf bie ^auginbuftrießen
in Berlin. 2)ie ©inbegiehuttg ber Berliner §auginbuftrießeit in
eine georbnete Äranfenoerftchcrung fdheiut ihrer ©rlebigung ent«*
gegengugeben. 2)er ©ntrourf beg Drtgjtatutg, ber biefe -Srage
regeln foll, ift oon Den gugegogenen Arbeitgebern unb Arbeitern
burchberathen unb nach mancherlei Abäitberungen angenommen
morben. 4)ie 3 a hl ber ^auginbuftrießen, bie in Betracht fommett,
mirb auf 120 000 angegeben. £ie Beitraggpflidjt foß bal)in ac*
regelt merben, ba| in aßen Säßen bie unmittelbaren Arbeitgeber
für 3afjk*ng ber itranfenfaffenbeiträge gunäd)ft Sorge gu tragen
haben; bie Beiträge foßen nad) Den gegal)lten 3Sod)enlöhnen pro*
gentualiter berechnet merben.
©entralfaffe ber eoangelifcheit Arbeiterbereilte in Bauern, ©ine
in Nürnberg am 10. Dftober abgehaltene Bunbegfonfcreug bei
75
Soziale $rajt$. (Sentralblatt für Sozialpolitif. Ar. 3.
76
coangclifdjen Arkiteroerciuc BapentS, wobei 05 coangeltfdje Bei* !
eine oertreten waren, befdjloß, eilte (Scutralfaffe für Ihitcrftüpuiig
itt Kranfljeit urib bei iiuoerfduilbeter ^Irbeitölofig feit 511 griiuben. ,
AlterSbcrfidjcruitg tu Acu-Seelanb. Aach 11 tägiger Ausfchufc* !
berat^ung ift am 8 . Oftober bic Vorlage betreffend Altersuerfidje* |
rung (Old Age Pensions Bill) im Abgcorbiteteuljaufe mit einer ;
s JM)rfjeit non zeh n Stimmen tn britfer Oefung angenommen toor* |
ben. TaS ©efep fd)reibt oor, bafe jebc nnbefdjoltene s $erfon non .
05 3a^ren mtb barübcr, bereit (Siufommeit 34 Vfuitb (080 t A) ;
nu 1 )t überfdjreitet unb bie 25 3al)re in ber Kolonie ihren Tl'oljnfiü !
bat, 311 einer ^etifion ooit 18 fßfuttb (360<,//) jährlid) berechtigt ift.
3Ubeitettiui)ti)*&
Ter Arbeitsnachweis unb ber Buitb ber ^nbuftrietten. Auf
ber am 10 . Oftober in Berlin abgebaltenen 3ah re 3oerfammluug
beS BunbeS ber SubiiftrieHen mnrbe and) über bic Organifation
bcS ArbeitSnadjmcifeS beratljeu. berief)terftattor toareit ber oon
ber leipziger September*Koufereit 3 ber Arbeitgeberuerbäube befannte
(sjeneralfefretftr l)r. s 2KartenS=Hamburg unb "ein leipziger jvabrif*
beftper Di\ Kuuatf). Beibe führten aus, baß bie oon ben Arbeitern
[elbft geleiteten ArbcitSnad)roeife liiert oorttjeilbaft gemirft hätten.
And) bie oon gemcinmipigen Vereinen unb ähnlichen Körper*
[(haften eingerichteten ArbcitSnad)weife, an bereu Verwaltung bie
Arbeiter betheiligt feien, halten bie auf fie gefegten Hoffnungen
nicht erfüllt; fie hätten eS aud) nicht oerftattben, ihre Beziehungen
ins (Sinoernehmen mit beit Jntereffen ber Arbeitgeber 311 fepen.
3bre Unparteilichfeit fei eine bloße Bhrafe, weil fie fid) aus Stühe-
bebürfniß, aus ^opularitätSliafd)erei unb aus humanitärem 3 'utercffe
immer auf bie Seite ber Arbeiter ftellteu, fo bah bie Cuclle ber
Arbeiterbefchaffung für bie Arbeitgeber gerabe in bem Augcnblicfe,
100 fie fie am notljwenbigften brauche, nätitlid) im JJafle beS
Streifes, oerfage. Ter Arbeitsnachweis muffe oon ben Arbeit*
geberu allein in bie $aitb genommen merben, er uiüffe aber aud)
für fie obliaatorifch fein, bautit baS §eruinlaufen ber Arbeiter auf*
höre mtb Damit man bie fo^ialbemofratifdjen Heper fern halten [
fonne. SBenn burch folche ArbeitSnadjtoeife bic Arbeitgeber an
BJad)t unb (Sinflup gcioinnen toürben, fo fei bieS gegenüber ber
ftraffen fosialbcinofratifdjen Organifation ber Arbeiter ein mit
5reubeu 31 t begriißeubeS Kampfmittel. Tie ArbeitSnadnoeife
müßten oon allen fid) SMbenbeit orbnungSmäfgge Rapiere unb
auch 3 eu gniffe oerlangen.
Sabrifant O.Bkigert*BerIin erflärte bemgegeitiiber, bie Meinung,
bah man bie Arbeiter ooii ber Verwaltung ber ArbeitSnadjmeife
ausfchließett fülle, fei eine Utiftadjtung ber 0 )leid)bered)tigung ber
Arbeiter beim Abfdjtufc beS ArbeitSoertrageS. Tarnit unb mit
foldjen f<hwarzen Oiften, mie fie ber Berbanb ber SlietalliubuftrieHen
habe, fördere man meber bie Mittel* unb Kleininbuftric, noch fäme
man bamit 3 unt fo^ialen Trieben, fonbern lebiglid) 3 urn Kampfe!
(fr lege gegen fold)e ^länc energifth Verwahrung ein unb beantrage,
baß ber »unb ber 3ubuftriellen nur foldje ArbeitSnad)ioeife unter*
jtiipcu fotte, an bereu Verwaltung auch bic Arbeiter betheiligt finb,
bei beiten aber aud) jebc Vcrnifserflärmig auSgefd)loffen fei.
0 . Stubnip meinte aud), ein ein fettig oon ben Arbeitgebern oer*
matteter ArbcitSnad)meiS fonne lebiglid) ab? eine KampfeSorganifation
gelten, wäprcnb man bod) nad) bem fo^ialen ^rieben jtreben füllte.
@iit Antrag, bie Arbeitsnachweisfrage gän 3 lid) fallen. 311 laffen,
mürbe abgelehnt, bagegen befd)loffen, bie ©eneraloerfanimlung er*
fenne bie Aothwenbigfeit ber (Errichtung oon ArbeitSnadirceifen
an 1111 b beauftrage ben Vorftanb, einen Ausfluß 3 ur roeiteren
^förberung ber Angelegenheit 3 U ernennen.
®rftc Verfammluitg beS SerbunbeS $ur görberuug bed Arbeite
nad)Weife3 tut SfegierwngSbc^irf Tüffclborf. Am 11. Oftober hielt
ber Berbanb in Tiiffelborf feine erfte Veijammlung in Antoefeit*
heit beS Aegierungspräfibenten ab. Aad) ber „Köln. 3*0-" 0 °b
ber Vorfipenbe, (lioilingettieur £>. Aabemacpcr, einen llebcrblicf
über bie ber 3 eitigen 93eftrcbungcn auf beut (Gebiete ber Ar*
beitSoermittelung unb fprad) fid) mit großer (fntfdjiebenheit für
biejenige ArbeitSoennittelnng aus, in ber Arbeitgeber unb Ar*
bei tue hin er jufainmennjirfcu. Xurch fie fei bic Unparteilid)*
feit oon oornl)erein geioährleiftet. (fine ArbeitSocnnittelung, bie
auf ber Sliitioirfuiig beiber betheiligten Kreife beruhe, ntiiffe ge*
beiheu, unb fei in ber Sage, bic guten ^Beziehungen 3 ioifd)eu Ar*
beitgeber unb Arbeiter 31 t förberu, itibein bas oon beibeit Seiten
erforberlidje Vertrauen ber galten (fiitrichtung entgegengebracht
merbe. TurdjauS oermerflid) fei ber Stanbpunft ber
Arbeitgeberoerbäitbe, bie bie Anfidjt oertreten, baß nur
fie berufen unb im Staube feien, bie ArbeitSoerinitte*
luug riditig 311 betreiben. Tiefelbe (finfeitigfeit toerbe mit
Aed)t beiijcuigeu Arbeiteroerciuiguugeu 311 m ^ononrf gemadit, bie
bie Arbcitsocrmittelnug nur bunh Arbeiter beioirfeu laffen loolleu
unb fie auSfd)ließlid) für ihr Sntereffc nnb 311 politifd)eu 3w C{ fr n
auSbenten. 3’n ber rid)tigett (frfeuntnifc ber zeittoeife ioicberfcl)reu*
beit unb 311 enoartenben s Bttßftänbc hätte ÜHegierungSpräfibeut
Freiherr 0 . Stheiubaben ben Verbaub ins Sehen gerufen unb baburch
ein SJiirtel gcfct)affeii, zur 3^'it ber Aotl) bie ArbeitSlofigfeit loirffam
311 befämpfeu. ( yür bie uinfirfjtige Turd)fül)ruitg 1111 b {vörberung
ber Sad)e gebühre bem SfegicruugSpräfibenteu loäriufter Tauf.
81 ad) bem onhrcsbcridit beträgt bic ;-Jal)l ber ^crbanbsmitgliebcr
am Sdjtuffc bes erfteu (>lffd)äftsjahrcs 39 gegen 22, bic zur (Mriiubuug
Zufamnieiitrateii. Tic innerhalb bes iVrbanbes gegriinbetc Arbciisnad)*
ii)eis=KontroIc für bic Stabt Tnffdborf nnb bereu Umgebung zählt
fd)oit 10 Arbcitsuad)Uicis=AnftaItcu 31t SKitglicbcru, oon bcucn 9 ber
Stabt Tiiffclborf augehöreu. Aus ber llmgegcnb ift bic Stabt Aatiugen
t mit einer neugebilbctcu Anftalt bcigetretcu. Turd) bic 00m Zentral*
I burcau 311 Tüjfelborf zufammeugcfteUtcn SBafau^Ufteu finb feit ^siilt 1S97
bis (iitbe ^uni lsns 16sf>3 offene Stellen mtb oon Aooember 1S97
bis l5nbe ^sttui 189s 3. r >08 Olefudie oon Arbeitern zur Mcnntutf) ber iß er*
banbsmitglieber gebrad)t loorben. B l, m 3ahresberid)tc bemerfte Ae*
gicrungspräfibcut Freiherr 0 . Aheiubaben, baß bie Erfolge bes s l?er*
imnbes burdjauS ermuthigeube feien unb fiel) nidjt ausfdiließlid) nad)
ftatiftifdieu Bahlen bemeffeu ließen. I5r fei meit entfernt, bie beftehenbe
I5iurid)tiing als ben Inbegriff ber ^ollenbuug hinzuftelleu. Au ber
jebigeu Aornt merbe fid) im meitern Verlaufe Afandjes als abäuberungs*
beburftig ermeifen; augenblicflidi jebod) halte er fehl* bafiir, auf bem
bisherigen A>ege euergifd) meiterzufdireiten. Sobaib ber Aerbaub ein
größeres 9?cp oon lofaleit ArDeitsnadjioeifcu umfaffe, mürben bie (5r*
folge greifbarer 31 t Tage treten. 3 U berfelben Anfidjt befannte fid) Ae*
gierungsratl) a. T. 0 . A>ätjeu. (5. 0. langen jr., ^abrifbefiper in
9A.*Wlabbad), forberte uadjbrücflid) bic Olrüubnug red)t oicler totalen
Arbcitsnadjmeife.
ArhcitSnachloeiS unb Tieuftbotenocrtnittclung. Unter biefent
Titel bringt ein amtlid)eS fächfifches ÜBlatt, baS „Tresbctter
Journal", einen Seitartifel, rooriit es nad) einem furgen Aiicfblicf
auf bie SBeftrebungett in Sad)ett beS ArbeitSnad)toeifcS folgenber*
maßen heifd:
Tie bei ber gewerbsmäßig ober and) als ^arteifadie betriebenen
Arbeitsocrmitleluug 311 Tage getretenen Uebclftäube laffen aflerbings
eine g e) e p l i ch e A e g e 1 11 n g a l s b ri n g en b geboteu erfd)cinen. Aedjt
fehr 31t miinfd)cu ift, baß biefc Aegelung halb erfolge ttub baß babei
ein 3 >oeig bes gemerbsutäßigeu ArbeitSuarijmeifeS nidjt oergeffen merbe,
ber 311 einem faft uncrträglidjeu SJiißftaub für Arbeitgeber * unb Arbeit*
nchmer gemorbcu ift: bic Tienftboten=AadjmeifungSfteIlen. Tic Art
ber ('U'fd)äftsbehanbluug bei ber SMirzapl foldjer (»lefchäjte faun gerabe*
31t als grober Unfug bczeid)net merben.
TteS toirb bann unter Hintoeis auf bie befte()enben 3uflänbc,
namentlich aud) auf bie in TreSben h^rrfdienbeit Serl)ältniffe, roo
eS gegentoärtig 168 — faft auSfchließlid) rein qetoerbmäßige —
TienftoennitteiuugSftellen giebt. in treffenöer s Bcife ausgefühvt.
Ter ArbeitSuaitimeiS ber Saitbmtrtl)fcl)aftSfatnmer fiir Schlefteu ift
am 3 . Oftober in Breslau eröffnet worben. Ter AadjmeiS oermittelt
uncntgeltlid) Stellen für lanbwirthfdjaftlidje Arbeiter unb Tienftboteu.
Turd) grofze üpiafate foü auf alten fd)le[i)d)en Bahnhöfen auf biefe
Aacl)ioeisftelIc hiugcmiefctt werben.
91f|eberar6eitditac^tt»ei^ unb ^afenarbeiterberbanb tu ^omburg.
Taft ein ein [eitiger, oon bert Arbeitgebern geleiteter SBerbattb ben
Qrieben 3 toifd)en Arbeitern unb Arbeitgebern nicht ftd)ent wirb,
bafiir bietet bie Ausfprad)c beS HafeuarbeiteroerbaitbeS in Hamburg
ootit 5. Oftober einen s Telcg. Ter 9icfcrcitt Kölle führte über ben
„ 0011 t herein ber Aheber geplanten Arbeitsnachweis für bic Schauer*
leute" nach bem „Hamb. Korrefp." folgeitbeS auS:
Aad) bem ^ahresbcrtdjt bes AcreinS ber Aheber merbe bic T'er*
maltuug bes Arheitsuadjmeifes aus brei ^erfouen beftehen, ttub 3toar
aus je einem Aiitglieb ber Bereinigungen ber Aheber, ber Stauer, fo*
wie ber Sdüffsmatler. Tie Arbeiter feien bei ber Verwaltung uidit
berncffiditigt morbcu, 100hl aber bei bei Befdjmcrbcfommiffion, ber brei
Arbeiter, unb zwar zmei fefte 2cute unb ein Hülfsarbeiter angehören
follen. 3 nbes mürben biefe Arbeiter nidjt oon ben orgauifirteu Ar*
heitern gemählt, fonbern nur oon ben Arbeitgebern ernannt. Bei ber
Vergebung ber Stauerarbeit follen nur foldjc Arbeiter beriidfiditigt
merben, bie ben Arbcitsuadjmeis in Anfprud) nehmen, mas oon ben
Bereiueu ber Aheber unb Sdiiffsntaflcr befdjloffen worben fei. Ter
i Arbeitsuadnoeis fei eine mirtbfdmftlidic Trage, bie mit ber Sozial*
; bemofratie nichts 311 tljitn habe. Ter Arbeitsnachweis bes Bereiuv
| beutfd)cr onbuftrieller fei nidjts als ein „Aiaßrcgcluugsburcan". So
I lauge bie Arbeiter nidjt ftarf genug feien, bic l 5 infiU)rung eines AvbeitS*
nadjmcifeS unter alleiniger Bermaitnug ber Arbeiter 31t erzwingen, fei
! es bas Aiinbefic, bafz bcu Arbeitern bas AtitbeftimmuugSredjt eingeräumt
1 merbe. Tie Arbeiter mürben fid) uorerft bequemen minien, 311 bem
1 ArbeitSnadjmcis hinzugehen; cs gelte baf)er, fid) biirdj Stärfung bev
. Organifation für beoorftehenbe Kampfe zu rüfteit.
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77
Sogiale VrajiS. Eentralblatt für ©ogtalpolttif. Rr. 3.
Xic Verfammlung naßm eine SRefolution an, bie im Sinne
beS Referenten Stellung nahm uttb bie Erllärung enthält, ben
ArbeitönachroetS nicht iit Anfprud) nehmen gu motten, ba er nur gur
Knebelung unb Maßregelung ber Arbeiter gefchaffen roerben fotte.
Arbeii§stit#ltteIS in Sübaufiraliett. X>ie $olonialregierung in
Sübauftralien ift im Vegriffe, bem Veifpiele ber anberen auftrali*
fd^eti Kolonien folgenb, etnen ftaatlidfjen ArbeitSnachroeiS eingurid)ten.
Motjmittrjswefeö.
Rhrinifdjcr feiet! gnr görbernng bei Ärbeitertoobtmngötoefetiö
ht $üffelborf. Xent Hnbe oorigen SoßreS gegrünbeten herein ift
in meiteften Greifen lebhaftes 3:ntcrcffe cntgegengebradjt roorben.
Eine große 3 a W nott Veßörben unb Vertretern oon Veßörben,
barunter ber Dbcrpräfibent Raffe in Eoblcng, bie Regierungen gu
Xüffelborf unb Sobleng, ber SanbeShauptmann Dr. ßiein in $)üffel*
borf, bie difenbafjnbireftionen gu Elberfelb, Sffen, $öln unb ©t. 3o*
|ann*3aarbrü(fcn, bie Snoalibitäts* unb AlterSoerficherunqSanftalt
Rbeinprooing, oiele Greife, ©emeinben unb einige .fmitbelsrammern
finb bem Verein beigetreten, gerner höben faft fätnmtlid>e gemein*
nüßigett Vauoereine in Rßeinlanb einfc^l. Virfettfelb unb mehrere
anberc gemeinnüfcige Vereine bie Mitgliebfcßaft ermorben, ebenfo
eine anfeßnliche 3 a bl üon ^rioatperfoiten, inSbcfonbere Snbuftriette.
Xer ManbelSminifter höt einen namhaften ftaatlicßen 3nf<h u & be*
mittigt. VcfouberS anguerfemtett ift baS große Sntcrcffe, baS ber
Dberpräfibent bem Vereine mibmet; in einem Ruitbfchreiben höt er
bie Vchörbcn auf bie Vebeutung ber VereinSbeftrebuitgen hi» 5
geroiefen. ©eit Mitte ©eptember höt ber Verein eine fiäubige fee*
fäjäfteführung eingerichtet unb mirb nunmehr eine intenfioe Xbätig*
feit gur Verfolgung feiner 3roe<fe entfalten. Es höt fid) bereite
bi§h^ gegeigt, baß er einem bringenben Vebiirfniß cntfpricht, mie
bieS bie bisher fchon in großer 3 a ßl eingelaufenen Anfragen in
Vegug auf baS ArbeiterroohnungSroefen unb fonftige bamit in 3«*
fammenhöng ftehenbe Angelegenheiten bemcifen. Auch oon Ve*
hörben ift ber Verein gur Mitroirfitng bei Schaffung befferer ©oh*
mtngSoerhältniffe für Arbeiter in Anfpruch genommen morben.
Anfang Rooember finbet bie bicSjährige ©enerafoerfammlung ftatt,
für melchc u. A. einige belehrcnbe Vorträge, melche bie Vereins-
beftrebungen berühren, oorgefehen finb.
g^ohttuttgSfürforge in Magbeburg unb M,-(Bkiiadj. V$ie
wenig manche beutfehe ©täbte noch (Vernicht auf Vehanblung fogial*
jiolitifcher gragen legen, begeugt g. V. bie Vehanblung ber tßeü-
toeifert V?obnungSnoth im VerroaltungSbericßt ber Stabt Magbeburg
für 1897/98. Unter „Allgemeines" lautet bort ber oierte Abfaß
auf ©eite 5:
„Xic Vefferung ber allgemeinen roirtbfdjaftlidjen ^agc hat augehalten.
Jnbuftric unb Jpanbel umreit in bett meifteu ^roeigett tu mciteretn Auf¬
blühen begriffen, auf ber Elbe unb inSbcfonbere autf) int ftäbtifdjen
|>afeu bcrrfchte ein reger Verfehr. Xic 3 a ßl ber leer ftebenben
VSobnungctt höt fich noch meiter uerminbert; in einigen
Stabil heilen — Vutfau unb and) ©ubeuburg — fonitte ber Ve*
ftattb an mittleren unb Heineren Sohnungen ber Rachfragc
nicht mehr genügen: eine regere Vauttjätigfeit ßot itisbefonbere im
feelaitbe ber ttörblidjen Stabtermeiterung unb ber Silhelmftabt ftatt*
gefunben."
Xarnit ift bie offenbar oorhanbene theilroeife VSobnungSnotb
ber fleinen unb mittleren £eute abgetan. Von irgenb roelchen
Mitteln, bie bie Stabt etrna gur £inbcrung ber Roth ergriffen hätte,
ift roeber hier, noch fonft im Vcricßt bie Rebe. Man glaubt mit
ber Anlage oon ©ärten unb öffentlichen $Iäßen, VolfSbabe*, XeS-
infeftionS* unb Slranfenanftalten genug für bie ©efunbljeit ber
Veroofjiter gethan gu höben, ohne beS VHdjtigften, einer ausreichen*
ben V?ohuungSfürforge, git gebenfett. — Ein erfreuliches Vilb ba*
gegen bietet M.-felabbad). §ier ift unter görberung burd) bie
Stabt bie Ollabbacßer Aftienbaugefettfdjaft unb ber ©ohnuttgSoerein
um bie Vefchaffung guter 23ol)nungen für Unbemittelte eifrigft be*
müht. 2>te @efett|chaft höt mährenb eines 27jährigen VeftehenS
nunmehr 457 Käufer gebaut. Sic, mie oor allem ber Verein, ber
1896 gegrünbet mürbe, oermitteln auch gefunbe Miethroohnitngen
unb miethen fte gum Vkiteroermiethen an Arbeiterfamilien in
größerem Umfange an, geroähren Darlehen , unb 3uf<hüffe W ben
MiethauSlagen, forgen für bie Erlangung getrennter Schlafftätten
für halbem)achfenc. Äinber, für Vetten, Vaumaterialicu u. f. m.
Stäbtifche Arbeitermohüngen in Karlsruhe. 3n Karlsruhe
finb, mie unS gef^rieben mirb, bie oon ber Stabt erbauten Raufer
für r ftäbtifd;e Arbeiter bereits begogen unb ihre Hinrichtung mie ihr
$crantioottli<$ fihr bie «ebaftion: Dr. (Srnft
Aeufecres geroähren Vefriebigung. Hs ift Rücfficht genommen, bafc
feine SSohnuna mehr als 200 f 4L MiethginS erforbert unb bie
Stabt mirb bei Vcrginfung, Amortifation unb Unterhaltung ber
§äufer eine 3abufee geroähren, bie man pro SBohitung auf 70 JL
fchäfet. Higcnthümlich berührt es aber, baß ben ftäbtifcheu Arbeitern,
bie in ben ftäbtifcheu Käufern — nicht nur ben eben bezogenen —
mieteten, bie Verpflichtung auferlegt rourbe, in VcbarfSfätten Rächt*
fchid)ten gu übernehmen. llnfereS Hrad)tenS fottte man folche Ver*
Pachtungen nicht mit ber Vermiethung oon Wohnungen oerbinben.
X)ie Rachtfchidbtenoerpflidjturfgen mären auch ofmebieS gu erreichen,
unb roeun bie ftäbtifche 3 u bufte bei ber Miethe als Aequioalent
anaefehen roerben fott, fo bürfte baS faum oerftanben roerben.
UebrigenS fommen ja auch $)ienftroohnungen ftets erheblich ^euerer
als ber Anfdljlag iit unb bie langjährigen Arbeiter roerben groifchen
ihren Wohnungen, bie fie oon ber Stabt mietheten unb ben
Veamtenbienftroohnungen Vergleiche anftetten, bie bie SBohlfahrtS*
einrichtung als minberroerthig erfcheinen läfet. Veffer fein (&ef<henf
als ein mit einer Verpflichtung belafteteS. Auch bie ^ßrioatunter*
nehmer erbauen SBohnungen mit 3 u ^ u B^a^ fie fich einen
guten Arbeiterftamm fichern motten, eine ©emeinbe fottte baS erft
recht ohne Rebenabficht thun!
(frjleljttng ttnH fiilbmtg.
$rafttf(h*f0grale*ftttritt8 beSVolfSHerettiS für baS fat^olifrhe Xeutfdjlimb.
Jn Straßburg i. H. hielt ber VolfSocrcin am 10.—13. Dftobcr bieSmal
feinen praftijd)*fogialcn ÄturfitS, ben fiebenten feit bem 3abrc 1892. Xic
Vetheiligung mar eine ungemein ftarfe; am Abeub oor ber Eröffnung
lagen fdjou l200Anmclbungen oor, bereit 3at)l guleßt bis auf 1800 gefüegen
ift, ein Reichen, roic rege ba« fogialpolitifdie Tsntercßc in ben Greifen beS
VolfSoereinS ift. 9Bir fönnen bcs Raumes loegeit an biefer Stelle leiber
auf bie Vorträge nidjt näher entgehen. Xod) feien toeuigftetts furge §itt*
roeifc gegeben, ^rofeffor i>r. MüUer-Strafjburg fprad) über ÄleruSuitb
fogialc «frage; bie Mitroirfuttg ber Äirche an ber Üöfung ber fogialen
Probleme tourbe energifd) geforbert ^rofeffor Dr. .ftifce-Riünfter, Mit*
glieb bes Reid)Stags, hielt einen Vortrag über bie Arbeiterfrage im
dichte ber neueren Verufs- unb VetricbSftatiftif; fo fchr es gcrediifertigt
fei, ber Sanbioirthfdiaft burd) Sdjubgollc eine Steigerung bei 1 ^röbuftion
gn enttöglidjeu, fo titüffc man mit ber Jhaifadie rechnen, baß Xeutfdj 5
lattb mehr unb mehr ^nbuftrieftaat toerbe unb um ben Arbeitern Vrob
gu geben, beit Ifrport fteigern miiffe. Xic roirthfdjaftlidje Hutroicflung
Xeutfd)laitbs toetfe eine Vefferung auf. roerben ttidjt nachlaffen,
in bent Vcftrebeu, bie Arbeitevfdjaft in ihren bercdjtigten Anfpriidjen gu
fräftigett." ©encralfefretär l»r. ^ieper*M.=(iHabbach gab ein Referat
über neue Aufgaben ber Arbciteroereiite. Xie -frrimng beS Arbeiter*
[taubes muffe auf fittlich-religiöfcm (Gebiete einfeßen. V. (^. ^efeh S. 1.
fprad) über bie nenefte Hntroicfluug bes Sogialismus, in ber er Anfäpe
einer Rcaftion gegen ben MarriSutuS uttb Materialismus fcftftcHte.
lieber Vanernoereinc referirte Freiherr o. Xael*ftöth, über länbliche
XarlchuSfaffeu unb (^cnoffcnfdjaften Vifar Müller unb Dr. Strauoen.
Xett Vortrag bcs Redjtsanroalts 5?. Xrimborn-Ä'öln, Mttglieb bes Reichs*
tags, über fotumurtalc Sogialpolitif ermähnen mir nodj an anberer
Stelle. Weitere Vorträge hielten öanbgerichtSratt) (Gröber, Müglieb beS
Reidjstags, über bas Viirgerlidjc (Wfepbudj, Dr. Pieper über bie
©ohnungsfrage, Dr. öleiffenberger über bie Drganifation bes .fianbroerfs,
^rofeffor Dr. Sang über bie Alfoholfragc. Xer Verlauf toirb uns als
ein böchft befriebigenber begeichnet.
Ittermrlfdie ^njeigtö.
Twelfth Annual Report of the Commissioner of Labor. 1897.
Economic aspects of the Liquor Problem Washington. Government
Print ing Office, 1898.
GS toirb hier auf Attorbitung bes Rougreffes eine Ueberfidit über
bie ^robuftion, bett Vcrbraud) unb ben C>öttbel fpirituofer 0)ctratife hi
bett Vereinigten Staaten gegeben. Xaran fdjließt fid) eine Erörterung
über bie Einnahmen, bie ^robuftion unb .öattbel auf biefem (Gebiete
abtoerfeit. ferner roerben Aeußcrungen oott Unternehmern über ihre
Erfahrungen, betreffenb bett Oiebraud) oott Spirituofen in ihren Ve*
trieben beigebradtt. Ein reid)haltiges labcllenrocrf giebt ftatiftifeße
AuSfunft über bie im Sdjanfgetoerbe inoeftirten Kapitalien uttb befdjäf*
tigten Verfoncn, bie entrichteten Steuern, (Gebühren, Strafen :c. Xett
Vefdjluß maeßt eine forgfältige Ucberfidjt über bie eittfdjlägigc Steuer*
gefeßgebung.
Arenbt, Dr. Dtto. i?citfaben ber 30'ährungsfrage. 18. neubearbeitete
Auflage. Verlin 1898, .^ermatttt VSaltbcr. 63 S. Vveis Jl 1.
Olrttngel, Dr. ^h. & U. ^ofeph, Xie Rcidtcnberger luchinbuftrie
in ihrer Gntroidelung oom günftigen .C»anbroerf gur moberneu
©roßinbuftrie. i^tag 1898, Verlag bcs Vereins für ©efdiidjtc
ber Xeutfdjen in Vöhmett, itt Koitimiff. bei .'o. Xotitinicius in
$rag. 184 S.
Reue Xeutfdte Rutibfdiau. §eftlO. .Cftober 189s. Verlin, 5. ,früher,
granefe tn Berlin W„ BatjreuUjcrftrnfee - 2 \k
79
©ojiale $ra$i3. ©cntralblatt für ©ojialpolitif. 9h:. 3.
80
©ie t,$ofia!e lUrarf«' 4 erfc&eint an jebcm ©onnerStag unb ift burdj alte SBut&banblutiflen unb gjoftämter ($oftaeitung«mimmer 6729) ju beziehen. ©er $rei#
für ba$ aSierteljabr ift 9)?. 2,50. 3ebe Kummer foftet 30 $f. ©er ÜlnaeigenpreiS ift 60 fßf. für bte breigefpaltene ^etitjetle.
^Heller % rlmtGtmrfrmpi*; * bcä ftommrrjicnrat« Cftettag, Stuttgart,
®*'* v **' ll3llUU|U>r t"» j„ ti f n ig(j)rifteii be$ ®. SJereinS für Srmonpftcgc
(peft 1. (1886, SßrciS 1 SW. 80 $f.)
lieber Me gefrijäftigmtg ber ^rbeitelufm unb beit
Jjladjmeis nun Arbeit als pittel uarbeugenber
Debatte tu ben 99erbanbliutgen be§ ©. Vereins für STrmcnpfTcge,
SWagbeburg 1887, toiebergegebeu in ben Schriften be£ 3?creiuo
§cft 5. ($reiS 2 <W. 80 $f.)
lieber $efrfjtifttgung arbeitslafer Armer unb Jlrbetts-
nattjnrrts als pittel uarbeugeuber Armenpflege.
Keferat be§ ffüdljcmt üott SRet^ettfieitt in ben Schriften bcö ©. Vereins für Ernten»
pflege £>eft 4. (1887, $reiö 3 SW. 20 $f.)
Verlag von Siemenroth & Troscbel
Berlin W.
Zur
Gesehiehte u. Statistik
der
freien iratvahl
in Berlin.
Von
W. Astor.
-— Preis 3 Mark. -
Otto gifbmunit, |rtli$skad)l|»)lB»$ l gcrlttt W. 35.
freit|eit nnb fatale Ufltrtjtett. »pÄ® 1 ,
Srüffel. HutorificrteHuog.u. ©tabtrat Dr. ffltünfttxbetQ. 9W.2.75.
^ajial-Anflabrnltftlie |been. ÜSÄÄ5SI:
teuffei. 3W. 1.—.
^trafrettjtspflege nnb §a(ialpalitik. Sei"
trag ^ur Kefornt ocr ©trafgefefcgebung, auf ®runb redjtSuer*
glcicfienbcr unb ftatiftifchcr Erhebungen über bic $oIt$ctaufficfjt.
9$on Kedjteauinalt I>r.fl*3ruf)r* Sieb ft mehreren Tabellen. * 3 ) 1 . 8 .—.
Soeben erfchieneit:
Pa« piftrcd)t
natb brttt $«rgetliif)tn frfcfcfau} fit las $rit|.
SYPctnatifd? bärge ft eilt
001 t
Ludwig Tuld,
iHedjtfianroalt in STOalnj.
18 1 4 ^ogen, gr. 8 °. ^ret§ gebunbeit 5 SW. 40 ^f.
Settmädrft erfdjetixt:
Oafyrbud?
für
ftfrijgtlmng, |crnialtung
nnb
önlbraittf^aft
im
Deutfdben Heidt-
§ercm§gegeben
non
Cüuftat» ®d)molter.
Jlrnr fofgr. XXII. Jnfirgmig. Difrtcs .firft,
gr. 8 °. ^rci£ etwa 7 3W. 60
u l) a 11 : ©taatenbunb unb 33 unbe§ftaat. 5*ott
.farluon Stengel. (gtneiter, [Schhtft*]$(rtifel.)—
©ic @rcnsnut}cn*©heorie als ©runblagc einer
ultralibcralcu S$irtfchaft 8 politif. 3?oit 2abi3*
Iauö o. ^ortfenutirf). — Beiträge jur 01 efrf)icf)te
uub ©heoric be* Slrmenrocfeitö. 9luö bem
Wachlaft be* Freiherr» o. Kelpenftein beraub*
gegeben uub ergänzt uon Emil SWüuftcrberg. —
©ie bireften Steuern unb bte 9?ermügcnSent=
tuicfeluitg in Slugöburg uon bei* SWtttc bcs 16.
bis , 311 m 18. v 'abrf)iinbcrt. Hoti ^s. Wartung. —
©ic Mängel ber ^olijet. 99 on Otto ©erlaub. —
©ic tfoften ber l^olfsirfnile in ^reitfeen. 9>ott
iHlbert 2 ofc. — ^olfsioirticbaft uub 9ietbtS=
orbnuug. ifröffuuugsrebe ber .^abresuerfamm*
luitg 1S9H/97 ber American economic asso
ciation“. ^on Jpenrn (5. 9lbamS. — ©tc
bpnorfteljcnbe (irncitcnmg bes ©ciitfcf)cn 9?anf=
grfebcs. ikut M. •’oelifcricb. -- Sitteratur.
^Oebett erfebienen:
Ilmriffe unb ttnterfudjitttp
jur
Ittfalfttags-, lertdnllttBgs wk |Iirtf^ftsgtfd|ii|t(
hfnlm io Imgiffl« Stoatrs i« 17. aik 18. |i||t|iik(rt.
99 Ott
<5uftcu> ScbntöUer*
gr. 8°. (XIII, 686 ©.) 1898. $!rci$ 13 SW., geb. 14 SW. 60 $f.
tlttd bet ^inleititttg beb ©etfaffet«:
„98aS i(b b' er einem tneiteren ftreife uorlcge, fmb Ijiftorifdje Unter*
fudjungen, bie aber cbettfo bic allgemeine (Srfenntniß nott ©taat unb Kedbb
SJolföroirtfcbaft unb (Uefeflfcfjaft förbern, al^ bic Gntftebung unferer natio*
nalen ^nftitutionen erfläreit unb bas ikrftänbnig ber ©egenmart erleichtern
tnoHen."
3 nhaUdPer^dd?nt§:
I. ©a§ 9Wer!antilfpftcm in feiner biftortfcficu 9?ebeutuitg: ftäbttfrfte, territoriale uttb
fiaatlidje SSirtfchaft^poIitif.
II. ©te §anbcl§fperrc stuiftfjen Sraubcitburg unb Komment im 3nl)re 1562.
III. ©ie ©pochen ber preuf 3 ifcf)eu ginatt^pofitif bi§ , 3 ur ©riinbuitg be^ beutfchen9ieiche§.
IV. ©ie ©rttftef)ung bcö preuhifeben feeres oon 1640—1740.
V. ©er beutfdfe Scamtenftaat noitt 16. bi^ 18. ^nhrbunbert.
VI. ©a§ branbenburgifch*prenBifd)e Snnung^tpcjcn oon 1640 bis? 1800, Ijauptfäd}*
Uch bie Kefornt unter ^riebrich SUbelm I.
VIT. ©ic ruffifrfjc ©otnpagnie in Berlin. 1724—1738.
VIII. ©ic preuf 3 ifchc ©eibcniitbnftrie int 18. Saftrlntnbert unb i^re ^egrünbung burch
Jvrtcbrid) ben Olrogeu.
IX. ©ic prenfjifdtc ©itttpanbcniug unb läiiblicfje Ä¥olottifation bei? 17. unb
18. Snlu'bunbertv.
X. ©ie ©pochen ber Crtetrctbc[)aubelvuerfaffiutg unb *^olitif.
Sjciautiueittiit) für Me fln-eigen: 4>c0mutl] OtfUiel, fccirsig. -- Snlcp i*oa 2t;ndir & .ptunblof, 2c«Piig. —■ ‘bei et:teufet\ i'crü:!
-- • km-., ai. .:ib<— r., -t* .-.itndxh.-ttiMmm Reimer. ‘' Berlin , betr. bereu /leitidirif t für ©o.ualtptff enfdfa fi
VIIL In^tgong.
S9 erlitt, ben 27. DftoBer 1898.
^antmer 4 .
SofictU ptagis*
^enfrctfMctff für
mit ber SRonatSbetlaße:
Das <J5eu>erbegericht.
0rgan öes Oerbanöes fceutfcfyer <5et»erbegericf?te.
Reue golge ber „SBtättcr für fogtale $raytS* unb beS „©ozialpölttlfchen ©entralblattS*.
drf^ciitt m ithm ®»mie»fl«§. #erauSgeber: f«« blertelWrli* 2». 60 *f.
' JReböftton: ©erltn W., ©ahreutherftrafee 29. Dr. (fttlß «#ttUtlfee* ©erlaß tooit Dunder & ftumblot, Setpztg.
3 ttljitli
5 Die ©otoelle aum Snöalibit&tS»
berfi$erung8gefefe. ©onDr.jur.
ftid&arb greunb, ©orftfcenbem bet
3nbalibitöt8» unb Alter8berfic&erun08»
anftalt ©erlitt. 81
©eftrebungen ber@ett>erföereine
in ©itglanb. ®mt g. HB. öallon,
Bonbon . 86
W|Oieteit<ii(l* «ab OftrtMMftf«
polttil.88
gnternaiionaler Soaialftatifti*
f#et ©ienfi.
©efäeib be* preufctfdjen Glfenbaljn»
minifterfl an ben ©erein für ©ojial»
politif.
Die ©inffibrnitg bet ptogreffioen Gin*
fommenfteuer in $ranfrei$.
Alter8penfionen für Arbeiter in ©ng*
lanb.
lUHMUuiale 9 »si«Jp*lfttI. 90
9tet<b8tag8abgeorbneter Srimborn
über Jommunale ßoaialpolitif.
©t&btifäe 2DiiSceHen.
•«aUIr Bttftanbe.92
©rbebung über bie ©oitntagSrulje in
©ädereien £>eftertei<b8.
©eränberuitgen kt Söhnen unb Arbeite»
aeiten »öbtenb be8 Septembers in
©nglanb.
©Ine Unterfliegung über bie ertüerbS«
ty&iigen SdjulTmber in ©nglanb.
SfePetterbctMtaita. 93
©ifenbabnet*Setoegung.
allgemeiner Äongtefe ber £anbel8#
bülf8arbeiter in Äaffel.
Stideretoerbanb in ber Sdjmeia.
au8 ber engltfcben ©etoerföereinS.
betoegung.
©et au8ftanb im ©arifet ©augetoerbe.
©er mißglüdte Streif ber franjßfijcben
©ifenbabnarbeiter.
Krbetterfftn*.96
axbeiterinnen unb jugenbli$e arbeitet
in 3i«8^««n.
AuSgeftaltamg ber preufetfdjen ©erg»
merfSinfpeftion.
©oliaeioerorbnung für Södeteien in
Strasburg i. ©.
©etfüraung bcr Arbeitsamt.
Hlrbeiterberftcpeniitg. SparfafTeis. 97
HBeitere ©iittbeilungen au8 ber RoOelle
aum unb Alterdüer»
fitberungSgefefe.
©Bopmmattoefe».98
SWa&Tegeln gegen ungefunbe HBoljnun»
gen in Strasburg i ©.
Srsieftasifl anb ©Übung.99
©olfStbümltd&e £ocbf<bulfutfe.
©on Dr. 0frip Specht, öljarlotten»
bürg.
••*tale SPfliene.100
@<$ulürate.
ßur ©cbminbfucbtdbefämpfung.
AtttccariV#* ttaactgru.102
Abbrud fömmtlidjer artifel ift ßeitnngen unb 3«ltf<btiften geftattet, iebodp nur
mit boüer Quellenangabe.
Bit Handle pm 3mmlibÜätsrSerrtii)ernngsge|lc|.
Die Sonette jutn 3noaIibitätS-©erfi<herungSgefefc, rodele Be*
fanntlid) in bcr Tagung beS Reichstags 1896/97 nicht sur
©erabfcf)iebung gelangte, fott iefct als eine ber erften ©erlagen
Bern ©nbe biefeö Sabres gufammentretenben Reichstage gugeben.
Die RooeHe ift bereits bem ©unbeSrathe ^gegangen, unb über
ihren 3nh fl M finb bölbamtliibe Rttttheilungen in bie DeffentÜchfeit
gelangt, ©oweit fich «if ©runb biefer fpärlid^en Rtittheilungen
überhaupt ein Urteil gewinnen läfet, mötbte icb inSbefonbere jmei
Slbänberungen, roelibe bas £>auptintere|fe aller ©etbcüigten erregen
werben, einer !ur$en ©efpreebung unterjieben.
I. Snt ©egenfafe gu atten früheren 9?ooeHen ju ben Arbeiter»
nerficberungSgefeben bringt ber neue (Entwurf $um erften 9Äale eine
miibtige DrganifationSreform: bie @inri(btung non Iofalen
HrbeiteroerfitberungSämtern. S)ie ©inriibtung biefer Remter
habe ich auf ber befannten, im Sfconember 1895 ftattgebabten Dteid^S*»
?onferen$ norgef(blagen.*) 3n gleicher ßinie bewegten fich bie
©orf^läge beS Slbgeorbneten 9H(harb Stoeftcfe, ber inSbefonbere für
bie ©entenfeftfebung in erfter Snftanj berartige Slemter gefdjaffen
wiffen wollte.**) liefen ©orfeblägen folgt nunmehr bie Siooette.
2)ie Slrbeiteroerficberungsämter fmb ©ebörben, beftebenb aus einem
©eamten als ©orfibenben unb ©ertretern ber Arbeitgeber unb ber
Arbeitnehmer als ©eifiber. S)en Aemtem liegt bie ©enten^eftfebung
unb ©nt^iehung in erfter Sitftang ob, bie Kontrolle ber Renten¬
empfänger, bie Kontrolle ber ©eitragSeinjiehung, bie SRitwirfung
bei Ausübung ber oorbeugenben ^ranfenfürforge. Aufeerbem
fönnen ben Aemtern noch anberweiie ©efebäfte bei ber Durch¬
führung ber Snoalibitäts- unb AlterSoerftcberung bureb bie ©or-
ftänbe ber ©erftiberungSanftalten übertragen werben. Reben ihrer
fjunftion als Rentenbehörben ebarafteriftren ficb alfo bie Aemter
als lofale ©erwaltungSftellen ber ©erficberungSanftalten.
Die DrganifationSreform ift mit gfreuben gu begrüben; es
ift nicht ju bezweifeln, bafe fie für bie Durchführung ber 3n-
oalibitäts- unb AlterSoerficberung bie beften Früchte tragen wirb,
ja bafe fk unfere ©ojialreform um ein gutes ©türf oorwärts
bringen wirb.
Die. Uebertragung ber Rentenfeftfepung auf lofale ©teilen
unter obligatorifeher 3ugitbung ron Arbeitgebern unb Ar¬
beitnehmern wirb, abgefehen oon ihrer hoh^n fo^ialpolitifeben
©ebeutung, geeignet fein, manche SRihftänbe in bem bisherigen
©erfahren $u befeitigen. ©egenwärtig gefchieht bie Rentenfeftfehung
in rein bureaufratifcher gorm: burd^ Defret ber beamteten ©or-
ftanbSmitglkber. Das SRaterial, auf baS fich bie ©eamten hierbei
ftüpten, war meiftenS fehr bürftig. Die neuen lofalen ©ehörben werben
in ber ßage fein, in engfter gühlung mit ben betheiligten Greifen
bie Anträge zu prüfen, nothmenbige (Erhebungen anzuftefieit unb eine
©ntfeheibung z“ treffen, z u melcher ber antragftellenbe Arbeiter
wegen ber 3ufammenfefcung ber entfeheibenben ©ehorbe ©ertrauen
haben wirb, ©egen bie ©ntfdjeibung ber Aemter foH nun eine
©erufung an ©ezirfSfchiebSgerichte ftattfinben. 3Jlan wirb er¬
wägen hohen, ob nicht bie Drganifation ber ©chiebSgerichte gänz¬
lich befeitigt werben fann unb ob es nicht möglich ift, bie ©nt-
fcheibung in zweiter Snftanz ben ©orftänben ber ©erfichcrungS-
anftalten, welchen gleichfatts Arbeitgeber unb Arbeitnehmer an¬
gehören, oielleicht noch unter 3 u 3 t c hung eines richterlichen 9Rit*
gliebeS, gu übertragen. Das ©ezirfSfchiebSgericht unterfdjeibet ftch
ja in feiner 3 u ! a muienfebung in Rid)tS oon bem ©orftanbe ber
*) ©ergl. meinen Auffap über bie „©crciiifachung ber Arbeiteruer*
fidicrung'' tu ben „^reuhif^cit ^sabrbütfjcni" 1896.
**) ©ergl. „Soziale $raris" 1897 Ar. l'>.
i
Bibliothek der Volkswirtschaftslehre u. Gesellschaftswissenschaft.
Begründet von F. Stöpel.
Nach längerer Pause erscheint nunmehr die Fortsetzung dieser Bibliothek
und zwar: %
Organisation der Arbeit
von
Louis Blanc.
Nach der 9. Auflage des Originals übersetzt
von
Robert Prager.
ca. 22 Bgg. Subscriptionspreis brosch. M 4; Hfzbd. M|5.
Nach Erscheinen — Ende d. J. — tritt unwiderruflich der Ladenpreis von
mindestens M 5.— bez. M 6.— für das gebundene Expl. ein.
Weitere Bände sind in Vorbereitung.
Erschienen sind von diesem' Bibliothek bereits:
Adam Smith. Volkswohlstand. 4 Bde. 8. 1878. br. M 7.—; in 2 Hfzbden. M 9.-
H. C. Carey. Die Einheit des Gesetzes. 8. 1878. br. M 5.— ; Hfz. M 6.—
E. Peshine Smith. Handbuch d. polit. Oekon. 8. 1878. br. M 5.— ; Hfz. M 6.—
T. R. Malthus. Bevölkerungsgesetz. 8. 1879. br. M 10.— ; Hfz. M 11,25.
Sämmtlich übersetzt von F. Stöpel.
Subseribenten auf Louis Blanc erhalten die bisher erschienenen sieben |
Bünde der Bibliothek statt des Ldpr. M 27.— br. und M 32,25 geb. zu-
! summen genommen für II &5.— für ein brosch. und M 30. —
\ für ein geb. Expl. Bei postfreier Vorhereinsendung des Betrages
erfolgt ebenfalls freie Zusendung p. Post.
Zu beziehen durch jede Buchhandlung sowie durch
die VERLAGSHANDLUNG:
im Oct. 1898. R. L. PRAGER in BERLIN, NW. 7.
r
Der Unterzeichnete erbittet:
Expl.
Bibliothek der Volkswirtschaftslehre
und Gesellschaftswissenschaft.
Bd. VIII: Louis Blano, Organisation der Arbeit. Ueber-
setzt von Robert Prager zum Subscriptionspreise von
M 4.— für das broschirte,
M 5.— „ „in Hfzbd. geb. Expl.
Bd. I—VII: Adam Smith 4 Bde.; Carey 1 Bd.; E. Peshine
Smith lBd.; Malthus 1 Bd. zum Vorzugspreise von
M 25.— für ein broschirtes,
M 80.— „ „in Hfzbd. geb. Expl.
Betrag folgt anbei mit Postanweisung — ist
nachzunehmen.
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Bitte recht deutlich zu schreiben und das Nichtgei oiinschte auszustreichen.
Bei postfreier Vorhereinsendung des Betrages erfolgt
postfreie Zusendung.
Buchdruekrrcl C. Hell (H*n* Adler). Grclf»w*ld.
z
83
Sogiale $rajis. GentralBlatt für ©ogtalpoltttf. Br. 4.
L 84
BerficherungSanftalt unb man füllte feine Gelegenheit oorBeigehen
Iaffen, um ben BehörbenorganiSmuS möglichft gu oereinfachen.
Sn ihrer weiteren Sunftion als lofale BerwaltungSfteHen ber
BerficherungSanftalten werben bie Aernter ^auptfad^Iicf) nach gwei
Züchtungen hin eine außerorbentlidf) erfprießliche Dhätigfeit ent**
falten: Bei ber Gingiehung ber Beiträge unb ber UeBernahme ber
norBeugenben Sfranfenfürforge. Die Kontrolle über bie Seiftung
ber Beiträge war Bislang eine mehr ober minber unoollfommene
unb bie Iofalen Aernter werben hi* r Qriinblich ©anbei fRaffen
fönnen. 3<h Bin freier, baß ft(h biefe Dßätigfeit ber Aernter
Balb ben laufenben Ginnahmen aus ben Berfauf ber Beitrags*
marfen BemerfBar machen wirb. 3n BerBinbung mit biefer Dhätig*
feit werben bie Aernter als AuSfunftSftelle für bie Betheiligten
Greife bienen müffen unb bamit gleichfalls gur prompten Dur<h-
führung ber Berfichentng oiel Beitragen fönnen. Bei ber Durch¬
führung ber oorBeugenben $ranfenfürforge aus §.12 beS GefeßeS
ift es für bie BerficherungSanftalt oon größter ©ießtigfeit, bie
SäHe rechtzeitig in Erfahrung gu Bringen, bie ftch gur UeBernahme
eignen, bie eingeheitben Anträge auf ihre Begrünbung gu prüfen,
gwecfentfprechenbe ^Maßnahmen für bie Durchführung ber Qförforge
gu treffen unb bie Ausführung ber getroffenen Btaßnahmen gu
überwachen. Bach allen biefen Bichtungen hin werben bie Aernter
ben BerficherungSanftalten ben werthoofiften Dienft leiften unb ba*
mit gur oollfommenen Durchführung ber oorBeugenben föranfen*
fürforge wefentlich Beitragen.
©irb man fonach in ber Sage fein, ben Borfdjlägen ber Bo*
oelle hinftchtlich ihrer DrganifationSreform oott unb gang gugu*
fiimmen, fo fann bie gweite Aenberung hinfichtlich ber Bertheilung
ber Bentenlaft auf biefe unBebingte 3uftimmung nicht rechnen.
II. Schon bie erfte Booelle gum SnoalibitätSoerficherungSgefeß
enthielt Befiimmungen über bie anberweite Bertheilung ber Bentenlaft,
welche allgemeinen ©iberfprudj h^roorriefen unb auch im BeicßS*
tage feine AuSficht auf Annahme hatten. Die Beftimmungen beS
neuen GntwurfS ftnb im ©efentlicßen folgenbe: ber Grunbbetrag
ber Beute wirb als gemeinfcßaftlicße, non affen BcrficßerungS*
anftalten gu tragenbe Saft Beßanbelt, währenb bie Steigerungsfähe
ber Bente als Sonberlafi jeber Anftalt nerbleiben. Als BtaßftaB
für bie Bertheilung ber gemeinfcßaftlichen Saft auf bie einzelnen
Anftalten gilt ber BcrmögenSftanb berfelBen. Demgemäß hat jebe
Anftalt 60o/ 0 ihres BermögenS unb 60% ihrer laufenben Gin*
nahmen für bie 3n>ecfc ber gemeinfcßaftlichen Saft aus ihrem Ber*
mögen auSgufonbern.
Die Annahme beS GrunbBetrageS ber Bente als Ausgangs*
punft für eine Beform in ber Bertheilung ber Bentenlaft hat un*
leugbar eine gemiffe Berechtigung. Der fefte Grunbbetrag oon
60 c Ai, welchem fein Aequioalent an Beiträgen gegenüberfteht, Be*
Iaftet bie Anftalten mit hohen Bentengiffera in unoerhältnißmäßig
höherem ffßaße als bie Anftalten mit niebrigen Bentengiffern. Boch
ungünftiger wirb baS Berßältniß Bei Anftalten mit oorwiegenb
niebrigen Soßnflaffen, alfo Bei ben Anftalten mit oorwiegenb Iänb*
liehen Diftriften. Gerabe biefe Anftalten ftnb es eben, gu beren
Gunften eine Aenberung in ber Bertheilung ber Bentenlaft für
nothwenbig erachtet wirb, ©irb man inbeffen auch ber BafiS für
bie Beform guftimmen fönnen, fo muß man boch biefe 3uftimmung
ber weiteren Ausführung oerfagen. Bach ber Booeffe ift gunächft
ber Grunbbetrag gang wefentlich erhöht; er Beträgt nicht mehr
gleichzeitig für alle Benten 60 <At, fonbern in
9ol)nMaffe I . . . 60 M.
II . . . 90 *
= III . . . 120 =
= IV . . . 150 =
= V . . . 180 -
AnberfeitS ftnb bie Steigerungsfähe ber Benten fefjr wefent*
lieh oeringert; fie Betragen in
Öolmflaffe I . . . 2 Sf (früficr 2 Sf)
• II ... 8 * ( * 6 - )
III ... 4 - ( * 9 * )
IV ... 5 - ( * 13 * )
V . . . 6 *
Da nun noch außerbem bie Altersrente Iebiglich aus bem
GrunbBetrage ber 3noaIibenrente Beftehen foE (abgefehen oon bem
BeicßSgufdhuß), mithin gang gur gemeinfchaftlidhen Saft gehört, fo
umfaßt bie gemeinfthaftlithe Saft nicht oiel weniger als
bie gefammte Bentenlaft. Die an fid) Berechtigte Grunblage
ber Beform ift bur<ß bie oeränberten Beftimmungen über bie
£>öße beS GrunbBetrageS unb ber SteigerungSfäfce oollftänbig oer*
fchoben.
Auch bie Annahme beS BermögenSftanbeS als BtaßftaB
für bie Bertheilung ift nicht annehmbar, weil nicht gerecht. 3n
bent gegenwärtigen BcrmögeitSftanbe fommen nicht Iebiglich eingelne
günftige Berhältniffe ber AnftaltSbiftrifte gutn AuSbrncf; hier haben
auch rationelle BerwaltungSgrunbfäfce einen nicht unwefentlicßen
Ginfluß auSgeüBt, wie eS umgefeßrt außer 3n>eifel ftefjt, baß g. B.
ber ungünftige BcrmögenSftanb ber Anftalt Dftpreußen nicht un*
oerfchulbet ift. Der überaus günftige BermögenSftanb einzelner
Anftalten Beruht natürlich gu einem großen Dheil auf ber nie*
brigen Bentengiffer. Die Bei biefen Anftalten oerficherten
Sßerfonen erhalten alfo Bei ©eitern nicht oon ber Anftalt
baS ihren Beiträgen entfprechenbe Aequioalent an Sei*
ftungen, währenb bie Anftalten mit hohen Bentengiffern
ihren Berficherten in oollem 9Baße biefeS Aequioalent
gewähren fönnen. Das Baturgcmäße ift, baß unter biefen Um*
ftänben bie erfteren Anftalten oerfueßen, ihren Berficherten auf
anberem ©ege, als burdf) BentenBewilligungen, wenigftcnS einiger*
maßen gerecht gu werben. Dicfer ©eg Bietet fich in fehr glücflicßer
©eife burth bieBtöglicßfeit bcrGewährung ber oorBeugenbenSfranfen*
fürforge, welcher ber inbuftrielle, inSbefonbere ber großftäbtifeße
Arbeiter in erhöhtem Btaße Bebarf. Diefen ©eg haben beim auch
faft alle biefe Anftalten cingefcßlagen. ©ollte man aber ben Be*
ftimmungen ber Booeffe folgen unb ben größten Dheil beS Ber*
mögcnS unb ber Ginnahme gur Decfung ber gemeinfcßaftlichen
Bentenlaft oerwenben, fo würbe baS oon ben Beteiligten Arbeit*
geBern unb Arbeitnehmern als eine fehr ungerechte 9BaßregeI
empfunben werben unb es ben Anftalten unmöglich machen,
in bem Umfange, wie eS burchauS nothmenbig unb
wünfdfjenswerth ift, bie örganifation ber £ranfenfür*
forge burchguführen.
Gincn gerechten Ausgleich auf ber oben gugeftanbenen Grunb*
läge wirb man nur auf folgenbe ©eife erreichen fönnen: Die Bis*
herige Beftimmung, wonach ber Grunbbetrag für alle 3 m>alibenrenten
gleichmäßig 60 <Ai Beträgt, Bleibt Beftehen;*) bie Bisherige Alters«
rente wirb in eine Qnoalibenrentc ber Siebzigjährigen umgewanbelt.
Diefer Grunbbetrag gilt als gemeinfchaftliche Saft, fo baß fich alfo
bie Bente gufammenfeßt
a) auS bem BeicßSgufcßuß oon 50 Jt,
b) auS einem feften Betrage oon 60 J(, welcher oon allen
BerficherungSanftalten gemeinfchaftlich getragen wirb, unb
c) aus bem SteigerungSfaße, welchen jebe BtrficherungSanftalt
für fich trägt.
Als BlaßftaB für bie Bertheilung gilt bie 3&hl ber in beut
Begirfe jeber BerficherungSanftalt oorhanbenen oerficßerungSpflicß*
tigen Sßerfonen, fo baß bie gemeinfchaftliche Saft gewiffermaßen
bireft auf ber Gefammtßeit ber Berficherten ruht. Diefe 3ohl wirb
alle fünf Sahre oom BunbeSrath auf Grunb ber BolfSgählung
feftgefeßt. Dicfer BertheilungSmaßftaB hat noch ben Bortheil, ba|
jebe Anftalt Bemüht fein wirb, alle Berfid^erungSpflichtigen gur Ber*
ficßerung h^angugiehen, ba jeber BerßcherungSpflichtige ißten An*
theil an ber gemeinfcfjaftlic^en Saft oergrößert. Bach einer Be*
rechnung, welche ich am ftatiftifeßen Bureau ber Berfid^erungSanftalt
Berlin habe auffteHen Iaffen, würbe bie ©irfung biefer SBaßregel
für bie Sah** 1891/95 folgenbe fein:**)
*) £ie feBr wiinfchcnSwerthe Grhöhung ber Beuten wirb Bcfier
burcf) eine Grhöhung ber ©teigerungsfäfee erreicht, wie bieS auch
ber Gutwurf gur erften Booclle Beftiinmte.
**) Bei ber Berechnung ift als STOaßftaB für bie Bertheilung, Mangels
anberer Beftimmter Unterlagen, bie ^ahl ber oerfauffen Bcitragsmarfeit
angenommen worben.
85
Sogialc BrogiS. Eentralblatt für Sogialpolitif. Sir. 4.
86
Unter ^ugrunbelrgung etneS ®runt*
betrcißcö oon 60 M. foiool)! ffic filterS*
mitcn rote gnooltbenrenten mürben bic
SRentenbelafiungen ber ncbenftc^enbcn
«nftoltcn für bte Sa^te 1891 bi£ I89n
fl<h ocrtfjeücn:
d) fclfferenj
trotföen ben
Selafiungen
in b unb c
für 1891 bit
1895 iufam*
mengered)net
(-) roe*]|
ntger r
(+)mef)t Jl
(3 n Xaufenb
Warf.)
e) Bet*
mbgentlage
ber Betfidje*
rung«*
an Halten am
l. ganuar
1896
(+ Ueber*
fd)ufs
—Sefilbetrag)
nach ber
£entfdjrtft
iur erften
ftooelte.
(gnXaufenb
Warf)
a) Saften in
Solgceteige’
rung burc^
Warten.
(Hbgenmbet
tu Zaufenb
Wart.)
b) Saften tn
ftolge ber
@nmb*
betraget.
(«bgerunbet
in Zaufenb
Wart.)
c) «ert$el*
lung ber
Saften bet
@rmtb<
betraget im
Otrfyältnifi tu
ben oer»
tauften Sei-
tragtmarten
lebet ftnftalt
für bie gafjre
1891 bl« 1895
lufamnten be®
redpiet. (9iad)
bem 2)urtb-
fdjnitt von
1891 blt 1895
abgerunbet
in Xaufenb
Wart)
1. DfKpreugett .
213
5456
3366
3 090
- 5302
2. Söeftpreugeii.
348
2 329
1 675
—
654
4 1 345
3. Berlin. . .
537
834
2918
4-
2084
4-20001
4. Branbenburg
1 112
5 108
8 908
—
1200
4- 8 228
5. B ommern .
559
2 332
2 084
—
298
4- 8 903
6. Bofen . . .
315
2 991
2 087
—
904
4- 1622
7. Scglcfieit . .
689
8 142
6 647
—.
1 495
4- 10 745
8. 3ad)fen®8ln®
halt . . .
1 163
3 976
3 981
4-
5
4-12 196
9. Schleswig®
ßolftein . .
981
2 563
1 761
—
802
4- 3 602
10 . $annooer .
1 066
3 847
3 104
—
748
4 - 6 260
11 . Scftfalen. .
825
2 585
2 965
4-
380
+ 11 560
12 . $cffcu*9taffau
467
1487
2 074
587
4- 8 695
13. Stgeraprontitg
2069
4906
6022
4-
1116
4 25733
14. £}berbai)cm .
377
1 421
1449
4-
28
4- 4 196
15. Sticberbatjeru
179
1 228
605
—
623
— 554
16. Bfalj • • •
181
718
731
4-
13
4- 2 442
17. Dbcrpfnlg .
118
719
479
—
240
4- 277
18. C'bcrfranfcn .
66
717
519
—
198-
4- 648
19. Btittdfranfen
130
591
911
4-
320
4- 3 963
20 . lluterfranfen.
72
560
472
—
88
4 864
21. Schwaben .
167
672
718
4
46
4 2 143
22. ^gr. Sachten
830
3225
5963
4-
2738
-f- 29231
23. Württemberg
399
1637
2 200
4-
563
4- 8 392
24. Baben . . .
407
1 491
2 080
4
589
4- 8 845
25. Eronb. ©offen
272
1009
1249
4-
240
4- 4 595
26. BeccHenburg .
434
1 465
l 183
—
282
4- 1 866
27. 2g bringen .
300
1 296
1 788
4
492
4- 6 484
28. Dlbeuburg .
53
252
312
4-
60
4 - 1410
29. Braunfcgwetg
181
498
711
4
218
4- 2 757
30. ©anfeftäbte .
381
561
1814
+
1253
4-13002
31. Elfag®2otg®
ringen . . .
786
1 863
1 748
4-
115
4- 5 939
15 672
66 474
66 474
$us bcr Tabelle ift gu entnehmen, bag bie SBirfuug ber S)tag®
nähme bie erwünfegte ift: $)ie gegenwärtig notgleibenbcn
Slnfialteu, inSbefonbere Dftpreugen unb SHeberbagern,
werben entlaftet, wägrenb bie finangiell am beften ge*
ftellten Slnftalten, inSbefonbere Berlin, Sfgeinproüing,
Königreich 6acgfen unb $anfeftäbte eine nicht unwefent®
Vxfyt Betaftung erfahren. Dftpreugen mürbe in ben erften
5 fahren eine Entlaftung uon 3 SMionen erfahren gaben, fo bag
ber Fehlbetrag non 5 auf 2 SJUflionen ^erabgefefet wäre, roährenb
bei Siieberbagem ber Fehlbetrag nollftänbig gebeeft ift unb fteg in
einen Uebetfcgug nermanbelt.
gjlit biefem Ausgleich foH man fi<h begnügen, er entfpriegt ber
©erechtigfeit unb Billigfeit. Sollte man aus ben beseitigen Ber®
hältniffen bei ben einzelnen BerfidjerungSanftalten enbgültige Schlüffe
für bic fünftige Entwicfelung giegen, fo märe bas oerfrügt unb
oerfehlt. F<h gäbe bie Uebergcugung, bag, trofe aller ftati®
ftifcf)cn Berechnungen, fich bie Bergältuiffe fcf)on in furger
3eit mefentlich änbern werben. Dftpreugen feufgt hauptfäcg®
lief) unter bcr Vaft ber 12 218 Altersrenten, melrijc im erften S«hre
beSBeftegenS beS ©efegeS beroiÜigt mürben, tiefer erfte unb ältefte
Stentenbeftanb roirb aller BorauSficgt nach in wenigen Fahren abge¬
wogen fein. @o finb benn auch in ben beiben legten Fahren 1480
unb 1540 Stenten in SBegfall gekommen unb bis Enbe 1897 finb non
bern gefammten Stentenbeftanbe non 23 675 nicht weniger als 9409
in SBegfall gefomnten, fo bag ber Beftanb nur noch 14 266 beträgt.
2>ie 3 a hl ber Altersrentenbewilligungen ift oon ber enormen 3 a hl
oon 12 218 im erften Fahre auf 2246 im gmeiten Fahre unb auf
986 im Fahre 1897 gefunden. Fa, ber gefammte Stenten®
beftaitb hat oon 1896 auf 1897 fegon einen Abgang oon
558 Stenten erfahren, roährenb bei Berlin ber Stenten®
beftanb immer noch im steigen begriffen ift. Stoch weit
bebentfamer finb bie Bergältuiffe bei ben Faoalibenrenten. And)
hier ift nämlich oon 1896 auf 1897 fchon ein St ü cf gang in ber
3ahl ber Stentenberoilligungcn (oon 4108 auf 4000) eingetreten,
roährenb g. B. in Berlin bie (Steigerung eine fegr erhebliche mar
(oon 868 auf 1360). SDtan fann aus biefeu Angaben er®
meffen, welche Berfcgiebungen in ben Stentenuerhältuiffen
ber beiben Anftalten uorauSfichtlicg im nächftert 2)egen®
niuin cintreten werben. Um fo mehr follte man eö oermeiben,
berartig tief eingreifenbe Beränberungeu, wie fie ber Entwurf oor®
fieht, fchon fegt bureggufitgren.
$>ie gier oorgefcglagene Aenberung in ber Bcrtheilurtg ber
Stentenlaft wirb groeifclloS mefentlich gur Entlaftung ber notg®
leibenben Anftalten beitragen. ÜJtan begnüge fi<h hiermit unb
warte bie weitere Gntmicflung ab, bic bureg bie in ber StooeHe
oorgefehene Drganifationsreform groeifelloS in ber günftigften Söeife
beeinflußt werben wirb.
Berlin. Dr. jur. Sticharb Freunb,
Boiftgcnber ber FnualtbitätS® unb Alters®
uerjtcgerungS-Anftalt Berlin.
Ue|trebuugen ber CBewerbaerelne in dnglnnb.
^em Beobachter ber ©ewerfocreinSbewegung in Englanb tann
eS nicht entgehen, bag in ihr gegenwärtig gmei ®iitge alle Auf®
merffamfeit für fith in Anfprucg nehmen. Feber Bericht, jebes
Aftenftiicf, baS ein ©ewerfoerein oeröffentlidjt, jebe 3afammenfunft
geroerffdjaftlid) organifirter Arbeiter gehen in ber Erörterung ber
Fragen ber Berbünbung bcr ©croerfoereine unb ber pariamen®
tarifegeu Bcrtretung auf. $>aS fmb bie ©egenftänbe, bie ftch oon
felbft ber Betrachtung ber ©eroerfoereinSwclt aufgwingen unb bie
Behanblung ober Erlebigung in ber nagen 3ufanft ocrlangen. Fh rc
SBicgtigfeit mag ben BeVfucg rechtfertigen, igre Entfiegung gu er®
ftären unb igre mutgutaglicgen Ergebniffe abgufegägen.
Stegmen wir gunäcgft bie wichtigere Frage, bie ber Berbün®
buna ber ©emerfoereine, fo finben wir, bag gwar ber ©ebanfe
minbeftenS bis gum Fagre 1834 gurücfreicgt, bag aber neuere Er®
eigniffc erft ign wieber aftueß gemacht gaben. SJiitten in bem
gornigen Scgmerg, ben in ben Steigen ber ©ewerfoereinler bie
Stieberlagen ber Sßafcgincnbauer unb ber SBaHifer Bergleute in
igren legten Kämpfen gegen bie feftgefcgloffeuen Arbcitgeber®Drgani®
fationen geroorriefen, befürworteten einige Freifcgärler ber Be®
wegung gefegäftig bie Bereinigung aller ©emerfoereine beS VanbeS
in ein eingiges grogeS BkrEgeug beS Kampfes. Berfcgiebene Bläue
gur Erreichung biefeS 3telcö würben entworfen unb oerbreitet, unb
bie Fbee geigte fieg in foldietn Steige, gerabe in einer 3eit äugerfter
Stiebergefdjlagengeit, bag fie bie groge SJtaffe ber ©ewerfoereinler
förmlich beganberte. ®ie Folge war, bag ber legte ©ewcrfoereinS®
Kongreg in Briftol fug auf baS giemlidb nebelhafte Briitgip oer®
pflicgtetc unb einen Sonberfongreg für Anfang näcgften FagrcS
mit ber Aufgabe betraute, einen Blart für folcgen ©ewerfoereins®
bunb gu erwägen unb gu befdgiegen.
Slber bie praftifcgeit Sd)wierigfciten auf bem Bkge gu biefem
3iel fittb gu grog unb gu Har oon ben oerantmortltdjeu Seitcrn
ber ©ewerfoercinSbeweguug erfaunt, als bag ber Moitgrcg irgenb
einem Borfd)lag guaeftimmt hätte. *3)ie weit auscinanberliegenbeit
Fntereffen unb SJtetgoben ber oerfdjicbcncn ©cwerfoereiuc, bie Hu®
möcjlidjfeit, bie gnangiclle BafiS eines berartigen Buitbeö in einer
Söeife gu orbnen, bie guglcid) ben godigelögnten Bauntwollfpiuncrn
unb Äteffelmad)eru annehmbar unb für bie fd)lcd)tbegaglten uuge®
lernten Arbeiter fein .^inbernig wäre, bie llnthuuliihfcit, in einem
Eentralbureau 3 e ^ unb llmftänbe feftgufeOeu, wann unb wie jeber
©ewerfoereiu eine Berbefferung feiner Vage anftrebeu fall all
87
Sogtale Prajis. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Rr. 4.
88
bic^ ift befannt unb wirb zweifellos näWfteS Sah* auf bem $oit*
grefe mit ber ganzen Autontät oorgebraWt werben, bic bcn Sers
trauenSmänuern ber ©cwerfoereine gur 0eite fteht. ®iefc hoW s
fliegenbcn ©ebanfen allgemeiner Arbeitsarmeen fmb fWon feit langer
3eit oon ben ©ewerfuereinSbeamten aufgegeben unb ebenfo non
bcn ernfteren Rtitgliebern.
©ährenb fo bie 3&ee eines gewaltigen StampfbunbeS trop
i^rer Popularität bei ben Waffen fWwerlid) irgenbtoelWe erhebliche
fyortfWrittc gur BerwirfliWung machen mirb, fann anbererfeits fein
3ioeifcl bariiber beftetjen, bafe bic gorberung eines 3 u fawtnen*
fWIuffeS in irgenb einer gorm auf einem bringenben Bebürfnife
ber ©emerfocreittSbcmegung beruht. £>err unb grau 0ibnep ©ebb
haben in ihrem Suche „Industrial Democracy“*) gegeigt, raeldjen
Erfolg bie Bereinigung ber Drganifationen im Tejtilgemerbe unb
im Bergbau gehabt hat- Seber grofee Arbeitsfampf bemeift bie
Rothmenbigfeit einer ÄörperfWaft, bie über bie 3ntereffen berjenigen
Tpcile ber ArbeiterfWaft macht, bie nicht bireft in ben $ampf oer*
roicfelt, aber oon feinen RaWtheileti betroffen finb. 3 u & em ift es
flar, bafe gmar bie Art unb ©eife eines ©ewerbebetriebeS jebeS
eingelue, in ihm oertretenc ©ewerf nöt^igen fann, einen befonbercn
Bcrufsoerein gu erhalten, um feine eigenen Qntereffen gu bcforgeit,
bafe aber glcid)geitig hoch ein beträchtlicher Refi oon Qntereffen
bleibt, bie allen in ber Snbuftrie befWäjtigten Arbeitern aemeinfam
ftnb. 0o forbern unb erhalten g. 33. tu ber Tejtilinbuftrie bie
hodjbegahlten, trefflich gcfchulteit 0pinner eine Drganifation, bie
oöllig oon ben färglid) gelöhnten unb faftifW ungelernten $ar*
bätfd)en*Arbeitern getrennt ift. Tropbem arbeiten fte alle, fo oer*
fdjieben Lohn unb ©efchidlich^it fein mögen, hoch in einer
gabrif; ihr Arbeitsheim, ©efunbheit unb Sicherheit ihrer ArbeitS*
ftätten unb manche anberen ArbeitSbebingungen finb gleich für alle
unb oon berfeiben Bereinbarung mit ben Unternehmern ober bem*
felbett ©efep geregelt. Um biefe ArbeitSbebingungen gu erhalten
unb gu oerbeffern, bie für alle 0eftionen eines ©emerbes gleich
finb, mirb eine Bereinigung aller ©ewerfe ber Snbuftrie nöthtg.
Tiefe ©runbforberung erflärt baS ©ad)3thum ber gegen*
märtigen Bewegung nach bem 3**1 einer göberarton. Augeitblicf*
lieh hat groar bic Strömung ft<h oon bem ©ebanfen eines unge¬
heuren BunbeS aller Arbeiter führen laffen, bie ohne ilnterfdjteb
fich bie f>anb reichen, um ben Unternehmern gu tropen. Aber biefe
ausfehmeifenben gbeen roerben halb oergehen, unb ich hin über*
geugt, bah auf bem näWften ilongrefe bie Erörterung biefer grage
nicht in ber Annahme irgenb eines 0chema oon einem Unioerfal*
bunb enben mirb, fonbern in ber görberung ber Errichtung oon
©cmerfoercinSoerbänben nach Snbuftrien. Tiefe Drganifationen
mit ihren Erfolgen für bie Berbcfferung ber Arbeitsregelung unb
für bie Erhaltung beS griebenS in ber Snbuftrie finb Aufgaben,
bie roohl beS EhrgeigeS gewerfoereinliWer 0taatsmannfchaft
roürbig finb.
Tafe gute Ergebniffe fWliefeliW aus ber anberen, gur 3^it in
bie ErfWeinuug treteuben Entwicfelung ber ©emerfoereinSthätigfeit
entfpringen werben, bas ift nicht fo leicht mit 3noerfiWt «gu fagen.
Ursprünglich ift bie Bewegung oon ber Aftion einer tljatfräftigen
Abtheilung ber fogiatiftifd)en Partei in Englanb auSgcgangen, bie
unaufhörlich, gu 3eit unb Ungeit, bie Rothwenbigfeit oon Arbeiter*
abgeorbneten im Parlament geprebigt hat. Aber fie hat eine gang
unerwartete ©enoung genommen. ©aS jene 0ogialiften beab*
fidjtigten, mar ungmeifelhaft, bafe fie felbft bcn Sfanbibateit auf*
jtellen unb ben 0ip erobern wollten, währenb bie ©emerfoereinler
fich bamit begnügen füllten, bieS Borgehen mit ihren 0timmen
unb Beiträgen gu unterftüpen. Tiefer recht naioc Borfdjlag finbet
natürlich wenig Anflang. Auftattbeffen fehen wir, wie bie grofeen
Serciuc allmählich gu bem Entfdjlufe fomrnen, fid) felbft eine Ber*
tretnng im Parlament gu fiebern unb einen ihrer Beamten als
itanbibateu aufguftelleu. 0eit langer 3eit finb bie Bergleute fo im
Unterhaufe oertreten, unb oor ein paar Qahren hat fid) ber grofee
Ratiotialocrein ber SWupmaWer gu einem ähitlidjen 0chritt ent*
fchloffeu. Bor fturgem ift ber Q'ahresfongreh beS Bereinigten
EifenbahueroerbaitbeS gu gleichem Eutfd)lufe gelangt (oergl. „Soziale
praris" 3a£)*g- VIII 0p. 44) unb bie Angelegenheit wirb etfrig
oon anberen Bereinen erörtert.
©aS wirb bei biefer unerwarteten ©enbung ber Tinge heraus*
fommeu? Sermuthlid) feljr wenig. ES ift Ieid)t getfean, bafe ein
Aatl) ober eine Telegirtenoerfammlung beS ©emerfoereinS be*
fd)lieht, biefer ober jener Beamte foH parlamentsmitglieb werben,
I Tcutfd) unter bem Titcl .Theorie unb pran-ö ber eiupifdieu
(sUMUcrfuereine", iiberfebt oon (5. \Migo, im Berlage uon o- V- ©. Ttet>
Badif., Stuttgart, erfiljicnen.
unb bie Btittel bagu bewilligt. 3lber es ift gang was AitbereS,
einen ©ahlfrciS gu finben, ber ©iUenS ift, ben Stanbibaten angu*
nehmen unb gu wählen. ÜDHt Ausnahme einiger Bergbau* unb
Tejtilbiftrifte unb oielleicht noch eines ober gweier Begirfc, wo eine
3nbuftrie ftar! lofalifirt ift, giebt es feine ©ahlfreife, in benen
irgenb eine 3nbuftric bie Mehrheit aller ©ähler befifct. ©ährenb
g. B. bie Eifenbahner einen gut organifirten naäonalen Berein mit
mehr als 70 000 üDtitgliebern haben, ift eS feljr gmeifelhaft, ob
auch nur fooiel wie 1000 oon ihnen in einer 0tabt anher Conbon
wohnen; oermuthlich finb noch feine 500 in irgenb einem ©ahl*
freis anfäffig. 0o ift nirgenbS ein „fixerer 0ip" für ben Ber*
einSfefretär, noch fann er pch c ' n Bfanbat einfad) nur als Eifen*
bahncr oerfchaffen. Er muß alfo einen ©ahlfreis fuchen, beffen
©ähler allen möglichen Berufen angehören, unb er taufe biefe
übergeugen, bafe er ihre Sntereffen ntinbeftcnS ebenfogut fennt als
bie ber Eifenbahner unb aufeerbent noch beftimmte Anfichten über
bie oerfchiebenften Stagen oon allgemeiner Bebeutung befipt. 0o*
halb er bieS aber thut, ift er nicht länger ber 0pegialoertreter ber
Eifenbahner, unb eS liegt fein erfichtlicher ©runb oor, warum biefe
für feine ©a()l Beiträge gahlen füllen, unb noch weniger ift ©runb
oorhanben, warum er über anbere Hanbibaten fiegen füllte, bereu
Aufwallungen in allen anberen Tingen als Eifeitbahnfragen mehr
in llebereinftimmung mit ber Steifheit ber ©ähler ftefeen. 0o
grofe fmb biefe 0«chwierigfeiten, bafe ber ©eneralfefrctär beS 0<hah s
tnad)eroereins, einer ber fäf)igften ©ewerfoereiusführer, jüngft bie
Aufforberung feiner ©efellfch'aft, gu fanbibiren, ablehnen rnufete,
weil er fah, bafe eS für ifen unmöglich war, in einem ©ahlfreife
mit irgenb welchen AuSftchten auf Erfolg aufgutreteu.
$nrg, biefer 0trömung im ©emerfuereinSwefen ift gegenwärtig
fein ©elingen befdjieben. Tie erfte Bebingung für Parlaments*
oertretung in Englanb ift baS Borhaubenfein einer ftarfeu totalen
Drganifation im ©ahlfreife. Tiefe befipt bie ©ewerfoereinS*
bewegung nirgenbS, unb eS ift barutit oergeblich, ^anbibaten aus*
guwahlen unb ©elb für ihre Ausgaben gu bewilligen, währenb fie
ihre ©ahl nur baburch erreichen föitnen, bafe fie baS Enbgiel auf*
geben, für baS fie auSerfehen waren.
0o ift oon ben beiben 0trömungen, bie gegenwärtig bie
©ewerfoereinSwelt befeerrfchen, bie auf Söberation gerichtete guglcid)
bie h ü ff lu ntgSooQfte unb nitplichfte Dichtung beS SortfchrcitenS.
©enu bie fd)wärmerifchen Theorien unb Qbeen oon 1834 auf*
gegeben finb, wie bas bei ber Prüfung burch bie fühlereit Möpfe
in ber Bewegung halb ber jall fein wirb, fo biirfen wir erwarten,
bafe bie jept auf jene Pläne oerfWwenbete Energie fid) ber Er*
rieptung begrettgter Berbänbe in all ben grofeen Snbuftrien
wibmet. ©eit baoon entfernt, eine ©efapr für bic Unternehmer
ober baS ©emeiitwefen gu bitben, forgen biefe Berbänbe für bie
BerooHftänbigung beS S'tiiftgeugeS, baS auf gütlichem ©ege ArbeitS*
ftreitigfeiten behaitbelt unb beilegt. Anbererfeits ift bie gange Bor*
ftellung parlamentarifcher Bertretung, wie fie gegenwärtig bie ©e*
werfoereine befepäftigt, falfd) unb hoffnungslos. Natürlich fann
hier unb ba ein eingelner ©cwerfoereinSmann einen ©aplfip er*
langen, itibem er fid) gu ben Anfchauitugen einer ber beftehenben
Parteien befennt. Aber es wirb noW für lange 3ah*e feine ©ewerf*
oercinS* ober Arbeitspartei im Unterhaufe geben — Tanf jener
BercinSfreiheit, bie ben Arbeitern geftattet, ihre Kräfte ber Serooli*
ftäubigung ihrer Drganifation, ber Berbefferung ihrer ArbeitS*
bebiugung unb ber §ebung ihrer Lebenslage gu toibmen.
Lonbon. 5. ©. ©alton.
Allgemeine Soital- nnb SBiet^djaftspolitih.
Suternationaler 0ogialftatiftifWer Tienft*
AuS ©ien wirb uns gefWrieben: „3m öftetreiWifWen Ab*
georbnetenhaufe hol Dr. Lecper, Abgeorbneter ber Sobnftrieftabt
Brünn, ben Antrag geftcHt, bic öfterreiWifW e Regierung fei aufgu*
forbern, fiW mit ben Regierungen ber intereffirten 0taaten, gunäWft
mit ber fWweigerifWen BunbeSregieritng in baS Einoer*
nehmen gu fepen, um ein internationales fogialftatiftifd)cS Amt ins
Leben gu rufen. Tie meiften Beftrebnngen gur AuSgeftaltung beS
ArbeitSfWupeS fänbeu, fo wirb in ber Begrüitbung beS Antrages
gefagt, ihre ©renge an ber Slonfurrengfähigfeit ber 3»buftrie
gegenüber bem AuSlanbe. Tie fogiale ©efepgebung auf bem ©e*
biete ber Subuftric utnife baber ftets bie internationalen Berhält*
niffc im Auge behalten. Tie Erfeuutuife ber fogialeit Bcrhältniffe
uub ©efepgebung beS AuSlanbcs bilbe bespalb eine ber widjtigften
Duelleu nuferer eigenen fogialcn ©efepgebung. 3» anberen Staaten,
89
Sogtöle $ra£t*. Eentralblatt für Sogialpolitif. Ar. 4.
90
namentlich in bcr Schmeig, feien benn and) Begebungen giir
Schaffung eilten internationalen fogialftatiftifdjen Amtes henmr*
getreten, beffen Aufgabe in ber Sammlung unb Vermerihung
fogiplpolitifd)er Gefepe unb Gefepentmürfe aller Sänber, ber Aus*
funftSertheilung an Regierungen unb SßarlamentSauSfchüffe in Sin*
gelegenhciten beS ArbeiterfdjnpeS, in ber Verfaffung oergleichen*
ber fogialftatiftifchen 33ericf>te unb ber Vorbereitung oon Stongreffen
für Arbeiterfchup unb Arbeiteroerficfjerung, foioie allen jenen Vtop*
nahmen hefteten fotten, welche eoentuett ber Anbahnung einer auf
Grunb oon StaatSoerträgen gu begrünbenben internationalen Sfr*
beiterfcpupgefepgebung bienen fotten. $)ie Errichtung eines folgen
Amtes fei eine hodpidjtige internationale Shilturaufgabe, beffen
Vermirflichung überbies nur geringe Soften oerurfacpen mürbe."
©ir erinnern baran, bag ähnlidje Anregungen, bie ibrerfeits
mieber in bem internationalen Arbciterfdjupfongreh gu Berlin 1890
murgein, auf bem $ongrefc in 3örid^, (inbe Auguft 1897, unb auf
bem Sfongrep in Briiffel, Anfang Oftober 1897, beifällig auf*
genommen roorben finb. 3m 9Rai 1898 (oergl. „Soziale ^rayiS"
3a^rg. VII 6p. 888) gab ArbeitSminifter RpffenS in ber belgifcften
Abgeorbnetenfammer bie Erflärung ab, Belgien habe in Solge beS
Britffeler ÄongreffeS befc^Ioffen, allein unb auf eigene Soften eine
oergleichenbe Sammlung ber Gefepe, Verorbnungen unb AuS*
führungsbeftimmungen über ArbeitSgefepgebung in ben oerfcfjiebenen
Säubern gu oeranftalten unb gu oeröffentlidjen. Es mürbe babei
in Au$fid)t gefteHt, bap ber erfte Banb biefer 6ammlung noch oor
Gnbe biefeS Saftes erfdfjeinen merbe. 6elbft menn bieS Unter*
nehmen gur Ausführung gelangt, mürbe bamit ber oiel meiter*
gepeiibe, umfaffenbe $lan, ber in bem Antrag Setter mieber auf
bie SageSorbnuttg gefegt mirb, nicht hinfällig.
m , ©efdfetb beS preupifdjen GifcnbatjmmtufterS att ben Verein
für Sogialpolitif. ©ie früher mitget^eilt, hatte ber Verein für
Sogialpolitif bie Vfitmirfung ber Eijenbahnbehörben bei ber oon
ihm befd&loffenen Erhebung über bie ArbeitS*, Sohn* unb SebenS*
oerhältniffe ber Eifenbahn*Unterbeamten unb Arbeiter erbeten. 3«
De ft erreich ift ein guftimmenber Vefcheib gegeben morben, in
^ßreupen bagegen hat ber Viinifter, mie mir in Ar. 1 ber „Sogialen
$ra;ri$" oorauSfagten, baS Erfuchen abgelchnt, ba er „grunbfäplich
auper Stanbe" fei, folgen Anträgen gu entfpredjen. Aa<h bcr
„Leitung beS Vereins beutfdfjer Ei|enbahn*Verroaltungen" fott ein
fachlitheS Bebürfnip gu foldjen Erhebungen für ben preupifdfjen
Staatsbapnbereid) umfomeniaer anerfannt merben, als bie Ver*
maltung in ben Etats foroohl mie auch namentlich in ben Berichten
über bte Ergebniffe beS Betriebes alljährlich ein ausführliches
Material über bie AnfteHungS* unb EinfommenSoerhältniffe ihrer
Bebienfteten, über bie Sfrenft* unb Aupegeiten, bie beftehenben ©opI*
faprtSeinrichtnngen jc. befannt gebe. AuS Eifenbapnfreifen mirb
uns bagu gefdjrieben: „$>iefe Auffaffuttg ift iufofern irrig, als baS
ermähnte. Material bie betreffenben Angaben befanntlidh gang fum*
marifch enthält unb im Eingelnett nach feiner Dichtung hin bie
für bie llnterfucpungen beS Vereins für Sogialpolitif erforberlicpen
Unterlagen liefert. 3)ie Weigerung beS preupifepen ©inifterS, igre
Befcpaffung auf anberem ©ege gu ermöglichen, ift um fo bebauer*
lieber, als eS banach leicht ben Anfcpein geminnen fann, bie
preupifepe Staatsbapnoermaltung habe, im Gegenfap gur öfter*
reiepifepen, eine eingepenbe .^larfteüung ber Sage ihrer Bebienfteten
xu ftpeuen, mäprenb bo<h nach nuferer Äenntnip ber $)inge eher
baS Gegentpeil gutrifft." — Auper fi<h oor Qrcube über baS Aein
beS EifenbapnminifterS finb bie „Bert. Aeueften Aacpr.": ES fei
hoch an ber 3 e ih „bap enblich einmal ber fortgefegten), gum Vrin*
heften oöllig überflüffigen, in ber Hauptfa<pe aber in popem Grabe
nachtheiligen Eimnifcputig unberufener ißrioatfreife in bie Arbeiter*
oerpältnifje ein entfdjiebeneS Halt gugerufen morben ift." 2)aS ift
gang ber Stanbpunft bornirter BureaumeiSheit, mie fie oor 25 unb
30 3ah*en ber preufeifche §anbclSminifter ©raf Shenplig bem auf
6ogialreformen bringenben Surften Bismarcf entgegenhielt (ogl.
6og. $ra|is 3ahrg ; VII 0p. 1299). — UebrigenS hat, mie mir hören,
ber Eifenbahnminifter feine 3IUtmir!ung für bie gleichfalls oom
Verein für Sogialpolitif befchloffene Untcrfuchung über bie Ver*
hältniffe ber VLOfferftrafeen gu gejagt.
$>te (giwfithruug ber progreffioen Einfommenfteuer in
reich mirb bemnächft baS Parlament ernfthaft befdjäftigen. S>er
oom Sinangminifter ^eptral ausgearbeitete SHegierungSentmurf hat
fürglich bie Eienehmigung beS RtinifterrathS gefunben unb fott
beim Beginn ber parlamentarifchen Seffion fofort in ber $cpu*
tirtenfammer eingebracht merben. Er erfcheint als ein red)t oer*
gmeifelteS tompromigprobuft. Befanutlidj hatten bie s Jiabifaleu
bisher ftets baS ^5rojeft einer bireft auf baS Einfommen bafirten
progreffioen Steuer propagirt, bie Öfrage beS 3)eflarationSgmangeS
mehr ober meniaer offen laffenb. ^>ie ©emähigten bagegen oer*
ftanben fief? im heften Satte gu einer auf bie äußeren Angehen
ber inbioibuetten EinfommenSoerhältniffe gegriinbeten Steuerform,
bie momöglich begreffio fein füllte. An biefer priitgipietten 3)fei*
nungSoerfchiebenheit mar bisher auch jebes Reformprojeft ge*
fdheitert. S)cr Entrourf s #et)tral fucht eine Sann gu finben,
melchc beibe Parteien befriebigt. 9Fa<h ihm mirb bie eine Steuer
eine OuantUätsfteuer fein, bemeffen nach ber SBohnungSmiethe als
©runblage, aber erhöht nach griffen anbern signes exterieurs mie
1. 3)ienftboten, 2. Söagen, 3. ^ferben, 4. Automotormagen,
5. pachten, 6. SuyuShnnben. 3« öer Abfchäpung beS ©ohnuitgS*
miethmertheS ift ber Eharafter ber SBohnung als SufuSroohnung
zc. gu berücffichtigen. ^)er Steuerfufe, fürs erfte 3ah* auf 2, 5 0 / 0
beS fo falfuiirten EinfommenS feftgefept, fott attjährlich burch baS
Sinanggefep beftimmt merben. Sö r bie Berechnung beS Einforn*
menS nach bem SBohnungSmtethmcrthc tfjeilt Sßcptrat bie ©emeinben
in fechs klaffen mit nach ihrer Einmohnergahl mechfelnbem Eoef*
figienten. 3n jeher ©emeinbe Rnb mieberum fünf klaffen oon ©oh*
nungen mit entfprechenb oariirenbem Eoeffigienten angunehmeu.
Sür ^aris g. B. finb biefe Eoöffigienten 4, 4, 5 , 5, 8 unb 10. SDer
leptere bilbet baS ©ayimurn. ®ie auf biefe ©eife berechneten
Einfommen merben nun um fonftante Beträge erhöht je nad) bcr
3ahl ber 5)ienftboten, ©agen, ^ferbe 2 C. Einfommen bis gu 2000
SrancS. bleiben fteuerfrei. Auch oon größeren Einfommen bleiben
bie erften 2000 SrcS. oon ber Steuer ausgenommen; bie nächsten
2000 SrcS. gahlen blofe bie Hälfte beS SteuerfapeS, ber alfo erft
bei Einfommen oon über 4000 S r ^- aatt in Anmenbuttg fommt.
Eine Erniebrigung beS Steuerbetrages mirb proportional ber
^inbergahl gemährt für alle Einfommen unter 20 000 SrcS.
Alterßpewfioweii für Arbeiter in Ettglanb* Auf bem fogial*
politifdt)en Programm beS ©inifterS Ehamberlain fteht bie Ein*
führuna einer AlterSoerforgung für Arbeiter unb anbere Angehörige
ber unbemittelten klaffen an erfter Stelle, ©ir haben feiner 3^t
mitgetheilt (Sog. VrayiS Sah^Q- Vil Sp. 1128), bafc ein oor gmei
3ahren eingefepteS, unter Sorb Sttofeberps Vorfip taaeitbeS Homite,
bem bie erften oorbereitenben Berathungen oon ber Regierung über*
tragen maren, einen Bericht über oerfdjiebene Vorfdjläge erstattet hat,
ber atterbingS nicht gerabe fehr hoffnungSoott flang. 9fo<h tiefer
hat jefet bie Hoffnungen eine Sftebe herabgebriieft, bie EhamberlainS
College im Mabinet, ber Schahfangier Sir Vf. Hicfs*Beadh, biefer
2^age gehalten hat. Er erflärte runb h^auS, er habe gar feine
Sympathie für ein Eefeh/ öaS 3eforntann in einem beftimmten
Alter (65 3ah re ) ^ßenfionen gemähre; eS gäbe fein Vfittel, groangS*
meife Beiträge gu erheben, für bie „Säulen unb Sieberlidjen" fei
baS Armengefeh ba unb mer eine StaatSpenfion haben motte, müffe
fie auch oerbienen. UebrigenS ftänben gmar bie Smangen oortreff*
lieh, aber bie Bebürfniffe beS Staates roüthfen ebenfalls. Dh ne
Erhöhung ber Steuern fei bas gange Sßrojeft unausführbar; eine
Steigerung ber inbireften Steuem merbe man nicht motten unb
eine Vermehrung ber bireften halte er nicht für gerecht. — &ie
9tebe erfährt in liberalen arbeiterfreunblichen Blättern eine fehr
fdjarfe ftritif als ein BemeiS bürftigfter, geiftlofer Auffaffung.
3ugleich mirb bie .Hoffnung auSgefpro^en, bah Ehamberlain, ber
Vertreter einer Fräftigen Sogialpolitif in ber Regierung, feinem
Bottegen bei nächfter Gelegenheit öffentlich entgegentreten merbe.
kommunale So|ialpolUik.
Heber fommnnale Sogialpolitif fprach auf bem praftifch*fogialcu
ÄurfuS beS „VolfSoereiuS für baS fatholifdje SJcutfchlanb" am
12. Dftober in Strafcburg i. E. treffeub unb anregeub Abgeorbneter
VechtSanmalt £. Srimborn (Jäöln). 2)ie Vfitarbeit ber Gemeinbe
an ber Sogialreform, fo führte er nach & cr »Äöln. VolfSgtg." aus,
heifee, fommunale Sogialpolitif treiben, ©ie ber Staat, fo tnüffen
bie Gemeinben, bie eingelnen Vereine unb ^erforten Sogialpolitif
treiben, ja bie Gemeinben feien in oiel hcroorrageuberem Vlafie be*
fähigt, Sogialpolitif gu treiben als ber Staat, ^er Gegenfah
gmifchen Ann unb Vetch trete in ben Grofcftäbten am fdjroffften
hcroor. ^)ie fommunalen Behörben hätten eine meit engere Ver»
binbung mit ber Beoölferung, als bie ftaatlid)en. 3n meitem Um*
fange habe bie Gemeinbe eine unmittelbare Siirforge für bie ari
beitenben klaffen gu treffen, ^ie Gemeinbe fei heute meift ber
größte Arbeitgeber; fie habe beShalb in erfter Beihe, menn fie auf
ber Höhe ber Sogialpolitif fteljeu mitt, für bas ©oljl ihrer eigenen
92
r 9i
Sogiale Vrajis. ©entrolblati für Sogialpolitif. Ar. 4.
Arbeiter gu forgcit. (Sin Dberbürgerntciftcr müfjc fic^ wie ein
Ojrofjinbuftriellcr fühlen. Die Stabt litüffc al# Arbeitgeber für
eine augemeffeiic Sühnung, für eine gwecfentfpred)enbe Lohngahlung,
für eine angentcffene Arbeitzeit folgen, bie Frage ber SBc^aubluitg
ber Arbeiter, oon Arbeitcr-An#fd)üifeH u. f. io. in Erwägung gtehen.
Dann müffe bie Stabt Viapitahmen gunt Sdjupe ihrer alt nnb in-
oalibe geworbenen Arbeiter treffen. (Gut eingerichtete Altert
oerforgungen ha& c n g- 33. Stuttgart, ©reiben, ©ffeii, Viaiug.
Solche ßiirforge erhalte ein tüdjtige#, arbeitsfrei!bigeö Verfonal.
And) bei ber Äongeffionirung unb Vergebung ftäbhfdjer Arbeiten
fönneu bie Vehörben gurn Sdjupe ber befchäftigten Arbeiter Vor-
forge treffen. So h a & c man in ben Verträgen ber Verfehr#-
anftalten in ben belgifdjcn unb frangöfifcheti Stabten allgemein,
in ben cnglifcfjen gum 2C^eit Klaufein über einen Vlinbcfilohn auf«*
genommen. (Sbenfo fönnen Klaufelu über bie Vehanblung, bie
Arbeitzeit anfgenonunen merbeit. (Sine erfolgreiche Sogialpolitif
fönnte oie Stabt au#übeu audj in ber Durchführung ber ftaatlichen
Arbcitcrfcf)npgefepgebung. Die Stäbte feien lji cr als Drt#poligei-
behörbe gur VJitwirfung berufen. Auf biefetn (Gebiete liegen bie
Verhältniffe nod) fehr im Argen. Die Stabt fön ne auch burch
SDrtSftatut bie An#gal)lung be# Lohne# an SJfinberjährige oerbieten.
An ber orbentlid) geregelten ArbeitSocrmittelung höbe bie Stabt
ein großes 3ntereffe. Der"Arbeit#narf)wci# müffe gemeinfam ge¬
tragen werben oon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern. Die (Gemeinbe
fönne ben neutralen Voben in geioiffem Umfange für ba# gemein-
fame Söirfeit fcfjciffen. (S# fei noch nicht lange tyx, ba meinten
noch Stabträthe, baf* eine ArbeitSlofigfeit bie Stabt nichts anginge.
(Sine Verpflichtung gur Ffürforge gegen Slrbeitslofigfeit werbe aber
heute nirgenb# mehr beftritten. Die Stabt fönne Äothftanb#arbeiten
einrichten. @# empfehle fid), einen Dheil ber Arbeiten, wie es
fchon oielfad) gesehen, in bie VöinterSgeit gu ocrlcgcn. (fine weitere
Vtafcuahme fei bie Verficherung gegen ArbeitSlofigfeit auf fom-
tnuitalem Voben. 3n Köln werbe ber erfte Verfud) in Deutfeh 3
lanb gemacht. Die grage bezüglich ber Erfolge fei noch nicht
fprudjreif, aber bie Stabt müffe fid) mit ihr befd)äftigen. Die
Stabt müffe bem fleinen 9D2ann eine unentgeltliche Ved)tsbelehrung
in öffentlichen fragen fchaffen. @# beftänben fchon gafjlrcidje, oom
VolfSuerein für ba# fatholifche Deutfchlanb gegrünbete VedjtS-
Bureau#, unb auch bie Sogialbemofraten hätten mehrfad) gu bem
3wecfe Arbeiter-Sefretariate eingerichtet.
Die Stabt müffe ferner fogialc Vücffid)ten nehmen in ber
(Gefuubheit#pflegc unb in ber Schulpolitif. Auch bie Armenpflege
müffe fid) oon fogialen Viicffidjten leiten taffen. Die Steuerpolitif
müffe bie Verhältniffe ber ärrnern Klaffen mehr berücffidjtigen.
3n arofeert Stöbt en [eien ftäbtifche ftatiftifche Aemter einguridjten,
welche bie Verhältniffe unterfinfjen unb flarftellen; Bisher beftehen
nur in einigen gwangig Stabten folche Aemter. Die fogialen Kom-
miffiotteit hätten eine große Vebeutung gur Vorbereitung fomrnu-
ualer, fogialpolitifdjer Vtaßnahmen; fie erfd)ienen bort geboten, wo
bie untern klaffen nicht in ben ftäbtifchcn Vehörben Vertretung
haben. Vei bem prcußifdjen Dreiflaffenwahlfpftem fei c# unmöglich,
ba& ein Arbeiter Stabtrath werbe. Stt Köln befteije bie §älfte ber
fogialen Kommiffioit aus? Arbeitern. Al» Echtes ,§ülf#mittel empfahl
^ebner bie Velehrung ber Vürgcrfdjaft über bie Aufgaben einer
ftäbtifdjen Kommunalpolitif. (S# müffe bie Anfid)t fchwinbeit, bah
bie Stabtbehörbc nur ein Verwaltungsorgan fei. Au# bem er-
ftrebten (Gemeinfinn ergebe fid) oon felbft eine gefunbe Sogial-
politif. Alle Schichten ber Veoölferung miiffen gur Vlitwirfung
herangegogcti werben.
Stübttffhe VJtöccllett. Für bie (Stnridjiung oon Fretbänfen hat
fid) grnnbfäplid) bas preiifnid)e£anbwirtl)fdiaftsmimfterium auSgcfprodicn
in einem Vcfdjcib au bie braubenbitrgifdie 2anbmirtt)fdiaftsfammiT. Ter
2aiibwirtlji5ijaftsmimfter erachtet bie möglidjftc Verbreitung biefer (Siit-
rid)tuug fornol)! im ^ntereffe ber Viefjgiidjtcr, bie baburd) oor gröberen
Verluften bei ber Vcrwcrthuug oon minberwertbigem Flrifrfj gefdmpt
werben, als? aurfj int 'Jntereffe ber weniger bemittelten Volfs?flaffeu,
benen baburd) (Gelegenheit gut* billigeren Vefdjajfuiig oon Flcifdmalmuig
geboten wirb, für wünfcbciiswerll) unb wirb bie hierauf gerichteten Ve=
ftrebungen möglichft imtcrftüpcn. — 3» Jpeilbronn tjt ben beiben
Affiftengärgtcn bes Kranfenljaufes bie Fimftion oon Brfnilcirgten über¬
tragen. Sie haben jebcit eiugclucu Sd)iiler uadj ber Aufnahme genau
gu ltutcrfudjeu unb namentlich ben Klaffenlehrer auf etwaige (Gebredjeu
unb bie baraus fid) ergebeube befoubere Vehaublnng aufmerffam gu
luadjeu. oebein Schüler wirb ein (GcfuuMjeitsfdjciu auc-geftcllt, ben er
[pater beim Klaffenwedjfel oorwetfen fanit. ^ie Sdmlärgtc haben
auperbem oon $eit gu ^eit bie Schulrciume gu befudjen, Anftäube ber
Lehrer entgegeugunehmeu unb tiebft ihren eigenen Veobadjtnngcu mit
bem Stabtargt unb £rts?fciuiliufpeftor gu befpredjen; fie haben ferner
uodi (')utad)ten abgugebeu über Kinber, bie oon cingelueu ^iidjeru befreit
fein wollen. —- lie Stabtoerorbueteu ber Stabt Kobleng befdiloffeu
am 2S. September eiuftimmig ben Vau einer ftcibtifchen Aefthnlle bto
gur .^öhe einer Vaufuntme üou 6UO(XH) Vi'arf. Ter bisherige Verein
„StäbtifdK Tycftfjatlc" totrb fid) auflöfen unb bie gefammelten freiwilligen
Vciträge iit £öhe oott ruub 2<X)OOo SDfnrf ber Stabt als Vaufoubs
itberrweifen. — Vrauttfdiweig wirb mit bctu Vau eines ftcibtifchen
ISleftrigitcitswerfeS gur Strahenbeleudituug unb Kraftabgabe für bas
Kleingewerbe beginnen. Die (Gefammtfoften ber Anlage einfdjlichlidj
bes ©runberwerbes ftnb auf l l /a ÜWfiflionen VJarf oeranfd)lagt worben,
^ugleid) fofl Vrannfdjweig mit J&elmftebt burch eine eleftrifdie Strahen-
bahn oerbunbett werben. - Verl iit will ben Verfud) mit einem 3ÄÜII-
oerbrennuugsofeu oom Sdjluh bes 3ohr^ ab erneuern. Die „V?üll-
oerbrennungS-Wefellfchaft", bie fid) gebilbet hot, oerhanbelt and) mit
oerfdiiebeuen anberen Stabten. — ^>n .fpalle würben oon ben ftcibtifchen
Vehörben 2000 M. gur Verfolgung armer Kinber ber ftäbtifdjen VolfS*
fchulen mit warmem ^rühftücf, befteheitb in Aoggeumehlfuppe unb einem
VJeifibrötdjeu, währeitb ber falten Vconate bes beoorftehenben Sinters
gur Verfügung geftellt. 3 11 ben Vorjahren finb gu biefem 3wed 2055,
1710 unb 2195 \u. aufgemenbet. Durd)fd)uitt würbe jcihrlid) 5298
Kiitbern biefc VJohlthot gu Dl)eil; bie ^rühftürfsportion foftete burch 5
fchnittlid) 3.56 3f ~ Die (Srridjtung bes ftäbtifchcn (SleftrigitätSwerfS
in Sliaiitg würbe ber ^iruta Schucfcrt <fe (?otnp. in Nürnberg gu beut
Vetragc oon runb 1 200 000 M . übertragen. — £stt St rag bürg i. (S.
gebenft bie (Gcmeinbcuerwaltung ein grofjes VolfSbab gu errichten. —
Der Vreslauer Vcagiftrat ftrebt eine Vefferung ber V?aifeuergiel)ung
burch bie fogenaunte „Saifenfoloniett" au, wie fie Dresben beftht.
Die ftäbtifdjen VJaifenfinber füllen gu guten Familien auf bem £anbe
in pflege gegeben werben unter Kontrole bes £rtsgeiftlid)eit unb Orts-
oorfteherS. Als Koftgclb ift nur ber geringe Vctrag oonSsVa Jf. jährlidj
ausgefept. — Die Kobienger Stabtoerorbueteu befdiloffeu eiuftimmig
ben Vau einer ftäbtifdjen Jvefthalle mit einem Koftenaufwanbc bis gu
2000 J4. — Da ber £iibecfer Senat bie (Srbauung einer ftaatlidjeu
Schwimntanflalt ablehnte, fudjeu jept einflugreidjc Viirger aus ^rioat-
mittein bte Schwimmhallen gu errichten. — gu Vcrit fcfjwebten Ver-
hanbluugen über bie Verftaatlidjnng ber Dramwat). Am 8. Oftober
leljuten bie Aftionäre ben Kaufoertrcig mit geringer Mehrheit ab. —
3n ^ranffurt a. 3Ä. befdiloffeu bie Stabtoerorbueteu bas bisher ocr-
pachtete öleftricitätSwerf oom 1. April 1899 ab in eigene Verwaltung gu
übernehmen.
9o}ia!e Juftönbr.
Erhebung über bie Sonntagsruhe in Vätfereien Oefterrci^.
Das öfterreid)ifche ^anbelSminifterium hat unterm 14. 3uni 1898
eine Erhebung über eine coeiitueHe Abänbernng ber SonntaaS-
unb (vrfabruhetagSbeftiminungeii im Väcfergcmerbe oeraitlafet. Die
Aufforberung, ein (Gutadjteit abgugeben, ift auch an bie organifirten
Väcfereigehülfcti s J2iebcröfterreid)S ergangen unb biefe {teilen in einer
eingehenb begrünbeten Aeußcrung folgenbe Sorberungen auf:
(Sinen oollen Auhetag in ber V$od;e, alfo eine fedjstägige Arbeits-
wodje, fei es im VJege ber Sonntags- ober Örfaprulje.
Vefeitigung ber bie ooÖe Durdiführung bes Auljetages ocr-
hittbernben gweimal fed)S Stunben ISrfafjruhe.
Schaffung eines ÜRayimalarbeitstages oon gehn Stunben' incl. gwei
Stunben $aufc für CGehülfcn unb Lehrlinge.
Vcränberuugeu in £dh*tn unb Arbeitzeiten währenb bc§
September# in <$ng(anb. Von 364 900 Arbeitern finb im Sep¬
tember fiohnoerätiberungen an ba# Arbeitsamt berichtet worben;
baoon erhielten 364 700 eine Aufbefferung unb nur 200 eine Ver¬
minderung ihrer ßöhne. Da# Äcincrgcbnifj war eine Lohn¬
erhöhung oon 7 V e nce für Kopf unb Vgodje ber betreffenben Ar¬
beiter. T^ang befonber# war bie Vergwerfeinbuftric beteiligt (mit
346 917 Arbeitern), ferner 3J2afdhinenbau unb Üifeniubuftric. Aur
bei 900 Arbeitern ging ber Lohnerhöhung eine Arbeitseinteilung
oorljer, für 1200 Arbeiter würbe fie burch Vermittelung be#
(rinignngsamte# ergielt. Vei ber ungeheuren Vichrgaljl erfolgte bie
Lohnaufbefferuug burd) birefte Verhanblungeu ber Unternehmer
unb Arbeiter; wir h a l ien bie hierher gehörige Vereinbarung ber
englifdjcu Vergwcrfsbefiper mit ihren Arbeitern in Ar. 1 ber „So-
gialen Vragi#" be# Aätjeren mitgetheilt. — (Sine Vermiuberung
ber Arbeitsgeit, unb gwar um burdjfchuittlidj eine Stitnbe wödjent-
lich, eireidjten ohne Streif 4370 Arbeiter, hauptfädjlid) im Vau*
gewerbe in Vriftol, bereu ArbeitSgeit jept 51 Stunben in ber
VSodje beträgt.
®ine Unterfmhung über bie (noerbsthätigen Sihulfinbcr in
($nglanb hat ba# Hnterrid)t#miuifterium auf Anregung be# Au#-
fdjuffe# für Frauenarbeit (Woraeu's Industrial Council) angeorbnet,
! Die Direftoreu aller Volfsfdjulen haben eine ber ^ahl ihrer
| Sdjüler entfpredjeube Angnljl oon Fragebogen erhalten unb finb
j beauftragt worben, genaue llutcrfudjuugeit über bie Art ber Ve-
I fdjäftigung ber Kinber, bie Arbeitzeit unb ben Lohn pro V3od)e
98
Soziale SßrajtS. Eentralblatt für ©ogialpolitif. 9h. 4.
94
uorgunehmen. 2>aS bisher eingelicferte Material foß naef) ber
„Eßcicbhrit" jeßt fdjou erfdtreefenbe Auffcbliiffe geben.
(Sine am 2. Dftober in Birmingham abgehalteuc Konfcrerg
beS Nationalen Berbanbes ber ©djulbefudjS*3nfpeftoren unb bes
Natioual*BcrbanbeS ber Sehrer in ber Örage ber Kinberarbeit ^at
einftimntig folgenbe Sorberungen aufgefteßt:
1. Bevantiuürtlidjfeit beiber Eltern für Den ©tfjulbefudj ber Ktitber,
unb baß in fällen wieberbolter Bentad)läffigung bie oollc Eclbbuße
auferlegt werbe;
2. baß baS Alter für tljeilweifc $iSpenfatiou uom ©dwlbcfud) 3U*
näcbft auf baS 3roölfte Saßr erhöbt werbe, mit ber Neftimmung, baß
in weiteren brei fahren bretgepn ^aßre bie unterfte (Breiige fein foflte;
8. baß fein Brntgipal ein Ktttb ohne amtliches Atteft über feine
$iSpenftrung 00m ©djulbefud) bcfdjäftigcn bürfe;
4. bab bie (gewerbliche) Sefdjäftigung oon Kiitbern, welcher Art
fic auch fei, ben gabrif* unb SSerfftättcmJnfpeftoren imtcrftcllt werbe.
Arbeiterbewegung.
Eifcnbabner-Betoegmig. $>aS oöllige ©Reitern beS Eifenbahn*
ftreils in ^ßariö, oon bem mir in ber lebten Nummer berichtet
haben, giebt uns Anlaß, einen Blicf auf bie Bewegung unb bie
Drganifationen ber Eifenbahner gu werfen, guuäcbft auf bie inter*
nationale Bewegung.
©eit 1893 b a & e n brei internationale Eifenbahnerfongreffe
ftattgefunben, nämlich 1893 in 3üri<h, 1894 in Baris, 1895 in
Nfailaub; ber oierte, ber 1897 in Barcelona ftattfinben foKte, ift
wegen ber fpanif<h s fubanifchen Girren ausgefallen. $>en Anftoß
ginn t.; Kongreß in 3üridj gab ber Berbanb beS hollänbifdjen
Etfenbafjitper|onalS „Smmer BorwärtS"; als 3 roc ^ mürbe be*
geidjnet, ©ofibaritätsbegiehungen gwifdjen ben gefammten europäi*
fc^en difenbabttarbeitern Europas b er i u fi c ^ en - fanben fid)
benn aud) $>elegirte aus ber ©chweig, Italien, Defterreicf), Sfranf*
reich, |)oflanb unb Englanb in 3üri<h ein, bie bie Einrichtung
eines internationalen ©efretariats befchloffen, beffen Kofien oor*
läufig burch freiwillige Beiträge ber eingelnen Eifenbahneroerbänbe
beftritten werben füllten. Ein Eintrag ber gwltänber, beren ©elegirte
fid) ber fogialreoolutionären NieuwenbuiS’fd)en Nietung guneigten,
baß bei einem Kriegsausbruch bie Eifenbaßnbebienfteten fofort bie
Arbeit einfteßen foßen, würbe auf Betreiben ber ©chweiger unb
Englänber furgweg abgelehnt, bagegen würbe ein Eintrag ange*
nomtnett, wonad) bie oon einem Berbanb mit minbeftenS gwei
dritteln feiner Nütgliebfchaft befchloffenen ©treifS ntoralifth wie
finanziell oon allen anberen Berbänben gu unterftüßen feien. Sm
fiebrigen legte man ben weiteren Berhanblungen baS fd)weigerifche
BunbeSgefeß oorn 27. 3uli 1890, betreffenb bie Befdjäftigung auf
ben Eifenbahnen unb bei anberen XranSportunternehmungen, gu
©runbe, wonadh bie ArbeitSgeit innerhalb 24 ©tunben 1)bd))ttnä
12 ©tunben betragen barf unb ben Befchäftigten eine ununter*
brochene Nuhepaufe oon 10, 9 ober 8 ©tunben im BÜnimum gu
geftatten ift. gerner finb im Sah** 52 freie Sage gu gewähren,
oon beneit wenigftenS 17 auf ben ©onntag gu fallen haben. $)er
Kongreß erklärte fich für ben Achtftunbentag für alle Eifenbahner
unb für eine wöchentliche ununterbrochene Nuhegeit oon 36 ©tunben.
£)er gewöhnliche Eiiteroerfchr folle an ©onntageit eingeftellt werben.
2>ie Ausführungen biefer ©efeßesbefümmungeu fotlten befonbere
Eifenbahner*Qnfpcftoren überwachen.
Auf bem folgenben Barifer Kongreß würben biefe Befdjliiffe
im ©efeutlichen beftätigt, bo<h foßen ©onntagS graeßtgüge gur Be»
förberuna oott Nahrungsmitteln unb leicht oerberbddjen Gingen
guläffig fein. S)ie grage ber NÜnbeftlöhne würbe oertagt, weil
ein „internationales ©tubienfontitS" erft lohnftatiftifche ®aten
fammein fotte. ^)er Kongreß erflärte fi<h beS ©eiteren für 2lbs
fdjaffung ber 5l!forbarbeit unb ber Bränden, bie nur gur Abhebung
ber Arbeiter führten unb bie BetriebSfidjerheit gefährbeten. Nach
gwangigjähriger SDienftgeit müffe jeber Eifenbahnbebienftete eine
Benfion erhalten, bie minbeftenS % feines früheren ßohneS betrage,
©djiießlich fprach fich ber Kongreß mit Dcehrfjcit für bie Bergefcß»
fchaftung ber Eifenbahnen wie aßer BrobuftionSmittel aus.
einer oertraulichen ©ißung foß auch über ben „Eeneralftrei!" oer*
hanbelt worben fein, bo<$ h Q i man baniber nid)ts (Genaues er-
fahren, gumal bie Breffe oon aßen Berathungen auSgefchloffen war
unb nur ein fnappeS offigießeS B r °l 0 ^°Ö Düm Bureau beS Kon»
greffeS erhielt. 2llS 3merf beS ©tubienauSfchuffeS würbe begcidjnct,
ein befonbereS Arbeitsamt für bie Eifenbahnangefteütcn gu bilben.
Englaub war in B^riS wegen beS gleichzeitigen Saljrcsfongrcffes
beS euglifthen Eifenbahnoerbanbes nid)t oertreten, wotjl aber außer
ben auf betu 3üridjer Kongreß oertreteuen ßänberit noch ©panien.
^Dcr brittc Kongreß in Biailaub fprach fiel) unter Betätigung
ber früheren Befdiliiffc für Biinbcftlöhnc, welche bie eingelnen Na=
tioneu auf ©runblage ber Koften ber Efiftengmitlel feftftcßeu, aus,
ebenfo für bie Einführung oon gefeplicheu ©d)iebSgericbten, bie
aus einer gleichen 3 a hl Unternehmern unb Arbeitern gu be*
fteljen hätten. ^Dcr internationale ©tubienauSfchuß möge aße brei
Nionate eine BerbanbSgeitung erfcheinen laffeu, bie über ben je»
weiligen ©taub ber Eifenbat)narbeiter*Bewegung in ben oerfchiebeuen
Säubern berichtet unb bie Berl)ältniffe ber Eifenbahnarbeiter ber
oerfchiebeuen Drganifationen möglichft giffernmäßig gur Kenntniß
bringt. Englano war wieber nicht oertreten, wohl aber ©panien
unb B°ri u <jd- Aus Englanb, Norb»Amerifa unb $)eutf<hlanb lagen
©pmpathiefchreiben oor. Auf biefe haben fid) bie beutf<hen Eifeit*
bahncr überhaupt bei aßen brei Kougreffen befchränft. ©ie oer»
lautet, ift ber internationale Berbanb noch ein recht lofer unb ben
frangöfifeßen „Eeneralftreif"»Btänen überhaupt wenig geneigt.
©aS bie Drganifationen ber eingelnen ßänber betrifft,
fo haben Englanb, Sranfreich unb bie ©thweig bie ftärfften Dr»
anifationen aufguweifen. $>ie „Bereinigte ©efeßfehaft ber Eifen»
ahn*Bebienfteten oon Englanb, ©chottlanb unb Urlaub" würbe
fchon 1872 begrünbet, gäplt über 81000 Btitglieber, hat fdjon
manchen AuSftaub fiegreich burchgefochtcn unb oerfügt über reiche
Nüttel. ®er Nebafteur beS BerbanbSoraanS „Nailwan Neoiew",
greb Ntabbifou, ift an ©teße beS oerftorbenen Ntunbeßa liberales
BarlamentSmitglieb für ©hefßclb geworben.— 2)er frangöfifd)e
Eifenbahnoerbanb gählte etwa 58 000 Ntitglieber unb fteht unter
ber Seitung beS fanatifd)en Aßemauiften ©ueranb, ber 00 m
„ ©cneralftreif" für bie Arbeiter aßeS £eit erwartet. (Bergl.
auch unten.) • £)er Berbanb ber Sofomotioführer unb öeiger
bürfte fich baran aber fchmerlid) betheiligen. Auf bem lefcten
Sahresfongreß beS BerbanbeS gab es eine Antifemiten*^ebatte,
ba bie algerifcßen ©elegirten oen Ausfluß aller Suben be»
antragten, was abgelehnt würbe. — 2)er Eentraloerbanb
beS B er f° n alS ber fchweijerifchen XranSportanftalten hat
unter ßeitung feines Borftanoes Dr. ©ourberf oor einiger 3 ^
burch einen furgen ©trei! bei ber Norboftbaßn eine allgemeine
ßohnerhöhung burchgefeßt. Er oerfügt über eine gute JDrganifation,
eine eigene §achgeitung unb gehört bem großen fdjmeigerifdjen
Arbeiteroerbanbe an. ^)ie Arbeiter-Union fdjweigerifchcr Transport»
angefteßter, welche hauptfächlid) bie Eifenbahnarbeiter umfaßt, fteßt
mit bem Berbanb fcßweigerifcher XranSportangefteßter im Kartell.
— 3n Stalien haben fnh bie oerfchiebeuen Eifenbahneroereine gu
einer ©emetffchaft (Lega dei ferrovieri italieni) oerfcßmolgen unb
finb gleidjgeitig ber fogialbemofratifdjen Arbeiterpartei beigetreten.
Bei ben lefcteu BarlamentSwahlen ift benn auch ber Seiter beS
BerbanbeS, Nofri in £urin, als fogialbemofratifcher Abgeorbneter
gewählt worben. — Sn Defterreid) ift ber 1894 gegriinbete
Berbanb fämmtlid)er Eifenbahner»3achorganifatiouen mit bem ©iße
in ©ien wegen fogialbemofratifcher Agitation im ooriaen 3ahre
oott ber Behörbe aufgclöft worbett. ®er Berbanb gählte 24 000
Ntitalieber, baS Sachblatt ,,^)er Eifenbahner" 18 000 Abonnenten,
ein Bruberorgan in cgethifc|^ ©praeße 5000. — S)ie Eifenbahner»
organifationen in ©panien, Bortugal, Belgien unb itt ben
ffanbinaoifcheti Säubern machen weniger oott fich rebett. 3)ie
hollättbifche Drganifation hat eine gieutlid)e ©tärfe errei^t.
Sn 2)cutfd)Ianb befielen cbriftlid)e Eifenbahneroraanifationen
in Bauern unb Syrier (für gang Braßen). Ein Berfucp auf einem
Kongreß in Ntagbeburg 1890, eine Eewerffchaft ber Staatseifen*
bahner gu griinben, würbe erftieft. ^)er Anfang 1897 itt Altona
gegrünbete Berbanb ber Eifenbahner 2}eutfd)lanbS, ber feit Soli 0 . 3-
aud) ein oiergehntägigeS Draan („©ecfruf ber Eifenbahner") heraus*
giebt, ift oon ber Eifenbahuoermattung als Jogialbemofratifch er»
Härt unb ber Beitritt oerboten worben. Xroßbetti foß ber Berbanb
eine Neifje oon geheimen NÜtgliebfchaften gählett. £er „©ecfruf
ber Eifenbahner" gab in feiner Nummer 00 m 1. Nfärg b. 3- S ra ar
gu, baß bie große Nlehrgaljl ber unteren Eifenbahner burd) nnb
burch „roth" fei, fonftatirte aber gugleich, baß ihm baS religiöfe
ober politifcße ©laubcnSbefenntniß feiner Berbanbsmitgliebcr gleich*
giltig fei. .t>auptfad)c fei, baß fie bie gcwerffd)aftlid)e Drganifatiort
ber Eifenbahner hachßielten unb für baS wirthfd)aftlid)e nnb fogiale
Eefamtintcreffe, baS aud) ihr Säte reffe fei, wirften. Nach Art. 0
ber Elcwerbeorbnung finbett bie Beftimmungen ber Eewcrbeorbnuitg
befanntlich feine Anwenbuttg auf Eifeubahnunternehnuingeti; banad)
ift aud) bie Stellung ber Eifenbahnarbeiter gu Art. 152 (Koalition**
freibeit unb ©treifS) gu betneffeu. -Daß eS aud) im Bereid) ber
©taatseifenbal)noerwaltmtgen galjlreiche Eifenbal)tter*Bereine mit
UiiterftüpungS*, BilbititgS* unb EJefeßigfcitsgwecfeu giebt, ift be*
fauut. (Bergl. g. B. ©ogiale B rai .^ 3al)rg. VN, ©p. 905.)
©ojiale fkajiS. ©entralblatt für Sojtalpolttif. 9fr. 4.
9“,
96
9(Ifgetttcttter flmtfltff? ber .ftniibelSbürfßötbettft in ftaffd. gm An* I
Ü4)liifi an tue zu ©cifmarfitcn in Maffrl ftattfinbcnbr ftcitrralocrfamnilimg j
bc$ ©cntrnlocrbanbcs bei* im .ftaubcls*, Irnnsport* nnb Bcrfcbrsgcrocrbc
beicpäftigtcu Arbeiter füll ein allgemeiner töongrcp ber ^anbclshülf**
arbeiter ftaltfinben. ©S foll auf bcmfelbeu oerpanbelt merben über bie
llnterftellmig ber £>anbeISlmlfsarbciter unter bas Unfallücrftcberuugsgcfep,
über bie Aufteilung oon .franbelsinfpefturen, über trganifation nnb bie
Olefäprbung beS koaltionsredds. Tic in 2ofalnereinen organiftrten
£)aiibelsl)üiföarbeiter palten einen «onberfongrep ab.
6ti<femtierbanb in ber ©(fputia. Bor Mürbem grünbeten bie
Telegirten non etroa 40 Sticfereifachöereineu ber Dftfcproeiz, roelcpe
über 2000 Biitglieber zählen, in 6t. ©allen einen einheitlichen oft*
fdjroeizerifcpen gacpoerbatib, beni üe ben Kamen „Sticfereiuereinigung"
gaben. 3roecf beS BerbanbeS ift oor Allem bie ©apruug unb
görberung ber gntereffen ber Arbeiter in ber Stidferei*3nbuftrie.
giir fpäter ift ber Anfcplup biefer Drganifation an ben Sticferei*
nerbanb in $Xuöficf)t genommen, rooburep ber leptere an Bebeutmtg
roieber geroinnen mürbe. 6o roenigftenS mirb gehofft. Tie i'age
ber Sticferei ift aber fo bebenflief), bah eS niept an Stimmen fehlt,
welche oon biefer feparaten Arbeiterorganifation im gegenmärtigen
Moment eher eine Berfcplimmbefferung befürchten.
AuS ber ettglifdjcu ©etoerfoereinSberocgmtg. Aus Bonbon
mirb uns gefchrieben: Tie „freie ArbeitSoeremigung" pat in
Btancpefter ihren 6. SahreSfongrefc abgchalten. @S finb bort bie
üblichen Reben gegen bie Tyrannei ber ©eroerfoereine nnb bie ©e*
fahren beS Sozialismus auch bieSmal loSgelaffen morbeit. ©troa
100 Telegirte foHen angeblich ba gemefen feilt, aber bie roirflicpe
Bebeutung ber Bereinigung bleibt fehr gering. (Ra<p „Daily
Chronicle“ befiehl bie „National Free Labour Association“, mie
ber offizielle Karne lautet, aus brei ober oier ßeuten, bie in fionboit
ein Bureau errichtet haben, &ie Telegirten finb ihre AngefteHten
unb ber gefchöftliche 3ro e( * „BereinS" ift, bei AuSftänben ben
Unternehmern Arbeiter zu nerfchaffeit. ®ie Reb.)
6ir Benjamin Bromtte, ein peruorragenber Btofdjinenfabrifant,
ber uitlängft ben 15. gapreSfongrcp Rorboft*töüften*BereinS
ber BRafcpinenfabrifanten unb S<piffsbauer leitete, hat eine beffere
©ürbignna ber Stärfe unb Sdjroäcpe ber ©eroerfoereinSberoegung
gegeben, als bie auf jenem Tage in Btancpefter laut gemorbene.
Seine Anfpracpe bepanbelte bie Beziehungen zroifchen Unter?
ttehmer unb Arbeiter. ©r mies bie Anficpt zurüd, bapArbeitS*
ftrcitigleiten bem Borhanbcnfeiit ber ©eroerfoereine ^n^ufchreiben
mären, ^ßerfönlict) ziehe er oor, fo fagte er, mit flugen unb er*
fahrenen ©eroerfoereinSfüprern zu oerhanbelit, aber er lehne, mie
biefe giihrer es aud) träten, bie ^efjre ber fogenannten neuen ©e*
roerfocreinSberoeguug ab, bah Arbeitgeber unb Arbeiter „natürlüpe
geinbe" feien. Rad) feiner Meinung habe inbeffen biefer gefährliche
RonfeuS nirgenbS tiefe ©urzeln in ber Blaffe ber Arbeiterbeoölferung
gefaxt. TaS mahre Uebel ber gropeü aeroerblüpen Drganifationen
fei baS Scproiuben ber perfönlidjen Berührung gwifc^en Unter*
nehmern unb Arbeitern. ©as baher Rotp thue, fei ein gröpereS
Btap oon Bertrauen unb Stjmpatpie, baS bie Arbeitgeber zunfrfjen
fich unb ihren Arbeitern fd)affen füllten: „llnfere flare ^piept ift,
Sgmpatpie zu geroähren unb Bertrauen zu erringen."
Ttefe zugleid) offenen unb üerföpulicpen Anfcpauungen merben
oon ber befferen klaffe ber Arbeiterführer freubig begrübt, hoffentlich
mirb auch ber neue ©eroerfoerein ber Bergleute in SübroaleS, ber
jefet gebilbet mirb, bie Achtung ber ©rubeubefiper geroinnen, mit
benen ein fo langer unb unfeliger 6trcit beftanben hat. $>ie erfte
Sahrc^oerfammlung ber neuen Drganifation, oon ber bis jefct fehr
menig befannt ift, foH im Januar 1899 ftaltfinben.
$er tluSftanb im Barifcr BaugrtoerBe fann nunmehr als
oöllig beenbet betrachtet merben. Beit bem 6iege ber (Srbarbeiter
fchon hatte bie 6treifberoegung ihre lebenbige Mraft oerloreit. Söenn
Zmar immer noch einzelne ©eroerffchaften bie gortfepung beS
MampfeS proflamireu, fo finben fie bod) fclbft bei ben eigenen
BUtgliebcrn ein fcproad)e)? ©epör, unb noch meniger natiirlid) bei
ben nicht inforporirten Arbeitern ihrer Brand)e. ®aS Zentral*
■Strciffomite hat am 18. Dftober fich aufgclöft.
.^er miüglürfte Streit ber fran^ofifdhen ©ifenbahnarbeitcr mirb
uorauSfid)tlid) ziemliche Beräuberungen in ihrer Drganifation her*
oorbringen, menigftenS in bem Syndicat national des travailleurs
des chemins de fer de France et des Colonies, melcpeS, oon
fozialiftiühem ©eifte burchfept, bie Sache ber (Sifenbahnbebienfteten
am cnergifd))ten oertritt. Ser BerroaltungSau^fdiufe, ber ohne
ben nötbigen Biicfhalt in ben lofalen ©eroerffchaften ben AnSftanb
befretirt hatte, reidite feine (Sntlaffung ein unb milt möglichst halb
einen befonberen Äongrefi beS BcrbanbeS einberufen.
3Ubetterrif)it|.
Arbeiterinnen unb jngcnblichc Arbeiter in 3i'gtfcicn, Sie
oom „Keid)eanz." am 21. Dftober oeröffcntlicptc neue Berorbnuug
beS BunbeSratpeS (ogl. Soziale Braj*iS Sahrg. VIIl 6p. 73), bie
mit 1. Sauuar 1899 in .Straft tritt unb bis 1. ßanuar 1904 ©el*
tung bepalten foH, bringt zmar im (Sinzeinen präzifere Beftimmuugcn
über bie erlaubten unb oerbotenen Arbeiten unb über bie geftattete
Arbeitszeit, aber im ^efentlicpen bleibt es beim Alten. Bor allen
Gingen roiib auch nicht ber 6d)atten eines BerfucficS gemacht,
auf ©rnnb beS Art. 120e 8 (hhQ^uifcher Bta£imalarbeitStag) eine
Befchränfung ber oielfach nod) oorhanbenen übermäßigen Arbeitszeit
ber erroadjfetien männlichen Arbeiter in 3icgeleien anzujtrebeu. $)ie
neue Berorbnung bezieht fich ebenfo mie bie alte oom 27. April
1893 nur auf Arbeiterinnen unb jugenblichc Arbeiter. BJährenb
früher nur 3 i e 9 ^^ca aufgeführt roaren, mirb jept hinzugefügt:
„eiufchlieplich ber ©hautottefabrifen". Unter bie Rohmaterialien,
bei bereu ©eminnung unb Transport bie Bekräftigung oon grauen
unb gugenblid)en oerboten ift, mirb ausbriidflich auch „eingcfuinpfter
Sehm" gerechnet. Bei ben Arbeiten an ben Dcfen mirb oom Ber*
bot ausgenommen „bas güllen unb ©ntleerero oben offener Schmaud)*
Öfen". Keu angefügt mirb baS Berbot ber Bermenbung „zum
Transport geformter (auch getroefneter unb gebrannter) Steine,
foroeit bie Steine in Schiebfarren ober ähnlichen Transportmitteln
beförbert merben nnb hierbei ein feftoerlegteS ©leis ober eine harte
ebene gabrbafjn nicht benupt merben fann". TaS finb Beftim*
mutigen, bie fich in ber BrajriS ganj nüplich ermeifeti fönnen, einen
nennenSmerthen Qortfchritt beS Arbeitcrfd)upeS bebeuten fie inbeffen
nicht. Auch roaS bie Arbeitszeit betrifft, ift bie Beränberung nicht
groß: auf ber einen Seite eine geringe Berbefferung, auf ber anberen
fogar eine Berfcplechterung. g^üper mar ein BJnyintum oon z*nülf
Stnnben täglich unb oon 66 Stunben mochentlich, mit Raufen nach
je oier Stunben Arbeit, unb zmar BJittagS minbeftenS eine Stunbe,
Bor* unb Rachmittags je l h Stunbe, gnlafüg- 3fht fönnen in
3iegeleien, in benen ber Betrieb oon Bcilte Bfärz bis Biitte Ro*
oember bauert, junge fieutc an allen Söerftagcn mit Ausnahme beS
Sonnabenbs unb ber Borabenbe oon gefttagen elf Stunben be*
fchäftigt merben (alfo eine Stunbe länger als Art. 135 für gabrifen
oorfdireibt). Bon ben Arbeiterinnen mirb nichts auSbrücflid) gefagt,
ba aber feine Ausnahme oon ber betreffeubeti Borfdjrift ber ©e*
roerbeorbtiung für fie fonftatirt mirb, nehmen mir als fclbftoer*
ftänblich an, ba& aud) für 3iegeleien fünftig Art. 137 (elfftünbigcr
BfajimalarbcitStag für Arbeiterinnen) ©eltnng hat. Tagegen mirb
in 3«9^c«tt ohne ftänbige Anlagen igelbbränbe) ober mit nur
einem Dfen an allen ©erftagen mit Ausnahme beS Sonnabenbs
unb beS BorabenbS oon gefttagen eine ziuölfftiinbigc Tagesarbeit
(mit Raufen mie früher) für Arbeiterinnen unb Sugenblicpe geftattet,
ohne bafe ein Btayimum für bie ©oepe oorgefeprieben ift. 3n biefen
3iegeleien alfo mirb jept fogar eine Berlängerung ber moepent*
lidjen Arbeitzeit (früher 66 Stunben, jept bis zu 70) zugeftanben!
3n ber Begrenzung ber Arbeitszeit mirb in ber Sache nichts ge*
änbert: 4 */2 Dh^ BtoraeiiS (5 V 2 Hh r aaep ber ©emerbeorbnung für
gabrifen) unb 9 llpr VlbenbS (8 Vj Upr) begrenzen bie 3^h inner*
halb roelcper bie Arbeitsftunben liegen bürfen. Tie roeitercti Be*
ftimmungen ber Berorbnung betreffen ben öffentlichen AuSpang ber
Borfdjrifteu in 3^9^ e ^n. ©eggefatlen ift bie ©rlaubnip, Aenbe*
rungen in bem regelmäpigen Beginn unb C£iibe ber Arbeitszeit unb
Raufen opne Anzeige an bie DrlSpolijeibehörbe oorzunepmen,
„metin fie bur«h ©itterungSoerpältniffc erforberlicp merben".
KuSgeftaltuna ber preitfttfdjen BergtoerfSinfpefHon. Bon mepre*
ren, ben Streifen ber Bergroerfsbefiper nabeflepenbcn Blättern mirb
beftätigt, bap bem neuen Üanbtage eine Borlage zugehen mirb, monaep
„Zunäcpft" ein Ausbau ber gegenmärtigen Drganifation ber Be*
auffieptigung in ber ©eife beabfieptigt ift, bap ben Bergreoier*
beamten (gegenwärtig 65) zur Ausübung beS ftaatlicpen AufficptS*
bienftes „naep Bcbarf feftanzuftellenbc Reoierunterbeamte beigegeben
merben, bie als praftifepe Bergleute tpätig gemefen unb m bem
oerantroortlidjeu Tienfte als Steiger erprobt finb". Tic „Stöln.
3tg." hält es allerbingS niept für auSgefcploffen, bap auep Arbeiter*
belegirtc angeftellt roerben, oerlaugt aber, bap, roenn bies gefepepen
füllte, zunäcpft ber Staat auf feinen eigenen Bergroerfeii mit ber
3uziehung folcper Arbeitcrbelcgirter bei Ausübung ber ftaatlicpen
Berganfficpt beginnen möge! Beigefügt ift in bem rpeinifdjen Blatte
ber üblicpe Broteft gegen bies ©rperiment, baS angeblid) ben erften
gefährlichen Sd;riit auf einer fepr fepiefen ©bene bebeuten foü.
^oltzetoerorbitmtg für IBäcfereteit itt Strafjfmrg i. ©. Tas
Bürgermeifteramt ift ooti ber Regierung um ein ©utadjtcn bariiber
97
©ogiale SßrajtS. Eentralblatt für Sogtalpolitif. Rr. 4.
98
aufgeforbert worben, ob bcr Erlaß einer Boligeioerorbnung, betreffs
ber 3uftänbe in ben ArbeitSräumen oon Bäcfcreien unb Slonbitoreien,
nach Btofter ber Hamburger (oergl. „@ 03 . BragriS" Sahrg. VII
©p. 308) angegeigt erfcheitte. ©ie gur ©anirung ber ©ohnungS*
guftäitbe in ©traßburg eingefefcte, aus Btäunern ber oerfdjiebenften
Berufe unb Parteien befteßenbe Stommiffion fprad) fid^ einftimmig
baßin aus, baß ein folcßer Erlaß für ©traßburg burch aus
wünfcßenSwerth fei.
$erffir$isng ber Arbeitszeit. 3m öfterreießifeßen Abgeorbneten*
häufe würbe oon cßriftlicfcfogiaier ©eite (töleingewerbepartei) ber
Antrag eingebraebt, baS §auS roolle bie Regierung aufforbern,
1 . fieß mit ben anberen ©taaten gurn 3wede ber Beranlaffung einer
internationalen ßonfereng ins Ginoenteßmen gu fefcen, bamit
bie fo notbmenbige ^erabfefeuna ber ArbeitSgeü für bie in*
bnftrieHen Arbeiter ermöglicht werbe; — 2 . in ben oon ©taats*
roegen betriebenen Sßonopolunternebmungen bie acht*
ftünbige ArbeitSgeit eittgufüßren; unb — 3. bei allen gufthtftigen
3oIlgefefcen barauf S^ücffidbt gu nehmen, baß berartige 3°ll tf
pofitionen gu ©tanbe fommen, toelcße bie ©ureßführung aus*
giebiger ©cßufcgefetje für bie in gnbuftrie unb ©ewerbe auer Art
befcßäftigten Arbeiter in £>efterreicß ermöglichen.
3Ubettetoetftdjerang. Sporkoffen.
©eitere ilifihciliiitgett aus ber Roöellc gum 3ttt>afibitft£*
mtb Al4erS*crftthcrunaSgefeb GS ift febr gu bebauem, baß ber
jefet im BunbeSratß iiegenbe ©efeßentwurf nicht auf einmal unb
in feinem ooHeit Wortlaut ber Deffentlicßfeit übergeben worben ift,
foitbern ftütfweife unb in offigiöfer Bearbeitung. ©0 wirb je^t nach*
träglicb mitgetheilt, baß neben ben gwei £>auptpunften, ber anber*
weiten Bcrtßeilung ber Rentenlaft unb ber Errichtung oon lofalen
BerfußerungSämtem, über bie wir in ber lebten Kummer ber
„©ogialen BrayiS" berichten fonnten, noch eine gange Reiße weiterer
Beränberuttgen in Borftblag gebracht werben. GS finb bieS folgenbe:
©ie Berjtdjerungspflidjt wirb auf bie Betriebsbeamten, ähnliche
fonftige Beamte, fowic auch (männliche ober weibliche) 2 ehr er unb
Grgieber, benen eine ^enfionsanwartfdjaft nicht gufteht, auSgcbebnt.
©tc Befreiung norübergehenber ©ienftleiftungcn oon ber Bcr*
ficßerungSpfltcht wirb im weiteren Umfange wie bisher gugelaffen,
©te SBartegeit (5 begw. 30 Beitragsjahre gu je 47 SBocben) wirb auf
eine runbe unb niebrigerc ©umtne oon BeitragSwodjen, uäntlich für bie
gnoalibcitrente auf 200, für bie Altersrente auf 1200 Beitragswocßen,
ßerabgefept unb bie SBartegeit für bie im gaß norübergehenber (Erwerbs*
unfähigfeit gu gewährenbe Rente oon 52 auf 26 SBodjcn oerfürgt.
©ie ben Berfidicrungsanftaltcn und) Art. 12 geftattete oorbeugenbe
Äranfenpflege wirb weiter ausgcftaltet. 2o foliett bie Serfidjernngs*
anftalten gunädjft misöriirfltd) ermächtigt werben, bas fteiloerfahren —
was bisher nidjt ber gaß war — auch bamt fclbft unb gwar in bem
ihnen geeignet erfdjeineuben Umfange burchgufiihren, wenn ber Erfranfte
ber reid)SgefeßIirf)en ftranfenuerfidjerimg unterliegt. ©ie Berficherungs*
anftalten haben banarf) fünftig bei fäntmtlichen Berfidjcrten bie Be*
fugniß, ein .£>eiloerfahren, foweit biefes uadi Bfaß unb 3eitbauer geboten
erfdheiut, herbeiguführeit. ©ie werben alfo insbefoubere beredjtigt fein,
in gäßeu oon ©uberfulofe, wo bauernbe Erfolge nur in ben Anfangs*
ftabiett ber Trautheit gu ergielen finb, fdiou friihgeitig unb intenfio ein*
gugreifen, beoor noch eine bie ErwerbSfäßigfeit tfjatfäd)lid) beeinträd)*
tigenbe afute Erfranfung eingetreten ift. ©abei barf gegen ttofteiterfap
bie Btitwirfung bcr ffranfenfaffe, welcher ber Berficherte angehört ober
guleßt angchört hat, in Anfprud) genommen werben; auch famt betn
Berfidjcrten oon ber Berficherungsanftalt freie ttur unb Berpflegung in
einem ttraufenhaufe ober, was bem glehbgefteßt ift, in einer Anftalt für
OJenefenbe gewährt werben, Eine äijttlidje AÜrforge, wie fie gur Bcr*
hütitng bes Eintritts bcr Erwerbsmtfäbigfcit gugelaffen ift, follen bie
Berftdieruugsanftalten aud) gegenüber Empfängern oon ^uoalibenrentc
eingulciteu befugt fein, wenn Wrunb gu ber Annahme oorliegt, bafg bcr
Rentenempfänger bei 2>urd)fübrung eines .^cilocrfahrens bie Erwerbs*
fähigfeit wieber erlangen werbe.
Sie STOarfcnoerwenbung, bereu Uebcrwachung ben örtlidjeti
RentenftcUen obliegen fott, wirb wefentlid) burch bie Einführung
oon SKarfen für größere 3riträume erleichtert, ^urch bie Ausfcheibung
einer fünften Bohnflaffe für biejenigeu bisher in bie uiertc yohn*
flaffe faüenben Berficherten, bei beiten ber aured)uuugsmähtge Jahres*
oerbienft ben Betrag 001 t 1150 Ut . überfteigt, wirb hodigelohntcn Ar*
beitem unb Betriebsbeamten bie Erwerbung einer ihren Bcrhältniffen
entfpredjenben höheren Rente gegen Entridjtmig höherer Beiträge ermög*
licht. — Xie freiwillige Berficheruug in einer höheren, als ber
maBgebenben ütohnflaffe, wirb wefentlid) crlcidjtert.
B?ährenb gegenwärtig erft itad> längerer Xaucr Berfid)erung eine
mirffame ©teigeruug ber Reute ciutritt, wirb fünftig burch Ab*
ftufung bes Wnmbbetrages ber Rente eine für bie Bcrfid)crteu giiuftigere
Berechnung ber Reuten ftattfinbeu. 'Sie jejjt itad; befonberen Beftim*
ntungen gu beredjueube Altersrente wirb einheitlich auf bett ©ruub*
betrag ber SnoaUbenrcnte bemeffett. S)as Berfahren bei R ü cf e r ft a 11 u n g
oon Beiträgen an weiblidje Serftdjerte, welche ftch oerheirathen unb
an hinterlaffene Sittwen unb SBaifen oon Berficherten wirb erheblich
ocreinfacht.
3ur Bereinfachung bes RentenfeftflellungSoerfahrenS
wirb 'bei orbnungSntäBiger Berwcnbung ber BeitragSntarfen gu ©unften
ber Berficherten bie gefejjliche Bemtuthung aufgeftellt, baf? bie Beitrags*
entrichtung auf ©runb eines beftebenben BerficheruugSocrhältniffeS erfolgt
ift. 3m .frinblid auf bie ©efepesunfunbe oielcr Berfidicrter wirb baoott
Abftaub genommen, bafe bie Berufung ober bie Reoifion, um als
redjtgeitig gu gelten, binnen ber oorgefchricbencn grift gerabe bei ber
rid)tigen ©teile eingegangen fein rnufj. S\c grift wirb gur Ucbcrein*
ftimmuug mit anberen ©efefcen oon oier Wochen auf einen SJfonat aus*
gebehnt.
Bei ©elbftentrichtung ber Beiträge wirb allen BerftchemngSpflich*
tigen burd) bas ©efefc ein Erftattungsanfpruch gegen ben Arbeit*
geber auf beffen Beitragshälfte eingeräumt. $ie bei ber freiwilligen
Berficherung gegenwärtig erforberlid)e Beibringung teurerer Doppel*
marfen, bei benen ber ©ertb bes gufapbeitrages bem Reiche gufliefet,
fällt fort. Sk freiwillige Berfidjerung wirb nicht auf bie Viohuflaffc 2,
wohl aber geitlich auf bas bei bem Einfleben ber SRarfeu abgelaufenc
lebte ^alenbcrjahr befd)ränft. 5)ic Befugnifj gur freiwilligen Bersche*
ruug, oerbunbett mit einem Erftattungsanfpru^ gegen Arbeitgeber be*
güglid) eines JheilS ber freiwillig getrifteten Beiträge, wirb auch ben*
jeitigen B^rfouen eingeräumt, wel^e gwar gegen Entgelt befdjäftigt,
aber aus befonberen ©rünben ber BerftchemngSpflicht auSnahutSweifc
nirfjt unterworfen ftitb. ^ie Rad)bringuttg oon Beiträgen für bie
®auer oerficherungSpflidjtiger Befd)äftigung wirb auf bie $eit oon oier
fahren feit ber gälUgfeit befdjränlt. Es wirb ausbriidlid) auSgefprochett,
bah bei ©treitigfcitcu über bie Beitragsentrichtung beit Beteiligten,
abgefchen oon Ausitahinefäflett, Äoften bes Bcrfahrens tiid)t gur iiaft gu
legen finb. denjenigen B^riouen, weldje wegen irrtl)ümlicher Annahme
einer BerfidjeruitgSpflicht ober einer Berechtigung gur freiwilligen Bcr*
ficherung Beiträge entrichtet haben, wirb ein Anfpruch auf beren Er*
ftattung gugeftättben.
©asBerntögen ber BerficherungSanftalten foll in größerem
Umfange wie bisher für bie Berbefferung ber SBohnungSoerbält*
niffe ber Arbeiter unb für anbere Einrichtungen gitttt Bortheil ber
üerficherungspflidjtigen Beoölferung oerwenbet werben fönnen.
©ie in ber BrariS oielfad; bellagten gärten ber ©trafDorfd)rift
begügli^ ber unguläffigen Eintragungen unb Bermerfe in ben Cuittungs*
farten werben befeitigt.
©urch gortfaß bes AufftchtSratheS, ber Bertrauenßmänncr unb bes
©taatsfommiffars ift bie Drganifation oereiitfadjt.
©ie 11 ebergang Sb eft im ntungen bcS ©efebes ftnb einfacher ge*
ftaltet. gnSbefonbere wirb ber, für bie Altersrenten noch erforbcrlidjc
RadjtociS einer oerfidicruttgspflichtigcn Be[d)äftigung als Berufsarbeiter,
furg oor bem gutrafttreten beS ©efebeS gu ©unften bes Berficberteit
erheblid) erleichtert. Unter beftimmten BorauSfebungeit foß biefer Rach*
weis erlaffen werben tonnen.
Uitgwetfelhaft ünb unter biefen Aenberungett feljr oiele, bie
recht mißlich wtrfcn werben unb im Sntereffe ber Berficherten
liegen. S£ 5 er günftige Ginbrucf, ben bie erften Röhrichten über bie
geplante Reoifion beS ©efefjeS auf uitS gemacht h a ^ en / ift burch
biefe weiteren SRittheilungen noch oerftärft worben. ©S wirb fich
nodh beS Defteren Anlafe bieten, auf bie Gingelheiten näher eingu*
gehen; was bie .ßauptforberuugcn bcS ©ntwurfeS aber betrifft, fo
oerweifen wir auf ben Öeitartifel an ber ©pifce biefer Rümmer.
Btafymntgsttiefen.
llaüregel« gegen nitgefunbe ^ohunngen in ©trahbnrg t.
©ieSohnungSfommifrton (oergl.„©og. B^ayiS" 3 ßh r 9 *
767, 797, 979) hat in ihrer ©ifcung ooui 13. Drtober wichtige
Befd)liiffe gefaxt. Bon oerfchiebetten ©eiten würbe barauf ge*
brungeit, bafe bie Sfommiffion in Bennaueng erflärt werbe, ba nur bei
fortgefefeten Reoifionen eine bauernbe Befferuitg ber 3uftänbe möglid)
fei. Bürgermeifter Bacf hält bie ©djaffung oon 3BohnungS*
ittfpeftoren als Drgatte ber ^omtniffton für angegeigt, ©ie
5 i'ommiffion befürwortete einftimmig, baf gunächft einer, je nach
Bebürfnijj mehrere fieute als ©ohnungSinfpeftoren angefteUt werben,
bie Drgane bcr £ommiffioit ftitb unb als fold)e legitimiri werben,
©eiter würbe mitgetbeilt, bafe bcr ©enteinberath oon ber iSraeliti*
fchen ÄultuSoerwaltung einen größeren Slotnplej* an ber ^elenctt*
unb Barbaragaffe angefauft habe, ©er Äotnntiffion würbe bie
grage oorgelegt, ob bie Berwcnbung bes angefauften ©errains gu
BolfSWohnungen angegeigt fei. Eine prioate ©ol)ltl)ätigfcits=
gefellfd)aft habe fdjon ein Brojeft bafiir aufgeftellt. ©ie grage würbe
einftimmig bejaht. Berhanblungcn wegen Erwerbes eines in beti
bichteft beoölferten ©tabttl)eilen belcgcueu yiänferoiertels mußten
abgebrochen werben, weil für ben Cuabratmeter 330 bis 500 , //
geforbert toorbett feien. Jjpicrait fchlof; liih eine lebhafte ©isfuffiou
über bie ©ahl oon Bauplänen g 11 weite r e 11 B 01 f s w 0 h n u u g e n.
99
Soziale $xajt$. ©entralblatt für Soztalpolitif. 9tr. 4.
100
2 >ie Äotnmiffton fprach einftimnttg ihre Meinung bahitt auä: An
fxcf> wäre bie Schaffung oon BolfSmohmingen in centraler Sage
fel)r roünfchenSroerth, iebodj fei mit SftücFfidbt auf bie erl;eblid)en
Schroierigfeiten uitb namentlich auf bie greife ber ©runbftücfe nur
Z» empfehlen, foldje ^Bohnungen unuergiiglidf) an ber Peripherie
ber Stabt unb eoentuett auch außerhalb ber Btälle ju erbauen.
$>er Bürgermeifter theilte mit, baß bie Abftdjt befteße, au3
Stiftungämitteln V2 50 ri(Iion 31t SBohitungen für Arbeiter 511 wer*
metiben.
dtjicljuttcj mtb ßilöttttg.
Ssslfitfjüötlidjc ^od^fd^nlfurfe.
Xer neue Bcftor ber Uniwerfität Berlin, ^rof. B>albcijcr, hat tu
feiner Stiitritt^rcbc am 15. CFtober cS als eine Aufgabe ber llnioerfitäts*
Ichrcr bezeichnet, woIFStbümlitfie HodifdntlFurfe abzuhalten. Xie Wurfe
foflen uidjt non ben Umocrfitätcu als? foldjc eingerichtet merbeu; es gc=
uiige, mentt bie Umoerfitntslchrcr gemeinfarn mit Lehrern auberrr &od)=
fchuleu fich ber Sache annehmen, Xer .'panbarbeiter tniffc beut (belehrten
reichUcfien XanF, mcrni biefer ihm bie Wcmitniß ber Grgcbtiiffe ber
B*iffeitfd;afi übermittele, Ju Berlin hatte ber Senat ber Uniwerfität im
nornorigen Jahre bie Abhaltung non BolFs=Hod)fcbiiIFitrfcn als Beratt*
ftaltung ber Unioerfität abgleeßnt. Amt hat mic (Jaljrg. VII Sp. 1138)
bereits berichtet, ein Womite, bem bie Herren ©ei). Acgierurigsrath ^>rof.
Or. Maj; Xelbriicf (als Vertreter ber Ianbmirtbfchaftlichcn^och'fchulc),
©chcimcr Acgierungsratlj Brofeffor L)r. Xiels, s profeffor Dr. £ertmann,
Brof. Dr. Sdjmoller, ©ebeimer Mebizinalratlj $rof. Dr. SBalbcycr (als
Vertreter ber Uninerfität), Bruf. Dr. B?itt (als Vertreter ber tcdjnifcbcn
&ochfd)iüe)unb ©eh.Dber=AegicrungSratf)Brof. Dr. Boß (als ©efchäftsführcr
ber Gentralftelle für Arbciter=B?wbIfabrtS=Giurichtungeu) angeboren, bc*
fchloffen, in biefem Sinter junädjft zwei Serien non je fcdj’s Würfen in
ben Monaten Aouentber unb Dezember, bejtn. Januar unb Februar zu
ncranftalten. Xie jurtädjft angefiinbigten 6 Borträge behanbelu bas
Wnodjcugcrüß unb bie ©elenfc beS ntenfdjlichen Worpeis (Salbctjcr), bie
Haubelspolitif ber roidjtigercit Wulturßaateu im 18. unb 19. Jahrhmibcrt
(Schmollcr), bie WunßbcnFntäler Berlins (A. ©. Pieper), bie natürliche
unb bic fünftlidje Grnäbrung bes Säuglings ($eubner), bie beutfdje Reichs*
Bcrfaffuiig (Stahl), bie GifcnbüttenFunbe (SBcbbittg). beginn 1. Aouentber.
Jn einem 5heil ber B reffe mirb gegen biefes Unternehmen aufs Aeuc
geeifert, Atreuzztg. uitb .Wollt. Jtg. woran; es finb bie alten, hunbcrtmal oor*
gebrachten unb huubertmal rnibcrlegten Argumente, beren JabenfcbctnigFeit
hier uidjt itod) einmal betniefen inerben foH. BSohl aber ift eS non
Außen, eilten 'sölief auf bie Gutmicfclung ber Bcmcgung für ooIFstbümlicbe
.spochfdiulfnrfc unb ihre (Srgebniffc zu tnerfen.
Bon ben Golfern englifdicr junge ßamuit ber Aante: University
Extension. Jn Amerifa unb Gnglanb finb eS nicht einzelne ^erfotten,
bie fidj bie Ausbreitung ber Gilbung bureß ooIFstbümlidje Hocbfdiuluor*
träge, unter benett angelegen fein laffett, betten Beruf unb Bcrhältniffc
ben afabcmifdjen Bilbitngsgaug nerfd)ließen, fonbern bie University Ex¬
tension ift überall molfl orgahifirt. Jn ben norbifdiett Stäubern hat fic
eine etiuaS aitbere gorui angenommen, bafiir erfaffen aber z- B bie
Bauern ßochfdjuleu nmfo breitere Sdfidjten. Jtt Atopenhagen ertheilt bic
eine ber brei großen Stubeutenoereinigungen, „Studentersamfundet“,
fdjon feit bem Xczentbcr 1882 zahlreitfic UuterridjtSfurfe für Arbeiter.
An biefeu dürfen, bie burd) H Monate im Jahre ftattfinben, nehmen
einige Xaufenb Arbeiter Xljril uttb bie fämmtlidjen Beßrer, Atanbibaten
unb Stubenten unterrichten in biefen Äurfcn, bie in zwanzig ocrfdiicbcnen
Bo Fa len b£r_Stabt (mcift in Ü?olfSfd)ulen) abgchalten merbeu, unentgeltlich
Ju Ceftcrreidj haben bie SBieuer Xozenteu aller gafultäten es für
ihre Ghrenpßidjt gehalten, bas ^cifpiel bes AuslairbcS ltadizuahmen.
Xer „Ausfdmß für bie oolfsttjitmlidjen UnioerfitätSoorträge" in SBtcn
hat im Selbftoerlage ber Uninerfität fiirzlich einen Seridjt über feine
Xljätigfcit üt ben Jahren 1895 bis 1898 erfdjeinen laffeu. Xie Jahl ber
Apörer flieg non (5198 auf 7300. Jyaft bic §älfte aller .‘obrer ftcKt bic
Arbcitcrfcßaft, brei Viertel baoon finb getncrblidje Hilfsarbeiter. Xie
^eridjtcrftatter gelangen z u ^ em Sdjluffe: „Xiejeitigen ©nippen ber
arbeitenben 5?enölferuug betheiligten fich am regften, melrfje am heften
bezahlt finb, bie fiirjrfte Arbeitszeit unb bie nteiflc Jntelligenz haben.
Metallarbeiter unb ^udjbrucfer, rneldjc jugleid) bic hefte Crganifatiou
befijjen, ftcllen beinahe bie Hälfte ber Hörer aus bem Arbeiterftanbc
ober beinahe ein Sedjstel ber ©efauimthörerzahl. Je fchlcdjtcr bie £r=
ganifatiou, befto fdjinieriger ift es, bic .Wurfe beFnuntzumncßcn, bie Marten
Zit uertreiben. Je fdiledjtcr bie Bcbettsftellung, befto größer merbeu bie
roirtf)fd)af 111 cßeii Sditnierigfeiten, bie fid] bent S?cfudje ber .Wurfe cut=
gegeuftellen."
Jn Xeutfdilanb finb 31111 ädift ^rinatnereine norangegangeu. Xie
berliner Humbolbtafabcmie, 1878 uom miffcuidiaftlidieii Gentraloereiu
errichtet, hat in ben brei Behrquartalen 1897 !»s au ihren 5 Behrftätten
Zitfatumcu 206 i'ortragscijFIeu unb Uuterrid)ts!urfe abgchalten, bic non
5798 eiugefdiriebeucn Hörern befudit mürben. Aber cs fehlen unter
beu Hörern, fomeit mir feftftelleit fonnten, bie gemerblidjeu Arbeiter in
gröf;erer J,ahl, mohl abgefdirerft bunh beu für Arbeiter immer noch
iiohm i'i-eis non 3 ..it. für ben belegten Guflus, ber ueuerbiugs freilid>
||r .•.Vitglieber non (^emerffd)aften, ©emerfnereiuen, ArbeiterfranFcuIaffeu
auf 2 Ji. herabgefcht ift. Xer Jubrang zur „Urania*, ber nolfsthümlidjeu
naturmiffenfdiaftlidjcu AFabentie mit Xheater, beutet auf baS ^orhanben-
fciit eines äljnlidjcn S ^ilbnngsbrauges.
Xie prioate Straßburger MolFshodjfdiulc hat fidj bic bänifdicu
2 ?auernhod)fdiulen jum Mufter genommen; fic miH für jeben 5?eruf beit
cutfprcdicnbcn miffcufdiaftlidicn s J?orbcreitungsnuterridit bis hinauf §ur
Hodifd)ttIe für Jeberntaun aus bem 5?olFe gemährett. Jranffurt a. 9K.
bcftßt feine Unioerfität. Xort fonnten beshalb ■— oor adjt Jahren —
nur iiolFSüorlefungett (neben ben ^olfsuorftefluitgen, »Goncerte«
unb »Ghöreu) ins Beben gerufen morben. Xie Gefolge mären
gut. Xiefc Grfolge 511 oerbreiten, hat ber JranFfurtcr Ausfduiß im
Juni unternommen, junächfl mit ben AuSfd)üffen ber Aadjbarftäbte, bic
gleidic Jicle oerfolgen — fic eriftiren bereits in SBicsbabcn, Gaffel,
Marburg, .Wönigfleiu, §öcf>ft, Vilbel — za einer Bereinigung ftd)
Zitfammett za fdjließeu, bic in einer Art Gentralftelle mit Bureau bic
Grfahrungen fammelt, fie in einer Gorrcfponbenz mitthcilt, teure Bein-
mittel z» geuteinfamer Bcnupung gemeinfarn anfehafft. Hamburg mit
feinen rcidieit ©clbntittcln giebt feinen Bürgern glcidjfalls ©elcgenhcit,
ihr Riffen auszubeljneu. Xie £ ber f d) u l b e h ö r b c bes Staates oeran=
ftaltet im Banbc mit ber Mommiffion für bie Bermaltuug ber Atunfthalle
unb aitberen Bereinigungen eine große Ja 1)1 001 t öffentUdien Borlefuitgen
ans allen ASiffeusgcbieten unter Juziehuug namhafter einheimifdicr mtb
frember ©elehrtcr, bie gegen Borzeigung unentgeltlich ausgegebeuer Giu=
laßfarteu zu befudjen finb. Xie BorIc)ungeu umfpanucn baS gefammtc
Biiffensgebtet. Xie größten z«r Berfügnng ftehenbett Hörfäle finb für ben
Jmccf frei gemadjt. Jena hat zu feiner ausgezeidmeten BolFsbibliotheF
nebft Befehalle, bie uou ber GomcniuSzmciggcfeUfdiaft bafelbft augeregt
ift, auch Hodifdjuloorträge erhalten. Ju beu miffenfdjaftlidien 'Borlefuitgen
für BolFsfdiullehrer, bic Uniocrfitätsprofefforen im Fommeuben hinter
oeranftalten, haben fid) iusgefantmt 320 Xheilitehuter gemelbet. Gilten
Grfolg haben biefe Bcftrebungcn aud) in München unb Beipzig gehabt.
Ju München faitb ber Bolfs=Hod)ichul=Bercin (Borfißenber jeßt $rof.
Dr. A. o. Baeper) jmar nidit bei ber Unioerfität unb bem Staate, rnoßl
aber ber Stabt unb namhaften Xozenten eifrige Unterftiißung. Xhcil=
nehmer bei* Wurfe marett 1870 ^erfotten mit 4462 Anmelbungen. 837
Anmelbuugeu gingen 001 t 513 meiblichen Xheiluehutern aus. Ju Jufunft
merbeu neben Jamilienfarten za 5 M. nur brei Arten uou .Warten
ausgegebeu, nämlich z u (>o 9f für Arbeiter unb Hanbmerfer, za 1
für Stubirettbc ber Hodjfdjulen mtb oerfchiebene aubere .Wategorieit
unb za 3 Jt. für bie übrigen ‘sgerfonen. Ju Beipzifl ift bas im Jrüh=
jahr begonnene Untcntehmcn ber „Hodifdutloorträge für Jeberntaun"
fortgefeßt unb bahnt crmcitert morben, baß außer beit Ginzeloorträgen
nodj' fünf je 4—6 ftiinbige Wurfe eingerichtet mürben. Xie Bortragenbeu
marett mic itt Miindjrn Xozenten ber Hod)fd)ttle, als Bovßßenber bes Aus*
idfnffes unterzeidjuet beu Beridit 1897/98 Brofeffor Dr. BcSfiait. Jiir bic
Borträge mürben miebrrum Warten ii 10 ober SerieuFarten ä 1 JL. atts=
gegeben. 91ed)iiet mau bic Befudjsziffer bei 12 Bortragsabeube ber Ginjrl*
oo'rträgc unb ber iusgefantmt 24 Abeubc ber Bortragsfurfe im leßtcn
hinter zafammcti, fo beträgt bic Befudisziffer 10104. Als geiftigen
Mittclpunlt uitb !zar Hebung bes Xeutfd)ti)ums im Cfteit foll zur
©rünbung ber Waifer 3Bilhclm*BiblothcF nunmehr bie Schaffung
einer Art freier AFabentie für Stabt unb Brooiuz ^ofeit hinzu*
treten. £b fic and) ben unteren BolFsflaffett zugänglich gemacht merbeu
foll, ift uns nidit Mannt. 3Büitfd)ensmerth märe cS für ben äuge*
ftrebten Jtoecf ftchcr.
9Bas bemeift biefe Aufzäljluug? Xaß fich auch in Xeutfdjlaub
baS Bebürfttiß nacfi BoIfS-Hoihfchulett oielfad) regt unb baß gern unb
frenbig bie gebotene Gelegenheit, bie Weuutniffe zu bereidjern, 001 t ber
arbeitenben Bcoölfcrung 1111 b beu unbemittelten .Wlaffett ergrißen mirb.
XaS läßt ermarten, baß auch bas fdiötte llnteruehmen Berliner Hochfdutl*
lehrcr einen guten Boben ftuben mirb — troß aller SBiberfadjcr, bic fidi
ihm entgcgcnftellen!
Gharlotteuburg. J r i ß S p c d) t.
$D|iale §t)stene.
Schulärzte.
Xer Attffdimuiig ber Sozialhygiene hat bie AufmerFfamFeit ber
Sdmloermaltungcit ueuerbiugs auf bie Aothmenbigfcit einer ärztlichen
Uebermad)uug ber Sdiulen Ijingemiefen. Als Worrclat ber allgemeinen
Sdiulpflidit fängt bic Beoölferuug au zu forberu, baß aud) bic Winber,
bie biefer Sd)iilpflid)t folgen, oor Sdiäbigiuigeu bemahrt merbeu.
Hiigtentfcr, mie ^rof. Hermann Gohit in Breslau u. A., haben fd)ou
feit 1866 für bic Ginführung oou Sdjulärzteu gefämpft, ber hhgienifdjc
Mougreß tu Aiintherg 1877, bie Aaturforfdierocrfammliing iu Xanzig
1881 ), bas heffifdie Mebizinalfollegiitut 1111 b bie mebiztuifdie .Wommiffioit
in Straßburg 1882 oerlangten bic Ginführmtg oott Sdmlärztcn, für bie
man and) auf bctu hngieuifdicn Wongreß in Glenf .1882 unb in ber
miffcnfdiaftlidjnt (Miuifterinl*) Xeputation in Berlin 1882 ettergifdj ein*
trat. Xas Aitslaub (Sduoebcu, Jraufrcidi, £ cftcrrcicf), Ungarn, Aegypteit)
ging mit ber Anficllung oon Sdmlärztcn Xeutfdjlanb worauf. Jnt Mai
ist'2 [teilte bann Beipzig Sdmhir.zti' an; cs folgen Warlsrufjc, Xresben,
Biioslmben, Xarmftabt 11 . a. J 11 Cifeulmd) a. M. hat bie ztweijährige
Berioeubiuig bes Wreisaififtenzarzt^ als Sdmlat'zt zur bauernbeit Gin*
ridjtung biefer Art gefiilnl. Xer gute Grfolg ber BSiesbabener Siegelung
biefer Jvagc oeraulaßte beu prenßifdjen Miiltiismiuifter in einem 91 unb*
101
©ogiale B*ajiS. Gentralblatt für ©ogialpolitif. Wr. 4.
102
erlag an fämmtli<he Wegierunggpräfibenten unter TinroeiS auf baS
SSieSbabctter SWuftcr bie Slnfteßung non ©djulärgten ben ©labten äfjn-
licken Ggarafterg gu cmpfelilcn. Sie SSicSbabener Drbnung für bie
©djulärgte, bie fidj an bie SWufier non $racj, $ari§ 2C. anfcf>licfgt, über*
trägt bem $rgt nidjt blog bie hpgienifdje Uebermachung ber ©cgulräum*
licgfeiten — bei ©emeinbe* unb SWittclfcgulcn —, fonbern auch bie
bauernbe gefunb^eitlid)c Beobachtung ber ©<hulfittber, über beren jebeS
ein ^erfonatbogen geführt unb bejfen ©röge unb ©eroidjt bauernb
fontrotirt wirb. 28ie fegenSrcid) gerabe biefe ©eite ber fchulärgtlidjen
Sgätigfeit ift, möge ber TinroeiS geigen, bag bei 25% ber ftinber
förperlicge ©cbrecheu auf biefe Steife feftgefteßt mürben; bei 7,6% ber
Äinber g. B. beginttenbe Wücfgratoerfrüntmung; bei 9 % bis baf)in nicht
bemerfte Untcrleibsbriiche; bei 13,6 °/o ?lugenleiben unb 2lebnlid)cS. 3 n
bem amtlichen Sud» „SaS ©anitätsroefen bes preugifegen ©taateS 1881
bis 1891" 8. 395 tnirb beriditet, bag ber ftretSpbtjftfuS non Sauenburg
in Sommern in ber ftäbtifdjen Glementarfdjule unter 1156 0d)ülem
13 geijtig nicht gang normale, 17 ©totterer, 12 ©cgüler mit anberen
©pradgftörungen, 47 äurgfiegtige unb 34 ©egroerbörige feftfteßte. Bon
einem Widßfacgmann fönnen bie leichteren biefer ©törungen nicht feft¬
gefteßt merben. Sie golge ift, bag bie unglücflicgcu tfinber in ben
Huf ber gaulbeit unb unaufmerffamfeit fommen unb gurücfbleibcn.
3egt merben fte ben TilfSflaffen für 3Rinberbegabte norübergebenb ober
bauernb Übermiefen.
$n Berlin ift biefe grage roieberholt angeregt, ©ie fdjeint fegt
ihrer Bertoirflichung nahe gu fein. Sie berliner ftdbtifche ©cgulbeputa*
tion h^ befd)loffen, ben ©enteinbebehörbeu folgenbe ©ruttbgüge für bie
STnfteÖung non ©cgulärgten norgnfchlagen:
gür jebe ©emeinbefchule roirb ein ©chulargt nom 3Wagiftrat fontraft*
lieh angenommen. Gittern Birgte bi'trfen höcgftenS 6 ©chulen übertragen
merben. Sem ©chulargt liegt ob: 1. bie Prüfung ber für ben erften
Gintritt in bie ©djule attgcmelbeten .ttinber auf ihre förperliche ©djul*
fähigfeit; 2. bie Prüfung ber für ben Webenuntcrrid>t norgefchlagenen
Sfinber auf förperliche unb phijfiiche Mängel, inSbefonbere auch auf bie
etmaigen gehler an ben ©inneSorganen; 3. auf Grfudjen ber ©cgul*
fomtniffion begtn. beg Sfteftors bie Prüfung eines angeblid) burch $ranf-
heit am ©chulbefudj nerhinberten Sfinbcs; 4. bie Abgabe eines tnünb*
liehen ober fdjriftlidjcn, non ben guftänbigen Organen ber ©cguloertoal*
tuttg erforbertett ©utadjtens a) über uerntuthete ober beobachtete gälle
anfteefenber tomfljeiten ober förperliche Beginberungen non ©chulfittbem;
b) über oenmithete ober beobachtete, bie ©efunbgeit ber fiebrer ober
©djüler benacgtbeiligenbe Ginrichtungen bes ©djulbaufes unb feiner
©erätbe; 5. in 3nüfcgcnräumen non 14 Sagen eine ©prechftuttbe im
©chulhaufe gu haften, itt ber bie Segrer ben ?lrgt um Watb fragen,
auch Äinber bem ?(rgt norfteHett föttnen. — Ser ©djulargt ift nerpflichtet,
baS ©djulhaus unb bie eingelnen klaffen mährettb ober außerhalb beS
Unterricht!?, nad> oorgeriger ?lnmclbung beim Sieftor, in beftimtnten
3eiträumen gu Defuigen unb bie non ihm etma beobadjteten bwenifegen
SWängcl bem Sieftor mitguthcilen. Sie in anttlidjer Gigenfdmft gemachten
Beobachtungen barf er nur nach Genehmigung ber ©chulbeputation
neröffcntlidjen. Sie ©djulärgte merben periobifcb gu Berathungen be*
rufen, tnelche non einem bagu nom Borftgenben ber ©chulbeputation
bestimmten SRitgliebe ber ©djulbeputation geleitet merben. Ser ©cgul«
argt erhält für jebe ©chule ein Honorar non jährlid) 50() M.
Siefe Borfdjläge fcgliegen fleh iu ber .ftauptfache an bie ©runbfäge
an, nach benen in ©täbten mie 833ie6baben, Sarmftabt unb Offen*
bach a. SW. bie ©teüung beec ©chulargteö geregelt ift. ©ie merben bie
Slergte nicht noH beliebigen unb ebenfo menig bie 2ebrcr, bie leiber
immer noch in ber Befürdjtung, ihr Slnfehen fömte burd) biefe Gin*
ridhtung leiben, ftch eingureben fuchen, fie fönnten faft äße Slufgaben beS
©chulargteö felbft löfen. Bebenflich ift bie Bcftimmung, baß einem Slrgte
big 6 Boltefcfjulen übertragen merben fönnen. Gine ©emcinbefchule
Berlins hat burchfchnittlid) 900 Zöglinge; auf einen noßbefchäftigten
©chulargt mürben bamit 5400 ©d)üler fommen, alfo bebcutenb mehr
alg in S reg ben (4000—5000), Seipgig (30CKJ—4000) unb Nürnberg
(über 3000), ben ©täbten, benen in ber Breffe megen beg großen Um*
fangeg ber bem eingelnen Slrgt gugetbeilten Slufgabe fchon ber Bormurf
gemacht morben ift, bafe ihr ©chulargtmefen mehr ben Gharafter eineg
fehönen beforatinen Beiroerfg habe. 3« ©iegbaben, Sarmftabt unb
Offenbach a. SW. entfaßen auf ben eingelnen ©d)ulargt nur 1000 big
1900 goglinge. Silo eine Befjinberung ber miffenfchaftlidjen grei^eit
mirb oon ben Sergten bag Berbot empfunben merben, feine Beobad)*
tungen ohne ©enehntigung ber ©chulbeputation gu oeröffentlidhen. Unfereg
SBifieng ift eine ähnliche Befdjränfung bisher nur SWilitärärgten auf*
erlegt. Bei ber großen 3®hf ^r ©chulärgte, bie für Berlin in Betracht
fommt, müfete, mag man in ben Borfdjlägen oermifct, biefe hhgienifche
Ginrichtung ihre ©pi^e in einem tüchtigen Oberfchulargt finben.
Sm ©(htuutbfuthtdbeftmftfmtg. S)ie ©chroinbfuchtgbefämpfung
hat neuerbingg aon groei ©eiten einen Slnftofc befommen: 2luf ber
70. Berfammlung beutfeher Slaturforfcher unb Slergte befchäftigte
fidh bie Slbtheilung für £>t)giene unb Bafteriologie ant 22. ©eptem*
ber eingehenb mit biefer grage unb fefcte einen bauernben äug*
fdhufe bafür ein; mir haben barüber in Wr. 2 ber „©ogialen
^rajig* (©p. 52) berichtet. Unb bie Gentralfommiffton ber ^ranfen*
faffen Berlins unb Umaegenb unterbreitete bem 2tei(hS*Berft<herungS*
amt eine S)enffchrift „JJur ©dhminbfudhtsbefämpfung" (Berlin 1898).
S)ie Gentralfommiffion (Ber trauen Sargt Dr. SR. 5riebeberg*Berlin)
legt an ber §anb non 3 a hl cn bar, mie bie ©terblid)feit an ©chminb*
fudht in ber inbuftrießen Benölferung nom 15. bis 60. SebenSjahr
etma bie §>ä(fte, in einer SReibe non ©emerben noch mehr beträgt, mie
bie Äranfenfaffen für ben eingelnen ©chminbfuchtSfaH im ßaufe
ber Sabre über 1500 <AL begabten müffen — bie fleine $affe ber
©olbfehmiebe, mit nur 1762 SDtitgliebern, hat in ein paar Sahren
für 26 ©<bminbfü<btige über 27 000 ausgegeben — unb fo
ourd) bie ©d)toinbfu<bt gröfetentheits an ber noßen Grfüßuna ihrer
fonftigen fogialen gunfhon nerbinbert merben, unb mie enblich bie
SnnalibitätSanftalten einen non Saht gu Sahr fteigenben
Brogentfah non SRentengablungen auf ©runb ber Suberfulofe gu
nergeiebnen haben, ^ranfenfaffen unb SnnalibitätSanftalten
müßten barum gemeinfam norgehen. S)te ©runblage biefeS
BorgehenS müffe bie ßeilftättenbehanblung bilben. Grforbert mirb
bas SRedjt auf §eilftättenbehanblung ber bagu geeigneten
Säße, bie obligatorifche Ginfübrung in ben bafür geeigneten Säßen.
Um ben Teilerfolg nicht burd) bie „©orge um bie Samilie" gu ge«
fährben, foßen bie Suualibenanftalten bie gangen Soften beS Teil*
nerfabrenS übentebmen, roäbrenb bie ^ranrenfaffen bas gange
Äranfengelb ber Samilie jufommen laffen, ein Berfahren, baS in
Berlin jefet burchgefübrt ift. S)er Slufnahmebegutachtung müffe bie
tbatfäd)iirf)e Aufnahme halb folgen. GS bürfe nid)t norfommen,
bafg „fein Bla^ mehr ba ift". Weben ber Blöglichfeii, aus ber
Benölferung bte aßererften, bie SlnfangSfäße berauSgugiehen, hange
bie Oöfung ber ©chminbfuchtsfrage banon ab, ob bie Tratten
ihren Pfleglingen ©eroöbnung an WtuSfelthätigfeit ober auch
BerufSroechfel ermöglichen fönnen. deshalb fei enge Suf)lung mit
§lrbeitSnachroeifen nöthig’, bamit rechtgeitig ben Gntlaffenen in ber
©tabt ober noch beffer im Keinen 0rt ober auf bem fianbe paffenbe
Befchäftigung nachgemiefen merben fönne. Borbeugenbe Blaferegeln,
Belehrungen, auch über bie fogialpolitifche ©efefegebung, müßten
bagu fommen. ©ei es hoch oorgefommen, bafe bei ber Snnalibitäts*
anftalt ©adhfen im Sahre 1894 non 476 SRentenanfprechern auf ©runb
non ©d)minbfu<ht 106 bereits in ben nächften 2öoc|en, benor ße
überhaupt Befcheib erhalten fonnten, gefterben maren. Suberfulofe*
BerhütungSnorfchriften in Blafatform gunt Slufhängen in ben Be*
trieben feien gmecftnäjjig, mie fte bereits nom Bcretn für Arbeiter*
fürforge in Öeipgig h er 9 ^fteßt finb. 3u aßerjüngfter 3 c it habe
baS preußifche ÄultuSminifterium ferner bie ©emährung unentgelt*
lieber ©putumunterfuchungen im Snftitut für SnfeftionSfranfheiten
ben Berliner Slergten in fichere SluSficht gefteßt — eine banfenS»
merthe Sbrberung. S)er Bericht fchliefet mit bem ©ahe:
„Unb bas Bolf mirb noch lange ün frteblidjen mirthfehaftlichen
SSettftreit, mie tm frieblichcn Wtngeit ber Wattonen bie Bräponbcrang
behaupten, melcheg am entfdjloffenften ben Äampf gegen bie Suberfulofe
aufnimmt unb am rüdftchtglofeften bie ©chä^e an ©über unb ©olb in
gefunbeS Blut unb gefunbe Sungen feiner Bürger gu nermanbeln magt."
filtctarifrfit Slttjeigeit.
Beftimmungen ber Bt^ugifchen Gentral»©enoffenfdjafts*
Äaffe über ben ©efchäftSnerfehr. Berlin 1898, Srucf non
Bentharb Baut.
Siefe als SWanuffript gebruefte Sufaumtenfaffung ber für bie
„B^ugenbanf" in ihrem ©efegäftgoerfehr maggebenben Beftimmungen
enthält bie brei einschlägigen ©efege non 1895, 1896 unb 1898 über
bie Grrtchtung unb SluSgeftaltung ber Äaffe. GS folgen bann bie Be¬
ftimmungen über ben Bcrfcgr mit Berbattbgfaffen, bie Bebingungen
über ben aßgemcinen ©efchäftSnerfehr foroie für ben Berfehr mit öffent*
liehen ©par* unb ©emeinbefaffen unb ben Ghecfocrfcfjr. Sem 3ncfcr*
unb bem ©pirituSlombarb ftnb befonbere 2lbfdjnitte gemibmet, ebenfo
ber Beleihung non Hnmeifungen auf Branntroeinfteuer-Bcrechtigungg*
fcheine. Ätt legter ©teßc ftnb bie Beftimmungen für Äornhauggenoffen-
jehaften auf geführt.
Beiträge gur ©tatiftif beg T^rgogthumg Braunfcgmeig. TerauS*
gegeben nom ftatiftifdjen Bureau beg Tergoglicgen ©taats*
minigeriums. T^ft XIV. 1898.
Sag §cft enthält Arbeiten über bie Umgeftaltung ber ©teuer*
nergältniffe im Tcrgogthum burch Ginführung ber ©taatseinfommenfteucr,
bie ©utSgertrümmerungen 1896, bie Bolfsbibliothefcn 1897, bie erroerbs*
thätige Befchäftigung non ©cgulfiubcrn, bie braunfehmeigifdie Beamten*,
SÖittroen* unb Söaifenoerforgungsanftalt. ©ämmtlidje ?luffägc ftnb nom
Borftanb beg Burcaug, ginangratl) Dr. 3'mmermann bearbeitet.
Slöln. Bericht über bie Bermaltuitg ber Äranfenanftalten ber ©tabt
ftöln pro 1897.
SerattoortUcQ für bie »ebaltion: Dr. Srnft grantfe tn Berlin W., Bapreut^erftrage 29.
103
©ojiale $raji8. ©entralblatt für Sojialpolttif. 9fr. 4.
104
©te „$ 4 ffaU glraet*“ erfdjeint an iebem ©onnetdtag unb tft burt| alle 33u<bbanblungen unb Sßoftämter (^oftjeitungOnummer 6729) 311 belieben. ©er $ret*
für ba 6 Sictieljabr ift SR. 2,50. 3>ebe 9hmtmer foftei 30 $f. ©er Änjeigenpreifl tft 60 $f. für bie breigefpaliette ißetitjeile.
öerlag ber Arbeiter -IDerfbrgnng.
Ä. Utofrijel in fiexlin W.
* <©6? *
X>ienftr>ertrag
ätmfdjen
brit $rimkrnküffm ratb ifjrrn
grämten.
3m 2litfd}Iujj an heit HUntjierialerlafj
hont 9. 3uli 1898 entworfen.
—s—
$retß 16 $f., 10 Stüd 75 $f., 25 Stüd 1,50 2».
Soeben erhielten:
3«|rt#dj fit ®tfe||th#i, SttMtai »ii SolfeiirtHift
im U*wtr<^ew fjtaldj*.
DerauSgegeben non
<$*£«» JdjttwIUr.
JUut folgt. XXII. fatjrgang. fftrtto §tfl. gr. 8 °. *ret» 8 p. 40 Vf-
Sn^alt: Siaatenbunb unb 93unbe3ftaat. 2$on Äarl non Stengel. (3weiter, [^d^Iu6^]9Lrtife4.) —
©ie ©renjnubcn*2^eorie als ©runblage einer ultraliberalen SBirtfd&aftSpolitif. 2$on SabtS*
IauS n. Sortferoitfcp. — Beiträge jur ©efcbtdjte unb S^eorie bes SlrmemoefenS. ?luS bent
„ 9todjlab bes grei^erm o. Stetyenfiein ^erauögegeben unb ergänzt non ©mil 2>tün[terberg. —
©te bireften Steuern unb bie SSermögcnSetttroidelung in Augsburg non ber SRitte bes 16.
1 bi8 aum 18. ^a^rbunbert. 23on 3- ©artung. — ©ie Mangel ber ^olijei. Son Otto ©erlaub. —
©ie Äoften ber SBolfSfdjuIe in Sßreufjen. fBon Ulbert £ofc. — fBolfSroirtfcbaft unb 9tedi|ts-
orbnung. ©röffnungSrebe ber Sa^resnerfammlung 1896/97 ber „American economic asso-
ciation“. 3$on ©enrp ©. 2lbamS. — ©ie benorfte^enbe ©meuermtg be$ ©eutf<ben S3anf-
gefefceS. 3$on ft. ©elfferidj. — Sitteratur.
Soeben erfdienen:
Hut# uni) Hnterfttdpp
5ur
Jlttfafujjs-, MtrronltnHgs nab iirtfd)ttft5gefdji(l)tt
ktfiukns In itnfiißn Staates in 17. ul 18. ft^ultrt.
SBon
< 5 uftat> 5 ct}moUer.
gr. 8°. (XIII, 686 S.) 1898 . $ret$ 13 2 »., geb. 14 SK. 60 $f.
ÄitS btt Qiitleitititalbe# SerfaffeirS:
„ 98 a$ tdj 5 ier einem weiteren Greife norlege, finb btftorifcbe Unter-
fu<bungen, bie aber ebenfo bie allgemeine ©rfenntnis non Staat unb 9 iecf)t,
fBolfSnrirtfcbaft unb ©efettfdjaft förbern, als bie ©ntftebung unferer natio¬
nalen 3nftitutionen erflären unb ba$ 2$erftänbniS ber ©egemnart erleichtern
wollen."
I. ©aS 2 KerfantiIft)ftem in feiner fjiftoriidjen 2 ?ebeutung: ftäbtifebe, territoriale unb
ftaatlidje 2 Sirtf<baftSpolitif.
II. ©ie ©anbclsfpcrre jrotfeben Sranbenburg unb Sommern im Sabre 1562 .
III. ©ie ©potbeit ber prcu&ifcben ginanjpolitif bis jur ©rünbung beS beutfcben 2 leicbe 8 .
IV. ©tc ©ntftebung be8 preufeifebpn ^>eere8 non 1640 — 1740 .
Y. ©er beutfebe Seamtenftaat nom 16 . bi8 18 . 3öb r b un bert.
VI. ©aö branbenburgifeb-preubif^e Srniungämefen üon 1040 i^OO, bauptfäcb»
lieb bie 2 lefom unter Sriebridj SSilbelm I.
VII. ©ie rufftfebe ©ompagnie in Berlin. 1724 — 1738 .
VIII. ©ie preufjifcbe Seibeninbuftrie im 18 . Sabtfpmtert unb ihre Segriinbung bureb
3riebri(b ben ©rofeen. *
IX. ©ie preufjifcbe ©inroanberung unb länblicbc Äolonifation be» 17 . unb
18 . Sab^bunteriS.
X. ©ie ©poeben ber ©etreibebanbcBoerfaffung unb -^olitif.
V V V W
s«/la
Soeben erschienen:
Statistische Studien
zur
Enfwickelungsgeschichte
der
Berliner Industrie
von 1720 bis 1890.
Von
Otto Wiedfeldt.
(Staats- u. soo.-wiss. Forsch. XVI. 2.)
gr. 8°. (XI, 411 S.)
Preis 9 Mark 60 Pfennig.
3t » » 3f 3T
Soeben erfebienen:
gtt« pictcerfji
imib brat ptgrtlidfru fit bas Irutfdfr Und).
SYfiematifd? öargeftellt
oon
Cudwfg fNid,
ftegtftanmalt tn URalnj.
18 *,4 23ogen, gr. 8°. §ßrei^ gebunben 5 3Ji. 40 ^f.
ScrantiDorUid) für bie fliueigen: ^toQuiutl) @ctbcl. £cii3ig. — beileg oou 2unrfct & $>uni&Iot, ifeipiig. — Oebturft bei 3uliu8 ettlcnfclb, Scrlhi.
Seigclegt ift bicicr Kummer ein ^rofpeft oon £>crrn R. I,. Prager, iß er lin, betr. Slanc, SDrgauifatton ber Arbeit.
Otto Liebmann, Verlagsbuchhandlung, Berlin W. 35.
Soeben erschien:
Chirurgische Operation and ärzt¬
liche Behandlung . Eine strafrechtliche Studie
von Professor Dr. Carl Stooss, Wien. m. 2,60.
In dieser medico-juristischen Studie gelangt der Verfasser unter
Verwertung zahlreicher Fälle aus der ärztlichen und juristischen
Praxis zu dem für Aerzte wie Juristen gleich wichtigen Resultat,
dass ärztliche Behandlung keine Körperverletzung sei.
vm. faprgsitg.
©erlitt, ben 3. ÜJiooembec 1898.
itnmmtr 5.
Soziale pvati*.
(IfentrafMatt fö* £>o$\atipolitx&
f
mit ber 2flonatS5etlage:
Das (Rewetbe^mct^t*
©rgcm öes Oerbanbes beutfdjer (5ert>erbegertcfyte.
«Reue golge bcr „©lätter für fojtalc ©rayt«* unb beS „Soaialpolittfcben EentralblattS".
an jekew f)om»etf»«|. Herausgeber! Drei» »ledelfifrlt* 2 SR. 60 *f.
fRebaftton: ©erlitt W., ©ahreutbevftraße 29. Dp« Ctttft ©erlag bou 3)under & §umb(ot, Sel^jtg.
3tti)aU<
Arbeiterfchufr unb Heimarbeit. I.
©on Dr. Eugen Schroieblanb,
©riöatboaent, SBien.105
«floemetuc nnb fiMrlOfftaftt*
ttssIMI. 111
©ie preufcifäen ööttbtagSntöblen.
©aß beutfdje Stveifgefefe.
Eefefcentmurf betreffenb ben Schüfe
bet AngefteUten im HanbelSgewetbe.
Antrag auf Aege.mtg ber Heimarbeit
in Defterreicfe.
Kommunale Se&talMHtti .... 112
©ie ftabtifd^en Etgenbetriebe.
gorterfeebung ber ©etbrauchSfteuem
in Hcibelberg.
SlübtifdjeS SöofenungSnac&njeiSamt in
©tülfeaufen i. E.
Vvfcdterlicmcguttfl.114
©er Streif ber ©erfilberer au
©erlin. ©on 3Jt. b. Scfeula,
©orfifeenfeem beS EemerbegericfetS
©etlin.
©ucfebrucfertarif-©etoegung.
©aS ^üncbenet Arbeiterfefretariat.
Streifs unb AuSfpeTrung in ©ünemarf.
Hvbettevf*«*.116
©te Sage ber jugcnbli$en unb
toetblidjen 3 te 0 clelarb«tter
unb ber ©unbeßratfe. ©on
ÜBilfeelnt Smientp, ©etlin.
©ie fReidjSfommiffton ffir Arbeiter*
ftatifHf.
©erfeütung bon SRilabranböergiftung
in ber Shierhaarmbuftrie.
©erbot ber ©enufeung bon offenem
Sicht in ben preufeifchen ©ergmerfen.
91 *beUert»erfld>evuug. 120
©on ber SRobefle auc Alters* unb
gnoaliDitötSoerficherung.
AUerSberforgung für toeibliche ©ienft»
boten in Defterreitb.
©ie ftaatücbe AUerSoetfidjerungSfaffe
in ÖftanfTeitb.
gortfübtung ber ©eratbungen über
Rranfen* uub Unfaüberficberung in
ber Sdjtoeta.
Rtvbetitn«dM»ei# .1*21
©etbeiligung bon Arbeitgebern uub
Arbeitnehmern nn ber ©ermaltung
beS EentralOereinS für ArbeitSnad)*
toeiS in ©erlin.
Siäbtifcher Arbeitsnachweis in
Spanbau.
ArbettSnachweiSbuteauj unb 28arte*
räume für S(bauerleute in Hamburg.
Eentralanftalt für ArbeitS* unb
SBohnungSnacbweiS in ©armftabt
1897/98.
ArbeitSbermittelung in Steiermarf.
Arbeitsnachweis in ©erbinbung mit
ben AaturalberpflegungSftationen in
ber Sdjweia.
fStofttusugSmefeii .123
ßur ©eform bet ©auorbnungen.
Arbeiterwofenungen in ber ©robina
Hannober.
©ie ArbeitermobnungSfrage in Aürn*
berg.
©erein „Arbeitetbeim" in ©ielefelb.
mttetaxm* tiHatti«!.125
3nbalt beS (Sewerbegericfets Ar. 2.
©dinge: „®«S Oetoerbcgeriibt" 9be. *.
Abbrucf fämmtlicber Artilel ift 3cüungen unb 3«itfchrtften geftattet, jebocb nur
mit boHet Quellenangabe.
Ärbeitrrfdjulj unb Heimarbeit.
i.
3 )ie „AuSbebnung beS ArbeiterfcbufeeS auf bie HauSinbuftrie"
bilbet ein ftänbigeS $oftulat ber Arbeiter unb 3o3ialpolittfer.
3n bcr £l)at ergiebt ftd^ bicfe Jorberung aus beut ^rinjipe
HeS ArbeiterfcbubcS felbft. SRic^t blofe aus ber 9 fiicf|icf)t auf bie
t eimarbeiter, nein, aucf) aus SRucfficbt auf bie betn gefeplid)eu
rbeiterfcf)u(je bereite unterfteflteu ^erfoiteit. (£enn infolange bie
•5)audinbuftrie in ben Slrbeiterfdjufe nicf)t einbe^ogen ift, fönnen
Serf^ärfungett ber Sabrifgefetjgebung unb be<? 2cfjntK0 ber ^lr*
beiter im ftleingeroerbc gerabegu bie ©eiterentroicfelung ber un«
gefertigten Heimarbeit — biefer non allen organiftrten Arbeitern
befämpften ©etrieb8form — beförbern. 3>rt Äenntnife biefe8 aucT
im 2)entfd)en SReicT^tage bereits erörterten 3 u f ammen Ö an 9 c ^ 1 )
forberte ein $r«^nermer am 3 üric^cr 2 lrbeiterf«Tuj}longref$ 1897
baö Verbot ber gafaifarbeit für nerreiratrete grauen „vev*
bunben mit bem Verbote ber Heimarbeit, benn o^ne biefes
mürbe fic einfad) in bie 5 tetterlöcTer ober 2)acTböben oerlegt". Unb
be^^olb fenn&eidjnete berfelbe ^ongrefe bie HauSinbuftrie alö ein
S ro|e-5 ^>inbei:nib für bie ©urcTfürnmg eines mirffanten Slrbeiter^
rufeeS. 2 ) ®iefe ienbenj bcr ScTutjgefebgebung für ©erfftätten*
arbeiter, bie mcitere Entfaltung ber ungef^übteu ^>auSinbuftric ju
beförbern, mirb aber um fo fräftiger 31t Xage treten, je me^r bie
Entroirfluttg ber elcftriftTen SfraftübertragungSmetboben ben moto*
rifeben betrieb in ber HauSinbuftrie oeraUgemeinent roirb.
0obalb mir inbefe ber Öorbcrung 3uftimmen, bafe ber H au ^ s
inbuftrie angepafcte Slrbeiterfdbubbefhmmungen 3U erlaffen ftnb,
tnuft uns auch Har fein, bafe es abfolut rtiebt genügenb roare, für
bie Seacbtung ber auf3ufteÜenben 0d)uboorf(briften lebiglitb bie
HcmSinbuftriellen felbft haftbar gu tnad^en. Glicht etroa aus
boftriitäreu Erroäguitgen über ihre Unfelbftänbigfeit, fottbent rein
aus Erwägungen ber $rayis. können boeb febon bie S 5 or*
febriften, roeldbe baS Kleingewerbe betreffen, nur ferner unb faum
burc^gefübrt werben, weil es nidbt möglich ift, baS gefammte
Kleingewerbe bureb bie gegebenen Drgane ber ©ewerbeinfpeftion
unb ber Eemerbebebörben einem wirffamen Spange 311 unterwerfen.
Unter bem Einbritcf biefer unleugbaren &batfad)e habe ich mich oor
fahren gegen ben SSorfcblag auSgefprocben, ba§ bie Öabrif* unb
J ) @0 fagte 3 . ©. Abgeorbneter Dr. Hi fee bei ©egriinbung feines
Antrages rom 5. ©eaember 1895 ( 9 ?r. 22 ber Anlagen): bie oerbünbeten
©egierungen feien 31 t erfudjen, bie AuSbebmtng ber ©eftimmungen ber
(^nuerbeorbnung, betreffenb ben Schub ber iugenblidjen unb wetbUcbcn
Arbeiter auf bie HauSinbuftric — unter befonberer ©eriiefftebtigung oer
©irfungen ber Jvabrifgcfebgebung auf bie ©ennebrung ber H fl uS»
inbuftrie — bureb Erhebungen oor 3 ubereiteu: „©ab bie ©crbältniffe in
ber HauSinbuftrie oiclfarf) fd)litnmer finb als in ben ^abrifen, baS ift
f)ier häufig genug auögcfübrt worben. . . . 23ir finb aber umfontebr
ba 3 ii ueranlagt, biefe ^ragc 31 t erörtern, weil auch bei uns uielfad) oou
ben ^nbrifinfpeftoren berichtet wirb, bafe bie oerfdiärften ©eftimmungen
für jugcnbltcbe unb weibliche Arbeiter 31 t einer ©ermebrung ber HnuS=
inbuftrie geführt haben." (^rotofoH ber Sibnng bes 9t ei cf) s tag es am
15. Januar 1896, 3. 337; »gl. and) 3. 339 unb 443.) ©ic gleirfje Er*
fahrung bcrirfjteu and) bie cnglifchcn ^abrifiufpeftoren mit ©e^ug auf
bie jiutgfte englifdje Arbcttcrfdntbnooelle am? 1895 (Armual Report of
the Chief Inspector of Faetories and Workshops for . . . 1896, Bonbon
J 897, 3. 38). Unb aud) ber ©erorbnung 00 m 31. :1Vai 1897, wcldic in
©cntfrijlanb bie Arbeiter ber Mlcibrr* unb ©äfdiefonfeftion ben 135
bis 139 ber ©emcrbeovbmtng nnterficflte, wirb bie glctd)c ©iirfnng
nadjgefagt. ©er Allgemeine bontfehe Sdmcibcr* unb 2rfniciberinnen*
fongreü uom 22. unb 23. Auguft 1898 311 SKaunbcini betont in feiner
9te[olntiou: „Häufig finb bic bind) bie ©erorbnung betroffenen Arbeiter
ans bcu ©crfftättcn entfernt unb ;gtr Heimarbeit getrieben worben."
(„/'vadßeitung für 2dnteiber" |Hautbttrg| turnt 27. Auguft
2 ) 'suteruationalcr Kougrrü für Arbriternfnih in ^piridi, 1 s ' ( 7:
A'mtlieber ©ertdjt; ^liirid), ('Iriitltoerein, 1^‘ns, 2. 22.'* ff.
107
©ojiale $xagis. ©entralblatt für ©ojialpolüif. Nr. 5.
108
SBerfftättengefefcgebung einfacf) „auf bie §auSiubuftrie auSgebehnt"
werbe. 6iitb bie bcfte^eitben Arbeiterfd)iifcgefefce, fcfjon foweit fie
fleingenjerBIidje SSkrfftätten betreffen, auf betn Slonttnente wie in
©nglanb fehlest burchgeführt, fo rönne man nicf)t hoffen, bafe
ihre weitere 2Iu8behnuitg auf bie fmu^inbuftrie fie burdfjführbar
machen werbe.
2Wein bie englififje ©efefcgebuiig hoi wohl ben richtigen
Hafen gefunben, ber hi er einzufepeit tft. Sie hot (Eactory and
Workshops Act, 1895) ben ©ewerbSinfjaber — freilich bisher
nur in theoria — hoftbar erflärt, wenn feine NufjerhauSarbeiter
an einer Stelle befchäftigt werben, „welche für ihre ©cfunbbeit
nachtheilig ober gefährlich ift" 3 ) unb ihn thatfäd)Iid) bafür
nerantwortlich gemad)t, bafc SBefleibungSftiicfe in einem §aufe her*
gcfteßt, auSgebeffert ober gereinigt werben, worin ein Scharlach*
ober Slatternfranfcr fid) befinbet. 4 ) Unb -grau 2öebb*^otter
hat gegenüber meinen bamaligen SBebenfen 5 ) bodj wohl mit
SRecht ermibert, 6 ) bah, wenn Die Verleger fowie bie HanS*
eigenthümer bafür oerantwortUd) gemacht würben, bafj bie uott
ihnen oerlegten (be^w. bie in ihren fmufern gewerblich thätigen)
3keifter, 3toifchenmeifter ober Heimarbeiter ihre Arbeit unter folgen
SBebingungen oerrichten, wie fie bas ©efefc oorfchreibt, bamit
fdjon eine Hanbhabe jur Dnrchfebnitg oieler SBorf Triften ge«
wonnen wäre.
So ber ^hat würben bamit Verleger wie Hausherren — unb
baljet auch bie H rt «änteiftcr — z« freiwilligen Organen ber ©e*
werbepolijei. Sn hem Momente, wo biefe ^erfüllen (Gefahr laufen,
in Solgc einer Shueige ober eines zufälligen Söcfuches ber ©ewerbe*
Snfpefhon einer Strafe zu oerfallen, weil gewiffe gefefclid)e $or*
fd)riften in ben oon ihnen befchäftigten (bezro. in ihren Hüufern
bcfinbüchen) betrieben aufeer Hd)t gelaffen werben, miiffen fie be*
ftrebt fein, bie Beachtung bc* ©efefceS iljrerfeits z« förbern. 7 )
3£a8 bie Verleger betrifft, hoben manche feine $i'unbenfd)iteiber
Bonbons bereits oor Sohren ihre fyaftorc beauftragt, fid) bei
ihren @efd)äftSgängen auch barum z« fümmern, ob in ben 3a*
milien ber Stücfmeifter, welche für bie Unternehmung arbeiten,
etwa eine anfteefenbe kranfheit berrfcht, um gegebenenfalls bie
Äunben oor bereu Uebertragung frühen zu föitnen. §. 6 ber eng*
Iifchen gabrifgefebnooeHe aus 1895 |ot biefeit Schuh ber reidjen
Äunben aud) ben ärmeren zugewanbt. Uns bonbeit es fid) aber
um ben gefc^lidjen Schuh ber Heimarbeiter felbft.
8 ) „§. 5. SBeitn ein Snfpcftor ben föefifccr einer A-abrif ober 3Serf*
ftätte ober eilten ^mifdjemnann, ben biefer bcfdjäftiqt, fdjriftlidj oer=
[tänbigt, bah eine Stelle, worin für bie ^weefe ober in 3*rrbinbuiig
mit bem Gefdjäfisbctrirbe ber Jabrif ober SKerfftättc Arbeiten oerriditet
werben, für bie Gefunbfjctt ber bort bcfdmftigtrn ^erfonen nadjtheilig
ober gefährlich ift, ocrfäüt ber 5?eiiper ober ^mifdjemnamt — fall? er
nach SWouatSfrift oom Empfange biefer 3Wittheilnng an nod) Arbeit zur
ÄuSfühnuig in jenem Staunte auSgiebt unb ber Gerichtshof, welcher ooit
betn Tyallc Menntnih erlangt, befinbet, baf 3 biefer v piap uadjtljcilig ober
gefährlich ift — im furzen Verfahren einer Strafe bis zu 10 £.
„Seglidie Stelle, oon welcher aus Arbeit ausgegeben wirb, ift in
Hinfidjt auf ihren 23efiper einer Scrfftätte glcidjzuadjteit.
„tiefer Paragraph finbet blof> auf ^erfoueu ?lnwenbung, weldje in
gewiffen Gewerben bejd)äftigt finb, bann auf foldie, weldje Arbeit aus*
geben, ober weldje in gewiffen Öezirfen bcfdjäftigt finb, wie bas ber Staate*
fcfretär oon 3eü ju 3’eit auf Grunb beS t>r» Des AabrifSgcfcpeS oon 1878
oerfiigen mag. (iiite foldjc Verfügung faun aber nur in ^ejug auf einen
Diftrift erlaffen werben, in bem bie 3ohl unb ^ertheilung ber Ü8coöl=
fermtg ober bie s ?lrbeitSbebingungen eine befonbere Gefährbung ber Ge*
fuubheit ber Arbeiter unb v 3eoölferung begriinbeu." —
bisher würbe jeborf) oon biefer ©rmäditigung fein Gebrauch ge*
madjt unb ber ganze >j. 5 blieb ohne praftifdien 4s?crtlj.
4 ) 6. Säenn ber 93efiper einer Aabrif, ^erfftätte, ^äfdjerci ober
irgenb einer Stelle, oon ber au* Arbeit ausgegebeu wirb, ober ein
3wifdjenmann, ber oon einem foldjeit Unternehmer befdiäftigt wirb,
oeraulaht ober geftattet, bau Älcibiuigsfincfe in einem üh>oljnhaufe ober
Gebäube, worin ein Suwoljuer oon Sdjarlactj ober flattern befallen
ift, erzeugt, gereinigt ober ausgebeffert werben, oerfällt er — falls er
nicht nadiweift, bah er oon bem 3?eftaube ber M rauf heit im i'iohnljaufe
feine Atcnutnifj hatte unb uadj ocrnüuftigent (iruieffeit biefe* Riffen audj
nicht erwartet werben fonnte — einer Strafe bi* zu 10£."
s ) Sdjwieblaub, Kleingewerbe unb .s5au*iubuftrie in £efterreidj,
lsU4;‘!öb. il S. 421 ff.
ü ) Ü8<'atricc SS?ebb, llne iiovelle loi nn^laise sur les fabrigues;
Itovue d’Kconomie Politigue 18br», S. 7:55 ff.
7 ) „Ce n'est point au Gouvernement, mais a rontrtg>reneur (ju’in-
eomberait. la ciiarGe de Pinspection. Et Pintervention de 1'ent.refireneur
s'i'xerce d’une fa(‘on bien plus efficace que celle de l'Etat, puisgu'au lieu
dVtre oldigr de recourir a une citatiou devaut les tribanaux, il suffit
gu'il menaee Pouvrier de ne plus lui donner d’ornraee.” (53. 5i3ebb,
a. a. £., S. 7:55.)
SBtll man biefeit oerwirflichen, fo ntuh jeber SHaum, in bem
im Verlag gearbeitet wirb, regiftrirt uub auf bie fiifte beS
©ewerbe s SrtfpeftorS gefept werben. 9lngefid)tS ihtet groben
3ahl fönnten fie aber nicht fämmtlith in jebem, ober auch nur in
jebetn z iüe ü en Sol)re befidjtigt werben, felbft wenn man bie
Snfpeftoren (eoentuell aud) bttrd) Heranziehung ooit ?lrbeitern unb
oon weiblichen Snfpeftoren) uertnehren unb fpczialifiren wollte.
2)aher ift bie Schaffung einer 2lrmee unfreiwiUig*freiwittiger Sn*
fpeftionsperfonen in ben mithaftenben Verlegern ober HonSeigen*
thümern uon wefentlicher ^Bcbeutung. Shnen wäre einmal bie
Hontrolc über bie $8ead)tung allfälliger gcfehlid)er Seftimmungen
im H c inibetriebe unb fobann bie Äontrole über bie Durchführung
ber 5lnorbmtngen beS ©ewerbc*SnfpeftorS zngebad)t. ©S fann
füglich bezweifelt werben, ob cS ein anbercS praftifcheS s MtteI giebt,
um bie „?luSbehnung beS Arbeiter fehlt fee* auf bie HonSinbuttrie"
Zu fid)ern. 2£ifl man jenes 3tel, fo muh nian auch biefe SKit*
haftung feftfeheu.
Sic fönnte nun: 1. ben Hnnäcigentljümer (bezto. Hau*oer-
walter) ober — 2. ben Verleger ober enblich — 5. biefe bei ben
Jaftoren treffen.
1.) Der englifche ©rohfaufmann 6h ar l f ^ Sooth h a * 6ei feiner
©inoernehmung nor ber cnglifchen Royal Commission on Labour
im Sah** 1S92 bcfonberS bie TOthaftung beS HnnSberrn cm*
pfohlen. 3h« f°l^ e Hnnpthaftinig für bie orbnungSgemähe
^egiftrirung beS H^nibetriebeS treffen, 8 ), fowie für bauliche
Defeftc beS l^ofaleS. ©in gefepwibrigeS Verhalten im öofale
hingegen, wie UeberfüKung ober Öeberfd)reitung |ber SlrbeitSzeit
ober fonftige ©efmibheitSwibrigfeiten, welche ihre Hrfache im 95er*
halten beS SttietberS haben, füllten an bem fieberen geahnbet
werbeii. Um aber in beiben Dheilen bas ©efiilil ber SSerant*
wortuug z« weifen, wäre eoentuell ber SBerfftätteninbaber auch
für bie baulid)eu Defefte haftbar z« machen, jcboch sugleicf) zu er*
mächtigen, bie ihm h 4e fnt auferlegte ©elbftrafe oom Hausherrn
eiuzubringeu, unb umgefeljrt ber H a n^eigcntl)ümer gleichfalls h«ft*
bar z« inadjen für bie gefepmibrige SBenupung ber Öofalitäten.
Der 3)Hethcr wäre z« bered)tigen, bis z«r Höh^ ber für bauliche
Defeftc geleifteten ©elbftrafen bie 3 a hl«ng beS ÜDfiethsinfeS ein*
ZufteKen, um fich folchcr 2lrt am Hausherrn z u regrefftreu, ber
Hausherr aber, falls er für bie Nichteinhaltung ber aitberen ge*
[eptid)eu 53cftiinmungcti geftraft würbe, z« ermächtigen, ben ihm
auferlegteit Strafbch-ag gleidh einem SJtiethzinfe ciitzuheben, eoeutuett
in einem abgekürzten Verfahren ben N?ietl)er z«r üeiftung z«
Zwingen. 9 )
Unb je geringfügiger bas NrbeitSlofal ift, befto notbroenbiger
crfcheint H cr P« Sootlj bie Ntithaftung beS H au ^ e4 9 cnthümerS. ©r
beantragt baher, jeben Naum, wortn „eine $erfon eine anbere
s $erfoti z« gewerblicher Arbeit oerwetibet", restlich als 52erfftätte
Zu betrauten, fomit ben Nrbeiterfchuhoorfd^rifteit z« unterwerfen,
unb zroci $erfouen, welche znfnmmcn ober für gemeinfamc Nech*
ltitug arbeiten, als einanber gegettfeitig befchäftigenb, b. i. als eine
„^erfftätte" bilbenb aufzufaffen. Nur Ntaun unb Söeib wären
für ©ine Sßerfoit z« rcd)nen unb gleid) uereingelteii Heimarbeitern
oon ber Negelung anSzunehmen. Die Hebel beS SchwihtpftemS
treffen zwar oielfath oereinzelte Arbeiter; bezüglich biefer blieben
aber aefehlid)e 2Sorfd)riftcn wirfungSloS. 10 )
3toeifelIoS würbe bie H a f tn ng beS H a «^h c ren für gewiffe
Ntängel beS NrbeitSraumcs ben Nad)tl)eil beheben, ber fich für bie
©ewerbc=3nfpeftion aus bcin 3I«ftuireit ber H a n^inbuitriellen
8 ) SSgl. über biefe* 2l)enta ben ?luffa^: „Die Ncgiftrinmg ber
Hetinavbeiter" in ber „Sozialen ^ragis" oom 80. ^imi 1898.
•') Minutes of Evidenee taken before the Royal Commission of La¬
bour (sitting as a whole), 1S93; questions 5419/28; 5451/9: 5575/81;
5GI50/S; 5717/24; 5792/801. Desgl. 53ootlj in feinem Sammelwerfe
Life and Labour of People in London, 53anb IV, S. 345 fg., ferner in
53anb IX, S. 402: „Questions of crowding and of liours worked are
directly the conceni of the tenant, but it would be desirable, that the
landlord should be also responsible, and ultimately liable for the
payment of any fines incurred in this respect wliicli caimot be recovered
from the tenant.“ Unb in einem ^rioatbriefe au* 1898: „1 would only
point out, that 1 conteinplate no punishment otlier than by fine . . .
It would dopend on the nature of the ofience whether the party fined
was the landlord or the oeeupier; but that there miglit be no doubt as
tu the infleetion of the fine no possibility of escape — I propose
to make both j»arties responsible as regards the government, though as
between themselves it would be one or other . . . What is important is
that olTencos should be eheeked by liability to fine and that evasion
of responsibility should be. difficult.“
Iu > Commission of Labour, ebenbort, qu. 5419, 5440/41; 5107 14;
5d97/70s; 5789,91.
©ojiale $ra£tS. Eentralblatt für Sogtalpolitif. Br. 5.
110
100
ergieBt. Der gleichen 0d)wicrigfeit Begegnet auch bie Snfpeftion ber
Heinen JanbroerfSbctriebe. Es ift nid)tS 0elteneS, fo Hagen öfter*
reidjifdie ©eroerbe-Snfpeftoren, baß B*er!ftätten, „welche in bau*
lieber ober fanitärer Begleitung ungeeignet finb unb auf drängen
beS ©ewerbe*3ufpeHors aufgegeben rourben, über furg ober lang
oon anberen Unternehmern wieber als Sßerfftätten in Benufcung
genommen werben" unb auf biefe B*etfe ber Erfolg ber Sofpi^irung
aufgehoben roirb . u ) Ein anbereS toirb bet ber §t)gienifd^en
Beanftanburtg einer großen 2lngahl unterirbifd} gelegener ifeerf*
ftätten 12 ) bemerft: „Die betroffenen Unternehmer haben ficf) nicht
feiten mit Be<ht barüber beflagt, bah ih ne n ßofale, welche (oennöge
gefefclicher Verfügung) gu SSerfftätten ungeeignet finb, auSbrücflich
gu biefem 3 ro ^ oermiethet rourben." Jat ber SnfpeHor bie
Räumung ber baufälligen ober fanitär nachtheiligen Slrbeitsftelle
oom ftlernmeifter erreicht, fo fann er in wenigen Boochen bereits
einen anberen ©ewerbebetrieb am felben Drte angefejjt finben. Dies
bie eine 0d)wierigfeit. Die anbere liegt aber barin, bafj ein bean*
ftanbeter 3roifchenmeifter* ober Jeimarbeüerbetrieb ftd) bem Snfpeftor
burth einen 28ohnungSwe<hfel leicht entzieht; bie Heinen ßeute gablert
unb fünbigen ja ihre 9Riethe oft wöchentlich. 3n Ehicago oer*
laffen 0i(jgefellen, wenn fie Behinberung burch bie Snfpeftoren be*
fürchten, einfach mit ihren BSaren bie BSohnung. 13 ) Die Haftung beS
Hausherrn würbe aber bie Beachtung ber gefefelidhen Borfchriften
aarantiren: er würbe es ftch überlegen, ein einmal beanftanbeteS
Öofal an einen weiteren ©ewerbsmann wieber gu oermiethen, unb
würbe auch betriebe, worin UeberfüttungSoerbote unb Slrbeits*
baueroorfchriften übertreten werben, in feinem Jaufe nicht bulben.
BUt einer berartigen Haftung belaftet §. 24 ber englifchen
SaBrifgefehnooelle aus 1895 bie Befifcer oon Söaulidtjfeiten in
eingelnett äbtheilungeu, 0tocfwerfen ober 3immcrn, melcher eine
med)anifd)e $raft für gewerbliche 3rc>ecfc oerwertbet wirb: fie finb
für bie Beachtung einer s 2lngahl fabrilgefejjlicher Beftimmungen
inbegug auf fanitäre Borfebningcu unb bergleidjen ocrantwort*
lieh, fofertt eS ftd) um 2lbtheilungen hanbelt, für bie nicht mehr
als 200 £ Diethe begahtt roirb.
Ebenfo rnadjt bas ^libeitSgefefc oon Bew*?)or! (Labor Law)
oom 13. 9Jtai 1897 in §. 104 ben Hausherrn bafür oerantroortlich,
baß beftimmte BeHeibungSgegenftänbe unb einige anbere Bkaren
in Söohnungen nur oon ben nädjften Biitgiiebern ber barin
lebenben Jyamilie h^flcftellt werben, es fei bemt, bah bagu ein
fchriftlicher Erlaubtüßfchcin (Permit) bes JjrabrifSinfpeftorS ertheilt
würbe. Die in Betracht fommenbert Beftimmungen biefeS Bara*
graphen lauten:
§. 104. Der Eigenthümcr, ^ädjter ober Verwalter eines 3i n ^ s
gebäubeS ober s BohnhaufcS barf beffen Berwenbuug 3 ur Jerfteüung
ber erwähnten haaren entgegen beit Beftimmungen biefeS ©ofejjeS nicht
erlauben. 3Sirb ein Zimmer ober Btohnraum eines 3m?gcbäubes ober
SBolpihaufeS in gcfeßwibriger Steife bcuüpt, fo hat ber gabrifüifpeftor
bem Eigentümer, $ärf)ter ober Verwalter Ijieoon ftenntniß gu geben.
SSenn biefe lefctcre ^erfon bie gefepwibrige Ergeugung nid)t binnen
30 Dagen oon biefer Berftäubigung au gerechnet abftellt, ober nidjt
währettb weiterer 15 Dagc Borfchrungcn trifft, um bie Biietljer gu
belogiren unb uid)t biefe Borfehrimgcu mit entfpredjenbcm Eifer fort*
fefct, fo ift fie ber Uebertrctung biefes ©efeftes ebenfo fdiulbig, wie wenn
fie felbft bie oerbotene ©rgeugung betrieben hätte.
2. 2luf bie Örage eines SDfitgliebeS ber Cabourfomtniffion, ob
ni^t auch eine Haftung beS Verlegers für bie Einhaltung ber
befonberen ?lrbetterfd)uhbeftimnuingen eintreten foHte, antwortete
§err Sooth, er meine burd)auS nicht, baß ber Verleger oon 35er*
antwortung frei fein foII; er habe aber Sebenfeit inbegug auf
bie praftifche 2)urd)fübrbarfeit biefer Haftung; wenn man Mittel
bagu fänbe, würbe er il)r guftimnten. 14 ) j
Es ift nun wahr, bah ber Verleger bie $ontrole über 1
3mifchenmeifter unb 0ihgcfetten behält, auch ficf) biefe burch !
einen ©ohuungSroechfel etwa ber Qnfpeftion entziehen. Allein es ;
fragt fich, ob er für ein gefejjwibrigeS Verhalten beS .Jans* i
inbuftrieüen in praftifch burchführbarer Sßeife haftbar gemacht ]
werben fönnte. Ein beutfd)er 5lutor hat gemeint, 15 ) bah beut theo* !
retifd) fehr beftechenben ©ebanfen, ben Verleger für Filter, ©efunb* j
ll ) Bericht ber !. f. ©ewerbeinfpeftoren über ihre 9lmtsthätigfeit im |
^aljrc 1893, feien 1894, 0. 41 ff. Scmcrfungcu bes ©ewetficinfpeftorS |
für feien. i
w ) Bericht für 1894 0. 89 ff. j
13 ) Second annual Report of the Faetory Inspectors of Illinois for |
1894 0. 40. Bgl. 0. 55. i
14 ) Ebenbort, qu. 5566/7; 5480/1; 5567/74; 5676.8.
,5 ) 2llfreb feeber, Jaiisinbuftriclle ©efe<jgebimg unb Sweating*
fpftem in ber ffonfeftiousinbuftrie, in 0d)nioller , S „Jahrbuch" 1897,
0 . 286 ff.
heit, ?lrbeitSgeit, Unterricht ber oon ihm befchäftigten JauS*
inbuftricUen oerantroortlich gu madhen, „nicht unwefentliche all*
gemeine unb für bie grohftäbtifchen 0roeating*3nbuftrien audh nodh
einige befottbere Bebenfen" entgegenftehen. 3 u nächft fcheibe bie
3bee, ben Unternehmer für bie 2lroeitSgeit feiner JauSinbuftriellen
oerantroortlich gu machen, oon oornhercin aus; fobann würbe bie
Untemehmeroerantwortlichfeit itt ber grohftäbtifchen $onfeftion$-
inbuftrie nur gu einer BkiterauSbilbung beS 3roif<henmeifterf^ftemS
führen. SDie S^iffhl^ntnciftcr würben wegen ber ihnen auf*
erlegten Berantwortlid)feit oielleicht gu einem Heinen Sheile auf
bas 23ieberauSgeben oon Arbeit oergichten; „im ©angen aber
würben bie groben öfonomifchen Bortheile ber Jeimarbeit hoch
überwiegen. 0ie würben bie Arbeit an eine Hngahl beffer ge*
fteÜter Jeimarbeiterinnen oertheilen unb oon biefen aus fönnte ft<h
bann in ben grohftäbtifchen $Rietb§häufern ein luftiger 0d)muggel
mit halbfertigen ftleibuugSftüdeu entwicfeln." Berantwortlich wäre
bafür oor bem ©efeh nur ber Snhaber ber Jeimarbeitsftätte, oon
ber er auSgeht; biefe 5lermften ber Firmen fönnte man aber an*
gefichts ihrer traurigen fogialen fiage thatfächlich wegen folcher
©efeheSübertretungen nicht ftrafen.
0id;er ift, bah Haftung beS JauSinbuftriellen bei feiner
2frmutb rocrthloS ift. 0icher ift auberfeitS, bah ber Berleger
für bie fanitären Berhältniffe in ber JauSinbuftrie wohl haftbar
gemacht werben fann. 3 utl äd)ft — gleich bem jauShcrrn — für
bie fanitäre Besoffenheit ber Stäume in baulicher Jittficht; fobann
bafür, bah er in fahrläffiger 3Beife Arbeiten in Bäume auSgab,
wo anfteefenben $ranfheiten herrfchen. 2)ie euglifthe gfabrifgefeh*
nooeHe fieht, wie fchon erwähnt, im festeren ßalle bie Jaftung
bes BerlegerS oor. 3är bie baulichen &efefte foroohl, als für bie
Benufcung beS SlrbeitSraumeS gum 0d)lafen ober gum Wochen
beabfichtigt ein ©efe(jentwurf beS BegierungSratheS beS $antonS
3üri<h, betreffenb „baS ©ewerbewefen" (Antrag oom 27. gebruar
1897), bie Jaftung beS BerlegerS eingufiihren. Er beftimmt:
§. 5. 9Bemi Sohnräume als 9lrbeitSftätten in gewerblichem Sinne
beniifct werben, fo haben biefelben gleicher SBeife allen ^gtetitfdheit
Slnforberungen gu cntfprechen; fie miiffen im Berhältnih ber 3 a hl ber
barin ?lrbcitenben hmreid^enb groh, hell, troefen, heigbar unb leicht gu
lüften fein unb bürfeti weber gum Sdjlafen noch gum Wochen Benii^t
werben.
Äellcrräume bürfen nicht als Hrbeitslofale bienen.
©efchäftsinhaber, bie Arbeit auher JauS geben,* fmb bafür oerant*
wörtlich, bah bie oon ihren Arbeitern als SlrbeitSftätten benü^ten SBohu*
räume ben ?lnforberungeu biefeS ©efefceö entfpredjen.
2:ie örtlidjeu ©cfunbbcitsbchörben wad)en barüber, bah-biefe Bor*
fchriften befolgt werben, unb erftatten über ihre bieSfäHige Xhätigfeit ber
£irefüon beS 0anitätSwefeuS alljährlich Bericht.
§.10.wer ben felbftänbigen Betrieb eines ©ewerbeS im
0imte biefeS ©efe^es übernimmt, hat fjicoon bem ©emeinberathr Sin*
geiae gu madjen unb bemfelben bie gum ©ewerbebetrieb beftimmten
Soralitäten gu begegnen.
3ür bie Einhaltung ber gleichfalls gu ftatuirenben Btajimal*
Hrbeitsgcit für ?InherbauSarbeitcr (§. 16) ift jeboch in biefem Ent*
würfe oon einer Jaftung beS BerlegerS abgefehen.
^)aS ©efefe oon B enn fpl ü anien oom 5. Btai 1897, 3-^7'
enblich, welches gleichfalls bie Jerftelliing beftimmter Sparen in
Biohnungen, foferrt babei auch Anbere, als Slngehörig^ ber bort
lebenben Familien befdjäftigt finb, an bie Erlaubuih bes gabrif*
infpeftorS fnüpft, macht ben Berleger oerantroortlich, wenn eine
fold)e Ergengung ohne biefe Erlaubuih ftattfinbet. ^aS ©efefc
oerfügt in §. 1 ?lbfafc 2:
3ebc s l?crfon, $trma, Kompanie ober .Qörpcrfdjaft, weld)e Bercin*
baruitgctt über bie Ergcugitng eines ber oorerwähnten 5lrtifel eingcl)t
ober bas iniüoQfommene Material ausgibt, aus welchem ein ober mehrere
biefer 'NrÜfel ergeugt, begiehungsweife gur ©äuge ober gum 2heil aus*
gearbeitet werben füllen, hat, beuor hierüber abgefdjloffen ober baS
aterial ausgegeben wirb, oom 3 | oifd)emnann ober ben Scutcu bie
Borweifitug beS erwähnten Permits gu uerlangcn u. f. w.
3.) Die hoppelte s lliitbaftung bes JauSherrn wie beS Ber*
legerS neben bem iftiether für bie Einhaltung aller etwaigen
0d)ubbe)timmimgen für oerlegte Betriebe forbert baS englifd)e
0d)riftitelIerpaar Beatrice unb 0ibnet) B3ebb. u; ) 3hnen folgte gum
16 ) ©efebentwurf ber englifchen ?lbgeorbnetcn 0ibnci) Burton itub
©rnoffen: Faetory and Workshop Aet (1878) Arnendnieut Nr. 2; H. o. C.
Bill 61 of 1890. — Bcatricc Rotier Oi?cbb): The Lords and the
Sweatinff System, Junihcft ber 3eitfd)rijt: „The Nineteenth Century“,
fowie in ben ?luffäben: v Comment en finir avec le sweatiner-system,
Revue d’Eeonomie Pulitique, 3. 96.3 fg. uub ,,l T ue nouvelle loi
anjrlnise sur les fabriques“. Revue cl’Fe. Pol., 1895. — 3 1 b 11 ei) B^ebb
oor ber y.abour*ftoniniiifiou (sittin^ as a whole), Minutes of lividenee, (ju.
3740/44; :>sn.V; 4412/50 unb 4 474.
111
Sogtale $rajt$. ßentralblatt für Sogtalpolitif. Sfcr. 5.
112
Dßeil ber englifcße Hbgeorbnete unb fpätere Staatsfefretär Sibnet) |
Vuyton. 3» einem ©efeßenttoitrfe oom Dooember 1890 gu bem
barnals in Veratßuttg fteßenben englifd^en gabrifgefeße roollte
er beit Hrbeiterfcßuß in auSgebeßnter Vkife auf bie HauSinbuftrie
erftrecfen, roofern bie Verlagsarbeit nidjt bloß ben Gßarafter einer
Debenbefdjäftigung ^ätte unb im ^Betriebe guminbeft brei ^ßerfonen
tßätig mären. Den Verleger, ben Hausherrn unb ben VUetßer
für bie Ginßaltung ber gefeßlicßen Veftimmungen haftbar gu
machen, bitten jebocß bie antragfteßenben Hbgeorbneten bloß gur
Sicherung eine# fanitar eutfprecßenben 3uftanbeS ber HrbeitSfteEc
itt HuSficßt genommen (§§. 38, 40, 41 beS GntrourfeS).
Ohne eine ©afturtg beS Hausherrn ober beS Verlegers ober
beiber für bie Veacßtmtg aEfäEtger Hrbeiterfcßußbeftimmungen in
ben ßauSiubuftrieEen betrieben ift man jebocß auf eine notßroenbiger
Steife febr foflfpieltgc unb überbieS an fid) geroiß ungeniigeitbe
ftaatlidje 3ufpe!tion aitgemiefeit; biefe märe aud) beSßalb utter*
beblicb, meil bann meber bie Durchführung oon Hnorbnungett beS
©eroerbe*3nfpeftorS burdß ben Vttetßer nocß bie (Sinbringlic^feit
etroaiger Strafen geroäßrleiftet märe.
VMett. (5. Scßroieblanb.
3Ulgttncittc Sozial- uni Kirtljfdjaftepolitik.
Die preußifcßett fiuubtagSttwßlcn. Hm 27. Dftober haben bie
Urmableit gutn preußifd)en HbgeorbnetenßauS ftattgefunben. SSentt
auch baS Gitbergebniß mit ooEer Sicherheit im Gingeltten erft nach
bem 3. Dooember, bem Dage ber Hbgcorbnctenioahlen, gu über*
blicfen fein roirb, fo fterrfdjt bod) Ginociftäubniß bariiber, baß es
ben oereinigten Konferoatioeit unb Sreifonferoatioen nicht gelungen
ift, bie VJehrßeit, an ber ihnen bisher nur 4—5 Vianbate gefehlt
haben, gu erringen. 3m ©egentßeil hoben fte roahrfdjeinliiß 6 bis
8 Siße ntinbeftenS eingebüßt. Gbenfo oerlieren bie Dationalliberalen
einige Vtonbate. Den ©eroittn tragen allein bie Sreifinttigen beiber
Dichtungen baooit. Das Gentrum fomntt in alter Stärfe mieber.
So rairb bie ^hpftognotnie ber neuen Kammer äußerlich nicht oiel
anberS auSfeßen roie früher. Hber oieEeicßt ift bie innere SBanb*
lang hoch eine erheblichere. So lahm burcbroeg auch bie SBaßl*
bcmegung mar, fo machte fiiß hoch entfchiebcn ein 3ng uad) £infS
benterfbar. Gr geigt fid) raeniger noch in ber Vcrtßcilung ber
Vtanbate, als in ber oielfach |eßr bcbeutenben 3unal)ine ber libe*
raleit Vöaßlmänner. Damit ift fchon jeßt für bie Konferoatioen
ein ÜBarnuugSftgital für bie näcßften Wahlen gegeben. Die Ur*
fad)e biefcr Sdjroenfung nach fiinfs liegt nur gum ©eringfteit in
ber Vetßeiligung ber Sogialbemofratie an ben Wahlen; es finb nur
menigc Greife, mo ihre Anhänger einen Ginfluß auSgeübt ober
nenneuemcrthe Grfolge errungen hoben, fo in HUotia, £inben,
VrcSlau. DirgenbS hoben fie bie Mehrheit ber 2Baßlmänner er¬
halten uttb für bie Hbgeorbnetemoaßl fteßl bei ihnen nur in VrcSlau
bie ©ntfdjcibung groifdjeu Konferoatioen unb Öreifintiigctt. 3» oiel
höherem ©rabe hot bie SSaßleit beeinflußt bie [ehr roeite Greife beS
VürgertßutnS erfaffeitbe Uebergcugmtg, baß bie Konferoatioen in
ihrer heutigen Verfaffung eine Partei ber Klaffenintcreffen finb, bie
im 3nteref|e beS Staaten befämpft merbeit müffeit. Das ift am
flarften unb fchärfften in einem öffentlichen Hufrufe auSgefprotßeit,
beit in Verltn ßeroorragenbe ©eiehrte, ßoße Staatsbeamte unb
Suffigiere, Sabrifanten unb Kauflcute — lauter SJtäuner oon burchauS
foitferoatioer ©efiniuing — erlaffen haben, meil bie fonferoatioen $ar*=
teien „jüngft in michtigen fragen eine §altung eingenommen hoben,
bie ben beiten Drabitionen bcS preußif^en Staates bireft entgegen*
gefeßt ift." Unter ben 23emci$grünben hierfür mar auch ongeführt,
baß gemiffc Führer biefer grattionen „bie fogialpolitifchen 3iele, bie
biefe Parteien felbft früher oerfolgten, umgebeutet unb theilmeifc
faft tu ihr ©egentheü oerfehrt" hoben. 2Seit über bie unmittel*
bare SSirfung hinaus mirb biefe £uubgebnng, ein bebeutfameS
3eidjeit ber 3eit, uod) ihren Ginfluß ausüben. 2öie auch int Gin*
gelneu bie Parteien im preußifchen HbgeorbnetenhauS fid) nach ben
Wahlen barfteflen merben, baS barf man mol)l heute fd)on fagen,
abermalige 3$erfuchc eines „fleincn" UmfturggcfeßeS merben jeßt
nod) meniger iBobeit finbeii als früher. Dies aber ift oon großer
23ebeututtg, beim ungmeifeßaft mirb baS S5erfpred)en, baS Sürft
^ohenloßc bei 33erathung beS bürgerlichen ©cfeßbudjeS im DeicßS*
tag gegeben l)ot, baß baS berbot ber berbinbung politifcher bereinc
untereinanber aufgehoben merben foll, eingeloft merben unb es
mirb bent ^anbtage oor bem 3oßi‘e 1900, alfo in feiner nädjftcu
Seffion, noch einmal eiiteborlage ffir Hbänberuug beS prenßifdien
bereinsgefeßes gugeßen.
Da« bcutfihe Streifgefeß, oon bem ber £aifer in feiner Depn*
haufer Debe am 6. September fcßoit faate, eS nahe fieß ber boll*
enbung, ift feßt noch nießt einmal in feinem erften Gutmurfe feft*
gefteüt. Denn auf bie bringenbe Hufforberung gaßlreicßer blätter,
man möge boeß bie borlage oeröffentlicßcn unb bamit einer miß*
bräucßlicßen Hgitation ißrer ©eguer oorbeugen, erfolgte bie offigiöfe
Hntmort: „Dtefe gorberung ift feßou bcSßolb unerfüllbar, meil ber
Gntrourf noeß nid)t alle 3uftangen bis gu feiner 3eftftcEuug für
bie beratßungen ber gefeßgebenben Äörperfdjaften burcßlaufcn ßot.
Daß ber Gntmurf meber bem ©runbfaß ber Koalitionsfreiheit,
noeß bem Spftem beS Strafgefcßbucßs miberfpreeßen mirb, ift felbft*
oerftänblicß." 93lit biefett leßteren vlnbcutungen ift „felbftoerftänb*
Iid)" gar nicßtS gefugt; beim bie Meinungen barüber, maS bem
©runbfaß ber Koalitionsfreiheit unb bem Spftent beS Strafgefeß*
bud)eS entfprießt, finb fehr oerfcßiebeit. — 3eßt roirb gemelbet, ber
Gntrourf roerbc int Saufe biefer SBocße fertiggefteÜt unb aisbann
att bie ^unbeSregiernngen oerfanbt; es biirtte aber geraume 3 e ^l
oergeßen, eße bie ©utaeßten ber Gingclregierungeu gurüeffommen.
©efeßentmurf betreffenb beit Scßuß ber Hngcftettten tut ^aitbetS*
geloerbe. 3Bie in ben DageSblätterit gemelbet totrb, ift „ein ©efeß*
entmurf gunt Scßuß ber HngefteEten im §attbelSgeroerbe als Gr*
gängung ber ©eroerbeorbitung in Vorbereitung". Dadh einer
anberen Verfion foE eine hierauf bezügliche Vorlage bereits bem
DeicßStage in biefer Seffion gugeßen. — Huf Hnorbnung beS
Deid)sfanglerS finb int September unb Dftober 1892 ftatiftifeße
Grßebungen „über HrbcitSgeit, KünbignngSfriften unb ßeßrlingS*
oerßältniffe im ^anbelSgemerbe" oorgenomnien morbett. 3hre Gr*
gebitiffe gingen ber DeiißSfommiffion für Hrbeiterftatiftif Gnbe
3uni 1893 gu. GS mürben bann roeiter fcßriftlicße (Gutachten oon
Vereinen unb Verbänben eingeßolt unb oorn 9. bis 20. Dooember
1*“94 gaßlreicße HuSfunftSperfoiten müitblicß oernontmen, nad)bent
am 13. Dftober 1894 ein ©utaeßten beS DeicßS*©efunbheitSamtes
einaelaufcn mar. Hm 10. Degentber 1895 oerßanbelte bie Korn*
miffion bann über bie Grgebniffe ber Gnguete unb fteEte ben Gnt*
murf oon Vorfd)lägen für bie Regelung ber Verßältniffe ber
Hngeftellten in offenen ßabeitgefdjäften feft. (Dbligato*
rifeßer 8 Ußr*ßabenfcßluß!) Seitbcm rußt bie Hngelegenßeit.
2Benn fie jeßt, mie oerlautet, gur gefeßgeberifeßen Hftion gebracht
merben foll, fo hängt es oon bem SnßuE beS GntrourfeS ab, ob
bamit toirflid) ein Sortfcßritt ber Sogialrefortn erreicht merben faitit
Hutrag auf Regelung ber Heimarbeit iu Defterrcicß. S^u
öfterreid)ifd)en Hbgeorbneteithaufc brachte ber Süßrer ber beutfd)*
fortfcßrittlicßen Partei, Dr. ©roß, ben Hittrag ein, bie Degierung
anfguforberit, tßunlicßft halb einen ©efeßentrourf gur oerfaffungS*
mäßigen Veßanblung oorgulegett, bureß ben
1. eine genaue Goibenghaltung aller Heimarbeiter ermöglicht,
2. bie Heimarbeit mit geroiffeit, fieß aus ber Datur ber Dinge
ergebenben Ginfcßränfungcn ber Hrbeiterfcßußgefeßgebüng
uutermorfen mirb.
3ur Vcgriitibmig biefes Antrages mirb auSgefüftrt, bie Heimarbeit
fpiele in ber mobertieit inbuftrieUen ^robuftion eine feßr tnid)tige HoEc,
nießt gunt Vortßeilc ber Jubuftrie, nod) meniger gu jenem ber Unter*
nehmerfdjaft unb ber Arbeiter. SBälircitb bie auSfdjlicßließe Vefcßäfti*
gütig ganger Familien ' mit gemcrbltdjer Hrbcit in manchen Ojegenben
als ein llcberbleibfel ocraltetcr "probuftionSformen crfißeiut, ßat fteß in
Dielen OJemcrbcn, oor HUem in ber Veflcibitugsinbuftric, eine neue Hrt
ber Haustnbuftrie, bie Heimarbeit (Sißgcfclicii* unb Sißmeifiermefcit)
eutmicfelt. Die iiputer mebr guueßntenbe Vermeiibuug oon SipgefcQcn
fdjäbigt bie ©emerbetreibenben ber betreffenben Vrancßc in gleid)cm
Straße mic bic SBerfftättcuarbciter, oßnc beit Hänbleni ober Jvabnfantcn
attberc als ooriibergeßenbe Vortßeile gu bringen. Die Konfurreng beS
Unternehmers, ber in ber 3Bcr!ftättc oon gelernten Hrbeitcrn arbeiten
läßt, mirb naßegu unntöglid) gemadjt, ber Beim ber ÜBerfftäücnarbciter
bebeutenb ßerabgebrücft, uttb bie gemerblidie Husbilbung ber jüngeren
HrbeitSfrafte ßört faft gänglid) auf. Dagu fomntt eine über alle Olebüßr
ausgebeßute HrbcitSgeit in bngieuifd) gang unentfpredjcnben, unfontrolir*
baren Hrbeitsräunten, mo bureß nidjt nur bic Hrbcitcrbeoölferung auf
bas Sdjmcrfte gefdjäbigt, fonbern aueß bie ©efaßr ber Verbreitung oott
aitftecfettbeii Kraufßciteu nidjt uumefentlid) crßößt mirb.
kommunale Sozialpolitik.
Die ftäbtifeßeu GigenbctrieBc mehren fieß in Gitglanb ftarf.
Der Bonbon e r ©raffcßaftSratß hcfd)loß am 11. Df tob er cnbgiiltig
bic llcbernaßme ber £onboner Straßenbal)ii*©efellfcßaft an^ bic
I Stabt, nnb gmar foll ber ftäbtifeße Vctrieb am 1. oaiutar beginnen.
118
Sojiöle graste. Gentralblatt für ©ojtalpoltttt. Sfr. 5.
114
3ur Begrünbung würbe bie Erwartung angeführt, baß bie Stabt
ein größeres Entgegenfommen gegen bie 93ebürfniffe ber Allgemein*
beit bcweifeit uitb eine BerFiiqung ber _ArbeitS 3 eit ber Angefteflten,
bie biö^cr elf Stunben beträgt, ßerbeifüßren werbe. 3n ®eutfd^=»
Ianb fträuben fid) befonberS manche preußifcßen Stäbte nodj gegen
Erweiterungen beS EigeubetriebcS. Sie Stabtoerorbneten non
Staßfurt lehnten am 18. Dftober ben Eintrag ab, 350000 M
311 r Einführung eleftrifcber Beleuchtung unb Anlage einer eleftrifcßen
Straßenbahn in ftäbtifcher Begie 3 u bewilligen. Ser BJagiftrat
wirb nun mit Brioatfirnien weiter oerßanbelti. Staßfurt läßt ftch
alfo burch bie üblen Erfahrungen nid)t belehren, bie unter Anberen
Berlin mit ber Ueberlaffung feiner BerFeßrSwege gur AuSnußung
burch prioate ©efeflfcßaften gemacht hat unb noch macht. Am 26. Df*
tober haben bie Berliner Stabtoerorbneten bie llebernahme ber
Berliner Eleftr^itätSwerfe mit 59 gegen 46 Stimmen bebauer*
licherweife abgelehnt. Ser Btagifirat erflärte, baß er einer Ueber*
nähme berEleftrijität^werfe nicht grunbfäßlicß feinblich gegenüberftehe,
fonbern nur Bebenfen gegen eine beseitige llebernahme habe. BJan
muß biefe Aeußerung für Berlin leiber fcf)on als einen gfortfcßritt eben*
fo anfehen, wie bie Beftimmnng, baß ber Elefellfdjaft fein auSfd)ließ*
liebes Stecht 31 W Beuußung ber Straßen für elcftrifdje Leitungen
3 ugeflanben würbe. Erwarten hätte man aber oon ber .fjauptftabt
beS Sentfcßen BeicßcS füllen, baß fie beim Beuabfdjluß feiefer Ber*
träge fid) ihrer fojialpolitifc^eri Bflicßt bewußt geworben tpäre, ben
Angestellten biefer ©efellfcßaften befriebigenbe Arbeitsbcbingutigen
unb Schußbeftimmungen 3 U fiebern. Sic fehlen in biefeit wie in
beTi früheren Berträgen mit ben an bereu C^efellfcßaften fo gut wie
gan 3 . So benußt benn bie So 3 ialbemofratie bie Einführung beS
eleftrifchen Betriebes auf ben Straßenbahnen 3 U einem Aufruf an
bie Süßrcr unb Schaffner ber Berliner Straßenbahnen, worin mit
bem Hinweis auf bie burch ben eleftrifchen Betrieb oerfcßlccßterten
ArbeitSoerßältniffe unb nicht genügenbe Entlohnung ber Anfcßluß
an bie BerufSorganifationen im Eentraloerbanb ber §anbels*,
Transport* unb BerfeßrSarbeiter Seutfd)lanbs empfohlen unb oer*
fproeßen wirb, bie SMbungen geheim 311 halten, um Btaßregelungen
3 u oerhüten. Ser „mandjefterlidje" Öonboner EJraffdjaftSratß ba*
gegen hat am 18. Dftober auf Bericht feines MomiteS befdjloffen,
bie ®ireftion ber Borb*£onboncr Straßenbahu*(Sefellfd)aft wegen
ber Btaßregelung oon ©ewerffcßaftSmitgliebern 3 ur 3^it eines Füq*
ließen Streifs fchiebsgerichtlich jur Beantwortung 3 U sieben.
Stach ihrem Bertrag mit bem EJraffcßaftSrath ift bie ©efeflfcßaft
für jeben 2faII fold^er Btaßregelung 311 SdjabenSerfaß bis 311 1000<V£
haftbar. 90 Btitglicber beS BatßS ftimmten für unb nur 12 gegen
.ftaftbarmacßmig ber ©efeüfcßaft. — Siefc Sürforge beweift ber
£?onboner ©raffcßaftSratß nicht bloß ben Angestellten oon ihm Fon*
SefRonirter Unternehmungen. Er befcßloß in berfelben Sißung 311 m
©efeß über ben Schuß ber l'abenangefteflten Einträge 3 U unterftüßen,
bie bie AuSbeßnung beS (SefcßeS auf fämmtlicße weibliche £aben*
angefteÜte fowie bie Befcßränfung ber HrbcitSseit aller $erfoitett
unter 18 fahren auf 60 Stunben bie BSocße einfcßließlicß 3 wei
Stunben für Blaßheiten oerlangen.
Sforterßebtsng ber Berbraucßöftenem in $eibelberg. Bfößrenb
oon ber Bfeß^aßl ber beulfcßen Elemeinben bie Uugerecßtigfcit
fommunaler ©ebraudjSfteuern bureß ißre Aufhebung anerfannt
wirb, gelingt bie Beteiligung bei ber plutofratifcßen 3afammen*
feßung ber BürgerauSfcßüffe in anberen Stäbten nießt. So wirb
im „Stecßenfcßafisbericht 3 U ben Becßnungen ber ftäbtifeßen Waffen
für baS 3»aßr 1897" in ber Stabt .£>eibelberg bie Biicffidstnaßme
auf bie woßlßabenben Seute oßne Breiteres 3 ugeftanben, in bem es
bort (Seite VII) heißt:
Bei ben namhaften, an Me Stabt fuß geltenb maeßenben Art*
forbernngen war es aueß 00 m praftifdjen Staubpunfte aus burdjnus
mttßunlicß, auf bie ftorterbebung ber Berbraudisfteuem 311 oersießten,
wenn man nießt eine feßr beträd)tlid)e Steigerung ber birefteu Umlagen
ßerbeifüßren wollte, bie für eine auf beit 3 u 3 ll Q w oh Ihn ben ber
2eute angemiefene Stabt, wie .freibelbcrg, nur uou Bndjtßcil hätte
fein foiineu. Es würbe bemgemäß, als au ben Biirgcrnusfdjuß gegen
Enbe beS oorigeu ^aßres i» ^olgc Ablaufs ber l\dt, für welche bie
ftaatlicßc Ermächtigung 3 ur Erhebung bcs Dftrois gegeben war, bie
Botßwcubigfctt herantrat, ficf; über beffen BJciterbeftehen fdtlüffig 311
madjen, oon biefem Kollegium mit 84 gegen 18 Stimmen befcßloffcn,
biefe Einrichtung nad) Maßgabe ber feitßerigen Tarife auf unbeftimmte
3 cit beijubehalten.
StäbtifißcS BSoßtmngStiacßweiSaint itt Bfülßaufett i. E. Sie Stabt=
ocrwaltuug hat oor etwa jwei fahren ein 9lusfunftsbureau eröffnet,
baS unentgeltlich in allen fragen ber Mraufen*, 'Mioalibcn*, ?UtcrS*
unb Hnfalloerfidjerung fowie ber Btietbsgebräucßc 2 c. snoerläffigeu Be=
feßeib crlßeilt. 'iWit biefem Bureau wirb 00 m 1. ^tooember ab juuadjft
oeriueßsweife ein ftäbtifdjcS Bioßnungsuad)weisamt oerbunbeu. B>ic
bie ^granff. 3 *g " mittheilt, füllen bie Bermiether ißre leeren BSoßuungen
tm SWietßwerth bis 31 t H5 Jt. monatlich auf bem Bureau anmelben. l)ie
Benußuug beS Bureaus ift unentgeltlich für beibe Jßeile.
^rbdtcrbcmcgung.
®er Streif ber Berfilberer 3« Berlin.
ben leßten £ageit beS Septembers b. legten bie Ber*
filberer ber Berliner Öolbleiftenfabrifen bie Slrbeit nieber. ^er
^liiSftanb würbe batnit begrünbet, baß bie Arbeiter tneßrere BSocßen
ßinbureß bei ißren Arbeitgebern oergebenS um eine Aufbefferung
ein 3 elner ^ofitionen beS AfforbtarifeS oorftellig geworben feien.
Unter ben AuSftänbigen befanben fieß aueß 18 Arbeiter, bie laut
ArbeitSorbnung ißrer Sabrif oerpflicßtet waren, bie oon ißnen be*
gonnene Afforbarbeit fertig 3 U fteflen. Sie würben baßer oon bem
Arbeitgeber oor bem ©ewerbegerießt oerflagt. tiefer ftiißte ftdj
oorneßmlicß auf bie ArbeitSorbttung, welcße beftimmt: „Afforbarbeiter
ßaben bie angefangene Arbeit orbntmgSmäßig fertig 3 U ftellen unb
ab^ulieferti unb werben aueß bann erft entlaßen." ^er £lage*
antrag ging baßiti, bie Beflagten 3 U oerurtßeilen, bie Arbeit wieber
auf 3 iutehmen. Auf Bedangen ber Parteien würbe in bem Ber*
gleicßstermin am 5. Dftober b. ootn ©emerbegerießt befdjloffen,
in einem neuen BergleicßSterniin weiter 3 U oerßanbeln, fofent nießt
bie Parteien in ber 3 roif<ß<m 3 eit fjcß außergerichtlich geeinigt ßabett
füllten. Unmittelbar naeßbem bie £lage eingegangen war, fud)te
baS EJewerbegericßt 311 oermitteln, unb erreichte bie Anrufung beS
Einigungsamts burch ben Arbeitgeber. $)ie betßeiligten Arbeiter
Ießnten jeboeß bie Anrufung ab, weil fie nießt gewillt waren, wie
cS oont Arbeitgeber oerlangt würbe, bebingungslos bie Arbeit wieber
auf 3 uneßmen. B3äßrenb ber B™S C 6 feßwebte, befcßloffeu bie
oercinigtett ©olbleiftenfabrifauten Berlins, um bem Streif 3 U bc*
gegnen, nunmehr ißre nießt ftreifeuben Arbeiter naeß Erlebigung
ißrer Arbeiten auS 3 ufperren, es fei benn, baß ber Streif itmgeßenb
aufgeßoben würbe. ^)ieS gefeßaß nießt. Es ßanbelte fieß jeßt um
eine AuSfpcrritng oon etwa 500 Arbeitern. Bis 3 unt 13. Dftober
b. 33. waren barauf, in Ausführung beS BefcßlnffeS ber ftabri*
fanten, bereits 61 Arbeiter auSgefperrt. ^)ie 3 a ß^ ^ er ftreifeuben
Berfilberer betrug am gebaeßten £age 78 ^erfouen.
^)er ^ro 3 eß gegen bie 18 Berfilberer fiel 3 U ißren Ungunften
aus. Sie würben feem Klageanträge entfprecßend oerurtßeilt. 3baS
©ewerbegerießt eracßtetc bie fämmtlicßen Eitiwenbnngen ber Be*
flagten gegen ben flägerifcßcn Aufprucß für bureßweg un 3 utreffenb.
Ein 3 elne Einwenbungen finb bemerfenSwertß. So behaupteten bie
Beflagten u. A., baß bie ArbeitSorbnung nid)t für fie ocrbinblicß
fei, ba feinem oon ißnen ein Exemplar auSgeßänbigt wäre. Außer*
feem feien fie nießt auf bie ArbeitSorbnung ßingewiefen worfeen.
3n ©emäßßeit ber §§. 124 b unb 152 ber Beid) 3 s ®ewerbcorbnuug
fei es ferner auSgefcßloffeu, baß ein Arbeiter 3 ur Jertigftelluiig
oon Arbeit angeßalten werben fönne.
2)ie 18 Berfilberer ßaben fieß bei bem Urtßeil beS (bewerbe*
gerießts, baS ber Berufung unterlag, berußigt unb ßaben naeß Er*
laß beffelben bie Arbeit angetreten. Aueß feer AnSftaiib ber übrigen
Berfilberer ßat fein Enbe gefunben, naeßbem bie einzelnen Arbeit*
geber ißren Arbeitern mit Erhöhungen cin 3 elner Bofitionen bcs
Tarifs entgegengefommen fmb. 3 n beffen würbe für bic
Arbeitgeber bie befcßloffeite weitere Ausfperrung übcrflüffig. Sie
würbe aufgeßoben, fo baß woßl augenbticflicß fämmtlicße Arbeiter
wieber eingestellt finb.
Bei feem oorgetragenen ^ßatbeftanbe beS Streifes muß cs
auffallcn, baß man oon Seiten ber Arbeiter bie 18 Berfilberer
nießt bewog, bie unoollenbcte Arbeit, bereu Öcrtigftcllung nur
wenige Sage in Anfprnd) genommen hätte, 3 U oolleuben. Als*
bann hätten bie Arbeiter nid)t baS Dbium fees Bertragsbrmßcs
auf fid; gelaben. Sic wären ferner nießt in bie üble £agc ge*
ratßen, fieß oerurtßeilen laffen 311 niiiffen. Es ift nur benfbar,
baß bei bem Borgeßeu ber Arbeiter bie Annahme eine Bolle ge*
fpielt ßat, es würbe ben Arbeitgebern gelingen, bic 18 Berfilberer
3 U oeranlaffen fid; bem Streife nießt fernerhin ait 3 iifd)Iießen. -IVehr
Bertrauen wäre hier am ^laße gewefen! Eine eriiftlicße lieber*
3 eugung, ben B r 03 cß 311 gewinnen, fouuten bie Arbeiter fdmerlidf
ßaben. AnbereufallS beweift cs, wenn fie fid) in ihrer Mlage*
beantwortimg auf bie 124 b unb 152 ber BeidjSgewerbeorbuuug
beriefen, bag bie Arbeiterfcßaft noeß nicht in wünidjenswertber
Steife fid) befleißigt hat, bic für fie fo widitigcn unb maßgcbcubcu
! Beftinimuugeit ber iHeiilisgewerbeorbnung fid) an^iieigueu. l-l l>
1 a. a. D. fitibet nad) §. 131 Abfaß 2 bafelbjt auf bie ^abrifarbeiter,
! 311 benen 3 ioeifellos bie fraglidien Berfilberer 31 t redtuen finb, feine
115
Soziale fragte, Eeutralblatt für Sogialpolittf. Ar. 5,
116
Anroenbung. §. 152 a. a. D. fpridjt nur bie fogenannte K oalitioits*
freibeit aus. X)ieS müfgte eigentlich ben Arbeitern nod) aus bent
AuSfianbe ber Steinbrucfer unb Lithographen ootn Dftober 1S96
her befannt fein, XamalS lourbe in ben gabireichen ^rogeffen
gegen bie auSftänbigett Arbeiter ber genannten Kategorien bcrfclbe
Eittwanb, bap §. 152benKontraftbrud) ber Arbeiter bei Streifs
gum Gehilfe ber (Erlangung günftiger Lohn* unb Arbeitsbc*
Dingungen gulaffe, erhoben, aber als " unbegriinbet oom (»eroerbc*
gericht guriiefgemiefen.
Xie Arbeiter eradjtelen ferner bie ArbeitSorbnung als eine für
fie unoerbiitbliche. Es ift gegen ihre Ltiificfjt entfdjieben unb gioar
nach fonitanter, bieffeitö für richtig gehaltener $raris bcS (bewerbe»
gerichtS. Auf bie ©riittbe fjier näher ciugugehen, verbietet ber
Aaunt. immerhin ift bie Srage nach ^ er Aed)tsoerbiublid)feit ber j
ArbeitSorbnung fehr beftritten. Xer Streif ber Berfilbercr giebt
fornit ebenfalls gu benfeit an bie oon uns bereite au anbercr
Stelle betonte Aothwenbigfcit, bie SBeftimmungen ber SHeirfjSgcroerbc*
orbnung über bie ArbeitSorbnung in fd)ärferer Jaffung gu regeln. 1 )
Xer Kontraftbrud) ber 18 Bcrfilberer ift mehrfach fdjiocr ge*
fabelt roorben. 2 ) Ekwip ift bei* Brttd) eine*? Beitrages bnrdjauS
nerwerflid). dennoch oerbieut h^i’ ein Ansfpntd) eine* höheren
Juriften, ber gur 3 ei * ber Vorlage beS Entwurfs ber (bewerbe»
orbnungSnooelle oon 1891 erfolgte, ber ausgletd)enbeu 6*ered)tigfeit
wegen angeführt gu werben: „(is ift hödpt einj'eitig, gu glauben,
bap ber Bertragsbrud) eine Crfdjeinnng fei, weldie fid) auf bie
Arbeiterfreifc bcfcfjränfe. . . . 0uchen wir hierin gu beffern, mögen
bie höheren ®efeüfd)aftSfd)ichten ben anberen mit gutem Beifpiel
o orange heu. BSenn bie unbegahlten 3öeinred)nungen erft gur
Seltenheit geworben finb; wenn bie Schuftet unb Schueiber ihre
LieferungSnerfpred)en in ber Siegel Italien unb nur in feltencn
Ausnahmen verleben — wenn bann trop allebem unb allcbcm bie
Arbeiter allein eine nertragSbrüdjige Klaffe bleiben follteu, bann
wäre bie 3 e it gefomtnen, fte bie befonberc Strenge ber Strafgcfepe
fühlen gu lajfen." 3 )
3utn Scf)lup wollen wir bie Hoffnung auefprechcit, bap ber
Streif ber Berfilberer, welcher gweifellos oon beiben Seiten nicht
unbebeutenbe Cpfer erpeifdjte, bie biewerbetreibenben für bie 3 Us
funft belehren wirb, wie oortheilhaft es ift, baS E)ewerbegerid)t,
fd)on beoor bie Differenzen bie ©emüther erregt herben, als
EinigungSamt angurufen.
Berlin. 83c. nou Schulg.
öttchbnufertarif • örwegting. Xie Aufforberuttg bes gemein*
fd)aftlid)en XarifauSfd)ufieS ber ©chülfcn unb ^ringipale an bie
Sdjriftfcper, in ben außerhalb ber Xarifücreinbarimg ftehertben
©cfdjäften bie Einführung bcS Xarifs gu forbern, hat bereits baS
günftige Slefultat gu oergeid)uen, bafg 350 weitere Tyirinen benXarif
anerfaunt h fl öen. B>egcn weiteren etwa 50 Sinnen b a &cit bie
Xarifuertrefer nod; gu entfdjcibcn. Attpcrbem h°Öen fidj in allen
neun Dariffreifen gaplreiche Wchulfenpcrfonale bereit erflärt, bie
AnerfennungbeS 1896er Tarifs gu forbern. An eingclmn Crleit
ift es ginn AuSftanb gefommen.
Xa$ 9Jtünd)ener Arheiterfefretcmat hat jept eine reichlich f;alb=
jährige ^hätigfeit hinter fid); über 4000 "ßerfoneu haben bas
Jnftitut währenb biefer 3°rt in Atifprud) genommen. Xcr fompligirtc
DtedjaniSuuiS ber staatlichen Bcrndjcrungsgcfepe, bie nielgcftaltigen
Qragett beS gewerblichen Arbeiterredjts, bas umfangreiche Gebiet
ber fogialen Jiitercfienocrtretinig uub bas für bie Arbeiter nicht
niinber wichtige ausgebehnte Wcbict bes Eioilred)tS h a ben in ben
breiten Arbciterfdjidjten ein großes Bebürfnip nach einer mit Lüften, j
llmftänblichfeitcit unb Sörmlidjfeiten nid)t nerfmipfteu Beditsbcleh» j
rung geltenb gemacht uub bamit gur Errichtung ber Arbeiter» ,
fefrefariate geführt, ba Staat unb ©euteiube bis jept hierfür feine
befonberen Örgane gefdjaffen hüben. Ilm bas Scfretariat allen Stath s
unb SluSfunftfuchenbeu gugänglid) gu machen, t)at, wie bie „ s 3Jtiin= ,
ebener*$oft" betont, bie orgauifirtc Slrbeiterfchaft SifüudjeuS oon i
öoruhcreiu grunbfäplid) ftatutarifcl) beftimmt, bah gur ^nanfpruch* j
nähme beS Suftituts alle ^erfoueu ohne llnterftfjieb bes (8efd)Ied)ts, I
beS Berufs, ber Konfeffion, ber ^arteiftellung unb bes Wohnortes |
9 Uriger, Entirfieibimgcn bec> ('Vcwcrbegcridrts gu Berlin ")U. 151, !
linb s l3lanfcii|tein: Xic Sicdusfraft bei ^libeitsorbmutgeu im 21 rditu für
öffeutlidieö 8ied)t s l?b. XIII S. Ul) ff.
3 ) Stelle unter Zuberern Weigert: Xer ‘iBergolberaiisfmnb uub bie
Xnftif bei 'Berliner ('iewcrffchaft in Bürgel«? Subuiirie- unb Ennbel«.^ 1
blatt oom 22. Cftober Uits iVr. 4 3. 57 ff.
berechtigt finb. Sreilid) rechnen bie organiftrten Arbeiter beftimmt
barauf, bafe biejeuigen üBernfSgenoffen, welche bie 33ebeutung unb
ben SScrth foldjcr fogialpolitifdjeu Einrid)tungeit erfannt haben,
üiitglieber ihrer ('lewerffdjaftcu werben uub baburd) gur finanziellen
Unterftüpmtg bes Arbeiter!efretariatS beitragen. Eine Unterftübung
ber orgauifirten Arbeiter ift aber and) bei her praftifdjen D^ätigfcit
bcS Sefretariats uothweitbig; eine wid)tige Aufgabe erfüllt es burch
bie llebermittelnng oon SBefdjwcrbcn über ÜBerftöfje ber Sd)up*
beftimmungen ber ©ewerbeorbuung au ben <yabrif= uub (bewerbe-*
infpettor. ES füllten baher alle llebertretungen ber Ejefepc unb
SBcrorbuungeu in SBcgug auf bie 'Befd)äftigung oon Arbeiterinnen
uub jugeublidjcu Arbeitern, iBefchwerbeu über fauitätswibrige 3 Us
ftänbe ber ArbeitSränme, Sdilafräuuie :c., 'Diangel au Schutworrich*
tungeu, 3?ichteiul)altung ber gefeplidien Arbeitsruhe, wegen Erlaffung
ober £>anbbabuug oon ArbeitSorbuungen ?c. fofort wal)rheits*
getreu beut Arbciterfefretariat mitgetheilt werben, bamit oon biefetn
bie Abftelluug foldjer Derftöfc eingelcitet werben fattn. — 2£ir
glauben, bap bie Jsabrifinfpeftion non Cberbapern, beren fogial*
politifdje Eiufidjt fid) fd)ou fo oft bewährt hnt, in biefer Xbätigfcit
beS Diünchetter Arbeiterfefretariates*) eine werthnolle lluterftüpuug
in ber Löfuitg ihrer Aufgabe erblicft.
Streifs uub AuSfperrungen in Xänemarf, $u Kopenhagen
würbe Ettbe Cftober ein Arbciterfongrcp abgehalteu, an beut
litt Xelegirte, bie 20 000 Arbeiter oertraten, theilnahmeu. Es
würbe mitgetheilt, bah int nerfloffenen Ofahre in ttl bänifd)cu
Stabten tt(> Streifs oorgefommeu feien, an betten 1115 Arbeiter
fid) bctheiligteti. Jstt 60 Stabten fei ber Lohn erhöht uub in 21
bie Arbeitszeit nerfiirgt worben. Xie im Laufe bes Jahres burch*
gefcpten Lohnerhöhungen betragen über lOOOOOOttr. Jcber Ar*
beiter nerbiene alfo jept jährlid) burd)fd)uittlich 50Kr. mehr als früher.
— Jwifchett Diciftcrn uitb (behülfen im 33äcfcrgcwcrbe ber
bänifcheu .iSauptftabt ift ein Streit über Lohn unb Arbeitsgcit aus*
gebrochen, ber gu einem partiellen Streif unb gu einer nmfaffenben
Ausipcrrung geführt hat. 9?ott ber lepteren finb gegen 1000 Ar*
heiter betroffen. Xie 5Brotpreife fteigen, obwohl bie Dceifter oer*
Indien, bttrd) eigene uub LehrüttgSarbeit bie ^rotnerforgiing ber
Stabt burdigitführcn.
Ärbritrrfdju^.
Xic Lage ber jugenbltihen uub weiblicheu 3*fgtleiarbeiter uitb ber
$mtbe$ratfj*
AuSnahntebcftimmungcn auf Elrunb bcS §. Itt9a ber Gewerbes
orbnmtg würben für bie ^kcjdmbiiftrie im Jahre ISOtt erlaffcn
aus gweierlei Olriinben: Einmal um ben D3ünfd)ett ber Unter»
nehmer entgegengufommen, fobantt aber aud), weil bttrd) bie 5Bcr»
wenbuttg weiblicher unb jitgeublid)cr Arbeiter bei allen Bkfchäfti»
gangen fdjreienbc Dfipftänbc ciitftaiiben waren. Als bie „Arbeiter*
fd)upnouelle" 1891 in Kraft trat, machten fid) in ber 3 lc Ö l ^ e i 5
inbuftrie bereits bie erftett Angcid)ert eines AiebergangcS bettterfbar,
ber fpätcr gu einer förmlichen Krifc führte, eine natürliche Solge
ber finnlofen llebcrprobuftiott, bie in ben aditgiger Jahren ein*
geriffelt war. Xic gröpercu mib fapitalfräftigen Unternehmer
fonnten bett Aiicffdjlag ertragen, bie ffeineren bagegett fud)ten ihm
burd) Einitcllung jugenblicher unb weiblicher Arbeiter gu begegnen.
Bon ihnen würbe es fehr fdjwer empfitttben, bafg ihnen 135 ber
ß)ewerbeorbtutttg bie Befchäftigmig fd)ulpflid)tiger Kitiber gattg
oerbot, biejenige non jugeitblidjeit Arbeitern unter 11 Jahren auf
täglich 6 Stauben, berjeitigen nou 14 bis 16 Jahren auf täglich
10 Stinibeu feftfepte. Sie nerlangten AnSnahmebeftimmungctt unb
begrünbeten bieS bamit, bap bie Arbeit itt bett ^itttgcleieu leid)t
uitb wenig anftrengeub fei, gubettt meiftens im Jreiett verrichtet
werbe, alfo feinen gcfunbheitsfd)äblid)en Einflitp ansüben föntte.
Je mehr fid) ber Aiebcrgang bemerfbar machte, befto ftärfer würbe
baS Drängen ber Unternehmer. Jtn Diai 1893 erließ batttt ber
AeidjSfangler bie befamtte Bcrorbiuiug, nadjbem norher eine Kon»
fereitg im Deiehsaint bes Jnitent ftattgefunben fjatte, gu ber wol)l
eine Anzahl 3iegeleibcfipcr, aber feine Jiegelciarbcitcr hiugugegogett
warben. Sie Berorbmmg nerbot bie Bcfchäftigitng non weiblichen
uub jugcitbliiheti Arbeitern bei beftimmtcn Berridjtimgen, trug ba»
mit alfo bem Berlangen ber Arbeiter itt etwas Aedjiiniig, gefiattete
bagcgen eine längere Befchartigung ber jngenblicheit uttb weiblidjcn
Arbeiter, als fie non ben 135 unb i37 ber ('lewerhcorbnung
• » Jn a mi! ff nvt a. 5V. ioII ein ArbeiterirfMariat am I. Januar
d ) Diittelftaebt tut „('icriditsfaal" Bb. 4)1 (is'HM 2. 1. Os Iranbelt , eröffnet werben. Audi tu 0)ewerlfd)aft«;«treifeu Ber 1 i ns wirb gegewärtig
fidr um bie Bnfjc bes 1‘21 b bei Acidjsgcwcrbeorbuung. , ber "plan, ein foldjes Bureau gu erridnen, erörtert.
118
117
©ogiale $ra£t$. (JentralBlatt für Sogialpolittf. 9hr. 5.
oorgefchriebeit roirb. $)ie Berorbnung foßte bis (5nbe 1897
©üliigfeit haben. 1895 machte inbeffeti ber fRiebcrgang einem
ftarfen Auffthmung Blap. $>ie Nachfrage nach gabrifatett oermeljrte
fid^ # bie greife fliegen, ber betrieb mürbe mieber loftuenb. $>er
©rnnb für baS ©eiterbcftehen beS gmeiten S^eils ber Berorbnung
märe jeftt hinfällig geworben. tiefer ©inrnanb mürbe aud) im
Borjahre mit allem SRachbrud erhoben, trophein fonnte fid) bie
Regierung bamalS nicht entfchlieften, eine Aenberung eintreten gu
laffen; fte oerläugerte bie Berorbnung auf ein gal)r.
(Tie neuen Beftimmungen, bie jefjt am 1. 3amtar 1899 in Mraft
treten, bebeuteit nun für ben Kenner ber te<hutfd)en Einrichtungen
in ber 3i e g c ttnMtrie feinen gortfdjritt, fonbern einen Biidfdjritt.
©ol)l fchetnt eS, als fei burd) bie Einbcgicl)ung ber Ehamotte*
fabrifen in ben erften ^fteit eine Berbefferung gefchaffen. TieS ift
jcbod) nicht ber Saß. Tie gefuubbeitSgefäl)did)fte Berriditung in
ben Ehamottefabrifen ift baS Sieben non Tbou, Saitb, Ehamotte
u. f. m. Unb gerabe biefe Bcfd)äftignng ift nicht oerboten morben,
trofcbem fte oorgugSmeife non weiblichen Arbeitern oerrid)tet mirb.
Boßftättbig ohne jebe Stenntnift ber SSerfjältniffe aufgefteßt ift Ab*
fab 4 beS erften ber Berorbnung. Anftatt bas Darren non
Steinen, burd) baS bie aufjergemöfjnlid} groftc 3al)l ber Seiften*
brüdje bei ben 3iegeleiarbeiteriri)erurfad)t mirb, gang gu uerbieten,
erftredt fid) baS Berbot nur, foroeit „ein feftoerlegtcS ©eleis ober
eine barte ebene gahrbahn nicht bennpt werben". TaS Sebterc ift
febon jept überall ber gaß, benn ein Transport obne gahrbahn
ift einfach eine llnmöglid)feit. llnoerftänblich ift bie Erlaubnis ber
33efd)äftigung beim güßett unb Entleeren „oben offener Schmauch*
Öfen". Sd)maud)öfen finb in ber 3i e 9 c ü n buftrie Heine, trauS*
portable Defen, bie in bie Tf)ür beS eigentlichen Brennofens ein*
gefept unb gum AuSfdjtnauchen, b. h- Anwärmen ber 3iegclmaaren
benupt merben unb nie gefußt ober entleert merben fönnen. ©c*
meint finb mahrfcbeinlicb 3 i c 9 e tb renn Öfen ohne Tede.
ßäftt fid) alfo febon oom erften Th e il ber neuen Berorbnung
nichts @uteS fagen, fo trifft baS in noch oiel größerem BJaftc für
ben gmeiten gu. gür 3i e 9 e ^ cn / in benen baS Sonnen ber 3iegel*
fteine auf bie 3?it oon Biitte Btärg bis 3J?itte SRouember befchränft
ift, tritt gegenüber ben beute beftehenben Beftimmungen eine Ber*
lürgung Der ArbeitSgeit um eine Stunbe pro ©oepe ein, bagegen
mirb bie jefet 66ftünbige wöchentliche ArbeitSgeit auf 70 Stunbcn
oerlängert für bie jugeitblicpen Arbeiter berjenigen Betriebe, welche
„ohne ftänbige Einlagen betrieben merben (gelbbrättbe), ober in
melden als ftänbige Einlage nur ein Ofen oorhanben ift". gn
ber 3i e 0 e finbuftrie merben heute gröfttentbeilS fogenannte SRingöfen
oerroanbt. TicS finb grofte Dcfen, bie bie gange Champagne über
im Betrieb gehalten merben. Tic Seiftungsfähigfeit biefer Dcfen
feproanft groifepen 1 / i Btiflion bis 10 Biillionen Steinen. Slufger=
bem fommen aud) noch fogenannte beutfepe Defen, periobifd)e Defcn
non geringer ÖeiftungSfäf)igfeit, oor. Sie finb natürlicher ©cife
nur in Heincn Betrieben gu finben; manchmal finb groci bis brei
banon oorhanben. Tiefe gufantmen erreidien aber bei ©eitern nid)t
bie ßeiftungSfäpigfcit eines eingigen Ringofens. gn aßen Bing*
ofengiegeleicit, fomeit fie nur ben Sommer über im Betrieb finb
(baoon egiftiren etma 3000 in Teutfdjlanb), fönnen bie jugenb*
liehen Arbeiter oom 1. ganuar 1899 an alfo 70 Stunbeu pro
©oepe befchäftigt merben, unb nur für bie menigen hunbert
Ziegeleien mit mehr als einem Heinen Dfen tritt eine Berfürguug
um eine Stunbe ein.
Tie neue Berorbnung ift begeiepnenb für ben MurS, ben bie amt*
liehe beutfehe Sogialpolitif gegenwärtig fteuert. Sed)S 3abre befteben
bie JluSnahmebeftimmungen jept, fein 3ul)^ aber ift bahingegangen,
ohne baff fid) bie ©eraerbeauffichtsbcamten einmiitbig für bie Auf¬
hebung beS gmeiten XheilS unb bie Berfd)ärfuug beS erften auS=
gefprodjen hätten, ^ie Regierung hat bie einbringlidjfteu Bcal)=
nungen ihrer eigenen HuffictitSorgane gar nid)t beamtet, oielmehr
gang bem Bedangen ber Unternehmer Solge gegeben. Hub babei
fann mau gar nicht fagen, baß bie Unternehmer befonbers ftarf
auf baS ©eiterbeftehen beS gmeiten SDhoil^? ber Berorbnung ge*
brungen hätten. ®er „Berbanb beutfeher ^honinbuftrießer" hat
in biefem S^uhjaht eine Umfrage unter ben 3^0^^befiPeru oer-
anftaltct, bie fo fläglidje ^Hefultate ergab, baß fid; bamit beim heften
©ißen nichts anfangen lieft. Bon ben ruub 12 000 3iegelcibefiperu
beS SHeidjeS hatten nur etma hunbert (alfo uod) nicht 1 %i bie
gragebogen auSqefüllt, barunter roaren faft 50% folcfter Betriebe, bie
Arbeiterinnen überhaupt nicht, 80° () refp. 14% foldier, bie mober
jugenbliche Arbeiterinnen nodi jugcnblidje Arbeiter beühäftigten.
tiefes eigentl)ümlid)e Siefultat ift iufoferu erHärlid), alo bie Sragc*
bogen hauptfächlich mohl oon ben Biitgliebern bes BereiuS beant*
mortet morben finb, biefe aber finb in ihrer großen Bcehrgnftl 3'0
haber oon Betrieben mit Sommer* unb ©interarbeit. ^cr Boß*
ftänbigfeit halber fei bemerlt, baft fid) 65o/ 0 ber Antmorten für
Beibehaltung beS gmeiten SheilS ber Berorbnung auSgefprochen
hatten. 2:ropbeut fich alfo nur ein mingiger Bruchteil ber Unter*
nehmer für bie grage überhaupt intereffirt, fchenft bie ^Regierung
biefem mehr ©eftör, als bem aus eingebenben Beobachtungen ent*
fprungenen llrtheil ber ©eroerbeauffichtsbeamten.
©ine ©rflärung für biefen merfroürbigen gnbifferentiStnuS ber
Unternehmer läftt fich barin finben, baft ber gröftte £h*il uon ihnen
anfeheinenb bis heute noch nichts oott ber beftehenben Berorbnung
weift, ober wenn er .Slenntuift oon ihr hat, fich au fie nicht lehrt,
^aft bicS feine leere Behauptung ift, geht aus ben neueften 3al)res*
berichten ber preuftifd)en, bat;rifd)en unb babifeften ©cmerbeaufficht
heroor. geber Beamte fonnte gal)lreid)e Uebertretungen ber Ber*
orbnung fomohl wie ber ©emerbeorbnung überhaupt fonftatiren.
Schulpflichtige Äinber mürben in 3i e 9 c ^i c u ungenirt ben gangen
£ag befdjäftigt. gu ^ßreufteu aßein "mürben im Borjahre in 887
3iegelcien Uebertretungen ber ©emerbeorbnung feftgefteßt, barunter
waren 103 Betriebe, in beiten fchulpflichtige ^inber oon ber Be*
fchäftigung auSgefd)loffen merben muftten. gti 62 3if9«Ieicn mürben
Äinber länger cils fed)S Stuuben täglid) befchäftigt, in 200 Be*
trieben mürbe bie Arbeitszeit ber jttgenMidien Arbeiter iiberfchritten,
in 14 Betrieben mürben fie fogar nachts befdjäftigt. gut Begirf
Dberbapcrn mürbe bie Borfcftrift über ArbeitSgeit ber gugeublichcit
in 114 Betrieben übertreten, biejenige ber Arbeiterinnen in 29, im
Begirf fRiebcrbaperu in 48 begm. 53 gäßen, im Begirf Sd)maben
216 begm. 20 gäßen. $>er prcuftifdje ©eroerbeinfpeftionSbericht
enthält leiber feinen SRadjmeis bariiber, mieoiel 3i e 9^^i en int Bor*
jaftre überhaupt reoibirt morben ftnb; eS läftt fich barum nid)t
feftfteßen, wie groft ber B r ageittfap ber Betriebe ift, in benen
Uebertretungen feftgefteßt merben fonnten. gebenfaßs fteßten bie
887 Anlagen ber 3i e 9 e ^abuftrie in B^euften, in benen lieber*
tretnngen feftgefteßt merben fonnten, feinen Heinen Bruchthcil bar.
Unb babei ift es ben Beamten häufig, ja in ber Blehrgahl ber
gäße nicht einmal möglich, Uebertretungen feftgufteßen, ba bie
Bücher in beit 3i e 9 c l e i cn fab r liidenliaft geführt merben unb oon
ben Arbeitern häufig nicht in Erfahrung gebracht merben fann, ob
Uebertretungen oorfommen ober nicht, gu einigen gäßen waren
fdjulpflid)tige Slinber fo gut inftruirt, baft fte bie glucht ergriffen,
nachbent fte bes Beamten anftdjtig gemorben waren.
3>ie Auffichtsbeamten finb biefen Uebertretungen gegenüber
machtlos. Sie orbnett mohl eine attbere ArbeitSgeit an, oerroeifen
bie fd)ulpflid)tigcu Älittber ans bem Betriebe, wenn fte aber nach
einem ober mehreren galjren mieberfotttmen, finb ttod) immer bie*
felbcn guftänbe oorhanben. Sie erftatten mohl Angeige gegen
ben Unternehmer, meift aber nur mit bem ©rfolge, baft biefer gu
einer lädicrlid) geringen Strafe oernrtheilt mirb unb ruhig bie
bisherigen 3uftänbe weiter befteben läftt. 3JJan foßte es nid)t für
möglid) halten, baft in mehreren gäßen Strafen oon 3 Jf (!)
wegen UebcTtretung ber BunbesrathSoerorbnung feftgefept morben
finb! S'as hödjfte Strafmaft betrug 300 . // unb biefeS betraf be*
geichneuber ©eife feinen 3^geleibefiper, fonbern einen 3icgdnteifter,
ber bie gabrifatton im Afforb übernommen hatte, ^ie höchftc
Strafe, bie über einen 3i e g c ß'ibcfiper oerhängt mürbe, betrug, fo*
weit mir bieS auS ben Berichten ermitteln fonnten, 60 ,1( ©aS
©nnber, baft feine Aeuberung eintritt! ^agu fomrnt nod), baft bie
Montrolle feitenS ber DrtSbcf)örben eine feftr mangelhafte ift. $>aft
eine fo milbe Auffaffung ber ©erithte fomohl wie ber Drtspoligei*
behÖrbeit nicht bagu geeignet ift, ber Arbeiterfchupgefefegcbnng Ach*
timg gu oerfchaffen, liegt- auf ber $Sanb. S'iefer Anfidjt geben
auch bie Auffid)tsbeamteu beS öfteren AnSbrud. Ser Bericht*
erftatter für ben Bewirf Arnsberg beifpielSmcife fchreibt barüber
(gahrcSberid)tc ber Mönigl. Bi'c’uftifchen BegieruugS* unb ©emerbe*
räthe unb Bcrgbehörben pro 1897 S. 334):
„Tic Befdfäftiguitg oon Minbcni unb jungen Leuten mürbe immer
noch häufig über bie gulämgc 3 l 'it hinaus ausgebebnt, tropbem gerabe
biefe Beftiinmungeu mit gu ben ältefteu Sitiupbcflimmuugcn gehören
unb mau besbalb auuehmen tollte, baft fie fid) uöilig eiugelebt halten.
Tic Thatfadic aber, baft fogar in einem ber größten ©erfc bes Begirf*
foldjc Uebertretungen in 'A Ac'illen teftgeftellt mürben, unb bie Befduif*
tigung babei in 13 Tvnflcn fogar I•'* 1 •_< Stunbeu täglid) bauerte, lehrt
bas ('»egentheil unb erforbert eine ftänbige Uebermaäiung ber Betriebe,
(sit beut oorftebeub ermähnten A-alle berichtete ber mit ber Aadiioridmng
betraute oIigoibeamte, baft in einzelnen ©erfftätten bes Bierfes aller=
biugs oon ben fugenbliiheu Arbeitern llrbernljiditou'' gemacht morben
feien; er fügte aber feinem Berichte gemiifermafteii emidmioigenb bm>u.
bie Ueberfcbtcliten batten nur in bnugcubcii 3 allen itattgefimbeii, cmi t-
meber iei ber Bater bes Arbeiters frauf gemefeu ober bie Eltern lebten
tu fehr briicTeubru Berluiltniffeii, aueh batten bie Arbeiten gum gröftten
119
©ogiale fragte, (Eentralblatt für ©ogialpolitil. Ar. 5.
120
$heil ausgeführt werben muffen. Ucberhaupt tritt in ber Be*
urtheilung non Uebertretungen ber Arbciterfchupgefepe bei
ber ^oligeibeljörbe wie Bei ben ©eridjten meift eine beu
3nbuftrieilen günfttge Auffaffung gu Sage, meldje geneigt
fdjciut, ber fogialett ©efcpgebuitg feine befonbere 2£id)tig*
feit für baS B*of)l ber arbeitenoen klaffe bcigulegen mtb
3uiniberbanbrungcu als mehr ober weniger belanglos au*
g u f e I) e u."
Anftatt nun biefer Auffaffnitg burcf) eine Verfdjärfung ber
Schußbeftimmungen entgegenguarbeiten, befennt fitf) ber VunbeS«
ratt) felbft gu einer Vcrfchlechtcrung feiner Verorbnung, bie bis gum
1. Qanitar 1904 (Geltung bemalten foK. So fefjr auch baS B£ohl
ber jugcnblid)en unb weiblichen 3iegeleiarbciter ein Verbot ber Ve=
fd)äftigmtg über ben JDefen, beim Transport non Steinen über*
haupt u. f. tü. unb eine Verfügung ber ArbeitSgeit erforbert, fo
wirb oor biefem 3 e ^pnnft wohl faum etwas geänbert werben.
SBeun man fid) aud) mit biefer S^atfadje abfinbet, fo muß aber
hoch an bie Regierung baS bringende Verlangen gefteKt werben,
nun gum Winbcften bafür gu forgett, baß biefe. Vcftimmungen
überall (Geltung erlangen, bafj bie große 3 a hl ber Uebertretungen
oermieben, baß eine ausreidjenbe Kotitrolc ber betriebe oorge*
nomtnen wirb unb baß Uebertretungen ftreng bestraft werben. S>a£
biirftc immerhin ein Anfang für bie Söeffernng ber traurigen Sage
ber jugenblidjen unb weiblichen 3 i e 9 c fti ar f ) eitcr fein!
Berlin. 2ÖiIf>dm Swienttj.
$ie töetdjSfommtfitott für Arbeitcrftatiftif ift auf ben 17. Ao*
oember einberufen worben. S)ie bieSmalige Verhanbluug wirb ber
Vernehmung ber Sadjoerftänbigen aus bent ©aftwirthSgewerbe
gewibmet fein. 3u itjrcr leßten Sijjiutg (27./2S. 3uni) Ijatte bie
Kommiffion befd)loffen, baß im ©angeit etwa 60 ^erfonen, bar*
unter pdjftenS Vs eoiS ber 3 a W ber Unternehmer unb 2 /*> ans
ber 3a^l ber AngefteHten als AnSfuuftSperfoncn miinblid) gehört
werben fallen. ferner ^ielt bie Kommiffion bie 3»^eljung oon
Kellnerinnen unb Köchinnen neben Kellnern unb Köchen für geboten.
3)ie oerfd)iebeneit Arten oon betrieben, bie oerfdjiebenen ©egenben
2)eutfdjIanbS unb Drte oerfdjiebener ©röße follten bei ber AuS*
wähl ber AuSfnnftSperfonen, bie fämmtlid) nod) im ©ewerbe
tl)ätig fein nuiffen, bcrürffidjtigt werben. Wit ber Ausführung
biefer Söcfdjlüffc wnrbe ein AuSfdjuß betraut, bem bie KommiffioitS*
mitgliebcr S)ireftor Dr. o. Sdjeel, Winifterialbirettor o. .fperrmann
unb 9teicf)StagSabgcorbneter Wolfenbuljr angehörteit. — S)ie Ver*
neftmung oon AuSfnnftSperfonen bilbet ben Abfchluß ber (Er*
bebungen über bie ArbeitS* unb ©ehaltSoerhältniffe ber Ange*
fteHten im ©aft* unb Schanfgewcrbc, bereu Beginn bereits in baS
Sabr 1893 fällt.
Verhütung brr DUlgbraubbcrgiftung in ber £f)ierbaarinbuftrte.
S)em SBunbeSratb ift ber (Entwurf oon Veftimtnungen über bie
Befdjäfiiguug oon Arbeitern in ber Sbierbaarinbuftrie gugegangeu.
— Schußoorfchriften für biefe Arbeiter werben feit längerer 3eit
erwogen, ba 3älie oon Wilgbranboergiftung auf bie ©efäbrlidjfeit
ber Imntirung mit Sbierbaaren 3nt oorigen £>ahre
(oergl. „Sogiale ^rajiS" Sahnj. VJI 0p. 202) würbe oom AeidjS*
amt beS Qnnem beu Söct^eiligten ein (Entwurf gur Begutachtung
oorgelegt, ber aber fowo()l bei Arbeitgebern, wie bei Arbeitern
mehrfach VSiberfpruch erfuhr, ‘daraufhin würbe am 29. Würg b. S-
eine neue Sachoerftänbigenfonfereng in Söerlin abgehalteu („Sogiale
^rayiS" VII 0p. 703). ^un wirb geinelbet, cS werbe bie gwartgS*
weife ^cSiufeftion aller auSlänbifdjen ^ferbe* unb Sflinberhacire,
SthweinSborften unb Schweinewolle oorgefchlagen, bie in 9?ofjhaar*
fpinnereien, .v)aar* unb 33orftengurid)tereien, fowie dürften* unb
^infelfabrifen oerwenbet werben. S)av mag feljr niiblid) fein, ge*
nügi aber nicht, beim bie 2JUIgbranbgefabr ift auri) bei 58erwenbitng
iniänbifd)en Materials oorhanben.
Verbot ber ©cuuhnng bon offenem Sid)t in ben prenpifdjen
©ergtoerfen. S^er preufitfebe öanbelSutinifter hat anläßlich beS
©rubenungliids auf ber 3 C( i) e 3olleru einen Grlafe an bie Dber*
bergämter 'gerichtet, welcher forbert,
„bafi in allen untcrirbifdicn Aäumen, wo mit Sampf betriebene 501 a=
fdiinen aufgcftcllt finb, bie i'enntumg bes? offenen 2idjt^ oerboten wirb,
foferu nid)t etwa bort oorbanbenei .^olgwerf in fo frndjtem v ';itftanbe
gebalten wirb, bafj ein ^nbranbfefeen beffelben alv miSgefrfüoifen gelten
barf, unb fofern nirfit bort uevbanbene Ieidit brennbare Itatcrialien,
wie ^npiuollc :e., unter fidicren 3>crfd)Iufg geuonmieit werben. And)
wirb bav offene 2id)t an anberen Crtcu unter sage, wo, wie in s pferbe=
fräßen, 50fagaginen :e., Icidjt brennbare ©egenftänbe f-'oen, 3trob :c.)
fid) befinben, niefjt mehr gebitlbet werben fönnen."
Ärheitcnirrfldjerutig. Spathoffcn.
$on ber Lobelie gur Alters* unb Snualibitütsuerftcherung
tröpfeln immer noch cingelne 5ütittheilungen burd) offigiöfe Kanäle in
bie Deffenilichfeit. EBenn man geglaubt hat, burd& biefeit 5D2obuS ber
^ubligirung einen giinftigen ©inbruef heroorgurufen, fo ift uitfercS
©rachtenS eher baS ©egentheil eingetreten. ^>ie ftücfwcife Ser«
gettelung in offigiöfer Stäche ift eher geeignet, ben Argwohn gu
werfen, als ob man fxch fdjeuc, ben Wortlaut beS gangen (Entwurfs
auf einmal ber Kritif preisgugeben. ©erabc weil wir in ber Sor*
läge fehr beachtenSwerthc Sortfdjritte begrüben, bebanerit wir ben
Fehlgriff, ber in ber Art ihrer Seröffcntiichung gemacht worben ift.
■SMe neuen „©nthüUungcn" begiehen fich auf bie anbermeite
geft[ehung ber 9tenten*©runbbeträge, bie in ber „Sogialett ^rayiS"
bereits im SeitartiFel ber lebten Kummer erörtert war, unb auf
bie Seiheiligung ber Scrfuherten an ber Scrmaltung unb SRccfjt*
fprechung.
danach foH, toaS bie Aerfjtfprcchung augebt, je ein Vertreter ber
Arbeitgeber mtb ber Serinhcrten aud) bei jebent 93efd)luffe ber örtlidicn
Aentenftclle über Bewilligung ober ©ntgieluntg oon Suoalibcit* unb
Altersrente, über ©iufteüimg ooit Aenteugalilimgen uttb über Beitrags*
erftattuugeu mitwirten, [su Bogug auf bie Verwaltung oerbleibt es
gunäd)ft bei bent bisherigen ftechtsguftaubc. Au ber Sönhl ber Arbeiter*
oertreter aber folleit neben beit bereits gegenwärtig beredjtigten Kranfcn*
faffenoorftänben u. f. w. fortan and) bie Vorftäube eingcfdjriebcner
^ülfsfaffeu :c. betheiligt werben. Xie rbliegenbeitett, weldic bem Aus*
fdntffe oorbeljaltcn werben, finb um widüige Angelegenheiten oermehrt.
Xahin gehören: 1. bie Acftfebung ber 3ahl ber Begtrfe unb ber 3ipc
ber örtfidien Stenteuftellen; 2. bie 2s?al)l ber itidjt beamteten Biitglieber
beS Vorftanbes; 3. bie B?ahl ber Beifiber ber Aentciiftellen; 4. bie Jvcft*
ftellung beS BoranfdjlagS; r>. bie 3 ll ftintmuug gu Betdjlüffcu beS Bor*
ftaubeS, welche bie Erwerbung, Beräufjeruug ober Belaftung oon
©rtmbftürfen ber BerfidierungSanftalt betreffen, daneben fönnen bie
ben Acutenftelten augebörenben Vertreter ber Arbeitgeber unb ber Ber*
fidferten auch bei beü BerwaltuugSaufgaben ber örtlidjen Crgane Ber*
wenbung finben.
AlterSPcrforgnng für »eibliche ^ienftboten in Defterrcid). 3ut
öfterreichtfdjen Aogeorbnetenhanfe brachte Abgeorbueter Dr. Stof er
ben folgcttben Antrag ein:
Csu ©rwägung, baft für weiblidje Tienftboten, bie oft 20, 30 unb
mehr $abrc gebient haben, für bie :^agc beS Alters unb ber £icnft*
unfähigfeit nirfit hinreidicnb oorgeforgt ift, mtb fie baburdj in bie gröfgtc
Aothlage oerfept werben; in (Erwägung, bafg biefer traurige 3uftaub
nur burd) eine Altersoerforgung behoben werben fann, mtb bie Alters*
oerforgung and) bas ntoraiifdje Brwufjtfciu ber nod) Xienenbcu heben
wirb, wirb bie Aegieruug aufgeforbert, bie Jvragc ber Altersoerforgung
tociblidjer ^ienftboten in ©rwäguug gu giehen unb B?afmaf)men auf
bem B3cgc beS (Befepcs ober ber Berorbuung gu ergreifen, um bas
traurige 2ooS berfelbnt gu erleid)tcrn.
^ie ftaatlidje AlterSPerfithcruitgSlaffe in ^ratiFreirfi, ein
ftitut, baS beftimmt ift, mit £>ülfe beträrf)Iirf)er Staatsmittel bie
freiwillige AlterSfiirforge unter ben Arbeitern gu erleichtern unb gu
förberit, baS aber in weit größerem 9)?aße oon beit if;r ^erfonal
folleftio nerflrfjernben Unternehmern, nantentlid) ben (Eifeitbahn*
gefeüfd)aftcn, als oon Snbioibuett benupt wirb, ocröffentlicht feinen
3a()rcSberid)t für 1897. ©egettüber bem Vorjahre ift in allen
VerfidjernngSflaffen eine 3anahmc gu fonftatireu. 3tn Sahre 1897
würben 2 079 896 ^rämiengahlungen int ©efamtntbelrage oon
43 (179 637 grcS. geleiftet. An laufcnben Leuten beftanben am
Schluß beS 3ahres 226 491 mit einem Betrage oon 34 101 298 3rcS.;
bie burd)fd)tiittliche Aente beträgt alfo 151 3rcS. Von biefnt
Veutitcrn finb 120 291 männlichen uttb 100 739 weiblidjen ©e*
fd)led)ts. Xie mittlere Veitte ber Beamter beläuft fid) auf
150 j$rcS., bie ber grauen auf 162 JrcS. Auf bic eingelneu
©rößenflaffcu oertheiieu fid) bie laufeitben Acuten in folgeitber
Bieife:
3ahl Beogent ber
ber Beutner (*)cjaimntl)cii
Aemeu
oon
bis
:>o Ares. .
. . 02 S12
41 ,*>
=
=
r» l
=
20<>
. . ST 224
39,46
=
201
3t )0
. . 17 484
7,91
=
=
3<;i
CiOO
. . 12 24S
5,54
=
=
=
1200 =
. . 9 134
4,13
*
*
1201
=
1300 -
. . 2131
< >,97
j V?ie wenig biefe ftaatlidie AltcrSfaffe bie freiwillige ^iirforge
' unter ben breiten Waffen ber arbeitenben Veoölfcrung werfen
tonnte, erhellt ans nachftehenber StatiftiE ber im 3nl)rc i897 neu
I hingiujetretenen Witglieber. Von benfelbeu umreit:
121
©ojtale $ra$i*. Eentralblatt für ©üjialpolitif. Rr. 5.
122
Arbeiter (Csubuftric, Vergbau, Transport,
Rfänuer
grauen
Xotal
Staatsmanufafturen).
29 GUI
13X71
42 872
Hanbwerfer, «aufleute.
1 905
884
2 789
Xienflboten.
154
365
519
AngeftcIIte.
12 728
10 420
23 143
Eifenbaßnbebienftetc.
7 677
6 336
14 013
Öanbwirthe.
1309
129
1438
Rentner unb freie Vcruje.
1 520
843
2 363
RÜnberjährige.
4 154
3 202
7 856
3 ufammen . . .
58 443
36 050
94 493
SBenn nad) biefer Tabelle italjesu bie Hälfte ber neuen 9Rit*
^lieber fich aus ber Kategorie ber eigentlichen Arbeiter refrutirt, fo
ift hoch ju benoten, baß biefelben fid) nicht aus eigener Snitiatine
ber «affe angefchloffen, fonberti burch ihre Unternehmer (ßaupt*
fächlich große Aftienunternehmer, wie bie Eifeitbahiten :c.) foßeftio
nerfuhert werben. — Xie VerwaltungSfoften ber Anftalt erheben
fic^ 1897 auf 934 481
Fortführung ber Serathungen über «raufen* nnb Uufaflber*
fidjening in ber Sdpons* 2>ie national* unb ftänberätbjlicijc Re*
oaftionsfommiffion für bie «ranfen* unb nnfattoerfidjerungSoor*
läge hat am 14. Dftober ihre im Frühjahr (ogl. So$iale $rafis
Saßrg. VII 6p. 1002) abgebrochenen Serathungen begonnen. Es
liegen ihr bis jeßt fünf Abfchnitte ber rebaftioneHen Faffunc) oor
unb eS bürften noch brei weitere Abfchnitte nachfolgen. 2)ie re*
baltionellcn Aeitberungen finb gegenüber ben oon ben eibgenöffifdjen
Stäthen gefaßten Vefdjlüffen jum äl;eil giemlidh cinfehneibenber datier,
^ie «ommiffion wirb fich, wie ber „Vunb" betont, über biefe 31 t
Hänben ber eibgeitöffifd)en Rätße nur begutachtenb äußern fönueit.
3Ubeitenadj niete.
Vetjeiliguttg oon Arbeitgebern nnb Arbeitnehmern an ber Verwaltung
beö (SentralbereinSfür ArbettSitartjWetS in Verlöt. Xie ootn Eentraloerein
für Arbettsnarfjwets befchloffcne wirfjtige SaßitngSänberung, wonach in
ben Vorftaiib beS Vereins je oier oom AuSt'chuß bes 6 )cwerbegerid)tS
ju wählenbc Arbeitgeber unb Arbeitnehmer cintrcten, hat bie lanbeS*
herrlidje Vejtätigung erhalten. Rad) ber uom AuSjdjnß bcS (bewerbe*
QeridpS bereits oollsogcnen V>al)l finb nunmehr eingetreten als Ser*
tretcr ber Arbeitgeber: ^ommerjienrath Ricßarb Roficfe, 3Ritglieb bes
Reichstags, gabrtfbefißcr Julias 3Raa$, Xiefbauunternebmcr (Sbntunb
Vernßarb unb gabrifaut Cito Weigert; als Vertreter ber Arbeitnehmer
Jifchler «nrl «ob leider, Former Alwin «örfteu, Hatmacßer Henning
liunb, Kellner gerbtnanb Gegner. Sei ber Einführung bie]er Herren
hielt ber Vorjißenbc ber Vereins Dr. Rief). grenub eine Anfpradje, in
ber er unter Hinweis auf feine uulängft in SMiiiichen geiprod)cncn Spurte
(ogl. Soziale ^raris VIII 6 p. 18) abermals betonte*, bah eine gcbeil)=
liehe Eiitwicflung ber Arbeitsnadjwetfc nur bann ftatthaben fönite, wenn
beiben Sfjülen, o. ß. Arbeitgebern unb Arbeitnehmern ein Einfluß ein*
geräumt wirb: „Weitere «reife ber Arbeitgeber fteheu auf bent Staub*
punft, bah nur fo ein ei-fprießlicßes Olcbeiheu biefcr Arbeitsnachmeife 31 t
erwarten ift, wenngleich ja einzelne Unternehmer leiber nod) einen
gegenteiligen 6 tanbpunft entnehmen. (5s ftcht troßbem ju hoffen, baß
fidj audh in biefen «reifen mit ber 3<üt eilt Umfdjwung ber Meinungen
geltenb machen werbe."
6tabtifd;er Arbeitsnachweis tn Spanbau. Xie 6 tabtoerwaltung
hatte bisher ben oon ben fo 3 ialbemofratifcßeu 6 tabtoerorbneten
wieberßolt cjeftellten Antrag auf Errichtung eines ftäbtifchen ArbeitS*
nachweifeS icbeSmal abgelehnt mit ber Vegrünbung, baß ein Ve*
bürfniß ba^u nicht oorliegc. 3 efct aber pat, mie mehrfach mit*
geteilt wirb, ber SJiinifter beS Snttern felbft beim SJiagiftrat
bie Schaffung eines Arbeitsnachweis burch bie Stabt angeregt.
ArBcitSnadjttieiSBttreaug unb 28artcräume für Scßauerfcute tu
Hamburg. Einer ber fd)limmften Ucbclftättbe, bie ber §afenftrcif
1896/97 im Hamburg für weitere «reife anfgebeeft hat, ift bie
auch m ber SenatSenqucte lebhaft beflagte Art ber ArbeitSoermitte*
Iung. Xaufenbe oon Schauerleutcn unb anberen Hafenarbeitern
müffen jumeift auf offener Strafe ober in Riictf)Shäu|crn Sag für
Xag warten, bis fie Arbeit erhalten. 3?ßt foll hier nad) beruhten
aus Hamburg wcnigftenS einigermaßen Vknbel sunt Reiferen ge*
fchaffen werben. Xer Verein Hamburger Rßeber unb ber herein
ber Stauer oon H a mburg*Altona laffen brei Arbeitsnachweis*
bureauj mit großen Aufenthaltsräumen für arbeitfucheube Sdjaucr*
leute in oerfchtebeneit Elegcnben beS weitgeftreeften Hafens aufführen,
3ur 3 e ü begegnet ber ArbeitSuad)weiS großem Mißtrauen bei ben
Arbeitern, ba bie Arbeitgeber bie ^ctheiligung ber Arbeiter an ber
Verwaltung ausfd;ließen unb ihre Vertreter nur in ber Vefcßwerbe*
inftari 3 sulaffcit wollen (oergl. „Soziale ^rajiS" VIII Sp. 761),
nicht einmal bie Statuten beS Arbeitsnachweises finb offiziell be*
faunt gegeben.
Eentralauftalt für AtB eitS* nnb SBohtitiitgSitcidjtoeiS iu
1897/98. ^as ^armftäbter Arbeitsamt gehört bem Verbaube ber öffent*
lidjeu Arbeitsoermittelungsflellen ber Rhein* unb Riatngegenb (oergl.
Sahrg. VII 6p. 471) an, ber eine einbeitlidje Wefdjäftsftatifiif eingerid)'tet
hat. Vom 1. April ab fenben bie Aadjmcwftcllen ju ^ranffurt a./R?.,
^armftabt, SRatitj, SBormS, Öießcu, iBicsbaben, Dffenbad) a./R?. unb
bie VerpflegungSftationen gu ^riebberg, Vupbad), 6)roß=«arben je am
Schluffe bes Atonats auf oorgefchricbenem Formulare bie ©efchäfts*
ergebniffc an bas ftatiftifdjc Amt ber Stabt /vranffurt a./SW., biefeS
fertigt eine guiammenfteUuug ber Ergebuiffe unb tf)cilt fie alsbalb ben
Radiweifeftelleu mit. ^cr ^al)resberid)t ber Eentralanftalt für ArbeitS*
nnb Viol)nungSnad)weis in Xarmftabt für bas 3 n hr 1897 nebft SRit»
theilungcit über bie Sbätigfeit oom Januar bis §ult 1898 (Sarmftabt,
$. E. kunje, 1898 ) tijeilt weiter mit, baß bie $rooinjia!bireftion ber
^rooinj Starfenburg fid) mit bent Vorfchlage einoerftanben erflart hat,
jiir Errichtung oon Arbeitsoennittelungsftellen bie Vürgcrmcifter ber
Radibarorte Reinheim, Reidjclsheim, ^inbenfels, 3Balb* s lRid)elbad),
Veerfclben, Erbadj, ÜRidielfiabt, Hödjft, (^roß*llmftabt, Vabenhaufen,
Dieburg, langen, 6)roß*Eerau, Eerusheim, Vensheim, Heppenheim,
Sürth anjuregen. £ie 2l)ätigfcit ber ®annftäbtcr Rachweifefteüe hat
fid) oon 246 Vermittelungen im ^aßre 1898 auf 1860 im $al)re 1897
gefteigert, barunter 117 Xienftboten. 9Bäl)renb bie 3 a hl ber Auge*
bote bei ben gcwerblidjcn Arbeitern bie ber Rachfragen erheblich
überfteigt, ift es in ber befouberen $icnftboteu*Abtl)eilung umgefehrt.
VJit bem ArbeitSuadjwcis oerfehrten 110 Orte,. 149 betrug bie 3 a hl
biefer Olefuche, 62 bie 3 a hl ber nach auswärts erfolgten Vermitte*
Inngen. Xen V$ol)nungsuachweiS haben 107 eingefchriebene Ver*
miether oon 2Sof)nungen unb Sd)laffteHen unb 288 Rtiether folcher
Räume benupt.
ArBcitSbermitielmt^ in Steicrmarf. X)ie ArbeitSoermittelung
beS SanbeSoerbanbeS für SSohlthätigfeit in Steiermarf, über bie
ber Referent Sßrofcffor Dr. Eruft Rtifchler in ber „ Statiftifchen
ÜKonatSfchrift" (Söien, A. Halber, 1898) berichtet, oerbanft ihre
Errichtung bem äußeren Anlaffe, baß biefer ßanbesoerbanb fein
3iel, bie «oiuentration unb rationelle AuSgeftaltung ber Annen*
pflege im £auoe, nur glaubte erreidjen 311 fönnen, wenn unter
feinen Snftitutionen fich and) eine ArbeitSoermittelungSfteHe befinbe.
Einmal $u Elraj am 5. 3uli 1897 begrünbet, hat fie fich 3 U einer
für Stabt unb l?anb überhaupt h^oorragenb wichtigen fogialen
3nftitutiou entwicfelt, beren Vebeutuug fich weit über ben Rahmen
ber Annenpflege hinaus auf bas gefammte weite (Gebiet ber Arbeit
fuchenben unb anbietenben Veoölferung erftreeft. Xie VenußuitgS*
f iebühr beträgt für Arbeiter bei aweimonatlidher ©ültigfeit 10 «reu 3 er,
ür Arbeitgeber jur einmaligen Venupung 20 «reu 3 er, für eine
3 ehntnalige Venußung 1 ©ulben, für Venitßung währenb eines
«alenbcrjahres 1 öulben 50 «reuser. Xie Ve 3 ahlung biefer ©e*
bühc haben merfwürbiger SBeife nur bie Arbeitgeber öfters oer*
weigert, nicht bie Arbeiter. Xiefen fann bie EJebüfjr u. A. ge*
ftunbet ober nadjgefehcn werben. Xie «anslei ift oon 7 Uhr früh
bis 7 Uhr AbenbS, Sonntags bis Mittag geöffnet. Xie Vüd)er
für bie Aitmelbungen, bie suerft uadj bem Shifter ber beutfeßen
Vermittelungsftellen eingefiihrt waren, finb als itnpraftifd) oer*
worfen unb feit Rtai 1898 burch oerfchiebenfarbige Snbioibual*
farteit erfeßt, bie in Fädjcrfäften aufbewahrt werben. EleUagt wirb,
baß oornehmlid) bie Arbeitgeber fich nur iu ber VUubersahl 3 ur
orbnungsntäßigen Erlebigung ber Arbeiter 3 uweifungsfarten oer*
ftehen unb fo bie Vermittelung erfchweren. Xie Arbeitgeber be*
theiligeu fid) überhaupt noch nicht genügettb. Filialen in anbereu
Stabten unb Verbinbuugen mit ben RaturatoerpflegnugSftationen
finb ins Auge gefaßt. Eine Veriicffidjtigung beS SanbeS (außer
0 )ra 3 ) finbet in ber V?eifc bereits ftatt, baß Oie wer bearbeiten
uitb namentlich länbliche X)ienfte unb Arbeiten in fleinen
Stäbten unb auf ^aubgütern 3 ur Vermittelung gelangen,
wobei Riicffenbung oon in Eiras haltlos geworbenen
Arbeitfud)cnben mit materieller Uuterftüßung (Reife*
fpefen 20 .) oor genommen wirb. X)ie fogenann tc Streif f laufei
ift im Statut uorgcfeljen. Xie gefammte ^odjenfrequens ift oon
1000 nicht mehr weit entfernt; bie XagcSfrequens war VtontagS
am höd)ften unb betrug 146,7 Arbeiter unb 19 Arbeitgeber. Ver*
mittelt würbe Arbeit oom 5. 3nli 1897 bis 5. Augnft 1898 für
712^erfoncit (588 ÜRänner, 174 Frauen) bei .‘>97:> Arbeitsgefließen
unb 1565 Arbeitsangeboten, für ein erftes Fahr ber Xl)ätigfeit
fd)on ein red)t f;übfd)cr Anfang. 382 (39 >h ;, %) Rfäniter unb 48
(24,24%) Frauen ftrebtcu einen Verufswed)fei im II. Semcfter
1897 ein. Xie mämtlidjcu Arbeitfudjcnbeit batten im gleichen 3eit=
raum 297, bie weiblidjcn 60 unoerforgte «inber. 1 bis 6 Vionate
waren 151 Arbeitfnrf)cnbe arbeitslos, 2 bis 4 VJotheu 238, 17 Sage
161, 1 bis 3 Xage 151. Xer Voraitfdilag ber ArbeiiSoermitteluug
für baS Faljr 1898 balau^irt mit 129u Enilben. Xie Suboeiitiou
bes fianbeSoerbaubeS beträgt baoou 1000 Elulbcn. Für bie Räume
braucht fein Vfietßssins be^afjlt 311 werben.
123
124
Sojiale $rajtS. CcntralBIatt für SojtalpoHtif. 9h. 5.
ArfccliSiiodjwciö ttt ^rrbinhittg mit ben RafnrdticrpffeguugS*
{Kationen in ber Sdjtucßy Tiefe Jragc bilbet bei ben frfituci^crifd;en
SSerbänben für 9laturalnerpfleguncj immer nod) einen Strcitpunft,
feitbem mipraftifctie SSerfudje wenig Cfrfolg gezeitigt haben. Dian
fdjreibt uns bariiber: (Ein ^aupinbelftanb liegt barin, baß bie
feitenben ^erfoiten bic Sadjc 311 wenig ootn lo^ialpolitifdien
©efirfjtSpunfte auffaffeu unb überall nur in ber ^Solijci bas
richtige Heilmittel erblirfeit. Weil bie s }?oli 3 ei bie Montvole an ben
Ratiiraloerpflegimgäftationni beforgt, ift mau auf ben uugliitflidjeu
(^ebanfen geratben, biefer ebenfalls bie Arbcitsoermittclung 31 t
übertragen. Tie Jolge ift, baß bie Scheu bie Arbeitgeber hinbert,
Arbeiteroafangen an^umeiben ober bei ber ^oligci' Arbeiter 311
fuchen. Ta^u fonnnt noch ein unpraftifdjes Umfdjauüerbot.
ilein Witttber, roenn ber Apparat fdjled)t funftiomrt.
2$or Sturmem hat nun in eine 23c[pred)iiug gmiidjen Tc*
legirteit beS 2>orftanbeS beS internationalen 2>erbattbes unb ber
Haubwerfer* unb OJcroerbeoeretite ftattgefunbcu, wobei mau fid)
allgemein bahitt auSfprach, baß baS Umfchauocrboi, fo lauge
ein 9tfd)t auf Arbeit nicht gemährt fei, fid) nicht aufred)thalten
laffe, baß im llebrigeit aber eine 2>erbiubuitg beS Arbeilsuadj*
meifeS mit ben 9?aturaloerpflegungs)latioueu 31 t mtiufdieu fei. Tie
SSermittelungSftellen ber Hauptorte hatten fief) mit äl;ulid)eu Stellen
ber 9?ad)barorte in Serbinbting 311 fcßeit unb allroödjentlid) ein
Bulletin auSgugehen. Sine .Hotnmiffiou füll nun 2 >orfd)läge für
eine entfpredjcnoe ßrganifation auSarbeiteu.
ffloljnuns^wefeii.
3ur Reform ber öauorbtmngctt. Jnt Siönigreid) 2ad) feit
ift bie Reform ber Sauorbnungeit befanntlid) fdjoit feit längerer
3ett im Jluffe, toettn fte and) auf große Wibeijtänbe flößt. Rcucr*
bingS hat nun baS s Dtiiiifterium beS Ämtern ben (Entwurf einer
Aorntalbauorbitung ausgearbeitet, wcldjc bett moberuen Reform*
anfprtid)eit weitgehenb entfprid)t. Wir hoffen in einiger Jeit aus*
fiihrlidjcr barauf gurüefgufommen. — Ju Halle a. 8 . ift im Juli
eine ^onenbauorbnung crlaffcn worben, meld;e oier Jonen unb
gientlich ftarfc 33aubefd)ränfungen oorfiefjt. — Jiir ben größten
Theil (EharlotteuburgS, für Schöneberg unb bie innerhalb ber
Ringbahn gelegenen Thcile ber meiften ober aller berliner Sor*
orte ift im Augujt eine neue 23auorbmtug in .straft getreten, bie
faft aan 3 ben Scftimmungen entfprid)t, me'ldje bie neue 23auorbnuttg
für bie Stabt Serliu für bie äußeren Stabttl;eilc enthält. 9iur
ber 3 ur Bebauung ^ugclaffeite Tf)cil ber ©runbfläihen ift nod)
etwas mehr befcfjränft worben.
Srheiterwohnungen in ber $rooing Hannover. Tic Jnoa?
libitätSoerfidjeruugSanftalt Hannooer hat fid) auf Anregung ihres
VeiterS, beS VanbeSralh Dr. Viebrcd)t, befonbere Serbienftc um bie
Sefferung ber WohnuugSuerljältuiffc ber Arbeiter erworben. Tas
geht mieberuut ans ihrem Jahresberichte für 1897 heroor. (Es
finb in biefent Jahre 311 ben alten Serbinbungeu jmei neue ljin 3 u*
getreten, nämlich mit beut genteinnüpigeu Snuuerein in Dsnabriicf
((>3efeüfd)aft mit befd)rän!ter Haftung) unb bem gemeimuißigcu
Sauocrein in Vehrte (Oienoffenfdjaft mit bcfdjiänft'er Haftpflicht).
(Erfterer Serein ift bereits 1891 gegrüubet, trat aber an bie Vanbes*
oerficheruugsanftaü erft h^ran, ’ als fein eigenes Kapital — etwa
100 000 c it Stammeiulagc ber (Mefellfdjafter — in OH’iinbftücfeu
feftgclegt war. Ter Ssnabritrfer herein madjt fid) bie Hcrridjtung
oon (SrwerbSl)änfern, unb 3 war 0011 (Eiufamilieuhäufern mit Hans*
unb Vorgärten gur Aufgabe. Tie feljr giiuftige ^eurtheilnug ber
CSuabnufer 2>ereinSbauteit feitenS beS ’ bautediuifdien Referenten
ber 2 >erfid)eruugsauitalt, wie and) bie oortheilljafte finanzielle
Situation bes Vereins ließen eine Beleihung bis 311 7.7 0 . H. ber
Tare bitrdjaus unbebcntlid) crfrfjeiucu: ber herein bat auf 2 :; ^ar*
Zellen erstmalig ein Tarldjen oon 77 loo , // erhalten. — 23et
beut Vehrter geuicinniitjigen 23aitoereiu haubelt cS fid) um eine im
April 1897 auf betreiben beS Affiftentcn bes (SJcwcrbeinfpcftors
Dr. 'ibJansfelb unter fpe.^iellcr tbiitwirfung ber 2>erfid)ernugsauftalt
ins Vebeu gerufene Olenoffenfdjaft mit befdjvänfter Haftpflidjt. Tie
Aothweubigfeit ber (Slrütibung ergab fid) aus bem gefteigerten
Tvabrifbctriebe unb aus einer bcmentfpredjeub inteufioeu Juuabnic
ber werfthätigen 23eoölferung biefes CrteS. Tanf ber Wohlwollen*
ben Stellungnahme ber bortigeu größeren '-betriebe, bereu Veiter
neben ber 2>crfid)erungSauftait Hannooer als Wen offen beitratcu,
erhielt bie Menoffeufdiaft burd) ^olleiujahluug mehrerer 0 )cfd)äfts=
autheile ein oerfiigbareS Mapital oon mehr als 10 00t),// als
Öruublage. (Ein Jabrifbetrieb gab bem Verein attnähernb biefelbc
Summe ohne h 9 l>othefnrifd)e Sidjerljeit 311 o ] j 2 o. H- Jinfeit gegen
1 Hanbfthein. Ter herein hat baS gentifdjte Spftem angenommen,
I b. h. es werben für bie ortsanfäffigeit, in baueruber Vohufteüung
| befinblid)eu Dcitglieber Gnoerbshäu|er — Jwcifamilicuhäufer —
| errichtet, mährcitb bie unftäubigeu ober 3 uut s ^ar 3 ellenerwerb über*
1 haupt nicht geneigten ÜJiitglicber SSohuungen in ben bauerub Vereins*
! eigeuthmn bleibenben RiiethSboppelhäufern für je oier ‘gamilien
1 erhalten. Jut Sommer 1897 finb 11 (Erwerbsl)äufer itt^ Angriff
! genommen unb 311 m 1 April 1898 fertiggeftellt: barauf finb bem
I herein 2)2 000,// oorgeftreeft. Heber bie Qualität ber Häuf er in
| Vehrte finb 23el)örben unb 23etf)eüigte bes VobeS 00 H. Tie (^röße
j ber s ^ar 3 clle beträgt in Vehrte burd)fd)nittlid) 300 qm, enthält alfo
' nod) einen befd)eibeiten Hausgarten; außerhalb ber Stabt werben
| bic s }>ar 3 clleu fogar 500 qm umfaffeu. — Jut llebrigeit hat bie
23erfid)erungsauftalt Hannooer 1897 an Tarleheit 311 m 2?au oon
’ Arbeiterwohnungen hergegeben 307 500«///. müttbelficher tut 79 93er*
: fidierte unb lüuOOO,// an bie 2traßenbahngefellfd)aft 3 U Han*
uooer; ferner über bie Rfünbeliicherheit hinaus 3000 , //. att einen
! 2>erfid)crten, 90 000 J<. an beit gcmeiuuüßigen 93auoerein in
] Hameln, (U 250 r t( au ben 23auoerein Hcimjtätte in Soltau,
1 17 000 J an ben Spar* unb 23atioerein in (Böttingen, 10 000,7/
an bie gemein niijjige 23 äugen offen fdjaft in Dfterobe, 98 500 c // an
I bic Spar* uitb 2?angefellfd)aft in 233ilhelmshaoeit, 48 200, //. an
beit Spar* unb 23auoereiit in (Edle, 7800 , # ait bie 5Baugeitoffen*
fd)aft in Vel)e, 27 900,//. att bic 23augenoffenfd)aft in Mleefelb,
109 5t)0 !(. ait ben Spar* unb 23auocreiit itt 23luutenthal,
1 57 000 , //. au beit Spar* ltttb 23auoerein itt 2L'iiIfel unb 3000 . u
! att bie Herberge jnr .v)eiiitath in Hanteln. Jm (33anzeit finb bis
jeßt 1 331 767 c// an 301 2>crfidherte unb 4 368 235 c// att We*
I uoifeufd)aften :c. geliehen worben.
Tte ArbciterWohnnngSfrage in Nürnberg. Ter Ardhiteft
. (E\ Hed)t itt Nürnberg, Rlitglieb bes bortigen (SemeinbefollegiitmS,
j unterzieht bie bauliche (Eittwicflung Nürnbergs einer eittgel)enben
l 23etrad)tuitg unter befottberer 23erüiffid)tiguttg ber Arbeiterwoh s
1 iuittgsfrage2 i: ) Tie Schrift, aus ber ebeitfooiel techni|d)eS 55er*
, ftänbniß wie warmes Jute reffe für bie fo 3 iaIpolitifd)e 2Bid)tigfeit
■ ber Wohnungsfrage fprid)t, gelangt 3 U folgeitben 3 ufammenfaffenbeit
j Veitfäßen:
! 1. Tic ftnrfe 9 ?coölferiings 3 unahnte Nürnbergs läßt eine rajdic
I 2 ^'bamutg ber ctu^uuerleibnibrii Vororte gewärtigen, ttameutlid) in beit
(Gebieten, weldic mit beit 23ahnliö[en in 23crbiubung ftchnt.
| 2 . lic überwiegeube Itelnzahl bes 23coölfcnutgs3uwachfeS befielt
| aus Arbeitern, unb cs muß fid) bemuad) bic 23cid)affung neuer Woh 5
! mittgeu in crficr Vinic in einer entfpred)enbcn 23cnnel)'ruitg oon Ar*
bciterwohmnigeii bewegen.
3. Arbeiterwohmuigen, wie fie bisher als Aitcthsfaferiten gebaut
würben, finb ein 2 J erbcrben für bic 2 ?CLiölferuitg fowoßl tn fojialer als
gefmibbeitlidjer Hinfidjt unb jwar wegen ber hierbei auftretenbeit 31 t
großen Tid)tigfeit ber Gewöhnung unb beS ausgebreiteten Schläfer*
iittwefeus.
4 . A?it poli3ciltd)en A? aß re ge ln aßctit fönnett bic gcfchübertcn
Sdiäbett uid)t abgewenbet werben, wenn and) burd) eine befonbere ®au*
orbuitug für unfere Stabt unb ortspolijeilidic 2 ?orfd)riften manche 93 er=
befferuug angebahnt werben faini.
.7. lie HerfteHitug oon Arbeiterwohmuigen muß fooiet als tttöglid)
ber ^aiifpefulation entzogen werben, fie ift burd) eilte 311 biefent Jwerfe
beionbers 31 t griiitbenbe c^eiellfdiaft 31 t bethätigeu, für welche größt*
ntöglidjftes (iittgcgenfomtnen unb Untcrftüßung burd) bic Stabt intb ben
Staat awyiftrcbcn ift.
cj. Sic 31t erbauenben Avbeiterwol)iiuitgen finb ttad) bret Aid)*
tmigen an?3ugcftalten: a) Oimüunilienbäuiev für feßhafte Arbeiter mit
ber Aiöglidifcit, elftere zunt freien Oigenthum 311 erwerben, b) ^atniUert*
mietbsbäufer mit bödiftens oier Tvnmtltcn für ein Haus, c) Arbeiter*
heintc für Icbigc Arbeiter 1111b Arbeiterinnen nadj (vJefdilecbtent gefonbert.
J11 ben AaiidiicnWohnungen ift Afteruticthe int Allgemeinen 311 oer*
bieten 1111b nur unter bejoubcreii 23 ebiiigitngeii feitens ber ©cjellfdjaft
311 geiidnuigni.
7 . Our 23 erbeffenmg ber 2 s 3 ohmings= unb 23 ebaitungsocrhältniffe
in beu neuen Stabttheilcn, fowic 3111' lliiterftübung ber in oorfteheuben
Säßen augebeiiteteu 2'cfircbmigeii ift es erforbcrlidj, baß junärfift eine
Umarbeitung ber ortspoliy'ilidieit 'Ooridiriftcn über offenes 23 auft)ftem
uorgenommeu, ytgleidi aber beim Staatsiniiiifterium bes Jiiticrii bie
lyrlaubiiiß erwirft werbe, für Aiimberg eine befonbere 2 ?anoTbnung
evlaifnt 311 bürten, welche beit riuheimifdicu Aebürfuiffen Aed)itung trägt.
^ereilt „Arbciterhcim" in ©ielefclb. Auf ber (^eneralocrfammlitug
bieies unter bem i'roteftorat ber .staifcriti üehenben "Vereins fpradj ber
betanute Stuttgarter Aabvifant 'ß. 2 ediler über „nationale 2 ' 3 ohunngS*
t'iirforge", bie er als Einleitung für feilte Wohnitngsrcfonn betraditet.
2t?oluiimqsfoimiiiffionen, bie aus 23 ertreteni ber Regierungen, Sedjnifcnt,
Uutevuetmieni unb Arbeitern beiieheu, folfen eine auregenbe, heratljcnbe,
fontrolircnbe Idjeitigleit eittfalteit. Jebe bisher befteheubc fiirforglidie
0 Aiimberg l8bR Willi, ^niiimels 23udj* unb Muiiftbrurferet.
125
Sojiale sprajis. Eentralblatt für ©ojialpolttil. 9h. 5.
126
Dpätigfeit auf beut (Gebiet ber SBohnuitgöfrage (Bauoercittc u. f. w.),
fornie Bobenrcforntbeftrebuitgcn u. f. w. blieben unberührt. Die ge*
fammien mit ber 3eit gefammelten reichen Erfahrungen ber „BSopttuttgS*
fontmiffioneu" liefen in eine $Reicpb*EentraIftene sufammen unb würben
bort geprüft unb oerwertpet. Die llnfoften beb ganzen Hpparatb würben
jährlich mit ein paar lOOOOO M burep bab 9tcid) gebeeft. Htt ber
Dibfuffion beb Bortrageb beteiligten fiep 2anbebratp Dr. 2iebred)t s
£)amtooer, Lic. 53ebcr=Üi. ©labbach uttb P. non Bobelfcpwingp. Eb
würbe einftimmig befrfjloffen, bie 2edjler’fd)e gbee burep bett Borftanb
beb Eo. Hrbeiteroereinb, beb beutfepeu Bcreins „Arbeiterheim" u. f. w.
bem 9leid)btag wie bem Bunbcbratp 311 unterbreiten. — P. non Bobei*
fchwingh ($rafeb beb Bcrciitb „Arbeiterheim") benotete über bie Hr*
beiten beb Vereins. 3 U ben Erfolgen gehöre auch bie llebernahme
eineb Dpeilb ber Käufer ber Bcrjudjbftation „Hrbeiterpeim" burch bie
SRentenbanf. Die Vorteile eineb folcpen Untemehmenb feien immetfjin
[ehr beadjteitbwertp. Dbcr = gnfpeftor lieber (Vertreter beb Berefttb
„Hrbeiterpcitn") gab einige ftatiftifepe Zotigen, aub betten 3 . B. bie
Dpatfadje peroorgept, bafe unter ben £>auptftäbteu Berlin, SRew^orf,
Barib, Öonbott ber Eruttb unb Boben baulich am nteiften in Berlin
aubgewuepert werbe unb pro $eftar ebenfatlb mit ber jpötfjftsapl ber
Einwohner (3175,a) befept fei. teilte UUttpeilungeu aub bett Steife*
berichten, „Eättge burch Jammer unb 9iotp," liefen einen tiefen Blid
in bab SBohnungbelenb tpun, bab, wie er erflärtc, Unjufriebenheit unb
Baterlanbblofigfeit zeitigen muffe.
gUetotifdie SUgetyn.
ga Pr buch für bie beutfepe grauen weit. .£>eraubgegehen non Eilt)
Saul unb .frilbegarb Dbrift=geuidc, VIII 258 Seiten. (Biit
5 Bilbniffctt.) Ecb. 8 Bfarf. Stuttgart, Verlag non E reiner
6 Bfeiffer.
Ein Such, bab mit OHiicf ben 3n>ed oerfolgt, bab Berftänbitip
für bie moberne graueiibewegung in weitere, heute ihr nodj fern*
ftehenbe Greife 31 t tragen. Die ^tuffä^e finb fämmtlicp uott grauenhattb;
mir begegnen unter ihnen and) Hrtifelit über bie Hufgabe ber SDiäbdjen*
ggntnafien oon Dr. Äätpe SBittbfcfjeib, über bie grau im fmnbelbfacpc
non Biimta Eauer, oom mebistttifeben Stubium ber grau oon Dr. Hgttcb
•Öader, über bie Dpätigfeit ber grau iu ber Eeinciitbe oon Statalie
Siiimelin, über weibliche gabrifinfpeftoreit oon geanette Schwerin u.H. nt.
Eemerbc=Drbitung für bab Deutfdje 9tcid). .£>attbaubgabc mit
Erläuterungen oon Slubolf Schreiber, fgl. baper. 0bcr*9tcgierungb=
rath- 2 . neu bearbeitete Huflage. Biündjen, E. £>. Bed’fdjc
SSerlagbbudihanblung 1898.
Eine fehr bequeme, panblicpe Hubgabe, bie burd) gcfdndte Hnorb*
nuttg beb Stoffeb, tfiirse unb Bräsiftoit ber Erläuterungen unb foübe
Hubftattung fiep aufb Beftc für ben praftifdjen Eebraudj empfiehlt unb
gerabe wegen biefer Bor 3 Ügc aud) neben ben utufaugreidjeu kommen*
taren beb Eefepeb weite Berbreitung oerbient. Betgegebett ftnb bie
BoHsugboorfdjriften für bab 9tctd) unb kapern. Ein gettaueb Sach*
regiftcr erleichtert bett Eebraucp.
Beridjt über bie Eemeinbc*B erwaltuitg ber Stabt Berlin in
ben gapren 1889 bib 1895. Büt Hbbübungeu, harten unb
glätten. 1. Dheil. Berlin, Earl .ftepmannb Verlag 1898.
Der in oonteptnem Ecwanbc crfd)ciucnbc, ftattlidje Battb enthält
eine giille intereffanter Biitthcilungcu unb Söericfjte über bie Etttwicfe*
lung Berliitb in ber erften Jmlfte ber 9ü er gapre. Die Eittoerleibungb*
frage, bie Berbefferuug ber Strapensiige, bie 'Beförberuugbmittel, bie
baulidje Entwirfclung, ber 58au unb Unhalt ber Strogen, ihre Steini*
gung uttb Beleuchtung, bie 9J?üüoerbremtuttg, bie ftäbtifdien Gaffer werfe,
bie Entwäjferung, bie SBafferläufe, Brüden uttb $>afeuanlagen, bie
öffentlichen ^larfb unb Baumaulagen — matt braudjt nur biefe Äapitel*
iiberfdjriften ju nennen, um einen Begriff oott ber Sieicbhaltigfeit beb
Eebotetteu 3 U geben, giir ben Sosialpolitifer finb bie Hbfdjuittc über
bab föachbthum ber Beoölferung unb bie Befriebiguttg ihrer B$ohn*
bebürfniffe, fowic über bie ScOcnbmittelucrforguug oou befouberem
Berthe. ;.
Schmibberger, Heinrich, ^ireftor ber §anbelbfchulc für Sftäbdjcu
in granffurt a./9Jf. 2 )ie ^attbelbfchule für Biäbdjen mit aflge*
meinen Eefidjtbpunftcn über ^anbeU“fd)uleu überhaupt uttb bie
Hubbilbung ber £ehrer ber .^anbeUwiffcnfdiaften. Bortrag ge*
halten in ber granffurter Hllgemeinctt ^chrcr=Beriammlung.
granffurt a./9R. 1898, in ttommifjton bei g. %. Sauerlänber’b
Berlag. 26 S.
S)ie gleichseitig hi^nnit aubgegebene 9?r. 2 ber 9Ronatbfd)rift
©fwerbegeri^t" enthält:
Hufforberuttg an bic Berbaitbbtnitglieber. — ®ie ^rajib beb
Stettiner t^ewerbegerichtb, neralichen mit ber $rayib beb (bewerbe*
gerid)t£. SSon 9l?agiftratbaffeffor Saubiinger in Stettin. — Skr*
faffung unb Verfahren: Monferetts ber Hrbeiterbeifiher ber
pfälsifchen E)ewcrbegerid)te. Bon Emil ©erifd), grranfenthal. —
Berbanbb*Hngelegeitheitett: Die Befpredjititg ber (bewerbe*
Sd)rifteti beb beutfd^en Bercinb für Hrtnenpflegc unbSKohl =
tl)ätigfeit. §eft 35—39. Veip 3 ig, Dttttder & £>utubIot.
Die fürslich erfdjiettenen neuen §cfte behanbelti fämmtliche Eegen*
ftänbe, bie auf bem Enbe September biefeb gahrcö iu Nürnberg abge*
balteneit Dage sur Berhanbluttg gefomtnen finb. Die rafdje Beröffeitt*
lichuttg' biefer Steferate ift mit befottberem Dattf 3 U begrüben, um fo mehr
alb bic Berichterftattuug in ben 3eitungen nur ein biirftigeb Bilb oon
ben widrigen Borträgen gegeben h«t. Die .f>efte betreffen: 1 . bab aub*
länbifdje Hrmcuwcfcu, Dr. E. Bfuertfterberg; 2 . gmangbtnagregelu
gegen uährpflichtige Hngehörige, Bcrid)terftatter Dr. E. ^irfchbcrg,
gaffte in, Dr. E. Sftuen ft erb erg; 8 . $i'tlfe in auherorbentlid^ett 9toth s
ftäitben, Dr. C. Baer (Hothftanb 1897 tnt Stiefengebirge) unb E. galch;
4. bie wechfelfeitige Untcrftübung oon Steichbangehöriaen in ben ein*
Seilten Bunbebftaäten, 33. gleifchntantt unb Dr. . ( p. Bulattb; 5. gu*
^udjtbftätten für weibliche ^crfoitett, Bcrichterftatter E. Hberb; Ejriftetts*
minimum in ber Hrmettpflege, Referent Dr. Schmibt unb Euno.
SBiebfelbt, Dr. 0tto. Statiftifche Stubien jur Eutwidelungbgefchiihtf
ber Berliner gnbuftrie oou 1720 bib 1890. ^cipgig, Berlag oon
Dunder & ^umblot, 1898. 411 S. (Staatb* unb fosialwiffeu*
fdjaftliche gorfchungen, hcraubgeg. 0 . Euft. Schntollcr, Bb. XVI,
§cjt 2 .) -
Der frühere wiffenfdjaftlidte £>ülfbarbeiter beb ftatiftifd^en Hmtei?
ber Stabt Berlin unb jepige Sefretär eitteb Berbanbcb Ianwirthfchaft*
üdjer Eeuoffenfdjaftcn hot auf Httrcgung oon ^rofeffor Schntollcr eb
unternommen, bie gefammte oielgeftaltige gnbuftrie Bcrlinb mit ihren
Bcrsmeigungen burch 200 gahrc" hiitburch 3 u oerfolgen unb biefe ge*
toerbeftaiiftifdten Ergebttiffe su beut Berfud) einer tiationalöfonomifchcn
unb fosialpoiitifchen Entwidlungbgcfchidjte aubsuttupen. Er glaubt
fünf ^erioben unterfdheibett 31 t fönnen, für bie er alb Ercnsjapre 1765,
1816, 1846 unb 1861 wählt. Befottbere Sorgfalt ift auf bie gewerblidte
Eutwidclung Berlinb ittt XVIII. gahrpunbert gelegt. Der Ber*
faffer fuept iiberafl auf 3 ubedett, wie weit bic preupifd)*beutfche ^attbelb*
poütif bie Urfacpe ber gewerblichen Enttoideluttg gewefen ober fie unter*
ftiipt pot. Drop ber reicplidjeit giiUe gewerbcftatiftifcher Hrbeiten ift
eine folcpe sufammettfaffettbe DarfteUung eine fcltcnc, fepr banfenbwerthe
Erfcpeinung, ber nur Hacpfolge 311 wüitfcpen ift.
gulb, Dr. öubwig. Dab Biiethrecpt nadj bem Bürgerlichen Ecfepbudj
für bab Deutfcpe Beicp. Spftcmatifd) bargefteüt. Öeipsig 1898,
Dunder & £mtnblot. 283 S.
Ein nüplicper Batpgeber für Bfietper unb Bermiethcr! Dab
Bürgerlidje Eefcpbud) bringt in feinem Btietprcdjt fo tief eitifd)ticibeubc,
für bic Eefamnttbeoölferung poepwieptige Beftimmungen, bap gebermann
fleh flar tnaepen mttp, wab oom 1. ganuar 1900 an auf biefem Eebiet
9tecptcub im Deutjcpett Beicpe ift. Der Berfaffer hat feine Hitfgabe,
aud) bem öaiett bab 9tecpt flar unb beutlicp 3 U machen, in gliicflicper
23ctfc gelöft.
gaprbudj für Eefepgebung, Berwaltung unb Bolfbwirtpfdjaft
int Deutfcpen 91 ei cp. 22 . gaprgang. Ocraubgegeben oou
Enftao Scptnoller. 4. §eft. 2 eip 3 ig 1898, Dunder & -bumblot.
378 S.
Hncp biefeb ^>eft rechtfertigt burdj feinen reichen unb intereffaitten
gupalt ben alten 9luf, ben biefe peroorragenbe Boöütotion beftpt.
St. 0 . Stengel führt feine im oorigen §eft befcploffcne Hbpanblung über
„Staatenbnnb uttb Bunbebftaat" 3 U Ettbe. 2. 0 . Bortfetoitfd) Bespricht
in einem „Die Erensnupentpeorie alb Erunblage einer ultra*liberaleit
SSirtpfchaftbpolitif" betitelten Huffap ben Cours d’Economie politique oon
B. Boreto in 2aufanue. Hub bem 9iacplaffe beb greiperrn 0 . Steipeuftcin
bringt E. BJuenfterberg „Beiträge sur Eefcpicpte unb Dpeorie beb Hmiett*
toefenb" unb swar sunäepft aub bem Hrntenwefen ber Scpwcis.
g. Wartung pat eilten Hrtifcl über bic birefteit Steuern unb bie Ber*
mögenbcntmtdlung in Hugbburg oon ber Biitte beb 16. bib 311 m
18. gahrpunbert beigefteuert. 9tcgierungbratp l»r. H. 2op erörtert bic
ttoften ber Bolfbfdjule in Breufjett uttb 0. Olcrlattb beleudjtet in be*
merfeubwertper 33eife „Die Biängel ber ^olisei". „Bolf^wirthfcpaft
unb 9teditborbmmg" ift bab Dpenta, bab £>cnrt) E. Hbatttb fiep sur Er*
Öffnung ber gapreboerfammluttg 1896/97 ber American Economie
Association gewählt pat; E. 0 . £>alle pat bie trcfflidic lleberfeputtg für
bab gaprbud) beforgt. Eine fepr aftueüe Hbpanblung ift bie oou
St. .^elffcridj über bic Erneuerung beb beutfdjcn Banfgefepeb. — 2tie*
rarifdjc Hnseigen maepen ben Befcplup beb ftattlicpen 5>cfteb.
Dfd)icrfd)fi), Dr. S. Oielb unb 33äprnttg (33iffenfcpaftliche Bolfb*
lubltotpcf. Hr. 65—66). 2eipsig, Siegbert Scpmtrpfeü. 101 S.
Breib 40 3f.
| gerieptboorfipenben unb Beifiper 3 U Nürnberg: Beitrittberflärnngen.
— 9 ted)tfprecpung: Blittpeilungen aub ben Entfcpcibungett ber
I Eewerbegericpte Berlin, Dorhnunb, Hamburg, granffurt a. 9 .K'.,
I min, Montgbberg i. $r v sweier Eemerbegericpte iu Sübbeutfdjlaub
I unb ber 2 anbgericpte Berlin, Dortmunb. — Hllg ent eineb über
j ©emerbegeriepte unb Hrbeitboertrag: Arbeitgeber unb
I Hrbeiter bei ben ©ewerbegeruptbrnahlen. — Einiguiigöämter:
i Dab ®ewerbegerid)t granffurt a. Ui. alb Einigitugbamt iu einem
Uiaurerftreif. - gnfialtbaugabe ber „Sosialen B^'orib".
Scrantiuortlid) für bic jHcbaftion: Dr. Grnft graitcTc in öcrlin W., nvcntficvmafjc
127 ©ojictle $ra£i8. Sentralblatt für ©ojialpolitif. 9h. 5. 128
©fe »$ 0 |taU erfcfteint an jebem ©onnerötag unb ift burd) alle Sudiftanblungen unb ^oftäii'ter (^oitaeitungÄnummet 6729) $u Besiegen, ©et fßrcio
füt ba$ SBierteljahr ift 9JJ. 2,. r >0. 3ftbe Kummer foftet 30 $f. ® cr ÄnaeigenpreiS ift 60 $f. für bie breigefpaliene ^etitjeile.
Einbanddecken
zu
Jahrgang VII der Sozialen Praxis
(in brauner ftaMleinwand und in der Art der Deelen xn den Yorbenrehenden Jahrgängen)
sind zum Preise von l Mark 50 Pfennig baar durch jede
Sortimentsbuchhandlung zu beziehen.
Heuer Hering wn fundier & $jumbiut in Jetzig.
^foefdjuttgen, Sioatö« unb fociaimiffenf^afili^ XVI, 2:
Sßiebfelbt, Otto, ©tatiftifdie ©tubien 3uc @ntnncfelung§gefdf)tdjte
ber berliner Qnbuftrie Don 1720 bt§ 1890. 5ßret§ 9 EÄ. 60 *ßf.
£$ulb, Sttbtotg, ®a§ EKietred)t nadO bem SBiirgerltdEjen ©efe&bud)
für ba§ 3)eutfd)e 9fiei<f). ©gftematifdj bargefteflt. »rei§ gebunbett
in fietmoanb 5 SRF. 40 ißf.
©demolier, ©uftfti», Untriffc unb Unterfucfjungen gut SSerfaffungS»,
3JerroaItung§s unb 2SMrt[cf)aft§gef<f)tcf)te befonberü be§ Sßteu&ifdjm
©taate§ im 17. unb 18. Saf|rf)unbert. ißrci§ 13 EK., gebunbcn
in Seinmanb 14 EK. 60 »f.
Soeben erschienen:
Die Staatensuccesion.
Völkerrechtliche und staatsrechtliche Praxis im XIX. Jahrhundert.
Von
Max Huber.
Gr. 8». (XXII, 319 S.) 1898. Preis 7 Mk. 20 Pf.
Durch jede Sortimentsbuchhandlung zu beziehen:
Die Schwindsucht im Lichte der Statistik und Sozialpolitik,
mit besonderer Berücksichtigung der staatlichen und privaten Versicherung.
Voii
Ihr. Wilhelm Kley.
- 1898. Preis 2 Mk. 40 Pf. -
Handbuch für Prenssische Sparkassen.
Gesetze und Verordnungen mit Berücksichtigung der Rechtsprechung
herausgegeben von
H. Kappelmann,
S t a d t r a t.
- 1898. Preis geb. 3 Mk. 60 Pf.-
Scraniiuortlidj für bic “Itijcigcn: OcDmntl) ©ctbel, fietp 3 tg. — »erlag dou Sünder & £uuibIot, i'ctwtg. — ©ebiucft bei 3uliuS ©Uienfeltx, öerlln.
Gustav Fischer, Ver lag in Jena.
Soeben erschien:
Festgabe für Johannes Conrad
zur
Feier des 25jährigen Bestehens des staats¬
wissenschaftlichen Seminars zu Halle a. S.
in Dankbarkeit und Verehrung überreicht
von ehemaligen Mitgliedern des Seminars.
Herausgegeben von
U. Paasehe.
—-- Preis: 9 Mark.-
Hiervon einzeln za haben:
van de» Borght, Die soziale Bedeutung der Ar¬
beiterversicherung. Preis 2 Mark.
DletnL, Ueber das Verhältnis von Wert und Preis im
ökonomischen System von Karl Marx. Preis 1 M.
Kahler, Die Entwiekelung des staatawissenschaft-
liohen Unterriohts an der Universität Halle.
Preis 1 Mark 60 Pf.
Stieger, Zur landwirtschaftlichen Arbeiterfrage.
Preis 1 Mark 60 Pf.
Wirmlnghaas, Die nationalökonomische Wissen¬
schaft und der deutaehe Kaufmannstand.
Preis 1 Mark.
Verlag von Siemenroth & Troschel
Berlin W.
Geschichte u. Statistik
der
freien Arztwahl
io Befliß.
Von
W. Astor.
Preis 3 Mark.
VIH. |ö|;tgflng.
©crlin, ben 10. 9?ouember 1898.
Hummer 6.
Soziale prayte.
{SfenftrafMaff für ^ogiafpofifiß
mit 5er HRonatSbeilage:
Pas (Bewerbcgevtcht.
©rgan öes Derbanöes beutfdjcc (Betüerbegeridjte.
Picitc golge 5er „glatter für fogiale ^rajtS // unb 5cS „Sogialpolitifdjcn GentralblnttS*.
CrMeint an iefeem Sonnrrfiag. ^>ecauSgcBer: frei* ttierteüMelM 2 «♦ 50 Bf.
Nebaftion: Berlin W., Sabveutherftraße 29. Df* ® fit fl «ffftttdte* Verlag boit ©)untfer & Humblot, Ceipgtg.
3 tit)alh
9Ubeltetfc$uß unb^eimntbeit II.
Bon Dr. (Jugen Scbroieblanb,
Bxiöotboaent, Höien.129
©ie «tIterfi- unb SnbalibitütS*
uerflc$eninß in ben «Riebet*
Ianben. Bon Dr.3-H.oan3anten,
fcmfterbam.135
Vlgetttriitf «ojial* >nb
|O0litlf.137
(*inbämmungämafcregeln gegen bie
■ foftialbemofratiMe £oc$flut(j.
(Sngltfcbe tfluffoffung bon SlrbeitS*
. lampfcn.
Uebetgong bcr Bergpoltaet im Beaitf
eine« fehle fifaen Bttoatbergwerfregalß
an ben Staat.
WrbeitSfamutern in HlmfteTbam.
ftanmnafc Coata!**Iftt! .... 139
HRonopole in Sonbon, SEBien unb
Berlin.
©emeinblieheBeflßöttftiiberuiigSabgabe
in Bauern.
StöbtifcbeS iußfunftSburcau in (So»
bürg.
Stäbtifche HRiSceHen.
•oktale Bufft**« ;.141
©ie (SinfommenSbert^eilung
in$amburg. Bon Dr. (S.Biiugft*
born, Hamburg.
gönnen unb Begriff bet £au6inbuftrie.
©er beutfcbe ftrbeitSmarft im Dltober.
Arbeitslöhne in BritiM*3nbien.
tfrbcUcrbetoeottnfl.145
Bon ber Bergarbeiterbewegung.
Streifs in ©eutfcblanb wäbrenb beS
OftoberS.
Aus ber fatljoliMen Arbeiterbewegung
in ©eutfcblanb.
Bewegung unter ben ÄonfeltionS»
arbeitern.
ein BöeferauSftanb in Berlin.
Bauarbeiterfongrefj in Berlin.
ßweiter beutfdjer SeemannSfongrefe.
Beilegung beS BäcferftreifS in Jlopen*
bogen.
ttrbelterMu*.148
(Erhebung über bie Befdjnftigung ber*
beiratbcter grauen in gabrifen.
©aS ßönbbölacbengefeb in ber Scbwetj.
HanbelSgeroerbeinjpeftion in Sonbon.
Berichtigung.
tlvbeileYtaerflAeriittfl. Öparfoffen 149
Äranfenfürforge unb Snbalt*
benöerfidjerungSentwurf. Bon
SanbeSaffcffor ©. b. 2S iß leben,
Berlin.
Ablehnung ber 3tt<W0 fi fr<mfenbcr*
ficberung fürtfanjfeutein HRagbeburg.
SRiSceKen aut Äranfenberficberung.
ßranfen* unb UnfaQberficberung in
bcr Schweia*
BOo5ttnii0#t»efen.152
©ie SEBobnungSnotb in granl*
furt a. HR. unb baS Borgeben
beS granffurter HRtetheroer*
eins. Bon Dr. tf. bon HRan«
golbt, granffurt a. HR.
Staatlicher HSoljnungSbau in Bwufjen.
Bribate HBobnungSenguete in HRfincbcn.
Bobenpreife in Karlsruhe.
©ie SßobnungSnotl) in Bonbon.
<£*Sieftitnfl unb ® Übung.155
BoIfStbümlicbe^ocbfcbulfurfe in Berlin.
Afabemifcbe Abenbfutfe in greiburg
im BreiSgau.
BolfSbibliotbefen unb BolfölefebaHen.
J&ülfSfcbule für Mtoacbbegabte Äinber
in B°fen.
Unregelmäßiger Befudj ber elementar*
fcbulen in Öonbon.
greilefebatlen in «nglanb.
OMielpolitifge Vtoftnabttien tin Brr«
lebrtWefe».158
eifenbabntarifreform in Schweben.
Sttterariffte Knatigcu.158
Kbbrucf fäuuntfHjer AriiM ift 3*itungen unb 3 e iif<b T ifttn geftattet, iebocb nur
mit boHer Quellenangabe.
3 Ubetterfd}u| unb Heimarbeit.
u.
(liergl. Sit. 5.)
Gine ebettfo wichtige 3?rage ift nun bie nad; bem Qit Balte
biefer ?lrbeiterf(hußoorfchriften: bie fyragc, nad) weldjcn id)*
tun gen fjin ber ?lrbeiterfd)uß auf bie .Jjaiiöiiibiiftnc „ausgiibel)ueu"
märe?
©>entt bie (Erfahrung einzelner Vcinber beroeift, baß bie einfache
formelle MuSbehnung ber für gabrifen unb Söcrfftätteu beftehenben
Slrbeiterfdjnßüorfdjriften auf bie SerlagSinbuftrie nidjt genügt.
(Sine berartige 5$o*berung fann bort, wo eine Sonberftellung
ber §an0inbuftrie befielt — roie in Solge 154 2fbf. 4 bcr beut*
fdjen ©ctuerbeorbnung ober in Sfolge §. 1 Slbf. 3 ber öfterreidjifcben
— formell leicht erfüllt werben. s Jflait befeitigt augbrücfU^ biefe
Sfu^nabmöfteßung ober erfläri, ba§ (nunmebr) atte 2(rbeiterf<$u|js
beftimmungen ber ©emerbeorbnung für bie nerleaten ?frbeit^ftätten
Heftung b a ^ cn - 3« ßnglaub mürben bie ©mnofäte ber ^abrif»
gefetjgebuug über ba0 Verbot ber Sonntage unb Nachtarbeit, über
Die Einführung einer ^ayimalarbeitSjeit fomie einer minimalen
SUterggrenge für bie SBefdjaftigung oon nnb ilinbern fc^on
1867 auf alle, auch bie fleiufteu, grauen unb Äiuber befdjäftigenben
Setriebe übertragen. Sranfreich behnte 1874 feine (i)efehgebung
auf bie fletnen Äerfftattbetriebe au^. ^a§ ©leid^e thaten feit ben
achtziger Söh^n §ot(anb fomie eingelne fchmei^er Kantone, norb«
amerifanifche Staaten unb auftralifd)e Kolonien. 17 )
' ^ennod) faheit fich biefe Staaten, fofem fte bie £au$inbuftrie
mirffam regeln rooKten, oeranlafct, Souberbeftimmungen gu fd^affeit, 18 )
welche auf baS ©ebiet ber Heimarbeit beffer paßten unb fich baher
mirffamer geigten aU jene allgemeinen Sähe. $)enn jene ©efeh*
gebung Iäfet, wie ein Hutor fich anägebrücft hot, einen großen
2:1^^ for ^auöinbuftricrien Setriebe in ?foIge ber Natur ihrer Se*
ftimmungen außerhalb ihrer ©irffamfeit, roährenb ihr ber theore*
tifch erfaßte 2:bcil praftißh fo gut roie gang burch bie
geht. 19 ) Segreiflid)er s Beife! Sinb hoch gunächft oiele Setriebe Der
Hau^inbuftrie fchlechterbing^ feine Söerfftattbetriebe, fonbern Se*
triebe oereingelter Heimarbeiter ober eingelner Familien. Sobanu
bebingeu bie ber HauSinbuftrie eigenthümlichen Uebel auch befonbere
Sorfchriften. Unb enblich wirb bie $)urchfehung ber gefehlid^en
Sorfdjrifteu bur<h ba^ örtliche Sluftuiren ber großftäbtifc§en hQu^ s
inbuftriellen Setriebe unb Durch bie gegen fettige Hilfe gut Ser*
heimlid)ung, welche fich bie Heiinarörito gewähren, 20 ) erfchwert.
HSenn nun aber bie Arbeiter bie „Sluäbchmmg beiS Arbeiter«
fchußes auf bie Hdi^tnbuftrie" forbern, fo ift bamit gewiß nicht fo
fe|r bie formelle SluSbehnung be^ Geltungsgebietes ber Beftehenben
Slrbeiterfchuhoorfchrifteu, als oor Ment bie Schaffung eines biefer
Setriebsform abäquaten Schußes überhaupt gemeint. &aS ift aber,
wie bie Erfahrung beroeift, nur burch bie Schaffung oon Spegial*
oorfchriften möglich. — llnterfujhen wir jeßt, na<h welchen Nidj*
tutigen fic§ biefelbcit erftredfen müßten.
17 ) Bgl. bie Ueberftdjt über bte auSlänbifd^c ©efeßgebimg über
I „^erfftättenarbeit" ttt ben ©rudfadjen ber beutfehen „^ommiffion für
i Hlrbeiterftatiftif", Berbanblungeii Nr. 10, 8. 8 ff.
| lö ) Bgl. biefe Sonbergefeße unb HRUtheilungen über ihre (Srfolge
1 in meinem „^weiten" begm. „©ritten Bor6erid)t über eine nefcßlidn'
| Negelutig ber Heimarbeit", B^ien, Berlag ber §anbels* unb Öewerbc*
. fammer, 1897, 8. 38 —i>9 begm. 8. 8 IG.
! lö ) W. s Beber in SchmoÜcr« „Jahrbuch"/ a. a. 0., S. 273 — 277.
20 ) Copy of Rejiort to the Board of Trade, on the Sweating System
i at the East End of London, By the Labour Correspondent, London 1887,
Bctrlnmcntepapier ,3 : 331, 8eite i>. — Seeond annual Report of the l ,, ae-
tory Inspectors of Illinois for . . . 1894, 8. 42; ugl. 8. 30 ff-
m
©ogtale PrajiS. ©entralblati für ©ogialpolitif. Kr. t>.
132
I. 3unäd)ft Famt bcftehenbe iabriFgcfehgebunc) felbft
3ufäfyc im ljutercffc ber hcimarbeiteubcn er*
ballen. 3h*c Pkiterbilbuitg in bet* Pidjtimg eines ©djufceS ber
Heimarbeit ift möglich burd; a) bas abfolute ober b) bas bebingte
Verbot, bah Arbeiter, weldje in SabriFen befrfjäftigt finb, Arbeit
tiaef) Hanfe nehmen. Dadurch mirb bie Heimarbeit non Sjabrif*
arbeitern für ihren PkrFftattbetrieb gang verboten ober hoch be*
fchränFt. Das ©rftere ift in Aeufeelanb nnb in ber Schmeiß
lebtereS in Gnglanb ber $ad.
a) Die neufeelänbifdje gabrifgefebnooelle ootit 12. Dftober
1896 beftimmt in §. 5 fdjlechthin:
i
i
„33enn überhaupt eine in einer $abrif ober äBcrFftclle befchäftigtc
perfon eine Arbeit für biefe gabrtf ober SerffteHe anbermärts als? tu
lejjtrrer felbft oerridjtet, ift ber Peftber ber Unternehmung ftrafbar bis
gn 10 £, unb bie Perjon, weldje bie Arbeit oerrichtet, bis 311 5 £."
Die ©efefje ber Kantone Sprich nnb liugent über ben 0djujj
ber Arbeiterinnen 00 m 12. Auguft 1894 begro. ootn 29. Pouember
1895 enthalten bic gleiche Porfcfjrift begiiglid) ber SBerFftattarbeitc*
rinnen fcf)lecf>thin (§. 7 begw. §.4):
„(*S ift oerboten, ben Arbeiterinnen über bie gcfebltdje Arbcitsgcit
be* ©cfd)äftes hinaus lociterc Arbeit uadi Haufe ntitjugeben."
©benfo baS analoge ©efefc beS Kantons ©olothuru 00 m
29. Kooembcr 1895.21)
b) Das englifdje JabrifSgefeb aus 1895, meines bie Heimarbeit
jugenblicher unb weiblicher PkrFftättenarbeiter für bie 3wecfe ber
©erfftatt seitlich BefchränFt, beftimmt in §. 16:
„(Sin Äinb barf im ©cfdjäftsbetriebe einer ^abrif ober ägerfftätte
an lagen, an welchen es in ber äabrif ober Söerfftätte befdjäftigt wirb,
auger H fl ufe nur innerhalb brr (Trensen ber guläffigeii Arbeitszeit Pe=
fdjäftigung finbeit.
(Sine jiigenblidjc ober irammsperfou barf im ©efdjäftsbetriebe
einer gabrif ober ©erfflättc au Dagen, au welchen fie in ber gabrif
ober 2Sertftättc Por* unb Kadjinittags befchäftigt werben, anher Haufe |
nur innerhalb ber ©rcitgen ber guläffigett Arbeitsgeit Pefdjäftigung |
finben. I
f$itr bie 3merfc biefrS Paragraphen wirb ein Äinb, eine jugrub*
lidjc ober grauensperfon, weldjeu ober für welche Arbeit anher Haus
gegeben wirb, ober beiten erlaubt wirb, Arbeit mitgunehmen, bamit fie
bieff auherhalb ber gabriF ober SBcrfftättc oerrichten, au bem Dage,
an welchem bie Arbeit auf btefe p>eifc biuausgcgeben ober genommen
wirb, als bereit* innerhalb ber Aabrif ober HScrfftätic befdjiiftigt au=
gefeljeit."
lAbfajj ü biefe* Paragraphen erflärt e* für guläjfig, bah ber
©taatsfefretär, um beit ©ewohnheiten unb Pebitrfniffen beS Hanbcls
entgegensufommen, nach Pebarf Ausnahmen oon biefem Paragraphen
aulaffe.]
tiefer Ic^tercn Art ber Regelung flehen jebod) praFtiftfje Pc*
beiden entgegen. 1. Sitgenbliche ober graucnSperfoneu finb im
©inne biefeS Paragraphen (Abfafc 2) nicht bagegen gefchi’Mjt, mit
AuherhauSarbeit belaben gu werben, wenn fie in ber gabriF ober
SBerfftatt Fürgere als bie A'ormalaibeitSgeit über befchäftigt
würben. $'m liegt alfo eine 9)1 ö gltd) Feit, bie Intentionen beS
öefefegeberS gu umgehen. 2 -') 2. ferner ift überhaupt — iufolange
bie Heimarbeit felbft Feiner wirffameit Regelung unterworfen ift —
bie Montrole bariiber, ob bic teilte nicht iibennähig uiel Arbeit nach
Haufe mitbefommen, feljr fchwer burchführbar, wenn bie Unter*
nehmer unb — was mehrfach uorgefontmen ift 23 ) — auch bie
Arbeiter bic gefehlte SSorfdjrift nid)t beachten wollen. 3Daher
oerlangen bie ehrlichen Firmen ein abfolutes Verbot ober ooHe
Freiheit. 3. (Snblich haben in (Sngtanb bie mit ber 23eacf)tung
beS 6)efeheS oerbunbenen Unbet)uemlichFeiten Unternehmer oer*
aniaht, an ©teile beS SerFftattbetriebes in gröhereut 3Jtahe gur
PerlagSarbeit übergehen.
^aS SSerbot, in ber Kleiber* unb 'Bäf^eFbnfeFtion Slrbeit uad)
Haufe initgugebcn, bilbete and) ben ©egeuftanb 001 t Perathungen
ber beutfehen fomntiffiou für Krbeiterftätiftif. ©egen bas Verbot |
21 ) vf. 6, ?lbfah ..lieber bie ge [etliche Krbcitsgcit hinan* barf |
ben Arbeiterinnen feine weitere Arbeit itad) Haufe utitgegcbcu werben." |
’ J3 ) i<gl. bie Au*führuugcn be* (Grafen 0 . pofabowsft) im 9teirf)*=
tage am 17. Januar 1808, protofoll 8. 430, über ben am ls. OAai 1807 1
eingebradjtcn Entwurf eine* (')efepe* gur Abnuberung ber ©ewerbe* j
orbnung nnb bas Mraufcnocrficltcrungsgefcpcs: Xer Entwurf „ging
befanntlid) oon bem ©ebaufeu au*, bah weiblidjcu Arbeitern, wcldie 1
in ber Aabrif bereit* über fed)s ©tunbeu befchäftigt feien, Hausarbeit
uid)t uadi Hanfe gegeben werben biirfe, unb e* ift meine* brachten# 1
bamals fdjon mit Kcdjt ber (Sinwaub erhoben worben, bah mau eine
berartige gcfeßlidie s l?orfd)rift fofort umgehen föuute, wenn mau bei* !
ipielSweife bie Arbeiterinnen in ber Aabrif halt <> ©tuuben nur 1
3 ©tunben 30 Ktinuten bcfdjäftigte."
23 j Report of the Chief Insjiector of Factories and Workshops
for . . . 1896; London 1897, 2. 38.
würbe geltenb geumdjt, bah c *ma 10 o/ 0 ber ^erfftattarbeiter in
ihrer JvähigFeit hinter bem 2)urchfd)nitt gurücfblcibcn unb baher
nur unter 3 u ^ilf e aahme oott Hausarbeit beftcljcn Föntieit, ferner,
bah jenes Perbot eine 5lbnöhmc ber SöcrFftatt* unb Zunahme ber
reinen Hausarbeit itad) fich giehen würbe. ®odh theiltc bie PcVhr*
heit ber 5?ommiffion bie 3)?cinung eines KebnerS, „bah ohne baS
Perbot ber Ptitgabe oon Arbeit nach H au fe alle anbereit ©djuh*
oorfchriften in ber iiuft fchwebett würben"; oiele Arbeiterinnen
hätten eine Kähmafchine unb Fönitten baher nach 6d)Inh ber Pkrf*
ftattarbeit bie Arbeit gu Hanfe weiter fortfefcen. öS fragte fict) baher
nur, ob bie Hausarbeit — nach eitglifchcm Porbilbe — für ttidjt
ooll in ber PkrFftatt befchäftigte Arbeiterinnen guläfftg fein foüte?
Dafür würbe geltenb gemacht, bah nicht angche, einer Arbeiterin,
bie nur einen halben Dag in ber PkrFftatt befchäftigt fei, weil fie
für $inber gu Haufe gu forgen habe, gu »erbieten, Arbeit uad)
Haufe gu nehmen. Der Porftanb ber babifrf)en SabrifSinfpeFtorcu,
Dr. SoertShoffer, fprach fich ^mar für baS Perbot aus, beantragte
jeboch, bah eS auf jene Arbeiter Feine Anmcubuttg finben foile,
„bie nur geringe 3^it in pierFftättcn befchäftigt würben". (Sin
anbcrcS MommiffionSmitglieb fchlug bie oorfichtigere Raffung oor:
„bie nur gum geringen Dheil in ber SBerFftatt, iiberwiegeub aber
gu Haufe arbeiteten", bemerfte aber felbft, bah in ber Hochfaifon
bie Unternehmer fchon barauf ht»SuwirFen wühten, bah bic au bie
Dl)ätigfeit in ber Pkrfftatt fich anfchliehenbe Hausarbeit gunehme.
Daher fprach fi<h benn auch bie tommiffton bafür auS, bah tS
nothwenbig fei, bte 3öer!ftattarbeiterinnen oor Ucberlaftung burch
Heimarbeit „thuulidjft" gu fchüheit, „wenn nicht aubcrS möglid),
and) burch baS Perbot ber Pcitgabe oon Arbeit nach Hanfe."- 4 )
II. Abgefchen oon folgen 3 u fä{)en gur JabriFs* unb 9S?erf»
ftättengefehgebung Föuucn Porfchrifteu erlaffen werben, welche oon
ooruhcreiu für bie Perlagsarbeit überhaupt berechnet finb. ©ine
berartige Porfchrift bilbet: a) baS Perbot, bah H e imarbeiter bic
00 m Perleger empfangene Arbeit in ©ubFontraFt weüercjebeit.
Die eben genannte neufeelänber gabriFgefebnooelle 2) beftimmt,
bah fall* (h’genger oon P?ebwaareit, Maufleute ober fonftige per*
fouen (Gewebe auSgebeu, bamit baraus burch ©tücFlöhner ober
Heimarbeiter PerFaufSgegeuftänbe oerfertigt werben, biefe Arbeit
bom Uebcrnchmer weber bireFt noch inbireFt weiteroergebeu werben
barf, fei es als ©tiicFarbeit ober fonftwie — oielmehr muh jebe
berartige Arbeiten ihren eigenen SBohnräumen ansgeführt werben,
oon ihnen felbft ober oon eigenen ^ilfefräften, bie fie bafür felbft
entlohnen.
b) Aber auch bic fd)ärfcre Peftimmuna wäre theoretifd) benFbar,
bah fo!rf)e teilte Feine fremben Kebeugcfellen befdjäftigen
bürfen. 3m Salle ihrer DurchführbarFeit würbe bem 3mifd)en*
meifterwefen ein ©nbc bereitet werben. Allein biefe Durchführbar*
Feit unterliegt ftarFem 3meifel. An ©teile ber 3mifchcnmeifterci
entftänben H^mbetriebe oon ^umilien, bie einanber in bie Häubc
arbeiten würben unb immerhin oon bemjenigen Heimarbeiter, ber
bic Aufträge befchaffen uub bie Ablieferung beforgen würbe, in
AbhängigFcit geratfjen Fönnten.
3n ber "beutfehen Mommiffion für ArbeiterftatiftiF wollte
Dr. 2BoeriSl)0ffer umgefehrt bas 3roifd) e umei}terwefen förbern
unb empfahl baS Perbot ber Pefdjäftigung oon H^murbeitern
burch 3roifrf) e nmeifter. 2e ) Ör wollte baher gerabegu auf baS (£ 11 1*
fteheu neuer 3u ) if^ e niueifterwer!ftätten — bie einer Regelung
gngänglich finb — hiuwirFen. ©ein Porfd)Iag fanb jebodj nid;t
bie 3uftimmung ber Mommiffion.
c) ferner färne bie allgemeine Anorbnung in Petracht, bah bk
Anrechnung ber 3utl)aten ober einer Piaterialfdjäbigung
nad) ben ©elbftfoften ber Perlcger erfolgen müffe. Der bereits
gitirte 3ündjer (Entwurf beftimmt in §. 21: . . . „Arbeitsmaterial,
fowie allfälliger (irfah für abfichtlid)c ober fahrläffige ©chäbigungcn
bürfen uid)t höher als gum ©elbftFoftenpreife oerrechnet werben."
Diefe Porfchrift entfprid)t befonbers ben PMiufdjen ber organifirten
©chneiber. 26 ) Plan Fönnte aber noch anorbnen, bah biefe ©efejjeS*
beftimmung in beu 2oFalen ber Perleger angefchlagen werbe.
24 ) protofoll über bte Pcrlmiiblungen ber Mommtffion für Arbeiter*
ftatiftif 00 m 9. nnb 11. Januar 1897 (Drucffadjeii ber Mommtffioit,
Perhmtblimgen Ar. 12, ©eite 14 bis 17), Perlin 1897.
A. a. L, 8. 11 ff. unb 17ff. „Die ^gwifdienmeifter ber Äon*
leftionsiubuftric bürfen nur in ihren A^erfhätten Arbeiter befdjäftigen."
„8ic in ber Heimarbeit bcfdiäftigteu perfoueu bürfen nur in uninittel*
barem Arbeitsoerbältnih gu ben Monfettioiiärcu ftehen."
2,J ) Der (Sifenad)cr Äougreh her Dcutfdjcu ©djueiber itnb
©dmeiberinuen 0 . x a. 18% fowie bie 2ouboner internationale ©dnteibev*
foufereug 0011 1S9H forderten bie „Perpflidjtung, Arbeitsmaterial itnb
PJerfgeugc, foweit biefe ber Unternehmer ober beffen Angeftellte ober
133
Soziale sprajis. Eentralblatt für ©ojialpolitif. 92r. 8.
134
d) e) Der 3üricf»er Entwurf enthält and) bie folgenben Vor*
fdjriften:
§. 19. . . . Die 2 ol) n au Sza hl ung im 5Biril)6ljaufe ltnb bic Alt*
menbimg bes fogcnamtten „Drucf|i)ftentS" ift unterlagt.
Die Auszahlung bes Gofjnes hat auf ©runb einer bent Arbeiter
ein^ntjänbtgenben fdiriftUdjeit A6red)iuing jn gefd)el)cn (3al)ttag^cttel),
anö loeldjer erfidjtlich ift, u)ic niete Stutiben bcatebuugSioeifc (betnt
Afforblolnt) Stiicfc bent Arbeiter gutgefdjrieben ftno nnb mie grofj bei*
Stimbert* ober Stiicflolm ift.
f) 3roecfmä&tg märe cS jeboch aud), im funblicf auf bie Iäub-
liefen Verhäliniffe itnb baS Drucfroefen, Verlegern beit gleicb^eitigcu
betrieb non Viftnalien* unb ©emifd)tmaarcnl)anbliiugen, non
Mrämercieit, non ©oft* unb Schanfgeroerbeu su untcrfaacn.
III. Sa^cfcatfprechenbe llmbilbung fönnfeu fobann oie heutigen
Arbeiterfchufcbeftimmnngen für Fabrik unb Berfjtattbeiricbe finben,
bamit fie aud) für baS ©ebiet ber HauSinbuftric paffen nnb fid)
itjnt abäquat ermeifeu. .f)ier fämen alte Vorfchriftcn in Vetrad)t,
roeldjc:
a) bie Hermen btt ng non Stinberu $it gctnerbtid)er
Arbeit regeln,
b) bie Arbeitszeit non ^'iitbern, non fugenblidjen, non
mciblid)cn nnb non erroadjfeneit mäuulid)en Arbeitern
bcfd)ränfcn,
c) gegen bie ©efat)r befouberer Fabrifation*prozeffe
gerietet ftnb ober
d) ben Schüfe nor beftimmteu BerfSoorrid)tungen be=
treffen.
Unter bie beibeit lefetcrert Forbcrüngen fubfumirett fitf) bie
Siegelung ber 3üu&h°lzchenerzeugung, bes £uecffilberbelegenS uttb
ähnlicher gcfunbheitefd)äblid)er betriebe, aber aud) aitberfeits Vor*
fd)rifteit mie baS Verbot ber tfohlenbügeleifen u. bgl.
Aud) bie Verorbnungen, metd)e:
e) baS Schlafen in ArbeitSränmen nerbieten,
f) beren zeitweiliges, entfpredjenbeS Peinigen tBafrfjen,
Firniffen, ^Tiind^en) norfdjreibeu,
g) ihre ©röfec mit Sfüdfid)t auf bie 3af)t ber barin Vc*
fdjäftigten feftfefeen,
h) bie Ableitung non Staub ober fonftigen 8d)äb*
lieb feiten bes" Erzeugungsprozeffes,
i) baS Vorhanbenfein non Bafiheinrichtungen ober
entfpre^enber Aborte anorbneit,
fönnen eoentuell mutatis mutandis auf bie Heimarbeit Anmenbnnq
finben.
3n Amcrifa unb Australien finben mir fogar 27 ) bie Veftim*
mungen über AothauSgänge auf bie .f^cimmerfftättert übertragen.
Vur baS bie Berfftattarbeit betreffenbe Verbot, SRahlzeitcn in
ben ArbeitSränmen einzunehmen, nerbunbett mit bem pofttioeit ©e*
bote, befonbere Speiferänme bcizuftellen, bürfte irt ben 3wifchen*
ineiftereicn nöflig aufter Acht bleiben.
Bohl aber fönnen bie Vorfchriftcn:
k) über 3 a ^I ltll Ö^f :erTn ^ ne / unb, ruie mir fdjon unter II
ermähnten,
l) bie Verbote bes DrucfmefenS
Zitr Anmenbung fomrnen.
m) Dort, mo bie Gohuregeluttg felbft in baS ©cbict ber
Fa6rifgefefegebung cinbe^ogen mirb, mie in Victoria 28 )
unb, allerbiitgS tn tneit geringerem SJiaftc, in Aeu*See*
laitb, 29 ) fann biefc Frage gleichfalls ohnemcitcrs inbe^itg
auf bie §au§inbnftrie im ©efefee behanbelt toerben.
Das Alles mären Vorfdjrifteu, bie tfjeils ben 3u)if^enmeifter
nnb beit oerein^elten Heimarbeiter gegen llebergriffc ber Verleger,
thcils bie Hilfgfräftc ber 3u>ifd)eumeifter gegen biefc Gefeteren
ber 3mifdjenmcifter liefert ober aiircrfmet, an btc Arbeiter nidjt Iiöljev
ate juui Äoftenprciö ab^ugeben''. (^rotofoll über btc i>erf)aitblnngcu
bei? oierten allgemeinen bentfdjen 8diueiber=» nnb 8d)neiberimteii=
congrcffeö . . , über bie Herbanblmigeit bei? oierten orbenttidieii 3?er*
baubstageö ber 8d)ueiber unb 2dpiciberiuucu . ., fomic über bie 2?er=
baitbtungcn ber jmetten Suternationalen ^cfineibcrconferenj. lntm,
Verlag rinn Heinrich 8titlnner |„5ad^citnug für 8dineiber"| in Hamburg;
3. 2i» fg. unb 99 fg.)
tJ1 j 131 a beö (^efc^ei? oou 3)?ari)laub oont 4. ?lprit 1S9<3;
2 be'ö (')efebCi? oou ^eunfploanien ootit r>. -Olai l«s!»7;
ij. 2 beö ('»efejjeo oou £f)io oont 27. iHprit ls9l>;
|. 3s bes Jvabrifsgcfc^e^ oou ^eu^Seelaub oout is. £ftober l^.N.
Wortlaut biefer ^urfdirifteu in meinem „jmetten" mtb „dritten i^or*
beridjt" be 3 m. in meiner 3d)rift: teilte oorgcfdjrittenc ^abrif^gefe(j=
gebung; bic ^abrifögefe^e ber Kolonie 9Jen*3celanb. SSieit, 1S97.
2?s ) §, tr> mtb H> be§ (SJefe^cö oou "IMftoria oom 2 s. Snli 1sm>.
ft^ü^ett mürben, befonbere ©t^mierigfeiten mad)t unter ihnen bie
Siegelung ber Slrbeit^eit in ben huu^inbuftriellen betrieben.
2)ie Siegelung ber Slrbeit^seit fefct norau^, ba& in ber geftatteteu
3eit ein gum Geben auSrcichenber SSerbienft möalid^ fei. Siittt
bebingen aber bic nichtigen Gähne in ber HauSinouftrie gerabe^u
bie überlange Arbeit, ©eht man auf eine Siegelung ber Arbeite*
jeit ein, fo hunbelt eS fid) um bic Seftfcfeung ber täglichen
llrbeit^baiier: um bas SScrbot ber Slrbcit nor einer beftimmten ©tuube
SßorgcnS unb nach einer beftimmteu 3tunbe Slbcnbs, ferner um ben
?Ju3fd)lnf$ ber Siadjtarbcit nnb um iBeftiinnumgen jur Sicherung
ber Einhaltung oou ?(rbeitSpaufen.
Sei Einführung non Hrbeiterfd)ubuorfd)riften ber oorfteheitben
Slrt mirb eS fid) ais uotfjmcnbig ermeifeu, oou ©emerbe ^u ©e^
merbe inbinibualtftrenb ooi^ugehen, mie etrna bei ber SfuSbehuuug
ber llnfalloerfidjerung auf bie HauSiubuftrie. SSaS aber ihre
Durchführung betrifft, fo fiat Herr 23 ootfi nor ber englifdficu
SlrbeitSfommtfRon barauf htttgemiefen, bag cS non großer Sichtig^
feit märe, ben Slrbeitcrti nerlegter ^Berfftatt* ober 3iuifcficnmeiftcr
bie SJiöglichfeit ,$u gemäl)ren, im Jalle noit ©efeheSnerlehungett
gegen ihre Arbeitgeber aus,pifagcn. „Sch befürefite, fagt er, baft
bic Arbeiter niefit freimiüig gegen ben Unternehmer anSfagett
mcrbeit, fafls er bas ©efejj unbeachtet läfet. SlUeiit es ift
fd)on midfitig, ihnen bie S)Jöglid)feit ba3u 3U bieten. Beim bie
gefefiliefien »orfchriften einfaifi unb Xeidfitnerftänblicfi unb niefit un*
nerftänbig mären, fo böte baS fefion eine günftige (ifiaitcc für ihre
| Befolgung. DaS ©efiihl ber S?erantmortung mürbe bur^ bie
1 Dcffentlidjfcit eilte 8tärfuug erfahren." 30 ) Deshalb fefilägt er 31 )
; nor, bte bezüglichen SSorfcfiriften in febern Slrbcitsraume leicht lesbar
l anfcfilagcit ju laffett. Dann fönuten and) bie Arbeiter auf genauer
1 Befolgung bcS ©efebeS beftefien. Dl)äten fie cS felbft ^itnäcfifl
I nicht, fo mürbe bas boefi hoffentlich bei ber meiterett Enttoicflung
ihrer freien Crganifatiou ber Saß fein. Smmerl)in märe aber bie
| SJttthaftuug beS H ail SeigenthümerS zur Einhaltung ber 25or^
1 fcfirifteit nöthig. 32 )
i Vielleicht mirb matt eine folcfie Slusbehnnna bes Arbeiter**
fchubeS auf bie Heimarbeit nom ©tanbpunfte ber l^oral aus bc*
I fäntpfeit, etrna unter bem Ditel ber Vermcrflidjfeit einer gantilien*
iitfpeftiort! Dhatfächlich hed bereits ein fraitzöfifcficr Gehrer ber
Volfsmirthfdbaftsfmtbe auf einem Arbeüerfcfiufifongrcffe bie nette
$h^afe geleiftct: „Quand vous violerez le domieile, vous serez
bien pres de violer les consciences!” 33 ) Altein matt hat ja ju
Veginn ber Slrbeiterfchuhbemegung bie ftaattiefie Einfchränfung ber
Vertragsfreiheit als ungerecht gegen jjeben Arbeiter oerfd)riecit,
melcher bereit märe, fiefi anberett Vebingungen z 11 utttermerfen.
Unb aud) gegen ben Äinberfdjuh ift mit Den gleichen Argumenten
aefämpft morben, ittbem man bieJtinberarbeit als nothmenbig für
Die Erhaltung ber Familien itnb zuträglich für bie .tinber felbft
1 crflärtc. Diefc ©emiffensfragen fiitb bennoch heut prinzipiell in
! oßeit Sulturfiaaten entfliehen; Herr ©ibnep Bebb fonnte ber
I englifdjett ArbeitSfontmiffion mit Stecht fagen, matt habe in Eitglaitb
biefc ©frupeltt „fefiott oor fcd)zig 3at)ren erlebigt, als bic erfte
| Siegelung ber Frauenarbeit erfolgt ift". 34 )
; Heut brängt bie 3*it nach einer Siegelung ber VerlagSarbcit 1111 b
1 biefc mirb fo erfolgen, mie cS bie Eigenart biefer VetricbSfonn ocr*
I laugt, llitfere gruubfäfilidfie 3 l M*ümmung zu folcfient Vorgehen haben
mir eiuleiteitb begrünbet unb biefc Vcgrimbung mirb fid) rool)I als
ftichhaltig ermeifeu. Die Veurtheiluug fo,^ialpolitifdfier Viafeuahmeit
! aber ift fiöcfift roaitbclbar. Süttgft crflärtc bereits ein Polizei*
I bireftor in ber 8d)roeiz, bie Siegelung ber J^cim6etriebe fei priuzi*
| piell ebetifo miiuf^enSmerth nnb gerecht, als bie feinerzeitige
Siegelung oon Vetricben anberer Art, roelche bic öffentliche ©cfnub*
| hed beeinträchtigen, mic z- bes 8d)läd)tercibetriebcS. Smmer
! bentlicfier fouimt zum Vemufctfcin, baH, mie Vootl) oor ber
j Gabonrfommiffion fagte, beim ArbeitSoertrage fient brei Faftovcn
i beftimmenbeu Einfluß üben: ber Arbeitgeber, ber Arbeitnehmer unb
I ber Staat.
! Bien. E. Sdjroieblanb.
! *") §. Ab|. 3 bc* /'vabrifv'gelcpei? 0011 1^94.
' 30 ) Gabour .Houimiffiou, a. a. qu. r» i«;o.
! 3| ) Ebenbort, qu. r>4H4.
I 32 ) Ebenbort, qu. 5420.
, 33 ) t’ongr**s international de Legislation du Travail tenu a Bru\<dies
I du 27 au septembre 1897. Rapports et »*om|>te rendu analytique
j - des seances. Vrüpel 1 S 9 S; 3.079.
I 34 ) Ebeubort, qu. 4007; ähnlid) Vooth, ebenbort, qu. r>7sl.
135
©ojiolc Braute. Eeulralblatt für Sogialpolitif. Sir. 6.
136
Bte 3Utrrs- und 3ntMliblt&t5uer|tdjfnttt(j in ben
«icbedmtben.
Site im Seth« 1895 tit §oÜanb bic gmeitc Kammer bte Regierung
aufaeforbert hätte, fid^ mit ber SUterS* unb Snoalibüäteoerftcherung
gu befchäftigen, ergriff bie Regierung ein Büttel, baS matt in §ol*
lanb oft anmenbet, toenn man eine Sache auffcfjtebcn will: Sie
fefetc am 31. SuU 1895 eine Montmtffion oon 24 BUtglieberu ein
gur Xtnterfurfjung, ob neben einer (bamate geplanten) Staateleib*
rcntenbanf unb neben einer ltnfaHoerfi<f)ernng auch ein ©efcß gur
Berftcherung oon Arbeitern unb mit biefen gleichguftclleubeu ^er-
fonen, bie megeit Sllter ober SnDalibität fi<h 31 t ernähren nid)t mehr
im Staube finb, gefdjaffen roerben füllte. Snt $aH ber Bejahung
biefer Jrage fei ber Regierung ein ©efeßentwurf mit Berechnung
ber Soften oor 3 ulegen. 3 um ^orfißenben ber M'ommiffiou mürbe
Dr. E. Bhnacfer £>orbt)f, ehemaliger ^rofeffor, Biiuifter unb ©e*
tteralgouoerneur oon Dftinbien, ernannt. Ste beftaitb meiter atte
brei ^rofefforen ber Siationalöfonomie, fünf SnbuftrieHen, 3 roei
Biathematifern, groet Borfißenben ooit Slrbeiteroereinen, ad)t Slb*
georbiteten unb bret anberen Berfotten. Sille politischen Parteien
außer ben Sogialbemofraten maren in ber Mommiffiott oertreteu,
unb barau3 ergab ftd) fefjon, baß e 8 feb>r ferner fein mürbe, ein
pofitioe 0 SRefultat gu erzielen, llnb boef) ift bie Slrbeit ber
^otnntiffion oon großer Bebeutuitg.
Sie begann ihre Arbeiten mit einer Uitterfud)nnQ ber £age
ber alten Slrbeiter. SluS ben BeoölfernngSregiftern etitiger größeren
unb fleinerett ©etneinben mürben bie kanten aller mehr ab? 60,
65 unb 70 S<*h re alten Biätiuer unb Säumt ausgefchrieben; bie
bauten ber Üinfommcnfteuer gahlenbett mürben in biefer £ifte ge*
ftritfjen, unb bann mürbe bie -Sage oon jeher eingelneit, nicht
Steuer gahlenbeit ^erfon genau unterfudjt. So ermittelte bie
Sfrmtmiffiott 3 . B. in Reiben (50OCX) Einwohner) folgcnbe
Ziffern.
50?eh r Gl* 65 3 a h l ‘ c alt:
SRämter. 2Bciber. 3 ll Huiunni.
Erwerbsfähig unb Steuer gnhlcitb 31% 24% 27%
Erwerbsfähig unb nicht ©teuer satitcnb 23= 19« 20 =
llnterftüßt. . 46 = 57 = 53 = .
9M)r ate 70 Sabre alt:
ÄluiniUT. Leiber, ^ufamuiru.
Erwerbsfähig unb Steuer gahfetib . 29% 22 % 25%
Erwerbsfähig unb nicht Steuer gahlenb 17= 15= 16 =
llnterftüßt. 54 = 63 = 59 * .
Sn einer anberen Stabt ergab fi<h, baß oon ben männlichen
Slrbeitern über 60 Qahre 44%%, oon ben meiblichen 52 2 / :i u / 0
unterftüßt mürben. Stuf betn Sanbe geigte fid) bie Sage ber alten
Tagelöhner etwas beffer: in einer ©emeinbe mürben 3 . B. 36 0 0
ber Biäntter unb 43%% ber SSeiber über 60 Sab** nnterftüfet;
oon ben 65jährigen jebodj 42 unb 54 72 %/ uott ben 70 jährige«
59 unb 100 ü /o- T)ic Äontmiffion fpraeß auf ©runb ihrer Er*
hebungett ihr Urteil baf)in aus, baß nur in ben blühenben Jvabrif*
gegenben, bereit es in ^ollattb nid^t oiele giebt, einigermaßen ge=
ttügenb für alte Arbeiter geforgt roerbe, unb baß in ben anberen
©egenben ihre Sage fehr fchledjt fei. Tarauf unterfuchte bie Motn*
miffion bie BMrfung ber beftehenben BerficherungSanftalten, Sabrif*
faffen u. f. m. uttb fanb fie oöttig uttgenügenb.
28aS nun bie Slntmorten auf bie fragen ber Regierung betrifft,
fo oerneinte bie $ontmiffion bic an erfter Stelle ftehenbe, ob fie
eine Staateleibrentenban! für wünfcheitemerth erachte, Ebenfo ocr=
neinte fie bie fragen, ob ber Staat bem Arbeiter, ber fid) frei*
millig oerftchert, ein Theil ber Prämie ober ber Seibrettte arte*
iahten unb ob ber Staat ben inoaliben ober alten Slrbeitern eine
SllterSrente gemähren foHc ohne Beiträge oon biefen felbft. Tahin
ging nämlich ber B3unf<h ber Sogialbemofraten. 2)Ht großer s D2ehr=
heit fprach fich fd)ließlich bie £ommi|fion für bie obligatorifdie
SllterS« unb Snoaltbitätöocrficherung aite. hierauf trat
man in bie Erörterung ber Crgauifation ber Berficheruug ein.
3ur Erleichterung ber Berhanblungen mürben oon ben ^rofefforen
©reoert (Seiben) unb b’Shtlttte be Bourrouil (Utrecht) Zotigen über
bie "Mrfung be§ beutfd)eit Sllter^= unb Snoalibitätegefeße? oor=
gelegt, ^ßrofeffor b’Slnlttiö toteö umftänblich auf bie Sd)mierig=
feiten h»b bk man in Teutfdjlanb erfahren hot, iit^befoubere mit
bem „Stlebeoerfahren"; and) Brofcffor ©reoert ermähnte biefe
Sdjmierigfeiten, fattb fie aber oiel meniger michtig.
Taä 9fcfuttat ber Berhanblungen ift folgenbc§: Tie Mafien
ber Berficheruug follen nur oon Unternehmern unb Slrbeitern ge=
tragen merbett unb gmar 001 t beibeti gur §älfte. Ter ^taat mirb
nur biejenigett unterftüßen, bie nicht oon ihrem Eiutrittealter ab
bie Prämien gahlen fonnten, ba fte fchon gu alt maren. Slucb
mirb ber Staat bie Prämien ber fich im 5Wilitärbieuft beßnbenbeit
BerficherungSpflichtigen gahlen. BerficherungSpflidhtig finb ttid)t
nur Sobrifarbeiter unb |>anbmerfer, fonbern auch Seeleute, Boten,
Sanbarbeiter, Tienftboten, Sehrer, audh Sraucn. Site SJtagnmal*
lohn marb 1000 ©ttlben (1670,Y/) angenommen unb Heute Unter*
nehnter, Bauer, Jmnbeteleute, bie nicht mehr ate 1000 ©ulbeit
oerbienett, fottteit freiroillig an ber Berrtdjeruitg theilnehmeit fötttten.
Site Eintrittegeit mürbe ba§ 16. 3<*h r / nte Slttfangöjahr berSUter^*
rentenaitefehruug ba§ 65. Sah^ angenommen. $nt BeharruttgS*
guftanbe ber B^ciftchcritng, metttt ber erfte 16 jährige Berfiehernng§*
pflichtige ba§ 65 jährige' Sllter erreid)t h a ^ c n mirb, foll e^ auch
ein beftimmteS Sllter geben, in bem man nicht mehr beitreten faittt,
in bem UebergangSguftanb jeboch nicht.
Tie Snoalibität tourbe folgettbermaßett bepitirt: Snoalibe ift,
tuer länger ate ein Saht bttreh feinen phpftfehett ober pfpcßifcheu
3uftanb außer Staube ift, burd) eine feinen Mräften uttb Sähig*
feiten entfprechenbe Slrbeit, bie ihm gemäß feiner Entmicfelung uttb
früheren Befd)äftigung itt gcredjter B5eifc anfgetragen toerben fantt,
einen Betrag gu oerbienett, ber gleich betn fehlten Theil be^?
Turd)fd)tiittelohn§ ber Sohttflaffc, in melcher er bie leßten fünf
3af>re feine Prämien gegaßlt hot, plu§ einem Sechftel einer oottt
Brooingialau^fchuß ate jährlicher Turcbfchnittelohn ber gernöhn*
liehen §anbarbcit für jebe ©emeinbe feftgufeheitbcn Stimme ift.
Statt ben oier Sohnflaffcn beS jeßigen bcutfcheit ©efeßc§ hot bic
Montmiffioit fünf Mlaffen angenommen. Tie erfte Mlaffe beträgt
0—415 Sahnteloh«, bie groeite 415—670 dt, bic britte 670
bte 1000 d (, bic oierte 1000—1330 dt unb bie fünfte 1330
bte 1670 <1(
§ittfichtlid) ber Slufbringuitg ber s Btittel hotte bie Mommiffion
gmifd)eit brei Stjftemen ber Bromieitfcftftellung gu mählen. Sic
entfrfjieb fich nid)t für ba§ Umlageoerfahren, fonbern für ein
MapitalbecfungSoerfahreit, mottach bie Prämien fo groß finb, baß
jebergeit ber fontante s Berth aller laufenbcu Berrtchcruugett oor*
hattben ift, baljer fantt auch in jebem Slugetiblicf eine Siquibatioit
eintreteu. Obgleich bie 9?achtheile be^ beutfeheu „Stlebefqftente"
oon ben beibett .^rofefforen nicht gering beurteilt mürben, mußte
both ^ientanb ein beffere»? Spftem oorgufthlageit, unb fo marb cS
oon ber Momtniffion gur Erhebung ber Prämien angenommen.
Tie Söartegeit mürbe in ber Uelergang^periobe auf fünf Sabre,
in welchen minbeftenö 250 SBothettpränticn gegahlt fein müßten,
für bie Slltcremerficherung uttb auf brei Saßre mit 150 Söod)cn*
Prämien für bie Snoalibitäteoerficheritng feftgefeßt, im Beharrung^*
guftanbe für bic Slltersoerficherung auf gmangia Soh^c mit
1000 Binnen unb für bie Qnoalibität auf brei Sobre. ®urcß
^ichtgablung einer beftitumten Slngahl oon Bräntien erlifcht bie
Slnmartfchaft, aber fie lebt mieber auf, menn mäbrenb einer bc*
ftimmteit 3eit mieber eine beftimmte 3 a bl ÜOn Brätnieti begahlt
morbeit ift.
Schließlich mürbe ber Betrag ber 9teute folgcnbcrntaßen feft*
gefeßt: ein girunt in jeber Soßnflaffe tourbe ihr gu ©rttnbe gc*
legt unb biefeö um eine mittete ber 3of)l ber oon S^bem begahlteit
S^ochettprämien berechneten Summe erhöht. S^bod) mirb bic SHente
nie meniger ate ein Bcinimntn betragen. Ta§ giebt alfo bie
olgcttben 9lefultate:
aücMrtntc
l'ol^nruine
©üdieii-
vräinle.
wrnitbbctrag Scrmcfjtunji AKinimunt
ber pro ©odjciu- ^noaltbitäte
Diente. prämic. renic.
für «Itter doii
Bö $if)rcn
unb %faiU
nafjme oon
I. 0— 415
JC
27 V# W
S3 JL
125 M-.
49 Safjrcn.
185,90 JL
222,50 *
11. -115— 670
=
. 33
HM) =
5,o *
140 =
1 III. 670— KlOU
=
. 44
133 =
6,7 =
173 =
297 ,,5 *
IV. 1000—1330
=
. 55 1 /*j =
167 *
*
2(M) *
370,35 =
V. 1330—1670
=
. 67 *
200 =
10,0 *
220 =
445,oo *
Tie gange Berfidiermtg foll (toie ber llnfattoerficheruttgtegefeß«
cutmurf eoettfalte oorfcßlägt) oon einer einzigen centralen Stenten*
banf ausgcfiibrt merbcu, toaö bei bem mäßigen Umfange be@
Sanbee feine Schmierigfeiten utad)ett mirb. Sn ben ©etiteinbcn
follcu lofale Momutiffiouen, Beratungen ber Slrbeiter uttb ber
iluternehmer gcmäblt toerben, bie bent Banfoorftaitb rathenb gur
Seite ftcfjcu bei Entßheiöung über bie Sohnflaffe, in mcldjc ein
Slrbeiter gebracht merbett foll, uttb über ben Betrag ber bettle, auf
welchen er Sin red) t hat.
Sinn trat aber eine feltfainc BSenbung ein: Tic Olruttbgügc
ber Berfidjcruug maren fo feftgefeßt, oon ben SJiathematifcrn maren
bereite bie oottt Staate in ben erfteu 50 Saßren nach ber Ein*
führung gu traejenbeu Moftctt auf 390 Millionen BJarf auf ein*
mal ober 13 bte 15 S.Xilliouen SDtarf jährlid) auf ©rutib ber
137
©qgtale $ragt*. CentralBIatt für Sogialpoltttt. 9tr. 6.
138
beutfcßen 3 a ^ en Beregnet. Als aber nun bie Abftimmung über
bie $rage fam, ob bie Montmiffion bie ©infüßrung ber Verficße«
rung auf biefen ©rmtblagen ber Regierung anratßeit fotte, ba er«
hoben fid^ bie Vefcßroerben: Rian fanb bie Verftcßerung für ben
Staat gu tfjeuer unb begroeifelte, ob bie 3jffcnt ciuf bie beutfcßen
©rfaßrungen fidß^tüßen bürften, ob fie nicßt 511 itiebrig roären;
au<ß fanb man bie Rente, befonbers in ben ßöcßften klaffen, gu
flein. ilnb fo beantmortete bie Montmiffion bie genannte 3rage
mit 12 gegen 6 Stimmen (2 Atitgtieber roaren abmefenb) mit
Rein! „Pour acquit de conscience* mürbe barauf nocß befproeßen,
ob man bie AlterSoerfichcrung allein mit 3 l| * : ücfgahiung ber ge«
gaßlten Prämien im Satt ber 3 noalibität, an grauen, bie fuß
oerßeiratßen, unb beim Xobe beS SScrfictjcrten oor bem ©rreid)en
bes 65 jährigen Alters an bie©ittroe unb beit Minbern oorfcßlagen
motte. Aber fomoßl bie 3uriicfgaßlung als bie Verfißerung felbft
mürben abgeleßnt. Unb bennoeß mürbe gunt Scßluß mit
13 gegen 6 Stimmen (ein ©itglieb mar abmefenb) bie ob Ti«
gatortfeße Otters« unb 3noalibitätSoerficßcrung für
roüitfcßenSwertß erflärt.
$roß biefen toiberfprucßSuollen ©rgebniffeS fann man bie
Arbeit ber Montmiffion nießt erfolglos nennen. Sie f)at beit oor«
trefflichen ©runbriß einer Vcrficßcrung entmorfen, bie bei aller
Anlehnung an baS beutfefje ©efeß boeß im manchen fünften mehr
Vorteile bietet: ©oßl ift ber Atarimafloßn geringer unb finb bie
Prämien ßößer, aber ber ©intritt in bie Verfißerung unb bas
Siecht auf teilte fallen früher, roäbrenb bie ©artegeit fürger ift
unb, was baS ©ißtigfte ift, bie Rente felbft ift* feßr oiel größer,
©entt bie Regierung, bie ingmifßen geweßfelt bot uub mabrfcheiu«
lid) einer Verfißerung meniger abgeneigt ift als bie frühere, jeßt
einem oon ber Aotßroenbigfeit ber Verfißerung übergeugten ttJtanne
bie Aufarbeitung eines ©efeßentwurfes aufträgt, fo fann bei ben
grüitblißen Vorarbeiten ein ©efeß halb fertig fein. ©s bleibt
bann noch ein ©eg gu finben, tooßer ber Staat bie großen Mittel,
welche bie Verfißerung oerlangt, nebnten mirb.
Amfterbam. 3 . g>. oait 3«nteu.
Moemeitte Sojinl- unb UHrtjjfdjaftepolitlh.
©iubämmting8ma§rfgeltt gegen bie fogialfeemofratifße |>oßflutb
fotten — fo behauptet bie in MarlSruße erfcheinenbe „Sübbeutfße
ReißSforrefponbeng" — bem neuen Reistag oon ben oerbütibeten
Regierungen oorgelegt merben; beim eS höbe ficf> heraufgeftettt,
baß in ber Veßanblung ber llmfturgpropaganba fciteitS ber Re«
gierungen unb ber ftaatSerßaltenbcn Parteien gebier begangen
feien. Rtit ber Bisherigen £aftif müffe enbgültig gebrochen werben.
Sie müffe bureb Afaßregeln erfept werben, bie es außer jebetn
3n)eifel [teilen, baß ber Mampf gegen bie „£obfeinbe aller tuenfß«
liehen unb göttlichen SDrbnung" mit rüdffißtslofefter ©nergie auf«
genommen mirb. 3>er Voben fei nunmehr fo weit oorbereitet,
„baß an ©rgreifuitg folcber gefepgeberifßer Aiaßregelit ßerattgegangeit
werben fann, oon benen gu erwarten fleßt, baß fie einmal bie
Moalitionsfreißeit ber Arbeiter mit ben wiinfßenSwertßen (Garantien
gegen ihre mißbräuchliche Verquitfung mit Mutt traf tbruef) unb
i&errorifirnng Arbeitswilliger umgeben, gweitenS aber eine wirf-
famere Rieberßaltiing ber gemeingefährlichen, untergrabenben Um«
triebe ermöglichen werben".
2 >aß berartige ©ünfße unb glätte oon manchen, leiber jept
feßr einflußreißen s $oIitifent gehegt roerben, ift nißt gu bezweifeln. j
©ir glauben aber nicht, baß an amtlicher Stelle, ber bie Vcraitt« j
wortung "für bie Aufführung folßer Abftßten gufatlen müßte, bie
Situation fo oöttig oerfamtt mirb, baß man an ein neues
Sogialifteitgefep benft. ©ir erinnern in biefer £)infid)t an bie
oont Staatsfeftetär ©rafen Vofaborosft) iut lepteit Reichstag ab«
gegebene Grfläritng. ©beitfo ging Anfang guni biefeS 3aßreS |
unmiberfprodjen burch bie ^jSrefte bie Raßridjt, ber ReißSfangler 1
gürft Hohenlohe fei ber Anfißt, bie ©ieberermerfung bes Auf« !
naßmegefepes gegen bie Sogialbemofratie fei eine Unmöglichkeit, '
unb nod) biefer Stage ift uns auf ber Umgebung bes ReißS« !
fanglers eine Acußernng gu Dheeit gefomuten, bie äbnlidj lautet, i
s D?an famt ef alf fießer annehmeu, baß eo bem Reidiftag erfpart
bleibt, ein Sogialiftengefeß abgulehnen, weil bie Regierung felbft
oon feiner Aufficßtflofigfcit überzeugt ift unb barum feines ein«
bringt, greiüdj, fiirdjten mir, ift bie Regierung nod) lauge nid)t
gu ber ©infidjt burd)gebrungen, bie mir in einem Auffajje ber :
„Vteußifdjen gahrbiicßer" über beit Tvall bef Sogialiftettgefeßef '
auf ber geber bef ßanbeföfonomieratbef Ri. Robbe«Verlitt, bef :
befannten früheren freifonferoatioen ^arlamentarierf, in folgenbeu
gutreffenben ©orten aufgefproeßen ßnben:
gn ber ^rayif ift bifher bie bentfcße Sogialbemofratie weit meniger
reoolutionär unb bebrohlid) auf getreten als beifpielSmeife ber längft
iibermunbene cnglifdjc ©hartiSmuf. ga, ber Stuttgarter Parteitag hat
abermals bemiefen, baß bie Sogialbemofratie nur bann etwas bebeutet
unb leiftet, wenn fie praftifdje Mritif an thatfächlicßen Riißftänben übt,
nicht aber wenn ihre Anhänger gu reoolutionären Propheten unb ihre
„SBeiber gu Spänen" werben. Auch an ber Sogialbemofratie mirb fid)
bie ©ahrheit beS ©oethefdheu ©orteS erproben: „Vegeifterung ift feine
.^eringsmaare, bie man einpöfelt auf oiele gaöre." $üten mir uns
baljer nur, biefe Vegeifterutig immer aufs Reue roieber burdf)
äußere Stimulation auguregen — nach nidjts oerlangcit biefe
Herren mehr als ttad; Stidimörtern, mit benen bie SRaffcn fcftguhaltcit
unb gu föbern ßnb! ©ir füllten ttachgerabc Alle burch bie nadj
Aufhebung beS SogialiftengefepeS gemachten ©rfahrungen
barüber belehrt fein, baß nichts fo fehr ben ftaatsfeinblichen
©harafter ber RJaffen fteigern, ja prooogiren unb gi’ichten
mü‘rbe, als meint man ben naturgemäßen RücfbilbungS«
progeß guni (^efehmäßigeu unb Rationalen burch poligeiüthe
SRaßregelit erfdjmeren uub bureß RiicfmärtSreoioirung ber
©efepgebung in ben breiten Schichten beS VolfeS bie Auf«
faffuitg nähren mürbe, cs folle nicht bie reoolutionäre
Sogialbemofratie, fonbertt bie Arbeiterbewegung als folcße
befämpft werben.
©nglifcßc Auffaffnng boit ArbcttSfämpfett. 3m Article ©Iub gu
finitbon waren am 2. Rooentber mehrere £uutbert augefehetie Vertreter
ber Saftig, ber 3 nbuftrie, bef §anbelf, ber ©teiftlidjfeit, ber Literatur
anroefcttb, um einen Vortrag oon ©. V- RecocS über bie groangS«
weife ^Beilegung oon Streitigfeiten gtoifeßen Arbeitgebern unb Ar«
beitcru in Reufeelaitb anguhören. (®ie „Sog. V^agiS" h a ^ über baf
betreffettbe ©efeß itn 7. 3ah^9- ©p. 405 eittgehenb berichtet.) ReeoeS,
fcßloß feine Ausführungen etwa mit folgenben ©orten: Raßegu
2V 2 Saßre ift baS ©efeß in Rcnfeelanb jeßt in £raft unb es ßal
fieß bewährt. Alle bie grage'n, bie in ©ttglanb ArbeitSfämpfe oer«
anlagt haben, finb aud) in feilten Vcreicß gefonttneit; bie ©ntfcßei«
bungeit, bie getroffen mürben, mögen bie Parteien bisweilen pein«
ließ berührt haben, aber fie fiitb immer unweigerlich befolgt roorbeit.
&ie 3roaugSfd)iebSgeri<hte ßaben bem fianbe Drbnung unb ©e«
beißen oerbürgt. — §err Reeoes ift ber geiftige Vater beS ©efeßeS
nnb lobt natürlich fein Minb. 3 » ber Tcbatte mürben aber rneßr«
faeß 3meifel laut, ob baS, maS in Reufeelanb am $laße, auch für
©tiglaub paffe, ier Abgeorbnete Sir 3oßn ©orft, ein fouferoatioer
Sogialreformcr, Vertreter ©nglanbs auf ber Verliner Arbeiterfcßuß«
fonfereng 1890, leugnete bies gang entfd)ieben; er war ber Anficßt:
Koalition förbere bett Jyrieben, Kapital unb Arbeit
mürben am befteu oormärtsfommen, wenn beibe ftarfe
JDrganifatioiteii befäßeu unb fuß ißre gorberuitgett gegeitfeitig
flar maeßten. Aucß ber liberale Abgeorbnete Sir ©ßarlcS 3)ilfe fteßt
bem 3roangSfcßiebSgcrid)t ffcptifdj gegenüber. *2)er Vifdjof oon giere«
forb pläbirte bagegen für ein energtfcßeS ©iugreifen beS Staates bei
Streifs. &er Arbeiterführer Veit Xillett erklärte, er glaube nießt
für bie nädßfte 3ufunft an eine Vefferuitg ber Vegicßungeit gmifeßen
Mapital unb Arbeit; beibe ftäubeu fid) in einem Mampfe gegenüber,
jeber motte aus bem attbereit möglidjft oiel herauSfcßlagen. ®ies
gab *?orb Ruffett, betn fiorb Dberncßter oon ©nglanb, Verattlaffung,
über folcßc Anficßteu fein Vebauern auSgufprecßen; er fügte ßingu:
Streifs finb uugmeifelßaft ein Hebel, aber es ift ein tr oft ließ er
©ebaitfe, baß gcrabe fie ein VeweiS für bie gortfd)ritte
finb, bie bie Arbeit gemacht ßat, ein VeweiS bafiir, baß
bie Arbeit fieß auf eigene güße geftellt ßat unb fäßig ift,
für ihre Recßte felbft gu fämpfen. lauter, allgemeiner Vei«
fall folgte biefen ©orten bes ßöcßften engliftßcn RicßterS. — ©egen«
über ber in SDeutfcßlanb oielfad) oerbreiteten Anfdjamtng, baß
Streifs fcßletßtmeg gu oerbantmen feien, oerbieut bie oorgefeßrittene
Auffaffung in ©nglanb, baS fiirglid) erft gmei RiefcnftreifS burd)«
gemaeßt ßat, waßrlicß aucß bei uns oolle Veacßtung!
Ucbergatig ber VergpoHget im Vegirf eines fdjlcfifißen ^rioat«
bergkoerfregalS an ben Staat, ©itter Vefaitutniacßung bes €ber«
beraamts gu VreSlan gitfolqe, melcße ber „Reid)S«Augrtger" oont
1. Rooentber oeröffentlicßt, bat ber gegenwärtige 3nßabcr bes Verg«
regals ber ^errfeßaft RtpSloroiß«M'attomiß, ©raf ^iele«©incfler, in
einem mit ber preußifdjen Staatsregierung abgcfdilojfenen Vertrage
für fieß unb für feine RecßtSuad)fomtnen int ©igentbum ber gierr«
feßaft RhjSlomiß unb beS Ritterguts Mattomiß auf bas Reißt gur
Verwaltung ber Vergpoligei unter Vorbehalt ber ihm fonft au#
bent Vergregal guftcßenbeu Aed)tc oergiibtet uub fidt bamit einoer«
ftanbeu erflärt, baß bie Verwaltung ber Vergpoligei fiir feinen
Vcrgregalbegirf mit bem 1. Rooember 1898 au ben Staat übergebt,
hierfür finb fofort bie eutfpreßeitbeu Aiiorbiiniigen getroffen
139
©ojialc IßrajiS. ©entralblatt für ©ojialpolitif. $r. 6.
140
worben. — TaS jroeite noip in grage ftepenbe nennenSroertpe
^rioatbergregal ftept, fo oiel wir n?iffen, bem ©rafen ©uibo
Rencfel*TonnerSntarc! 3 U. Aucp pier wirb wopl bie balbige lieber*
tragung beS SRecpteS bcr SBergpolisei an bcn 0taat ju erwarten fein.
ArbritSfammerit in Amfierbatm Stuf ©ruitb beS ©efepeS oom
23. 5Jlai 1S97 (ogl. Soziale $rariS VII 0p. 299) finb jept burep
löniglicpe SBcrorbnung oom 18. Dftober b. 3 - für bie ©emeinbe
Amfterbam fieben ArbeitSfammem ins ßeben gerufen roorben. Ta
baS gntereffe an biefer 3nftitution burep bie oom „SoIfSoereiit
für baS fatpolifepe Teutfcplanb" jüngft in 0trapburg gegebene
mertpootle Anregung (ogl. 0 O 3 iale SßrajiS VIII 0p. 64) aufs
Aeue and) in Teutfcplanb belebt roorben ift, werben einige, ber
„grlft. " entnommene s Dtittpeilungen über bie ©inrieptung biefer
nieberlänbtfcpen Arbeitslantntern roiHrommen fein.
Tic Kammern in Amfterbam umfaffeit pauptfäcplicp folgenbe
©ruppen: 33aufäcper, SItetall* unb Rohbearbeitung, Reibung,
Tiamantinbuftrie, ÜRaprungSmittel, Tabalinbnftrie unb 23ucp*
bruefereien. Auf ©runb beS ©efepeS finb bie Aufgaben ber
ArbcitSfamtnern bie folgenben: a) baS 0ammeln oon AuSfünften
über ArbeitSangelegcnpeitcn; t>) baS Abgeben oon ©utaepten an
SRinifter unb 93epörbeit oon ^rooin^en unb ©enteinben, entroeber
auf Anfrage biefer SBepörben ober aus eigenem Antrieb, in ^ejug
auf fämmtlicpe ©egeuftänbe, welcpc bie 3 ntereffen ber Arbeit be*
treffen; c) baS ©inreiepen oon ©utadjten nttb baS ©ntroerfen oon
Verträgen unb Auorbnungen auf Verlangen ber Sniereffenten;
d) baS SBerpüten unb Ausgleichen oon 0treitigleiten über ArbeitS*
angelegen peiten, foroie inforoeit notproenbig oaS fällen fepiebs*
ricpterlidjer llrtpeilc jroifepen ben Parteien. 3 ebe Kammer beftept
jur £älfte aus Arbeitgebern, bie burep bie Arbeitgeber gcmäplt werben,
unb jur anberen §älfte aus Arbeitern, bie burep btc Arbeiter ge*
wäplt werben, bie wäprenb beS Iepten HalenbcrjapreS ober roenigftenS
wäprenb brei ber Iepten jepn 3ap^e als Volljährige innerhalb beS
Hammergebietes in bem betreffenben gaepe gearbeitet paben. Tie
Vcitgliebei^apl jeber Hammer ift auf $epn feftgefept. Tie 3)titglieber
follen minbeftenS 30 3«pi*e alt fein; es bürfen Üftänner ober
grauen, ÜRieberlänber ober ©ingefeffene fein. 0ie werben jcbeSntal
für fünf 3ap^e geroäplt. Tie beiben SSäplerliften (oon Arbeit*
gebern unb Arbeitern) werben jcbeS 3öP r oon ber ©enteinbebepörbe
aufgcfteflt. Tie 3öapl fjnbet an bem oout Vliuifter für ©afferbau,
£>anbel unb 3 nbuftric fefhufepenben läge oon aept bis brei llpr
mittelft ©inreiepuug eines ausgefüllten ^apljcttcls ftatt, weldjer
ad)t Tage guoor jebcm Papier eingefd)icft wirb. 3ebem Arbeiter
füll wäprenb 3 wei 0 tunben bie ©eiegenpeit 311 m fääplen oerfepafft
werben. Tas ©efep, betreffenb bie ArbeitSfamtneru beftimmt noep
u. A., bap jebe Hammer einen Voriipcuben pat, ber abwedp[elnb
für ein palbeS 3apr burd) bie Arbeitgeber unb Arbeiter aus iprer
Ibiitte gewäplt wirb. Ter Vorfipenbe bilbet ben Vorftanb mit
3 wei 'JÜtitgliebern, baooit ein Arbeitgeber unb ein Arbeiter. 3cbe
Hammer ernennt einen 0efrctär, ber eine Vergütung erpält für
'Öureauunfoften. 3 ebes 3ßitglieb barf 60 ©ent für jebe SBerfatnm*
hing, ber er beiwopnt, nebft 30 ©ent für jebe 0tunbe ober für
jeben Tpeil einer 0 taube, wäprenb welcper bie. 2 >crfammlung ab*
gepalten wirb, beanfprutpen. iliitglieber, welcpe niept in Amfter*
bam wopnpaft finb, bürfen Vergütung ber 9teifefpefen bcanfprud)en.
kommunale Sojiolpolitik.
Monopole in £tmbon, SÖien unb Berlin. ©S fepeint baS VooS
oon vmnptftäbtcu ( ^u fein, bafj ipre Sewopuer fidp oon s ^rioat*
gefeüfdmfteii anSitiipen laffen miiffeit. 3» Bonbon pat es bie
gcfdjicptlidie ©ntmicfelung mit fid) gebraipt, bafe feine Gaffer*
oerforgung in ben .'oänben ron 8 ^rioatgcfellfcpaften liegt, bie ipr
Gaffer ber Tpcmfe, bem giuffe Vea unb £ueüeu im ^affiu ber
Tpemfe entnepmen. 0tatt bcs oon fanitären Autoritäten als uotp*
locnbig be^eicpucten S l)iiuimnms oon 160 1 täglid) pro Hopf liefern
fie nur 110 1 „filtrirte Manalabwäffer", wenn uitpt zufällig Äiffer*
mangel ober fouftige 0 törungcn eintreten, unb ^war 311 bem uu*
erhörten, im Voraus 311 japleuben greife oon 4 60310 . 3% beS
Dcietlnoertpey ber ©opuuugen, 100311 nod) (^ebüpreu für Gaffer*
fpiilnng, 33ab, Modibrncf, ©arten 2 c. fommen. Tvaft ein oaprpunbert
piuburd) bemiipt fiep bie Üoiibouer (^emeiubeocilrctuug fcies 3 od;
nb 3 ufd)üttelu, es ift ben (^efcllfd)aften aber bisher mit .sjiilfe bes
Parlaments, bas bas let.Ue T^ort barin 31 t fpredjcn pat, ftets ge*
hingen, jeben Angriff al^nfd)Iagco, ja jo gar ein (')utad)teu einer
föniglitpcn Hommiffion burd) 3 ufepeu, wouatp bis 311111 3 abre 19:»l
ipre ALHiffergucllen 3111 * Perforgung Bonbons genügten, unb bamit
bem Vonboner ©raffdjaftsratp bie Diöglid)feit 311 oerfdiräufeu, fid)
gutes Söaffer aus SSaleS natp Öottbon gu leiten. Trop jenes ©nt*
atptenS würbe bie ©afferoerforgung immer unooÜfommener. Ta 3 u
finb bie gefeplitpen Seftimmungen einem Anlauf jener ©efeQfcpaften
berartig ungiinftig, ba& opne eine SReoifion jener Peftimmungen
ßonbon bei einem Anlauf nod) eine preisfteigerung oon 15 bis
20 Millionen Pf unb als befonbere ©ntfcpäbiguug für bie ©ypro*
priation über ben SSertp pinauS be 3 aplen rnüfjte. ©rneuter Gaffer«
mangel unb bie bropenbe SSerftärlung ber 3iotp pat jept ben ©raf*
fcpaftSratp ju einem neuen Porftofj bewogen. Am 2. SRooember
napm er mit 101 gegen 15 0timmcn eine SRefolution an, worin
er, wie im April 1896, baS Parlament um bie ©rmäd)tigung er*
fudjt, bie SSafferoerforgung ßonbonS ergän 3 en 311 bürfen. — 3n
^Bien patte ber Piirgermeifter Dr. öueger urfpriinglid; angelünbigt,
baS ausbeuterifdie Monopol ber Tramwapgefeüfd)aft mit Rülfe beS
eleftriftpen Betriebes 3 U breepen. ©r pat aber bie giinftige ©e*
Iegenpeit 311 m ©rwerb ber Tramwap nitpt anSgenüpt, fonbern einen
Pertrag abgefcploffen, ber ber ginna Siemens ein tpatfäd)licpeS
Monopol auf 27 3nP^ für 0trontlieferung unb Petrieb unb glän*
jenbe Pebinguttgcn foroopl für ben .s^eimfaH bes 9?epeS 1925 als
autp für bie Ablöfung 1914 ober 1920 gewährt. Tabci ift leine
eittpeitlüpe JaprpreiSregelung bunpgefept, fo bap audp lünftig
s 2i'ien pöpere Tarife als bcifpielSroeife Ramburg, Perlin, Pubapeft
unb äpnlid)e 0 täbte pat. ©ine 9teiugewinnbetpeiligung ift 3 war
oorgefepen, aber erft wenn bie Tioibenbe auf baS Altienlapital oon
25 Millionen ©ulben 7o / 0 iiberfteigt 3ür bie Pebienfteten ift im
Pertrag gleichfalls fo gut wie gar uiept oorgeforgt. — ©anj fo
fcplimnt pat fiep ja Perlin bei feinen 0trapenbapn* unb ©lei*
trhitätSoerträaen niept geftellt. Aber auep ipm fann ber Porwurf
niept erfpart bleiben, bafe es biefe geroinnreiepften Unternepmungen
ber prioaten Ausitupung überläpt, wäprenb eS wenig ertragreiche
©igenbetricbe (SRiefelfelber, Hanalifation, 0cplacpt* unb SSieppof 2 c.)
in eigener 9 *legie füprt.
©esnetnblifpe ^eftpnerftnberttngSabgabe in I5at$mu Tas
0 taatsminifterium beS 3nnern pat, wie oer „Auasb. Abenbjeitung"
gefeprieben wirb, besüglicp ber genteinbliepen SefipoeräitbcrungS*
abgabe jept eine generelle ©ntftpliepung erlaffen, worin aufmerlfam
gctnad)t wirb, bap bem ©efep oom 15. 3um b. 3- bie Ab*
fid)t 311 ©runbe liege, ben ©emeinben 3 ur löeftreituug ipreS er*
pöpten Aufnianbes für öffentlid)e ©iuridjtungen unb Auftalten eine
neue ©•inuabmegucEe 3 U fepaffeu, bap jebod) bie gefepgeberifepen
3altoren ber Auffaffung waren, bap biefe ©innapmSguelle niept
opne Weiteres für jebe ©emeinbe fid) eigne unb bespalb bie ©in*
füpritng bcr Bcfipocränberungsabgabe oon ber jeweiligen ©citepuii*
? ung bes TOnifteriumS abpängig gemad)t werbe. TaS üRiitifterium
ebt" bann peroor, unter welcpen ^ebingungen es bie ©encpmigutig
crtpeilt. ©S fei itacp 'Jütafigabc ber ^eftimmungen ber ©emeinbe*
orbuung bie SBefipueränberungsabgabe unter bie fubfibiären
TerfungSmittel für ben gemeinblidjcn s ^ebarf 3 U reepuen; es fei
bespalb oorauS 3 nfepen, bap in einer ©emeinbe nad) ipren 3Ser*
mögeuS* unb SBelaftungSocrpältniffeu für bie ©infüprung ber $e*
fipocränberungSabgabe ein ^ebürfnip gegeben fei. )^ei ©rlap beS
©efepeS pabe aud) bie ©rwägung geleitet, bap mit ber fortfepreiten*
ben ©ntmicfelung manriper ©emeinben bie liegenfepaften oielfad)
| unb nid)t unerpebliep im Socrtpe fteigcu, bap bie üBortpeile ber ge*
j meinblicpen ©inridjtungen, befonberS in 0täbtcn, bem ommobiliar*
j befip iu popem 5Dtape 3 U ©ute fommen unb bap es baper billig
! erfdjeine, wenn oon folepen öiegeufepaften im Anfdjlup an bie
| ftaatliepe 33efipoeräuberungSgebnpr ober baS Aequioaleut pierfür
j au bie ©emeinben eine Abgabe eutridjtet werbe, ©s fei babei an
j jene Tvätlc gebad)t worben, wo iu 0 täbtcn 1111 b bereu Umgebung
| ober in ©egenben mit ftärferem 3 rembcnbefud; ein häufigerer !Ber*
| fepr in ©ruubftürfeu ftattfinbet ober 311 erwarten ftept, ober wo
I namentlich and) ©rnnbftüifc mepr unb mepr 311 23anpläpen be*
I ftimrnt uub als fohpe oerwertpet werben. Tagegen fei eS uid)t in
! ber 3ntcntioit bes ©efepeS gelegen, ben laubmirtpfcpaftlicpcn 3nter*
offen irgeitbwie uape 3 utreten, uub es föune bespalb eine geuieinb*
lid)e ^efipoeränbcrungSabgabe ba uid)t aiigemeffen fein, wo cs fiep
j bei bem übcfipwedifcl fafi burdnoeg nur um lanbwirtpfdjaftlicpe
| (Nlebäube uub ©ruubftücfe banbeit unb bie Abgabe bemnaep als
eine neue ^elaftuug beS laiibwirtpfdiaftliepen Ah'jines auf 3 ufaffen
| wäre. Leiter bewerft bas s JJiiiiiftcrium, bau in Aiidfid)t auf ben
I 3 UH 'd, bem bie ^efil.weräiibernngsabgabe in bcr (^emeinbe bienen
I foll, es oon Gelang fei, bap auf einen beaddenswertpen ©rtrag
I berfelben für bie ('iemeinbefaife geredynct werben fünnc. ©S fei
j bespalb im ^enepmen mit bem Aciitamt 311 erbeben, ob nub iu
' weither Art fdioit ein grünerer ©iitcruerfcpr in ben (^emeinben fid)
| ge 3 cigt habe ober ob nnb inwiefern ein foldier etwa in ber 3 °Pl c
! aimmepmeu fei. Veptere ^orautfepiiiig muffe aber im Allgemeinen
141
©oktale SprajtS. EentralBIatt für ©Pjtalpolitif. Nr. 6.
142
Zutreffen, es fönne nid)t genügen, lueitit nur nereingelte größere
Befißueränbernngen in AuSficht faßen. — $ie 3aßl jener pohtifqjen
©enteinben, melden auf ißr Anfucßen t>om StaatSminifterium beS
Innern bie ©eneßiitigung ^nr Erhebung bei* örtlichen Befißoer*
änberungSabgabeauf ©runb beS ©efeßeS oom 8. Quni 1898 in
roibcrruflicßer 5öeife erteilt worben ift, beirägt nunmehr 101. Nadfj
.Streifen auSgefdfabett finb non ben 8019 politifcßen ©enteinben
beteiligt in: Dbcrbatjern 51, Nieberbapern 17, $fal$ 7, Ober*
frattfett 3, Ntittelfranfen 10, llnterfraitfen 3, Schwaben 8.
StäbtifcßeS AnSfuitftfmreiM itt Coburg. Unter Bezugnahme auf
eine SWittßeiluug tu Nr. 3 bes ,,©oj. ^rajtS" über bie ftäbtifcße Aus*
funftftelle in ^ofen utirb mtS aus Eoburg gefdjrtebett, baß bort ein feit
Anfang beS SaßrcS eingerichtetes Bureau für Armem uttb BerficßerungS*
mefett als öffentliche, unentgeltliche Ausfuuftsfteüe junächft nur für fragen
ber Arbeiterüerficßcrung itt Jljätigfett ift unb uiclfach non beit bet§ei*
Ugtett .Streifen in Aitfprud) genommen wirb. Sie Einrichtung hat ftd)
bis jeßt bewährt; auch bat ftdj bisher noch nicht gezeigt, bah eine miß*
bräud)lid)c Benußuitg burd) nicht fad)Itdje ober uttnüßc gragett unb
Anträge ftattgefunben habe.
StäbHfdje aWißcetteit. Ser Borftanb beS preußifdjen StäbtetngeS
bcfdjloß am 5. Noocntber bie Einberufung eines aUgemeiiteu Stabte*
tageS, ber ftd) mit ben NedjtSüerhältniffeit ber ©emeinbebeantten, ber
ftletfcßuerforgung ber Stabte (bie ja fo ziemlich in allen größeren Stabten
Seutfchlanbs jeßt bie Stabtoerorbneten bejcßäftigt hat) unb beut Schüße
beS SHeiugewerbcs gegen bie haarenhäufer befaffen toirb. — Sie Stabt*
oerorbnetett oon ^otsbaui erfannten am 4. November bieSchladjtfteuer
als fdflcdjt unb höchft mißliebig bei ber Biirgcrfcßaft an, bcfd)loffen
aber troßbetn, bie ©euehntiguug ber ft-orterhebuitg auf brei gaßre bei
ber Negierung ttachjufudicn. — Sie leipziger Stabtoerorbneten oer*
handelten am 2. November über eine Bittfdjrift ber Bereinigung gegen
.Stonfumoercine um Einführung einer llmfaßfieuer. Sie ließen bie $c*
tition auf ftd) beruhen, befdjloffen aber gleid)mof)l/ bie Bebürfnißfrage
Zu prüfen unb im galf ber Bejahung 31t ertoägen, ob im Nahmen einer
Steuerreform bem gewcrbüd)eit NJittclftanbe geholfen werben fönne.
— Jn Löbtau bei Sresbett ift eine 2°/utge llmfaßfieuer eingeführt, bie
fid) traurigerweife hauptfädjlidj gegen ben bortigen, faft auSfrfilicßlid)
uon ber Vlrbeiterbeoölferung benußtett Afonfuntuereiu richtet. — Sie
Ehetnnißer fozialbemofratifcßen Statuerorbneten beantragten Errichtung
eines ftäbtifchen Arbeitsamtes, baS sugleid) eine Art lofaler ftabrif*
iufpeftion fein joü. — Sie ftäbtifchen Eleftricitätswerfc madieit $ort*
fdjritte. Aus Stuttgart toirb eine Erweiterung beS AiabelncßeS, aus
Einbau Bcrbaubluttgett, aus .ftcibclbcrg Borarbeiteu für bie Einlage
eines ftäbtifchen EleftricitäfSiocrfS gcmelbet. Sas tteiterriditete „Elcf*
tricitätswerf an ber ^ungwiß" foll baS gait^c ©ebict beS AmtSgcridjtS*
bczirfeS .£>0ljettft ein*Erttftt b a l unb ber benachbarten ©enteinben ocrforgett.
?ingefd)Ioffen finb außer Cbcrluugwiß u. 9t. bereits: ftertttSborf, Berits*
borf, Niißborf, St. Egibien, Erlbad), ftireßberg, Urfpruug, SeuferSborf,
Ncufircßcu, BHifienbraub, SNittelbarf), Neicßenbraub, 9tabcnftein unb
^leibe. — Sie Berliner ©aSbeputation erwägt einen EiubeitSpreiö
für ©as 11 ad) Eharlotteuburger iOtufter. Ser Wagiftrat wirb burd)
bie ocrfd)ärften BalMeioorjchriften über bie Biüflabfubr nad) ber Um*
gegenb 3ur Erneuerung ber Berfud)e mit BUilloerbrennungSöfen oer*
anlafjt. Siefelbc ^rage würbe in ber Btagbeburger Stabtoertretung
am 27 Cftober geftreift. — ©rofjs^ichterfclbe cnblich hat bie ©e*
uehmigung einer Biefclfelbanlagc bet ber 9luffichtSbet)örbe beantragt.
Soziale 3u(1änbc.
Sic ©infommcnSbcrthcttttng in Hamburg.
9llS wichtiges ErfennungSmittel für bie fojiate Schichtung ber
Beoölfcrung toerben bie Ergebuiffc ber Einfomtuengbefteueruitg be*
trachtet, foweit fie auf Seibfteinftfjäbung beruht. Sie oerbieneit
um fo mehr 9tufmerffamfeit, je größere Sicherheit ber Beurthei*
Iung bie Beljörben burch regelmäßige Nachprüfung ber EiitfommenS*
angaben ber Steuerpflidhtigen gewonnen haben. 3n biefer §inficht
ftcht in Seutfchlanb Hamburg au erfter Stette, ba bie Selbft*
einfehäfeung bereits in baS Steuergefeß oon 1866 aufgenommen
mürbe, fo baß auf ©rnnb ber mehr als breißigjährigen Erfahrung
felbft in ben Satten, wo ber Steuerpflichtige bie Einfehäfeung oer*
meiaert, bie SchäßungSbürger feine bebeutenben fJel^Icjriffe begehen
meroen. 9llS Beweis für bie 9tid)tigfeit biefer Behauptung fei an*
geführt, baß 1896 bie Steuerbeputation nur 201 Steuerpflichtige
unb, in Sulge ber 9lufbecfuug oon .fnnteniehungen aus 3lnlaß ber
Erhebung ber ErbfchaftSabgabe, ber auch bie S)efcenbentcn unter*
liegen, 46 Erben oon Steuerpflichtigen p Nachzahlungen 311 oer*
urtheilen hatte, fowie baß bie ©efammtfumme ber Strafen in ben
Sahren 1894 bis 1896 nie 100 000 c/// erreichte, 1893 freilich
auSnaljmSmeife 330 000 oii überfdhritt. Sie Eenauigfeit ber Ein*
fchäßung biirfte audh baburch geförbert werben, baß in Hamburg,
wo Staat unb Eemeinbe zufammenfatten, ber Steuerfaß oerhältniß*
mäßig niebrig ift unb bie Sfaufleute in hohen EinfommenSangabeit
eine Stüße ipreS ^rebitS fehen.
Bon 1866 bis 1880 war ber Steuerfaß 3%, oon 1881 bis
1894 372% für Einfommen, bie 10000 c/// überftiegen, wäßrenb
unter biefer Summe eine begreffioe Sfala $laß griff, bie bis auf
5 /e% bei Einfommen oon 600 Jt fanf. ®aS ©efeß oom 22. Se s
bruar 1895 hat, weil jwingenbe Nothwenbigfeit, bie Staats*
entnahmen 31t erphen, oorlag, an bie Stette beS unüberfchreitbareu
SaßeS oon 372% einen fogenannten Einheitsfaß — 1% — ein*
geführt, beffeit BielfacßeS je nach Bebarf, um baS Staatsbubget
ins Eleichgewicßt ju bringen, erhoben wirb; bisher baS Sünf*
einhalb* ober Sechsfache. SDie SDegreffioit fommt jeßt attett Ein*
fommen unter 50 000 Jt 311 gut, ift 3unächft feljr unerheblich, um
je f(einer bie Einfommen ftnb, befto größeren Einfluß auS3uiiben,
fo baß 3. B. oon einem Einfommen oon 15 000 Ji oier fünftel
beS EinpeitSfaßeS erhoben werben, oon 8400 Jt brei fünftel, oon
5200 Jt 3wei fünftel, oon 2500 Jt ein fünftel, enblich in ber
unterften Stufe oon 900 bis 1000 Jl ein 3^^atcl beS EinheitS*
faßes. ®ie höhere Belaftung ber großen Einfommen hatte bas
Nefultat, baß 1896 bie reichen Steuerzahler oon mehr als 10000,//
Einfommen — 4, 0 7°/o ber Eefamnttzahl — 76 ‘/Wo beS Steuer*
ertragS 001t 13 Millionen Ntarf aufbracßten, wäßrenb ihr Ein*
fommen nur 44o/ 0 beS E)efammt*EiiifommenS erreichte. 3it bem
neuen Eefeße ift auch bie Befreiung ber Einfommen unter 900
oon jeber Steuer feftgefeßt, fo baß fich ein erheblicher Sßeil beS
BolfSeinfommenS — 1894 waren 40 938 Steuerzahler, 27,5% ber
Eefammtzahl, mit je 600 bis 800 , ft cingefd)äßt — ber Bered) 3
nung entzieht, oerhältnißntäßig mehr als in Preußen, weil iit
Hamburg bie Einfommen mehrerer Angehörigen eines Familien*
ßanShalts nießt zufammcngerechnet werben, alfo nur ber Steuer
unterliegen, wenn fie einzeln für fteß 900 Jt überfeßreiten.
£)ie Beruteßrung ber Steuerzahler ein unb berfelben Älaffe
ift oon einem 3aßr zum anberu nießt erßebltd) genug, um eine
augenfällige Berfcßiebung ßeroortreten zu (affen; wir haben baS
Saßr 1881 zuin Berglep mit bem jeßt befanntgemad)teu Ergebitiß
ber Befteuerung im 3at)^ 1896 gewählt, weil feit jener Qc\i bie
Beröffentlichungen ber Beßörbe nad) berfelben Eintheilung, ab*
gefeßeit oon bem BSegfatt ber unterften EinfommeitSflaffe, erfolgen
unb jenes 3aßr ober oielmcßr bie brei oorßergehenben 3aß^ meßt
befonberS günftigen ober ungiinftigen .'panbelsfonjunfturen aus*
gefeßt waren. 2>er Kaufmann ßat itämlid), um ben Ertrag ber
Steuer nießt beit 0d)wanfunaen einzelner guter ober fcßlecßter
©efcßäftSjahre auSzufeßen, ttaeß breijährigem ®xir(ßfchuitt feilt Ein*
fommen anzugeben, wäßrenb bie übrigen $ßflid)tigeti ißren Alt*
gaben baS Einfommen beS ber SteueranSfdjreibung oorßergeheitbeit
ÖaßreS zu ©runbe legen fotten.
EtitfontmenS*
flaffcit
,fC
18S1.
1 Berftcucrtcs
Stfuc'rjnljlof 1. (Süifomnicu
«iijaljt ; % 1 M. \ %
1890.
Bcrfteucrtctf
Steuerzahler Etitfommcu
Anzahl I °/o , Jl. 1 %
1881 1896
auf beu Atopf ctucj?
Steuerzahlers
ji. ;| ji.
DOtl 1881 btv 1S90
3uwad)c>
ber | bei?
Steuer* Ein*
Zahler faiiminiS
soo refp. 900 bis
1000....
15 350
20 , 79 !
l:!S15 00ü
6,31
44 930
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1 SS,». 44 93« ono
1<C,18
900 1
L 000
192,74 %
225„7%
1 (KKJ—2000 . .
23 200
40,51
33 763 700
15,17
55 059
; 40,67.: 79 843 200
1 *,09
1.435
1 455
139 ,,5 -
130,=
2000 --oOOO . .
11 709
20,44
37 453 ICH)
16,83
24 290
1 17,7.0: 70 542 300
17,34
3 199 !
3 151
1* ►7, J: . *
10 1,,: *
5(X)0—10 000 .
3 785
0,61 1
27 075 200
12,16
6 413
| 4,<> = 45 070 300
10,36
7 153
7 122
- I
li\m -
10 000—25 000 .
2 07 5
3,63 i
32 743 100
14,71
3 022
I 2,c. ! 50 428 000
12,79
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5 579
71 , -, 5 ^ ;
72,34 r
über 25 000 . .
1163
2,(13 i
77 720 900
34,92
1 952
1 1 , 4 ^ 137 829 11*)
31,24
00 833 i “
0 0< >9
07 ,. 1 = ;
7 7 :*» -
3 ujamuten refp.
im^urd)fd)itttt
57 288
j 100,04) j
222 577 000
100,00
130 872
1(K),(k. i 441 254 900
! loo /(H) i
1 1
3, ss 5
3 223
10>V'2°0
9 S ,^ " 0
148
Soziale fragil. fceniralblatt für •ostalpoltttt. Sfr. 6.
144
ßaffcn nur bie 1881 in ber unterften Hlaffe Steuernben,
38 157 ihrer 3<*hl nach, roeil jeßt als ftcucrfrci nicht mehr erhoben,
nnberücffnhtigt, fo ergiebt bie SSergleidjuitg in bem 15jährigen
Zeitraum bis 1896 eine Bermehrung ber (Gefamtntheit aller
Steuerpflichtigen non 57 288 auf 136 872, atfo um 79 584 Hopfe
ober 138,92%, benen ein 3uroachS beS (Einfommeiis ooit 218,7 Bfil*
lionen 9Karf ober nur 98, 2 s% gegen überfteht, ba bie brei oberen
Hlaffen eine bebeutenb geringere intenfioe 3unahme erfuhren als
bie brei unteren Hlaffen bis 5ÖOO , (Einfommen. 3>ie Beoölferung
beS f>atnburgifc^en Staates unter ZHuSfd)luß ber Schiffsbeoölfening
in ben §>äfen toeift oon ber 3ählung 1880 bis z u berjenigeu oon
1895 eine (Steigerung um 224 808 Hopfe (49,?%) auf, menig
mehr als ein drittel ber 3unahitie ber Steuerzahler mit einem
(Einfommen über 900 , U, ooit beneit 1881 auf 1000 (Einwohner
127 entfielen, 1896 bagegen 203. Jn biefer großen Bermehrung
fpiegelt ftd) einerfeits bie (Erhöhung beS ßohueS für alle gelernten
Arbeiter in bem 15jährigen 3eitraunt miber, anbererfeitS bie 3«*
nähme ber llnterbeamten bei allen Behörben, inSbefoitbere bei ber
erft feit bem 2lnfd)luß an ben beutfdjen 3oüüerein auf ben hunt*
burgifcbeit Staat übergegangenen 3offnertoaItung.
$)ie burcbftbnittlicbe 3unahme Steuerzahler roirb oon ber
unterften Hlaffe mit 900—1000 JL. (Einfommen am tneiftcu über*
troffen, fie ift um 192, 74 % ber Hopfzahl unb 225, 27 % bem (Ein*
fomnieu nad) geftiegen, ba iit biefe Hlaffe nicht nur fämmtlidhe
Steuerzahler, bie bi§ 1895 ein (Einfommen ooit 800—1000 c //.
beflarirt hallen, aufgenommen finb, fonbern noch ein erheblicher
£beil ber früher unterften Hlaffe. (Eilt fmtabgleiten aus oer
Ztoeüen Stufe mit 1000—2000 JL (Einfommen ift auSgefchloffett,
weil auch biefe eine 3unahme oon 22 435 Steuerzahlern, ungefähr
bem SDurdjfcbnitt entfprechenb, erfahren hat, momit baS Slnroachfen
beS oon ihnen beflarirtett (EinfommenS um 46, 0 8 Millionen BJarf
nicht ganz ®<hntt hielt; ber Hopftheil ift um 20 JL auf 1435 , y ii
gefunfen. (Ein ähnliches Berhältniß geringeren intenfioeu als er*
ienfioen BtochSthumS ^eigl bie britte Hlaffe oon 2000—5000 J(.
(Einfommen, in ber jeber ber 24 290 Steuerpflichtigen im 3)itrdj*
fchuitt 3151 JL erzielt, 48 JL roeniger als 1881. $)er 3uwad)S
an (Einfommen oon 39, O o Millionen EKarf (104, 37 %) überragt ben
allgemeinen ^nrehfehnitt oon 98,25% noch um mehr als 6%,
toogegeit ber JuroacßS bet Hopfzahl um 12 581 ober 107,i r ,%
bereits erheblich zuriicfbleibt.
Unter ber BorauSfeßung, baß itt Hamburg bie (Einfommen
oon 900—5000 J( tiberroiegenb 21rbeitSeinfommen finb uub nur
Zum fleinen Xheil burd) Glentetteinfotnmen ober SRußungeti oon
toerbenben Hapitalieti ergänzt merben, fann bie (Eittroicfluug biefer
brei Hlaffen als güttftig für bie Bolfsroirthfchaft bezeichnet roerben,
wenn auch z uin ^h e ü bie oertnehrtett (Einnahmen burch (Erhöhung
ber ^ohnungSntiethen unb beS fonftigen ßcbenSbebarfS abforbirt
finb unb ben allgemein gefteigerteu ?lnfpriid)en auf ?lntheil an
ßuj.’uSbebürfniffen nicht genügen.
^aS (Einfommen oon 5000 JL fattit als eine (Grenzlinie be*
Zeichnet roerben, über bie in bie f)ö4>ere Hlaffe hinaufzufteigen er*
heblich fdjrocrer ift, als foroold oon ber erften in bie zweite, roie
oon ber zweiten in bie britte Hlaffe. $)ie roohlhabenbett Steuer*
Zahler mit 5000—10 000 ,-f( (Einfommen roeifen bas geringfte
intenfioe BkdjSthum oon 18, 6 Millionen s U?arf (Einfommen (68, 7 %)
gegen 1881 auf, ebeufo roie ihr ertenfioes mit Ausnahme ber
höchftcn Hlaffe oon allen übertroffen roirb. (Es gleicht bie oierte
Stufe geroiffennaßen einem ungenügeub regulirteu Hanoi, aus bem
mehr ©affer cutftrömt, als ber 3ufluß erfeßen fann, ohne baß
freilich ^aS Berfiegeu in brohenbe S^äße gerüdft ift. So roerben
auch bie roohlljabenben Steuerzahler noch lange ein geniigenbeS
BerbiubuttgSglieb zwifchen ben reichen unb ben ininber bemittelten
abgeben, bodj barf ihre relatioe Abnahme erhöhte ?lnfmerffamfeit
beaufprndjen.
Jn ber fünften Hlaffe mit (Einfommen oon 10 000- 25 OOO f LL
hat bie Junahute ber Steuerzahler 1547 (7!^%) betragen, bereu
geringere bnrchfd)nittüchc (Einnahme (15 579 JL gegen 15 780 c,//)
foroohl bitrch baS Wuffteigcn ans ber oierten, roie ben Uebergang
ber in ihr vrödiftfteheubcn in bie oberfte Stufe z u erHären ift.
willen bis jept befprochenen Hlaffeu ber Steuerzahler ift eine in ben
einzelnen Satiren halb rafdjere, halb laugfamere Zunahme gemein*
fam, roährenb fiel) in ber hödbftcu Hlaffe. ben Honjuuftnreu beS
Manbels entfprechenb ein bei ber geringen ihr angefjörenben 3ahl
oon Steuerpflidjtigen ftarfcS Sd)roanfeit bemerfbar mad;t, fo bap
es fid) lohnt, ihren 33cftanb in ben lepteu S^hreu auzuführeu.
lieber 25 000 JL (Einfommen bezogen:
1888
1474 Berfoneu
mit
95,9
attiüionen
SKarf.
1889
1737
*
*
120,9
s
1890
1965
3
s
139,5
*
9
1891
2016
=
*
140,8
-
«
1892
1952
=
S
1 -8,7
=
1X93
1855
=
=
120,1
=
1894
1772
=
*
114,o
=
=
1895
1788
=
*
121,5
S
1896
1952
*
*
137,8
*
=
9?ad) bem ftarfen Gtücfgang oon 1892—1894 ift alfo erft im
lepten Qahre ein erhebliches ?lnfchroellen erfolgt, roeldjes aber nod)
nicht genügt, ben höchftcn Staub ber (Einfommen in beu fahren
1890 uub 1891 zu erreidjeu, ber ein 2lbbilb ber gütiftigcn (Ge*
fcpäftslage nach bem 3oHanfchluh barbietet. $)er um O 1 /-.» 0 () ben
ertenfioen 3uwad)S iiberragenbe intenfioe ber I^öchflen Stufe im
3ahre 1896 füll nicht als erfrenlid)es 3^4) e u blühcnber Solfs*
roirthfehaft befonberS hcroorgel;oben roerben, er barf aber ebenfo*
roeuig z«c ^tüpe ber Behauptung ooit einer unbegrenzten 3» s
nahmefähigfeit beS (EinfonimenS ber Gfeichften oerroanbt roerben,
ba er, roie bie oben angeführten 3 a h^u berocifen, rafd) roieber
oerfeproinben fann, roenn Hrieg, Seuche ober Ärifis bem harn*
burgifepen fmitbel tiefe B^unbeii fcplagen.
^lus bem in unferer Tabelle noch angeführten prozentualen
^lutheil einer jeben Hlaffe an ber ©cfammtheit nad) Hopfzahl uub
(Einfommen uitterlaffen roir Schlußfolgerungen zu Z^h^u, toeil bie
leicht erfettnbarc Berfchiebcuheit in ben fahren 1881 unb 1896
burch ^Seglaffcn ber 1881 uiebrigfteit Hlaffe ooit 38157
Steuerzahlern mit burchfd)tiittlid) ^ *■•//. (Einfommen hcroorgerufeit
ift unb jebc Bergleithung beeinträchtigt.
^)ie oon ber Steuerbeputation oeröffentlichte lleberficht ermähnt
außer beu nach Hlaffen oertheilten 136 872 phpfifcheti Steuerzahlern
nod) 16 119 s }$erfouen, bereit (Einfommen roegen 3uztigs ober ?lb*
ZugS im ßaufe beS Jahres nicht für bas ganze ^apr beftimmt
roerben fotiute, ferner 303 3lftiengefeUf<haften mit faft 28 s Mllioneu
GKarf (Einfommen, bie mehr als 1,5 EDlillionen Eütarf Steuer ent*
richteten, ^er (Gcfantmtbctrag ber Öinfontmenfteuer betrug 1896
itt Hamburg 15, 16 Millionen EDlarf, ungefähr 57 % ber Summe,
bie bie Berliner Steuerzahler nach bem Boranfrijlag für 1896/97
an (EinfommeitS* unb (ErgänzungSftcuer fiir ben Staat aufzubringeit
hatten.
duS ber Berthcilung ber (Eiitfüttimcn auf bie einzelnen Stabt*
theüe Hamburgs ermähnen roir nur, baß in beit beibeit reichftett
Stabtthcilcn jeber Steuerzahler burchfd)nittlid) über ein ßinfommeu
oon 12 543 JL, refp. 8743 JL oerfügt, in ben ärtnften bagegett
nur über 1417 JL refp. 1535 J (, in ber Xhat fepr fraffe (Gegen*
fäpe, bie ber Regierung große Sorgen bereiten mürben, roenn fie
beS Schußes beS £)eut)(heit GtcidjS entbehren müßte.
Hamburg. Dr. (E. ^ fing ft hont.
formen unb Begriff ber ^auSinbnftric* 3n ben „Jahrbüchern
| für Giationalöfonomie unb Statiftif" (Dftoberpeft 1898) oeröffenf*
ließt Dr. Schroieblanb=BHeu eine ?lbhanblung, tooriit er bie mannig*
fadjen gormen ber ,v>auS* ober BerlagSinbuftrie in ben mobernen
Staaten erörtert unb zunt Schluß eine genteittfame Begriffsbeftitn--
mung für fie aufftellt. (Er nnterfdjeibet oier (Gruppen, in roelche
bie einzelnen fonfreten gortnen ber BcrlagSarbeit fiep fdjeiben:
I. ben Bkrfftattbetrieb beS o erlegten Hie in me ift erS; ber Unter*
| nehmet ift geroerberechtlich (formell) felbftänbiger §anbiocrfcr, befipt
I als folcher einen (Getoerbefd)eiti unb Steuerbogen, gehört ber zu*
I ftättbigen Juituitg an unb fcpaltet mit (Gehülfett nnb ßehrlingen
| in ber eigenen Bterfftätte ber Stabt ober beS fladjeit ßanbeS. ^och
| finb biefe EÜi'eifler oon ftäbtifchen Häufßäufern, (Exporteuren ober
| größeren <£>anbroerfern abhängig, roeldje iljre Brobufte oertreiben,
j II. Jhueit aut näcpfteu ftept ber 3roifd)eumeiftcr, ßieferineifter,
l Houtraftor ober Sd)ioipineiftcr (sweater apieceur ä cheval). "X'iefe
j ßeute übernehmen in größeren ÜUJengen zugefd)nitteue SSaarett uub
| manche 3uthaten ober and) beu eiufadieu S^ohftoff, unb laffen bie
| übernommene Arbeit burd) iHnbere ju iool)lfeileu Bebittgungett aus*
führen, wobei fie zum 2peil felbft mitarbeiteu. S'er Uuterfdjieb
! Zroifrijcn beibeit £npen ift nur, baß ber abhängige HIeinmeifter bie
1 formelle EDteifterbefugniß unb oielfach ein oom ^oljnraume noch
irgenbroie nttterfdjeibbareS "Hrbeitslofal befipt, roährenb bem Scproip*
1 meifter baS leptere unb oft and) bie EOi'eiftcrbefngniß fehlt. III. (Einen
fepr häufigen Sppus bei Berlagsurbeitcrs ftellt ber oereitizelte (Ge*
j hülfe bar, ber notn (Goioerbetrcibenben außerhalb feiner Betriebs*
ftätte bcfchäftigt roirb. hierher gehört oor dllent: a) ber „§eitn*
\ arbeitet" ober „Sipgefelle", roeldieut ber roeiblidje „XppuS ber
, armen Näherin" zur Seite fleht. Siefer Berlagsarbeiter i;at feine
145
Qogiale $r<qi4. (frftftalBIatt für fcogtalpolittt. Ar. 6.
146
SReifterbefugniß, gahlt feine ©eroerbefteuer unb arbeitet aßein in
feiner Stube. Oftmals arbeitet bie gautilie mit. ®eit £>eitn*
arbeitern aleidjgufteßen ift ber ^lafc ge feile, welcher mebcr bet
feinem Arbeitgeber, noch in ber eigenen Sehaufuirg arbeitet, fonbern
fich bei einem dritten einen gur ArbeitSftätte gemiethet hat.
IV. Xie Sißgefellcugruppe. SDiefe fteßt eine bloß äußerliche
ober eine mehr organtfdje Bereinigung non Heimarbeitern bar.
SHr finben hirc oon einanber unabhängige, gleidjgeftellte
Aebengefellen, melcbe einfach eine ©ohnnng theilen, unb Beben*
gefeßen, oon benen ein £beß Aftermiether beS Hauptgefellen
finb, uon bent fie oielfad) auch Arbeitsmittel miethen. tiefem
XtjpnS föitneit auch Bereinigungen oon Heimarbeitern in fo*
genannten Eentralrocrfftätten gugefteßt raerben: Bereinigungen
üon ^laßgefeßen, melcbe auf eigene äoften eine gemeinfame ArbettS*
itätte errichtet haben, um bie Bacfübeile ber Hetmarbeit in geroerb*
lieber, fokaler mtb roirthfcßaftlicher Min ficht ferngubalten (oergl.
„Sogiale $ra£iS" Qahrg. 1897 Sp. 404). Büßt gur BerlagS*
inbuftrie gehört baS fogenannte ©ruppenfnftent auf bent flachen
Laube, bet bent ber Unternehmer burd) Öaftore abgerichtete HülfS*
fräfte im eigenen Lofale oereinigt. Seim eingelnett gaftor — er
führt beit tarnen „Steifter" — ocrfamntelt fich bie länblidje Se*
oölferung gur Arbeit; SBerfoorrichtungen ttttb SRoßftoffe finb Eigen*
thum beS Unternehmers. Hingegen fann ber oerlegte Setrieb ctneS
fleinen SBerfftattmeifterS ober beS 3nnf<henmeifterS einen meiteren
Ableger hausiubujtrießer Art haben: ber oerlegte Setrieb befcßäf*
tigt noch Heimarbeiter, begleichen mitunter ber Eingelgefeße. 3)iefe
auf BerlagSarbeit aufgefe^te BerlagSarbeit ift in ben mobernen
©roßftäbten [ehr häufig. — Alle biefe £t)pett ber Hausinbuftrie
cßarafterifirt jeboeß ber Serleger. £er Stäufer beS HauSinbuftdeßen
ift nid)t me|r „fö'uitbe", fonbern „Serleger", Auftraggeber, uon
bent er abhängig ift. £ie H augs ober Serlagsinbuftrie erfcheint
fomit als bie gemerblicbe Se* ober Serarbeitnng oon SRoßftoffen
burch (oereinigte ober oereingelte) ^robugenten, melcbe, im Ab fab
ihrer Ergeugntffe unfelbftänbig, beffen Sermittlerrt in roirthfeßaft*
lieber unb fogialer Abhäugigfeit gegeitüberfteßen unb ihre Sro*
bufte außerhalb ber SetriebSftättcu biefer für ben ganzen Setrieb
mefentlichen Organe, mit Mitteln fleingem erb lieber £ecßnif
herfteßen.
$er ArBeitSmarft im OftoBer läßt aßjährlich in öolge beS
3urücfftrömenS ber in ber Lanbroirthfcßaft überflüffig gemorbenen
ArbeitSfräfte in bie Stäbte, ein ftarfes Ueberangebot oon Arbeitern
auf bem ArbeitSmarfte entftehen. 3)iefe 3 u aahnte ber Arbeit*
fueßenben geigt fich auch im Bfonat Oftober, obmohl bie gefcßäft*
liehe Sfonjunftur noch red)t giinftig ift. 3n manchen ^robuftionS*
groeigen, mie in Eifeniubuftrie unb Moßlenbau, befteht fogar, toie
mir ber neuefteit Kummer bes „ArbeitSmarfteS" entnehmen, eine
lebhafte Nachfrage nach Arbeitern. AnbererfeitS ift bie Lage in
ber ^eytilinbuftne noch immer fo trübe, baß eher ArbeitSfräfte
frei roerben. Es übermiegt jebenfalls baS Angebot oon ArbeitS*
fräften, roenn auch ftatiftifcß im Sergleich gunt nämlichen Stonat
beS SorjahreS bie Lage beS ArbeitSmarfteS im Oftober b. §S. »nt
ein unbebeutenbeS giinftiger erfcheint. SRacß ben Eraebuiffen ber
ArbeitsnachroeiSoermaltungen betoarbeu fich im 100 offene Steßeit
im Oftober 116,5 gegen 117,i im Oftober beS SorjahreS. 3)er
Anbrang hat an 29 (unb 2 auSlänbifdjen) Orten abgenommen unb
ait 23 (unb 2 auslänbifchen) Orten 3 ttgenommeu.
Arbeitslöhne in 83rittf<h*3itBiejt. Shirglicß oeröffentlichte amt»
liehe $)aten meifen eine roefentliche Steigerung ber Arbeitslöhne in
ben Snbuftricbetrieben Sritifcß*3nbieitS auf, mährenb fid) bie. lanb*
mirthfchaftlidjen Arbeitslöhne auf bem bisherigen niebrigen Aioeau
halten. So fliegen beifpiclSioeife bie Lößne ber Sudjbinber in
ber StaatSbrucferei in Ealcutta oon 7,27 Rupien im 3aßre 1870 71
auf 12,6 Rupien im 3aßre 1897/98, jene oon ©robfcßmicben bei
ben Oriffa*$attälen oott 3 7-2 auf 7 y> Annas pro £ag, unb s }>oft*
boten in Affam erhielten 1855 monatlich 5 kupiert gegen 12,?5 $Ru*
pien itn lefcten 3af)re. Sn ben S^ooingftäbten geigen fich ähnliche
Loßnfteigerungen, namentlich in ben Spiitneteien. Arbeiter in ber
Bttlitärfcßubfabrif oott Earonpore, bie bis 1890 bloß 12 Bttpien
monatlich erhielten, roerben jeßt mit 30 SRupien besal)lt.
^rbeUecbemesuitg.
Sou Ber SergarBeitcrBeftegmtg, 2)ie ßohnberoegmtg unter beit
Sergarbeitcrn beS 9fuhrreoicrs fcheiut gu oerflaucit. (Ss ift feine
rechte Stimmung oorhanbeit, aud; fehlt bie Ginigfeit. ^)er 03e*
roerfoereitt ber ^riftlid^eu Sergarbeiter oerhält fid) ablehnenb unb
bezeichnet in feinem Organ ,,^)er Sergfttappe" bie Seroegung als
„eine Wache", bagu bejtunmt, bem alten fogialbetnofrattfchen Ser«
battbe mehr Witgliebcr unb 03elb gitguführeit. ^ 2)aS Organ beS
alten SerbattbeS roieber flagt über ben „Serrath" unb über bie
„SergmannSgerfplitterung" feitenS beS chriftlichen ^eroerfoereinS.
£)ie Qorbcruitgen ber Sergleute: gehnprogentige Lohnerhöhung,
Einführung oon ArbeiterauSfchiiffen auf fämmtltchen ©ruben uitb
Herangiehung ber Arbeiter gur ©rubettinfpeftion foßett übrigens
ben 3 e£ h en oerroaltuitgen nodh gar nicht übergeben fein. $>ieS foß
oielntehr erft nach einer roeiteren Sergarbeitcrocrfantmluug, bie für
ben 13. b. SttS. nach $)ortmunb auSgefchrieben ift, befd)loffen
roerben. 2)er übereinftitnmenb berichtete Stängel an „Stimmung"
ift toohl mit auf bie Schroäche ber Arbeiterorganifationen unb bie
leeren Waffen, auf bie ©leichgültigfeit in ben f<hlefif.d)en unb
fä<hfif<hen Äohlenreoieren, foroie auf ben angefiinbigten ge*
fchloffenen SHberftanb ber 3cfh^aerroaltungen guriiefgufithren.
Sngroifchett foßen bie ©rubenoerroaftungen im halben«
burger Seoier (Schleften) ben Sergleuten eine Lohnerhöhung oon
10% beroißigt haben, angeblich, roeil in le^ter 3eit ber Staugel
an ArbeitSfräften fortgefefet fühlbarer geroorben fei. Sei ben
itiebrigett fchlefifchen Löhnen hätten bie Agenten ber rheinifd)*roeft*
fälifcheit S3erfe ein leichtes Spiel, gahlreidje Sergarbeiterfamilien
nach bem 9tuhrrcoier gu giehen. Stan fud^e nun ben Abgug burd)
beffere Löhne eingubämmen.
Unter ben öfterreichifchen Sergarbeitent hält bie ©ährung
an, ba bie ©rubenoerroaltungen bie auf Lohnerhöhung unb Herab*
fejjung ber ArbeitSgeit gerichteten Sorberungen ber Arbeiter oöllig
ablehnenb behanbeln unb auch bie ^Regierung ber Seroegung ber
Arbeiter entgegentritt. ES ift ittbeffen bisher roeber in Söhnten,
noch im mährifch Ä fd)lefifthen SReoier gu AuSftänben gefomnten.
9teuerbingS finb auch Bergarbeiter ber 3llpinen Sfontangefeß*
fchaft in SohnSborf (Steiermarf), foroie bie Sergarbeiter ber
ärarifchen Ouecffilberbergroerfc in Sbria (^rain) mit gforberungen
nach Lohnerhöhung unb befferer ^Regelung ber ArbeitSgeit hen^or*
getreten. 3n einer Sorftanbsfthung beS EentraloereinS ber Serg*
roerfsbefiher OefterreichS ift bie oon ber ^Regierung angeregte $rage
ber He^abfefeung ber bisherigen gchnftürtbigen ArbeitSgeit auf acht
Stunben int Sergbau aufs Entfchiebenftc oerneiut roorben. ^er
Achtftuubentag möge in einzelnen Setriebcu gang gut beftchen
föntten, feine gefehliche 5Rormirung für ben gefammten Sergbau
OefterreichS roürbe inbeffett oon unermeßlichem Schaben fein. — Sfit
biefer Aittroort roirb auch bie gegebene Anregung im Meinte erftieft
fein, nachbent ber fogialpolitifch fortfchrittlid) gefimtte H an ^elS*
minifter Dr. Saernreither auS bem Amte gerieben ift.
3nt Loire*Sedfen (Sraitfreich) oerlaugen bie Sergleute eine
Lohnerhöhung unb brohen mit bem Ausftanb. ES foß aber noch*
tnals mit bert Söerfoerroaltungen unterhanbelt roerben. Ein aßge»
meiner SergarbeiterauSftanb ift faunt gu befürchten, ba bie Serg*
leute beS SRorbbepartentents unb beS SaffittS $aS be EalaiS, bie
ttahegu groci drittel ber frangöfifchen Sohlen förbertt, erft unlängft
im Skge frieblicher Serftänbigung mit ben Unternehmern eine
Lohnerhöhung erreicht haben. 2)aS Loire*Secfett ift im Serhältniß
gu ben beibett genannten nur flein.
3n Belgien foß im Laufe biefcS Stonats roieber ein Serg*
arbeiterfongreß tagen, um über eine gu erftrebenbe Lohnerhöhung
Sefdjlttß gu faffen.
Streifs in ^etitfchlanB ttrährenB BeS OftoBerS. Aach bem
„ArbcitSmarft" finb int Oftober 31 Streifs in ^eutfchlanb aus*
I gebrod)en, 5 nteßr als im September, 20 roeniger als im Auguft.
Abermals oergeid)net baS Saugeroerbe bie größte 3 a ßl (9) ber
AuSftänbe, hoch h fl ß e ni| r ein Streif in Saargetnünb einen größeren
Umfang, Sergbau fatnen oor 2, in ber Afetaflinbuftrte 4, im
^cytilgeioerbe 2, in ber Holsütkaftrie 5, im AahruugSmittel*
geroerbe 2, in ber SefleibungSiitbuftrie (Sd)uhmad)erei) 3," in ben
übrigen Snbuftriegroeigen 4. Alle biefe AuSftänbe roareit, mit
aßeiniger Ausnahme eines Schuhmacherftreifs in Haunooer, oon
geringer ober gang minimaler Sebeutung.
! Ans Ber fatbolifdjett ArBeiterBeroegnng in ^entfchlanB. $>cr
i jüngft in Ejfen abgehaltene oiertc 2)elegirtentag ber fatl)olifd)en Ar*
l beiteroereine ber Ergbiögefe .Hölu, auf bent 194 8)elegirte 07 Arbeiter*
j oereine mit 19 000 Aiitgliebern oertraten, hat nach Ablehnung
! eines Antrags, nur fatholifd)e ©cioerffdiaften gu griiuben, erflärt:
■ X'ie Silbung oon SerufSoereiueri auf cfjriftlidiev ©ruublage fei
| brinaeitb nothroenbig gur 'Jörberung ber tuirthfd)aftlid)en 3utereffeu
1 ber Arbeiter toie and) gur Sidjermtg eines baiternbeu frieMidteu
SerhältuijfeS unb Scrfeljrs groifcheu Arbeitgebern itnb Arbeit*
ttehtnern. 3 llL ' Aeubilbung oon ri)riftlid)eit Scrufsoerciueu empfahl
147
®o&ia!e $ragi£. Gentralfclatt für Sogialpolittf. 9h:. 6.
148
bei' Dclegirtentag bie Bilbnitg oon MomiteS aus beit uerfchiebetten
Sesirfcn SRfieinlanbS uttb BkftfalettS unter Arbeitern beffeiben
3 nbufirie 3 roeigeS 311 m 3 roe tf c ba ©riinbiiitg oon BerufSoeretucn
auf cf^riftlid^er ©ruttblage. — Bian ift überhaupt auf fatI)olif<f)er
(Seite auf fokalem (Gebiete fcljr rührig. So ift nencrbingS itt ben
größeren Stabten bcr SRfjetnproDina mit ber Drgatiifatiott faufmämti*
djer ©ebilfinuen begonnen worben. Sn Möltt mürbe ein Bcrbanb ber
Lettner unb ©afthofangeftellten auf djriftlidjer ©rttnblage gegrün*.
bet. Sine Berfammluug beS c^riftlidjsfo^ialen Dei*tilarbeiteroer* i
banbeS in Aachen hat jiingft eine energifdje SHefolution gegen eine |
Berfümmerung beS MoalitionSrechteS angenommen unb bie Erroar*
tuug auSgefprochen, cS möge bie in bem CSrlaffe beS MatfcrS oom
4. Februar 1890 bem Arbeitcrftanbe jugefidjerte „gefeßltdje ©letdp
berechtigung" weiter baburd) auSgcftaltet toerben, baß alle ber
MoalitionS* ober BcrciuiguugSfreiheit entgegenftchenbeu Bcftim*
tnungeit einzelner Staaten burd) ein allgemeines 9ieid)Sgefcß aufs
gehoben unb ben BerufSuereinen unb *Berbänbeit bie gefeßliche
Anerfettnung jugebilligt merbe. Der d)riftlirf)^f o^ialc X orti I a r b eit er *
uerbattb ooit Aachen*Burt[cheib unb Untgegcnb erfennt barin and) j
ein wirffatneS Mittel gur Förberung beS fokalen FrkbenS uttb ]
beS nationalen mie gefefelichen Sinnes in ben Streifen ber beutfehen
Arbeiterfdjaft.
Bewegung unter ben ftonfefttonSarbettern. (Sine Btoffenberoegung
SU (fünften ber Einführung oon BetriebSroerfftätten unb ber rnög*
lidjfteu Einfdjräufung ber Heimarbeit in ber Monfeftion mirb oom
Berbanbe beutfdjer Sd)tteiber unb Sdjneiberinnen für baS fommenbe
Frühjahr uorbereitet. Die im Jahre 1895 in gleicher Dichtung
cingeleitete Bewegung, bie ju ben ohne roefentlidje Erfolge burd)* 1
geführten MonfeftionSarbeiterftreifS in Berlin, Stettin unb Breslau j
führte, fdjeiterte hauptfächÜd) baran, baß bie bcthciligten Heim* \
arbeiter, inSbefottbcre auch ein großer Dhcil bcr Arbeiterinnen, ber j
Abfchaffung ber Hausarbeit im ©ruttbe roiberftrebten. Sic fürch^ |
teten, mit oer Einführung oon Betriebsroerfftätten ben leßteu SHeft |
oon Selbftftanbigfeit bem Unternehmer gegenüber ju oerliercn unb |
baburch, baß fic bann nur für einen Arbeitgeber arbeiten müßten, I
ftatt mie bisher oft für mehrere, an Berbieuft einsilbigen, Die
jeßt eingeleitete Agitation will in erfter Linie barauf bebadjt fein,
bie gegen bie Abfchaffuug ber Hausarbeit in ben Streifen ber Ar*
beiter felbft herrfdjcnben SBorurtfieilc burd) S&ort unb Schrift 311
beüimpfen unb bie ber Drgauifation, halb nadj Beruhigung ber
AuSftänbe, untreu geroorbeuen SJJitglieber miebeijugeminnen, um
beu Mampf mit AuSficht auf Erfolg oon Aeuem aufnehmen 311 fönucn.
Ein BärfcrnuSftanb in Berlin mirb ermogeu. Sn einer Ber*
trauenSmänneroerfammlung ber Bäcfereiarbeiter ber SReidjShaupt*
ftabt unb ber größeren Drtfchafteu ber Umgegeub ift befd)loffen
morben, bie Sorberungen bcr Hamburger beider: Abfdjaffmig ooit
Stoft unb Logis, Bewilligung eines 9KinbeftlohneS unb Betheifiguitg
an ber Berwaltung ber Arbeitsnachweis aufeunehmeit unb 311 bereu
Durchführung eine planmäßige Agitation 311 entfalten. Die Bäder*
meiftcr finb auf eine encrgifdje Abwehr beS brohenben Streifs be*
badjt. Die bcibeit grollen Innungen befonberS, beren ©efellett*
auSfchüjfe allcrbingS oon ben Sogialbeinofrateu beherrfeßt werben,
wollen weber bie Beseitigung an ber Berwaltung bes ArbeitS*
uachmeifes, nod) bie Abfchaffung oon Moft unb Logis beim Bicifter
3 ugeftcbcu, aber wegen einer Lohnerhöhung mit fid) rebeit taffen.
Die ©ehiilfen legen B?ertf) barauf, baß ein etwaiger Streif glcid;*
3 eitig in Berlin unb ben Bororten auSbricht. s i)tit ber gemerf«
fihaftlichen Drgaitifation ber Bädereiarbeiter ficht c* ebeufo fihlecht ;
ans mie mit ber ber 2d)läd)ter. Bon runb 130 000 Bätferei* j
arbeiten! in Dcutfchlaub finb überhaupt nur etwas über 1 °/ 0 |
organifirt. Dem l s 85 gegründeten Bädercioerbanb gehörten Enbe ,
o. 3. nur 1635 Biitglieber an. 3n Berlin mürben bei einem all- |
gemeinen AuSftanb etwa 6000 Arbeiter in Betracht fommen. Die j
uolle Station mirb hier ben Oiehülfen metft mit l,r ;() < //. pro Dag j
berechnet. Die ©efellen befdjmeren fid) hauptfäd^tid) über fdjledjte j
BiohnungSoerhältniffe beim Bieifter unb münfdjeu and) größere j
llngebuubeuheit. j
93anarbcitcrfotigrcß in Berlin. Die oor 3ahreofrift oon ge= !
merffdiaftlich orgamftrten Bauarbeitern eiugefepte Mommiffion für !
Bauarbeiterfd)iitj fjat ben Befd)luß gefaßt, oom 19. btv 21 . Buir,} 1
1899 in Berlin einen Bauarbeiterfougreß einsnberufen. Eiugelabeit ,
311 bem Mongreß merben fäinrntlidje im Baugewerbe oertretenen
Arbeiterfategorieu. B>ie befannt, hat bie Mommiffiou, bereu Siß j
Hamburg ift, fid) ber Aufgabe uutei^ogen, für bie im Baugewerbe
Befd)äftigteu einen größeren Schuß gegen llnfallgefabr 311 ermirfeu.
Die DageSorbnnng bes MongreffeS mirb fpäter befannt gegeben i
werben. I
^weiter beutfeher SeemannStouave|» Die AgitatiouSfouuuiffiou
beS SeemanuSoerbaitbeS in Deutfdjlano hat in allen beutfehen See«
ftäbten Flugblätter oertheilen laffen, in beiten bie Seeleute aufgc*
forbert merben, 311 beut am 9. Januar 1899 beginneitben 3 toeiten
beutfdjctt Seeutanusfongrcß' 3 ablreiche Delcgirtc 3 U entfettben.
Öolgenbe fünfte follett auf bem Kongreß jitr Berathung fommeit:
1. Die Lage ber Seeleute an Borb unb an Lanb. 2. Die Sec*
mannsorbnuug. 3. Der ©eridjtsftanb ber Seeleute. 4. Das
MoalitiouSrecht. 5. Die Arbeiterfd)ußgefeße, Üranfen*, Unfall*,
Alters* unb Snoalibitätsoerfidjerung. 6 . Der Arbeitsnachweis bqm.
bie Anheueruitg ber Seeleute. 7. Die Bemannung ber Schiffe.
8 . Die Jnternationalität ber Seeleute. — Anfchließenb an btefeu
Mongreß mirb bie erfte ©eiteraloerfammlnng beS SeeutaitnSoer*
battbeS ftattfinben. — Der 1. ScentaunSfougreß hat am 15. bis
18. Booetnber in Hautburg getagt (ogl. ),So 3 iale ^rayiS" Vll
Sp. 197 ff.).
Beilegung beS BacferflttetfS in Mopenhageu. Jn Mopeubagen haben
bie Bäder bie Arbeit toieber aufgenommen, iiarfjbcut ein Sdjicbsgeridit,
in bem amh ber Borfißenbe bes Bcrbaitbes ber oereinigten Mopetibagener
©ewerffdjnften, ber fordern. Abg. Jeufeu, oertreten in, firii 3iiiSd)liditung
ber Streitigfeiten bereit ertlärt hat.
Ärbtiterfitjuti.
Erhebung über bie Bef^ttffigung berheiratheter grauen in
^abrtfen. Aus Bayern mirb beruhtet:
Angcfidjts ber erßeblidjen Zunahme bcr in ber Jnbuftrie befchäf*
tigteu oerheiratheten Frauen bat bas Btinifienum bes Jnucrn bie Fabrtf*
unb Wemerbeinfpertoreit beauftragt, ben Umfang, bie Wriiitbe imb bie
©efabren biefer Beidu'iftiguug, fomie bie möglidjft jwedmäßige Art unb
B?cife ber Befdiränfung :c. in ben Jabresberiibten 0011 lsuy an bcr
Haub ber bisher gemaditen c 5 rfabnmgeu im Jufammeubaug 31t erörtern
unb 311 bieiem Jwccfe mit ben Borftänben unb Aer3ten ber Mranfeit*
faffen ins Benelmten 31t treten. r 3ugleid) bat bas Btinifterum für bie
nädifte Jal)iestoiifereii3 ber Fabrif* unb ©emerbeittfprftomt eine Be»
fpredmng ber (irbelmngen unb ber Berarbeitnng bes einfddägigen Bia«
terials in Ansfidit genommen.
Boahrfcheinlid) banbeit cS fid) hier ntn Erhebungen, bie für
baS gatt 36 SHeid) angeftcllt merben. Denn ber 9icid)Stag hat ittt
Jamtar 1898 auf Antrag bei* EentrnmSpartei mit großer BcYl)rl)eit
eine Befolutiou augeuomtueu, ber Beidjsfausler möge bic ©etoerbe*
auffid)tsbeamteu 3 U einer eingehcnbercn Beriditerftattnng über bie
Befd)äftigung ocrhcirathctcr Ara nett in Jab rifen aufforbertt. DiefeS
fo gerooititeue Biaterial foll bauit als Unterlage 31 t weiterem Bor*
gehen biettett. Der Staatsfefretär beS Jnnern hat bie Erfüllung
biefes Biunfdjes am 21. Januar biefcs Jahres iit AuSficht geftellt.
Blie attS ber in Bayern ergangenen Attmeifttttg erhellt, mirb biefe
3 ufage gegenwärtig erfüllt. — 9cad) ber Berufs 3 äblung 001 t 1895
waren in ber Jnbtiftrie 1 044 962 weibliche ^erfüllen tljätig (1882:
583 850), baoott waren 140 804 oerbeiratbete Frauen (14o/ 0 bcr
Arbeiterinnen), bie tneiftenS in ber ©roßinbuftrie befd)äftiat waren.
Jtn Jahre 1875 murbett 81 233, 1890: 130 079 oeryeirathete
Frauen in Fabrifett ge^äljlt.
Das 3 ünbhüf$d)en(]efch itt bcr Schweif. 9?ad)bctn ber National*
rath am 15. Juni b. Js. bie unterm 23. 9?ooetttbcr 1897 eingc*
gangeuc BurtbeSrathSoorlage betr. bie Jyabrifation unb ben Ber*
trieb ooit 3 üuM)öl 3 chen mit fleittett Aenbeutugett angenommen
hatte, ift ihr jeßt am 26. Dftober aud) bei* Stänberatl) beigetreten,
unb 3 tuai* unter Bornahme einiger Bcrbeffernttgen. Der Juhalt
beS ©efeßes ift fitr^ folgettber:
Die .berftellung oon Aainbböl^ern Darf mir in fohben Aäumett bc=
trieben merben, bie ausidilicßlidi biefer Fabrifation bienen. Die Bc=
triebe imterfteben ohne Aitdfidjt auf bic Arbciter3al)l imb bie (Mröße bes
Betriebes bem Fabrifgefeß. Jur l 5 röffmmg eines Betriebes bebarf es
ber Jufttmmimg ber Maiitonsrcgterimg imb bes Bmibesratl)es. Diefer
bat bie Bebiitgungeu arnjiiftelleii, bie mit Aiicffüht auf bic Alefnubhctt
imb Sicherheit ber Arbeiter mie bes ^nblitimis erforberlicft finb. Die
Fabrifation, Einfuhr imb Ausfuhr imb ber Berfauf 0011 Jimbböl3d)eu
mit gelbem Phosphor finb oerboten. Die Einfuhr oon gelbem Bhos*
phor iit nur für uüifeiifdmfttidie, pbarma^eutifdie unb für fohhe gefutib*
iteitlidt unidjäblidje Jmecfe lU'üattet, für bie ber Bnnbesratl) eine bc*
foubere Bewilligung ertbeilt hat. Den mit ber Ucbcrwndmtig ber Jiinb*
bbEdunifabrifen betrauten Beamten ift feber^eit ber Jutritt in alle
Atuime geitattet, mm beueu mit f'inmb uermutliet werben famt, baß fic
ber Fabritatiou oon Jtimbwaaren bienen. Xie Borlage ermäditigt ben
Bunbesrntb, me^epte, bie iid) im Einblid auf bie ('»efimbheit imb 2id)er=
heit ber Arbeiter unb bes 'publifiiius gä'113 befoubers empfehlen, 31t er*
werben unb ben Fahrifanteu 311 r Bcnüguu$ 31t [teilen. Unter ben
Z traten ift midi bie Eutüduiriii ber Fabritatiousbewilligimg oorgefehen,
bie auf Antrag bes Fabrifinfpcttors oon ber .stantonsregierimg oerfitgt
werben fann; ber Buuöesratlj ift Acfursbeljörbe.
149
©ojiale Sprajis. Gentralblatt für ©ojiolpolitif. SRt. 6.
150
Am 2. Booember war oöHige Bereinbatung über ben Gntwurf
gtüifcfjen National* unb 6tänberatp ergiett. Das Gefep unterliegt
jept nur no<p ber jßuBIifation im BunbeSblatt unb ber BeferenbumS*
frift, um in Hraft $u treten. Der „Bunb" fepreibt Dazu: „Gs
erfdpeint niept als befottberS ma^rfrfieinlicf), bap baS Beferenbutn
bagegett ergriffen werben roirb. Die burep baS Gefep unoenncib*
licperroeife in ihrer bisherigen GrmerbStpätigfeit benad^t^eiligteu
Streife bilben eine zu wenig zahlreiche Gruppe, um eine politifc^e
Aftion roirffam unternehmen unb burcpfüpren zu föitnen. Anberer*
feits ftehen Qntereffen ber BolfSgefunbpeit auf bem 0picle, bie bei
einer Abftimmung [o ferner ins Gewicht fallen mürben, bap bas
GrgebniS fautn zweifelhaft fein biirfte."
£aubclSgetoerbeinfpeftion in Bonbon. Das Public Control
Committee beS £oitboner GraffchaftSratpeS beantragt eine wefent*
Iid^e Bermeprung ber 3 a h^ Ber ßonboner gnfpeftoren unter ber
Shop Hours Act. Gin non biefem AuSfdpuffe erstatteter Söericfjt
giebt an, bap fuh in fionboit ungefähr 21 000 £äben befänben,
in welchen junge ßeute befcfjäftigt feien, unb in 80% banon
hanbele eS fid; um fiaufburfdpen; % ber übrigen 4 000 Säben
befepäftigen Knaben, Vs befdpäfligt Btäbcpen im fabelt. Der Be*
rid;t nerlangt bie Aufteilung non fedps gnfpeftoren unb brei gn*
fpeftorinnen. — Der fionboner GraffcpaftSratp pat fiep in feiner
0ipung nom 18. Dftober für einige wefentlid^e Abänderungen ber
Shop Hours Act auSgefprocheit, bie gleid; falls eine fchärfere gn*
fpeftion nothwetibig maepen würben, falls fie GefepeSfraft erlangen.
Berichtigung« 3« bem Artifel „Die Sage ber weiblichen unb
jugeitblichen 3^9^iarbeiter :c." 0palte 117, 26. 3eile non unten,
ntup eS ftatt „3000 3«geleien in Deutfcplanb" 8000 3iegeleien
peipen.
JCrbcitcnJcrfldjenrng. Sparhufjea.
Hranfettfürforgc unb gntialibenPerfichernngSeuittmrf«
Die BooeHe zum gnoalibitäts* unb AlterSoerficperuugSgefep,
bie gegenwärtig bem BunbeSratt; norliegt, ift zwar ber Seffent«*
Ucpfeit noch nicht übergeben, bod; finb itjrc mefentlichften Beftim*
mungeu, wie cS fepeint, nunmehr fo weit befannt geworben, bap
eine Beurteilung beS Entwurfes angängig ift. Bon faepoerftän*
biger geber fiitb feine GruitbAiige fcpoit in Br. 4 ber 0ozialen
^Srayis in gutreffenber BSeife Der Grörterung unterzogen worben.
Gs erübrigt fidf) beSpalb, auf biefe Ausführungen fyier nochmals
zurüefzufommen. Bur in einem fünfte, beffen Regelung ebenfo
für baS B*opl ber Berfid;erten wie für bie gefd;äftlid;e Gntwicfelung
ber BerficperuugSanftalten non h^h^ Bebeuhtng ift, möchte ich
mir einige ergänzenbe Bemerfuitgen geftatten — z u ber grage ber
llebernahme beS .fjeitoerfaprens gemäf 3 12 beS GefepeS nom
22.3unil889. "
0oniel bie Btittpeiliingen ber DageSpreffe erlernten taffen,
foHeit zur Decfuncj ber Beträge ber Altersrenten unb ber Grunb*
betröge ber Jgnoalibenrenten % beS jeber Anftalt gepörenben Ber*
ntögettS unb ihrer Beiträge zu einem neu zu bilbenben Gemein«
nermögen buchmäßig auSgefchieben werben, wäpretib für ben
übrigen ber Anftalt Obliegenheit Aufwanb ber Beft beS Vermögens
unb ber Beiträge als 0onberpennögen beftimmt wirb. Aus biefem
leptereu fallen, wie ausbrücflicp peroorgehoben wirb, neben beit
0tcigerungSbeirägen ber gnualibenrenten bie Soften beS £>eilocr*
faprenS beftritten werben.
Gegen bie Ueberweifung ber ^eilfoften an bas 0onberoer*
mögen erheben fidh jeboep fcpwere Bebenfen. gür bie Berficperten
würbe bamit ficpcrlicp feilt Bortpeil nerbunben fein unb aud; bie
einheitlichere Durchführung ber Mranfeitfürforge würbe baburep
ltidpt gewinnen. Bocp mehr als bisher würbe für ben Umfang
ber oon ben Anftalten aitzuorbneitben ärzllidjen Bepanblung bie
Jpöhe beS ihnen gepörenben 0onberoermögeitS beftimntenb werben.
Aber ber jept oorhaitbene 9?cig zur Ausübung einer inöglidhft
rationellen £>eilpflege würbe iiad) Annahme bes Gutwurfs in ber
Bieprzapl ber gälte erlöfcheit. Das geigt eine GegenüberfteHung
beiber SBeftintmungeit.
Unter ber ^errfepaft beS gelten beit GefepeS pflegt wegen ber
ber barin ftatuirten ^ertheilung ber SRentenlafi nad) s i)iapgabe ber
einem SSerftdjerungSträger gugefloffeneii SD?arfenbeiträge berjeitige
bie §eilfoften zu übernehmen, "ber hofft, bafj ipin bu'rd) eine er^*
folgreicpe Hur feines Pfleglings bie Pelafhutg mit Stentenanthcilcn
erfpart bleibt. Dicfc praris bietet einerfeits ben ^ortpcil, bafz
aus bem 5Ü?arfeitinhalt ber GuithmgSfarten nteift biejeuige Au«
ftalt erfichtlidj ift, bie z»r Pewilliguug ber mit einer ärgtlidjeu
Pehattblung oerbitttbettcu Ausgaben fid; gegebenen galls bereit
erflären wirb, anbererfeits finb baburdh aber auch ben Anftalten
bie Grenzen gemiefen, bie fie auf bem Gebiete ber Hranfenfürforge
beobachten fouen; benn bei Uebernahme ber ©eilfoften ift ftets bte
ZU erwartenbe SRentenerfparnif} ins Auge zu faffen.
9ia<h bem Snfrafttreten beS GntwurfS wirb baS anberS
werben. Gin Gompelle zur Anorbnung ber ärztlichen Pflege, wie
es jept in ber AuSficpt auf SRentenerfparnip enthalten ift, wtrb nur
noch in wenigen gälten gegeben fein. $ur noch bann wirb fpäter
titte Anftalt an bem AuSgange ber §eilbef)anblung ein finanzielles
3>ntereffe hüben, wenn fie als bie für bie SRentenbewilligung zu*
ftänbige 0teHe bie 0teigerungSbeträge ber gnoalibenreitte aus
ihrem 0onberoermögen ju becfeit pubeit würbe, burdp ein mit
Grfolg burdhgefüprteS ^etloerfapren aber biefe Ausgabe erfpareit
fönnte. Da bie 0teigerungSfäpe in ber SiooeHe jeboep ganz
wefcntlicp h cra b0 c f e fel worben ftttb (2, 3, 4, 5 unb 6 Pf.), fo
wirb bie möglicperweife eintretenbe Gntlaftung für bie ginanzen
ber Anftalt wopl feine erpeblicpe 23ebeutung puben. gn allen
gälten aber, wo GrwerbSunfäpigfeit noep gar niept oorliegt —
unb meift eignen fidh gerabe biefe befonberS für bie ärztliche Pe*
panbluttg —, würbe ein fpezieltes gntereffe ber einzelnen Anftalt
Zur Uebernahme ber Pflegefoften überhaupt niept mepr oorliegcit,
benn bei folcpem Dpatbeftanb ftept zur 3 e ü ber Antragfteüung ja
nodp gar niept feft, wer einft für bie Bewilligung ber 9tentc zu*
ftänbig werben unb banaep bie 0teigerungSbeträge zu übernehmen
paben wirb.
3n folgen gälten wirb ttaep Sufrafttreten beS GntwurfS für
ben um Uebernahme beS §eiIoerfaprens S^acpfucpenben gemiffer*
mafien ein Bacuum an zuftanbigen Anftalten entftepen, benn mit
SUicfficpt auf ipre SRittel, bie naep ber Forelle in noep pöperem 3Rafie
in Anfprucp genommen werben follcn, wirb, fofern niept eine ganz
fieper günftige Progttofe eröffnet ift, ben Gefucpftelter eine AnftaU
an bie anbere oerwetfen, fo wie eS jept fepon gefepiept, wenn SÄarfen
oerfepiebener Bezirfe in ungefähr gleicher Aitzapl für ben Antrag*
fteUer oerwenbet fiitb unb beSpalb feine Anftalt ipre 3uftäitbigfeit
anerfettnen will.
Gs liegt auf ber .sjunb, bap barunter namentlich bie finngen*
franfeit ßit leiben pubeit würben, beim biefe befinben fid; in ccm
3eitpunfte, wo bie ärztlicpe Bepanblnng itod; AuSficpt auf Grfolg
bietet, nämlicp in ben Attfangsftabien ber Hranfpeit, meift noep
niept im 3uftanbe ber GrwerbSunfäpigfeit.
Um biefer $ecptSunfid;erheit, wenn man eS fo nennen foll,
reddzeitig oorzttbeugett, mup ftatt beS jept oorpanbenett, itt 3ufunft
aber wegfallenben finanziellen Sutereffe.S bie 3 u ftänbigfeit einer
Anftalt zur Giitleitung beS £>äh>erfahrens burep gefeplicpett 3maitg
beftimmt werben. Bor allen Dingen ift es ein briitgenbeS Be*
bürfnip, bap in ben Gutwurf eine Borfd;rift aufgenontnteit wirb,
worin biejeniae BerficperungSanftalt genau bezeichnet ift, bie ge*
palten fein fou, in eine facplicpe Prüfung beS Antrags auf Ueber*
nähme ber ,f>eilfoften einzutreten. Ainp im Hraitfenfaffengefep werben
bie Berfidjerten über bie zuftätibige 0telle niept im 3meifel gelaffcn,
bei ber fie ipre Attfpriicpe geltcnb zu maepen paben, unb auf alle
gälte wirb ipneit bort beim Borpanbenfein ber gefeplicpen BorauS*
fepungeit baS itn Gefep oorgefepriebene Btinbeftinap ber 3umen*
bungen gewäprt.
Die Hranfenfürforge ber BerficperungSanftalteu pat bereits
einen fold;en Umfang angenommen unb für bie oerficperungSpflid;*
tige Beoötferung eine fo pope Bebeutuitg erlangt, bap mit bem Aus*
bau ber bariiber im Gefep enthaltenen Bestimmungen niept länger
gezögert werben barf.
2Bie wir fepen, wirb nur noep itt wenigen gälten baS Gr*
gebitip beS .^eiloerfapreuS zu einer Grfparnip für biejenige Anftalt
fiipren, bie fid; zur Ueberttal;me ber Höften bereit erflärt pat. Gs
würbe alfo als golge beS 3ufrafttretenS ber Gntwurfsbeftim*
tnungen in ber 9fegel baS .f)ciloerfapren oon ben 0ouberiutereffen
ber einzelnen Anftalten losgelöft werben unb bamit aufhören, bereit
0ouberangelegenpeit zu bilben. Die Iogifd;e Honfcqucnz baoon
würbe, bie fein, bap fämmtlicpe .peilfoften als Gkmeiulaft z» bc*
traepten unb aus bem Getneiuoerinögeu z 11 beglcicpeu wären.
Daraus würben beit Berficperten zweifellos grope Bortpeile er*
wacpfeit unb gleid;zeitig eine einheitlichere, glcicpe Gruubfäpe beob*
aepteube ^cilfiirforge ermöglicht werben.
0 obalb jeber Auftaltsoorftanb beftrebt fein wirb, mir folcpe
gälte als geeignet ,jnm Meiloerfapren auszuwäpleu, in beneii nadi
gewiffenpafter, forgfainer Prüfung ber Teilerfolg zu erwarten ftelit,
bann liegt aud; fein Grmtb zur Beforguip oor, bap ein weites
.^erz unb eine zu grope Taub bem Genieinoerinögen gefalulid)
werben fönnten. Blit bemfelbeu ^ledite, mit bem ber Gut warf bie
.VHiuptlaftcn ber Beuten bem Geuteinoermögen zngewiefen pat,
151
«Sojiale $ra£t$. Eerttralblatt für Sozialpolitik Br. 6.
152
tann man audj bic Soften ber Mranfenfürforge auf biefeS Kapitel
überfragen, X>enn jene Saften finb, roie jeber, ber einige 3 e ^ an
ber Beittenbcroilligung mitgemirft bat, mir zugeben roirb, maßr*
ßafttg faft ebenfo arbiträrer Waiur, als bie burtb llebernabnte beS
.£etloerfaf)retiS oeranlaßten Ausgaben.
Berlin. ©. o. BHßleben.
Bbleßtmng ber ßwawgSfronfenberfußcrmtg für Maufleute tu
UtagbeBurg* X)ie Stabtocrorbnetcn genehmigten am 27. Dftober
ein DrtSftatut, monad) §. 1 bes MranfeuoerfidjeruttgSgefeßeS auf
alle Bebienfteteit ber Stabt 9)?agbeburg mit BuSnaßme ber ftäbti*
fdjett Beamten unb geuerroebrmannfdjafteit unb auf felbftänbiae
fiauSgemerbetreibenbe erftreeft roirb, unb atnar aueß für ben ^au,
baß fie bie Boß* unb gmlfsftoffe felbft beftßaffeit, fomie enblid)
auf bie in ber ßanb* unb fyorftmirtbfcbaft befc^äftigten Arbeiter
unb Betriebsbeamten; bagegen lehnten fie mit 32 gegen 21 Stimmen
bie Einbeziehung ber £>anblitngSgeßiilfcn unb *ßeßrlittge in bic
3roaitgSfranFcnoerficßening ab. Bezeicßnenb für ben antifozialen
©eift, ber leiber noch oielfadj in ben preußifeßen ©emeinbeoertre*
tungen ßerrfeßt, finb einige ©rüubc ber 5£iberfad)er biefer SSer*
ficherung. Bacß ber „Btagbeb. 3ritung" marute ber Stabtoerorbnetc
Dr. Stern 3 . B. „oor bent Eingreifen in bie Selbftänbigfeit eines
Berufes, namentlich menn es fi<ß um Faufmämtifd) oollftänbig aus*
gebildete Berföulicßfciten huubcle... X)ttrcß bie 3 u)angSoerfid)eruug
mürbe bei ben jungen Seuten eutfeßieben bie BHbcrftaitbSfraft gegen
leichte Unpäßlich feiten gefcbmächt; fie mürben bei jebent Uttrooßlfein
geneigt fein, fteß franf 311 melbett, unb bie Berficßerung märe für
lic ein Anreiz, oon ber bisher geübten Selbftbehcrrfchung abzugeßen ...
Es fei fein X)ünfel ober 3 unft 3 mang ober 3opf, baß bie Maufleute
nicht mit ben Arbeitern ihrer ©cfdjafte in einer itaffe unb in Ber*
fammlungeu zufammen fein roollien." — &ie ©egiter biefer Ber*
ficherung fonnten fid) auf baS ablehnenbe ©utachten ber Sleltcften
ber Biagbeburgcr M'auftnannfdjaft — im ©egenfaß 3 . 33. 311 ber
Stellung ber Berliner Manfmannfcßaft — unb bes Mauftnätinifcßen
BereittS ftüßen, oon beffen 906 Bcitgliebern 598 felbftänbigc Mauf*
lente unb 67 ^rofuriften unb nur 241 ,£>aitbIimgSgeßülfen finb.
ES half nichts, baß bie BtagiftratSoorlagc auf bic erhebliche 3aßl
oon Stäbten — jeßt 117, barunter oiele größere $anbelsftäbte —
hittmieS, bie bereits ortsftatutarifd) bie gcfeßlnße MrduFcuucrfid)crung
auf alle §aublungSgel)ülfen mit einem niedrigeren Foß^Sgeßalt
als 2000 Jt auSgcbeßnt haben, baß fie ttadjroieS, mic oon ben
6152 männlichen .fmnblungSgeßülfen SBagbeburgS nur 1371 oer*
fießert finb 2 c.; biefe Angabe, roie baS fonftige ftatiftifeße ÜJtaterial
beS BkgiftratS mürben in ber Erörterung Faum geftreift, nein, mit
bialeftifcßer ©efeßief ließ Feit mürbe, foroeit ber 3 ritungsbericßt erfennen
läßt, ber Streitpunkt baßin oerfeßoben, als fteße nid)t bie BfagiftratS*
oorlage zur Berßanblung, foitberit als gelte es, bie prio'ate Sin*
fießt beS Stabtoerorbneten Sombart, bes §auptocrtßcibigerS ber
Btagiftratsuorlagc in ber Berfamtnlnug, 31 t Salle zu bringen. $crt
Sombart hatte, oon ben genannten ©rüttben abgefeßen, mit Becßt
betont, baß ber [acßUd) nießt begrünbete BMberfprucß ber beiben
genannten faufmännifdjen Mörperfeßafteit liicßts bemeife, ba fie ganz
ober ßauptfädjlid) ans EßefS beftäuben, bie nießt fo fadjoerftänbig
feien, mie bie £>anbliingSgeßülfeii felbft. bie, mic 3 . B. biejenigen
beS großen leipziger* BcroinS, fieß für ben BerficßerungSzmdng
aitsfpräcßett. X)aS ^ufammenfeiu mit ben fonft in Faufmdnnifdjen
©efcßäften augeftellteu Seuteu in einer Maffe merbe ben jungen
Maufleuten 3 uträglid) fein, bamit fid) bie Mlaffeuoorurtheile oer*
flüdjtigeit. X)ie ganze fo^iale ©efeßgebutig beruße auf 3 ra ang,
1111 b ber merbe aueß für bie jungen Stauf lente [eßr ßeilfam fein.
Senn ftubirte Ingenieure mit ©eßältcrn unter 2000 , tf in Tvabrif^
betrieben oßne BJurreu ben 3u)angSfaffeu angehörten, fo fönnten
es junge Maufleute aud), bie zumeift bod) nur baS Einjährig*
>vreimiliigcu=Ejamen gemadjt hätten. 2)ie jungen Mauflente bezögen
tßeilmeife nur 75 ,1(, Seiber fanben biefe guten ©riiitbe taube
C-ßren bei ber Bteßrheit.
SHiScefleti z«r Mrrtttfcnöerfidicntitfl. Xie freie Bereinigung habt f die v
Crtcf^ Betriebs* unb l onnuugS*Mranfcnfaiieu Deid'jloß auf iljrer öleueral*
uerfnmmlung 311 Babcn*Baben Eubc Sftobcr, an bic babifdie Regierung
megeu ber Berfcbiebenartigfcit ber ?lusleguiigeu bes.vtraufeuüernd)errjngs=
C'iefeßes bas Erhüben 311 ruhten, fie möge bei ber 9 tcid)sregicrung bie
Erriditung eines Beiriisamtes als Ijödcfteit ('Jeridjtsljofes für bie
aus bem Mraufouücr]id)cruugs=<'>efebe eutftelieuben Xtreitigteiteu be*
antrageu. Xcr Borftaub ber Berfidierungsauftalt Baben erf[arte
Zug leid) b i e 'H11 s b e l) u u u g b e r 11 n t e r ft ii ß 11111| # p fl t di i 0 0 it I :> a u f
2ii Soeben für nüinfihencmertl) im 'Mnldjlitf; au bie neue Beftiiimtuug
ber Beifieüerungsnoucde, mouaefi bie oiioalibeurcute bereits nadi i
2U Bnuheu ?lrbeitsunfnliigfeit aus bezahlt merbcir fall. - - Xie Eciitrg--
lifiruug ber £ rtstranfeutaffen Berlins ift am Biiberfpritdie 1
einer größeren 3^ßl leiftungsfäßigcr Maffen gefeßeitert. Xie 3 ur Be*
ralfjung biefer ^ragc eingefeßte Mommiffion fpraeß fieß aber gnmbfäßlidj
für bic 3 u f atn mcnleguiifl aus. Ein ?lgitatious!oniite mitt bie ^lugc*
legenheit mciter betreiben.
Sranfett* unb Unfadoerftc^c rung in ber Scßtteiz» S^acßbem bie
eibgenöffifeßen 9tätßc bie Borlagen in ber gegenroärtigen Sefhon
materiell zu Enbe beratßen ßaben, erübrigt noeß bie rebaftionelle
Bereinigung bureß bie aus Biitgliebern beiber 9tätße befteßenbe
SRebaftionSfommiffion. Seßtere mirb ben bereinigten Xejt in ber
©ezeuiberfeffion oorlegeit unb zroar foflen alle Borlagen ein
einziges ©efeß bilben unter bem Xitel „Bunbesgefeß, betrcffciib bie
Mranfen* unb llnfalloerficßerung mit Eirtfcßlnß ber Biilitäroerficßc*
ritttg". X)ann ßaben beibe Sflätße bic ©cneralabftimmung über
biefes ©efeß oorzuneßiiten, fo baß bie ^ßublifation im „BunbeS*
blatt" Btitte Dezember erfolgen fönnte unb bann bie breimoitat*
ließe 9teferenbumSfrift beginnen mürbe. X)ie BoIfSabftimmung
fönnte, fo bemerft ber Berner „Buub", Enbe 2lpril ftattfinben,
meint bie erforbcrlicßen 30 000 Unterfcßriften zufautmeitfommen.
MlotjnungsttJffni.
X)ie BtahtmttgSnoth ttt ^ranffart a/Bf* mtb baS Borgeßen bes
tJraitffurter BfietßerPeretnS.
granffurt a/3Ä. befißt eine Beiße alter Stabttßeile, betten cS
in ßoßetn ©rabe att ßießt nnb Suft fehlt ttttb bereit B5oßitungS*
oerßältniffc überaus fd)lccßt finb. X)er Aufgabe, biefe Berßältntffe
gebiißrenb aufzuberfen nnb eine Bewegung 31 t ©unflott einer Be*
form berfelben fomie ber frankfurter SöoßunitgSoerßältniffc über*
ßaupt einzuleiten, ßat fid) jeßt ber 5 ranffitrtcr Bcietßeroereitt unter*
Zogen. Qm oergattgenen .f)erbft nttb BSiitter ßat er 215 ber
fd)lecßte)ten BJoßnungcn ber Stabt, bie ganz oormiegenb in ben
crmäßnteit alten Stabttßeilen liegen, genau nadß einem forgfältig
angelegten Fragebogen uttterfueßen utto auSmcffett taffen. Xte Er*
gebniffe fomie bie Daran geknüpften Forbcrungett für bic Beform
ber Franffurtcr B^oßitungsoerßältniffe überhaupt, finb knrglidß in
einer 54 Seiten ftarfen Brofcßüre, betitelt „X>aS B:oßnungSelenb
unb feine Slbßülfe in FrflttFfurt aßl“, erfd)iencit.*) Waffen mir
ben fecßflen 3lbfcßititt ber Brofcßüre, „3ufammenfaffung ber bis*
ßerigeit Ergcbuiffe\ felber rebett. Es ßeißt ba:
„Es banbeit fid) insgefammt um 215, faft bunßmcg in alten
•vmuferit gelegene 'JBoßmmgcn, ooit beucn fieß 18 U in ber tttnent 3 tabt,
namenüid] Sütftabt unb bem tnneni Sadifcnßaufen, bagegen nur 25 in
?Üt=Bornl)eim unb 4 in ber ©cniarfuug befiitben. Xie 3 ^ßl bei* Be*
mobiler beträgt 1<>70, oon betten 55S Eruuußfene uitb 518 Älttber finb.
Batiirltcß iibermiegen bei ben Mmtsliaüuugsuorftänben bie Xagelößner
u. bergt./ aber ein Xrittcf unb uiclleidjt nodj meßr finb bod) gelcnttc
Arbeiter. Xie .v>auptiibelftänbe, mcldjc bie B>ol)uimgen aufmetfen, fmb
einmal eine litigebeure lleberfülhmg, mtb 311111 nnbern fdjmere bngientfeße
Mängel ber Bidbmmgcii an ftd); cublicß bie ßoßm Btictbpreifr. Bur
09 oon ben 215 Biolmmigen beließen aus 3 unb meßr Bäumen/ ein*
feßließlid) ber Miidjeu, mir in ben in, meldic aus 4 unb 5 Bäumen
beftebeu, fniitcn auf einen Baum burdifdjtiittlid) meniger als 2 Bcmoßner;
in ben 54 Eiiiraummobmittgeu kanten fogar naßez» 4 Bcmofmcr auf
ben Bautu. '\it jmet Xrittelu ber Fälle bient ber 311111 Sd)lafeu bemtßte
Baum noiß 311 einem au bereit •Eaitptzmecfe, barunter 45 mal 3itgleid) als
Biofmvaitnt itnb .Uüdie unb 5 meiterr 70t ale außer 311 biefe» beiben
3 merfeit and) nod) z» gemerblicßcr Bemtßimg. F» Bezug auf ben
Luftraum pro ^erfon in ber ganzen B>oßnuug finb gcnügrnb nur
20 Bioßuimgen, allenfalls nod) erträglid) meitere 27 ; alle übrigen mit
sl °/o bei* gefammten 'Bcmoßitcrfdjaft bieten oöllig iiitgenügciibe 2uft*
raumuerljälluifie. Xaruutcr finb 9 BJolmuiigeu mit 54 s ßerfoncit, meldje
ihren Fnfai)en fogar per Mopf nidjt ciuntaf 5 ehm £uft bieten. Ebenfo
fd)led)t ober nod) fdilediter fiebt es bei ben Sdjlafräuincti aus: 80%
oon ibitcu hielten fid) unter bem lingieitifdieu Bfitibeftmaß an Luftraum
pro ^crfoit, in 55 oon ihnen mit 95 Erioadjfetien unb 163 Zttttbern
mnren fogar pro .stopf uidit einmal 5 cbm oorhaubcu. Unb habet be*
! ftchcit bie Bemoßner biefer fo überfüllten Biohmingcn nodj utd)t einmal
aiisfrijließlid) aus Familieumitgliebern. ln ber 92 Fmciraumiooßmntgett
1 unb faft bie Hälfte ber BJobnungeu mit brei unb mehr Bäumen be*
herbergt außer ber Familie bes .Eausbaltiiugsoorftaubes nod) Mitunter*
1 mieter uub Xdilafleute, nttb es ftellt fid) babei heraus, baß bie hier in
j Fvaitffurt geltenbc Bolizeioerorbniiug über bas Xdilaffiefleitioefen großen*
theils 11 id)t biirdjgefübrt ift.
('leben mir nun über z» ben Biängelu ber B^obniiitgeii an fid),
| abgefelieu oon ber lleberfüllnng. Ein Xrittel ber Bäume ift uugciiügeub
I beleuchtet, über bie .'ballte feucht ober baufällig ober betbeS zufamineu;
1 ganz fdiledjt finb bie Bbtrittsoerbältuifie. F» mehr als :? ,4 ber B?oh=
niingeu finb mehr als zmei B^rteieu auf einen Abtritt angeioiefen unb
in einer Beibe einzelner Falle fteigevt fid) bie ;|ahl ber einen mtb ben*
) ;\n beziehen gegen 5 n F 00m Fra 11 tfurler Btietberoerein, Franf*
Hirt a. Bi., Bene Feii 5 ; >.
153
Sogtale $rajt$. Eentralblatt für Sogialpoltttf. 9tr. 6.
154
fcC6en Abtritt Sefudjenben bis auf bie fdjier unglaublichen Wahlen oon
30, 50 uub 80 ^erfonen! — llnreinlidjfeit, Seritopfung, üble Ctfcrüd)e
oon ben Abtritten merben mehrfach gcmelbet, uitb im (langen faitn nicht
begmeifelt merben, baß biefe HbtrittSuerhälttiiffe eine fdjmere WefunbheitS*
gefabr hüben. ®atig ßhledjt fteht es audj in Segug auf bie Stebenräume.
fteUer nnb Soben mar nur in 39 gärten oorbanben, bagegen fetten
ntinbeftenS 70 Bohnungen — ein drittel ber ©efammtgahl — überhaupt
gar feinen Siebenraum. 9tn Bafdjfiichen fcTjlt es fo gut wie gang, unb
aud) befoitberc Trotfcnräumc fmb fe^r feiten. Weniger gu Klagen Ser*
anlaffung geben bie Gaffer* unb .freigungsoerhältniffe; ieboth fehlt e$
auch hier nicht au cingelnen 3Kängeln. 3n 13 fallen ift überhaupt
fein Bafferhahn im gangen £>aufe, auch nicht im ftofe, uub bie Defen
beigen öfter« fdjlecht ober rauchen.
3nt (Sangen geigen bie 215 Wohnungen, auch abgefchen uott ber
UeberfüHung, einen folchen (Srab hpgimifcher SKangelijaftigfeit, bah
getotß oiele ooit ihnen eigentlich für unbenufcbar, anberc erft nach
mefentlidjcn Umättberungen für braudjbar erflärt merben müßten, unb
vielleicht nicht eine eingige nicht roenigftens irgenbmie emftlich gu bean*
ftanben märe.
$iefc hPßicnifche JKangelhaftigfeit ^ängt gum Xheil gufammen mit
ber meitgebenben, rücfftchtSlofen 3ertheilung älterer größerer Bohnungen
in fleinere in biefen Vierteln. E« fteht feft, bah in ben alten Vierteln,
in melden bie unterfuditen 'Bohnungen liegen, in früheren oialiren eine
folche gertheilung meitgehettb ftattgefunben hat unb baß biefe 3er*
theilung erft feit einigen fahren einer gemtffen behörblidjen ftontroüe
unterworfen morben ift. So fmb Stäuntc, bie urfprünglidj gar nidjt
gur 3ertheilung ober menigften« uidjt gu ftamiliemooljmmgen beftimmt
waren, gu folchen gemacht morben, unb fo mirb man fid) namentlid)
auch bie (Sntftcl)ung beS entfebüdjen äflangcls an Abtritten unb Sieben*
räumen gu erflären hoben. TarauS geht aber aud) heroor, bah gerabe
biefer Mangel meit über ben ftreis ber oon'mtS unterfuchteu Bohnungen
hinaus oerbreitet fein bürftc.
Tiefe hpgienifchen SKangcl ftttb um fo fchlintnter, als tu ben
Bohnungen^eine großentljeilS ungcfuitbe Scoölfcrung hmift; in einer
Sleihe oou fällen laffen fid) bie ft rauf beiten in bireften 3 ,l fommeuhang
mit ben Bofjmingsmißftättben bringen ober fid; bod) menigftenS bie
gänglid;e Ungeeignetheit ber Bohnung gerabe itt biefeut $afle unb bei
biefen Reiben behaupten. Um baS Silb gu oeroollftänbigcn, muh nod)
ermähnt merben, bah nur ein Heiner Thetl ber BohnungSinljaber eine
mirflidjc Seßfjaftigfeit entmicfelt, ber gröbere bie Bohnung offenbar
fefjr häufig mecbfelt.
3u allen biefen Slfißftänben gefeden ftd) cnblich nodj gang ungemein
hohe SJliethpreife. Elcttbe Vödjer, bic tljcils gar nid;t, tijetl* l) öd) [teil«
oou ein ober gmei ^erfonett bemohnt roerbett füllten, foften oftmals
120, 150, 160, 180, ja 20o jl unb mehr. Sei ben Eiufommensocrl)äIt*
ttiffen ber ärmfteit Sdjid)t, um bie es ftd) in unferett Bohnungen hanbelt,
muh eine BodjenmiSgabe uott 3 JL für SWiethe fchott als eine fdjmere
Saft gelten, tlber felbft bie jämmerlichen Einraumwohnungen unfercr
Unterfuchung in ber Smtenftabt unb bem inucrnSadjfenhaufeu foften burd)*
fdjnittlich 168 JL bas 3al)r, bie 3weiraummof)nungcu fogar fchon 222 jl“
Sreilich barf man nicht oergeffen, baß es fid) tyzx eben um
bie befottberS auSgefud)tni, atterfcfjlechteften Bohnungen ber Stabt
hanbelt, unb barf biefe 3 u ftönbe baffer nicht oerallgemeinern;
immerhin hanbelt es fid) unt £>ittge, bie man in einer fo blühen*
ben unb glängenben Stabt nicht oermuthen foflte.
Sei ben im groeiten Xheite ber Schrift aufaefteUteu ^Reform*
forbernngen finb nur folche Baßregeln berüdfußtigt, bie ohne
BeitereS, ohne uorangchenbe Öefebesättbcrungen, oorgenomntett
merben fömten. Sott ber ^Regierung mirb bic Einrichtung einer
poligeilidjeit BohmmgSinfpeHton nach ^üffelborfer Sftufter oerlangt;
bie ^auptmünfehe aber richten fid) an bie Stabt. Es mirb oor*
gefchfagen, bah bic Stabt in beit inneren alten Stabttheilen burd)
Enteignung, nöthigenfadS burd) freihänbigen Slnfauf, bie fd)Ied)*
teften ©ebäubefomplejc erroerben unb burd) neue beffere (^ebäube
erfehett fofle, mähreno in anberen fällen bic einfache Serbefferuitg
ber ®ebäube genügen mürbe. 3nr Erleichterung beS SaueS billiger
Bohnungen in ben Sluhentheilen mirb bic Slbänbernng ber in
einigen Segiehungen adgu hohen Slttforberungeti ber Sauorbnuug
oerlangt unb namentlich bie Sefchaffuitg billigen SaulanbeS burch
Serpa^tung beS auSgebehnten ®runbbefi(jeS, ben bie Stabt unb
bie unter ihrem Einfluß fte|enben Stiftungen hoben. Beiter merben
geforbert, bie llnterftüfcnng oon gemeinnühigeit Saugefedfdjafteu,
oon Saugenofjenfchafteu unb eoentuell oon Unternehmern beim
Sau Heiner Bohnungen burch bie Stabt, Statiftif ber Ieerftehenbeit
Bohnungen unb ber Sautf)ätigfeit, Errichtung ftäbtifcher Sogir*
häufer, Eitttoicfelung beS ßofal* unb SorortoerfehrS unb nod) einige
2)inge oon geringerer Sebeutung. Sfuch ber prioaten Steform*
thätigfeit ift ein 5lbfchnitt geroibmet, unb es mirb barin befonbers
ber nrbeiterfchaft nahegelegt, fich ber Errichtung oon Saugenoffen*
fchaften gngutoenben.
$ie Slmegungeit, bie ber Jyranffurter SJtietheroerein mit feiner
Seröffentlichung gegeben hat, fallen für Jninffnrt in eine befotiberS 1
paffenbe 3^it. 2>er Sau Heiner Bohnungen ift fdjon feit geraumer ;
3eit mehr unb mehr ins Stoifen geraden, trobbent bie Seoölfe*
rung fehr fchneK mächft. Qk S)Uethpreife, ohnehin oon früher
her fchon fehr hoch, finb im Steigen, bie Slfteroermiethüng nimmt
gu, an Heiueit unb felbft fchon an mittleren Bohnungen herrfd)t
ein empfinblicher Stängel. SJtan fann biefe ^inge geioig theilroeife
auf bie fchon oft befprodjene Unfähigfeit beS prioaten Saugeroerbes
gurürfführeit, bem machfenben Sebürfnift, namentlich nach Heineit
Bohnungen, in 3 c üen fchneller SeoölferungSgunahme red)tgeitig gu
entfprechen. Slber eS fehlt auch nicht an befonberen llrfachen. $)ie
Sauorbnung für bie Slufjenftabt enthält, mic fchon oben ermähnt,
einige Seftiminungen, bie grnar gut gemeint finb, thatfäd)lid) aber
ber Erbauung Heiner Bohnungen fernere .^inberniffe bereiten,
ferner fpielen bie eigenthümlicben Sefthoerhältniffe beS SaulanbcS
in 5ran!furt mit. ®aS alte Spfteni beS einfad^en (^ehenlaffenS
auf bem SaulanbmarHe ift oon ber Stabt oerlaffen morben, aber
ber grunbfähliche llebergang gu bem neuen ber Serpachtung hat
noch nicht recht burchgefebt merben fönnen. Enblich mirb aud) be*
hauptet, ba& bie Agitation gegen ben Saufthminbel bie Saugelb*
fapitaliften, mit benen bie fehmadjen Sauunternehmer gu thun hatten
unb mit beren fmlfe hauptfächlich bie Käufer mit Heinen Boh*
uungeit gebaut mürben, abgefchrecft unb ihrem Eefchäfte abmenbig
gemacht habe.
Unter biefen llmftänben mirb man bem Erfolge ber oom Snuif*
furter Stietheroerein eingeleiteten Semegung mit Spannung ent*
gegeufehen bürfen. 3>er Serein hat feine Bünfche in Eingaben
an bie Regierung gu BieSbaben unb bie ftäbtifchen Sehörben unb
aufeerbem tn einer fiirglidj abgehaltenen öffentlichen Serfammlung
bargelegt, ^er eoangelifd)e Slrbeitcroerein, ber fatholifche Scanner*
oerem unb baS (^emerffdjaftsfartett haben fid) ben Eingaben theilS
oollftänbig, theilS menigftenS theilmeife angefchloffen, fo baß eS fid)
um eine Semegung fo gicmlich ber gefantmten ärmeren klaffen
hanbelt. Sluch in ber eigentlid)en Sürgerfd^aft hat bie Enthüllung
eines berartigen, both nicht oerniutheten ElenbeS einen geroiffeit
Einbrucf ergielt. Son ben Urhebern unb Leitern ber gangen Se*
roeguna mirb ernfthaft ermogen, auf baugenoffenfchaftlichem Bege
in größerem Stile oorgugeben. ®agu ftehen bie Stabtoerorbneten*
mahlen oor ber 2:hüre, bei benen biesntal bie Bohnungsfrage
ftcher eine Slolle fpielen mirb. hoffen mir nach aHebent, baß J^ranf*
furt in biefer Segiehung an einem Benbepunfte gum Sefferen fteht!
Aranffurt a. 9)?. oonBangolbt.
* *
*
$>aS Sorgehen beS SHethcroereiuS fam in ber Stabtoerorbneten*
oerfammlung gu Sranffurt a/B. am 1. $ooember gur Sprad^e.
Dr. SHößler, ber bas Unternehmen beS BietheroereinS als fehr
banfenSmerth begeid)nete, beantragte, ben Stagiftrat aufguforbern,
eine Statiftif ber leerftcßenben unb im Sau begriffenen Heinen
Bohnungen anuufteflen unb eine ftäbtifche BohnungSinfpeftion gu
errieten. Dr. Eeigcr bagegen fd)Iug oor, ben Stagiftrat gu er*
fuchen, „balbmöglidjft Sorlage gu machen über bie oon il)m be*
abfuhtigten Maßregeln gur Sefeitigung ber oielfad) behaupteten
BohnungSnotf) für bie unbemittelten ftlaffen". tiefer leßtere 2ln*
trag fanb nach Streichung ber Borte „vielfad) behaupteten" fajt
einfthnmige Einnahme. ?luf bie ?lufforberung, bie Stabt möge
felbft Bohnungen bauen ober ftäbtifche (Selber bafür oermenbeit,
hatte Dberbürgcrmeifter Dr. Slbicfes ermibert, bann mürbe eine un*
geheuere Zähmung ber ^rioatthätigfeit eintreten, auch föitne bei
bem großen 3 U 3 U Ö C bie Stabt bem Sebiirfniffe nicht genügen, es
müßten Sebingungen geraffen merben, bie baS Sntereffe ber
ft'apitaliften unb Unternehmer meeften. Eine ^auptforge fei bie
Sefhaffung beS nöthigen (MänbeS, ber s J)tagiftrat toenbe fein
Wugenmerf feit fahren biefer Jrage gu. Es merbe halb eine Sor*
läge für ben Sau neuer Bohnungen für ftäbtifche ?lngeftetlte unb
Arbeiter fommen.
Staatlicher BohnuugSbau itt Preußen. Bie oerlauiet, merben
auch in ben nädjften prenßifchcn Etat erhöhte Mittel gum Sau
oon Bohnungen für llnterbeamte unb Arbeiter, meldje ftänbig in
Staatsanftalten befdjäftigt ftttb, eingestellt merben. Sefaitntlid)
fehlen berartige foften im Etat feit mehreren fahren nicht.
$riuate Bo^ttitttflSetuptcte in SRfimhctt. ^'adjbnn ba\? Wcmcinbc*
follegium in SKititdieu leiber bie oout i9(agiftrat am* Anregung limuu*
ragrnbrr .'ongiciiifcr bcfdjloffcnc [täbtifdjc cympicte über bac> Bol)iiuniVö=
mcfeit abgclclmt bat, null ber fatbolifdic 'HrbcitenuTciu au biefe
ocrbtenfllidjc Aufgabe berautveten. Xer Sefretär ber fatholifdieu orga*
nifirtcii ^(rbcitcrfdiaft oerfenbet Fragebogen gu biefeut 3 ,li etf, ber über
bie Sefdiaffenbeit uub beu AVietbpreio ber Bohnungen in 2lrbeiteroierteIn
'Mui'fuuft erboleu foll; aud) mill mau ucrfudieu gu ermitteln, in melefiem
Scrljältuin bas? (iinfomtneu gu beu Bolmuugopreiien fteljt. Ta« Er-
Soziale $TajtS. Eentralblatt für ©ojialpolitir. 9h. 6.
1 5(Z
155
gcbuiß wirb befannt gegeben, 3» einer öffeiitlirficu Berfammluug
würbe Stimmung für baS Unternehmen gemacht. Ter Mangel nn
flctncu itnb billigen 48ol)nuugeii in Wüncbctt wirb ueuerbings viel
bcllagt; es wirb behauptet, in ber Begcl gebe ein Trittei bes Eilt*
fommeus ber Arbeiter für 4Bohmuigsmtctl)c auf.
Stabetipreife in Karlsruhe. llnfere Kenniniß ber t'fjatfädjlidjcn
greife be3 Baulanbcs in unferen 'Stabten tft nod) fc(ji* gering;
iebe Aufflärung barüber ift beeljalb freubig zu begrüßen. 3 m
Statiftifcfjcn Söbresberidjte Nr. 7 für 1897 ber Stabt Karlsruhe
finbet fid) eine au^fufjrlidje Tabelle über ben Umfaß unbebauter
©runbftücfe in Karlsruhe im 3af)re 1897. Tanad) mürben befahlt
int Turcbfdjuitt pro Cuabratmeter: in ber Dftftabt 5 /7(So //, in ber
Siibftabt 22 ,i 0 J(, im Stabtgartenuiertcl 4,o 4 in ber Sübmeft*
ftabt 8,11 c U, in 3Rül)Iburg 7 , n7 <//, im neuen £>arbtwalbftabt*
t^eil 4,42 <M, im alten gmrbtmalbftabttljeil 86,70 <///, int Stabttfjeil
weltlich ber Karl _3ricbritf)ftraße 160,so c /1t, im Stabttbeil öftlid)
ber Karl öricbrichftraße 85 , 42 * 7/ Tie beiben leßtangeführteu greife
beziehen ftd) aflerbingS auf zu fleine Terrains, um als Urteils*
grunblagc 511 bienen. — Tie aitberen greife überrafdjen im allge*
meinen burch ifyre Niebrigfeit unb bemeifen, baß es immer nod)
in ber Näße ber Stabte, tninbeftenS ber mittleren, billiges (Mänbe
giebt. AnbercrfeitS mirb es fid) mobl bei biefeit Berfäufen zunt
großen Tßcilc nicht um baureifes Ranb bunbeln, fonbern um ziem*
lieb meit abgelegenes, baS gunädjft nur zu SpefulatiouSsmccfeu
mngefeßt mürbe. Tie einzelnen angeführten Stabtthcile djarafteri*
firen ftdß in folgenber Bkifc: Dftftabt: befferer Biirgerftaub: 6 iib*
ftabt: mittlerer 93ürgerftanb unb Arbeiter; StaMgartenoiertel:
SKietbbäufer in Biffenftil; Sübmeftfiabt: Kleinbürger unb Arbeiter;
Ml)Iburg: beffere Borftabt; neuer |)arbtroalbiiabttl)eil: Billen*
oiertel; alter ^arbtmalbftabttl)eil: feinfte ©of)ugegenb: Stabttbeil
meftlid) ber Karl griebrichftraße: befferer Tßeii ber Qnnenftabt;
Stabttbeil öftlicb &er ^‘öri Öriebrichftraße: fcf)lecbtercr Tbeil ber
ounenftabt.
Tie SöufjiitiiiaSiioih iw Bonbon b^t in bem lebten 3abrzebnt
bnreb baS ibatfräftige unb nmfaffeitbe Eingreifen bes öiraffcbafts*
ratbcS eine wefcntliche Befferung erfahren. OHcicbmof)! erachtet
ber 3BobnungSauS[d)tiß biefer Körpcrfdjaft es für uucrläßlid), nod)
mehr 311 tbun. Bis jefct bat ber ®raf|d)aftSratb nur Btabmtngen
3 ur Unterfunft für folcbe Reute gebaut, bie rcegen ber Räumung
ungefunber Tiftrifte ober ber Ausführung oon Babeffernugen aus
ihrer Bebaufung entfernt merben mußten. Bkiter ging bie Be*
fd)affuug oon Btabuungcn nicht. 3eßt fd)lug ber SluSfrfjuB auf
©runb oon Tbeil III ber Housing of the Poor-Act oor, auf billig
erworbenen Räubereien an ber Peripherie ber SRiefenftabt eine Bau*
thätigfeit im ©roßen z u entfalten, um bie Bewohner ber über*
polierten 3nuenftabt bmanS^u^icben. Tie Oberbeamten beS ©rar*
fthaftSratheS aber äußerten Gebeuten; ber Archileft bezweifelte bie
^Rentabilität bes planes, ber Arzt befürchtete baoou ein fo ftarfeS
Nadjlajfen ber prioatbautbätigfeit, baß ber ©raffdiaftSratl) bem
Bebürfniffe nicht genügen fönne; oon anberer Seite nutrbe betont,
KÖ* frfjon in ben 3?orftäbteu oiel gebaut werbe, bafo aber in
ben inneren iöejirfeu, mo oiele Arbeiter ihrer 33efd)äftiguug megeu
wohnen wollen ober muffen, ein Stocfeu im 33auen eingetreteu ift.
Ter Ausfchub beharrt aber auf feinem plan unb empfiehlt beut*
zufolge bem ©raffcbaftSratlj, Raub jn laufen, mo fid) ba,}u ('»K'*
legen beit bietet, unb ju bauen, fo lauge fid) feine üBerluftc ergeben.
(Eriieljutig mtb ßUbiutg.
SBolfSthiimltrhe ^»or^fc^ttrfurfe in Berlin. Unter fr In* gvonein ^lu-
brang mürbe am 1. Aouembev in Berlin ber erite Atuvfits? ber oolfo*
tbümlidienf>od)fd)uIfurfe mit 'Borträgenprof.Sdmmller? über bie.v>anbeU'=
politif brr wichtigeren .'inltnrftaaten int 1*. unb in. oalubnnbert er=
öffnet, on ber Einleitung äußerte Sdjmollcr feine Aniidjt über bie
Aufgaben unb 3iele ber 'Bolfediodifdiulbeweguiig: 'IBcnn einzelne Vebrer
her 'berliner Uuioerfitäteu fid; eutfdiloffeu bätten, min'euidmftlidie Kurfe
für Aiditftubireube abgtljaltcu, fo werbe bamit au unb für tidi uiebtv
AeueC’ gefdjaffen. 011 'Berlin fei mau fdion feit onbigelmteii beftrebt,
bie Aefultate miffenidjaftlidjer Aoridjung in bie weitefreu .streife ,}ii tragen.
Tie Aufgabe fei aber eine enorm fdiwierige. Bieiiu jeßt ein neuer 'Bcr=
lud) gemadit werbe, fo hoffe man burdi bie babei angewaitbte ‘.Aetbobe
bie Sduoierigfeit leidjter ,^u überwiubeu. Es fei bcabfiditigt, in einer
Aeihc ( yifaiumcnl)äugeuber 'Borträge ein begrenztes (Gebiet fo crfdiöpfeub
wie möglid) barzuftelleu. Aufjerbent foll, mit zu»ifdieu ben Möreru unb
beut Aebncr einen Aapport herzuftelleu, au bie'Boiträge eine Tivfnffion
ftd) aufdjließcti. ^ And) iolle in biefen 'Borträgeu nidit auf ftreitige
iuiffcnfd)aftlid)e Aragett eiugegaugeu werben, fonbern es fodeu nur bie
feftftebenbcn Aefultate ber ^iffeufdiaft behanbelt werben. Soweit irgeub
möglid), follc babei jebes Eingehen auf politifdie, fokale ober religiofe
parteiibeale ftreug oermieben werben. rs)egenüDer bem Vorwurf, baß
berartige Wurfe eine £>albbilbung itnb itnbered)tigten Timfel erzeugen
tonnten, bemerfte er, baß bei einzelnen ^ubtuibueti Terartiges wohl
cintreteit fönne, in Summa fei bas aber nicht zu befürchten. Uebrigeus
feien bas eben Dieselben 'Borwürfe, bie mau früher ber 'Bolfsfdjulr,
fpäter bann ben fvortbilbungss unb Aadjfdwleu gentadjt habe. o,n
einem Staate ber allgemeinen '28ef)r= unb SdmlpflidU itnb bes allge*
meinen 'iBahlrcd)ts gäbe es feine bnitglid)cre Aufgabe, als bas elcmeu=
tare 'Bilbintgsbebürfniß bei* weiten Waffen z u erfüllen. Eben biefcs
elementare 'Bilbungsbebürftiiß fei oirllcirfjt eines ber hrrrlidiftni Acfultatc
nuferer .stultur unb ein hcroorftedicnber Eharafterzug bes beutfeben
'Bolfes, für bas wiffcttfdmftlidic fvortbilbung gernbezu ein Vfcbensbebürf»
11 iß bis in bie unterften 'Bolfsflaffen hinein fei. Tie fojialc ©efafjr bc=
ftelje nid)t io fein* tu bei* 'Bermögensungleidihcit, als oiclittehr in ber
Wluft ber OH'baitfen, 'Borftelltmgeit unb ^bcalc. Soziale pflidjt fei es,
biefen geiftigett Aiß z» überbrüefen, unb biefer Pflicht follten eben bie
oolfstl)ümlid)en Wurfe genügen.
Aföbcuüfd}e Äbenbfurfe tu i. 8. Wit 'Beginn bcS ÄSiutcr*
femciters hoben mehrere profefforen ber Unioerfität Jrciburg beit Berfndj
grmad)t, afabeuttfdje Abeitbfurfc abzuhalten, bie in erfter Beiße
für bie Angeftellten tut Waufmaitnsftaube beftimmt waren. Tie ;Zal)l ber
Tbeiluchmcr, zu beucu and) (s)cwcrbetrcibcube, fowte Angehörige anberer
Berufs* mtb hiefellfdtaftsflaffeu, iusbefonbere aus beit Streifen ber mitt=
Irren Beamten unb and) grauen zählen, hat alle Erwartungen über*
j troffen unb nahezu ‘250 erreicht, prof. Dr. Audjs (Aatioitalöfouom) gab
| in feiner Begrüßungsanfpradtr am erfteu Borlcfungsabcub ber A-renbc
! Ausbrurf über bie z a hlrcid)e Betheiligung; er hoffe, baß fid) eine
bauernbe Einrichtung herausbilben möge, bie bazu führt, ein enges
Baub zoüfdjen Unioerfität mtb Biirgerfdjnft z n fnüpfett. Ter erfte
W'ui'fus umfaßt bie Einführung tu bas Bürgcrlidje Wefeßbud) (prof.
Bümeltti). Als weitere, jeweils ad)t Abeubftnnben umfaffciibc^ Wurfe
folgen: 2. Einführung in bie Boifsmirthfdjaftslefjre (prof. Aitchs);
| 8. bie wtchtigftcu Neuerungen bes neuen .öanbelsgefeßluidjcS (prof.
| Bofin); 4. ^aubelsgeograpbie (prof. Aeuiuaun). TaS Honorar beträgt
I für alle oicr Wurfe 20 für bie Witglieber ber faufmänntfdjeu unb
I gewerblidjeu Beretue 15 Unbemittelten wirb ber Befud) unentgelt*
! iid) gewährt. Sdion oor einigen 2emeftent finb, wie man uns
fdjreibt, gemiffc itt btc Abeubfmuben oerlegte Borleßtugett an ber lliti*
uerfität weiteren Streifen zugniiglid) gemadjt worben; narnentlid) h fl t bie
oon einem Nationalöfonomeu feiner 3rit behaubeite Arbeiterfrage
bei ber intelligenteren Arbeiterfdjaft lebhaftes ^utereffe ermeeft. Aud)
anbere frühere" Berfudje, ftrebfame Arbeiter auf befonberen 9Bitnfd)
ncnnrntltdi ait bcu nattonalöfouomifdien Borlefuitgeit 3heil nehmen z»
taffen, haben Erfolg gehabt, aüi* nufere bie neue Aufgaben auf
I foztalcm (Gebiete zu löfert hat, wirb es immer mehr Bebürfutß werben,
1 Reute mit praftifdieit Erfahnuigcn, intelligente Ücute aus bei* Arbeiter*
| flaffc auf gemiffc pofteu z» ftelleu; cs fei liier u. A. au bie ölefdjäfts*
; fiihrev bei beit Ausfuuftsftellen in Arbcitevaitgelegcnl)eitcn, au bie Ar*
beiterfefretariate, ferner an bie Brrmcbntug ber Beamten für btc Aabrtf*
infpcftioit :c. erinnert. Cffne Weiteres werben fclbft bie höher ftrljeubcu
Arbeiter wohl nid)t hierzu oerwenbet werben föuncu. Es wirb oiel*
: mehr immer nod) bie Einholung, gewiffer theoretifdier Wemttniffc er*
! forberlich fein, wcldjc bie lluiuerfitatsausbehmmg für bie genannten
| Wreife am heften zu bieten vermag. Bon biefem (^efichtspuufte aus tft
; bie Bewegung, bie vor ao breit fdion fo erfolgreich in Euglaub ciufcßte
j unb itad) unb uad) ihre Stellen and) itad) Teutfdilanb trägt, freubig z«
I begrüßen.
BolfSbibliotljefen mib SoIfSlefchöHeit. Tic Bewegung für bie
mobcrncit 'Bolfslefe* unb Biidjerhalleu wirb immer nod) in ber .fraupt*
fadie oon Bcrctneu unb Privatleuten getragen, währenb bie Bolfs*
bibliothefen tit ben größeren Ttäbten weuigftdis itt Anfttüpfmtg au bie
| Bolfsfdiuleu redjt vielfad) von brr Ttabt unterhalten werben. Tie
i größte unter ben neueren (rtrüubungeu ift bie eines politifdicn Bei*
gejdimncfs nidit entüchrciibe Waifcr '48ilheim = BibIiotlief, bie tu
| pofen zur Unterftüpung bcS Teutfdithums gcfd)affen würbe, ^ugleid)
i wirb bcabfidjtigt, btc «diäßc biefer Bibliothef wie aller großen öffeitt*
lidjen Bibliothefen, iusbefonbere ber ftaatlidjcu Büdjcreicn, mögiid)ft
1 weiten Streifen burdi Anfügung von großen Rcfcfälen :c. zugättglidi zu
madien. Eine tleberfidit über bie Bolfslcichallen in Teutfdilanb giebt
1 ein Artifel im „Hamburger Arembeublatt", T. A. unterzeidinct. Er
ftcllt feft, baß nod) vor fünf fahren, bis zum I. oanuar isim, cs nur
| ein einziges freies öffentlidjes Refe.ziiinner in Teutfdilanb gab mtb zwar
in bem fleinen lieffifrf)cn 3täbtd)eit A-riebberg, bann eröffuctc bie babifdjc
Ttabt Pforzheim eins, bann bie (')efeilfdniit für ethifdje Wultur eine
Vefebaüe tu Aieiburg i. Br. im Wai 1M»8, im Cftobcr bes folgenbcu
wahres eine in A-ranffurt a. W. unb am 1. Januar 1 S U5 eine tu Berlin.
Es gab bmnals bis .üerbft ls!)5 in Teutfdilanb fünf öffeutlidic Befc*
halten. Tann beginnt aber eine fdinellere Zunahme: es folgen 1HV5
nod) AVainz, Wannheim, ^djweibnip, 48 i es haben; ism: bereits z r bn
neue: Ulm, Tiiifelborf, vom Bilbungsuercin, Eifenad), Berlin, ftäbtifd),
3ena, Wötiigsberg, Tiiffelborf, ftäbtifd), 3tnttgart=£Tftheim, Leipzig»
, 8inbenau, Bromberg; wieber z^'hu: Neufalz a. C., Tarmftabt,
('H-eifstvalb, Wattowig £.= 3., Stuttgart, Erfurt, .öamburg=Eimsbüttel,
Wollt, Bonn, Erlangen: in ben erfreu Wo na teil bes laufen ben Jahres:
Ebarlottenbnrg, 48ii|iegiersborf, iarnowiß, ('fotha, Nürnberg, Wöitigs*
liiitte, Berlin*Norb, fiäbtifdi; in Bresben würbe, mtb zwar tu ber (>U^
fdiäflsfiellc bes ,,'Bcrcins Bolfswohl", oor einigen fahren eine offenU
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Sogiale PrajiS. Sentralblati für SogialpolUiF. Ar. 6.
lid)C Öcfeftaüc errichtet. Alfo 87 freie uitb öffentliche VcfehnUcn giebt
ei? heute in Teutfdjlanb, eine meliere mirb itädßtcns in (liefern eröffnet,
eine in Preslau nnb uier meiterc in Perlitt, mo es 27 ftnbtifdje Polfs*
bibliothefcn giebt, finb bereite non ben ftäbtifcbcu Pebörben befd) [offen
ober in Ausfi d)t genommen. Berlin haben bic Polen unternommen,
eine polnifdje Poifsbibliotbef gu errichten. — gu Petersburg ift eine
Polfslefchallc im großen Stil oon grau P>jera pou Temaies aus eigenen
PUtteln crridjtet. Tas bafitr errichtete (Hebäubc enthält einen «aal,
ber gegen 600 perfoitett fafet nnb als üiefefaal fomie als Aubitorium
bei gu oeranftaltenben unentgeltlichen Porlefungett bienen mirb. dufter*
bent enthält bas £auS bie reichhaltige PibUothcf, gehn Ptufifgimmer,
uoit betten jebcs einen fdjöneit neuen glngcl enthält nnb als UcbmtgS*
raunt für ntittcllofe Sd)itler unb Schülerinnen bes Slonfcroatoriums uitb
ber SOiti ftffchuleit beftimmt ift, fomie im britten Stocf eine ^eidjeii* unb
P?alfdjule. TaS gange (Hebäube ift elettrifch beleuchtet. Sämmtliche
^fiiftaltcn' finb beit Pefud)cru oöüig unentgeltlich Jur Verfügung geftellt.
$ä(f$fd)tt(e für frfföieihb«®abte ftinber in Pofeit. Tie und) bem
Pcufter oon PrcSlau, Praunfdjmeig, HHagbeburg unb iiiibecf in Pofen
am 10 . Auguft p. g. mit 10 ftnaben unb 0 P?äbd)en eröffnete .friilfs*
fchule für fdjmadjbegabte AHnber hat nach bem Permaltungsbericht ber
«tabt für 18H7/98 gute Erfolge aufsumeifeit, fo baß nunmehr ait bic
Einridttung auffteigenber Wlaffeit gegangen ift. Tie Sdjule bilbet einen
felbftftänbigen Organismus unb unterfdjeibet fid) baburd) oon ben bloßen
.^ülfsflaffctt Berlins unb anberer Stäbte.
Unregelmäßiger Söefw# ber Elemeutarfchitlcn in Bonbon* Aus
Englanb mirb uns gefd)rieben: Die |)infälligFeit oon Parlaments*
befdjlüffen bei bem Mangel eines thatFräftigen PerroaltungSapparatS
unb einer roirffamen öffentlichen Meinung mirb mieber einmal recht
ins £id)t geftellt burd) Peröffentlitf)unaen beS Oouöotter €d)ul*
amteS in Pegug auf baS ÖunFtioniren oer Porfdjriften über ben
obligatorifchen ^öefuch in ben Elementarfchulen. Daitad) fcheint es,
baß pon ben 754 000 Sftnbern, bie in amtlichen nnb freiroilligen
Elementarfchulen eingcfchrieben finb, 145 000 $inber, ein fünftel,
beftänbig fehlen, unb baß non ben fehlenbett 100 000 nahezu immer
biefclben finb. Dbroohl alfo bie große Mehrheit ber Eltern ihre
ttinber mit aroßer AeaelmäßigFeit gur Schule frf)icft unb obgleich
für uitoermeiobareS gehlen (roegen $ranFf)eit 2 c.) ein hoher Prozent*
faj gerechnet merbeit utuß, ift troßbent eine erßhrecfenb hohe 3 a ^
oon Eltern 31 t forglos unb nad)läffig, unfähig ober abgeneigt, bic
Potfheile be$ SchulbefutheS unb ber Schulgucht für ihre «ftinber 31 t
erfennen. Die Aad)Fommeu fold)er (Eltern finb cs, bie bereinft bie
0djaar ber Unftäten unb Unroijfeitben oermehren unb, toie bie
Statiftif betoeift, muthmaßlid) einen großen Theil beS fmtftigen
PerbredjerihumS {teilen, ©egen biefe Eltern muß man baher mit
3roangSmaßnahmen unb Strafen einfehreiten. Droßbem jeboch ein
großer Stab 001 t Pifitirenben im Aufträge bes Oonboner Schul*
amte* für bie Durchführung beS SchulgroangeS forgen foH unb
für biefen 3 roe( ^ etroa 50 000 Pfunb jährlich ausgegeben mirb,
oerfagt gerabe hier, mo eS am meifteit nothtbut, bas ©efeß hoff*
nungslos. ÜRur lartgfam fotnrnt bie öffentliche Meinung 311 einer
SSerurtheilung ber ©leichgültigFeit, bie Eltern in ber Pernad)läffigung
biefer ihrer Pflid)tett jeigen. Slber allgemein ift bic ?lufid)t, ba|
ein großer Dljeil ber SBerantroortlichieit für bie gegcnmärtigeit
3uftänbe auf bic 93ehörben beS £onboner Poli 3 eiaerid)tShofS fällt.
Sie genehmigen bie Strafoerfolgung unb führen Die Ünterfuchnng.
Unglücfliihenoeife fornmen bei ihnen aber bie anberen, gahllofeit
Sagatellfadjeu an erfter Stelle unb fo erlangen bie Schuloerfäutn*
ttiffe oft gar fein ©ehör. Die Praxis oerfchiebener ©erichtshöfe
ift ocrfchiebeti, aber fehr oft merben bie Sdjulfachen, rnenn üe
überhaupt oorgenommen merben, fehr gelinbe beurtheilt. Die für
Bonbon feftgefehte 53ube ift überbieS fehr niebrig unb ein 2Sater
fährt oft gait 3 gut babei, oon 3 e it gu 3fit 5 fh- Strafe 3 U 3 al)len unb
beftänbig fein £inb oon ber Schule fern 3 U halten, um feine?lrbeitsfraft
auS 3 unüben. 3n?^i Reformen finb bringenb uöthig: 1. bie 23efngnif;,
due thatfächlich abfehreefenb roirfeube ©elbftrafe 311 oerhängen; 2 . bie
(Sinfehung einer befonberen 53ehörbe unb bie Grridjtung eines eigenen
Gerichtshofes für bie Ausführung beS SchulbefuchgefeheS.
^reilcfehaffen ln ©nglaitb. Die Errichtung oon „Free Libra¬
ries“ macht in Englanb ftetige unb rafche gortfdjritte. Seitens
beS StabtrathS oon Eheltenham mirb nunmehr and) oerfucht, bie
SSerbreitung tedjnifcher Steuntniffe unb höherer gadjbilbung burch
bie gfreibibliothefen gu förbern. Der 3*°^ foE burdj eine popu*
lariprung ber oorhaubenen gadjliteratur erreicht merben, bergeftalt,
ba& alle 14 Tage eine AuSftellung ber auf einen beitinimten ^Bernf
ober 3 obuftrie 3 meig be 3 i'iglichen s Berfe ftattfinbe. ©Icichgeitig geben
Sad^oerftänbige bem Publifum Auffchluh über bie betreffenbe gad)*
Iiteratnr. Die erften S3erfitche in biefer Dichtung h a ^ en burd)*
flhlagenben Erfolg er 3 ielt.
Bcranliuorllifl) für bic dlcbaftion: Dr. Cm ft
Sojtalpolitifdjc iHagttitljutcit int Berhetjrswefca.
Eifeubahntarifreform in 6 (h toe ^ en * ^ or einem Qahre mürbe
in Schmeben ein ^omit 6 eingefefet, baS unter bem SSorftfc beS
früheren ©eneralbireftorS ber fdbmebifchen Staatsbahnen, Eronftebt,
einen oon Prof. Ehartier in ihmb ausgearbeiteten Elrunbrife für
bie allgemeinen SSorauSfefeungen einer umfaffenbeu SerfehrSreform
prüfen foHte. Das jefet feinem roefcntlid)en Inhalte nach vw*
iiegenbe ©utad)ten empfiehlt bie Einführung eines 3a» c ntarifs,
aHerbiugS ohne Anlehnung an baS gleichartige Vorgehen anberer
Staaten, inSbefoubere auch an ^ en ungarifd)en 3° ne ntarif,
ber für bic fd)mebifcheit SerfehrSoerhältniffe itid)t geeignet erfcheine.
$adb ben Porfchlägen beS $omit 6 S fott ber öernoerfehr burch
mefentliche §erabfe(jung ber bisherigen Sahrpreife begünftigt merben,
bod) audb im S^ah* unb Öofaloerfehr foüen biefe um etroa bie
$älfte ermäßigt merben. Alle SKücffahr*, Saifon* unb fonftigen
gabrfarten, mit benen befonbere Ermäßigungen oerbunben finb,
folleit mit Ausnahme ber bisherigen DionatSfarten aufgehoben
merben. £)ierburch miß man bem jefeigen gfahrFartenmirrroarr, ber
beFanntüch auch in Deutfd)lanb ben SBcrraaltungen mie bem publi*
Fum gleich befchmerlich ift, eine Enbe madjeu unb goglcith &i c 00 *
erechten S 3 eoor 3 ugungen befeitigen, bie ber jefcige Tarif gerabe
en bemittelteren Schichten beS reifenben PubiiFumS einräumt. Alfo
gan 3 roxe bei uns !
ßttcrarifdje 3k.ti|dgttt.
«djntüllcr, $uftau. Umriffe unb Unterfndjungen 3111 - Perfaffimgs*,
^cripaltungs*, unb 3Birthfd)aftSgefd»ichtc befotibers be$ prcuftifdieit
Staates im 17. unb 18. gahrfjunbert. öeip^ig 1898, Duncfer
Sc .^uinblot. 686 8 .
2Bas ber beriilimte (Helehrte hier einem mciteren Greife uorlegt,
finb, mie er felbft im ^ormorte fagt, hiftorifd)e Unter)uchungen, bic
aber ebenfo bie allgemeine Erfenntnib Port Staat unb Acd)t, SSoIfS*
mirthfehaft unb Eejeüfdiaft förbern, als bie Eutftehung unferer natio*
nalen guftitutionen erflären unb bas 3?erftäitbniß ber (HegcHmart
erleidjtern molleu. An ber Spipe fteht, gleidifam als 2eitmotip für bas
(Hange, eine Unterfud)ung über baS 3)?erfantilfi)ftem in feiner f>iftorifd>ett
üBebeutuug: ftäbtifchc, territoriale nnb ftaatlidie 3Birthfd)aftspotitif. Als
ergängenbes 'l?etfpict folgt ein Auffa<j über bie ^niibersfpcrre gmiftfjcn
©ranbeitburg nnb pomiiteru im gahre 1562. Tie folgenbeu Abhanb*
Inttgen über bic ^podjcti ber preitßifrfjen ginangpolitif bis 3111 * Eriinbung
beS Tcutfdjen AeidjS, bie Eutftehung bes preufjifdjen «öeereS pou 164i)
bis 1740 uitb beit beutfd)eit Peamtenftaat Pont 16—18. gahrhnnbert
geben in Umriffen bic mefentlidjen Elemente bes Staates. Tie Per*
jaffung bes .öanbmerfs, ben Ucbergattg jur $ausitibuftrie unb bie An*
Tätige ber (Hroßinbufirie in Preußen. fd)ilbem bie Anffäpe über baS
branbcitbitrgifd)*preu|jifd)e gnnungoiuefen pon 1640—L800, bie rnffifdje
.Hontpagitie in Perlin, bie preußifdje Seibeninbuftric im 18. gahr*
hunbert. Enblid) treten noch ans bem (Hebiete agrarifdier uitb hanbels*
politifdjer Stubien gmei Effaps über bie preußifdjc Eimoaubernng unb
iänbliche «olouifation bes 17. unb 18. gahrhuitberts unb über bic
Epodien ber (HctreibehanbelSoerfaffung unb »politif hingu. Tie innere
Einheit biefer Unterfudjungen erhebt fd)oit aus biefer Auüählung bes
Inhalts bes PucheS, einer mcrdiiollen Eabe bes ben §iftorifer uitb
ben Aationalöfonomeu aufs Eliidtichfte pereinenben Autors.
$ifce, Dr. g. Tie Arbeiterfrage unb bie Peftrebungeu gu ihrer Söfung.
Aebft Anlage: Tie Arbeiterfrage im 2id)tc ber Statifti!. 1898.
AIS Ptamiffript gebrueft. 3 U begiehett burch beit „PolfSoereiu für
baS !atl)olifd)C Teutfdjlanb" in 3)?. * CH labbad). 145 unb 46 S.
Ein änßerft nüblid)cs .^anbbuch für jeben Sogialpolitifer! Auf
ben perfdjiebeneu (Hcbieleit ber Arbeiterfrage (Arbeiterfchuh, Arbeiter*
oerfid)crung, .öebuug ber ScbeuShaltung) merben bie hiftorifdje Ent*
micfluttg, bic jebignt ^uftänbe, bie beftehenbe CHefepgebung, bie nötbigeu
Aeformen Furg aber crfdjöpfcnb bargelegt, fo baß matt fid) in biefent
Äompenbium rafd) unb praftifd) informiren fanti. Peigegeben finb in
überfichtlidKn Abfchuitteu bie Ergebitiffe ber PerufSgählung pon 1895,
fomeit fie fid) auf bie Arbeiterfrage begiehen, unb anbere ftatiftifdic
Piaterialien.
Pöbifer, Dr. phil. et jur. T. Tie Aeichs* Perfid)eruugsgefepgebung
(Staats* unb fogialmiffeiifdiaftlidie gorfdiungeu. .^crauSgcgcbeu
uoit (Huftau Sdmtoller. Pb. XVI. .jieft 4). V'cipgig 189s,
Tuncfcr Sc .öuinblöt.
gm gegenmärtigeu Augenblid, mo es fid) um mid)tigc Abänbe*
rungett ber gtipalibitätsperfid)eruug hanbelt, mirb mau bie Stimme
bes ehemaligen präfibeiitcn bes Aeid)s*PerfidieruiigsamteS mit befonberem
gntereffe hören. Tie Arbeit bringt an erfter Stelle bie oon bem Per*
taffer ber .stonferciig im Aooember 1895 oorgclcgten „Porfdjlägc gur
Pcreinfadntng ber Arbeitcroenidicrung" nebü ihrer Pcgrüiibuiig. Ter
gmeitc Theit bes Heftes beridjtct über Porarbeiteti gu einer rctdisgefe^*
lidjcit Acgeluitg ber prioatocrfidierung, mit beiicu ber Perfaffer Anfang
ber so er gahrc als Aefcrcut für (Hemerbemefen im Aeid)samt bes
gnnern betraut mar.
granefe in Benin \V„ Jüaijrcti2i*.
Soziale $ra£i3. (SentralOlatt für 3o$ialpoIittf. 9ir. 6.
M&oiiaU etfdjctnl an jctcm ©omicrMag unö ift burd) alle ©uAhaiiMunfle» unb gSoilÄinfrr (43o|t3<itunß6nummct 6729) ju besten. ©et tßre.o
für ba8 SBicrtdja^r ift 9H. 2,50. Sfcbe üttuuuuer foftet 30 ^Sf. ©er 9lit3:ißeuprei8 ift 60 4>r* für Sie bretßefpaltene fßettyeifc.
$m Safjrc 1898 erfetjienen bei ©unefer & $iunbIot in Scipgig nacOfteljenbe SBerfe non
(ßuftav ScfymoUev:
u « ber Mmrijfe und MnfetMimgen
einige ÄrunDfragcn Dev Socialplitif
unb ber
MswirtSflftsItJjw.
OJr. 8°. (IX, 343 3.)
- ^ret$ 6 9R. 40 $j. -
Soeben gelangte zur Ausgabe:
ktfanirrs brs Prrn|ifdjfH Staates in 17. int 18. Inl)tl)intert.
0H\ 8°. (XIII, 6M6 3.)
$rei$ 13 3)f., ejeb. in ilcinumnb 14 3K. 60 ^f.
Die Reichs-Yersichernngsgesetzgebung.
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Wirkl. Geh. Oberregierungsrat Dr. jur. et phil. T. Bödlker.
58 Seiten 8° mit 1 Tafel. Preis 1 M. 60 Pf.
Inhalts - Uebersicht:
I. Die Arbeiterverslelieriing: Allgemeines. — Die Unfallversicherung. — Vereinfachung der Arbeiter¬
versicherung. — Vorschläge zur Vereinfachung [Allgemeines. — Besonderes für die Invaliditäts- und
Altersversicherung. — Organisatorisches. — Begründung. — Schluss.]
II. Die Privatversiebernng: Allgemeines. — Historisches. — Grundzüge eines Piivatversieherungs-
gesetzes [Besonderes. — Die Reichsaufsichtsbehörde (das Reichsverrsicheruugsamt). — Die Zulassung zum
Geschäftsbetriebe. — Geschäftsführung und Auflösung der Versicherungsanstalten. — Sonstiges. — Schluss].
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Webaltion: SetHn W., »atjreuHjetilra&e 29. Dr. CEtttß «fttttllfec. Setlag tton Suncfet & $um6Iot, Selpjig.
3ntjatt.
4Qtxt Dr. Beutner unb bie eng*
Ufd&en Stabe Union«. I. Bon
Dr. oon Sftottenburg, Bonn. 161
«Uirauhu C«a«*I* mtb mmf «ift«*
fitta .166
ötganifation bet Slibeit. Bon
Dr. ©. grtande, Bettln.
Btbeüdfammetn in ben Biebetlanben.
3abtbu(b bet örbeitSgefefogebung für
1897.
ißteißoettbeitung be« Maa4e Social in
Buti« an IänbU$e arbeitet,
«mraumalc B^tolHollltV . . 169
Set Betttag bet ©tabt Berlin
mit ben ©letttiait&tÄwerlen.
*fe*eiter*e»ct8tta.171
Bewegung im Baugewerbe.
Sie BucpbrudeT-SarifbeWegung.
Sto^enbet BädetauSftanb in Betlin.
Sie Bereinigung bet Blalet, Sa dir er,
anftteidbet unb oerwanbten Beruf«*
genoffen Seutfdjlanb«.
©oaialbemofratifi&e ©ifenbabnarbeiter
beim öfterreid&ifcben ©ifenba|n*
miniftet.
©tn tfongtefc bet Sejtilarbetter Bet*
gienfi.
ÜRinbeftforberungen bet Stabe Union«
an bie ©efefcgebung.
Bewegung unter ben Lettnern in
Boti«.
Sie italtenifdjen ©tfenbaljnarbeiter.
««»eitert*»*.174
Sie ©ewerbeljpgiene unb bie äHebiatnal*
bebötben in B teu fe en *
©tbub bet angefteltten in Saben»
gefcpäfien.
Urtbeit be« tfantmetgetidbi« in ©a*en
be« Äinbetfdjufce«.
■Äonfetenj bet bapertfäen Bewerbe*
aufffcbtöbeamten.
©in ßurfu« füt bie auSbilbung oon
gfabriftnfpeftorinnen in ©tuttgari
©taatöoetotbnung füt Bäder eien in
Sübed.
2(rbettertoerfl*eruttg. ©parfaffe» 176
Sie ©tgebniffe bet Snoatiben*
Oerf icfjerung füt 1897. Bon
&. £otn, Berlin.
3noaliben» unb 8üter3rentner in
Seutfcbtanb am 1. Dftober 1898.
Surd^fübtung bet ^noatibitüt«* unb
aUet«Oetftcbetung in Dfipreu&en.
UnfaEoerfi djerung bet ©eeleute in
grtanfreid).
tU»cit«na*toct«.178
Biün^ener atbeitönadjwei«.
atbeitönacbwei« • Änftalt Jpeibetberg
1897.
au«beljnung be« 8ttbeit«nadjweife« in
Bielefetb.
©tübtifcber QlrbeitSnadjweiS in afcbet«*
leben.
Betbinbung ftäbtifd^er Arbeitsnachweise
in ©nglanb.
©eaeffeitf*aftS*efe« [.179
Anregung be« ÄleinljanbelS jut ©e*
noffenfc&aftSbilbung burdj £anbel«*
fatitmern.
Sie eingetragenen ©enoffenf*aften
in B**ufeen.
Äongreb foaialiftifcber ©enoffenfdjaften
Belgien«.
BtotmtngMeefe«. 181
Betition um ein BeichSwohnungSgefefc.
©t&btifdje S8obnung«poIitil in §rel*
butg i. B.
©egen bie SBobnung«notb in £5ln.
Sie ftotnrnfffton gegen ungefnnbe
ÜBobnungen au 6tta|butg L ©.
tttteraeftf*e Vnactfen.182
ttbbmcf fümmtlicbet Artttel ift Bettungen unb ßeüfcbriften geftattet, jebodfc nur
mit ootter CUteEenangabe.
fett Dr. fietttttet tut* bie engiifi^eu Stabe Union*
L
Als itn 2Äai b. 3- ber auf beut ©teinfohlenbergmerfe am
^ieSberge auSgebrodjene Streif gum ©egenftanb einer Qnterpellation
in bem $reuf$tfd)cn 5lBgeorbneten^aufe gemalt mürbe, Benagte ein
SRiiglieb ber nationatliberalen Partei, $err Dr. Söeumer, bie ©e*
Iegen^eit, um an feine Kollegen bie Sitte ju rieten, fie mosten
burd) ba« Seifpiel (SnglanbS marnen laffen, an bem man
feljen lonne, mo^in e0 füljre, roenn bie Agitatoren an ben Sßläfcen
beg probuftioen SAaffenö baS ^eft in bie ^änbe befämen. Um
fid) al§ ©at^oerftänoigen ju Ieaitimiren, berief fid^ ber genannte
£>err am ©d)Iufe feiner Sftebe oarauf, bafe er ber £ommiffion an*
geprt ptte, bie oon ber beutfdjen Qnbuftrie im Sommer 1889
nad) ©nglanb entfanbt roorben märe, um bie bortigen Arbeiter*
oerpUniffe gu ftubiren. „SRad^ eingeijenber $rüfuna beg Xrabc
Union^mefenS," fjeifet eg bann roeiter, „^aben mir Damals feft*
gefteHt, ba§ ftd) biefe englifc^en ^rabe UnionS jum S^eil in
fogialbemofratifc^er ©ntmiaelung im fontinentalen ©inne beS
SBortes befinben, unb bafe es ftcp bei allen biefen fragen (?) nid)t
um eine öo^nberoegung banble, fonbern um bie ßrage, roer £>err
im J>aufe fein fott. Sfteine Herren, baS ^at 3^nen bod) ber Aus*
ftano ber engüfdjen 3)2afc^inenbauer, glaube iti), gur ©enuge ge*
jeigt."
3c^ mufe biefen Ausführungen beS §errn Dr. Beumer miber*
fpret^cn.
3unädhft ftelle id) in Abrebe, bafe ber genannte |>err bie
Legitimation befifet, über ben englifdjen S^rabe Unionismus
ein Urthcü gu fäEen; ber Semeis bafur mirb jebenfalls nicht burch
bie ^Berufung auf feine englifcfje ©tubienreife erbracht. S)ie £om*
mifpon, mit ber er biefe Steife machte, hat, roie fid& aus ben 1890
bei Btttfdjer u. SftöfteE in Serlin im ®rucf erfchienenen Berichten
ergiebt, am 24. September 1889 bie §eimatf) oerlaffen unb ift am
21. Dftober beffelben 3ah«S gurücf gef ehrt, nadhbem fie ßonbon,
5Rargate, Sorf, 2)arIington, TObbleSborough, ©altburn, 9?emcaftle,
Spnemouth, ®urham, ©binburg, 3)unbee, ©laSgoro, 9)tanchefter,
ßioerpool, Srabforb unb Sirmingbam befucht hatte. 28 Sage
alfo hat bie Äommiffion auf bie ©rlebigung ihrer Aufgabe oer*
roenbet. 2öenn man bie für bie £>in* unb SRücfreife, fomte für bte
Reifen in ©nglanb unb ©chottlanb erforberliche 3 e it abredjnet, fo
ergiebt ftch, bafe §errn Dr. Seumer unb feinen Kollegen etma brei
SBochen für baS ©tubium ber englifcbcn Arbeiteroerhältniffe übrig
geblieben finb. 0b bie Herren bie für ein foldjeS ©tubium er*
forberlichen SorauSfefeungen befaßen, ob fie insbefonbere bie
englifche Sprache oottftänbig beherrfchten — roaS unumgängUdj
nothmenbig ift, um beifpielSmeife mit ben Arbeitern im SJiorben
©ngianbs unb in ©chottlanb in einen ergiebigen 3beenauStaufd)
treten gu fönnen — baS entgieljt fi<h meiner Äenntnife. 9Kit größter
Seftimmtheit aber barf ich behaupten, bafe es unmöglich ift, inner*
halb breier Wochen ftch über bie Arbeiteroerhältniffe in ©nglanb
in einer SSeife gu informiren, bie gu ber Abgabe eines entfdjeibenben
SohimS berechtigen fönnte. Als ich bk Serid)te ber Äommiffton
f. 3* las, mürbe ich an eine Anefbote erinnert, bie, menn id)
nicht irre, oon Soltaire herftammt. ©iner feiner LanbSleute geht
über ben tanal, um ein Such über ©nglanb gu f^reiben. 9Jach*
bem bie brei Monate, melche er fid) für baS ©tubium ©nglanbs
auSgefefet hatte, oerffoffen finb, fchreibt er feinen Sreunben in
$ariS, bie 3eit fei gu furg bemeffen geroefen. ^ad) brei 3ahren
berichtet er, nunmehr roerbe er fleh erft ber ©chmierigfeiten feines
UnteniehmenS beroufft, unb nach 30 3ahren fehrt er mit bem Se*
fenntnift heim, ©nglanb fei ein fo eigentümliches Lanb, baff man
bort geboren fein unb fein Leben jugebracht haben muffe, um es
richtig gu begreifen. 2)aS ift gemiff eine Uebertrcibung, aber hoch
liegt eine Wahrheit in ber ©efchichte, eine Wahrheit, bie alle bte*
163 ©ogiale Sßraji*. ©entralhlatt für ©ogialpolittT. 9?r. 7. 164
jenigen behergigen füllten, welche englifd)e Berhältnifie gurn ©egen* lid^ barauf rieten, Herren im f>aufe 31 t roerben. Xie Abneigung,
ftanbe ihre« ©tubium« 3 U machen gebenfen. ber Gegner ber Xraoe Union« fann fehr wohl auch auf einem
£)ie ©tubienreife be« £>erm Dr. Beumer mar alfo — baruber unberechtigten ©goiSrnu« berufen; fte läfet fic^ barauf gurüdfführen,
roirb fein ©aefjoerftänbiger im 3roeifel fein fönnen — seitlich 3 U bah bie ©inrichtung ber Xrabe Union« 3 U einer ©teigerung ber
befcfjränft, al« bah fie 3 U einem beadhtenSwerthen ©rgebnifc auf ßöhne unb baburdf) 3 « einer BJinberung be« Unternehmer* unb
©runb eigener Beobachtungen hatte führen fönnen. X)ie Berichte tapitalgewinne« geführt hat. gür biefe ©rflärung fpri<f)t ber
finb benn auch in ber §auptfache eine ©Übergabe oon Snfor« Umftanb, bah £>err §mgh Seil unb feine ©efinnunaSgenoffen über«
mationen, bie oerfdhietene ^erfonen ber Äommiffion ertheilt haben, einfiimmenb bie Xhatfadje befunbet haben, bah ber ourd) bie Xrabe
Aber roer maren bie Gewährsleute? £>err Dr. Beumer nennt nur Union« gefebaffene 3«ftanb ben früheren Berhältniffen infofern
einige wenige, auf beren Befunbungen ich weiter unten gurüdf* oor 3 U 3 iehen fei, al« „ber tampf 3 toifchen Arbeit unb Kapital gnr
fomme. X)er Urfprung be« weitaus größten Xheile« ber Snfor* Qtii, al« bie Drganifationen unter ben Arbeitern noch gang fehlten,
mationen roirb nicht angegeben, unb in golge beffen fehlt eS auch ober noch nicht fo feft geftaltet roaren roie heute, 3 ur Sethätigung
an jebem Inhalte, um ihren ©erth beurteilen 3 U fönnen. ber Öufjerften geinbfeligfeiten, befonber« feiten« ber Arbeiter, 3 U
©eiter aber: ba« ©rgebnih, welche« ^>err Beumer in feinen ben fchroerften, häufig wieberfehrenben ©treif« geführt, bie auf beiben
Berichten niebergelegt hat, fann jebenfatt« nicht al« ©tüfce für feine ©eiten oerljeerenb roirfen mußten", unb bah „biefer hächft traurige
Behauptungen im Abgeorbnetcnhaufe bienen. 3 u ftanb in ber §>auptfa<he aufgehört habe, feitbem fi<h bie Arbeit«
3unächft hat er feineSroeg« feftgefteHt, bah e« fith „bei allen geber geswungen fahen, bie Xrabe Union« begiehungSroeife beren
biefen fragen nicht um eine ßohnbewegung hanble, fonbern um bie Sertreter anguerfennen unb mit ihnen al« einer gleichberechtigten
grage, nier fterr im $aufe fein fotte". Xie AuSbrudfSweife „in ©acht auf beut guhe oottfommener Gleichberechtigung 3 U oerhan-
allen biefen fragen" ift ja freilich recht unflar; bie ©ahrfchein« bcln". ©obann aber möchte idh begroeifeln, ob bie oon £>erm
Iichfeit bürfte inbe« bafür fprechen, bah «&en: Dr. Seumer bat £>ugh Bett gemachten Angaben über ba« Berhältnih ber Anhänger
fagen wollen: Alle Beftrebungen ber Xrabe Union« richten fich 3 U ben Gegnern ber Xrabe Union« unter ben englifchen Arbeit*
nicht fowohl auf Berbefferung ber ßohnoerhältniffe al« barauf, gebern gutreffenb finb. ©in in ben Berichten be« öerm Dr. Beutner
§err im §aufe 3 U werben. 3n offenfunbigem ©iberfprudf) bamit namhaft gemachter Gemähr«manne fchreibt mir Darüber, nur bie
erflärt er nun aber — roie man annehmen muh, auf Grunb h^faen unb unoerftänbiaen Arbeitgeber wünfehten bie Xrabe
eigener ©ahrnehmung -- auf ©. 8 feine« fchriftlichen, alfo hoch Union« 3 U gertrümmern. ,,3d) bin aber fidfjer, Reifet e« bann in
wohl reiflich erwogenen Berichte«: „Urfprünglich reine feampf« bem (in ber nächsten Kummer sum Abbrucf gelangenben) Briefe be«
genoffenfehaften, beren ©irfen fd^roff unb geroaltthätig, ja nicht |>errn ©pence ©atfon, bah bie grofje ©ehrbeit einen folgen
ohne Blutoeraiehen in bie Deffentlichfeit trat, haben bie Xrabe ©unfeh nicht hegt."
Union« auch heute noch eine Sfrage al« bie wichtigfte, nöchfte Auf ©. 42 ff. ber Berichte lieft man, e« fei ber tommiffion
unb praftifchfte burchau« im Borbergrunbe: bie ßohn* oielfach gefagt worben, „bah nur ba bie Xrabe Unioniften begüglid*
frage, welche bie Bereicherung gegen ArbeitSlofigfeit einfd)lieht." ihrer gorberungen fich in ben richtigen ©chranfen hielten, wo ben
2)e« ©eiteren ftettt er auf Grunb eigener Beobachtung gleichfalls Xrabe Union« eine möglichft ftraffe Crganifation ber Arbeitgeber
auf ©. 8 feine« Berichte« ben Xrabe Union« folaenbe« 3eugnih gegenüberftänbe". 3 U ™ Beweife bafür werben bie Anfpriiche er«
au«: „Sn ihnen allen — nämlich ben englifchen Arbetter« wähnt, welche bie Xrabe Unioniften im ©djiff«bau in Glasgow
Affociationen, bie Xrabe Union« mit einbegriffen — fommt bie erhoben haben. 3nbeh — }u welchen ©chluhfolgerungen berechtigt
Sfraft ber ©inigung, bie gähigfeit, fich ^ cr Rührung Anberer biefe Anführung? Qeber objeftioe Beurteiler muh auf Grunb ber
untersuorbnen, fowie bie |>artnäcfigfeit unb ©nergie in ber Ber« oon .jperrn Dr. Beumer mitgetheilten eigenen Beobachtungen unb
folgung gefteefter 3iele sum Borfdhcut, unb ber englifchc gelernte 3nformationen Xritter 3 U ber Äonflufion gelangen, bah bie Sn«
Arbeiter hat, ohne bah Berbefferung feiner Berhältniffe ©egen« ftitution be« Xrabe Unionismus fich al« eine ben f 03 ialen Sieben
ftanb eine« SHegierungSplanS gewefen wäre, Bewunbern«« förbernbe Snftitution erroiefen hat, bah f lc atterbing« bie ©efahr
werthe« erreicht, ©r hat nicht bloh Sntereffen oerfolgt, in fich bergen fann, bie Arbeitnehmer sur ©rhebung unberechtigter
fonbern fich licfjten auferlegt unb fich 3 U i en er ©elbft« Sorberungen 3 U oerleiten, bah aber in ber §>anb ber Arbeit*
ftänbigfeit ersogen, bie einen SRuhtn barin fucht, felbft für bie aeber liegt, biefe ©efahr burch eine ftraffe Organifation ab 3 uroen*
eigene 3nfunft 3 U forgen, eine ©elbftftänbigfeit, bie wir leiber bei Den. X)a«, roa« ,f>err Dr. Beumer im Abgeorbnetenhaufe behauptet
einem groben Xheil auch & er „geleniten Arbeiter" nur allsufehr hat, wirb alfo burch feine Berichte in feiner ©eife erhärtet,
oermiffen." Auf ©. 10 beruft fich S> err ^ r - Beumer auf einen £err Dr. Beumer hat nun auf feiner ©tubienreife auch bie
Bericht be« befannten ßabour ©orrefponbent 3Rr. Bumett, eine«, grage unterfucht, ob bie englifchen Xrabe Union« fich fosialbemo»
wie bie Äommiffion wieberholt anerfennt, nihigen unb befonnenen fratifchen Xenbengen suneigen. ©r oerneint bie«: „Xhatfächlich,
Blanne«. Xiefer befunbet, bah im ©egenfahe 3 U früheren 3^iten fagt er auf ©. 32 feine« Berichte«, fcheint nach ben eingehenben
„heutsutage Arbeit«ftreitigfeiten feine Aufftänbe unb ©mpörungen ©ahrnehmungeit, bie wir in ©nglanb gemacht, eine fosialbetno*
mehr h^aeifühten. X)ie ©ewerfoereinler finb beffere Bürger fratifche Xetibens bei ben Arbeitern ber Xrabe Union« im Attge*
geworben u. f. w. X>ie öffentliche Meinung ift für bie ©ewerf* meinen bi« jefct nicht oorhanben m fein." Sa biefetn ©inne
oereine günftiger geworben. . . . Xie friebliche ©rlebigung ber haben ft<h „bie h«worrägenbften unb intettigenteften Arbeitgeber"
©treitigfeiten roirb je^t erreicht, roährenb früher bie ©rlebigung gegenüber §>errn Dr. Beniner au«gefprod)en; fie oerficherten, „bag
burch Gewalt ^erbeigefü^rt würbe, ©treif« finb natürlich nod) ber englifchen Snbuftrie oon ©eiten ber © 03 ialbemofratie feine ©e«
nicht gans überflüffig geworben, aber e« befteht bie Xenben 3 , fie fahr brohe". 3h r cui 3eu0tiih legt §err Dr. Beumer ittbeh um
thurtlichft 3 U oermeiben, unb bie Xrabe« Union« tragen ihr Xheil be«witten feinen entfdjeibenben ©erth bei, weil bei biefen heroor«
hiersu bei." ©. 26 roirb berichtet, ber ftet« friebliche Au«gang ragenbften unb intettigenteften Arbeitgebern „fein Berftänbnih für
ber ßohnoerhanblungen habe sur Solge gehabt, bah bei bzn bie 3 ^ e ^ er internationalen ©osialbemofratie oorhanben fei",
©ngitteer« feit 1851 ein allgemeiner Arbeit«au«ftanb nicht mehr 3J?it meinen ©rfahrungen ftimmt biefe Behauptung nicht überein;
ftattgefunben habe, freilich eine Behauptung, Die meine« ©iffert« fie Hingt auch nach ben Angaben be« Berichte« auf ©. 33 ff., wo
nicht sutrifft. Bei Befprechung ber Xraoe Union« ber Xeftil* oon ber Agitation unb ben ©rfolgen be« Bir. Burn«, „eine«
Snbuftrie auf ©. 29 ff. wirb rühmenb h en, a r 9 e h°^ e a, bah banf ©osialbemofraten in unferem ©inne De« ©orte«", gefprochen roirb,
ber sweefmähigen Crganifation X)ifferensen swifdhen Arbeitgeber hädhft unwahrfdheinlich. ©ie bem nun aber auch fein möge, £err
unb Arbeitnehmer in „ber überwiegenben ©ehrgahl ber gätte" Dr. Beumer ftiiht fein Urtheil, bah «for englifd>e Arbeiterftanb
burch Bergleich beigelegt werben, bah // nur äuherft feiten" gu fuh fonfequent ben fogialbemofratifchen Aufwiegelungen ocrfchliehe",
©treif« fommt u. f. w. noch auf ein anbere« Argument, ba« er, feinem Beridjte nach SU
£err Dr. Beumer erwähnt nun freilich auf ©. 38, ein be* urteilen, felbft für einwanb«frei erachtet. „Ueberatt, fagt er
geifterter Anhänger ber Arbeiteroereinigungen, Btr. ©ugh Bett in ©. 32, härten wir bie Xenbeng, Unfrieben gwifcheit bem tapitaliften
©ibb!e«borough, habe fich bahin au«gefprochen, „bah nur 5 % ber unb bem Arbeiter 3 U fäen, oon ben Arbeiteroertretern auf ba«
englifchen Arbeitgeber bie ©inrichtung ber Xrabe« Union« au« Ueber* ©chärffte oerurtheilen." ©ic betonten „auf ba« $ad)brüdflidjfte bie
geugung hochfchäpen, bah meitere 45% nur geswungen biefer Be* 9fothwenbigfeit eine« frieblidjett 3ufammenroirfen« oonÄapital unb
wegung ttad)gegeben haben unb bah bie übrigen 50% nod) h cu te Arbeit*". „X)er Unternehmer müffe immer feinen guten Berbienft
beftrebt finb, fid) bie Xrabe Union« möglichft 00 m §alfe gu haben, unb bie« ihm gu ermöglichen, liege um fo mehr im Suter*
halten". Angenommen nun, bah biefe 3 a hf cn sutreffenb finb, fo effe ber Arbeiter, al« fi<h ber Unternehmer anbemfallS guriief*
wirb baburd) boch nodh ohne ©eitere« nicht ba« thema probandum giehen unb fein Kapital anber« oerwenben würbe. bie
erroiefen, bah nämlich bie Xrabe Union« ihre Beftrebungen lebig* Arbeiter werbe nur eine ausfömmliche, ben Serhältniffen ent*
165
©ojtole %za#6. (Jentralblatt für Sosialpolittt. Rr. 1.
166
fprecRenb gute, Rdjere %i)tens oerlangt" u. f. tü. Auf S. 39 Reifet
es, bie Arbeiterfefretäre erFannten an, „bie fioRnforbermtgen müRten
fid) ftets in räfonnablen ©rengen galten; ein ehrlicher SoRtt für et)r*
licRe £ageSarbeit, uteRr bürfe unb Fönne nicRt oerlangt werben;
burcR ein beftruFtioeS BorgeRen gegen baS Kapital würbe ja ber
Arbeiter felbft ben Aft abfägen, auf bem er fiRe" u. f. w. £>err
Dr. Beumer beuterft S. 9, ber englifcRe Arbeiter betrachte eS „als
@Rrenfache", fi<h ben ©ntfcReibungen ber Arbeiterführer 3 U unter*
werfen, auch wenn fie gegen fein oermeintlicheS Sntereffe aus*
fielen. SRan muR alfo annehmen, baR „bie gefunben AußcRten"
ber güRrer für bie ArbeiterfcRaft maRgebenb finb. — Aber JcRon
auf S. 32 wirb eine @infd>ränfuug gemacht. 3n ber AnmcrFung
bafelbft ReiRt eS: „Rur bezüglich ber £rabe Union ber ßonboner
SeRer gab uns 9Kr. Burnett 3 U, baR biefe Bereinigung, welche
nod) uor brei gaRren einen gan 3 entfliehen Fonferoatioen Sh ara ^er
hatte, jeRt in ihrer ©efammtReit oon fosialbemofratifdtjen 3bcen
erfüllt fei." Auf S. 45 wirb bann fogar eine AuSfacje Burnett’S
citirt, bie mit ben obigen Angaben nicht oereinbar tft. (Er foll
3 ugegeben haben, „baR wirtliche R^ialbemoFratifche Führer mit
einem gewiffen Anhänge in (Englanb oorhanben feien", baR „eS
SoiialbemoFraten in allen £rabe Unions gebe, wenn auch oor*
läufig in geringer 3aRl", baR „auch in ben £rabe UnionS als
folgen fchon jeRt eine gcwiffe Hinneigung jur 0 O 3 ialbcmofratie
oorhanben fei" greilid) lieft man bann wieber auf @. 34 „2Sie
fich ba 3 it — nämlich ber fo 3 ialbemofratifchen ^ropaganba — bie
alten Srabe UnionS Retten werben, bleibt ab 3 uwarten."
Kur 3 um, baS Bilb, welches H err Dr. Turner in feinen Be*
richten entwirft, ift ooß oon BMberfprücRen. (ES würbe 3 U weit
führen, nun auch noch bie Berichte ber anberen KommiffionSmit*
glieber 3 U analpjtren. 28er fie lieft, fattn fich bauon über*
jengen, baR fie feine Klarheit in bie Sache bringen. Auch aus
ihnen erfieRt man nicht, wo bie Wahrheit liegt. Ber fdjliefeen - fich
bie Arbeiter Fonfequent ben fo^ialbentofratifchen Aufwiegelungen?
Dber gilt baS nur für bie gelernten Arbeiter? Dber war fchon
1889 m allen £rabe UnionS eine gewiffe Hinneigung 3 ur © 03 ml*
bemofratie oorhanben? Dber war bie grage bantals nicht fprud)*
reif? Bergeblich fucht man nach einer flaren Antwort.
Herr Dr. Beumer beruft fich in feiner Rebe nun aber auch
noch auf ben jiingften Streif ber englifchen ßKafdjinenbauer; burch
biefen foß erwiefen fein, bah es fich //bei aßen biefen fragen nur
um bie grage hanble, wer Herr im H au f e fein foße".
28enn bie BtaRhinenbauer in ber £Rat gorberungen aufgefteßt
hätten, bie in ber Richtung beS thema probandum Fonflubent
wären, fo würbe m. (E. bamit noch immer nicht ein ooßgültigeS
Argument gegen bie gnftitution ber Srabe UnionS erbracht fein.
SDie englifchen Arbeitgeber haben in bem jüngften Kampfe gegen
bie Arbeitnehmer Btittel angewenbet, welche H err Spence 28atfon
in feinem Briefe als „bebenflich" be 3 eicftnet, für bie aber wohl
auch ein ftärferer AuSbrucf noch am Blafee wäre. Sie haben
beifpielSweiie fofort aßen Arbeitern gefünbigt, bie 3 U ber STrabe
Union ber Btofd)inenbauer gehörten; auch folchen, welche bie Arbeit
fortjufeRen gewißt waren. Sie haben weiter, wie bie englifche
treffe, 3 . B. baS ,,(Ed)o", ohne 28iberfpruch 31 t erfahren, berichtet
hat, biejenigen Btafchinenfabrifanten, welche ben acRtftünbigen Ar*
beitstag in ihren Betrieben eingeführt hatten unb mit ben (Erjjeb*
niffen 3 ufricben waren, gebopfottet. $)er Berein ber 3 ec ^ en befi^er
richtete an feine SRitglieber ein RunbRRreiben, in bem fie offen
aufgeforbert würben, nur bei gabrifanten, welche ben achtftünbigen
Arbeitstag nicht bewißigt hatten, RtaRhineu 311 befteßen. Alles
baS fcheint H e rrn Dr. Beumer utibcfannt 3 U fein; anberS wäre es
fchwerlich 3 U erflären, baR er biefe für bie Beurteilung beS Ber*
RaltenS ber Arbeitnehmer widrigen SRatfachen in feiner Rebe un*
erwähnt lieR. Btan mag nun freilich eine Rechtfertigung biefer
BtaRnaRmen in bem ©aRc fuchen: C’est a la guerre coimue ä la
guerre! Aßein bann muR man biefen Safe andj für bie ©egen*
Partei gelten laffen, bann muR man auch baS BerRalten biefer
leRteren unter ber Bcrücffichtigung ber £Ratfad)e cinfrf)äfecn, baR eS
fit eben um einen KriegS 3 uftanb gehanbelt hat.
Abgefehen aber baoon — ift eS 3 utreffenb, baR bie £rabe
Union ber RtaRhinenbauer eine gorberung aufgefteßt hat, bie barauf
hinauslief, bie Arbeiter 3 U H er ren im Haufe 311 ntadjen? H cr r
Dr. Beumer fteßt hier eine Behauptung auf, ohne bie Alten 311 Fennen.
3n 2i'ir Flieh Feit liegt bie Sache fo, wie H er r ^rofeffor Brentano
fie in ber Rumtner 11 ber „So 3 ialen ^rayis", gahrg. VII, ooui
16.3)e3embcr 1897 — alfo mehrere Rtonate beoor H^rr Dr. Beumer
feine Rebe im Abgeorbneteuhaufe b^l — bargefteßt hat. 2)er
gührer ber Arbeitgeber, 3Kr. 2)^er, hat aßerbingS f. 3- bie AnFlage
erhoben, bie 2:raoe Union ber Rtafchineubauer beabfichtige, bie
^robultion 3 U befchränfen. Als aber ber ©eneralfefretär ber
Rlafchinenbauer, Rlr. BameS, bieS Beitritt unb ben Beweis ber
2Bat)rbeit oerlangte, finb bie Arbeitgeber biefen ftiilbig geblieben.
Später fteßte ber HanbelSminifter Ritchie ein Programm behufs
e er Beilegung beS Streifs auf, in bem eS u. A. heißt: „5)ie
foereine weifen jebwebe Abfidjt, fich tn bie Betriebsleitung
ber Arbeitgeber einsumifchen, 3 urücf", unb bie Arbeitnehmer er*
Flärteu fich fofort 3 U Berhaublungen auf biefer ©runblage bereit.
3m Rooember 0 . 3* fprachen Re Reh in einer Refolution oon
Reuem nochmals bahin aus, baR fie „jebwebe Abficht, Reh in bie
Betriebsleitung ber Arbeitgeber 3 U mifchen, Beitritten".
Herr Dr. Beumer führt enblich an, bie englifchen £rabe
UnionS hätten fich ^ a 3 u oerftiegen, ben Arbeitgebern bie (Einführung
neuer 9Rafd)inen 3 U unterfagen. 3 ^h roü&te nicht, wo unb wann
eine folcRe gorberung oon einer ^rabe Union gefteßt worben
wäre. H err @pence featfon fchreibt mir barüber, es fei nicht
Forreft, wenn man behaupte, „baR bie englifchen Arbeiter für fid)
baS Recht in Anfprud) nehmen, bie fieitung beS ©efchäfts, ins*
Befonbere was bie Anmenbung neuer Riafchinen anbetrifft, 3 U
reguliren." Richtig ift, baR bie £rabe UnionS bei ber (Einführung
neuer BtaRhinen, burch welche bie ßohnoerhältniffe beeinfluRt werben,
eine Reuregelung ber lefcteren oerlangeit. SnbeR — ich aerweife
auf ben lehrreichen AuffaR .,The Methods of colleetive Bargaining“
in bem „Öconomk Sournal" 00 m R?är 3 1896 — biefer Anfpruch
wirb oon ben englifchen Arbeitgebern als berechtigt anerFannt.
Btit ihrer 3 u itiinmung ift eine ooßftänbige Drganifation aus*
aebilbct worben — 3 . B. in ber SejtiÜnbuftrie —, um in folchen
gäßen eine Reuregelung beS ßohneS oor 3 unel)men. Rach bem
3eugniR fierog Beaulieu’S gefchieht & auf bem Kontinente „nur 3 U
oft", baR bie Arbeitgeber ben aus neuen Blafchinen erwadjfenben
BortReü gan 3 für pdb in Anfpruch nehmen woßen. Aber felbft
biefer über jeben Borwurf fo 3 ialiftifcher Reigungen erhabene
RationalöFonom bezeichnet biefe Arbeitgeber als „un tiop grand
nombre de falricants peu loyaux“.
Bonn. oon Rottenburg.
Mgemeitie Sojlai- utt& 3®lrtljrdjaft?poUtih.
Organifatioit ber Arbeit
Auffaßenb wenig ift bisher in ber £ageSpreffe eine AeuRerung
beS ofR 3 ießen DrganS ber Fonferoatioen Parteien, ber „Konferoa*
tioen Korrefponben 3 ", beachtet worben, bie einer abfäßigen Be*
uriheilung ber @ewerFf<haftSbewegung bie Söorte ^ingufügte:
„UnfereS ©rachtenS ift jeRt bie geeignetfte 3 e ü/ c ine all*
gemeine planmäRige BerufSorganifation — eine Drga*
nifation ber Arbeit — in Angriff 3 U nehmen." (Ein amt*
licReS Blatt ber Föniglicb fächRfcRen Staatsregierung, baS „$)resbeiter
gournal", pflichtet biefer gorberung (Rr. 261 00 m 10 . Rooember)
ooßFommen bei unb meint, im Sntereffe ber Arbeiter liege bie
Bilbung gemeinfamer BerufSorganifationeu auf einer bem gricben
bienenben ©runblage; freilief) fei auch nicht 31 t oerFennen, baR bieS
auch im Sntereffe ber Arbeitgeber unb ber Olefammtheit liege.
Aus ber nationalliberalen Partei hatte bereits in ber leRten Reichs*
tagSfeffion Abgcorbneter greiherr oon H e ß* am 9. 9 Jlär 3 b. 3- bei
Beratljung ber Anträge ScRneiber unb Sieber über bie cingetrage*
nen BerufSoereine ben gleichen ©ebanFen oertreten mit ben Sorten:
„3öir meinen, baR obligatorifcRe BerufSoereine burch bie
©efeRgebung begrünbet werben inüffen, in welchen Arbeitgeber
unb Arbeiter gemeinfchaftlich oereinigt ben 3*o^n beS gricbenS
in ber inbuftrießen Arbeit bienftbar gemacht werben foßen." ©in*
fluRreicRe Angehörige ber (EentrumSpartei Raben unlängft auf einer
Bcrfammlung in StraRburg einen bis ins ©in 3 elne ausgeführten
Blan einer folcRen Drganifatioit in ArbeitsFammern oorgelegt
unb befürwortet (oergl. „Sogiale $rajis" VIII Sp. 64). Sie
griffen bamit, freilich m ftarf mobiRsirter gönn, auf einen Antrag
3 urücf, ben bie So 3 ialbemoFraten fdjon oor langen gaRren im ReidjS*
tag eingebracRt Ratten unb ber ebeitfaßs bie gemeinfame Drgani*
fation oon Arbeitgebern unb Arbeitern bitrd) ©efeR im garten
ReicRe forberle.
©S fpruRt fomit eine feRr groRe 3öaRrfdjeinIid)Feit bafiir, baR
berartige $läne im uädjftcu Reichstag in ben Borbcrgrunb ber
©rwägungen treten, unb 3 war um fo meRr, als ohnehin bie gragc
ber BerufSoereine wieber 3 ur Aufroßuug gelangen wirb. Seil
1891 Rat ber Reichstag wieberRolt, jnleRt lh ( .i 8 in Refolutionen,
fich mit groRer RieRrReit bafiir ausgefprothen, baR bie bem Koa*
litionSredRt noch entgegenfteRcuben BefdiräuFungen be*
feitigt werben, baR insbefonbere nach §• 15*2 ber ©ewerbeorbnung
167
©ojiole J&roytS. «entralblott für Süjialpotttil. Ar. 7.
16S
aucß berabrebungen unb bereinbarungen jur Erlangung günftiger
£oßn* unb ArbcitSbebingungeit aud) bann erlaubt finb, roenn fte
fidj barauf rieten, entfprecßenbe Aenberung ber ©efeßgcbung unb
StaatSoerroaltung ßerbe^uführen, baß ferner bie berufSoereine mit
einanber in berbinbung treten bürfett, baß ben berufSoereinen bie
AecßtSfäßigfeit oerließen roirb. hierauf bat bie Regierung bisher
entroeber gar feine ober eine ablebnenbc Antwort gegeben. Statt
beffen ift oie lex Deynhaufeit ju erwarten, bie ftd) ihrem aus*
gefprod)enen 3roedf nach 3 roar nur gegen Ausbreitungen unb btiß*
brauche beS KoalitionSrecßteS rnenben foÜ, oon ber aber febr roeite
Äfreife tßatfätßlid) eine Einfdjränfung biefeS ©runbrecßteS ber
Arbeit befürchten. Sollten in bem Entwürfe jene Ausbreitungen
unb bttßbräucße nur auf Seiten ber Arbeiter gefucht unb geabnbet
roerben, fo ift mit Sicherheit barauf ju rechnen, baß aus bem
Reichstag bie unerläßliche Korreftur beantragt wirb, baß auch
Unternehmer unb Arbeitgeber, bie ihr eigene« KoaütionSrecßt
mißbrauchen unb bic Arbeiter in ber rechtmäßigen Ausübung ihres
KoalitionSrecßteS ßiubern, be* Strafe oerfallen. „$)ie Arbeiter
müffen, ebenfo toie gegen ihre ©en offen, auch gebüßt roerben
gegen bebroßungen, gegen berrufSerflärungen unb Einftßücßte*
rungen, bie bie Unternehmer gegen Arbeiter ausüben, um fie 3 U
nötigen, bem Streif fern^ubleiben ober ben Streif ju oerlaffen"
(Sorte beS ^rof. Dr. ßöning auf ber ©eneraloerfammlung beS
Vereins für So^ialpolitif, Enbe September 1897 in Köln).
Soll eine Drganifation ber Arbeit, bie bübuug einer gemein®
famen berufSorganifation ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter mit
Erfolg für ben geroerblichen Öneben, mit Außen für bie beiben
Parteien unb jum Sohle ber ©efammtheit 311 Stanbe fommen unb
arbeiten, fo ftnb unfereS EracßtenS bafür jroei borauSfeßuttgcn un*
entbehrlich. 3 um Erften halten roir eine folche gemeinfame Dr®
ganifation nur bann für ausführbar, roenn fie auf ben ftarfen Pfeilern
ber Sonberorganifationen ber Unternehmer unb ber Arbeiter ruht.
®ie Koalitionsfreiheit ber Arbeitgeber ift feßon jeßt unbefeßränft;
feinerlei gefeßlicße borfeßrift hinbert fie, 3 ahlreicße gefeßlicße be*
ftimmnngen orbnen ihre berufSocreinlicße Korporation an: £>aitbels*
fammern, ©eroerbefammern, Snnungen, ßanbroirthbaftsfammern,
berufSgenoffenfcßaften, Kartelle, Ainge, Spnbifate, Arbeitgeber®
oerbänbe, Aftiengefellfcßaften 2 c. finb 3 c »gen bafür. 3)aS Koalition«®
reeßt ber Arbeiter ift rechtlich auf gatt$ beftimnite ©ebietc unb
3medfe bcfchränft, feine Ausübung roirb iiberbie« burch Stecht®
fprcchung unb berroaltung noch mit ben oerfchiebenartigften Aus®
legungen unb Eingriffen ganj erheblich behinbert. £>ier ift alfo
freie baßn burch ©efeß in bem 00 m AeicßStag mehrfach befiir®
roorteten Sinne 31 t fißaffeu. &aS erforbern Aecßt unb billigfeit!
Unb bieS führt 311 unferer ^roeiteit gorberung: Gleiches AJaß
unb ©eroießt für Unternehmer unb für Arbeiter oor allen Safta^en
unb freier blief für bie Entroicfelung ber Ringel $)ie ^ßolitif ber
Aabelfticße unb ber Kräh min felei, bie jeßt oielfacß in ®eutfchlanb,
namentlich in Preußen unb in Sacßfen im inneren Aegiment geübt
roirb, oerrätß roaßrlicß nichts oon bem „Seßerblicf ", ben Earlyle
ben SDeutfcßcn gugebrieben h°t, „ba fie nicht oft babureß irre
geßen, baß fie oerfänmten, roeit genug oorroärts 3 U blicfeit".
©egeutßeil bieS Aegime ift in Engher^igfeit unb Kur 3 fi<ßtigfeit be®
fangen. Aiit einer ^Solitif ber AuSroeifungen, ^ol^eioerbote, SJta®
jeftätSbeleibignngSprojeffe, Scßmälerung ber Selbftoerroaltung,
Sdjieß® unb ,£>ieberlaffe erreicht man nur, baß fieß bie allgemeinen
Sympathien ben betroffenen 3 uroenben. $)a biefe £aftif gerabe jeßt
einfeßt, roo in ber fo 3 ialbemofratifcßen beroeguitg eine mäd)tige
Strömung ißr bett immer breiter unb tiefer gräbt unb auf „eine
Aeuprüfuitg, eine Aeoifion" ber begriffe, auf eine ©egenroartS*
unb SirflicßfeitSpolitif ßinbrängt, fö muß man annehmen, baß
entroeber an maßgebenber Stelle hierfür jebeS berftänbniß feßlt ober
baß „Augftmcier unb ©eroaltpolitifer", um ein gelegeittlid)eS Sort
ber „Köln. 3tg*" 3 U gebraudjen, im einfeitigften Unternehmer®
iittereffc Einflüße auSiibcn, bie einer frieblidjen unb gebeißlicßen
Entroicfelung gerabe 3 u entgegenroirfen.
®iefe aber roirb geförbert bureß eine eßrlicße unb ftarfe So 3 ial®
reform, roie fie in ben Kaifererlaffen 00 m 17. Aooember 1881 unb
namentlich 00 m 4. Februar 1890 proflamirt roorben ift. „®er
Staat h^t feine roießtigere ^fließt als bic, unauSgefcßt an ber
berbeffernng ber i?age ber ArbeiterflafJe, in ber bie
oerjnngenbe Kraft beS bolfeS liegt, foroeit bie Sltittcl ba^u
irgeub reid)cn, 311 arbeiten," fagt ber frühere s ^räfibent beS
9teid)Soerfid)crungSamteS Dr. böbifer in einer füqticß erfeßieuenen
Scßrift. 9tuu roerben ja oerfdjiebette fo^ialpolitifcße Elefeßeutroürfe
fiir bie nädjfte iHeidjStagSfcffion augefünbigt. Aber felbfl roenn
biefe borlagen fänuntlicß im (Seifte etner ernftßaften So 3 ialrefornt
gehalten finb, roerben ißre ethifeßen Sirfungen auf bie Arbeiter®
rnaffen oerfeßroinbenb bleiben, roenn nießt sugkieß bie Sßatfad)cn
ber Ueber 3 euguug ben breiteften hoben oerfeßaffett, baß bie 9tegie®
rung in allen ißren 3 roe iQ cn EUiebern ber Arbeiterbewegung
als folcßer mit Eierecßtigfeit unb Einfidjt gegenüberfteßt unb fieß
nießt oon ben Untemeßmerintercffen allein leiten läßt, ^em einfeitigen
llnternehmerftanbpunft ift fogar bie reoolutionäre Sosialbemofratic
lieber als eine ftarfe ©eroerfoereinSberocgung: ©egen bie erftere
feßüßt ber Staat mit feiner s Dtacßt, gegen bie aubereit muß er
fieß felbft roeßren. Aber baS Sntercffe ber ©cfammtßeit liegt auf
bem Segc ber frieblid)en Entroicfelung, unb biefen 3 U geßen roirb
bie gemetnfame berufSorganifation ber Arbeit nur bann int Stanbe
fein, roenn fie oon oornßerein auf ben ©runbfäßeti ber ©leid)®
bereeßtigung unb ber Sreißeit anfgebaut roirb.
berliu. E. 3fran cf c.
ArbeitSfammern tn ben 9fieberlanben. 3n Ergän 3 ung ber
bfittßcilungen in Sp. 139 ber „Sosialen ^rayis" roirb uns aus
Amfterbam beS Seiteren gefd)riebetr. ^>aS in Ar. 12 beS oorigen
SaßrgatigS (Sp. 299) befproeßene ArbeitSfamutergefeß ift nuntneßr
in einigen ©emeinben 3 ur Ausführung gefommen, unb 3 toar finb
Kammern angeorbitet roorben: für Amfterbam ficben ( 1 . für bau®
betriebe unb ©aS® unb Eleftri^itätSanlagen, 2. btetall® unb $)ol 3 *
bearbeitung unb Serften, 3. Kleiber® unb Säfd)efonfeftion, 4. Aaß®
rungsbetriebe, 5. bueßbrueferei n. f. ro., 6 . Sabafsbetriebe, 7. ^)ia®
mantinbuftrie); im £>aag oier (1 unb 2 oereinigt, 3, 4 unb 5): in
Enfcßebe eine für bie banmiooHeninbuftrie; in §aarlem fünf
(1—5); in ßeibeit oier (1 unb 2, 4 unb 6 mit Seifcninbuftrie,
5, 3 mit Spinnereien, Sebereien u. f. to.); in $)orbred)t 3 roei
(1 unb 2, 4); in 3i’itpfien eine (1 unb 2): in Kämpen jjroei
(1 unb 2 , 6 ). Alle biefe Kammern roerben aus 3 eßn btttgliebern
(fünf Arbeitgebern unb fünf Arbeitern) befteßen. Es ift aber bc-
bauerlicß, baß bie Kammern in Amfterbam ebenfo gebilbet roerben
roie biejenigcn Heiner Stäbte. 3ft «S boeß 3 . b. unmöglich, bie
mannigfad)en 3»ntereffen ber fo roeit auSeinanber geßenben Aaß®
rungsbetriebe alle bureß fünf ^erfonen 311 oertreten! $>al)er be*
fteßt jeßt große XTnjufricbenfjeit unter ben Arbeitern AmfterbamS.
3Kan ßättc ßier entroeber meßr Kammern aitorbnen (unb bas roärc
bei ber großen 3 a ß^ ^ er Arbeiter in jeber betriebSart feßr gut
möglich geroefen) ober man hätte bie blitgliebersaßl ber Kammern
erhöhen müffen. bis jeßt haben nur im £>aag bie Saßlen ftatt*
gefunben unb letber mit feßr roenig Erfolg. &er Saßltag roar
oon bem ©euteinbeoorftanb oiel 3 U fpät befannt gemacht, unb fo
haben bie Arbeiter nießt bie nötßigen borbereitungen treffen fönuen;
ooit ißnen haben noeß uidht 150 Säßler ißr Aecßt auSgeübt.
.^öffentlich roirb bieS in Amfterbam beffer, aber es ift 3 U befürchten,
baß bie äßätigfeit ber Kammern bureß bie mancherlei Fehlgriffe,
bie begangen roorben finb, beßinbert roirb.
dfaßrbuiß ber ArbcitSgefeßgebung für 1897. Xer belgifcßc
ArbeitSminifter, §err AyffenS, foft jeßt baS im biai 1898 in ber
$>eputirtenfammer („Soziale ^ßrayis" VII Sp. 888 ) 3 ufolge einer
Anregung beS 3nternationalen ArbeitcrfcßußfongrcffeS in briiffel
(Dftober 1897) gegebene berfpreeßen ein, baß belgien eine fort*
laufenbe ^ublifation ber ArbeitSgefeße ber oerfeßtebenen Sättber
oeranftalten roolle. 3)er erfte banb biefeS SerfeS, mit bem £itel
„Annuaire de la legislation du travail“,*) ift foeben erfeßienen.
2)aS faft 400 Seiten ftarfe S^ßrbud) enthält in ooHern hJortlant —
in fran 3 Öfifcßer lleberfeßung — bie ©efeße unb berorbnungcu, bie
in ben europäifeßen Staaten unb ben §auptftaaten ber uorb*
amerifanifeßen Union roäßrenb beS FaßreS 1897 erfeßienen finb.
SÖir erroäßnen oon ben roießtigften ©efeßen nur bie .sjanbroerfs*
nooelle in 2)eutfcßlanb, baS ArbeitSfaimnergefeß in ben Aieber*
lanben, bie Unfallentfchäbigung in Englanb, baS Arbeiterfcßnßgefeß
in Außlaub, baS ©efeß über bie Sonntagsruhe in Autnäuien, baS
ArbeitSgefcß im Staate Aeioyorf. ®em ^e^te ber ©efeße finb
Aot^en unb Amnerfungen beigegeben, bie auf ißre Entfteßung unb
parlamentarifcße beßanblung be 3 ug nehmen. b?ie es in ber bor*
rebe heißt, roirb baS Faßrlutd) nießt bie gefantmte So 3 ialgefeß*
gebung in ißrer oollen AuSbeßnung umfaffeti, foubern fieß auf bic
eigentlichen ArbeitSgefeße befdjränfen, alfo auf bie ©efeße, bie bie
Drganifation ber Arbeit betreffen (©eroerbefreißeit, Koalition unb
Streif, Arbeitgeber* uitb Arbeiteroercine, bc 3 ießuugeu 3 toifcßen
Kapital unb Arbeit, ScßiebSgeridjt urtb EinignngSamt), ferner auf
bie ©efeße, bic ben Arbeite® unb beu ^eßroertrag, bic l?öhnc, ben
Arbeiterfcßuß, bie ©eiocrbeiufpcftion regeln, enblid) auf bie ©efeße
über llnfallcntfcßäbigung unb Arlnütcruerfid)crung. Ein praftifd)
angelegtes Sacßregiftcr erleichtert bie bcnußuug beS SSerfeS, mit
*) briiffel, Cs. Vebi-gitc & ( 5 ic.
169
Sogiole *rosi«. Gentralblatt für Sogtalpoltttt. Rr. 7.
170
beffen Herausgabe bas belgifdhe 2lrbeitSminifterium fid^ ein ent*
fd)iebeneS Beroienft erroirbt.
tßreiSPerthtihmg beS Musäe Social ttt $ari$ an IftnUdje
Arbeiter. DaS Musee Social bemüht fidf) auf feinen ^reisfon-
furrengen nicht bloft um bie theoretifche Sogialpolitif, fonbern
greift auch, foroeit eS fich mit feiner Beftimmung oerträgt, birett
praftifd) ein. Bor ^roei 3ob«n §atte ber (Stifter bes BhifeumS,
©raf ©hambrun, ihm bie Mittel gur Verfügung geftellt, eine Rn-
gahl greife, beftehenb in einer fiebenSrente unb einer BiebaiHe, an
oerbienftootte Snbuftriearbeiter gu oergeben. 3m lebten 3o^re be-
ftimmte er eine beträchtliche Sumjne gur Bertheilung für bie beften
organifatorifchen Seiftungen oon lanbroirthfchaftlichen Berufs*
genoffenfct)aften. 3ür 1898 mar eine ffonfurreng unter ben ßanb*
arbeitern auSgefdhrieben. Die SßreiSoertheilungen, bie in ben
Räumen beS 5D2ufeum§ abgehalten toerben, geftalteten ficf) bisher
fiets gu Keinen heften, bei benen bie ^öd^ften Siaatsbehörben unb
bie anerfannten Sogialpolitifer fi<h eingufuiben pflegten. 3n golge
beS ReaierungSroeihfelS muftte biefeS Sah* oon einer ähnlichen
geierlichfeit abgefehen roerben. Die Bebingungen für ben ÄoitfurS
unter ben Sanbarbeitern maren biefelben mie jene ber oorher*
gehenben tonfurreng für Snbuftriearbeiter. ©S maren gugelaffen
nicht nur Dienftboten oon minbeftenS 25 jähriger ununterbrochener
®ienftgeit, fonbern auch Heine Pächter unb Halbpächter, ©in
Rtinbeftalter oon 60 Sahnen ift für bie Söeroerber unerläßlich, Das
Recht, geeignete $erfönli<hfeiten gur ^rämiirung oorgufdjlagen,
mar ben 75 lanbroirthfdjafilichen BerufSgenoffenfdhaften oorbehaßen,
roelche im Vorjahre preisgefrönt morben maren. Daoon hoben 70
ber Slufforberung beS Musee Social entfprodhen unb gufammen
165 Stanbibaten in Borfdljlag gebracht. 2luS biefen Äanbibaten
mürben 35 auSgeroählt, roelche als greife eine DebenSrente oon
200 grcS. jährlich unb eine oon einem Zünftler erften Ranges
ausgeführte SKebaitte erhielten. 2llS Kriterien ber BSürbigfeit be¬
trachtete bie 3urp ebenfomohl oortrefflidhe Seiftungen in©rfüHung
ber Berufspflichten mie auch befonbere 5luSgeichnungen in fogialer
S inficht, mie gürforge für ©Itern, gute ©rgießung ber Äittber 2C.
o mürben prämiirt g. 93. ein Dien)tbote, ber 46 3ah*e lang mit
feiner grau biefelbe Stellung ausfüllte, ein ©reis, ber mit
98 fahren noch oon feiner eigenen Arbeit lebte, ein paar Heine
^achter, bie neue Kulturen in ihren ©egenben eingeführt hatten,
eine gamilie, bie 16 $inber ergogen unb mohl untergebracht hat.
Die ^reiSoerthcilung beS Musäe Social behält felbftoerftänblich
einen patriardjalifchen ©harafter. Sie min feine Söfung ber gangen
Slrbeiterfrage barfteHen. Sie erblicft ihre Aufgabe ebenfofehr in
beit allgemeinen BHrfungeit, bie fie auf Bcfifcenbc mie Beftftlofe
auSübt, als in bem materiellen Bortheü, ben fie ben menigen s $reiS-
gefrönten bringt.
fiomramwle ööjtalpolUik.
Der Vertrag ber Stabt Berlin mit ben ©teftrigitätStoerfcn«
3n oier Sifcungen, groei orbentlidhen unb gmei aufterorbent-
liehen — etroaS gang ungeroöhnlicheS für bie fchncll arbeitenbe
Stabtoerorbnetenoerfammlung —, ift ber Bertrag mit ber Slftien-
gefeUfdjaft „93erliner ©leftrigitätSroerfe (93. ©. 90.)" mit 64 gegen
50 Stimmen in gmeiter Sefung angenommen roovben. ©S foH
groar am Donnerftag, ben 17. Rooember noch eine britte Sefung
ftattfinben, fie mirb aber an bem ©nbergebnift oorausfidjtlid) nichts
mehr änbem, ba bie Majorität feftfteht. Stach bem Vertrage foH
ber oorgenannten Slftiengefellfchaft bie Besorgung beS gefammten
StaMgebieteS mit eleftrifcher Straft unb ebenfolchent Sichte bis gum
1. Dftober 1915 gegen ©inräumung einer ©eminnbetheiligung für
bie Stabt übertragen roerben. Die feljr beträchtliche SRinorität,
bie marnt für llebernahme ber SBerfe in ftäbtifd)e Stegie cintrat,
fc^te fich gufammen au§ ben fogialpolitifch fortgefchritteneren Stabt-
oerorbneten, mie fie fid) namentlich in ber „9?euen Sraftion ber
Sinfen" gufatnmengefunben haben, ben Sogialbemofraten unb
eingelnen Heberläufern au3 ben anberen graftionen. 2>ie öffent¬
liche Meinung, foroeit fie in ber ^reffe unb in SSerfammlungen
gum 9lu0brncx fam, oertrat nahegu einmiithig bie Äommunalifirung
beS Unternehmens.
Stach bem grunblegenbeit §. 1 be£ 93ertrage§ geftattet bie ©e-
meinbe Berlin ber ©efellfchaft, innerhalb beö Stabtgebieteö elef-
trifte Scitungen oon ©entralftationen au§ angulegert unb gu biefem
^roeefe bie Straften unb 93ürgerjteige gu benuften. ©in anSfchlieft-
li9ied)t mirb aber hierburd) ni%t begrünbet, fo baft eoentued
bie Ä'ongefftonirung anberer Unternehmer gunt 3 roe ^ eleftrifcher
Straftiibertragung nicht auSgefchloffen ift. Sntterhalb ber §äufer-
blocfs ober eingelner ©runbftüdfe fann natürlich jeber ^rioatmann,
mie eS auch oielfach gefdfjehen ift, befonbere eleftrifche Äraftergeu-
aungSqueHen anleaeu, fofern er nur nicht bas Straftenranon über-
fchreitet. befferen Serftänbnift ber Sachlage erfcheint eö er-
forberlich, auf bie gmifchen Stabt unb ©efellfchaft beftehenben
fWedhtgoerhältniffe näher eingugehen.
9ta<h bem gegenmärtig in ©eltung bcfinbltchen Vertrage oom
24. SDtai 1890 füllten bie berliner ©leftrigitätgmcrfc oerpfli^tet fein, an
3ebermann eleftrifche traft gu ben tarifmäßigen greifen gu liefern, unter
Scmüligung eineö 10 progentigen Siabattesc für bie 93eleud)tung ftäbtifdjer
©ebäube, audj bie 93eleuchtung ber öffentlichen Straften unb $läfcc gegen
eine angemeffenc Vergütung gu übernehmen. Sebodi follte bie Seiftungö*
fähigfeit jämmtlicher oorhanbener Stromergeugungsanlagcn, bereu 3al)l
auf 5 normirt mürbe, 28 000 ^ferbefräfte nidjt überfteigen. 2)iefe ^e*
f^räitfung mürbe magiftratöfeitig au§ bem ©runbe eingeführt, roeil
fidh bie Stabt bas Stecht oorbehalten hatte, oom 1. Dftober 1895 ab
bas Unternehmen nadj ooraufgegangenertünMguug gunt Sa^merthe gu
übernehmen, hierbei foUten jeboeft für jebeS gahr oor Äblauf beS
Vertrages 3V 3 °/o 3 u 9 fd)lag gum Sarpreife als ©ntfdhäbigung für bie
nidjt burchgeführte Slmortifation ber Hnlagefapitalicn oon ber Stabt
entrichtet roerben, alfo am 1. Dftober 1899, bem jefct nädjften llebentahmc»
termin, 153 l ^%. S)as h e ifit in 3 a hlen umgefeftt: gür bie ttadj oor-
läufiger HRagiftratSfchäpung 85 OCX) 000 Jf. roerthen SScrfe ntüftten rnnb
18 000 000 M 9lufgelb begahlt roerben.
^Bisher betrug in 1379 9$ertragsjahreit nach Angabe bcS 93iirger-
meifterS ber ©eroinnantheil ber Stabt 4 980 000 M, ber ber Slftionäre
9 362 000 M, fo baft bie Icftteren nicht gang 8 /s, bie Stabt bagegen baS
gröftere drittel erhielt.
9Bar mau alfo ein ©egner ber ©igenberoirthfehaftung, fo
blieb nur ber 9lbfdhluft eines neuen — günftigeren — Vertrages
übrig, ba bie in bem alten Vertrage ftipulirtebefchränfteSeiftunaS-
fähigfeit ber Söerfe ben bringenben Slnforberuugen einer ftetig fid)
oermehrenbeit 3af)l 9lufdhluft begehrenber ^onfumenten gegenüber fich
nidjt mehr aufred)terhalten lieft. Schon 1V 2 Sahre oor bem erften
möglichen Uebernahntetermine, bem 1. Dftober 1895, begannen bie
SSorberathungen. 1896 hatte bereits eine gu biefem 3roecfe einge*
feftte gemifdhte Deputation mit Stimmengleichheit bem 2ftagiftrat
ben Slnfauf ber SBerfe empfohlen. Die in Sftebe ftehenbe Sflagiftrats-
oorlage trägt baS Datum beS 23. Slpril 1898 unb roar 001 t bem
9luSfdhuffe ber Stabtoerorbnetenoerfammlung in roefentlichen fünften
amenbirt. Der neue SkrtragScntrourf bietet gegenüber bem alten
ber Stabt folgenbe 93ortheile:
Srofcbem ber ©ubtermin (1. Dftober 1915) berfelbe geblieben ift,
ift bie Setheiligung ber Stabt am Sleiitgeroin ber ©efellfchaft bebcutenb
erhöht, roährcnb bie Abgabe oon 10 % ber Bruttoeinnahme für Be=
uufcmtg ber Straften, Brüden unb Bläfte biefelbe geblieben ift. ^ic
9?ettoabgabe foK nunmehr oon 25 auf 35 ü /o beS ^eingeroimiS über
20 000 000 Jt. uub auf 85% bcS Sieiitgeroinns über 4% bcS weiteren
9(ftienfapitalS erhöht roerben. Xie Staotgemeiitbe foU ferner berechtigt
fein, nach Ablauf beS BertrageS bie SSerfe entroeber gum ^a^preife
ober gum Budfjrocrthe gu übernehmen, ^ür jebe brei ^ahre nach beut
1. Dftober 1915 oerminbert ftdh ber UebemahmepretS ber SSerfe, mit
Ausnahme ber ©runbftüde unb Olebäubc um 10%, fo baft alfo bte
gefammten Einlagen aufter ben Immobilien am 1. Dftober 1945 ohne
©ntgelt ber Stabt gufallen mürben. ?lufterbcm hat nod) bie Stabt
baS Stecht, bte außerhalb Berlins in einem Stabius oon 80 km, oom
Stathhaufc an gcredjnet, beftehenben ^erfe ber ©Icftrtgitätsgefellfd)aft
am 1. Dftober 1915 uad) ihrer 2i*ahl gum Budj ober gum 2arrocrthc
angufanfen. S'aS Hftienfapital ber ©efellfchaft beträgt 12 600 000 M.
©ine ©rhöl)uug auf 20 000 000 M. ift nad) 2lbfd)luft bes BertrageS itt
SluSftcht genommen. 2)er Äurs ber Hftiett ift roährcnb ber Bcrhanbliutg
oon 313,50 (5. 9tooember) auf 292 ,75 (11. 9?ooentber) gefallen. 911*
$>ioibenbe mürben guleftt 13% oertheilt.
©egen bte fofortige Uebernahme ber 2£er!e finb oon ber
SJtajorität ber Stabtoerorbueten brei ©rünbe geltenb gemacht roor-
ben: Der oertragSmäftig gn entrichtenbe hohe 3«f(hlo0 3 um Day-
preis, welcher eine Rentabilität beS Unternehmens in ftäbtifchcr
Regie unmöglich mache; bie aufterorbentlidE) günftige ©eroinnbe-
theiligung bes neuen BertrageS, bie ber Stabt ohne jeglid)eS
Rtfifö unb aitbere ©egenleiftung als H e * 9 ok ber Straften unb
$läfte eine jährliche bebeuteube fidlere ©innal)me garanttre (GtatS-
jahr 1896/97 ruitb 800 000 f t( nach bem ungültigeren alten
Bertrage); enblich bie Schroerfälligfeit ber bureanfratifcfjcit Ber-
roaltunc;, roeld)e bie Stabt ungeeignet gum ©igcubetrieb großer
inbuftrieHer Unternehmungen madje. Diefe ©iitroätibe geigett recht
beutlich, mie fel)r bie Berliner ftäbtifchen Berrcaltmigsorgane ge-
mohnt ftnb, alles unter bem rein fiSfalifd)en' unb eug-
hergigen abminiftratioen ©efid)tSroinfel aus gu be¬
trauten, mie roenig fie fich oon fogialpolitifdien ©r-
mägungen leiten laffen! ©ang befonberS djarafteriftifdj für
ben Dtongel an leftteren ift bie Sleufterung eines ciiifliiftreidjcu
BHtgliebeS ber Berfammlung: ,,©S märe für bie Stabt oom finaii-
171
Sogtale $rajt$. CentralBIatt für Sogialpolittf. SRr. 7.
172
gicüen unb Berroaltungöftanbpunfte am heften, wenn ftc einen
©eiteralpäcftter fänbe, ber ihr bie ©aSroerfe abnäftme." Allerbing*
machte fic^ grabe gegen biefe Aeufterung fe^r ftarfer 2öiberfprucft
gcltenb.
Bon ber ©egenfette rourbe feljr richtig bemerft: Sie angebliche
llnfäfttgfeit ber Stabt jur Berroaltung großer roirthfcftaftlicfter
Unternehmungen fei burd) bie günftigcit SöetriebSergebniffe ber fo*
genannten ftäbtifdjen SBerfe, in*befonbere ber ©a** unb Söaffer*
roerfe, Iängft glängenb roibcrlegt. Hntfcftlicfte man fteft jeftt nicht
gur Üebernaftme, fo roerbe biefe 1915, roo bie fidf) oon Sag gu
Sag oergröfteritben Hleftrigität*rocrfe (eine Biajimalgrenge ber Au**
behnung ift übrigen* in betn neuen Bcrtrage auch oorgefeften)
etroa 100 Millionen — gegen 50 jur Reit — foften mürben, erft
recht unmöglich fein. Sic Hlcftrigität fei ein ftarfer Eonfurrent
be* ©afe*. Solglic^ ntiiftte bie Stabt beibe* in $>änben behalten.
Hnblich liefere man ben Aftienaefellfcftaften nttb ben hinter ihnen
fteftenben Öinangmäcfttcn ba* ftccftt auf ÜBenuftung ber (Straften
unb ^läfte au*. Ser § 11 be* Bertraae*, nach *> cm hie ©efett*
feftaft Berliner HIcftrigttät*roerfe gur Lieferung ber Hleftrigität gutn
betriebe ber Straftenbaftnen oerpflicfttet ift, habe bie fehr bebenf*
licftc Senbettg, ber Bilbung eine* B?o nopol* für Hleftrigität**
lieferuug bie Bkge gu ebnen.
3m Saufe ber Berftanblnngeit gelang e* ben SRegiefreunbeit noch,
bie Hrftöftung ber SReingcminnbetfteiligung für bie Stabt auf 50 %
(ftatt 35 % ber Diagifirat*oorlage unb 40 u / () be* Au*fd)uftDorfcftlage*)
bureftgubrüefen. Stefe gunäcftft non ber ©efeQfcftaft für unannehm*
bar erflärte Bebingatig, roelcfte offenbar eingebracht mar, um ben
Vertrag gu $all gu bringen, foH, bem Berneftmen nach, oon iftt
ingroifchen hoch noch acceptirt morben fein.
3m gangen Verträge ift enblich nur ein einziger Paragraph
fogialpolitifcften 3uftalte*, ben ber Stabtoerorbnetenauöfcftuft, nicht
etma ber Biagiftrat, auf Anbrängen ber Sogialbcmofraten noeft
nachträglich ^ineiHgebracf^t ftat: $ 33, melcher bie ©efeöfdjaft gur
Hinrichtung einer s $enfion*faffe nach bem Biufter ber in ben
Staate* unb Beicft*betriebcn norhanbenen ähnlichen Hinrichtungen
verpflichtet.
Sroft ber fchlecftten Hrfahrungen, bie bie Stabt in früheren
feiten mit bem Bferbebaftnfonfortium fomie ber cnglifchen ©a**
unb ber BkffergefeUfdjaft gemacht hat — ber leftteren muftten für
vorzeitige Söfung be* BkfferlicferungSoertrage* 10 Biifüoncn Biarf
^rei*gufd)lag gegaftlt roerben —, ift ber Bi'agiftrat 1885 in ben*
felbett Fehler ocrfallen, inbem er einen Eontraft mit ben berliner
Hleftrigitätöroerfen auf 30 3aftre unter ben ermähnten ungünftigen
Bebittgungen abfcftloft. glätte bie Stabt bereits 1885 eigene Bkrfe
errufttet, fo mürben fie mit einem Anlagefapital oon etroa
‘20 Biillionen Biarf ^eut eine fichere Beide oon runb 2 Biillionen
Biarf haben. SB ir glauben gmar nicht, baft in ber furgen 3nnfcften*
geit oon ad)t Sagen bie Agitation gu ©unften be* ftäbtifchen Begie*
betriebet etroa* erreidjen mirb. Bicftt*beftoroeniger mürben mir
eine fofortige llcbernahmc ber s Berfe, troft ihrer Uebergaftlung, als
im Sntereffe ber Stabtgemciube liegenb erachten. Sie oerirag**
mäftige Befcftränfung ber Au*bcftnung ber Anlagen fiele mit einem
Schlage fort, fo baft bie fcftr erhebliche SBetriebSerroeiternng fogleidE)
einen Sfteil be* Scftaben* mieber mettmachen mürbe. Sa* gur
Bergröfterung ber Bßerfe erforberlidje ©elb erhält bie Stabt occ*
möge ihre* fidjer begrünbeten Erebit* gu bem billigen 3in*fufte
oon 3 l / 2 % al pari, roontit fie ba* Soppelte herau*roirtbfcftaften
fami. Sa* 22icfttigfte ift aber, baft fie £>errin im eigenen £>aufe
bleibt unb uidjt in 9lbhängigfeit oon übermächtigen $rioatgefeli*
fdiaften geräth- llnb — last not lea.st — fie ift oor neue fogial*
politifdje Aufgaben gefteüt, g. 23. Hinführung billigerer Sarife für
ben Mleinbctrieb, 3Serbefferuug ber Sage ber Slngeftcllten unb Arbeiter
unb gleidmuiftigcre üBenicffichtigung ber Sntereffcn ber gefammten
^iirgcrfchaft bei S^erforgung mit Hleftrigität. Siefen Problemen
fann, mirb unb muft bie Stabt in h^ffentlicf) nicht allguferner 3«it
gercrf)t roerben.
^rbeiterbenteguug.
23cmcgung im 23angetoerbe» Sie 2lu§fd)reib]utg eine* ^au*
arbeitcrfongrcjfeS, ber im fDtärg nächften Sabre* in Serlin ftatt*
fiubcit füll (fiefte leftte Kummer), hat bie Unternehmer ocranlaftt,
bem fd)on lvieberljolt erörterten ^lane eine* ?lrbcitgeberbunbeö be*
üBaugcmcrbe* fiir gang Scutfd)lanb mieber näher gu treten. Hine
in ber oergangenen 22od)c in ^Berlin abgehaltene 2>erfammlung ber
Arbeitgeber be* Maurer* nub ^iuimerergemerbe*, in roeldjer iibcr
ba* Aumachfen ber Drgauifationen ber Arbeiter unb bereu Streif*
oorbereitungen für baS nächfte grühjahr berichtet mürbe, mar ber
Meinung, baft ben Arbeitern nur burd) eine einheitlid)e Draanifation
ber Unternehmer für gang Seutfcftlanb mirffam begegnet meroen fönnc.
H* fei bafter eine foldje einheitliche Drganifation in bie 2£egc gu
leiten. Db fie gu Staube foinmen mirb, muft bahingeftellt bleiben.
Scbenfall* begmeeft ber au*gefd)riebcne allgemeine 23auarbeitcrfon*
greft eine ftraffere 3ufammertfaffung ber organifirten Arbeiter in
ben oerfchiebenen Branchen be* 23augeroerbc*, bie man be*l)alb für
nötljig hält, meil bisher alle geplanten größeren Aftioncn an ber
Uneinigfeit ber Arbeiter fd)eiterten. Sefttere riiften gu einer gröfteren
Aftion unb fammeln fleiftig für ben Hcutralfonb*. ffteben ber Hr*
ftrebung eine* befferen Schufte* gegen Unfälle hanbelt e* fieft um
einen allgemeinen Eampf für §eraofcftung ber Arbeitzeit unb Hr*
höftung ber Söhne.
Sie 9uchbni<fer*Sartf6eUiegttng f bie gemeinfam oon ben Drga*
nifationen ber ^ringipale unb ber ©ehülfeit jeftt in bie Segc ge*
leitet morben ift (ogl. „Sog. ^rayi*" Saftig- VIII Sp. 66), i)at
in ben roenigen 2Sod)en feit 3)filte Dftober fefton ben Hrfolg ge*
habt, baft 486 Sinnen in gufantmcu 349 Drten bem Sarifoerbaitbe
beigetreten fmb. Befonber* erfreulich ift, baft ber 23erbanb aud)
in mheinlanb*2Beftfalen, mo ein befotiberer herein mit einem eigenen
Sarif eriftirt, mefentliche Sortfcftritte mad)t: Anfang 1896 gehörten
bort nur 15, jeftt runb 200 Sinnen bem allgemeinen Sarifoerbaubc
an. 2Bie ber „Horrefponbent" mittheilt, fmb bem ©ebiilfenoerbanb
burch bie 23emegung etma 3000 neue s JDUtglieber gugeroad)feu 3m
©roften unb ©attgett haben fid) biefe Tyortfc^ritte auf fricblidjem
22ege oollgogen; oon erheblicheren Arbeit*einftc(Iungen mirb menig
berichtet, obmoftl in einigen nicht tariftreuen ^ringipalblättcrn eine
fehr erregte ©egeuagitation geführt unb namentlich ungefcheut mit
ber Anlentung oon s A)?äbcheu (!) unb Enabcn, alfo ber böfeften Sehr*
ling*güchterei, gebroftt mirb.
Sroljentoer 83äiferaii*fitaiib in öcrlin. §i er 3 u mirb be* Weiteren
(ogl. „Sogiale fßraji*" 3ah^9- VIII Sp.147) berichtet, baft bie s l)feiftcr
geneigt feien, mit ben ©efellen itt Unterhanblungen gu treten. Sie
s &eifter feien bereit, eine HentralfteHc gu errichten, meld)c bie Se*
fchmerben ber ©efellen entgegen nehmen foll. Auch in ber Sohn*
frage feien bie s Dfeifter gu 3ugeftäubniffen bereit, nicht aber in
betreff ber Abfchaffung oe* Eo'ft* unb Sogi*mefen* beim SReifter.
3ngmifd)en hat eine ©efellenoerfammlung befd)loffen, bie SDieifter
normal* aufguforbern, bei ÜBcbarf au Arbeit*fräften nur ben oon
ben ©efellen eingerichteten Arbcit*nachmei* gu benufteit. Sic Stamen
ber Unternehmer, melche biefem Verlangen nicht nadjfommen, folleii
öffentlich befannt gemacht roerben. Sarnit foll aufchciucnb auf bie
grofteu Örobbäcfereien in ben äufteren Stabttheilen eingeroirft
roerben, bie gumeift oon ber Arbeiterluubfchaft abhängig finb.
3JtögIid)crroeiie fommt e* auch in Berlin ebenfo roie in Hamburg
gu einem SBrobbopfott. Auf beiben Seiten mirb au gen feftein lieft
gum Eampfe gerüftet.
Sie Aereinigung ber Waler, fiaifircr, Anftreifftcr ttnb oertoanbter 83c*
ntf*gcuoffe« Seutfcbla^b* hielt Hube Cftobcr in Mannheim iftre OJcncral*
ocrfammlmcg ab. Ste Witgliebcrgatil beträgt jeftt 6000 in 180 3 fl hl s
ftcllcn (Iksh mären e* 991 Atitgliebcr in 26 ^ahlftcHen). Streif* haben
1898 geftn ftattgefunben, an ben 117r» ^erfonen bcthciligt maren. Hine
oom l'üiftanbc aufgenommene Stntiftif über bie Arbcit^lofigfeit ergab
folgenbc* Sicfultat: Angaftl ber 'Befragten 4440, co maren oerheirathet
1887, e* maren Icbig 2r>;»8, Angabi ber Arbcit*lofen Tauer ber
Arbeit*lofigfcit in 22odjeu 31786, Turdjfdjnitt bei Arbcit*lofigfeit pro
^erfou in Stochen 7,is, 3ahl ber Hvfranften 988 , x gnl)I bei Mratcf*
heit*tagc 17023. Bei ber: ,.Stellungnahme gur Arbritölofcimutcr*
ftüftung refp. Hrmeiterung bc* llnterftüftmigomefcuf® mar bao Hrgobnift
ber Berathuug, baft mit 22 gegen 19 Stimmen bie Hiufübrmtg ber
Arbcitylofcnuuterftüftung abgclehnt mürbe. Tagegen mürbe beihioffen,
um aueft beit ortcmtifäffigen .Siollegeu in bei £iganifation mehr greif*
bare Borthcilc gu bieten, in .stranfheitofäüen eenen ^ftifdiuft gu gemäljrcit.
Te* ferneren mürbe and) ctu neue* StreifregIcmcnt bcfcftloffen, rocldic*
befagt, baft fämmtliihe Streif* ber rberleitung be* Borftanbe* unter*
liegen. Alle Bcfdjlüfie begiiglid) ber Streif* biirfen nur in Bcitglieber*
oerfammlimgen in geheimer Aliftimmmig gefaftt roerben. 3 l, r ^nrd)*
fiihrmtg ber Streif* mirb in bcu Bitonateu April, üai, ^siuit unb ^uli
eine obligatovifdje Strcifftener im Betrage oon 2 M. erhoben. Tic
Streifmiterftüftuug beträgt für ictebigc s für Berheirathete io m,
mtb für jebe* Mittb unter 14 fahren . r >0 4- Tie llnteiftüftung*bcred)=
tigung tritt uad) lHmödjentlidjcr iliiitgliebfdjaft ein.
Sogialbemofratifche Hifeubafttier beim öfterreicftifchett Htfett«
baftnrntniftcr. Am 5. ö. Bi. hat eine Seoutation fogialbemofrati*
fefter Htfeitbnhncr bem öfterreieftifd)cn HifenbabumimfUT ein Bie*
moraubum überrcid;t, in bem bie hauptfädjlüftiten Biünfd)e ber
Bebienftetcn in Begug auf Sohitcrhöhuug, Aibeit*geit, ^eufiotiirung
u. f. m. enthalten finb. Sie Scputation (gernäftlt oon einer oon Ber*
173
Soziale Gentralblatt für ©ogialpottttf. Nr. 7.
174
trctcrn bcr fämmtlicßen f.f. öfterreicßifcßen ©taatSbaßnbireftionSbezirfe
befcf)icftcn Ronferenz) oertrat bie fünf großen Tienftgruppen ber
Eifenbaßner: Sofomotio*, 3 u 9‘f ©Freden», ©tationS* unb Werf*
ftätfenpcrfonal unb umfaßte Telegirte ber TireftionSbezirfe Wien,
Bidad), £inz, Prag unb Hilfen. Tie ©precßer ber ^Deputation
erflärten, baß, wenn bie Turcßfüßrung ber SBünfd^e nidjt fofort
erfolgen fönne, tninbeftens eine augenblicflicße (Sr^ö^ung ber ©e*
ßälter unb ßößne um 2O°/ 0 erfolgen möge. 9^a<^ ber „Wiener
Arbeiterzeitung" fod ber Minifter bie gebrüdfte Sage ber Söebicnfteten
anerfannt unb Aufbefferung oerfprocßen ßaben.
©in fcmgrtß ber Tcgttlarbeitcr Belgien# bat oor furger 3 e ü
ftattgefunben. Vertreten waren auf biefem Rongreß fämmthebe
Zweige ber belgifcßen Tejtilinbuftrie, fo ganz bcfonberS auS ben
Zentren ber Wodinbuftrie oon BeroierS unb ber Baiimwod* unb
Ikineninbuftrie oon ©ent. Nach ben ©ituationSbericßten, welche
auf bem Rongreß gegeben würben, betrögt ber bureß fcßnittlicße
Wocßenoerbienft ber Textilarbeiter 12S*cS., bie Arbeiterinnen tn
Webereien mit ununterbrochenem betriebe foHen einen wöchentlichen
Sohn ooit burchfchuittlich 10 greä. erhalten. Was bie Arbeitzeit
anbelangt, fo würbe berichtet, baß in ben mechanifchen Siebereien
ber Prooiitz Slonbern bie wöchentliche Arbeitszeit 72 ©tunben be*
trage, als bureß ftßmttlicße Arbeitszeit ber |mnbwerfer würben
60 ©tunben angegeben. TaS Ergebniß ber Berßanblung beS Ron*
greffeS ift, baß bie ©rünbung einer Bereinigung aller in ber belgi*
fd)en Teftilinbuftrie befcßäftigten Arbeiter unb Arbeiterinnen be*
fdßloffen würbe.
Minbeftforbernngen bcr Trabe Union# an bie ©efeßgebnng.
früher war es ©Ute, baß bas parlamentarifche RotmtS ber
Trabe UnionS z» beginn ber politifcßen Arbeiten in perfönlichen
Aborbnungen bei Miniftern unb einflußreichen Abgeorbneten bie
Sorberungen ber organifirten Arbeiter oertrat. Ter Kongreß in
Briftol hat biefen Brauch abzufeßaffen befchloffen, ba er fich als un*
wirffam erwiefen hat. An feiner ©teile foH nun eine neue ArbeitS*
charte aufgefteEt, oon ben Trabe UitionS unterfeßrieben, ben ©taats*
männern, Parlamentariern unb Waßlfanbibaten oorgelegt werben.
TaS parlamentarifche Rornite hat burch fein Mitglieb ©. Woob#
bie ©runbzüge biefer ©harte in acht fünften entworfen, bie als
Minbeftforberungen. ber Trabe UitionS an bie ©efeßgebung gelten
follen. Es ftno: 1. Erleichterung unb Berallgemeinerung beS
Wahlrechts; 2. Einfcßäfcung unb oode Beteuerung beS ©runb unb
BobenS; 3. Parlamentsbiäten; 4. AuSbcßnnng ber Arbeiter*UnfaE*
entfehäbigung auf ade ©ewerbe unb Snbuftrie zu Sanb unb ©ee;
5. Beffere Anwenbung ber Fair-Wages*Nefolution, Sohnminimum
oon 24 ©h. wöchentlich in allen ©taatsbetrieben; 6. Achtftunbcntag
für Bergleute; 7. Amtliche Erhebung über Maßregelung oon Eifern»
baßnern wegen Tßeilnaßme an ©ewerfoereinen; 8. Ein ©djußgefeß
für Tampfmafcßinen* unb Reffelarbeiter. — 3u ber arbeiterfreu nb*
liehen treffe wirb ber Einwanb erhoben, baß bieS Programm hoch feßr
wichtige Sorberungen oergeffe, oor Allem bie Regelung ber Rinber*
arbeit, in ber Englaitb weit hinter ben meiften anberen Rultur*
ftaaten zurüeffteht, unb ben befferen ©djuß in gefährlichen ©ewerbeit.
Betoegmta unter ben Rednern tn Baris. Tie Sage ber Redner
ift bort wie überall troß oft feßr bebentenber Tageseinnahmen meßt
feßr glänzenb. Ter Sachnerein h°t feßon oerfeßiebene Male An*
ftrengungen gemacht, bureß Abfcßaffung ber Trinfgelber unb Ein*
füßrung ber fjfen Bezahlung ben Beruf auf eine höhere moralifcße
©tufe zu bringen. Snbeffen zeitigten biefe Beftrebungen noch
{einerlei ficßtbaren Erfolg. 3m gegenwärtigen Momente richten
ließ bie Beftrebungen ber Redner auf bie Befestigung anberer Miß*
ftänbe, auf bie Befeitigung ber ©tedenoermittfungSbureauS unb
ber fogenannten frais. Angeregt würbe biefe Bewegung einmal
bureß bie oor Rurzem erfolgte Erhöhung beS parifex DftroiS auf
Alfoßol, welche ben Wirtßen Beranlaffung gab, ihre greife zu er*
hößen, fobann bureß bas §erannaßen ber WeltauSftedung, bie einen
beträchtlichen ©elbzufluß naeß Paris bringen wirb, an bem, wie
Jürzticf) bie Bauarbeiter, alle Rategorien oon Arbeitern fteß ißren
Antßeil fießern wollen, 3n ben meiften NeftaurantS unb Raffee*
ßäufern beziehen bie ReEner iticßt nur feinen Soßn, fonbern ent*
ricßteti umgefeßrt oon ißren Einnahmen aus ben Trinfgelbern ge*
wiffe Beträge an ben Befißer, bie zwfainmen mit ben für eine
©teEe bezahlten BermittlungSgebüßren baS Einfommcu ber Redner
ganz erheblich beladen. Auf bie ünterbrücfung biefer frais arbeitet
man in erfler Sinie ßin. Eine Berfainmlung ber Redner in ber
Arbeitsbörfe faßte fiirzlicß ben Sefcßluß, eine Eingabe ans s ßarla*
ment zu machen, um einen ftaatsgefeßlicßen ©cßuß ber Sößne gegen
bie Mißbrauche z u erlangen, bie unter bem ©tjftem bcr frais fieß
einfcßleicßen. Weiter oerlangt man oom ^arifer ©tabtratß einen
bireften Eingriff. 2)a er bie Ronzefftonen für bie in ben Welt*
auSftedungSräumen ju eröffnenben Sdeftaurants z» »ergeben ßat,
beantragt man bie Einführung einer Rlaufel, bie bie frais unter*
brüeft, in bie RonzeffionSoerträge.
T)ie italtenifcßen Eifenbaßnorbeiter, bie über bie ftärffte gewerf*
fcßaftliche Draanifation SladenS oerfügen unb bei ber auf bem
Rongreß in Mailaitb 1894 erfolgten Berfcßmelzung ber oerfeßiebenen
Eifenbaßneroereine z« einem großen einheitlichen Berbanb (Lega
dei ferrovieri italiana) gugleid^ ißren Beitritt italienifcßen
fozialbemofratifcßen Partei erflärten, finb in Solge ber Mailänder
Unrußen „militariErt", b. ß ber MilitärbiSgipIin unterftedt worben.
Troßbem ßaben fie neuerbingS ein neues Sacßblatt, „II Treno“
(„Ter 3ug"), gegrünbet, baS oon bem fozialbemofratifcßen $arla*
mentsabgeorbneten unb Seiter ber Eifenbaßner*Drgauifation, 9?ofri,
ßerausgegeben wirb. SEofri würbe bei ben leßten Parlaments*
waßlen oon fo^ialbemofratifeßer ©eite in Turin gewäßlt.
3Ubeiterfd)it^
Tte ©ewerbeßhgtene unb bie Mebizinalbeßörbeu in Preuße».
Auf ber Mitte ©epteniber 1897 abgeßaltcnen 14. ^auptoerfammlung
beS PreußifdßenMebizinalbeamtenoereinS würbe mit großem SEacßbrucf
aus ber Mitte ber Berfammlung bie Sorberung erßoben, baß im
öffentlichen Sntereffe eine ftärfere unb einflußreichere Setßeiligung
ber Mcbizirtalbeamten an aden 3 l »eigen ber ©ewerbeßtjgiene ftatt*
ßnbe (oergl. „©oziale prayiS" 3fab*g. ©p. 15). Tiefer Apped
feßeint nießt oßne Wirfnng geblieben zu fein, benn es wirb amtlich
befannt gemalt, baß bie am 23. Sdooember zufammentretenbe,
bureß Bertreter ber Aerztefammern erweiternbe Wiffenfcßaftliche
Teputation für baS Mebizinalwefen fieß bieSmal „mit einem be*
fonberS wichtigen ©egenftanbe aus bem Bereiche bcr ©ewerbe*
ßpgiene" befcßäftigen fod. Erläutemb wirb gefagt:
Befamitlicß ßat bie Betßeiligung ber MebizinalDcamten bei ber
Errichtung unb Beränberung gewerblicher Anlagen fowic bei ber Be*
aufricßtigung beS Betriebes berfelben feit Erfaß ber preußifeßen ©ewerbe*
orbnung oom 17. ^onuar 1845 mehrfache WanMungcn erfahren. S»
neuerer 3 e it werben bie Mebizinalbeamteu nur uoeß in befonberen
SäHen unb in befeßränftem Umfange zur Mitwirfung herangezogen,
unb eS fragt fieß baßer, ob nießt bie befteßenben Borfdjriften einer Ab-
änberuitg in bem ©inne bebürfen, baß ben Mebizinalbeainlen auf bem
bezeießneten ©ebiete eine weitergeßenbe Mitwirfung ein geräumt wirb.
©erabe biefen punft ßatte bie 14. |>auptoerfammlung beS
Preußifeßen MebizinatbeamtenoereinS als befonberS reformbebürftig
betont; baneben war freilich auch noeß auf bie ßggienifdjen Miß*
ftänbe im Rleingemerbe unb in ber |)auSinbuftrie ßingewiefen.
Namentlich berührte fpmpatßifd) bie Sorberung eines engen 3 Us
fammenwirfens ber Mebizinalbeamten mit ben ©ewerbeaufficßls*
beamten im Sntereffe ber wirffamen Ausführung ber Arbeiterfcßuß*
beftimmungen ber ©ewerbeorbnung. 3n Englanb ift in biefer
^infießt fürzlicß eine Neuerung oon großer Bebeutung getroffen
worben: bem 0ber*3abrifinfpeftor ift eine mebizinifeße Autorität
unterftedt worben, beffen Tßätigfeit fuß auf baS ganze Sanb im
Sntereffe ber ©efunbßeit unb ©ießerßeit ber Arbeiter erftreefen fod.
Wir ßaben hierüber im Saßrg- VIII ©p. 46 berichtet.
©ißtth ber Angefteflten in Sabcngefcßäften. Es wirb uns oon
unterrichteter ©eite beftätigt, baß im NeicßSamt beS Snnern auf
©runb ber feit 1892 geführten Erhebungen ber Rommiffion für
Arbeiterftatiftif ein ©efeßentmurf ausgearbeitet wirb. Wenn aber
bereits in ber Preffe Angaben über ben Qnßalt oeröffentlicßt werben
(fachgemäße Anwenbung beS §. 120b ber ©ewerbeorbnung, ber bie
Anorbnung oon Einrichtungen z»m ©cßuße ber ©efunbßeit ber
Arbeiter betrifft, AnSbeßnuna beS §. 120e ber ©ewerbeorbnung,
ber bem BunbeSratß bie Befugniß giebt, bie Arbeitszeit in be*
ftimmten Betrieben einzufeßränfen unb bie ArbeitSpaufen z» regeln,
AuSbeßnung ber ©cßußbeftimmungen für jugenblicße unb weiblicße
Arbeiter auf baS gmnbelSgewerbe), fo erfahren wir, baß biefe Mit*
tßeilungen ben Tßatfacßen nießt oödig entfpreeßen. Tic z« er*
wartenbe Borlage bürfte fcßwerlicß fo, wie bort angebentet, ans*
fcßen, obwoßl biefe Sorberungen faft einftimmig oom Neicßstag
in einer oom Gentrum bei SÖeratßung beS neuen SwnbclSgefch*
bncßeS angeregten Nefolution erßoben worben waren. Es heißt,
baß in bem Entwurf eine Minbeft*Nuhezeit bcr Angcftedtcn oor*
gefd)rieben werben fod. — Ein förmliches ©cßiißgefeh für bie
|>anbelSangeftcdten ift im ©epteniber oorigen Jahres oon bem
fozialbemofratifcßen Berbanb beS öftciTeidjifiheu NeidjSratßS ein*
gebradjt worben, aber nicht zur Berathung geFommen. Tttsfelbc
ließt neben bem 8 llhr*üabenfd;luß, ber ©ipgclegeußeit für Bcr*
1T5
©ojtale SßrajiS. ©entralblait für ©ogtalpolitü. Str. 7.
176
fäufcrinncTi, aucp bie ftufeitroeife ©infüpruitg beS AcptftuubentageS
oor unb enthält int Uebrigen bie roeitgepenbften 0cpufcbeftimmungen.
Urteil bcS ftammergericptS in 0adjen beS fönberfcpitpeS.
©ine tt>icf>tige mtb fepr erfreuliche ©ntfcpeibung pat Kammer*
geriet gefällt. Der Dpatbefianb beS Falles mar folgenber:
Gtne am 29. Dftober 1897 für SRüplpaufen i. Df)ür. erlaffene Boltgei*
oerorbnung beftimmt, baß frfjulpflistige Sfinbe.r grotfcpen 7 Uhr
Abenbs unb 7 Uhr früh nicht 311 m Austragen oon SRild), Barfroaareti,
Fettungen, nicht gutn Ätegelnuffefeeu unb auch nicht gu allen anberen
geroerblichen ^werfen oerroenbet roerben bürten. (Sin Bacfcrmeifter roar
angeflagt, [ich gegen bie Beftimmung baburep ©ergangen 511 hebert, bah
er feinen fchulpflichtigeu ©oljn grott'cpen 6 unb 7 Uhr früh mit bem
Austragen non Barfroaaren l-ejcpäfttgte. Das Schöffengericht oerur*
tpeilte ihn gu einer ©clbftrafe unb führte begriinbenb aus, bafo eine
ftrenge Durchführung ber im gutereffe ber ftinber erlaffeneu Berorbnung
geboten erfcheine. Aadjbetn bas Lanbgericfjt bie Berufung beS Auge*
flagten uerroorfen hatte, legte biefer bie Aeutfion ein unb beftritt bie
AecptSgültigfett ber ^olijeiocrorbnung.
Das Kammer geriept oerroarf inbeffen Anfang Aooember b. F-
bie SRcoifion mit folgenber Begriiitbung:
Die ^oIi 5 eiDerorbnnng fei burdjaus rechtsgültig, ©ie finbe ihre
©tüfce int §. 6 f beS Boltget*BerroaItungSgefebeS, ba fte erlaffen fei aus
©orge für Sehen unb ©efunbheit ber .(iittber. ©ie flehe and)
nicht in SSMberfprucl) mit §. 120e ber ©eroerbeorbnung. AflerbtngS
fönue bie Aetd)S*©croerbet>rbnung ben fraglichen ©egenftanb burch Be*
fchlüffc beS BunbcSratheS behanbeln. 3m §. 120e heif 3 e es aber auch
auSbrücflid), bah ber Sanbcsgefefcgebung bie Siegelung biefes ©egen*
ftanbes i’tberlaffen fei, roentt iljn bie AeidjSgefcbgebung nicht regele.
$u einem ©efefc im weiteren ©inne gehörten nun auch ^olijeioerorb»
nuitgen, alfo fei bie Siegelung im Wege ber Boltgeioerorbnuttg eben»
falls suläffig. — 3nt ©orliegenbett Falle fei bie Berorbnung oom
29. Cftober 1897 gutreffenb augeroenbet roorben.
Befanntlicp pat baS |)anfeatifd)e Dbcrlanbesgericpt in einem
qan$ ähnlich gelagerten >yau bie AecptSgültigfeit einer gleichartigen
Bohgetoerfügung in Hamburg oerroorfen (oergl. ©ogiale BrayiS
VII. 0p. 912). 0o erfreulich baper an fiep auch bie entgegen*
ftchenbe ©ntfcpeibung beS preufufepen $amtnergericptS ift, fo macht
bie äroiefpöliigfeit ber Auffaffung ber ©erieptspöfe hoch bie ge*
fefeliehe Siegelung beS ©cpupeS oon ©chulfinbertt gegen geroerb*
liehe Ausbeutung erforberlicp.
8<mfereit$ ber Buperlfdien ©efoerbeatiffieptsbeaijiten. Das
Sfiinifterium beS Füttern in kapern, baS ben fogialpolitifdjcn
fragen eine erfreulidje Aufmerffamfcit guroenbet, hat feit Fdpieii
fd)on oeranlafct, baß bie gabrif* unb ©eroerbcinfpeftoreit bes
LanbeS atlxährlich 3 U einer ft'onfereng gufammentreten, um in
gegenfettiger AuSfpradje FüphwQ mit einanber gu geroinnen unb
eine ©emeinfauifeit bcS Arbeitsplanes perguftellen, ber für bie
Fortführung beS ArbciterfcpupeS oon poper Bcbeutung ift. Wie
uttS aus SJUindjen gefdjrieben roirb, fanb bieSmal bie itonfereng
am 7. unb 8. Siooember unter SSorfifj beS SRinifterS greiherrn
o. Feiliöfch ftatt. Die fefjr reichhaltige DageSorbnuitg erftreefte fich
inSbefonbere auf folgenbe fünfte:
©cftaltung ber S?erl)ältniffe groifd^en ben ©erocrbeauffichtsbeamten
unb ben Arbeitgebern unb Arbeitern feit bem Vorjahre. Art unb
Seife, in welcher bie ©pegialerhebungen für bas im Fapre 1899 ju
unterfudjenbe ©chmiebegeroerbe 31 t pflegen finb. (1897 waren bie
Sifrfiler, 1898 finb bie ©epneiber an ber Sieihe.) Sefprechung einer
möglich ft einheitlichen ©eftaltung beS 3ahresbcrid)tes. Sahruehmuugcn
bezüglich ber bisherigen Shäiigfeit ber rociblidjeu .^iilfsfräfte im Auf*
fidjtöbicufte. Beobachtungen über bie gewerbliche Arbeit oon .Hinbcrn
unter 14 Fahren. Sic läpt fid) bie ©iuridjtuug non Sehrrocrfftätteit
am grordmähigften geftalten? (imphehlt es fid), Lehrlinge bei tüchtigen
SReiftern unter llcberuahme ber Äioften auf öffcntlidic Foubs untergu»
bringen? Berhctltniffe in Bärfercien. Bollgug ber ©ountagsruhbeftim*
muugeu a) in Brauereien, b) in ben mit unregclmcihiger Biafferfraft
arbeiteuben Betrieben. Bisherige lintwirfelung itub ihätigfeit ber
Arbcitcrauöfdiüffe. Selche Fortfdjrittc hat bie Uufallnerhütuug im Bau* j
geroerbe aufguweifen? Sirb feitenö ber Unternehmer a) ber ©taubab*
iauguug, b) ber {lerftcüung non Safch* unb Babeeiuriditungen ge=
nügeubc Beachtung gefchenft? ©inb auf bem ©cbicte ber Befchaffnug
gefmtber unb wohlfeiler Slrbcitcrwohuungen Fortfdjrittc 311 oergcidiuen?
„Stad) drlebigung ber DageSorbnuitg taufdjten bic Fnfpcftoren
in gegenfeitiger Befprechung bie oon ihnen im l^aufc bcs ocr*
gangcncit Fap^^ gemachten befonberen Sahrnehinungeu unb (ir*
fal)rungeit aus, um ihre Amtsthätigfeit gu einer möglich)! gleich*
mäßigen gu gcftaltenheißt cS in einer halbamtlichen Bcitthciluug.
B3ir föttnen baS Borgepen in Bauern aubent beutfehen Räubern, bie
eine größere Bapl non ©croerbetnfpeftoren befipett, nur gur Sc ach*
apinung empfehlen!
©iti äitrfuS für bie AnSbtlbuttg oon ^abrilinfpcftorttiiten in ©tutt=
gart, beffen Crganifation Frau SiümeHn=STeftcrlen nad) bem Borgang
turn Berlin unb äViutcpen in bie Segc geleitet pat, wirb erft eröffnet
roerben, wenn bie Sürttemhergifcpe Kammer bic Frage ber Aufteilung
oon Fahrifinfpeftorinnen abermals erörtert hat. ©S biirfte bicS aller
Sahrfcheiulidjfcit nad) im Februar 1899 ber Fall fein. Der töurfuS
roirb nad) ber ,,©leid)heit" nicht bloft Borträge über bie eiitfd)lägigcu
Themata umfaffen, fonbern mit fcminariftifchen unb praftifdEjcn Hebungen
oerbunben fein.
©taatSberorbming für Bürfereien ttt £übedf. Stach öem SOtufter
oon Hamburg (Dgl. „0og. BtayiS" 3ah^9- VII 0p. 308) mtb
DreSben (3(*h*g- VII 0p. 468) erläßt jejjt auch btr 0enat 001 t
Sübecf Borfcpriften über bie ©tnrid)tnng unb ben Betrieb oon
Bäcfereien im Sntereffe ber ©efunbpeit unb Steinlichfeit. Die Ber*
orbnitng umfafet 18 oon benen bie Beftimmuugen
in ben §§. 2 unb 3. au^er Bei ©rrocitermtg unb Umbau ber An*
lagen, innerhalb ber näcpfteu fünf Sapre auf bereits beftehenbe
Anlagen nur bann Attroenbung finben, roenn bringettbe Uebelftänbc
gu befeitigen finb. Die §§. 2 unb 3 lauten: „Die Bacfl)äufer
müffen mtnbefienS 3 m, bie Bacfftubcn minbeftenS 2, 70 m poep
fein" unb „Die Arbeitsräume muffen mit Fünftem oerfepen fein,
roelcpe naep 3öpl »nb ©röfee aitSretcpen, um für alle Arbeitszeiten
bei Dage ohne füitftlicpe Beleud)tung pinreicpenbcS Sicpt gu ge*
roäpren." Diefe auf Art. 120e Abf. 2 berupenbe Berorbttuug tritt
mit bem 1. Sdnuar 1899 in Straft.
ÄrbeUeroerndjernng. Qparha)Tctt.
Die ©rgeBniffe ber ^nbalibenberficperung für 1897.
3n ben „Amtlicpcn Stacpricpteu beS Steicps-Berficperungsanites"
finb bie finanziellen ©rgebniffe ber Snoalibenoerfidjerung, fotocit
fie bie Bertpcilung ber SRentcnantpeile auf bic eingelnen Ber*
ficperungSanftalten unb bie ©rftattnng ber Beiträge in ben Fällen
beS DobeS unb ber Bcrpeiratbuna betreffen, früper mitgetpeilt
roorben; roir paben baoort auep bereits Stotig genommen (ogl.
0og. s $rariS VII 0p. 1176). ©s feplcn aber noep bie Stad)toeifungen
über bie ©innapmen unb über bie 3 a Pl bewilligten Stenten.
SöaS beit Iepteren Bun^t betrifft, fo ging aus beit finanziellen
©rgebniffen fepott peroor, bafe ber im 3<iVe 1896 bereits bei ein*
gelnen BerficperungSanftalten bemerfbare 0tiU)tanb in bem ©elb*
betrage ber Altersrenten im 3«prc 1897 gitm offenbaren Stncfgancjc
and) itt ber 3 a Pl ^ cr Altersrenten geworben ift. Stacp einer mir
oorlicgenbeit llcberficpt ber oorläufigett feftgeftcllten Sted)nungS*
ergebniffc für 1897 finb bewilligt roorben 21 709 Altersrenten,
bagegett finb in beutfelbett 3apre in Wegfall gefontnten 21 760
Altersrenten, fo bafc tpatfäcplid) am 0cpluffe beS QapreS 1897
51 Altersrenten weniger in (Geltung waren als am 0d)lnffe beS
SapreS 1896. ©in Abgang an Altersrenten maept fiep natürlich
bort am erften benterfbar, roo bie Altersrenten am ftärffien be*
willigt waren, bei ben Anftalten, in bereu Begirfen bie £atibroirtp*
fd)aft oorperrfd)t. ©S geigt fid) ein Ueberfcpufc ber roeggefallcneu
über bie neu bewilligten Altersrenten in £ ftp renfjen oon 358,
©eftpreuhen 137, Branbetibnrg 62, 293, 0cplefiett 110,
.J)annooer 20, ©eftfalen 91, .Reffen * Siaffau 75, Stpeinlanb 11,
Öberbapern 125, Siieberbapern 107, Bicdg 60, Dberfranfcit 21,
Unterfranfen 37, 0tproabett 51, ©Irnppergogtpuiu .reffen 21 itnb
Dlbcuburg 3. ©in Btepr ber bewilligten Altersrenten über bie
roeggefallencu geigt fiep in Berlin mit 115, ^muntern mit 7,
oing 0ad)feit mit 187, 0d)lesroig*§oIfteiit mit 53, £berpfalg mit
3t, Bfittelfran fett mit 2, Slöuigrcicp 0atpfen mit 598, Württemberg
mit 355, Baben mit 91, Bceifleuburg mit 111, Dpüringen mit
106, Braunfdjroeig mit 37, Manfeftäbte mit 120 unb ©Ifafe*
Lothringen mit 15 Altersrenten.
An" SiHKÜibcurentcn finb im Fohre 1897 bewilligt roorben
71 805, bagegeu in Wegfall gefommen 24895, fo baß ein FuniacpS
! oon 46 910 Fnoalibcnrcntcit gu ocrgeidjiten ift. Bon biefem 3 Us
ioari)S entfallen auf Cftprcußeu 2 857, Weftpreufjcii 1 940, Berlin
891, B'rnnbenburg 2 212, Bommertt 1957, Bofcn 2 135, 0cplcfieu
6 519, B^ouiitg 0acpfeu 2 los, 0ihlesioig=MoI)tein 1 668, ,v>annooer
2 96s, Bicftfalen 1 740, /ocf|cn*Siafiau 1 098, Sipeinlanb 3 730,
Bauern 5 255, Mönigreid) ©ad)|en 2 662, Württemberg 1 876,
Babett 1 275, ©roßpergogthum .v)cfiett 65s, BRccflenburg 538,
Thüringen 945, Clbctiburg 16 s , Braunfdjrocig 270, §anfajtäbte
663 ntib ©Ifaß*Lotpriiigcti 717.
Die B^etoilligung oon Alters* nub Fnoalibitätsrcnten feit 1891
opttc SRürfficpt auf bie ingwifdjen toieber in Wegfall gefouiuteuen
Stenten ftcllt fiep am ©cpluifc beS Fahre* 1897 auf 1000 oerfidjerte
Bcrfonett folgctibcrmaßeit: in 0cplefictt 11 ,r,o, in 0cplcStoig*.J)oI)tein
11,-,;, in Mannooer 10,7^ in Cftprciißni 10,.-,,), in Bommcvn 10,17,
in Württemberg. 10,,»$, in Weftprcujgcit 9,-_> 7 , in Aieberbai)crn 8,9p,
177
Sogtale Braji*. GentralBlatt für Sogtalpoltttf. 9tt. 7.
178
in Branbenburg 8 , 75 , in Dberbapern 8 , 74 , in Dbcrfranfen, Baben
unb Btecflenburg 8 , 04 ; bie übrigen Anftalten haben weniger Renten
bewilligt als bcn 3)nrd)f(hnitt, ber ftd) auf 8,54 auf 1000 33er*
fieberte"ftellt; bie niebrigfte $Rentengaf)l entfällt auf Berlin mit 4,25,
bie £>anfeftäbtc mit 4,32 unb Glfaß*£othrinaen mit 5,.%. $)abei ift
aber 31 t Beamten, baß bie non ben ßifenbabnpenfionS* unb ben
KnappfchaftSf affen bewilligten Renten hierbei nid^t in ^Rechnung
gefteßt fiitb.
S)ie SRentenbewißigung ift um fo größer, je länger bie Arbeiter
in üerfid)erung 3 pflid)tiger Befchäftigung bleiben, um fo Keiner, je
mehr fie oor Erlangung einer SRentc aus ber oerficherungSpflid)tigeu
Arbeit auSfcheiben; beSßalb finb auch in ben Bcgirfeit mit boßer
SRentengahl bie Säße ber SRücferfiattung 0011 Beiträgen weniger
gasreich, als in ben Begirfen mit niebriger SRentengahl. So
fommen auf 1000 3>erficberte SRiicferftattungSfäße in Berlin 18, t0 ,
in ben £>anfeftäbten unb im Großhergogthum Reffen 13,7 2 , ba*
gegen in Aiebcrbapern nur 2,ac, in ber ßberpfalg 4, 3I , in ^ofen
7 , 03 , in ©eftpreußen 7 ,35 unb in Dftpreußen 8 , g2 . 2>er $>urch*
fdjnitt fteßt fidf) auf 10,93 für 1000 Berfidjerte.
©as bie Beiträge angebt, fo ift beren Gefammtgelbbetrag
oon 101 526 395 AL im Sabre 1896 auf 104 612 024 AL im
Sabre 1897 geftiegen. Baratt finb aße BerfichcruugSanftalten mit
Ausnahme ber oftpreugifeben unb gweier oon ben acht baperifchen
Anftalten beteiligt, wenn auch bei oielen Anftalten bie Steigerung
ber Ginn abmen nur einige taufenb Btarf auSmad)t. $)er Ber*
mögenSbeftanb ift oon 460 638 854 Af, auf 539183 217 AL ge»
fliegen; bie I)öd)fte Steigerung geigt fi<h in ber SRhetrtprooing, oon
50 333 789 AL auf 59 604 000 f(. unb im Königreich Sacßfen
oon 48 180 232 c/# auf 57 368 082 A( , ferner in Schlcfien oon
36527000 Af auf 42 656 294 AL unb in Berlin oon 28987460 < LL
auf 34 247 336 AL
Berlin. _ §. .ftorn.
StWalibeu* unb Alteröreutuer in $ttttfd)fittib am K Ofiober
1898* 9Jacß amtlicben BMttbeitungen betrug bie 3<*bi ber feit Sn»
frafttreten beS GefefteS (1. Sanuar 1891) bis 30. September 1898
bemißigten 3noalibenrenten 360 253, baoon finb 107 598 weg*
gefaßen, fo baß am 1. Dftober 1898 itod) 252 655 liefen, um
i 4 3 987 mebr als am 1. Suli beffelbert SaßreS. SDic 3abl ber
wäbreitb beffelben 3 e ^raumeS bewißigten Altersrenten betrug
333 064, baoon finb 130 980 weggefauen, fo baß am 1. Dftober
1898 liefen 202 084, um 546 weniger als am 1 . Snli. S)ie 3abl
ber 3 noalibenrentner ift fdjon jeftt alfo gang erheblich größer als
bie ber Altersrentner. — BeitragSerftattungen an weibliche Ber*
fteßerte, bie ficb oereßelid)t haben, unb an bie ^unterbliebenen oon
Berficßerten waren bis 30. September b. 33- im (langen 319 351
bewißigt, gegen 286 425 bis 30. Snni 1898.
ber SnbalibitätS- unb AlterSberftcßerung in Oft*
preu^en, Sn bcin Artifel über bie SnoalibitätSoerfid)erungS*SRooeße,
ben £err Dr. preunb in 9?r. 4 ber „Sogialen BrajiS" oeröffent*
lic|t bat, erwähnte ber Berfaffer, „baß g. B. ber ungünftige Ber*
mögenSftanb ber Anftalt Dftpreußen meßt unoerfcßulbet ift". SOiefe
Anficßl finbet in ben eigenen Gefcßäftsberidjten beS Bor*
ftanbeS ber Anftalt über bie Sabre 1891, 1893, 1894 ihre
ungweifelbafte Unterlage. ©ir erhalten nun bemgegenüber
oon bem jeftigen Borfiftenbcit beS BorftanbeS ber Anftalt Oft*
prenßen eine 3 ufcßrift, laut welcher jene ßRittßeilung unrichtig fei,
ber wirtliche, auf Grunb eingeßenbfter Gnuittelungen feftge)teßte
^batbeftanb fei in einer ®enffd;rift niebergelegt, bie 1897 oom
Borfiftenben beS AnftaltSoorftanbcS oerfaßt worben. ®icfe $>enf*
feßrift, bie ber 3ufcßrift an uns beigefügt war, fommt gu bem Gr*
gebniß, baß bie ungünftige £age ber Anftalt „auf ber Alters*
ruppirung DftpreußetiS, wie fie bureß bie fteigenbe AuSwattbcrung
er Arbeiter nach bem ©eften ßcrbeigefüßrt worben ift," beruße,
nicht aber auf Mängeln in ber Berwaltung.
2)er jeftige Borfiftenbe beS BorftanbeS bcSaoouirt fomit itt aller
Sorm bie früheren amtlichen Bublifationen beS BorftanbeS. gür
ben Unbeteiligten werben aber bie amtlidjen Bublifationen beS
BorftanbeS, bte feinergeit oon beseitigen Beamten oerfaßt worben
finb, bie unmittelbar mit ber Berwaltung betraut unb in ber
Cage waren, ficb eiue genaue Kenntniß ber tßatfädjlidjen Ber*
bältniffen gu oerfebaffen unb auf Grunb berfclbeu ihr llrtßeil gu
bilben, oon größerem Bierth fein, .als bie jeftige Beröffcntlidnmg
eines Beamten, ber in ber in $rage fommenben 3 C ^ ^ CL ' Bcrwal«
tung gänglicb fern ftanb. Bemerfeit möd)tcn wir nodj, baß für bie
ungünftige üage ber 5lnftalt weniger bie £>iutergiebnng oon Bei*
trägen in Betragt fommt als bie ungeheuere Belaftung bnreb
SllterSrentenbewißtgungen, welche im erften Sab^e bie amtlid;e
Scbäfeung um 100 o / 0 überfliegen. Böäbrenb man nun biefe amt»
liehe Schäftung als gu niebrig angreift, bemängelt mau auch
gleichseitig bie amtliche Schäftung ber oerficberungSpflidjtigeu Ber*
fönen als gu b 0 ( h- S>i cr ift e i n unlösbarer 5öiberfpruch oor*
banbeit, ba ja bie 3ubi & cr Zentner in einem Berbältnift gu ber
3abl ber BerficherungSpflichtigen ftebt. Sft alfo bie amtliche
Schäftung ber Iefttcren gu bod) gemefen, fo butte bie Sdjäftutig ber
Zentner noch niebriger auSfaßen müffen, unb bie SDiffcrenj gegen*
über ben tbatfächlich bewißigten Stenten wäre nun eine noch bei
©eitern größere.
Unfatttoerjuberitng ber Seeleute in Sfraufretdj» 3uf°l9 c eine«
oom 21. Slpril 1898 batirten (^efefteS, welches am 1. Sanuar 1899
in ©irffamfeit tritt, finb bie fraitgöfifchen Seeleute oerpfUcfttet,
fich gegen bie bei ihrer Bcfcftäftigung oorfommenben Unfäßc unb
Kranfbeiten gu oerfi^hern. 3 U biefent 3roccfe tft in Berbinbung
mit ber SHterSunterftiiftungSfaffe für Seeleute, weldje feit 1681
oorbanben ift, eine Stationallaffe (oergl. „Sog. B ra fis" Sab^Ö-
Sp. 363) gu errichten. $>ie §iilfSmittel biefer neuen Kaffe werben
befteben: aus ben Beiträgen ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer
unb auch aus Schenfungeit Unb Legaten, fowie Bewilligungen,
weldje oon Begirfcn unb ©emeinben, öffentlichen Bebörben unb
Berbänben gemacht werben, unb im Stotbfaße aus Borfchiiffen, bie
ber Staat ginsfrei leiften wirb. ®ie Beiträge ber Seeleute ge»
fcheben burch gefeftliche Abgiige oon bereu Söftnen. Schiff^eigen*
tbümer unb Gbarterer haben oiefelben Beiträge wie bie Befaftung
gu leiften. $)ie gewährten llnterftitftungen futo bie folgcnbcn: Sür
bauernbe ooßfomtuene ArbeitSuufäbigfeit: eine lebenslängliche Stente;
für geitweilige ArbeitSunfäbigfeit: eine zeitweilige llnterftüftung.
Gine lebenslängliche Aente ift cbenfaßs für bie ©ittwe eines See*
rnanneS oorgefeben, beffen £ob burch llnfaß ober Kranffjeit als
Solge feiner Befchäftigung eintrat. Gin Seemann ober bie ©itwe
eines Seemannes erhalten ferner eine befonbere 3ubißigung für
jebeS Kinb unter 10 Sahnen. Kinber oon Seeleuten erhalten, wenn
weber Bater nod) Biutter lebeif, bis gunt 16. Sab^ beS jüngften
KinbeS eine gememfame llnterftüftung im gleichen ©ertbe ber Aente,
welche beren Btutter erhalten haben würbe, wenn jte am Seben
wäre. Gltern ober ©rofteltern erhalten eine SRente, wenn ber See*
mann weber ©ittwe noch Kinbcr biuterläftt. 3He §öbe ber jäbr*
liehen SRente, welche einem gewöhulid}en Seemanne bei ooßfiänbiger
Arbeitsunfähigkeit gufommt, beträgt 169 ,ig AL, feine ©itwe wirb
153,58 AC. erhalten; wenn er feine ©ittwe ober Kinb biuterlieft,
würben feine Gltern ober Großeltern eine jährliche gemeinfame
llnterftüftung oon 76,85 ./^ befomnten. '^ie Beträge werben um
bie £)älfte berabgefeftt, im Säße folcfte B^fauen 3 uwenbungen oon
ber AlterSuntcrftuftungSfaffe ober oom Staate haben. $>ie befonbere
llnterftüftung für jebeS Kinb unter geftn Sabren würbe 19,16 t ((,
betragen. X'ie Beftimmungen, welche baS gewöbnlid)e Gefeft in
Betreff oorfäftlicher gefeftwibriger gcanblungen ober grober 5Rach*
läffigfeit trifft, finb nidjt aufgehoben; ein Staben, welker in Solge
foicber ^anblungen ober Slachläffigfeit paffirt ift, wirb oon ben
ilnterftüftungen, welche baS neue Gefeft oorfieht, nicht in Betracht
gegogeti weroen.
3Ub*itettai!)itiete.
SKümbener ArbettSnachweiS« BUt Schluß beS DtonatS Oftober
bat baS Bcftnebener Arbeitsamt eine breijährige Xbätigfeit hinter
fich. würben in biefen brei Sahnen pon Arbeitgebern unb
3)ienftberrfd)aften 100 794 (58 705 männliche, 42 089 weiblid)e)
Arbeitskräfte gcfucht; 144 328 (95 187 männl., 49 141 weibl.) Ge*
fudjc um 3uweifung oon Arbeit eingcfdjrieben unb 83 822 (52 128
männl., 31 694 weibl.) Steßen befeftt. ©abrlicb ein ftattlicber Grfolg!
ArbettSnachttieiS=AnflöU ^etbelberg 1897, ^te ftäbtifclie allgemeine
Arbeitsnacbu>eti?*Aii|taIt §eibelberg ift nad) bem jeftt ooriiegenben ge»
brueften Berichte über baS ^abr 1H97 oon 4234 Arbeitgebern, wcldjc
5202 Arbeitsfräftc oerlangten, unb oon 7270 Arbeitnebiuern, foiorit
bereu Gefudje eingetragen würben, alfo abgesehen oon ber Bteiirgahl
ber Jurrinoanbernoen (2486), in Anfpntd) genommen worben. Auf bie
Gefuche ber Arbeitnehmer fonnte in 4642 fallen fofort Arbeit uadi*
geioiefcu werben, 2777 biefer Aadjwcifungen führten gu einer wirflidieu
Giujtellung gegen 1851 im Borjahr. ?ic für weiülidje ^ienftboten
(eiufdilicßiid) ber Mcllnerinncu) oermittelteu 3 teilen haben gwar um
46 gugeuontmen, aber bie Anftalt ift troftbent erheblid) weniger alc> im
Borjahre oon Xienftberrfdiafteii unb Xienftboteu in Anipnnli genommen
worben, ^cr Olruub bafiir wirb einmal in ber abnehmenben Aeigmig
nuferer weiblichen Beoöiferuug gefudit, in ein teftee (ifiiiibeoerluiltnih
cingutreten. B^av oon ben arbeitsfähigen Biäbiheu nicht in einer Äabrif
ein Uuterfommen fiitbe, fuclic lieber einen ober mehrere Bfonatobieuftc
gu erhalten, locldjc uadi Abfoloirmig einer gewiffeu, geitlidj bemeffeiieu
179
Soziale Eentratölatt für ©ozialpolittf. Vr. 7.
180
Arbeit bcn Vcft be# Sage# beit Arbeitenben zur freien Verfügung über*
laffcn. Seiber mürben biefe Bestrebungen non ben (Litern gerabeju
unterftüßt. Xaneben aber wirFten audj gciuiffe örtliche Urfadjen mit.
3n man eben Greifen befiele bic Anfdjauung, baß bic Anftalt, weil fie
unentgeltlich arbeite, nidjt ba# Gletdjc Ieiften Fönne, wie anbere Ber*
mitteliingSanjtalten. Xiefe# Vorurteil zahlreicher .'pauSfraiten werbe
non ben Verbingcrimtcn genährt. G# werbe gerabeju fo bargefteüt,
al# ob bie itäbtifdje Vermittelung ben EljaraFter einer Firmenleiftung (!)
habe, weshalb beffcre Xicnftboten unb beffere £>errfcfjaften firfj nidjt an
fie wenben Fönntcn. ©old) tljöricfjtes unb uitoerantworilidje# Gerebe
biene nur baju, einen Gewerbebetrieb ju ftüßen, über befjen gefeUjrfjaft*
liehen Unwert!) bie Elften gefrfjloffen feien. "Sie Kommiffion will bcn
ftäbtifrfjen Beworben bringettb empfehlen, bie ©teUenoermittelung für
weibliche Xieufiboteu burd) Einrichtung einer Beherbergung ju er*
gänjen, wie ba# ber bortige grauen* unb SKarienocrein getljan hübe.
Xic Anftalt gehört beut Verbanbe ber babifchen Arbeitsämter an, ber
für fämmilicije SKitglieber eine eiubeitlidje Buchführung feftgefteüt hut.
AuSbeljnmta be# ArbeitSnadjtoeiffÖ in Bielefelb. Vadjbem feit etwa
^ahreSfrift in Bielefelb ein unentgeltlicher Arbeitsnachweis für männ*
liehe Arbeiter eingerichtet worben ift, foß nun mit Anfang be# nädjften
gaßre# biefe Ginrichtung, bie fid) befteit# bewährt, auf weibliche Arbeit#*
fräfte, unb zwar auch auf Xienftboten auSgebeßnt werben.
6täbtifd}er Arbcitgnarfjtoei# in MfdjcrSlcbcw. Obgleich oor etwa
Zwei fahren ein Antrag auf Errichtung einer Arbeitsuadjweisftetle ab*
gelehnt worben war, hat fidj ber SJtagiftrat hoch oeranlaßt gefeßen, ben*
felben Antrag iteuerbing# wieber einjubringen. diesmal haben bie
©tabtucrorbneten jugeftimmt unb bie Soften ber Einrichtung unb ber
Unterhaltung bewilligt.
Verbinbmtg ftübtifdjcr Arbett#iiad)iöeife its EugYattb« Auf einer
Konferenz oon Vertretern ber oerftfjiebenen ftäbtifchen Arbeit#*
bureau# in Englanb, welcher auch ein SRitglieb be# Arbeitsamtes
be# §>anbel#minifierium# beiwohnte, ift oor längerer Seit befchloffen
worben, eine bireftc offizielle Verbinbung jwifchen ben einzelnen
ftäbtifchen Arbeitsbureau# in# Vßerf zu feßen, um baburch nament¬
lich auch Z u ermöglichen, baß biejenigen, welche bei bem einen
Vitreau Arbeit fudjen, einem anbern, wo gerabe befonbere Arbeit
oorhanben ift, überwiefen werben Fönnen, unb auf biefe s Beife eine
günftigere Vegulirung ^tüifchcn Angebot unb Nachfrage bezüglich
ber Arbeit herzuftellen. Gleichzeitig würbe, wie bie „3eitfd)rift ber
Gentralftelle für Arbeiterwohlfah r ^ , einrichtunaen / ' melbet, ein Komite
eingefeßt, um einen geeigneten Vorfcßlag für bie praftifdje Au#*
führung biefer Verbinbung au#zuarbeiten, welcher ben ftäbtifdjen
Beßörben unterbreitet werben fott. Auch würbe weiter ber Bcfrfjluß
gefaxt, auf bie Gefeßgebung einzuwirfen, um ben ftäbtifchen unb
ben Genoffenfchaft#behörben bie gefeßlidje Vefugniß zur Errichtung
unb Unterhaltung oon Arbeitsbureau# beigelegt zu fehen.
Anregung be# Kleinljattbcl# gnr ©euoffenfchaftgbtlbttng burdj
^mubelSFammern. 3ur |)cbung be# Kleinljaitbel# will bie Raubet#*
fammer für bcn Kreis Konftanz bie Angehörigen be# Kleiuhanbel#
Zur GcnoffenfchaftSbilbung anregen, &er ©eftetär biefer Kammer
Dr. Otto ©djrnibt ift mit ber Ausarbeitung einer X>enFfdjrifi be*
auftragt, bie bie GefidjtSpunFte zufammeitfaßt, bie hierbei in gragc
Fommen. Er wenbet fich beSljalb mit einem gragebogeit an Ver*
treter be# Kleinßanbel# ocrfdjiebener Branrfjen, bie alle Einzel*
heiten ber KleinhaitbelSfrage aufroflt. X>te fragen lauten:
1. Glauben ©ic, baß eine „Votßlage" im Jtleinßanbcl oorljanben
ift? 2. Vorauf führen ©ie biefe zuriief? 3. B$ie ftellen ©ic fid) a) ju
ben Konfumucreinen? b) ben Verfanbtgefdjäften? c) bem Xetailrcifcit?
d) bem .fraitfirljanbcl? e) ben grofeftäbtifetjen Söaareubazaren? - Er*
Fennen ©ie eine Ueberlcgenheit biefer Vetriebsformen an unb worin
feljcn ©ie biefe? 4. jft 3h»eu beFannt, n) bafj bie ^afjl ber .^anbel#*
betriebe beftänbig zunimmt, bafj j. V. bic Zunahme berienigen mit einem
Angeftellten in ber Seit oon 1882 bi# 1892 = 112% betrug? b) bafj
fidj unter bcn Vertretern bcs Ätlcinhanbelsftanbe# eine unoerhältuib*
mäf)ig groijc 3al)l foldjer befinbet, bie ohne jeglidjc gachFenntuiffe fidj
biefem Verufe zugewanbt haben? 5. ÜiZic [teilen ©ie fidj biefer unucr*
hältniBmänigen ©teigerung gegenüber? Viiirbe fidj biefe nadj Sljrcr
Anfidjt nidjt uodj in höherem iUtahe oermeljren, [all# eine Vcfdjränfung
ber unter 3 genannten Betriebsarten einträte? 6. Eradjten ©ie 9ie=
formen zur Hebung be# ftleinljanbel# für nothwenbig? Eoentucll
weldje? 7. Verfpredjen ©ie fidj irgeub weldje Bort heile baoou, wenn
fidj bic Vertreter be# .SUeinbanbels, insbefonberc bie fadjmänuifdj ge*
bilbeten, bie gleidjzeitig über ein mäfjige# .Stapita! uerfügen, zum ^werfe
bcs gemeiufamen Einlaufs refp. Bezug# oereinigeu, wie zur gemein*
fanten Wahrnehmung ihrer Sutereffeu überhaupt? — giir weldje
Brandjcn würbe bie Vereinigung nadj glj lTr Anfidjt eoentucll ntöglidj
fein? 8. Glauben ©ie nidjt, a) baß babnrdj bem abnormen Subrang
ber Aidjtfadjleute am wirffamften cutgegengetreten werben Faun? bj bafj
fidj eine foldjc Einfauf#gettoffenfdjaft minbefteu# bie gleichen Vortheile
m eigen madhen Fantt, wie Äonfumoereinc unb Waarenljaufer? 9.
gaHe ber Verneinung ber gragen unter 7 unb 8: Weldje Giitmänbe
madjen ©ie gegen GinFaufSgcnoffcnfrijaften biefer Art gcltenb? 10. gm
galle ber Bejäfjuug: Wie würben GinFaufSgenoffeufdjaften biefer Art
Zu organifiren fetn? 11. ©inb Öhuen foldhe GinFaufsgenoffenfdjaftcu
beFannt? ©eit wann beftehen fie? Welche Erfolge hüben fie zu oer*
Zeichnen? Weldje# ift ihre Drganifation?
E# wirb beabfichtigt, ba# Gefammtergebnife ben beutfehen
£ anbel#oertretungen zugüngtich z« machen unb fie eoentuell zur
teflungnahme zu oerattlaffen. — Eine foldje Anregung ift gewiß
geeignet, einige Klarheit in bie gegenwärtig etwa# oerworrenen
Anfdjauungen über bie £aae unb bie Mittel zur Vefferung ber
Verhältniffe ber SUeinljänblcr zu bringen. Allerbing# ift e# in
X)eutfchlanb auch ben Ä’onfumoereinen nicht, wie ben englifdjen
unb fchottifdjen z* %■, gelungen, ftarFe Groß*Ein!auf#genoffenfdjaften
ZU bilben. Au# granFrctch wirb oon einer iruftbilbung ber
großen Bazare zum gemcinfamen billigen EinFauf berichtet, ohne
baß ber Stleinhanbel bi# jeßt zu ähnlichen Vereinigungen auch nur
ben Anlauf genommen hätte.
2 )te eingetragenen Genoffenfdjaftcu in Preußen. Xic ^reußtfdjc
EentraI*Eienoffenfchaft#Faffe z u Berlin oeröffentlicfjt ein Gefammtoer*
Zeichniß ber eingetragenen Genoffenfrfjaften in Preußen nach bereu
©tanbe oom 30. ^uni 1898.*) ©eit feiner Errichtung fdjon hat bn#
„Zur görberung be# B cr i°ualFrebits, tnSbefonbere be# genoffenfdjaft-
itdjcn Berfonalfrebit#“ begrünbete gnftitut e# ftdj angelegen fein laffcn,
al# eine ber widhtigften Vorbcbingungen für bie planmäßige Hebung
unb Wciterentwirflung ber genoffcnfdjafilidjen Drganifatioti audj bic
GcnoffcnfdjaftsftatiftiF tljatFräftig z» förbern. Währenb bte erftc grudjt
ihrer baljinzieleubcn Beftrebungcu, ba# VconumentalwerF be# „Eleuoffcu*
fdjaftsFatafters", feßon bem gewaltigen Umfange nadj oorerft hauptfädj*
lidj ber Wiffenfdjaft, ben ©ozialpoütiFern unb ©tatiftiFern oom gacij,
ZU Gute Farn, ift ba# obige £>eft umnneljr beftimmt unb geeignet, bas
gntereffe für bie gemcinfame ©adje in bic weiten Greife ber Genoffen*
fdjaften unb Gcnoffcufdjafter felbft zu tragen. Aufgezäljlt werben in
alpljabctifrfjer golge nach girma, Art unb ©iß im Ganzen 8300 felbft*
ftänbige Genoffenfdhaften, oon benen 2299 mit befrfjränfter, ö898 mit
unbefdjränFtcr Haftung unb 103 mit unbefdjränFter A'adjfdjufjpflidjt
arbeiten, igljre V?itglicberzahl beträgt 1 117 722 Genoffen, welche eine
Gefammtbajtfumme oon runb 204 7a VUüiouen VcarF oertreten’. Xic
genaue Vertheilung ber Summe auf bie einzelnen Genoffenfrfjaften unb
ihre Vcitglicber zeigeu zwei ber ba# girmenoerzeichuiß bnrdjlaufenb be*
glcitcnbeu ftatifiifdjen Vubrifeit an; zwei weitere ebenfo bie Genoffeii*
Zaljl unb bie .fräße ber Olcfdjäftsantßeile, weldje fidj oon ganzen 10 unb
20 ff. bei ben einen bi# z u 12 unb 20 000 ic bei anberen erheben.
Eine leßte 9iubriF orbnet bie .freerßaufen nadj ißren frieblidjen ©djladjt*
rufen „ßw ©djulßc*Xclißfrfj — ßie Cffcnbadj, Vaiß'eifen . ." e tutti
quanti in bie oerfdjiebencu 9teoifion#ocrbänbe ein. Befonbere# 3»ter*
effe biirfen enblirfj uodj brei Fleine Ueberftchteu in Anfprurfj nehmen.
Xie eine oon ihnen zeigt, weldje Volle ben uuterfrfjieblidjen „Erwerb#*
unb Wirthfchufl^zwecfen" zur Seit in uuferem genoffenfdjaftlidjen Beben
befdjieben ift, eine zweite, wie insbefonberc bie „BrobuFtioqenoffen*
fchafteit" unter iljnen fich nadj ©onberarten ißrer „BrobuFtiuitäi" unter*
fdjeiben; bie britte madjt ben Äeljrau# mit ben manrfjerlei „fonftigen"
Geuoffcufchafteu. gn Vorbereitung befinbet fich ferner für bie in zwang*
lofer golge erfrfjcinenben „Vtittljeiluugeu ber ^rcußifcheu Eeutral*
Genoffcufdjaft#Faffe" ein zweite# .freft, weldje# ba# Warfjstljum be#
Olenoffcnfdjaftswefcns wäßrenb be# leßteit gaßre# übcrfirfjtlidj zur Xar*
ftellung bringen foll.
Äongreß ber fozialiftifdjeit ©enoffenf(haften Velaien#* 3ufolgc
eine# auf bem Ießten nationalen Kongreß ber Arbeiterpartei ge*
faßten Vefrfjluffe# oerfammelten fidj bie fozialiftifdjen Genoffen*
fdjaften Belgien# am 6. Vooember im VolFsljaufe zu Brüffel unter
bem Vorfiß be# Abgeorbneten 2. Bertraub, um einen Verbanb zu
griinbeu. 61 oon ben 75 Genoffenfrfjaften ber Partei, nämlich
55 Konfum* unb 6 BrobuFtionSgenoffcufchaften waren burch
79 X)elegirtc oertreten. Au# Brüffel wirb un# hierüber gefchricben:
X)ie XhätigFeit be# neuen Verbanbe# foll eine hoppelte fein:
1. Errichtung oon Ecntralmagazineu für EinFauf unb Verlauf.
2. Einfeßung eine# beftänbigen ©efretariate#. Heber ben leßtereu
BunFt würbe gegenwärtig allein Befrfjluß gefaßt. Vadj Annahme
ber ©tatuten, wonach iebc betn Verbanbe augeljörige Elenoffenfrfjaft
25 gfrcS. Eintrittsgelb unb 2 Et#, für jebe# SKitglieb unb 3aßr
Zaljleit foll, feßte ber Kongreß einen ncnngliebrigen AuSfrfjuß ein,
um firfj mit ber Verwaltung be# Verbanbe# zii befaffen. Aurfj
würbe befrfjloffen, ba# E)enof|eufrfjaft#wefcu ber belgifrfjen Arbeiter*
partei auf ber Varifer V3eltau#ftellung uorzufüfjren.
*) Verzetrfjuiß fämmtlirfjci* am 30. gitui 1898 int Köuigreirfj
Vreußeu oorhaubenen eingetragenen Geuonenfrfjaften. Berlin 1898 ,
Earl .sfreijtnann# Verlag. 115 ©.
181
Sogtale $ragi£. Hentralblaii für SogialpolittT. Kr. 7.
182
^etittou nm ein ReupStoopnungSgefep. 3n 2lnbetracpt bcr
großen BopnungSnotp bcr mittleren uno ärmeren fllaffen unb ber
Ungulänglicpfeit ber prioaten unb ftaatlirfjcri 93aut^ätigfeit haben ber
Verein ,, Arbeiter beim" in Vielefelb unb ber ©efammtoerbanb ber
Hoangelifcben 2lrbeitcn)ereine ®eutfcf)lanbs an beit Reichstag eine
Hingabe gerietet, ber Reichstag möge bie oerbünbeten Regierungen
um balbige Vorlage eiueö ReicbSwobnungSgefepeS einmiitbig unb
bringlicb erfucpen. 2110 ©runbgüge einer folgen Vorlage merben
bingefteßt unb näher begrünbet: 1. eine ReicbScentralfteße für
BobnungSfitrforge, 2. Lanbcsfommiffionen für BobnungSfürforge,
3. ReidpSfrebit, um aröpere Bittel gu befcpaffen. $affor o. Vobel*
fcbmingb mill bicfe Hingabe auch bem flaifer unterbreiten.
©täbtifdfie BobnungSpolitif tu ftteibitrg t. V, Bir „palten
eS für eine Hbrenfadpe, oargutbun, baß unfer blutiges ©pftem ber
3ufammenfepung ber ©emeinbefoßegien biefe burcpauS nicht $\n*
bert, auf bem ©ebiete ber BopnungSfürforge wie auf fo oielen
anberen bie roeitpergigften Vefcplüffe gu faffen," fo fcbreibt ber
Stabtratp ber Stabt ^reiburg im VreiSgau*) in Vefämpfung ber
Vemerfung in einer „fogialpolitifdpen 3«tfcpnft", bafe an ber Ab*
Iebnung TOOpnungSpolitifcper Baffnapmen uielfacp baS gemeinblicpe
Baplfpftem fdjufb fei. $>er Stabtratb nimmt gugleid) Veran*
laffung, fnb über- ftäbtifcbe BobnungSpolitif eingepenb gu oer*
breiten. Ban fann ibm baS 3 e ^gniß nicht oerfagen, baff er in
ber SEpat energifcp auf bem ©ebiete ber BopnungSpolitif ooran*
gegangen ift. $üe ©efammtgapl ber oon ber Stabt bireft erbauten
unb erworbenen ober mit ihrer ilnterftüpung ins Leben gerufenen
Keinen Bohnungen — abgefepen oon ben befonberen Sabrif*
arbeiterroobnungen — beträgt 552, baS bebeutet, baff auf punbert
Hinwopner unb 19 Haushaltungen eine ftäbtifcpe Bopnung
fomrnt.
3)er Stabtratb befcpränft fiep nicht barauf, auSfcpliefflicp
2lrbeiterbäufer ju erbauen. S)ie BopnungSfalamität beperrfcpt
nach feiner Auffaffung äße gamilien mit Keinem Hinfommen unb
barauS ergiebt fiep für bie ©entein be bie Legitimation gum um*
faffenbett Hingreifen. $>abei foß aber bie ^egrabirung biefer
Hinrichtung etroa gu einer Baffnapme ber Arntenfürforge burcpauS
oermieben werben; eS wirb baber auf gewiffenbafte Hrfüßung ber
finangiellen Verpflichtungen nicht oergicbtet. Sonft aber werben
feine Vebingungen gefteßt unb fo weift ber Bericht als eine Be»
fonberS erfreuliche ipatfacpe auf bie groffe flinberfcpaar in ben
ftäbtifcpen Häufern bin, wäbrenb fonft finberreichen gamilien bie
Vefriebigung bes BopnungSbebürfniffeS oielfach erfchwert werbe.
$)er fogtalppgienifcpe Bertp liege in ber baburcb betbätigten An*
ftrengung, bie Hntfiebung ber flranfpeiten rechtzeitig, b. p. oon
SfinbeSbeinen an, gu oerbiubem unb fo müffe ber Vau oon An*
ftalten gur Heilung oon flranfpeiten feine Hrgängung in ber Hr*
fteßung oon "Bohnungen unb Hrftrebung oon guten BopnungS*
oerbältniffen finben. SDie Vauart ber ftäbtifcben Bohnungen ift
ben neueften Hrrungenfcbaften beS VauwefenS gefolgt.
$)ie ©runblage ihrer aemeinnüpigen BobnmtgSpolitif pat in
ber Stabt greiburg gewechselt. 3n ben fecbgiger Sab^n würben
berartige Bohnungen gwar burcp öffentliche Bittel, aber in ber
2lbficht erbaut, biefelben aßmäplicp in ben ^rioatbefip ber Vebacpten
übergeben gu laffen. $>ie Hrfabrungen mit biefem Spftem waren
fehlest; bie bamals erbauten Bohnungen fmb peute gum gröfften
£peile im Higentbum ber gabrifbeftffer unb $rioatleutc. Ban
übertrug fobann ben Vau gemeinnüpigen ©efeßfcpaftcit. $>ie
Stabt b«t für bie „©emeinnüpige Vaugefeflfcpaft" namhafte Opfer
gebracht, ohne baff ihr ein mapgebenber Hinflup auf bas weitere
Sdfjicffal ber 2lnlage juftept. ®ie Hrgebniffe waren nicht gerabe
unbefriebigenb, tropbem ift bie Stabt jept enbgültig gum reinen
©emeinbefpftem, bem fogenannten Regiefpftetn übergegangen, fie
führt bie Vauten felbft aus unb behält baS Higentbum am
©angen.
©egen bie BohmmgSiwtb in Äöln. Von fogialbemofratifcber
Seite ift in ftöln an oaS Stabtoerorbneten*ÄoUegium folgenber
Antrag gerichtet worben:
„Um ber in flöht unb ben Vororten hrcrf<b™ben SBobnungSnotb
für Binberbemittelte, bte fepon im 3ab^ c l 887 ^tabtoerorbneten*
flollegium als oorhanben anerfannt würbe, mit ihren für bie minber*
*) Vorlage beS StabtratheS ber Stabt ^reiburg im VreiSgau an
ben VürgerauSfcbup, betreffenb bie Hrbauung einer weiteren Reihe oon
Häufern mit Keinen 9»ietf)Wohnungen. 1898. 6. Ä. Bagtter’S Uni*
oerptätS*Vu(hbmcfcrei. _
bemittelten Vftether fchweren materiellen Ra^thrilcn unb ben fanitären
unb fiiilicheii Gefahren gu jteixem, übernimmt bie Stabt, ba fuh bie
oon prioater Seite aut biefem (Gebiete ergriffenen Bapnahmen als
aänglich unzulänglich erwiefen haben, ben Vau entfprechenber Bohnungen
für Arbeiter unb fonftige minberbemittelte Leute unb beftimmt als
©runbfapital gu biefem Unternehmen bie aus bem ginangausfdfjup beS
ftäbrifchen Htats 1897/98 ftch ergebenbe Behreimtahme oon 798 017 Ul"
$ie flottmtiffton gegen nngefunbe Bohnungen in Strapbnrg i/H*,
oon bereu eifriger Xpängfeit bie „Sogiale ^rajis" im Laufe ber
lepten Bonate wieberbolt berietet bat, nahm in ihrer Sipung oom
29. Oftober weitere Vericpte über bie gefunbbeitSwibrigen 3uftänbe
in Bohnungen oerfepiebener Ouartiere entgegen. Bebrfach würbe
habet betont, wie bie Ueberfüllung emgelner Bopnräume
bie Haupturfacpe ber BobnungSnotb bilbe unb wie gerabe
biefer Umftanb für bie Veurtpeilung ber Vewobnbarfeit oon groper
Bicptigfeit fei. 3n manepen Säßen feien es niept bie befepränften
Raumoerpältniffe an pep, bie baS Verbot ber weiteren Venupung
als Bopnraum reeptfertige, fonbern bie übermäpige 3apl ber barin
untergebra^ten ^erfonen. Vei Hrörterung ber 3^age, ob beftimmte
Rormen für bie Veurtpeilung ber erforberlicpen Binbefiquanten
an Luft unb Licpt pro flopf ber Vewopner feftgufepen feien, be*
fcplop bie flommiffion, pieroon abgufepen unb bie Hntfcpeibung
oon gaß gu gaß gu treffen. — $)ie Rotpwenbigfeit beS HrlaffeS
einer Sßoligeioerorbnung gur Regelung beS Sepia f ft eilen toefenS
würbe befabt. derartige Verorbnungen beftepen fepon in mehreren
Orten ber Reicpslanbe (Bülpaufen, Aohnar, ®eutfcp*Otb, Rüffingen)
unb bie ©eriepte haben ipre RecptSgültigfeit anerfannt. S)ie Sfom*
miffion befeplop, bei ber ^ßoligeibireftion ben Hrlap einer folcpen
Verorbnung für Strapburg gu beantragen unb ben fßoligeipräfi*
beuten gu erfuepen, ipren Snpalt ber BopnungSfommiffion gur
2leuperung oorgulegen. — Ueber ben gegenwärtigen Stanb ber
Srage ber Hrbauung oon Volfswopnungen würbe mitgetpeilt, bap
bie ip er iieUung ü0n Volfswopnungen an Steße ber alten Spnagoge
eine s $rioatgefeßfcpaft übernehme, ber gu biefem 3 roe ^ e ein VeV*
mäcptnip gugefloffen, bei bcr Verwenbung beS Spacpfcpen Legats
werbe bie Stabt Unternehmerin fein, auperbem gebenfe ber Verein
für Volfswopnungen bemnäepft eine gröpere Slngapl billiger Bop*
nungen gu bauen.
2>er ©emeinberatp befeplop ferner auf Antrag beS Vürger*
meifterS Vacf bie Aufteilung eines ftäbtifepen BopnungS^QnfpeftorS.
$)ie flompeteng bes BobnungS*3nfpeftorS würbe bapin geregelt, bap
biefer fid) ftets in ben Bopnungen, bie bie ftäbtifepe BopnungS*
fommiffion als ungefuttb begeiepnet pat, oon bem Stanbe ber an*
georbneten VefferunaSmapregeln gu übergengen unb Bis ins Hin*
gelne hinein angugeben pat, was gur Vefeittgung beS ungefunben
3uftanbeS ber Bopnungen gefepepen foß.
etttnnrifdie Slnjetgett.
BirthSpciwö^Aeform in Hitglanb, Rorwegen unb Sd;wcben.
Äuf ©runb oon Reifen tm Sluftrage ber Hefeufcpaft für Boplfahrts*
Hinrichtungen gu ^ranffurt a./Bain gefcpßbert oon Dr. SB. Vobe.
Veriin 1898. Harl HeipnannS Verlag. 108 S. l,eo M.
2 )er befannte ©efchäftsführer bes Xeutfdjen Vereins gegen ben
Bipbraucp getftiger Hetränfe fcpilbert in biefer Scprift niept nur bie
bepufS Verminberung bes ?llfoholgenuf|cs in ben norbifepen Länbern
getroffenen Htnricptungcn unb bie einfcplägige ©efepgebung, fonbern
geigt namentlich, bap bie BäpigleitSmirthfcpaft auep gewinnbringenb ift
unb gwar fo gut als bie Birthfcpaft, bie fiep oorgugsweife ftitfet auf
ben Susfcpanf oon alfopolifcpen ©etränfeu. ^n Xeutfcplanb benft man
ftets nur an SBopltpätigfeitsanftalten unb Hinridjtungeu oon gemein*
nüpigen Vereinen, wenn oon Bäpigfeitswirtpfcpaften bie Rebe ift, aber
in Hnglanb beftepen foldje Birtpspäufer als fapitaliftifepe Unternep*
mungen unb werfen gunt Ipeil popen ©ewtnn ab. Auf eine Racp*
apmung jener englifepeu ReformwirtpSpäufer piuguftreben, ift ber 3wetf
ber Reifen bes Verfaffers unb feiner Auftraggeber gerichtet, unb bas
^nftitut für ©cmeiuwopl gu granffurt a./B. pat bie Srucflegung ber
intereffanteu Reifcfdpilberung unterftü^t. Hine groffe 3 fl hl oon Ab*
bilbungen bes inneren unb Aeuperen ber ReformwirtpSpäufer rnadjt bas
Vud) ned) wertpooßer.
Stimmen aus Baria*2aacp. flatpolifcpe Vlätter. ^aprgang 1898.
9. Heft. ?vreiburg i. V., Herberfcpe Verlagsbucppanblung.
Veridit über bie Verwaltung bes ArmenwefenS ber Stabt flölu
pro 1897.
The Quarterly Journal of Economics. Vol. XIII. October 1898
No 1. New York und London, Maeinillan & Co.
$ofen. Ausguß aus bem Veridit über bie Verwaltung unb ben Staub
ber Genteinbeangelegenpeiteu in ber Stabt Vofett pro 1. April
1897/98, betreffeitb bie Armen* mtb Baifenoerwaltung.
»erontroortlid) für bte tfebaftton: Dr. «rnft grande tn »erltn W., »airtut^erftwfee 29.
ftorantroortlirf) für btc «njeigen: ^cflmutD «eibel. JBelwtfl. - »erlag oon S)untfet & $umblot, ßcipjig. - ©ebrucft bei 3uliul SUtenfelD, »cum.
vm. fdprgMg.
Berlin, ben 24. 'Jioucmber 1898.
Pnntnur 8.
Soziale pvarts.
^ettfraXOratt für ^ogtaXporifiü
mit bcr 2Ronatöbeilage:
Das ©ewerbecjetricht.
(Drgan öes Dccbanbes beutfdjer (Betperbegeridjte.
9?euc golge bcr „Blätter für fogtale sßrajrtÄ" unb be8 „Sogialpolttifdjen GentralblattS".
<Evf4cfitt gm Itbtm tiGWMttfkGt. ^)CCQU§geber: frei* »ffrtdiJUrlid» 2 TO. 60 Vf*
SRebaftton: Berlin W., Bapreutbetftraße 29. Df- Berlag bon ©unefer & £mmblot, Selpgtg.
3nhitlt
£*tt Dr. Beuinet unb bie eng*
üfeben Stabe Unton*. II. Bon
Dr. bon SRottenburg, Sonn. 185
ArbeitSftatifHfcbeS Amt unb
ArbeitSbeiratb in ßefterreid).
Bon Dr. @mtl Soew, SBien . 198
■Scmehtc ©ottal« uttb CKttrtbfämftt*
H#MÜf.191
@o|iatpolittfcbe Anträge int
9teidjStag.
©ewerblicbe Alliance-Betbönbe.
Born §. 8 be* preufcffcben BereinS*
gefe^e«.
SoUttfdje unb gewerffcbaftlicbe Bet«
fantmlungen in ©aebfen.
Die JRecbtSeinbeit in bet ©cbmeij.
Bcbözblicbe Sobntegulitung in ßng*
lanb.
Obligatotifebe SRinbeftlöbne in Btc*
toria.
feamnutale *o*i«l**U4tt ... 194
Armenpflege unb ©emeinbe*2öabltecbt
in Bremen.
©töbtifebe ©IeftrijttätS werfe,
©töbtifcb« SRiScellen.
dnftttnbe.195
Die 3 wangSnerfteigerungen
unb ibte Opfer. Bon gabrttant
D. SBeigett, Berlin.
ttffteiterbcioeftiitg.197
Koalitionsfreiheit unb Zentrum,
©treif in ÜRenifcbeib; OrtSfranfenfaffc
unb BetriebSfranfenfaffen.
©treifftatiftif für Bauern in 1897.
I Orflanifationbbeftrcbungenbergformer. |
I ©treifS unb AuSfperrungen in ©nglanb
I 1897. i
Aus bet englifeben ©ewerföetetnS*
bewegung. !
I Äongrefe bet ftanaöfifcben Dabaf* ■
j arbeitet unb »Arbeiterinnen. |
! ttrbetterf*«*. 200 !
I Die 9tei(b*fommiffion für Ar*
1 bei terftatiftif.
| Äonferenjen ber ©ewerbeaufficblS*
beamten mit Beauftragten ber Unter*
i nehmet unb ber Arbeiter. I
I ttrbciterberfUberuttg. «parfoffen 201
I Die SBtrfungen beö neuen Un«
I fall * Gntfd)äb igurtgSgefefceS
: in ©ttglanb. Bong.2Ö.©alton,
Sonbon.
| Die erfte amtliche Kunbgebung jur
j gnoaliöitätSoerftcbetungSnoüelle. j
I KranfenoeriidjerungSpflicbt $auSin* I
buftricller für Berlin. !
ttvbHtdnadptoci«. 204 I
(Srridjtung eine* gemeinblicben Arbeit**
nadjweifeS in SRagbeburg. I
Stäbtifcbeö Arbeitsamt für (Sbemnib- j
©täbtifdjcS Arbeitsamt in ©cbw infutt.
ArbeitSnacbroeiS für bie Sanbmirtb* '
febaft in Bommem.
BöobnitnflSttefen.204
9Rufter*Bauorbnung für baS j
Königreich ©aebfen.
Der rbeinifebe Berein jur götberung
beS ArbeitermobnungSroefenS.
JPC Sie näcbfte stummer bcr „Sogialen roirb cmftatt :
am 1. Degentber erft am Sottttabettb, ben 3. ©egember, crfc^ciiten unb j
einen Auffaß non Brofeffor Snftab ^djmoüer über 9ttrft SBiStnarcf# |
„©ebaafeit mib Gtittttctmtgcit" ueröffcntlidjcn.
§ttr Dr. ßenmer unb bie cnglifdjctt ®tabe Union?.
u.
Um meine Beobachtungen unb mein Llrtheil über ben Streif
ber englifd)en SJtafchinenbauer einer Prüfung gu unterbieten, habe j
ich mid) an §errn Spcnce BBaifon in 9?erocaftle geroenbet. 3öie
gefagt, mar er einer ber ©etoähröleute beö fterrit Dr. Beutner; (
in ber englißhen Snbuftrie, namentlid) in ber beö SRorbenö non i
(Snglanb, nimmt er megen feiner eingefjenben Äenntnife ber 3Ser*
tältniffe unb ber objeftioen 33eurtteilung berfelben eine t^mor^ '
ragenbe Stellung ein. .fterr Spence ©atfon fitrieb mir nun:*) ;
*) Beibc Briefe beö .'perrn SBatfon finb in eng(ifd)cr ©pradic gc=
fcbricbcn. ^dj tabe fte mortgetren ftDcrfc^t.j
Benötaw ©rooe
©ateötcab^on^nc,
21. Suni 1898.
3Rein lieber .§err!
3dt bin mir fetr rootl bemüht, roie fitmierig eö ift, in
biefen mistigen 3 r ögcn gu ©rgebniffen ju gelangen, roeldte fo
fujter iinb, bafc fie eine allgemeine Billigung finben; attein
roenigftenö barf ict für mia) in 2lnfpru$ netmen, bafj ict
meine ^Infic^tcn forgfaltig gebilbet unb auf einer langen ßr*
fatrung aufgebaut tabe. Biele 3«t^ ict mid) mit einigen
ber großen mbeiterfragen eingetenb befd^äftigt; ict b a ^c alö
Sctiebörictter ober alö alleiniger Referent in über 60 Streitig*
feiten jroifeten Arbeitgebern unb Arbeitnetmem fungirt, oon
benen einige gange ©eroerbc unb oiele Saufcnbe oon Arbeitem
berütrten; ict 9 a ^ bic Statuten oon Boards of Conciliation and
arbitration in getoiffen Sttbuftrien enhoorfen, t°bc bie Sliding
scales in anberen aufgeftettt unb bin ftanbiger Referent in bem
Standing Comitfcee u. a. geroefen.
©ö ift oollfommen richtig, baß burct ben jüngften Streif
ber 3Jlafd)inenbauer oiel Sctaben angeriettet toorben ift. Aber
ein inbuftrieller Sfrieg ift eben roie ein jeher anberer toeg; roie
auct immer ber fctiießlicte ©rfolg 6efd>affcn fein möge, ber
^rogeß, rooburdt er erreicht roirb, ift foftfpielig, graufam unb
traurig in oielen Begebungen. Allein, roenn man bebenft, baß
ber Xrabe llnioniömuö nact 25jäbrigem Befteten noct immer
niitt eine ooüftänbigc gcfeßli^e Anerfcnnung gefunben b fl t, fo
follte man burct Die oerbältnißmäßige Seltenteit emftüctcr
Streifö eher überraßtt unb ernuittigt, alö baburct entmuttigt
roerben, baß fic oon $ät gu 3^it auöbrectcn. ©8 ift ferner,
ßd) oon ber alten fctlcctten s JÖtettobc ber ©eroalt loögufagen.
Sidfjcrlict tat ber Srabe Unioni8mu8 nicf)t banferott ge*
madbt; autt unter ben 2)tafctinenbauern ftett er in Blütte unb
ift fräftig; er ift im Staube, feinen oielfacten Berpflidttungen
auf bem ©ebiete ber Sürforgc gerecht gu roerben unb feine 5Dcit*
glieber gu fetüßen. ©ie neuefteu Beriete, bie i<t gefeten tabe
— fie reifen bis in bie jüngftc 3«it t» lc i n — fteHen baö
meineö ©rad)ten8 außer allen 3 roe tf c ^
Beoor i<t auf 3t* e näctfte S^age unmittelbar eingete, ge*
ftatten Sie mir bie Beuterfung, baß man, roenn man oon Arbeit*
aebern nnb Arbeitnehmern fpriett, biefe Begriffe etroa8 roeit
faffen muß. Beibe haben llnionö, gufammengefeßt au8 3 roe i9 Ä
oerbinbungen, bie über baö gange Königrcid) auögebreitet finb.
Sorooßl bie eine al8 bie anbere Union bilbet eine angemeffene
SRepräfcntation be8 SRafd^inenbauer * ©eroerbcS; aber feine oon
Beiben umfaßt alle ober auch nur annäbernb alle 2Ritgliebcr
beö ©eroerbeö, bie ihm angeboren müßten, roenn alle bagu Be*
reettigten ben Unionö beigetreten roären. 3n jebem 3 a Ü e üben
bie Unionö auf biefe Außenftebenben einen roeitgebenben (Sin=
fluß auö.
llnionö, fie mögen nun oon Arbeitgebern ober Arbeit*
nebmern gebilbet fein, haben ihre fehler — gang fo roie anbere
menfdjlicbe Ginridjtungen, uitb fie ober einige begielntngöroeife
mehrere ihrer 3a)eigoerbiubimgcu ober and) nngefite ihrer Wit*
1*7
«Sojiale $raji?. Eentralblatt für ©ogtalpolitif. 9h*. h.
liebet* oerfallen bisweilen itt fernere 3nrtljümer. Man hat oft
eobadhtet, baß Snbioibuen, roenn fie in eine Berbinbung unter*
einanber getreten finb, 3Mnge tßun, bie zu thun bem Einzelnen
nidjt im Traume einfallen mürbe; anbererfeits aber muß man
and) bebenfen, baß bie uerftänbigeren, überlebteren Mitglieber
einen ^eilfamen, fjemmenben Einfluß auf bie nnbefonnenen
©eifter auSübeit.
Unter allen Umflänben follte man eine jebe Union nad)
ihrer ©efammtthätigfeit beurteilen unb nicht nad) ben Srrtljü*
ment, bie fie oielleicßt begangen h°t- Silben mir unS hoch
auch unfere Anftdjt über eine ©tabt ober ein Öanb nicht nach
ben Arbeitsbäufern ober ©efängniffen, nach ben mauvais sujets,
bie barin leben, ba biefe jebenfalls hoch nur eine fleine Min*
berheit beS BolfeS bilben.
deshalb ift es auch nic^t forreft, menn man behauptet, bah
bie englifdjen Arbeiter für fid) baS Siecht in Anfprucß nehmen,
bie ßeitung beS ©efcßäftes, inSbefonbere roaS bie Anroenbung
neuer Mafcßinen anbetrifft, ju regeln, ©ie mifeßen ficf) nicht in
ba« ein, roaS man allgemein unter ©efcßäftsf übrung oerfteht.
3<h behaupte nicht, baß feine 3 ro eigoerbinbung jemals einen
ungehörigen Anfprucß in biefer Beztehung erhoben hot; aber
niemals tft ein folcher Anfprucß oon ber großen ftörperfcßaft ber
Arbeitnehmer erhoben roorben. ©ie forbem nur, baß fie bei
Einführung neuer Mafcßineit eine Stimme haben, menn bie
£>öbe ber unter ben oeränberten Sebingungen ju zaßlenben ßößne
biSfutirt mirb.
3ch bin ber An ficht, bah man bei groben ©treifS fein
grobes ©eroießt auf bie Sorberungen unb Erflärungen legen
fottte, bie oon ber einen ober anberen ©eite gemacht merben.
©ie haben oöllig Siecht: $)ie Sßatfacße, bah bei ben lebten
©treifS feine ©emaltthätigfeit, fein XerroriSmuS, fein 3mang
auSgeübt roorben finb, gereicht ben Arbeitern zur höchften Ehre.
£)ier unb bort finb freilich bie fogenannten „blackiegs“ oon
Beibern unb ^inbern oerhöhnt roorben; aber auch nicht bie
©pur oon ©eroalt hat man gegen Berfonen ober gegen Eigen*
tf)ura angeroenbet. Unb baS ift glücflicßer Beife heut zu Sage
bie Siegel. 3n ber Xfjat, ich habe Anlah auf ©runb reicher
Erfahrung, ben Anftanb unb bie Befonnenßeit banfbar anzu*
erfennen, roeldje, allgemein gefprochen, unfere Arbeiter aus*
zeichnen. 'Bie alle Menfcßen, haben fie oieie Seßler; aber fie
haben auch in einem berounbernS* unb beacßtenSroerthen ©rabe
©inn für @efeßüd)fett.
Benbe ich mich nun zu ben Arbeitgebern, fo muh i<ß 3U*
nächft roieberholen, bah iä) non ihnen im Allgemeinen fpreeße,
unb als oon einer klaffe. 3 ro eifellos Giebt es unter ihnen
Snbioibuen, bie oon oben herab ßanbeln, herrifch unb unoer*
ftdnbig, roelcße am Siebften bie UnionS zertrümmerten unb lebicj*
lieh ihren eigenen Beg gingen. 3<ß bin aber fießer, bah bie
rohe Mehrheit einen foltßen Bunfcß nicht hegt. 2)iefe Meßr*
eit roeih, baß inbuftrieller ftriebe nur ba möglich ift, roo ftarfe
Berbiitbungen oon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern oorhanben
finb; fie ift fid) bes maßren Berthes ber Arbeiter bemüht, unb
trofc aller ©chroierigfeiten, mit benen ein 3eber fämpfen muh,
ber Anbere 311 leiten hat, hegt fie ßerzlidje unb freuitblicße ©e*
fühle zu ben Arbeitern.
3ch ßarf über einige ber Mittel, roelche bie Union ber
Arbeitgeber in bem ©treife angeroenbet hat, unb roelche mir be*
beuflich erfcheinen, nicht hart urtßeilen. Es roar ein SftriegSzu*
jtanb unb beibe Xheile roollten fiegen. Beibe £ßeile haben
gethau, roaS roaljrfdjeinlid) roeber ber eine noch her anbere in
SriebeuS^eiteu zu thuii aud) nur geträumt haben mürbe. Es
ift ridjtig, baß bie Arbeitgeber Arbeiter auSgefperrt haben, bie
geroillt roaren 311 arbeiten, unb baß in einigen Süllen baS be*
reitS ertheilte 3 ugeftäubniß ad)tftünbiger Arbeitszeit jurücfge*
nommeii roorben ift. Sliemanb ift im ©tanbe 311 fagen, melch’
Einfluß, roeldjer ^ruef oon beiben Steilen angeroenbet roorben
ift, mit Ausnahme berjenigen, roelche roirflich im ©efecht roaren;
aber in einem foldjcu, roie in allen MriegSzeiten ergreift aber
jebe Partei bie heften Baffen, bie fie fiubeu faun.
3roeifellos roirb fid) fdjließlid) aus bicfeii böfen 3eiten etroaS
©uteS entroicfelu. XieS roirb uid)t barin beftehen, baß bie
Uflious ber Arbeitnehmer gcfcßroädjt roerben, roaS nur oorüber*
geljeub ber Sali fein fönnte, fonbern beibe lluions roerben fid)
über ihre Stellung unb ihre '.Ulethoben flar roerben nniffen, unb
baS roirb bazu führen, baß fie fid) auf einer gefimben, gerechten,
oernünftigen ©runblage oeroollfommtien.
Es fällt mir nicht für einen Augenblick ein, Trade Unionism
als ben testen Abfdjluß ber ©chroierigfeiten unb ^rotftigfeiten
in ber Arbeiterfrage anzufehen; meines Erachtens ift er nur
eine 3roifcßenftufe zroifdjen ber ©flaoerei ber alten 3 e iten nnb
ben in rocitcr 3nfunft liegenben £agen, ba fid) Kapital unb
Arbeit in benfelben ^änben oereinigen roerben — nid)t in golge
eines plöfclichen, bebenflichen ober geroaltfamen ^rozeffeS, fonbern
in Solge beS beharrlichen, fehr Iangfmnen, aber fieberen BirfenS
folcher oerföhnenben Äräfte, roie es Kooperation unb Er*
Ziehung finb.
3d) glaube auch nicht, baß unter unferen Arbeitern all*
gemein irgenb eine ftarfe Steigung zum Sozialismus oorhanben
xft. ES eyiftirt — unb hat feit oielen 3aht?n ejiftirt — eine
Söeroegung in ber Stichtung beS fommunalen ©ozialiSmus, beS
UebergangeS ber ©aS* unb Bafferlcitungen, ber ^ferbebahnen
u. f. ro. in baS Eigenthum ber ©enteinben. Sßeines Erachtens
aber hat bie 3bee ber Slationalifation eines jeben Arbeitsmittels
feine Bürzeln gef<hlagen, noch oon öen Arbeitern im
Allgemeinen ernftlicf) begünftigt — jebenfaüS nicht außerhalb
SonbonS.
3ch nierbe ftets bereit fein, Shnen it'be 3nformation zu
geben, roelche mir zu ©ebote fteht.
Aufrichtig
ber 3hnge
Stöbert ©pence Batfon.
3d) roanbte mich nad) Empfang biefeS Schreibens nodjmals
an $err ©pence Batfon mit ber $tttte, mir feine Anficht barüber
mitzutheilen, roie eS fidf) erfläre, baß, obroohl bie 3bee ber Sfationo*
lifation ber Arbeitsmittel in ber englifchen Arbeiterfchaft feine
Bürzeln cjefthlagert habe, bennoch roieberholt auf Mongreffen ber
Xrabe UnionS Stefolutionen in fozialbemofratifchem Sinne gefaßt
roorben feien. 2)ie Antroort beS genannten f)crrn lautet roie
folgt:
„'BenSham ©rooe
©ateSheab*on £i)ne
12. 3uli 1898.
S)tein lieber Dr. oon Stottenburg!
BaS bie Sefcßiüffe ber ßroei Äongreffe ber £rabc UnionS
Zu ©unften ber SRationalifation ber mbuftrieUeu Arbeitsmittel
anbetrifft, fo glaube ich, & a ß biefelben zu bebauern fmb, baß
man benfelben aber eine 311 große Üöebeutung beilegt. 3d) habe
bie Angelegenheit häufig mit Arbeitern befprodjen, roeldje an
beiben iiongreffen Stßeil genommen hatten, unb fie oerfid)erten
mir, baß, roenn bie 3frage als etne roirflid) entfte unb praftifcf)
bebeutfame angefehen roorben roäre, auch nicht bie aeringfte
AuSficht für eine bejahenbe Antroort oorhanben geroefen fein
roürbe. Es fodte nidjt erlaubt fein, baß folcße ^)ingc burch*
fchlüpfen; aber bie Shmgreffe übernehmen eben fehr oiel mehr
Arbeit, als geleiftet roerben famt, unb bie ^Msfuffionen haben
ytm größten Xheil einen oberflächlichen unb fdjablonenbaften
Eharafter. SSiele neroöfe ßeute finb burch biefe Abftimmungen
ängftlich gemacht roorben; aber ich bezroeifle, ob irgenb ein enali*
fcher ©taatsfozialift, beffen Anfchauungen eine refpeftoolie Se*
achtung beanfprudieit bürfen, auch nur baoon träumen roürbe,
aus einer fo fd)toad)en unb zweifelhaften 58orauSfeßung ein
Argument bafür herzunehmen, baß feine Sehren unter ber av*
beitenben 33eoölferung in ber 3 u nahme begriffen finb.
ES roirb mich freuen, 3huen bie befte AuSfunft 30
geben, roeldje ich 3 U ertheilen uermag, unb id) erroibere herzlich
3hren Bunfch, öaß roir eines Sages (Gelegenheit haben mögen,
biefe $)inge mit einanber zu befprechen.
Aufridjtigit
3hr
Robert ©pence Batfon."
3Rit biefem llrtheil fümmen übrigens oieie Aeußerungen ber
englifchen $reffe aus Anlaß ber fozialbemofratifchen Aefolutiou
ber Xrabe UnionS im Saljre 1894 überein. ®er Berichterftatter
ber „Bcftminfter Oa^ette", roeldjer bem betreffenben Mongrcffe bei*
gerooljnt hatte, fdjrieb bamals: „3th habe fein S3ebenfcn 311 er*
flären, baß bie Belt in einen groben 3rrtf)um oerfällt, roenn fie
glaubt, bie £rabe UnionS biefeS Üanbee« feien 311 m Sozialismus
übergegangen." Er beridjtet bann, roie zuuächft bei* Antrag gefteüt
roorben fei, fidj 311 ©unften ber 9?ationalifation bes ©rnnbeigen*
thutnS, bei* 9JUnen, Mineralien unb ber royalty rents auszufpred^en.
Ein 3>elegirter erflärte biefeit Antrag für egoiftifdj : alle ^robuftionS*
mittel müßten natioualifirt roerben - nnb in roenigen Minuten
roirb biefer lepte Antrag ber s 4>räfibeut bezeichnte iljn als
„a pious opinion 4 * — zum 33efd)Iuß erhoben, ©elbft unfere fozial*
bemofratifdjen Blätter geftanben f. 3- z™, bie Abftimmung brüefe
190
JS9
Sogtale $ra|ts. Eentralblatt für ©ogtalpoltttf. Är. 8.
nicf)t bie waßrc Anficßt ber Jelegirten aus, fonbern „fei meßr
buriß Ueberrumpelung als burcß Uebergeugung errungen".
Snbem icß biefe 3eileit fcßreibe, ßabe icß nießt bie Abficßt,
auf bie fcfjtüierige Frage naeß bem fogialpolitifd^en Vkrtße ber
englifcßen Jrabe UnionS eingugeßen, noch will i(b bie weitere,
nießt ntinber fcßwierige Frage unterfucßen, ob bie englifd^e Fnftitu*
tion ficß gur Uebertragung auf ®cutfc^lanb eigene, Jüe Aufgabe,
roelcße icß mir geftettt höbe, befcßränft ficb barauf nacßguweifen,
in welcß’ oberflächlicher unb parteiifcßer feeife bisweilen fogial*
politifdje Probleme beßanbelt werben.
(fine ber wießtigften Fragen unfereS politifcßen SebenS ift
beute bie, inwieweit ben Arbeitern ein VereinSrecßt einguräumen
fei. 3u ihrer Söfung bebarf es oor Allem praftifeßer Erfahrungen, I
unb bie reichten Erfahrungen bietet Englcmb. Ein Feber, ber
baran mitarbeiten will, baS englifeße Material gu fammeln unb gu
fiebten unb gu fritifiren, ift m. E. mit Vücfficßt auf bie Verant*
wortlicßfeit einer folcben Arbeit gebunben, fteß ber peinlicbfteit
©rünblicßfeit unb ber größten Dojeftioität gu befleißigen. s Ber
biefen Anforberungen ntebt gerecht wirb, oerbient bie fcßärffte
3urücfweifung, gurnal wenn er ficb einer fo einflußreichen Stellung
erfreut, wie bie beS £>errn Dr. Veumer ift.
Dr. oon Vottenbnrg. I
%mt ttttb %xbtü$btixat^ in
©efterreiri).
VSaren ^effimiften ber Anficßt, baß ber ArbeitSbeiratß unb I
bas arbeitsftatiftifebe Amt mit bem SRiicftritte beS VanbelSminifterS i
Dr. Värnreitßer, ber fie ins Seben gerufen, p einem Scßeinbafein |
oerurtbeilt feien, fo ßat ber Verlauf ber Sißungen beS ArbeitS*
beiratbeS am 14. unb 15.$ooember, mit benen bie fachliche Arbeit |
beS neuen ArbeitSftatiftifcßen Amtes einfeßte, gezeigt, baß ArbeitS*
amt unb ArbeitSbeiratß auch unter bem neuen VanbelSminifter |
Varon SDipauli berufen finb, ficb 3u ßoeßbebeutfamen fogialpolitifcßen
Faftoren p entwicfeln.
Varon Jipauli begrüßte ben ArbeitSbeiratß mit einer be*
merlenSwertßen Anfpracße, in ber er bie VMcßtigfeit ber Statiftif
betonte; er appeHirte an bie ÜWäßigung unb Verftänbigung ber pr
fogialpolitifcßen Mitarbeit berufenen 9fätße unb feßloß mit ber Ver*
fießerung, baß ben Anregungen beS ArbeitSbeiratßeS in ben fragen
ber fogialen ©efeßgebung unb Verwaltung oolle SBürbigung gu
Jßeil werben folle. S)er TOnifter ffiggirte fobann baS ArbeitS*
Programm ber Sißung, bas hierauf in eben fo ausführlicher als
befriebigenber Vkife in gweitägigen Debatten erlebigt würbe. Vor
ihrem Veginn maeßte V°fratß $rof. Dr. Vtataja, ber Vorftanb beS
Arbeitsftatiftifcben Amtes, Vtittßeilungen über bic Drganifation
beS Amtes, Es ift in gwei Abtbeilungen fonftihiirt, beren eine
für bie Vorbereitung unb fpätere Verausgabe ber projeftirten
3RonatSfcßrift, für bte Agenben ber Arbeiteroerficßerung fowie für
bie bem Arbeitsftatiftifcben Amte noch neu guwaeßfenben Angelegen* j
ßeiten beftimmt erfeßeine, wäßrenb bie gweite Abtßeilung Die bis* i
ßer bereits im VanbelStninifterium beforgten Arbeiten arbeits* I
ftatiftifeßen EßaiafterS übernommen habe, inSbefonbere Angelegen* |
ßeiten Der ArbeitSoermittelung, ber Streifftatiftif, beS ©cnojfcn* !
fdjaftSwefenS, ber ©ewerbeitatiftif fowie bie abminiftratioen
Agenben. ®ie periobifc^e s $ublifation beS Arbeitsamtes, beren
Verausgabe Schreiber biefer 3eilett bereits oor mehreren Faßren
angeregt bat, ift oorerft beftimmt, einen wertßooHen 9tacßri(ßten*
bienft über ben ArbeitSmarft gu organifiren; in ber Verbreitung
fogiatpolitifcßen Verftättbniffes jeboeß wirb ißre oorneßmfte Auf*
gäbe allgemeiner ÜRatur gelegen fein.
Sßacß Annahme ber ©efcßäftSorbnung gelangte ber erfte ^unft
ber JageSorbnung, bie Reform ber Streifftatiftif betreffenb,
gur Veratßung. |>ofratß Vtataja ßat fieß um biefen 3 roc ^9 ^ er
ArbeitSftatifti! beretts feßr oerbient gemacht unb oon Saß* 311 Faßr
bie Statifti! ber Arbeitseinteilungen unb AuSfperrungen immer
meßr ausgebaut, fo baß fie ficß ßeute bereits mit ber einfcßlägigen
englifcßen Statiftif meffen fann. 3)em Arbeitsbeiratßc würbe nun*
uteßr ein neues Programm für bie ftreifftatiftifeßert ©rßebungen
oorgelegt, baS nießt bloß Fragebogen unb 3äßlblätter erweitert,
fonbern aueß neue Aemter unb Stellen gur Mitarbeit an ber
Statiftif ßerangießt. 2)aS oorgelegte Programm würbe, oon einigen
AmenbementS abgefeßen, naeß längerer, überaus facßlicb gehaltener
Debatte angenommen.
®er näcßfte $unft ber StageSorbnung war bie Drganifation
1111 b Statiftif ber ArbeitSoermittiung. 3 U biefem ©cgcit*
ftanb ber ^aaesorbnung lag ein 00 m Arbeitsftatiftifcben Amte aus*
gearbeiteter ©efeßentwurf oor, ber jeboeß nießt eine Vorlage ber
Regierung, fonbern ein ©ntmurf beS Amtes ift.
$er erfte Jßeü btefes ©efeßentwurfeS betrifft bie gewerbemäßige
Sienft* unb Steüenocrnütteluna. S)te gewerbemäßig betriebene bienft*
unb ©teHenuermittelnng wirb ber ©cmerbcorbnung unterteilt unb unter
bie fonceffionirten ©ewerbe eingereißt. 5)er Entwurf begeießnet bie Vor*
ausfeßungen, unter welcßen bie Äongeffion ertßeilt werben fann, bie
Veßörben, welcße gu ißrer ©rtßeilung fompetent finb, er trifft Anorb*
nungen über bie Vereinigung ber bienft* unb SteUcnoermittlung mit
auberen ©ewerben in einer Vaitb, über bic Verpachtung erfterer unb
beftimmt enblid), baß jeber Faßaber eines bienft* unb Stcßenoermitt*
lungS*©ewerbeS ber Verleißungsbebörbe gur Veftätigung eine ©efcßäfts*
orbnung Oorgulegen ßabe, in ber namentlich bie |wbe uri fo bie Ve*
bingungen ber 00 m ©ewerbe*Faßaber, in feinem ©efdjäitsbetriebe be*
anfprudjten ©ebüßren unb eoentnell auch bie Tarife jür Stoft unb Ve*
ßerbergung genau feftgefeßt fein miiffen. ^>er bisßer fcßlenbe Vucßgwang
wirb gefeßlid) ftatuirt. 2)er gweite ißeil beS Entwurfes gilt ber gefeß*
ließen Siegelung ber nid)t gewerbsmäßigen 2)ienft* unb SteHenoermittlung.
2ien ^aubesßauptftäbtcn unb aßen Stäbten mit meßr als 30 000 ©in*
woßnern wirb bie ^fließt gur ©rünbung unb ©rßaltung uuentgeltlicßer
ArbeitSoermittIungs*Anftalten auferlegt, ber Umfang ber Jßätigfeif folcßcr
Anftalten umfeßrieben unb bie Verwaltung berfelbeit befonberen Äom*
mifßonen i’tberwiefcn, weld;e ficß paritäifdj aus Unternehmern unb Ar*
beitem unter bem Vorftße eines Unparteiifcßen gufammenfeßen.
3n ber äußerft lebhaften Debatte, bie ficß über biefeS £ßema
eutfpann, trat ber feßarfe ©egenfaß gwifeßen Unternehmer* unb
Arbeiteroertretern beutlicß gu Jage, oßne jeboeß ber Sacßltcßfeit ber
Erörterung Eintrag gu tßun. 2)ie J)elegirten ber Arbeiter oer*
traten ben Stanbpunft, ber ArbeitSna^weis geßöre in bic Vänbe
ber Arbeiter, wogegen bie itnterneßmeroertreter ficß weßrten.
Schließlich würbe ber Entwurf itatß Antrag 5ßrofeffor o. $ßilippo*
oießs einem acßtgliebrigen Ausfcßuß gur Veratßung überwtefen;
beibe Parteien ftnb in ißm gleichmäßig oertreten.
Aucß bezüglich ber oon Sßrofeffor 0 . ^bilippooicß beantragten
Einleitung oon Erhebungen über bie Öage ber VerfeßrS*
bebienfteten würbe bie Einfeßung eines £omiteS befcßloffen. JaS
bisßer 00 m Eifenbaßnminifterium gefammelte Vtaterial, betreffenb
bie Sage ber Vaßnwäcßter bürfte bem Arbeitsbeiratßc bentnäcßft
oorgelegt werben.
Jie gleichfalls auf ber JageSorbttung befinblicße F^ge ber
bereits feßr bringenb geworbenen Reform ber Unfall* unb
tranfenoerfießerung würbe auf Antrag beS Abg. Dr. Verlauf
noeß nießt erörtert; fie fofl erft bann einem AuSfcßuffe gugewiefen
werben, wenn bie bemnäcßit gu erwartenbe Vorlage eines SftegierungS*
entwurfeS erfolgt fein wirb.
Sobann gelangte bie Sage ber V e i mar & e ü er pr ®i8*
fuffion. Seit einigen Sößren bereits fteßt biefe Frage fpegiett in
V3icn im Vorbergrunbe fogialpolitifcßer Jßemen. ^ie VanbelS*
fammer befcßäftigt ficß eingeßenb mit einfcßlägigen SReformfragen,
unb fürgUd) ßat aucß baS ©ernerbe * Fnfpeftorat hierauf begügueße
Erhebungen eingeleitet, bie jeboeß nießt crfcßöpfenb oeranlagt finb.
Jer ArbeitSbeiratß eutfeßloß ficß naeß längerer Debatte, in ber ein*
mütßig bie 9totßwenbigfeit oon Erhebungen unb auf ißren Er*
gebniffen bernßenben Reformen auSgefprocßen würbe, für bie
Veranftaltung oon EnquSten über bie Heimarbeit bureß baS
Arbeitsftatiftifcße Amt unb gwar foll auf Antrag Sßrofeffor
o. ^ßUippoüicßs guerft eine Enquete über bie Sage ber V^imarbeiter
in ber VefleibungS* unb VMfcße*$onfeftionSbrancbe abgeßalten
werben. 3 ur öeftftellung ber ©runbfäße* für bie einguleitenbe
Enquete unb ißre Vorbereitung würbe ein acßtgliebriger AuSfcßuß
eingefeßt.
3um Scßluß gelangte nodß ein Fnitiatioantrag aus ber Vtitte
beS ArbeitSbeiratßeS gur Erörterung, betreffenb bie Einleitung oon Er*
ßebungen über bie Sage ber Vergarbeiter. Jie Anregung fanb
allfeits ungetßeüte llnterftüßung, unb es würbe ein Ausfcßuß mit
ber Aufgabe betraut, ein Programm auSguarbeiten, naeß welcßen
Mcßtuhgen ßin bic ilnterfucßung ftattfinben foll, unb hierüber in ber
näcßften Sißung beS ArbeitSbeiratßeS Vericßt gu erstatten.
Jer ©ana ber Verßanblungen ßat gegeigt, baß ficß baS neue
Arbeitsftalijtifcße Amt feiner großen Aufgabe oollfommen bewußt
unb entfcßloffen ift, ben FoAfcßritt fogialpolitifcßer ©efeßgebung
unb Verwaltung mit allen ißm gur Verfügung fteßenben Mitteln
gu förbern unb auf eine pofitioc ©runblage gu ftellen. Er ßat
aber aucß gegeigt, baß ber ArbeitSbeiratß weit meßr als eine
beforatioe Äongejfion an bie Sntereffentenfreife ift, baß er oielmeßr
ficß berufen füßlt, feinen Coden Einfluß auf bie fogialpolitifdje
Segislatur gur ©eltung gu bringen unb gtoar in möglüßfter Aus*
ß ung ber Fntereffengeqenfäße im eigenen Scßoße. Jie Sad)*
it ber Jisfuffionen bietet Viirgfrfjaft für bie gegetifeitige Ver*
191
©ojtale prajt«. Eentralblatt für Sozialpolitik. Rr. «.
192
ftänbigung, unb fte beweift, bafe auch aufeerhalb EnglanbS ein
einträchtiges 3ufatnmeitarbeiten von Unternehmer* unb Arbeiter*
Vertretern im Sntereffe ber Gefammtheit möglich ift. tiefes Gr*
gebnife mufe bereits als grofee Grrungenfdjaft betrautet werben;
es Berechtigt jebenfaÜS zu fcfjöneu Hoffnungen für bie gebeih liehe
Gntwicflung beS ö|terreid)ifchen Arbeitsamtes unb ber öfterreirf)if<f)en
Sozialpolitik.
Wien. Dr. Emil Loero.
3U1 gemeine Smjial- und HltrtijfäJaftepolitlh.
SoZiafyofitifdje Anträge im ReidjStage.
Wie immer zu Beginn einer neuen Legislaturperiobe wirb
auch bieSmal eine lange Reifee oon Anträgen fojialpolitifcfjer Ratur
oon ben oerfcfeiebenen Parteien anaefünbigt. Berfcfeiebene ber An*
träge ftnb alte Bekannte. Bon freifinniger unb fozialbemofratifcfeer
«Seite foüen wieber Anträge auf Reform berGemerbe-gnfpektion
aefteüt werben. ®iefe foü unter entfprecfeenber Bermeferung ber
AufficfetSbeamten unb Heranziehung weiblicher Affiftenten unb Ber*
treter ber Arbeiter jur ReicfeSfacfee gemacht unb bie Snfpektion
auch auf bie HauSinbuftrie auSgebefent werben. 2>aran follen fich
Anträge auf Einführung obligatorifcher (bewerbegeriete unb
auf Einführung eines ReidfeSberggefefeeS feitenS ber Sozial*
bemofraten fdfeliefeen. Söei bem lepteren Anträge, ber einem Be*
fchluffe beS lefeten fozialbemofratifcfeen Parteitages in Stuttgart
entfpredfeen würbe, bürfte es namentlich um bie H era uziefeung
prattifcfe erprobter Seraarbeiter zur Gruben*3ufpeftion unb bie
allgemeine Einführung oer A<htftunbenf<hicfet fid) feanbeln. Seitens
beS EentrumS unb ber greifinnigen follen bie Anträge auf Ge*
Währung ber Rechtsfähigfeit an eingefchriebene Berufs*
oer eine erneuert, oom Eentrum zugleich ein Antrag auf Ein*
richtung oon .ArbeitSfammern geftellt werben. Bekanntlich hat
fich bie am 13. Dftober in Strafeburg i. E. abgehaltene General*
verfammluncj beS fatholifdfeen BerbanbeS„Arbeiterwohl" für Arbeiter*
fammern, bie ihren 3ufammenfchlufe in einem Reich SarbeitS*
amte finben foüen, auSgefprocheu. $lad)bem bie Gefeüen beS
HanbwerfS in ben GefeüenauSfd)üffen ber Innungen unb in ben
Hanbwerferfammern oertretcu finb, follen fich &ie ArbeitSfammern
auf bie Arbeiter unb Unternehmer ber Grofeinbuftrie, b. i. gabriten
mit minbeftenS 20 (10) Arbeitern befchränfen. Rur foweit in einem
Bezirke eine ftarfe, gefdjloffene HauSinbuftrie vertreten fei, fönne
aud) biefe betheiligt werben. Es feien lofale (für gröfeere Gemeinben
bejw. Greife) unb Se^irfsfammern für gröfeere Bezirke (nach Bor*
bilb ber Hanbelstammern) 5 U Bilben. Schon 1885 unb 1890 ftnb
oon ben So^ialbemofraten im ^Reichstage Anträge auf Einführung
oon ArbeitSfammern, Arbeitsämtern unb eines ReidfeSarbeitSamteS
gefteüt worben.
Sojialbemofratifcherfeits ift abermals ein Antrag auf Ein¬
führung ber aefetftünbigen Arbeitszeit für aüe tn Hanbel,
gnbuftrie unb bewerbe befefeäftigten perfonen geplant, gn ber
Seffion 1896/97 oeranlafete biefer Antrag eint lange Debatte, in
welcher fich aber &ie ^Regierung auSfchwieg. $)er Abgeorbnete
o. Karborff oerlangte bei biefer (Gelegenheit „brafonifdje Strafen"
für bie Befjinberung ArbeitSwiüiger. $)ie Debatte enbete mit ber
Annahme eines Antrages beS EentrumS, Erhebungen barüber an*
Zufteüen, in welchen Gewerbebetrieben burch übermäfeige 2)auer ber
täglichen Arbeitszeit bie Gefunbfeeit ber Arbeiter gefährbet werbe
unb überaü, wo eine foldfee GefunbheitSgefährbung oorliege, in
Ausführung beS §. 120e ber Gewerbeorbnung burch entfpreefeenbe
Berorbnung bie Arbeit z u regeln. 3>ie h^ erau f feitenS ber
Gewerbe * änfpeftoren oeranftalteten Erhebungen finb bekanntlich
infolge ber ungenügenben Auskünfte ber Krankenfaffen * Aerzte
unb Siranfenfaffen * Berwaltungen nur mangelhaft auSgefaÜen.
RationalliberalerfeitS foü, wie ]chon im lefeten Reichstag, wieber
ein Antrag auf Ausbelfenung beS gewerblichen ArbeitSfdhutjeS auf
bie HauSinbuftrie eingebracht werben, fytv würbe befonberS bie
KonfektionSinbuftrie in Betracht kommen. Rad) bem 3 e ugnife
ber gabriteninfpektoren h a l fich bit BunbeSratbSverorbnung oom
31. 2Rai o. g., burch wekfee bie wefentlichen Sdjujjbeftimmungen
für gabrifen auf bie Werkftätten ber Äonfeftionsinbuftrie auSge*
behüt worben finb, nicht bewährt, oielfad) fogar zur Berbrärtgung
ber betreffenben Arbeiterinnen in bie (nngefdjüfete) HauSinbuftrie
geführt. &er oon ber Regierung aufeerbem oorgelegte Gefejjent*
wurf, welcher ben BunbeSrath ermächtigen woüte, LofenzetteI ober
Lohnbücher oorzufefereiben, bie üRitgabe oon Arbeit nach H au fe an
bie in gabrifen unb Werkftätten befefeäftigten perfonen zn verbieten,
bie Kranfenverftcheruttg auch au f bie in ber HauSinbuftrie Be*
fchäftigten auSzubefenen unb bie Arbeitgeber (Konfeftionäre 2C.) z»
entfprechenben Seiträgen z u verpflichten, ift leiber uiterlebigt ge*
blieben. 2)a inzwifd)en auch ber beutfehe Schneibcrocrbanb Er*
hebungen über bie golgeit ber erwähnten SunbeSratfesoerorbnung
burch gragebogen oeranftaltet hat unb beren Ergebniffe bem Reichstage
Zugehen laffen wiü, fo bürfte befonberS ber grage beS MonfcftionS*
arbeiterfchuheS im nächften Reichstag wieber näher getreten werben.
$)a aufeerbem bereits eine gnterpellation beS bänifefeen Abgeorb*
neten Sohannfen über bie ArbeiterauSweifungen ans Rorb*
fchleSwig angefünbigt ift unb Petitionen um Erlafe eines Reichs*
mohnungSgefefecs oorliegen, fo bürfte auch bie s BohnungS*
frage unb bie grage ber ArbeiterauSweifungen in Rerbitibuitg mit
ber" 3nla|*fung ruftich-polnifcher Arbeiter im SDften zur Sprache
kommen.
Gefcerbltdjt Allliaiigtjerbäiibe* SSon Eb. 23ernftein erfchien in
ber lefeten Rümmer ber fozialbemokratifchen „Reuen 3 e ü" (^ r - ö
oom 19. Rooember) ein äufeerft inftruktioer Auffah über bie fog.
&rabe AüianceS in Englanb. Unter Beibringung oon Statuten*
auSzügen, praftifchen Beifpiclen unb ^iftorifc^eh 3>aten fchilbert er
Entftehung, 2Sefen unb Erfolge biefer Berbänbe, welche Arbeitgeber
wie Arbeiter je eines beftimmten Gewerbes umfaffen, um burd)
gemeinfameS Borgehen bie gemeinfamen 3ntereffen zu pflegen, gür
bie Unternehmer hanbelt eS fich BaBei um Hiutenanhaltung einer
„übertriebenen Konkurrenz" unb beS bamit oerbunbenen „Unter*
bietenS", für bie Arbeiter um Sicherung beS ArbeitSoerhältniffes
unb um Erlangung eines biüigen Anteiles an ben Ergebniffcn
ber baburch profitabler geworbenen Betriebe. 3 U biefem Sujecfe
ermitteln bie Aüianzen pnächft, welches ber HerfteüungSpreiS jebeS
in ihren Bereich fallenocn ErzeugniffcS ift unb weldjer Rtinbeft*
profit an ihm gemacht werben mufe. SDabei wirb aber weber ber
BerfaufSpreiS feftgelegt, noch oerbiüigte gabrikation auSgefd)loffen,
fonbern nur Borforge getroffen, bafe ber Kofteuanfafe nach beftimmten
Grunbfäfcen gefchiept unb ein bejtimmter Safe als Profitrate auf*
aefchlagen wirb. 2)as zweite ift bie Drganifirung ber Sohnregu*
lirung. ®azu treten beibe £)rganifationen (ber Arbeiter unb ber
Unternehmer) bezrn. ihre $)elegirte zufammen. ^»ie zu* 3 e ^ ^ er
Aüianzbilbung beftanbenen Lohnfäfee gelten als Btinbeftlöhne unb
für jebe Erhöhung ber Profitraten erhalten bie Arbeiter einen pro*
portionellen prämienauffchlag. 3)aS Lohnfomite hübet zugleich
baS SchiebSgericht bei Streitigkeiten, bem fich i c b er Arbeitgeber
wie Arbeiter zu fügen hat unb and) thatfächlid) bis jefet gefügt
hat. 2öenn auch über biefe £rabe AüianceS noch fein enbgültigeS
Urtheil gefäÜt werben kann, fo haben fie bis jefct hoch fd)on manche
günftige'Ergebniffe gehabt. — ^ie „Kreuzztg." bemerkt zu bem Auf*
fahe BernfteinS, AueS bränge barauf fjiu, „zu einer gemeinfamen
Drganifation, in ber Arbeiter unb Unternehmer frieblid) über ihre
gemeinfamen gntereffen oerhanbeln, zu gelangen. Wirklichen Rufecn
I kann thatfächlich baS GemertfchaftSmefen als Kampforganifation
I für bie Arbeiter befonberS auf bie ®auer nicht fefeaffen. ^ie Ar*
i beiter werben am beften beraten fein, wenn fie mü ben Unter*
nehmern oereint oorgehen unb wo gegenseitiges Bertrauen in ge¬
meinfamen Drganifationen \)txt\d){." 2)ie Borbebingung folcher
gewerblichen Berbänbe ift hoch aber gerabe bie Eyiftenz ftarfer unb
leiftungSfähiger Sonberorganifattonen oon Unternehmern unb
Arbeitern, wie bieS aus BernfteinS Ausführungen erheÜt. Unb
auch &a$ einzige Beifpiel einer Xrabe AÜiance in ®eutfd)lanb, baS
3ufammenwirken ber Prinzipale unb Gehiilfcn im Buchbrucfgewerbe,
baS jefet in ber Sarifbcmegung feine Kraft mit grofeem Erfolge
befunbet, weift auf bie Rotfewenbigkeit hiu, bie gemeinfamen Ber*
bänbe auf bie Sonberorganifatiouen zu ftüpen. Dfene einen ftarfen
prinzipaloerbanb unb ohne einen kraftooüen Gehülfcnoerbanb wäre
in biefem Gewerbe nie eine Einigung, ein gemeinfameS Borgehen
erzielt worben, wie eS jept zu Rufeen beiber £f)cile befteht.
Bom §♦ 8 beS prenütfehen BeretnSgefeheS, ber baS Berbot ber
Berbinbung oon politifcfjen Bereinen enthält, hatte man längere
3eü nichts gehört, gefet wirb gemelbct, bafe auf Grunb btefeS
Paragraphen in Haüe a./S. bie 3 a hlfteüe beS BerbanbeS ber
gabrik*, Sanb*, HülfSarbeiter unb Arbeiterinnen l 3>eutfd)lanbS
polizeilich gefchloffen worben ift, weil fie mit anberen Bereinen
gleidjcr Art, unb zu?ar mit bem Gemerffd)aftStartcH, in Berbinbung
getreten fei. — Bagern unb Sad)fcn haben baS ganz oeraltetc
BerbinbnngSoerbot im Laufe beS Iefcten galjreS aufgehoben, gür
preufeeit wäre ber einfaefefte Weg ber, bafe ber BunbeSrath bem
fa)t einftimmig gefaßten ReidjStagSbefchlufe, bie lanbeSgefefelidhen
Berbote über baS Snoerbinbungtreten oon Bereinen mit politifcfeeu
i 3*»ecfen aufzuheben, zuftimmt.
©ogtole (fcentralblatt für ©ogialpolittf. 9fr. 8.
198
Politifd)e unb gcroerffdjaftfidje Serfatnmlmtaen in ©adjfeit.
Die Sbänberung beS fädfjftfd^cn VereinSgefefceS fd)lie&t befanntlidj
Sföinberjährige oom Vefud) politif^cr Verfamntlungen aus. Da*
gegen mürbe roährenb ber Kamtneroerhanblungen toieberholt non
ben greunben biefer ttRajjnabme allen Vefürd)tungeit bie Vergehe*
rung cntgegengefefet, baß bie geroerffdjaftlidje Veroegung, bie
Sörbermtg Der Verufsintereffen unb bie ©rgielung befferer Arbeite*
bebingungen in feiner Weife burcf) biefe Veftiinmung getroffen
roerben foüe. Die PrajiS aber f)at anbere ©rgebniffe jjegeitigt.
3n ben oier Monaten, bie baS ©efefc jefct in Straft ift, unb oer*
fd)iebene Satte gu oergeidjnen, roo Verfammlunaen, bie fich mit un*
groeifelljaft nid)tpoIitifd)en Sngelegeitheiten befc^äftiat haben, oom
Verbot bes VefudjS ber SKinberjäfjrigen ereilt rooroen finb. ©o
eine SDfrtallarbeiteruerfammlung in DreSben, für bie ein Vortrag
über bie Degeneration ber Srbeiterflaffe angefünbigt roar, eine
©ifeleuroerfammlung in SRabeberg, in ber über ben SRücfgang bes
KunfthanbroerfeS gefprodjen rourbe, eine |)olgarbeiten)erfanunlung
in Rabenau, roeil ber Vearnte erflärte, inan fönne nidjt roiffen, ob
ber ^Referent nicht auch auf bie politif fomme 2 c. Kann inan bei
folgen Vorgängen an ÜRifegriffe untergeorbneter Beamter benfen,
fo liegt bicö bod) anberS in folgenbem Satt: Die Smthauptmann*
fchaft Dresben*Sltftabt ^at eine Vefchroerbe roegen 3 ur ücfroeifung
Sföinberjäpiger an einer ^olgarbeiteroerfantmlung in ©techtrifj, in
welcher über 3 tüe rf unb 3' c ^ ber geroerffchaftlidjeit Orga*
nifation gefprodjen roerben fottte, mit ber Vegrünbung abgeroiefen,
auö bem bisherigen Verlauf ber Srbeiterberoeguitg in ©adjfen
gehe proor,
„baß bie fogenannte (gerocrffchaftlidje) Organtfatiou in bas gahrtuaffer
ber fogialbentofratifchen gartet gerathen fei unb non beren Agitation
weniger gur ©rgiclung befferer Lohn* unb SrbeitSbcbingungen für bie
Arbeiter felbft, als oielmchr in crfter Linie gur Verfolgung ber ben
Veflanb ber Staats* unb ÖefeUidjaitSorbnung bebrohcnben polttifdjen
x 3iele ber Parteiführer beförbert unb benufct roerbe."
Diefe ©ntfcpibung roiberfpricht offenbar ben flar auSgefprocpnen
Sbftcpen beS einen ber gefefcgebenben Sohren, bem Sanbtage.
Ob fie bie Snfchauungen beS anbereu SnftorS, ber föniglid) färf)fi**
fcpn ©taatSregierung, richtig roiebergiebt, roirb fich geigen, ba bie
£>anbhabung beS VereinSgefepS natürlich in ber nädjften Sanb*
tagSfeffton gur ©prache fomnten roirb. ^ebenfalls ift ber amtliche
Vefcpib ber Smtshauptmamifdjaft DreSben*Sltftabt nur ein neuer
VeroeiS für bie Verftänbnißlofigfeit, mit ber aud) höp* e Vehörben
ber Srbeiterberoeguitg gegemiberftepn: ©ie treiben bie Srbeiter
gerabegu mit ©eroalt in bie Srute ber politifchen ©ogialbemofratie,
roenn fie fte an ber legitimen Vertretung unb Sörbernng ihrer
Verufsintereffen oerhinbern. Such berartige Vorfomtmtiffe mahnen
ben VunbeSrath aebieterifd) gur Verücfficptgung ber oom Reichstag
befchloffenen SRefolutionen auf Snerfennung unb VetoegungS*
freiheit ber SrbeiterberufSoereine.
Die fRecpörinheit tu ber ©chlorig. Sünfgig 3<*pe pt im
©chroeiger Volfe bie Veroegung gebraust, um ans 3i c l fom*
men: SuS ber Qahrhunberte roäpenben S^fP^terurtg beS Rechtes
in ben einzelnen Kantonen roirb nun bie Einheit in ©traf* unb
©ioilrecp für bie gange ©chroeig erftehen. Sm 13. SRooember hat
bie VolfSabftimmung mit ruitb 270 000 gegen 100000 ©timmen
fi<h bafür auSgefprocpn, oon ben Kantonen haben 15 unb 3 halbe
mit 3a unb 4 unb 3 halbe mit SRein ootirt. Damit ift eine f)od)*
bebeutfame Dhat oottgogen, foroohl für bie Kräftigung beS nationalen
©ebanfenS in ber ©d)roeig, roie auch für ben fogialpolitifchen
Sortfchritt.
VehBrblidhe fiohnregnlirnng in ($ng(aub. Sus Bonbon roirb
uns getrieben: Das ^onboner ©chulamt befchäftigte fleh m tt ber
üohnfrage in einer feiner lebten ©ihungen. Vis je^t roaren bie
©eroerfoereinS-ßohnfähe in allen Vauoerträgen eingefeht roorben
unb eine SuSbehnung biefes PringipS fam nunmehr gur Vefdjlufe*
faffung. Der Vorfifcenbc beS 5lrbeitSfomit6S Öorb Vtorpeth
machte ben Vorfchlag, „bah &a, roo in feft umgrengten unb
umfangreichen ®eroerben eine oon Srbeitgebem unb Arbeitern
anerfannte Öohnreguliruitg eriftirt, folche fiohnfäbe oon atteti Sb*
theilnngen beS ©cbulamteS angenommen unb in allen Kontraften
oerbinblid) gemacht roerben." hiergegen roanbten fich gunächft
einige fortfcfjrittlic^c s lK'itglieber mit bem Sntrage, bah bie burch
ben'Drucf auSgegeichneten Sorte roegfatten, unb bah ba, roo feine
£?ohnabmad)ung oorhanbeti fei, baS ©chulamt in ben Satten, „roo
es roünfthensro'erth", eine Sohnregulirung oornehmen fottc. Der
Sonbotier WraffchaftSrat'h hat fich groar gu biefem ©ruitbfah be*
fannt, bie ©chuloerroaltung aber hat ihn nach lebhafter Debatte
mit einer Mehrheit oon einer ©timme abgelehnt. Vtan roar roohl
ber Snficht, bah 11l *t ©runb befürchtet roerbe, es fönne in ben
194
(bewerben ohne Sohnabmachungen fich baS ©roeatingfpftem ein*
fehleren, bah aber hoch bie Sufgabe, felbft bie Söhne feftgufefcen,
für eine öffentliche Vehörbe gu fchroieria unb bebenflich fei. @S
gelangte baher ber SuSfchuhantrag gur Snnahme.
Obltgatorifche ÜJlinbeftlöhnc in Victoria* Heber bie (£r*
fahrungeti mit ber obligatorifchen Seftfefeung oon 3Rinbeftlöhnen
unb ber ^öchftangahl oon Sehrlingen in eingelnen ©eroerben in
Victoria berichtet Dr. ©chroieblanb in ©onrabs „Sah^büchem für
S^ationalöfonomie unb ©tatiftif": 3n ber Vä cf er ei unterftühte
bie grohe Mehrheit ber ttKeifter bie Durchführung ber Veftim*
inungen auf jegliche Steife. @S fcheint, bah ein grober Dheil oon
ihnen erfreut roar, nunmehr gegen bie Konfurreng oon VerufS*
genoffen gefiebert gu fein, roelche ihre Seute fehlest entlohnten, oiele
Sehriinge hatten unb anberfeitS baS Vrob roohlfeiler abgaben.
Die Sohnerhöhung betrug nahegu 25o/ 0 unb fie erfcheint für
immer errungen. Such m ber Kunbenfchneiberei begegneten
bie Verfügungen feinerlei ©chroierigfeiten. Die ©efchafte erften
langes gahlten fchon ehebem phere Söhne unb bie neuen Vtinima
beroirften feine drmähigung berfelben, für Kunbengefchäfte jroeiten
langes hingegen bebeutete bie Sntoenbung beS SDtinbefttarifcS er*
hebliche Sohnerhöhungen, roelche fi<h bis auf 50o/o beliefen. Die
Vorfchriften haben fnh aber als oottfommen burdhfüpbar er*
roiefen. SnberS in ber Konfeftion. §ier rourbe bie ^robuftion
oor bem 3n$lebentreten ber neuen VJahregeln oermchrt, unb als
biefe in Kraft traten, prrfepe Srbeitslofigfeit. Dagu fam, bah
bie Kommiffioneit bie ©tücflöhne etroaS hper feftgefeht hatten, als
bem VSochenlohn entfprochen ptte: Die Heimarbeit, roelche ftets
nadb bem ©tüd begahlt roirb, hörte bapr auf; es rourben aber
in Den ©erfftätten nur bie beften Srbeiter aufgenommen. Such
roaren oiele aus Samilienrücffichten nicht in ber Sage, aufjer
$auS gu arbeiten. 3« ben VSerfftätten entlieh man in Solge ber
Sohnerhöhung bie minber tüchtigen Srbeiter unb befchleunigt ben
©ang ber Vtafchinen. S^rner rourbe bie 3ahl ber Sehriinge oernngert,
benn auch ihre Söhne roaren erhöht roorben. Such in ber ©d)uh*
mach er ei oeranlahte bie abfolute £>öhe ber ©äfce eine ftarfe Ver*
mehning ber mafchinetten SuSrüftung ber Sabrifen. ©ine Ver*
ringerung ber 3 a hl ber Srbeiter unb SuSlefe ber Düchtigften unb
Slinfften biirfte bieSolQC fein. 3n ber 3Wöb cltifchlerei rourben
bie Söhne bis gu 20% erhöht. Deshalb rourben unter ben
d)inefifd)en Srbeitem bie Iangfamen in ©«haaren entlaffen. Diefe
begannen nun auf eigene ^Rechnung gu arbeiten, eine grohe §auS*
inbuftrie enftanb unb bie Sabrifen leiben ftarf unter beren Kon*
furreng. Hier rourbe ber 3 c ülohn gu h 0( h feftgefe^t unb oeran*
Iahte bie ©ntfaltung ber HauSinbuftrie, roäpenb baS geroottte
Vtihoerhältnih groifchen Vßerfftattlohn unb §eimarbeitslohn in ber
Kleiberfonfeftion unb gum Dfjeil in ber ©chuhmac|erei bie
Heimarbeit oernichtete. Verfepte Vtahnahmen beförberten baher
bort fünftlich bie Söerfftattarbeil, hier bie HauSinbuftrie.
ftotnttttntale Soiial|>oUttk.
VrtneiMiflege mtb ©euteiuberoahfrecht in Vremen. Die S^age,
roie roeit bie ©eroährung oon Srmenunterftüfcung ben Verluft beS
Wahlrechts nach fich 3i e ht niirb in Vremen nad^ Vereinbarung
groifdjen bem Vorftanb ber ©tabtbremifchen Srmenpflege unb ber
Deputation gur Seitung ber Vertreterroahlen fünftig nach folgenben
©runbfäfeen behanbelt:
a) bie einer ©hefrau geroährte llnterftüfcung gilt als Unterftühung
beS ÜRanneS, aufeer roenn Dem 9J?annc oom Bericht geftattet ift, oon ber
grau getrennt gu leben, ober roenn bem Spanne eine SlimentationSpflidjt
ber grau gegenüber nicht obliegt; b) bie Unterftüfcung eines ehelichen
ober biefem gleidjftehenben Kinbes, ebenfo bie Unterftühung eines ehe*
liehen ober außerehelichen Vorfinbes ber grau, gu befielt Slimentation
ber ®?amt cioilredjtlich oerpflichtet ift, gilt nicht als Ünterftüfcung bes
Cannes, roenn fie geroährt ift, nadibent bas Kinb bas 18. Lebensjahr
bereits oollenbet hat, ober groar oorher, aber nacfjbent bas Kinb roirth 5
fchaftlidj felbftftänbig geroorben ift. Lejjteres ift im gweifel bann nicht
angunehmen, roenn bas Kinb ftch noch in ber häuSlidien ©emeinfehaft
beS gamilicnhauptcS befinbet.
Der Snfidjt, baß roer eine im lebten 3ahre begogene Srmennntcr*
ftüjung gurücfbegahlt habe, nicht mit in bie oott ber Srmenoerroaltuug
aufguftcllenbc Lifte ber oon ber Waf)lbcred)tigung ausgefdjloffcnen per*
fonen aufgenommen roerben bürfe, roeldjer v^ap g. V. aud) in Hamburg
beobachtet roirb, hat bie Deputation ftdj uid)t angefdiloffeu.
©tübtifche (SleftrigitatSroerfe. ©o erfreulifd) ber eifrige gort*
fchrüt ift, ben bie ©leftrigität in ben ©täbten mad)t, ebenfo un=
erfreulich ift es, baf* bie Vertretungen gerabe leiftuitgsfäljigfter
©täbte fich burcf) bie böfen Erfahrungen, bie u. S. bie großen
196
195
©ogiale $ra£is. Centralblatt für ©ogtalpoUttf. Br. s.
englifdjen ©täbte mit ^tinahnonopolen für Bebürfniffe ber (Sin*
rnoßner (BedehrSgelegenßeiten, ßicßt, Sßaffer k.) gemacht haben,
fließt belehren taffen, fonbern gerabe gciüinnreicße Unternehmungen,
beren fiel) bie BJehrgaßl ber Einroohner bebienen muffen, ’jßrioat*
gefettfefjaffen jur AuSttußung iiberlaffen, beren felbftoerftänblicheS
©efcßäft, ja Bflicßt ber Ertoerb ift. ©o ift benn in Berlin am
17.Booember in britter Beratßung, alfo enbgültig, mit 66 gegen
51 ©timtnen ber Vertrag mit ben Berliner EleftrigitätSwerfen
(ogl. oorige Kummer) unoeränbert angenommen roorben. Es ift
biefe Abftimmung um fo betrübenber, als mir leiber fcf>on red>t
häufig bie gälte haben regiftriren muffen, roo bie Vertretung ber
|>auptftabt bes S)eutfcßen Reiches einen bebauedichen Mangel an
jogialem Empfittben bemiefen hat. — Ein ähnlicher stampf fteljt
gegenroärtig in Nürnberg beoor. S)ort beabfidjtigt ber Bcagiftrat,
ben Vau unb Betrieb breier neuer Straßenbahnlinien einer bortigen
Bnoatgefeüfchaft gu übergeben, troßbem gerabe in Nürnberg mit
bem ©traßenbetrieb ber prioaten ©efettfeßaften bie aHerfd)Icd^teften
Erfahrungen gemacht finb. $)as Befanntroerben ber Abfid)t hat
3 u ^roteftoerfammlungen geführt. — Aus einer Beiße ooti ©täbten
werben eifrige begw. erfolgreiche Berßanblungen mit ^rioatgefell*
fchaften, Banfen 2 c. über Errichtung oon EleftrigitätSwerfen, meift
gurn ©traßenbabnbetrieb, gemelbet; fo aus 3 »cna unb ben um*
liegenben Drtfdjaften 3 ro äßen, ßöbftabt, Söenigenjena, ßobeba,
Burgau unb ©öfdjwiß, aus ©roßotterSleben (Verbinbung mit
s Hiagbebura*©ubenburg), aus $irna unb ben beteiligten Drten
Eoptß, ^ittniß, £>ofterwiß unb ßofeßwiß, aus £>alle, Reichenbach,
©panbau, Xeucßern, unb aus .\Secflingen — Staßfurt —
ßöberburg.
©tftbtifdje BiiScellett. Ehenttttßer ©tabtoerorbnctc — bie ton*
[eroatioe ^raftion - beantragten nach 3dtungSutelbungen ein SBahlrecßt
jur ©emeinbeuertretung gu feßaffen, bas aud) eine Vertretung ber 31 r*
beiter ermögliche. ES feßwebt eine BtablrechtSglieberuug nach Berufs*
ftänben uor, rate fie auch gclegentltd) fiir bie padamentarifdjeu ftörper*
fchaften oorgefdjlagcn ift. — Xic Charlottenburger ©tabtuerorbneteii
genehmigten am 11. Booember bie Cinridjtung oott UnterfunftSräumen
für obbacßlofc Familien. Xabei mürbe bie Erstellung eines Dbbad)lofen*
Aftjls mie ber Vau oon Arbeitertoobnungen burdj bie ©tabt angeregt.
— giir WaiferSlautcrn t. b. Bßeinpfalg ift eine außerorbcutlidjctton*
trole fämmtlicher Neubauten oom Vegirfsamt angeregt, nachbcm inner*
halb weniger Jage Xagc gwet Käufer ciugcftnrgt finb, ein fdiledjtcs
•ßeugtttß für bie ftäbtifdje BSotjnuugSinfpeftiou. — 3it 3Ragbebitrg
ift am 9. Booember bie ÜuftbarfeitSfteucr baßin ergänzt, baß auf Antrag
beS Unternehmers an ©teile ber Öuftbarfeitsfteucr eine Veftenerung bei
EintrittSfarten treten fann.
Stadiale 3u(tönie.
$ie ßkoaitgSOerfteigertnigest uttb ihre Opfer.
£)ie 3toangSooüftrecfung foU fchtteü unb prompt im Sntereffe
ber beitreibenben (Gläubiger ooHgogen roerben, fie foll bem Gläubiger
aud) gleichseitig bie IRöglirfjFeit entziehen, burch mißbräuchliche,
cßifanöfe, übertriebene Anwcnbung feines Becßts ben ©chulbner in
unguläffiger Seife gu fcßäbigen. X)er ©taat muß jebergeit gur Er*
haltung ber ©teuerfraft feiner Bürger bafiir forgen, baß ihre
Erwerbsfäßigfeit nicht gehemmt, bie georbnete BMrthfcßaft beS
5amilicnIebeitS beS ©djulbners nicht geftört werbe. 9iod) finb
faunt brei Sahqehnte oerfloffen, baß in S)eutfchlanb bie ^ßerfonal*
©chulbljaft aufgehoben worben ift, unb erft feit einigen Safjrni ift
in Preußen ben .£>au*beftfcern als EHäubigern bie &öglid)feit be*
nommen, baß ben ©chulbnern unb beren Santilienmitglicbern alles,
felbft bas Äopffiffen unter bem Slopfe gepfänbet werben barf, baß
ber ©erichtsoollsieher bie fämintlichc fahretibe .fiabc beS ©chulbnerS
pfänben unb mit Seib unb Minberu einfach auf bie ©traße feßen
fann. ßeiber ermangeln wir noch immer einer ©tatiftif über bie
mirthfchaftlidjeu Effefte ber ^angSooUftrecfungen aus Eioil*
forberungen. ^adjftehenbe 3 wei Veifpiele aus ber ^eugeit mögen
aber ihre ocrhceretibe Sirfung oeranfcßaulichen.
Ein Eigcuthünter im Sforben Berlins hatte eine breimonatlidjc 1
3J?iethsforberung gegen einen ÜWiether in $i>hc oott 66 M. Äuf bie
cingercichte Älage erftritt er bie Ermiffion unb 3mangSooüftrccfung.
$ie ^e^tcre ergab nur Viobilien im Jarmerthe oon 40 JC.\ ber 3luftions*
erlös betrug hierfür aber nur 2i *. Sie Soften für bie Vfänbung
unb 3maugsocr[teigernng machten 21,«» M.,_ mithin blieb ein Vlus oon
60 3f bas sunt ^heil nod) burch ^ortofoften abforbirt mürbe. Ser j
©djulbncr blieb für ben oollen SRicthsrücfftaiib, für aufgclaufeue ^infen, |
OlerichtSanmaltSfoften haftbar, oerlor Vtobilien, bic jmar nur einen j
Sarmerth oott 40 M., jeboef) einen HnfdjaffungSroerth oott tninbeftens j
80 M. hatten; ber ©laubiger mußte nodj aus feiner Safdje bie ©eridjts* |
unb Hnmaltsfoften barauflegeu, unb Vortheil aus bem Vorgänge hatten i
nur bte oereinxgten Sröbler Berlins, bie auf ©runb ihrer Verein*
barungen alles jur 3toangsoerfteigerung fommenbe ju ©d)unbpreifeii
ermerben.
3nt jmeiten §alle mürben einem ©diulbner mehrere 3immcr V?öbcl
im 3lnfchaffungSmerthe oon über 1000 gepfänbet, jum Saytoerthe
oon 450 *//. ^reunbe beS ©chulbnerS hatten oorher oergeblich gefud)t
mit bem ©laubiger ein Arrangement ju treffen. Um ben ©d/ulbner
oor gänjlichem mirthfdjaftlidjcn 9luin ju fehüßen, beabfichtigte man, bie
Bfanbfadten im Verfteigcrnngstermin ju ermerben. Sa febod) ttotorifdj
1 bie oercinigten Berliner .{»änbler frembe Käufer nicht ^ulaffen, entfloß
I man ftd), nach bem fämmtlidjc "^fanbfachen nur 250 M. erbracht hatten,
fie oon ben Sröblern juriiefiuermerben unb mürbe ttad) langem Ber*
hanbeln über ben Kaufpreis oon 500 „it einig. Ser ©chulbner hat alfo
Vtobilien im Anfdjaffungsmerthe oon 1000 jl oerloren, ber Erlös oon
250 Jt. mirb oon ben ©eridjts*, Anroalts* unb 3 l oangSoonftrecfungs*
foften ocrfdjlungen; er bleibt baljer außerbem nod) haftbar für ben oollen
| ©djulbbetrag beS beitreibenben ©läubigerS plus einer neu creirten ©djulb
oon 5a> Jt. an feine greuitbe für ben Bücffauf ber Bfanbftütfe.
S)a bei ^tt^nfi^oöf^erfungen aus bürgerlichen VecßtSftreitig*
feiten feiten ©adjen gepfänbet merben, bie einen marftgängigen
Breis haben unb beSßalb ohne größer« Veilnft oerfäuflich ßnb,
fonbern iti ben meitauS meiften OfäHcn 9Wobilien unb haaren ber
3mattgSDoIIftrecfung unterliegen, fo tritt hierburcf) nicht bie oom
©efeße beabsichtigte VermögenSoerfchiebung, fonbern eine Ber*
mögenSjerftörung ein. S)em ©chulbner mirb mehr endogen,
als ber Gläubiger gu forbern hat, mtb bem (Gläubiger ermächft
aus ber Verfteigerung roeniger, als ber ©chulbner einbüßt. S)er
Effeft ber 3a)angSoerfteigerung ift mithin in ben meiften fällen
ein oom ©efeßgeber nicht beabfid)tigter, er führt 311 einer nicht
gered)tfcrtigten ©djäbigung beS momentan 30 h lungsunfähigen
©chulbnerS, bie feine mirthfchaftliche Eriftetu gefährbet. S)ie
©chäbiguitg ber ErroerbSfäßigfeit beS ©chulonerS läßmt feine
ArbeitSfreubigfeit, untergräbt feinen ©parfinn unb raubt bem ©taat
einen 3 ufrieberten Staatsbürger unb einen guten ©teueqaßler. vner
in Berlin gehen jährlich §unberttaufenbe oon Vfarf baburch ocrs
loren, baß bie ©pänen ber AuftiottSlofale, bie Bereinigung ber
Sröbler, einen Bing gebilbet haben 3 ur billigen Erftehung aüer
ur 3 ro aagSoerfteigermig gclangciibeit Bfaubftücfe! B3el)e bem
remben, außerhalb beS Binaes ftehenben Befleftanteu, ber fich
I unterfängt mit^ubictcu, er mirb bei ben merthlofeften ©acheit oon
| beit Biitgliebern bes Bittges fo hod) getrieben, baß ihm ein für
I alle iliale bie Suft oergeßt, fid) felbftftänbig am Bieten 31 t beteiligen
| uttb er es uoqieht, einen ber 311 m Biuge gehörenbett Sröbler 311
I beauftragen, iit feinem Aufträge bie ©aeße 311 ermerben, bic er 31 t
! erfteheu miinfcht. hierfür hat ber Befleftant einen beftimmten Be*
i trag an beit Erftefjer 31 t entrichten, ber feinen Verbietet mit feinen
3 um Bittge gehörenben (vjettoffcit 311 theilen bat. 3n ben meiften
hätten faufett jeboch bie 3 unt Bingc gehörenbett ©enoffen bic
Bfatibfadjen gu einem ©pottpreifc, um fie nad) Beenbigung ber
gerichtlichen Verweigerung an berfelben ©tätte in bie „Äippe" 311
nehmen, b. h- fie an bie meiftbietenben Btitglieber beS Binges
meiter gu oerfaufen. S)er hierbei er^idte Ueberfchuß über ben
urfprüngliten ErftehuttgSpreiS gelaugt fofort unter bie Bütglieber
3 itr Bertbeilung.
B3ir befißen 3 mar ein ©efeß, bas biejenigen mit hoher ©träfe
belegt, bie fich oereinigen 31 t bem 3 | oecfe, bei 3njangSoerfteigernngeit
niebrige ©ebote abgugeben ober anbere, ihrer Bereinigung md)t
Angehörige, oom Batbieten absuhalten; aber bie Attmenbung biefes
©efeßeS ift eine fo feltene, baß häufig 3ahre oergehen, ehe man
eine Bestrafung aus ihm erfährt. S^a jebod) ber ©taat bie Ber*
pflicßtmig hat, bett ©chulbner oor einer Bennögensgerftöruug burd)
eine gefeßlofe Bereinigung oon gemiffenlofen Mänblcnt gu fchüßeit,
fo erfcheint es im Sntereffe ber allgemeinen Bechtsficherheit geboten,
biefetn Xreiben ein Enbe gu machen. BMr mißen leiber aitS Er*
fahruitg. baß bei bem bureaufratifchen ©attge berartige Öd’t*
ftellungen, bie ben Borfd)lägett oorangehen utüffen, mie bem BHß*
ftanbe im 3 l oangSoerfteigenntgSoerfahren abguhelfen fei, 3ahrc
oergehett fönnen, ehe fie abgefd)loffen finb, unb um ben mirth*
fdjaftlid) gerftörettben Einmiduitgen beS gegenroärtigen ©pftems
einen .vSalt gu bieten, müßte matt ingtoifchen bebaeßt fein, für eine
aitbermeitige uttb mettn auch nur prooiforifche Befeitiguitg ber
Viißftäube 311 forgen. Es mürbe fieß empfehlen, baß f)i er ^ic
öffentlichen B3ohltßätigfeitS * Vereine, ittSbefonbere ber
Verein gegen Verarmung mtb Bettelei ßelfcnb ein trete, bem
fid) eueittuell bic ©täbtifeße ©tiftungs*®eputation angu*
fd)ließen haben mürbe.
3 n erfter Virtie ßanbelt eS fitß boeß barum, möglicßft gu oer*
ßinbent, baß iUobiliett ber deinen fieute megen gertnger ©cßulb*
betrüge gericßtlid) gepfänbet, bebentenb unter ißrem AnfcßaffungS*
wertße oerfteigert unb babureß alljährlich ber ©ntnb 3 um wirtß*
197
Soziale iptayts. Gentralbiatt für Sogialpolitif. $r. 8
19 *
fc^aftlicfjen SRuin einer großen AngapI Steuerzahler gelegt roirb, bie
meift ohne birefteS Berfcpulbeit ihre Scpulbeit nidjt rechtzeitig zu
tilgen oermochten. Der herein gegen Verarmung unb Bettelei foH
nach feinen Sapungeu nach BtÖglicpfett oerpinbent, bah unncr«
fchulbet peruntergefommene Bürger ber Armenpflege anheimfallen.
Diefer herein ift gut organifirt unb fann leicht feftfteüen laffen,
ob ©efuepe um Beiftanb gerechtfertigt finb. 3>n beitjenigen gäflen,
too eine folche §ülfe angebracht erschiene, müßte Kantens beS
Vereins oerfuept merben, mit bem Gläubiger ein Abfommeit bahin
Zu treffen, bafc gegen 3 a Plung beS DajroertpeS gemäß § 726
b. G.’ißJD. bes ber fßfänbung unterliegenben Gigentpmns bes
ScpulbnerS, biefeS in ben Befip bes BereinS übergeht, ber aisbann
bie ermorbenen Dbjefte leihmeife in bem Bcfiß beS ScpulbnerS
läfct. ^ierburch mürbe ein für allemal oerhinbert merben, bah
Stacppfänbungen ftattfinben unb eine roieberholte Snteroention zu
©unften beS ScpulbnerS Sßlafc greift. Die auf biefe Bkife
fontrahirte gorberuna mühte unoerginslich unb bent Scpulbiter
geftattet fein, fie in Seinen, nach feinem Vermögen feftzufefeenben
Saaten zu tilgen.
3>n ben JäHen, mo ein berartiges Abfomnten mit ben
©laubigem nicht zu Stanbe fommt, müßten in allen BerftetgerungS«
terminen Beüottmäcpttgte beS BereinS als Btitbieter auftreten unb
unter allen Umftänbeit bie zur Auftion fommenben ©egen«
ftänbe erftehen. Senn auch in ber erften 3 e it vielleicht bie Sachen
Derpältnißmäßig theuer ermorben merben müßten, fo mürbe hoch
unzmeifclhaft pierburep ber auf ungefeßlieper BafiS begrünbete
Stting ber Dröblcr aefprengt unb bie meitere unheiloolle Ber«
fcpleuberung ber Bfanoobjefte enbgültig befeitigt merben. Sollten
bie Btittel beS BereinS gegen Verarmung unb Bettelei nicht aus«
reichen, bann ^ätie bie Stäbtifcpe Stiftung^ * Deputation ^elfenb
einzutreten.
Die unter ber Auffnht ber beibeit ©emeinbebepörben ftehenben
SopltpätigfeitSanftalten unb Stiftungen oerfügten Gnbc Btärg 1898
über ein zinsbar angelegtes Kapitalüermögeu oon 15 569 930 Ji.
hierzu fomrnen bie unter alleiniger Aufficht bezm. Berroaltung bes
BtagiftratS ober einzelner Deputationen ftehenben Stiftungen mit
einem Kapitaloermögen oon 7 374 482 M unb bie unter Ber«
roaltung felbftftänbiger Kuratorien ftehenben Stiftungen mit einem
Kapitaloermögen oon 5 954 510 Außer btefen iuSgefauunt
28 898 922 jf( befafeen oerfchiebene Stiftungen noch ©rünbftücte
im Dagiuertpe oon 7 558 823 Jf , auf benen Gnbe Btärg 1898
£>ppotpcfen im Betrage oon 250 259 */# hafteten, ©egen baS
Vorjahr ift bas StiftungSoermögen um 3 504 765 r 4{, geftiegen.
Da biefe ©elber lebiglicp z u bem 3u>ecfe gefpenbet morben fmb,
»oth unb Glenb ber unbemittelten Kreife nach Kräften zu linbern
unb aber auch namentlich ftürforge zu treffen, bah unoerfchulbet
ins Unglücf gerathene Bürger oor roirtpfcpaftlicpem SRuin
bemahrt merben, fo bürfte eS ein fieicpteS fein, biefen Borfdjlag
praftifcp ins Sehen zu rufen unb einem Unmefen zu fteuem, baS
einen ferneren fozialen fDtihftanb beroirft.
Berlin N. C. Weigert.
SUrbetterbetaeguttg.
Die Koalitionsfreiheit unb baS Gentrnm. Auf einer Berfantm«
lung beS Bieberpeinifcpen BerbanbeS djrifilicper Dejtilarbeiter zu Krefelb
am 12. Booember ermahnte Bifar Brauns—Borbecf zu energischem
Ginfprucp, menn man an ber Koalitionsfreiheit ber Arbeiter rütteln
motte; man mitffe bahin roirfen, bah bie Arbeitgeber mit ben or«
ganifirten Arbeitern oerhanbeln auf ber ©runblage gütlichen lieber«
einfommenS. StteicpstagSabgeorbneter Brofeffor Dr. S>ifee—fünfter
betonte bie Botproenbigfeit einer Drganifation ber Xeftilarbeiter.
GS beftehe fepon ein £>eer oon 100 OÖO organifirten cpriftlidjen Ar«
beitem. Die 3 u fammenfebung bes SHeicpstageS laffe eine Be«
fepränfung bes Koalitionsrechts nicht befürchten. Die Arbeiter
müßten gielberouht mitarbeiten bei ber Berroaltung ber für bie
Arbeiter gefchaffenen ftaatlicpen Ginrichtungen, mie bei ben Krauten«
taffen unb ©erorrbegeriebteu. s Dian müffc energifd)e, tüchtige fieute
bazu mahlen. — Die ^crfammlung fa^te eine ^Kefolution gegen
jebe SSertiirzung ber Koalitionsfreiheit.
Streif in 9fcmfd)eib; OrtSfranfenfaffe unb $3rtric6sfranfenfiiffem
Aus eigenartigen Urfachen ift ein Streif in 9temfd)cib auSgebrod}en.
Seine llrfache geht auf einen Streit zurücf, ber oor einigen 2öod)en
bort zuüfchen bem SSorftanb ber SDrtsfrantcnfaffc unb ben Kaffen«
ärzten entftanben mar. Der SSorftanb hatte zroei Aerzte geftridjen,
ihre Kollegen erflärten fich mit ihnen folibarifd) unb ftreiften als
Kaffenärzte. Da es ber DrtSfaffe aber gelang, fehr halb oon aus«
märts Aerzte zu befommen, fo unterlagen bie Stemfcheiber Aerzte.
9tun hüben etma 30 ^abrifanten befchloffen, 'öetriebSfranfentaffeu
Zn begrünben, roeil es laut einer Grflärung beS 93ergifd)en <Xabri«
fantenoereins ihnen „in ben lebten fuhren unmöglich gemacht
morben ift, ihre Anfichten im SSorftanbe ber DrtSfranfentaffe zur
©eltung gu bringen" unb roeil es ftch für fie barutn fmnble, „ob
fie sperren im eigenen §aufe bleiben". Die Arbeiter motten jebod)
in ber CrtSfranfenfaffe oerbleiben; in einzelnen Betrieben h^u
fie bereits bie Arbeit niebcrgelegt, in anberen hu^cn fie orbnungS«
mäfeig gefünbigt, ber AuSftanb broht recht umfangreich gu merben.
Ungmeifelhaft hüben bie gabrifanten nach § 60 bes Kranfeuoer«
ficherungsgcfepes ben Bucpftabcu beS ©efepeS für fiep: Gin Unter«
nehmer, ber 50 ober mehr Arbeiter beschäftigt, put baS Stecht, eine
BetriebSfranfenfaffe gu begrünben .unb bie in feinem Betriebe be«
fchäftigten Arbeiter m Affen bann aus ber 0rtS trauten taffe aus«
unb in bie Betriebsfranfenfaffe eintreten; fie merben oorper nicht
S 'lört unb müffen fiep fügen. Aber bem ©eift ber Sogialoer«
eruitg miberfpricht eS entfepieben, menn man bie Betriebskonten«
taffe als HJtacptmittel oermenbet, um eine leiftungSfäpige DrtS«
franfenfaffe gu ftpöbigen, unb roeitn man bie Arbeiter groingt, Bät«
lieber einer Kaffe gu fein, oon ber fie nichts miffen motten. Gs
anbelt fiep um etma 6000 Arbeiter, bie DrtSfranfeitfaffe gäplt
etma 9200 Btitglieber; eS ift baper entfcpulbbar, menn auep feines«
megS mit ihren Befugniffen oereinbar, bap fte fiep in ben Streit
niifcpt, eine agitatorifepe Kunbgebung erläpt, Sammellijten für bie
Streifenben auslegt unb materielle Üutcrfiiipungen oerfpriept. .f)ier
pat bie Auffid)tsb'epörbe prompt eingegriffen. GS märe aber auep
git münfepen, ba& bie Unternehmer fid) flar machen, mie eS bie erhabene
Aufgabe ber Arbeiteroerficperung oerfenneit peiftt, baft man fie gur
s Baffe gegen bie Arbeiter macht. Dap bie Sogialbemofratie pier
oielfacp mit fcplecptcm Beifpiel oorauSgegangen ift, inbem fie bie
Berroaltung ber DrtSfrantenfaffen gu politifcpen 3n)etfen mipbrauept,
äubert baran niept baS Btinbefte.
Streifftatifti! für ikpertt in 1897. Bapern ift bisher ba^
eingige beutfepe ßanb, baS oon AmtSmegen eine bis 1889 g» s
rücfreid)cnbe Statiftif ber AuSfiättbe oeröffentlicpt. Das foeben
erfepienene „Statiftifcpe Sahrbucp für baS Königreich Bapern"*)
gäplt für 1897 25 Streifs auf, an benen 1804 Arbeiter betpeiligt
roaren. Bon ben Ginftettungen maren 16 fogenannte Angriffs«
ftreifs, bie ber Berbefferung ber ArbeitSbebingungen galten, 9 Ab«
roepritreifs gur |>intanbaltung uon Berfcplecpterungen. 3 Streifs
mit 555 Arbeitern enbeten mit oottem, 10 mit 647 Arbeitern mit
tpeilmeifem Grfolg ber Arbeiter, 12 mit 602 Arbeitern blieben opne
Grfolg. Sntereffant ift folgenbe flehte Dabette über bie Arbeits«
einftellungen ber lepten neun 3apre in Bapern:
3al)r.
3ahl ber
Sn-
ja^l
1 Bet l)ei«
ligte
i Ar«
i beiter
«n«
ja()I
Betpei«
ligte
Ar¬
beiter
»n-
jal)I
Betpei«
ligte
Ar«
beiter
Ar«
beitS«
ein*
Tei¬
lungen
aus«
ftän«
bigen
Ar«
beiter
ber Arbeitseinteilungen mit
oottem
Grfolg
tpeilmeifem
Grfolg
feinem
Grfolg
1897 . . .
25
1 804
8
I
! 555
10
647
12
602
1896 . . .
85
4 256
4
103
21
3 671
10
4*2
1895 . . .
87
3 580
3
i 284
14
1 305
20
2 041
1894 . . .
16
625
—
—
9
436
7
IS9
1898 . . .
5
180
2
1 26
2
43
1
61
1892 . . .
9
819
8
121
2
430
4
26*
1891 . . .
14
995
1
85
8
759
5
201
1890 . . .
84
2 498
5
275
13
700
16
l 528
18*9 . . .
48
| 5 275
15
| 785
22
4 000
11
540
1 sH!>/y7 .
228
19 982
86
! 2 084
101
11 991
86
5 9< »7
°/o
lOO.o i
100,o
16,,
! 10,4
45,3
60, n
3*6
29,,;
GS ift in popem Btape bemerfenSroerth, mie fiep in biefen
3aplen bie mirthfcpaftlicpe Bemegung miberfpiegelt. Auf ben
: ftarfen, aber furg bauernben Auffcpmung 1889 unb 1890 folgte
( bie tiefe Depreffiou 1891—1894, bis bann abermals giiuftige
I 3 e iteit eintraten, an beren Grträgniffen bie Arbeiter ihren Autpeil
! oerlangen. Aber felbft in bem ftreifreiepften 3^pr 1889 ift ber
1 B ro ö en h" a fe ^ cr Streifenben gegenüber ber ©efammt^ahl ber ge«
i "
i ■') i*>craiiögcgcbfn oom Köuigl. riatiitiiduMi Bureau, 4. ^nlirgang,
illcündjcn lsns.
190
Sojtalr $rajrts. ©entralblatt für ©ojialpolütf. 9lr. 8.
2»H>
toerblicben Arbeiter nod) nietet ein ooßeS Prozent, 1897, bas eben*
faUS 311 ben roirtbfcbaftlicb günftigen Sauren gehörte, ^attc gar
!J ur JA—Vs 0 / 0 AuSftänbiger unter ber ©efammtzabl unb bieroon
ftanb noch ein drittel in ber Abroebr gegen 9Serfcf)lecf)tcrungen
i^rer Arbeitsbedingungen. Von ernftbafien Störungen beS ge*
faimnten VHrtbfcbaftSlebenS bureb Streifs fann mithin in Vanern
md)t bie Debe fein.
DrgatttfationSbejfrcfmitgcn ber Former. Die Former erftreben
eine belfere Drgatti)ation, be 3 ro. ein 3 u fanimengeben mit bem
Dletaßarbeiter*Verbanb, um angefidjts ber fortgefegten Verfdjlecb 5
terungen ber Arbeitsbedingungen ben Unternehmern, bie über eine
fefte Drganifation oerfügen,_ gefd^Ioffen entgegentreten 311 fönnen.
San ben runb 71 000 beutfeben Formern finb faum 7 % (nabe 3 u
5000) in bem gormeroerbanb organifirt, roäbrenb einige Daufenb
uotb bem Dletaßarbeiteroerbanb angeboren, Öegterer zählte ©nbe
o. 3. runb 60 000 Dlitglieber, alfo runb 9 % ber etma 646 000
VerufSangebÖrigen. Sn einer jüngft in Verliit abgebattenen
Sormeroerfammlung mürbe bie ©eneralfommiffion ber ©eroerf*
fd)aften Deutfdjlanbs in Hamburg erfud)t, an bie Vorftänbe beS
Sormer* unb DletallarbeiteroerbanbeS bie Aufforberung 3 U richten,
in für^eftcr Srift zu einer Monferett 3 xufammen^utreten, um über
bie ©runblageit für ein roirffameS 3 u [ a nintenarbeiten aller Former
311 beratben. ©rft nach ©etoinnung einer fold)er ©runblage tönne
eine 3 roecfntägige Veratmung auf bem geplanten beutfd)en Jyorntertag,
ben man bis Deujabr binauSfd)ieben möge, oorgenomtnen merben.
Streifs unb AuSfperrmigeit in ©ngfanb 1897. Das Arbeits*
amt oeröffentlidjt foeben eine Ueberfidjt über bie ArbcitSfämpfe
mäbrenb beS 3al;reS 1897. Die 3al)l ber Arbeiter, bie in fie
uerroicfelt maren, betrug 230 267 (2 % ber ©efammtarbeiterfebaft),
baoon maren 10 * o / 0 grauen, bie 3abl ber Streifs 864, bie Dauer
m Arbeitstagen über 10 Dlißionen. Daoon fommen aber allein
auf ben geroaltigen Mampf im Dlafcbinenbaugeroerbe 6 Dlißionen
Arbeitstage. Das 3al)r 1897 mar fehlest im SSergleid) mit ben Vor*
jabren in Vezug auf ben Verluft an Arbeitstagen, aber es mar trofebem
eines ber günftigften, fofern man bie 3al)l ber beteiligten Arbeiter in
Vetracbt 3 iebt. golgeube Keine Tabelle giebt bariiber AuSfunft:
^ a f, r 3 a bl ber Verfu|t oon
betroffenen Arbeiter Arbeitstagen
1 W3 686 386 31205 062
1*94 824 245 9 322 096
\m 263 758 |.B42 65*>
1896 198 687 3 748 525
1*97 230 267 10 345 523
3)ie hoben 3iffern im Sabre 1893 finben ibre ©rflärung in
bem SRiefenftreif ber foblenarbeiter; auch für 1898 mirb ber Aus*
ftanb im Bergbau oon SübroaleS entfdjeibenb fein. föaS bie Ur*
fadjen ber ArbeitSfämpfe in 1897 betrifft, fo finb “obnforberungen
memger m Betracht gefommen als in ben früheren Sabren, ba bei
ber günftigen Monjunftur eine ©rböbung ber ßöbne oielfad) auf
gütlichem Vkge erreicht morben finb. Vefanntlid} bat es fid) auch
im Dia fd; inen bauerftreif uic^t um bie Öobnfrage gebanbelt. Sou
ben Ausftanben gingen 44 , 5 % }u ©unften ber Unternehmer aus,
nur 21,6 % oerliefen für bie Arbeiter uößig erfolgreich. 40 Streifs
mürben bureb amtliches ober prioateS ©ingreifen in ©inigung ober
ScbiebSgericht gefdjlidjtct, tiid)t roeniger als 624 oon ben 864 AuS*
ftänben mürben bureb birefte Vereinbarung ober Verbanblung
jroifdjen ben beiben Parteien beigelegt.
$luS ber enaltfdjen ©eroerfoeretnSberoegttng. Der National*
oereiu ber ^anblungsgebülfen unb bie Nationale §anblungS*
gebü!fen*Vereinigung haben fid) 3 U einer einzigen Drabe Union
uerfd)mol 3 en. Die Veftrebungen finb folgenbe: Veffere Söhne unb
DÜnunallöbne für bie uerfhiebenen Arbeiten: Abfüllung ber Ar*
beitS 3 eit für aße_©ebülfeu, bie länger als 45 Stunben roöcbentlid)
arbeiten; Abfcbaffung ber regelinäfjigen Ueberftunben; Verbefferung
ber bijgtenifd^en Verbältniffe in ben Ärbeitsftätteu; gefe(jlid)er Sdjub
für meiblidje unb minberjäl)rtge Angefteßtc; angetneffetie Feiertage.
„So fd^micrig bie Drganifation oon ^anbeisaugeftellten ift, fo
ttotbmenbig ift fie bei ber meift erbärmlichen ^age'ber ©ebülfen, 1 '
fchreibt man uns ba 3 u; „auf 3 al)rc hinaus merben fie aber ber i
Unterftiihung bureb bas $ublifum unb bie (^efetigebuttg nicht ent*
bebrnt fönneu, unb es ift baber erfreulief», bah ber ^onboner 03raf* 1
Hhaftsrath fiiqlid) eine fleitte Vermehrung ber Auffiditsbeamten I
uni 9 männliche unb meiblicfie Snfpeftoveu angeorbnet hat, um bie ,
^urchfnbrung bes ^abenftnnbeugefetjcS 31 t förbern." - V?cld)en
Umfang bas ©etoerfucreinsmefcu itt ©nglanb ausuuehmen berufen 1
idjeint, bas gebt u. A. aus ber Xhatfadje Ijeroor, baß aud) anbere i
Greife beginnen, fid) in berfelben Vkife 31 t orgaitifiren, mie fie eS '
oon ben ©emerfen gefeben haben. ®o mirb es uid)t lange bauern, i
bis eine Vereinigung ber ©lententarlebrer auf trabe*unioniftifd)er
VafiS alle ßebrer ©nglanbs in ficb oereinigt, ferner mürbe oor
einer Socbe ein nationaler Verbanb ber geiftlicben Wiener gebübet.
©S finb baS biejenigen Seute, melcbe in ber englifcben $tird)e bie
Vefponforien bei bem ©otteSbienfte 3 U lefen hotten- Auch ftel)t
eine ^rabe Union ber Vifare beoor, b. b- ber £ülfsgeiftlicben. ©s
ift (fo mirb bem „©eroerfoerein" getrieben) nal)C 3 u eine SRotbroenbig*
feit, menn fid) biefe Unglücflicben gegen bie ffanbalöfe Ausbeutung
bureb ihre Arbeitgeber, bie feft angefteßten ©eiftlicbeit, fcbii|jen tooßen.
Sungreh ber frnn3öftf(hen ^abafarbeiter nnb -Arbeiterinnen.
$)ie in ben fransöftfd^cn @taats*5:abafmanufafturen befdjäftigte
Arbeitcrfcbaft bi e tt 00 m 4. bis 7. 9?ooember in ^ßaris ihren
7. SahreSfongrefc ab. 3 ur Vkbrung ihrer 3ntereffen beftebt fdhoit
feit 1891 ein nationaler ©eroerffcbaftSoerbatib, bie Federation des
ouvriers et ouvrieres des manufactures des tabacs de France,
bem 25 lofale ©eroerffd)aften mit 3 ufammen 11 127 Dlitgliebem
angeboren. $>a bie gan 3 e £abafinbuftrie nur etma 14 000 Arbeiter
(mooon %o meiblid)) umfaßt, fo repräfeutirt ber ©cmerffchafts*
oerbanb, in bem übrigens fo^iaIiftifd>c Xenben 3 eu bominireu, mit
gutem Rechte bie Olefammtbeit. Von il;m gebt felbftoerftänblid)
auch bie 3nitiatioe 311 ben ^ongreffen aus, auf benen bie Arbeiter*
forberungen formulirt merben. 5)er biesjäbrige, in ber ArbeitS*
börfe oon V ar i$ abgcbaltene 3abreStag mar oon 20 ®eftionen
mit 60 SMegirten befcfjicft uub ocrbanbelte b au PtfäcbIid) über
fragen aßgemeinen ^ntereffeS. Dian befd)loh, eine ©ingabe an
baS Parlament 3 U machen, um eine ©rböbung ber ^3öbne in aßen
Dlanufafturen — 23 in 00113 Sranfreicb — 3 U erlangen. Ve 3 Üg*
lief) ber £>t)giene in ben Arbeitsräumen fteßte man bie gorberung
befferer Ventilationen unb ber Reinigung ber ®äle roäbrenb ber
Abroefenbeit bes ^erfonalS, häufigerer Vefucbe ber fyabrifiitfpeftoren
unb im ©au 3 en genauerer Anmenbung ber ©efunbljeitsfcbub ber
Arbeiter betreffenben ©efefee. ^ie Srage ber Äranfenunterftübung
mürbe febr lange bisfutirt unb man fam überein, ben unentgelt¬
lichen ältlichen Veiftanb, ber jefct fd^on in einigen Dtanufafturen
gemährt mirb, überaß 3 U oerlangen, ferner bie ©rböbung ber
iäranfettgelber auf bie £>älfte beS &bneS unb Verabreichung ber*
fclben ooni erfteu ^ranfbeitstage, anftatt mie bisher 00 m britten
an, ju beantragen. Auch in ber Vefrutirung bcS Arbciterperfonals
münfeht man einige Reformen. 3ur 3 e il engagirt bie Vermaltunq
nur Arbeiter unb Arbeiterinnen über 16 Qabre. 3>er Mongrefe
möchte bie ftaatliche STabafinbuftrie hierin ben freien Önbuftrieu
gleichgefteflt roiffen, in benen bie Aufnahme als Arbeiter fd)on mit
13 fahren erfolgt unb 100 bie Lehrlinge in ber Siegel aus ben
Arbeiterfamilien felbft, unb befonberS ben finberreicben, genommen
merben. Leiter mürbe befcbloffen, auf bie Abfcbaffung ber Straf¬
gelber, namentlich für Dlalfa^onS, mit beiten grofte Dtihbräucbe
getrieben merben, bingumirfen. — ©ine Delegation bes Kongreßes
erhielt Aubien 3 beim ^iitan 3 minifter, bem bie Dabafmanufafturen
unterftellt finb; er oerfprad), ben ihm oorgetragenett Vepmerbett
unb Anträgen feine Anfmerffamfeit 3 U fchenfen.
^rfaeiterfd)u^.
Die 9tei4sfommiffion für Arbeiterftatiftif
ift, nachbem fie in ihrer 3 ani=®ipung bie ©rhebungen über bie
Arbeitzeit in ben ©etreibentüblen bis auf bie 0eft|tcßung beS
8 d)lupcricbtS abgefd)Ioffen §at f am 17. b. Dl. im DcidjSamt beS
3 nnern roieber 3 ufammengetreten, um bie fefjon im ®otnmer 1893
begonnenen ©rhebuttgen über bie Verbältniffe ber in ©oft* unb
8 d)anfroirthfd)aften befd)äftigten ^erfonen 3 U ©nbe 311 führen,
©s banbeltc fid) bieSmal um bie ©rgäii 3 intg ber bisherigen fdjrift*
liehen ©rhebungen burd) bie müttblid)e Vernehmung oon ©efcbäftS*
inbabern unb Angeftcßten, 3 ufammen einige fech 3 ig s ßerfonen, oon
benen itabe 3 U 3 toei Drittel bem Verfonäl angei)örten. Vei ber
AuSroal)l ber AnsfunftSperfonen, bie fämnttlicb nod) im ©emerbe
tl)ätig fein mußten, toareit bie oerfdjiebenen Arten oon Vetrieben,
bie oerfchiebenen ©egenbett DeutfchlanbS unb Drte oon ocrfchiebener
©röfee berücffichtigt roorben. ©S mürben ^rinsipale, Meßner,
Möd)e unb Möd)inttcn aus ber S)otelbraitd)c, Unternehmer unb
Meßner unb Mcllnerinnen oon Deftauratioucu, foioie Maffeehaus*
befiger unb MaffeehauSbebienftete oernommen.
Dach ben oorliegeuben, Ieiber etroas fpärlidjeit prioaten Veridjten,
mürben in Ve 3 iig auf bie übermäßige Arbeitszeit, ben Diangel ge*
nügenber Duhetage, ben Stellenroucher unb baS DTrinfgelber*
unroefen bie ©rgebniffe ber fchriftlidjeit ©rhebungen bureb bk
müllblichen Verhanblungen in ber £>auptfad)e beftätigt. 3n
.J)otelbraud)e flagteti bie Mödje befonberS über lauge Arbeitszeit,
201 Sogiale Braji*. ©entralblatt für Sogialpolthf. SRr. R. 202
ungefunbe Arbeitsräume unb ßebrlingSgüdjterei. das Bebürfniß
eines SRußetageS ift bei ben Arbeitern aller Branchen oorßanben,
unb in ber Berurtbeilung beS StedenraiderS roaren Söirtb>e unb
Kedner einig. Sn Begug auf baS drinfgelberunroefen fpraeßen fid)
bie Kellner gumeift für feften 3 e it*ß°bn aus, roeil bie drinfgelber
unfießer unb nieberbrücfenb feien, die iBirtbe roieber meinten, fo
boße ßößne, bie baS drinfgelb erfeßen fönnten, oermöcßten fie
meßt gu geben. Sie roiefen auch auf bie ©efädigfeiten bin (Hanb*
reießungen), bie ber ©aft 00 m Redner oerlange unb für bie baS
drinfgelb ein Aequioalent fei. Obgleich inbeffen einige SReftaurateure
riefige Summen als drinfgelbereinnabmen nannten, roodten boeb
faft fämmtlid)c Redner lieber fefte ©innaßmen fyahtn, ftatt auf ben
©nabenloßn beS ©afteS angeroiefen gu fein. Auch bie Eifere in ben fo«
genannten Animirfncipen mit Kednerirmen*Bebienung mürbe erörtert.
die ©rgebttiffe ber Berneßmungen laffen erfennen, baß bei
einigem guten BHden SRancßeS gebeffert unb mit manchem
Schienbrian gebrodhen merben fann.' geigten fi<h nicht nur
in ben eingelnen ÖanbcStbeilen, fonbertt auch in ben ©eroerben
gleicher ©attung fo große Berfcßiebenbeiten begüglicß ber ArbeitS*
oerbältniffe, baß eS nicht leidet fein roirb, generelle Borfthriften
gu machen. das SReicßSgefunbbejtSamt bat in feinem ©ut*
achten im Sntereffe ber ^©efunbbeit beS ©aftroirtßSperfonalS eine
tägliche SRinbeftrubegeit non acht Stunben für bie ©rroaeßfenen
unb oon gehn Stunben für bie 3ugenblid)en fomie beftimmte
Stubetage empfohlen. die unter fogialbemofratifcßem ©influß
fteßenDen Angeftedten haben folgenbe gorberungen erhoben: ©efefe*
ließe ©infüßrung einer roöcßentlicben fecßSunbbreißigftünbigen Stube*
geit, eines groölfftünbigen Arbeitstages für bie männlichen ©r*
roachfenen, eines elfftünbigen für bie meiblichen unb eines gehn*
ftünbigen für bie jugenblüßen Angeftedten, bie Stegelung ber §auS*
orbnungen, bie Unterredung unter bie ©eroerbeauffießt, bie ©in*
fübrung eines feften StunbcnlobneS, bie Abfcßaffung beS drinf*
gelberfpftetnS unb ber freien Station, baS Verbot ber Steden*
oermittelung in SBirtbfcßaften unb bie eoentuede Beftrafung ber
Stedenagenten nach bem SSucßergefeße :c. diefe gorberungen mürben
in ber Kommiffioti oon bem Abgeordneten SRolfenbußr oertreten.
Begüglicß ber Bimtenfcßiffabrt roirb oon ©rbebungen über
Sonntagsruhe bei Flößerei unb ©iitertranSport abgefeben, bagegen
eine ©nquete über Sonntagsruhe bei ^SerfonentranSport empfohlen.
fiottftreit^ett ber ©etoerbcanffdtsbeamten mit Beauftragten ber
ttittenteßnter unb ber Arbeiter, die „Bol. SRacßr.", in benen fo*
roobl amtliche Andauungen roie Unternebmerintereffen gum Ausbrncf
fornmen, treten für Abhaltung oon Konferengen ber ©eroerbe*
infpeftoren in Berbinbung mit ben Beauftragten ber Berufs*
genotfenfebaften ein:
Sn 3olge ber ©imoirfung oerfchiebener „höherer" Snftangen habe
fich ja bas Berfjältntß biefer beiben Beamtenfategorien gu einanber ge*
beffert unb bantit au* bie üble golge ber früheren, ohne jebe Aücffidjt
auf einanber ausgeübte Xbätigfeit für bie gewerblichen Betriebe ge*
milbert. 3ebocß mürbe b^rtn nod) recht oiel mehr erreicht merben
fönnen. Unb bagu mürbe eine gegenseitige AuSfpradje auf folßen Äon*
ferengen am Beften geeignet fein. Bielleicßt liefen biefe fid) auch für
eingelne ^rooingen ober größere diftrifte oeranftalten.
2Benn fteß bie Ausführung biefeS ©ebanfenS empfiehlt — unb
es laffen fich in ber &hat ©rünbe bafür anführen —, fo muß
betont merben, baß bann erft recht Konferengen ber ©eroerbe*
aufficßtSbeamten, bie hoch gum Schuß ber gefeßlicßen SRecßte ber
Arbeiter ba finb, mit ben beauftragten Bertretern ber
Arbeiter, ®elegirten ber ArbeiterberufSoereinc, BertrauenSmännern
u. f. m., nöthig finb. 3n Württemberg finben folche Befprechungen
bereits ftatt (oergl. „Sogiale $rafiS ,r VII Sp. 520). Aber gerabe
bie Greife, benen bie „Bol. iRacßr." als Sprachrohr bienen, mehren
fuß aufs ^eftigfte fogar gegen bie Anhörung oon Arbeiterbeauf*
tragten burch bie QnfpeftionSbeamten, roährenb fie für bie Unter*
nehmerintereffen eine Berftärfung beS ©influffeS befürroorten!
^tbcitnuetßdjeumg. Spathafltn.
die Btarfungeu beS ueueu Uufad*©ntf*häbigungSgefeheS in ©nglattb.
Wäßrenb ber Berathungen über baS Unfaü*©ntf<ßäbigungS*
aefeß*) im Unterhaufe 1897 mürbe manch büftere Weisfagung
laut über fchlimme ©rgebniffe, bie oon einer fo reoolutionären
Btaferegel gu ermarten feien. SUd)t baS geringfte ber fo prophegeiten
Uebel fodte eine enorme 3 a h)I foftfpieliger Älagen fein, bie bie
Arbeiter arm machen unb bie Begehungen gu ben Unternehmern
*) Bgl. „Sog. ^rarts" 3nh l '9- VII Sp. W» ben Auiian oon (>ich.
Aeg.=Aatl) Dr. jacher über bteS (^efeg. 1
oerbittem müßten. 2)ie Kenner ber BÖirfungen beS ^aftpflichtgefeheS
theilten aderbingS biefe peffimiftifche Anficht feineSmegS. Sie mußten,
bafe bereits bie Biehrgahl ber grofeen Unternehmer entmeber fich felbft
egen Unfäde, bie ihren Arbeitern guftiefjen, oerficherten ober für
iefe burch Bernüttelung oon ©efedfehaften forgten, benen bie
Arbeiter Beiträge galten unb oon benen bei geroerblichen Unfäden
©ntfehäbigungen geleiftet mürben. $)aS §auptergebniß beS neuen
©efefceS mürbe oon Sacboerftänbigen barin oermuthet, bafe es
biefen beiben formen ber Borforge gegen bk möglichen Ausgaben,
bie bie ©inmirfung beS neuen ©efefceS ben Unternehmern gumeifen
fönnte, einen beträchtlichen Anftofj geben fönnte.
Btan roirb fich erinnern, baß baS neue, am 1. Suli bs. 3s.
in Äraft getretene ©efefe eine oodftänbige Ummälgung beS enalifchen
Rechtes in biefer Srage bebeutet. Bisher mar bie ©ntfchäoigung
für gemerbliche Unfäde auf bie J$äde befchränft geroefen,* mo
bireftes Berfchulben auf Seiten beS Unternehmers ober feiner Ber*
treter bünbig gu ermeifen mar. 3)aS neue ©efefe fieht bagegen eine
Stufenfolge oon ©ntfehäbigungen oor für Unfäde oon Arbeitern in
aden großen ©eroerben, aufcer Sanbroirthdaft unb Schifffahrt,
unb gmar für jeben Unfad roährenb ber Befchäftigung ohne Stücf*
ficht auf bie Urfadje, fo meit biefe nicht in bem alleinigen Ber*
dulben beS Arbeiters liegt. Btehr als oier Btonate fleht baS
©efefc nun in Äraft, unb ein Blicf auf feine SBirfungen roährenb
biefer 3eit mag baher oon adgemeinem Sntereffe fein.'
3uerft — unb bieS ift fehr bebeutfant — ift gu betonen, baß
man nur oon einer fehr geringen Angahl gerichtlicher Klagen in
Begug auf baS ©efefe hört. Sorgfältige yladfforfchungen tpun
bar, bah nur etlü a ein 3)uhenb folcher^äde berichtet roorben finb,
unb in feinem eingigen f)at eine ber Parteien oon bem ©rafd a ff^ s
richter an bie höhere Snftang gegen bie ©ntfdjeibung appedirt.
3meifeISohne ift bie Angahl ber roirflich oorgefommenen ^rogeffe
gröber, roobei bie meiften roohl gu unbebeutenb roaren, um Be*
achtung gu finben. Aber man barf hoch aus ber geringen 3dl
ber berichteten 5äde unb aus bem Unterbleiben ber Befchroerbe
ben Schluß gießen, baß bei ben meiften Klagen eine freunbltdje
unb oernünftiae Beieinbarung ergielt roorben i)t. SebenfadS fteßt
feft, baß fein folcßer Anfturm auf bie ©erießte eingetreten ift, roie
ißn bie ©egner beS ©efeßeS oerfünbeten.
AnbererfeitS ift nid)t gu begroeifeln, baß eine beträchtliche 3 Us
nähme im Umfange beS ßkr einfcßlägigen BerrderungsgefchäfteS
erfolgt ift. 3m Anfang biefeS 3d rc ^ mären bie ßeiter ber großen
BerfderungSgefeddaften, bie SRififogiffern für baS neue ©efeß
aufaeftedt hatten, gufammengetreten unb hätten einen £arif ber
BerfdernngSfäße gegen bie Haftpflicht ber Unternehmer in adert
großen Qnbnftrien berathen. tiefer Xarif fanb Annahme, bie
fämmtlichen ©efedfehaften oerpfldteten fich # feine anberen Abfd)lüffe
als gu ben oereinbarten ^ariffäßen gu machen, unb befonbere
9Runbf<hreiben, bie bie meiften ©efedfehaften erließen, machten bie
Unternehmer auf bie ißnen oom neuen ©efeß auferlegten Ber*
pflichtungen auftnerffam. ©S ift noch gu früh, um genau feft*
gufteden, roeldje Bermeßrung beS ©efd)äfteS biefe Bcaßnaßmen
beroirft haben, aber foroeit bie ©rfaßrungen ber Agenten unb
anberer Sad)oerftänbigen reießen, ift eine bebeutenbe 3 un dme in
biefem 3meige ber BerfderungStßätigfeit eingetreten.
Aber bie auffadenbfte ©rfeßeinung ift bie feßr große 3dl oon
Qäden, in benen $rioatabma<hungen (Contracting out of Act)
oermittelft ©egenfeitigfeitSoerficßerung groifeßen Arbeitgeber unb
Arbeitnehmer getroffen roorben finb. diejenigen, bie bie oödige
Befeitiaung biefer Art oon Öürforge gegen geroerblicße Unfäde
| geroeisfagt haben, müffen feßr erftaunt über beit gortfeßritt fein,
ben fte in BHrflicßfeit ntaeßt. Dßne 3meifel ift baS ©efeß gang
prägife in feiner Borfcßrift, baß feine Bereinbarung über Brioat*
abmaeßungen für Arbeiter gefeßlicß binbenbe Äraft haben fod, roenn
fie nießt etnen ©ntfcßäbigungSplan enthält, ber ootn 0ber*9tegiftrar
ber griettblp SocietieS genehmigt roirb unb ben Arbeitern min*
beftens ebenfo günftige Bebingungen roie baS ©efeß felbft geroährt.
Aber troß biefer Brägifion in ben gorberungen beS ©efeßeS be*
rießtet ber Dber*3Regiftrar oon einer großen unb roaeß enben 3 a ßi
genehmigter Bdme. 33 ^ j um 12 . Dftober roaren nijdjt roettiger
als 50 oorgelegt unb gebilligt roorben, etroa ein dußenb unter*
lagen noeß ber ©rroäaung. Bon ben 50 genehmigten Blänen be*
trägt in 39 gäden Die Angaßl ber baoon betroffenen Arbeiter
66 805 B^rfonen; 27 Bereinbarungen mit 20 000 Arbeitern gehören
bem Kohlenbergbau an, 2 mit 35 000 Arbeitern betreffen groei
große ©ifenbahngefedfcßaften. die übrigen 10 Abmachungen mit
11000 Arbeitern gehören üerfeßiebenen Snbuftrien an.
So finb bie Borberfagungen ber Anhänger beS t^efeoes
äugenfcßeinlicß im ©roßen unb ©angeit eingetroffen. v >n ben
•_>rm
204
Sogiale $raji$. ©entralblatt für Sogialpolitif. Ar. s.
großen ©ifenbahnen unb im Kohlenbergbau, too befonbere Vrioat*
abtnachungen in Vegug auf baS §aftpflid)tgefeb allgemein feit
fahren beftanben, bebeuten bie ermähnten Vorgänge nid)t ein Auf*
hören ber Vereinbarungen, fonberit ihre Aegiftrirung unb
Legalifirmtg unter bem neuen ©efefc. 3n beit anberen fällen
fdjeint bie Tenbeitg für bie ©rofeunternehmer babiit gu gehen, bafg
fie in fteigenber 3 a hl fi<h 9 c 9 en ihnen DOm auferlegten
Verpflichtungen oerfid)ern. £>ier mic bort aber haben fich bie
Viafenahmen offenbar bis jefct fo befriebigenb erroiefeit, baß baS
©cfejj fehr wenige AechtSftrcitigfeiten im (befolge gehabt hat.
VereitS ift eine Vcroegung im SBerfc, bas ©efefc auf bie*
jenigeit 3nbuftrien auSgubebneu, bie ihm gur 3eit noch nicht unter*
ftehen, unb ber frühere liberale Vtinifter bes ßnnern, &r. $. .£>. As*
quith, hat biefeit Veftrebungen feine Unterftühung geliehen. ©S
ift geroi§ fchroicrig, oerminftige ©rünbe gegen biefc Abfid)ten gu
erblicfcit Anaefid)ts ber fel)r gnfriebeufteUenbeu ©rgebitiffe beS
©efeljeS. Anoercrfeits roirb oermuthlich früher ober fpäter fid) eine
Agitation für bie Uebertragung ber Koften ber gewerblichen Unfall*
©iitfdjäbigung auf beit Staat erheben. 3JJan menbet ein, es fei
unbillig unb fogar thöridjt, ben einzelnen gemerblichen Unter*
itehmern bie gange Laft ber ©ntfdjäbigung für ihre oerle^ten
Arbeiter aufgubiirben, befoitbcrS in einer gefährlichen 3nM*tne
ober in ©emerben, roie Secfchifffabrt unb Vergbau, mo Unfälle oft
burd) Aaturereigniffe herbeigeführt rnerben. ©in folcher Vorfdjlag
befiftt trofc aller einleudjtenben Argumente hoch bie arge Sd)toäd)e,
bah es unmöglich ift, bei feiner Ausführung genau unb richtig gu
feheiben. ©r mürbe bie Koften fomohl in abroenbbaren mic
uitoermciblichen Unfällen oon fchmachen Unternehmern ober oon
oerfaüenben ©emerben auf bie Sdjultcrn ber Allgemeinheit fchiebeit
unb fo bie Lebensbauer bcS Veralteten unb Unpajfenben oerlängern
helfen. Vei bem fehlen jeber (? Tic Aeb.) Victhobe, bie Arbeit*
gebet* nach 3»buftricn gu oraauifiren unb fo bie Koften ber ilit*
fätte in einer Sabuftrie auf bie Korporation ber Arbeitgeber in
ihrer ©efammtheit gn laben,*) mirb mahrfcheinlid) bie gegenmärtige
Art ber Unfallentfd)äbigung. mo jeber eiitgclne Arbeitgeber bieVer*
antmortung unb bie Motten**) trägt, in ©nglaitb fid) lange erhalten.
Bonbon. __ 3*. V>. ©alton.
Tie erfte amtliche itnnbgffruug gnr ^nPalibitätdkierftcheriiitgS^
noücüc roiro aus bem Lanbrath (Vrooingiallatibtag) für Aiebcr*
baperu berichtet. Tort ift am 10. Aooember eiiiftinunig ein Antrag
angenommen morben, ber bie Staatsregierung erfocht, gut* fiitart*
xiellen Sattirung ber nieberbaperifd)en Verficf)crungsanftalt bei ber
Verathung ber Aooellc gum Alters* unb SnoalibitätSgefeb für
legislatorifche Abnahmen eintreten gu moHen; itiSbefoiibcre mirb
bie Vereinigung ber oberbatjerifdjen unb nieberbaperifchen Vcr*
fidjerungSanftalt gu einer Anftalt befürraortet. TaS jährlid) madifeube 1
Tefigit beträgt im 3ahre 1896 bei einem Vermögensftanbc oon |
2 751481 <stl bereits 1 458 258 <J{ — TaS iiiitiifterium beS ,
3nnern in Vapern hat bie Vorfibenbeit ber acht baperifchen Ver* j
ficherungöanftalten gu einer Vefpred)ung beS neuen ©ntrourfs, fomie j
gu einer Verathung oon Aragen bes ©efehoollgugS auf ben 14. b. Vf. .
berufen. j
Tiefen 3£eg hat bcfauutlidi bie bcntfcbe Unfaüucrürijcninqs*
©cfcpgcbiing crfolgreidi mit ber ©rndjtung ber Verufygeuoffenfdiafteu
riugcfdjlagen. Tie Acb.
3 » einer am 1."). Aourmbcr in Ataudicftcr gehaltenen Acbc
berührte ber Molonialminifter L'hamberlatn, ber mit grofjer ©nergie fiel) 1
für bie Workmens Compensation Act eingefept hat, bie baranS fiir bie
Unternehmer ermadifenben haften. Cir fagte n. A. AoIgenbeS: 3Wan be*
fäntpft bat? öaftpflidjtgcjep, rneil man glaubt, bie .stuften mären über*
mnftig unb für bie ^nbuftrie oerhängnifmoll. 'Bährenb ber Verathungeu
im ilnterlmufe traten uns oor allem grufje Mapitaliften unb Unternehmer
entgegen. 3mei ragten befoubers unter ihnen heruor, 3ir ^ofeplj s ]?eafe unb
3Kr. Vaiubribge, beibe grope Oirubenbefiper. ^sntmer unb immer mieber
erzählten fie bem \?axife, bap, menn bie Vifl burdjgiuge, bie fleiucu
Mohlenmcrfc oernidjtct fein mürben. Aiir fid) felbft forgten fie uid)t,
aber bie Mleinen lagen ihnen am bergen, ^finbeftens um H Vcnce, idi
glaube, man fpraep fogar oon u $euce, mürbe bie Mohlenprobuftiou
pro Tonne oertheuert rnerben. Tl9c fpredjen nun bie Thatfadicn^ Ter
Staatsfefrctär bey onueru fomohl uüe id) felber hatten forgfame Ve=
redjnungen fammeln laffcn. ^8tr erflärten, baf; bie Moften hödiftensum
I 'i'cnnp fid) fteigern fönnten, mahrfdjeinlid) nod) nidit um fooiel. Auu
mill id) ohnen ctmas ergählcu. Ta beftefjt eine grope Crganifatiou,
bie Verfidierung ber Aorthuntberlanb* unb Turhaiu*Vcrgleute. Aad)
Annahme biefes ©efepes bot fie ben ©rubenbefiperu im Tiftrift, gu benen
Bir 3- l^eafe felber gehört, bie Ucbcrnahme aller ermadpeuben aft=
pf!id)toerbiublid)feiieu für nod) uidjt 1 Vfnnp, für 7/ io Vcnni) pro Tonne
an! Unb bie Unternehmer lehnten biefcs Angebot ab. Tod) mohl,
meil ihnen "/i<‘ "^ennn gu hod) fdiieu.
KranfcubrrftchcruugSpfltcht ^auStubnffriefler für Verltit. ©ine
Verfchlechterung beS geplanten Verliner JOrtSftatutS über bie ©in*
begiehuttg ber ^pausinbuftriellen in bie Kranfenoerfidherung höl
©emerbebeputatiou, ber ber ©ntmurf gur Verathung oorlag, auf
bie Vittfchriftcn ber 3nbuftrieflen hiu oorgenommen. ®er ©nt*
murf h atte beftimmt, bafe bie fog. 3mi|djcnmeifter bie V^elbepflicht
für bie oon ihnen befd)äftigten Arbeiter hoben foDten, bafe aber
ben eigentlichen Arbeitergebern, beren VJcrffüprer bie 3mif^en*
meifter geroiffermafgen ftnb, bie 3 a W ini 9Spfttd)l guftehe. T)ie ©e*
merbebeputatiou legt nun auch bie 3 a bl u ngSpfIicht ben 3mif<hen*
meiftern auf, obmohl ihr öod) nic^t unbefanttt fein famt, ba§ unter beit
3 mifd)enmeiftcrn fi<h oiele leiftungSunfähige $erfonen (SBittmen 2 c.)
befinben. Vei biefem neuen Verfud) ber ©rofgfonfeftionäre, fogialpoli*
tifche haften oon fid) abgumälgen, märe cS au ber 3*ü, bie 5 ra 9 c
ber VetriebSroerfftätten für bie Konfeftion erneut in Sluhgn bringen.
3CrbeitettdiJ)ttiete.
©rrichtung eines gemeinblichen IrleitSii^meifeS in 9Rag*
beltttg. 9?ach langer unb lebhafter Debatte hoben am 17. $ 0 *
oentber bie Stabtoerorbneten mit 29 gegen 22 Stimmen bem 2Ra*
giftratsantrage auf ©rridjtung eines ftäbtifchen ArbeitSnachroeifeS
gugeftimtnt. T)iefe Stelle hot „bie Aufgabe, groifchen Arbeitgebern
unb Arbeitnehmern (geroerblichen unb lanbroirtlpchaftlichen Arbeitern,
Tagelöhnern, THenftboten unb Lehrlingen beiberlei ©efchlechtS)
Arbeit gu oermitteln", unb fann fid) auch mit anberen
ArbcitSnachroeifeu in Vcrbiitbuna fefeen. Sie fteht unter ber
bauernben Verroaltung unb Veauffichtigung einer Kommiffion, bie
folgenbermapen gitfainmengefeht ift: ein Vtitglieb beS VtagiftratS
itno je fünf Arbeitgeber unb Arbeiter, oon benen je brei oon beit
Veifijjern bes ©eroerbcgerichtS gu Viagbeburg, getrennt oon Arbeit*
gebern nnb Arbeitnehmern, unb je groei oou ber Stabtoerorbneten*
oerfanttnlung auf brei 3ohre geroählt roerbeit. T)ie KommiffionS*
ntitglieber erhalten für bie Thetluahnte an jeber Sihitng 3 , h ©nt*
fchäbigung. T)ie ©infiigung einer Streifflaufel rourbe abgelehnt.
T'ie Koften ber 3nftitution roerben auf etroa 8- 10 000 gefchäfct.
StäbtifcheS Arbeitsamt für T)ic fogialbemofratifcheu
Stabtoerorbneten in ©tjemnib brachten einen Antrag auf ©rrichtung
eines ftäbtifdieu Arbeitsamtes ein. ©S foll bie Aufgabe hoben,
eine Statiftif über alle möglichen Arbeitsoerhältniffe aufgufteüen,
nuentgeltliihe Aitshnift über alle auf Arbeitsoerhältniffe bezüglichen
Arageit gn geroähren, unentgeltlichen Arbcitsnad)toeiS für allerhanb
Arbeitfuchcnbe gu oermitteln unb eine ftäbtifche lleberroachung oon
Aabrifbetrieben, bie h° u Plföd)lich auf fanitäre ©efid)tspunfte ge*
ridjtct fein foH, herbeizufii^ren.
®täbtifd)eS Arbeitsamt m Schuieinfnrt. TaS oon ber Stabtoer*
maltung bcfchloffme Arbeitsamt famt oorläufig nicht in Mraft treten,
roetl bas ©emeiiibefollegtum bie für ben Unterhalt bes 3nftttutS er*
forberlidjen Mittel nid)t bemilügte. Ter Sftagiftrat roiH fid) aber babei
nid)t beruhigen, jonbern hat fich on bie Regierung geioanbt.
ArbeitSnadjmeiS für bic fianbmirthfthoft in ^ommrrti. Tie
Lanbroirthfdjaftsfammcr befd)äftigte fich ont 12. $ooembcr mit ber
Arbeitsoermittelung utib ber ©rridjtuitg eines länblidjeit ArbeitS*
nad)roeifcs. 3o ber Tebatte fpracfjen ' fich fätnmtliche SRebner gu
©uuften eines folchen Arbeitsiiad)toeifeS aus. Ter Oberpräfibent
erflärtc bie unbebingte Vereitroilligfeit ber Staatsregierung, an ber
Vefferuitg ber 3 ll flönbe mitguroirfen, unb groar fo, bab bie ©efahr
einer roeiteren ^olouifiruna hiutangehalten roerbe. Tie Srage
rourbe fobann einer Momniiffiott gur Vegutad)tung, bie groeifellos
im pofitiocu Sinne ausfaUeit roirb, überroiefen.
Äoljnung^tucCen.
^stfter-Vauorbnung für baS Königreich Saufen.
©s ift in biefer 3eitf«hrift fchon mehrfad) oon ber Reform
ber Vauorbmiug im Königreich öaehfen bie SRcbe geroefen. Aach
ber ungiitiftigen Veiirtheiluug, rocld)e baS energifche Vorgehen ber
! fächfifdjen Acgieruug feitenS ber Volfsoertrctung im lefetcn Lanb*
! tage gefunben hotte (f. „Sogialc gratis" Vll/^ahrg. Sp. 877),
nun* ein gcioiffes 3»rörfmcid)en bei* Regierung faft gu erroarten.
onbefg ift bieS bodj nicht eingetreten. Unter bem 80. 3uli b. 3-
hat bas fäd)fifd)e Viinifteriunt beS 3onern ben Kreishauptmann«
fd)afteii eine im Vfinifterium auSgearbeitetc Vtufter*Vauorbnung
gugeheit laffcn, roeldtc in 3olnnft ben ©emcinben als Anhalt für
ihre ©•utfrfjlicBiiugen bienen foll, tocnit fie aud) nidit als unbebingt
binbenb gilt. Tie Veftimmungen biefer 9Ruftcr*Vauorbnuitg, roelche
im Allgemeinen ben fd)oit oor etroas mehr als gioci 3nhreit oont
Sogiale ^rajiö. ©cntralblatt für Sogialpolitif. 9fr. s.
Minifterium beS 3nnera funbgegebenen Anfeftauungen entfpreeften,
bürften betnnaeft in Sacftfen meftr unb meftr gur Durchführung
fornmen, unb es lohnt fich baher rooftl, fie eingehenber 511 betrachten.
3m Attgemeinen ift bie neue Bauorbnuttg burcftauS oon mober-
nem ©eifte erfüllt; fie fueftt überall bie richtige Mittellinie groiftften
ben mobernen 9teformforberungen unb ben Wiberftänbcn beS iftat»
fachlichen Sebent gu finben. Das geigt fleh fefton bei ben nach*
folgenb angeführten Beftimmungen über bie gange Art ber Be*
bauung. 3m Allgemeinen ift ber Begirf einer ©emeinbe ftinficfttlicft
ber AuSnufcitng beS ©runb unb BobenS in groei, eoentuell in brei
3 onen eingutheilen; beren erfte ben fefton bebauten DrtStfteil, beren
groeite unb britte bas übrige ©eläitbe umfaffen. Die eingelnen
Baublöcfe ftnb fo abgumeffen, bah eine groccfmäftige bauliche Aus*
itüfcung ohne Bebauung beS £>interIanbeS ermöglicht mirb; für
Sieben* unb Woftnftraften finb in Begug auf bie technifche £>er*
fteüung ber Strafte geringere Anforberungen gu ftellen als für
BerfeftrS* unb ©efeftäftsftraften. 3n ber I. 3one ift natürlich eine
ftärfere AuSnüfeung bes BaugrunbeS erlaubt; jeboch ift auch ba
ein gröberer £>of freigulaffen; auch (offen Siebengebäube nicht mehr
als gmei ©efeftoffe einftftlieftlicft bes ©rbgefcftoffeS enthalten. 3n
ber II. 3 one ift bie bebaubare ©runbfläcfte auf V 10 befeftränft; in
ben ßanbgemeinben foll bie offene Bauroeife bie Siegel bilben, aber
audft in ben Stabten foll in ben Auftetttfteilen bie gefchloffene Bau¬
roeife auf baS nothmenbigfte befchränft roerben; beSgleicfteit foll in
ben ßanbgemeinbett in ber Siegel nur parterre unb ein Stocf, in
ben Stabten nur parterre uno gmei Stocf hoch gebaut roerben.
3ür ftillere Straften finb Borgärten anguorbnen, bie Diefe beS
,J>ofeS foll ber fmuptfiutSftÖfte bes Börbergebäubes roenigftenS
gleicftfommen. £>intergebäube benachbarter ©runbftücfe bürfen feine
gefchloffene Steifte bilben unb Siebengebäube bürfen nieftt meftr als
gmei ©efeftoffe ftaben. gn beiben 3onen füllen in ber Siegel nieftt
meftr als je gmei Wohnungen in ein ©efeftoft eingebaut roerben;
beSgleicfteit finb Slellerrooftnungen im Attgemeinen oerboten, aus*
genommen als öausmannS*, $futfcfter* unb ©ärtnerrooftnungen,
roo bann meitgeftenbe BorficfttSmaftregeln angeroertbet roerben muffen.
Aucft fft* Dachwohnungen finb ftrenge Borjcftriften erlaffen.
©ine Steifte Beftimmungen betreffen bte ©ntfcftäbigungSfragen
bei geftfeftnng neuer Ölucfttfinien. ©egen bie an unb für ficft gu
geroäftrenbe ©utfeftäbigung ift im Attgemeinen bie Wertfterftöftmtg
aufgureeftnen, roelcfte baS betreffenbe ©runbftücf bureft bie neue
©inriefttung erfährt. Damit gehen biefe fäcftfifcfteii Beftimmungen i
in oortfteilftafter Weife über bie entfpreeftenben preuftifeften Beftim* l
mungeti hinaus, bie ein Anrechnen ber Wertfterftöftung bei ber 1
©ntfcftäbignng nieftt fennen. Die Soften eines BlafceS, foroeit fie
über bie geroöftnlicften Anliegerbeiträge ftinauSgeften, fönnen bureft
DrtSgefefc auf ein gröftereS umliegenbes ©ebiet oertfteilt roerben.
Auf ber anberen Seite ift aucft bie Bittigfeit gegen bie ©runb*
befifcer burtftauS geroaftrt. ©S roirb auSbrücflicft gur ©noägung
geftettt, bie M'ofteu für bie guftgängerbaftnen unb für bie Scftleufen
nieftt ooüftänbig ben Anliegern aufgulegen, fonbem tfteilroeife auf
bie ©emeinbefaffe gu übernehmen, ba gute guftgängerbaftnen unb
gute Scftleufen aucft im attgemeinen 3ntereffe lägen.
Sou bebeutenbem Wertfte ift aucft eine giemlicft unfcfteinbarc
Beftimmung in §. 23. Danach ift ein Sauherr, bem an ber
Strafte ein unbebaubares Stüä liegen bleibt, oerpftiefttet, bieS in
einem Umfange, ber beS ^Öfteren oon ber Baupoligeibeftörbe be*
ftimmt roirb, auf Verlangen an bie ©igentftümer ber baftinter ober
baneben liegenben ©runbftücfe abgutreteu. ©S roirb alfo eine be*
fonberS roiefttige Art ber Berftinberung beS Bauens bureft unpaffenbe
Üage ber ©runbftücfe gu einanber aufgehoben unb fo ein tfteilroeifer !
©rfolg für bie fog. Umlegung ber lex Abicfes gefeftaffen.
Sehr wichtig ftnb enbltcft bie Scftimmungen über bie Se* I
feftaffenfteit ber SSoftnungen. Diefe Seftimmnngen geften roeit '
hinaus über baS eigentliche ©ebiet einer 33auorbnung unb ftetten 1
tiefergreifenbe, allgemein gefunbheitspoligeilicfte Anforberungen bar. j
„©ine Jamilienrooftnung foll in ber Siegel roenigfienS aus einem
gut fteigbarett SSoftnraume, einem Scftlafraume unb, einer t fücfte, I
lotoie aus bem nötftigen ©elaft gur Aufberoaftrung oon ©erätft* ,
f^aften, .v>olg u. f. ro. befteften. SBohn= unb Scftlafräume uiüffen ;
gufammen roenigfienS 30 qm ©runbfläcfte h^^n/' Als überfüllt |
foll eine Softnung gelten, roenit fie nieftt für jebe erioacftfeite ^ßerfon 1
roenigftens 20 cbm, für jebeS tfinb roenigfienS 10 cbm Luftraum
bietet. fBoftnuugen, roelcfte -biefen ^eftimmungen nieftt genügen,
fönnen leergeftellt roerben. ©nblicft ift bei Sceubauten für jebe j
^familienrooftnuug ein befonberer Abort augulegen unb aucft in be=
fteftenben §äufem bei ©elegenfteit baulicfter SBeränberungeu tftun* |
iicftft auf bas gleiche ftinguroirfeit. Scftlieftlicf) finben ficft am
BerantroortHcQ für bie ttebaftion: Dr. <5rnft
SAluffe notft einige roiefttige Seftimmungeit gum Scftufte 0011
heften unb ©efunbfteit ber bei Sauten befeftäftigteu Arbeiter.
Siacft attebem barf man rooftl fagen, baft biefe fäcftfifcfte
Mufter*Sauorbnung eine feftr roiefttige unb fortfcftrittlicftc Maftregel
barftettt. Sftre Durcftfiiftrung roirb ja atterbingS auf grofte
Scftroierigfeiten ftoften; inSbefonberc bie Seftimmungen über 3a*
milienrooftnungen unb beren etroaige £eerftettung roiirben ficft jeben*
falls nur mit gülfe befonberer Drgane burcftfiiftren laffcn unb aucft
bann nur feftr unoottfommen. Sol^e tief greifen ben Seffermtgen roirb
man nieftt oon bem poligeilieften ©ingriffe, fonbem in ber £)auptfacfte
oon einer allgemeinen Untroanblung ber fogialen Serftältniffe er*
roarten bürfen. Smmerfttn roirb man ber fäcftfifcften Regierung bas
3eugnift nieftt oerfagen fönnen, baft fie auf bem wichtigen in Siebe
fteftenben Spegialgebiete mit ©ifer unb Seftarrlicftfeit oorfeftreitet.
Der rftriirifcfte herein gur gfjhrbtntttß beS ArbeitemoftmragS*
toefenS hielt am 15. Slooember in Düffelborf feine ©eneraloer*
fammlung. SanbeSftauptmann Dr. Älein eröffnet bie SSerfammlung,
er roieS auf bie grofte fogiale Sebeutung ber SöoftuungSfrage ftin
unb gab feiner Sreube über bie aufterorbentlicft gaftlreicfte 33 etfteüi*
ung AuSbrucf. Der Sorfiftenbe iianbesratft 33ranbtS begeieftnete
ie Aufgabe, roelcfte ber herein ficft geftettt ftabe. ©r ftreifte babei
bie Agitation ber |jauS* unb ©runbbefifteroereine unb betonte, baft
bie 33auoereine in 3oIge ift^S gemeinnüftiaen ©ftarafterS unb ber
freiwilligen Selbftbefcftränfunaen, bie fie ficft gur ©rmöglicftung
guter Arbeiterrooftnungen auferlegen, Anfprutft auf ©eroaftr oon
©rleicftterungen feitens ber ©emeinbe unb beS Staates hätten,
ßanbratft Dönftoff—Solingen ftielt einen SBortrag über „SetfteUU
aung oon ©emeinbe unb Staat an ber l'öfung ber Wohnungs¬
frage, inSbefonbere an ben üBeftrebungen ber gemeinniifeigen Sau*
oereine". Seine Ausführungen gipfelten in folgenben, foroeit er*
forberlicft, bureft ©efeft gu erfüttenben 3 ori)erungen:
©rlaft oon ^orfeftriften über bie ^enupitug ber Woljmmgen tuib
©inriefttung eines befonberen WoftnungSauffidjtsbienfteS. ^weefent*
fpreeftenbe ©eftaltung ber ^auorbiumgeit uitb Bebauungspläne foroie
Öffeulcgung ausreieftenbeu Baugclänbcs unb ©inriefttung genügenber
Straftenbaonoerbinbuugcu. Begünfügung ber Wohnungen für bie minber
bemittelten Beuolferungsflaifeu, insbefoubere in fleiucreu .vmufem bei
^eftfeftuug ber bnt .£musbefifc trerfeuben einmaligen ober bauernben (Sc*
biihren unb Abgaben, •'pier fornmen nauieutlicft in Bctradjt: Straften*
unb Manalbaufoften, BaufongeffionsgebiU)reu, c^ebänbe* unb Umfaft*
ftcuer, Abgaben für Was* unb Wafferlicferuug, Manalbenuftung unb
©rubenreinigung. — görberung ber ©rrid)tung gemeüinüpiger Bau*
gefeUfdiaften (Baugenoffenfcftaften) burd) Bereitftellung auSreid)enbeu
I Sfrebit* (möglicftft unter ©arantieübernaftme burd) bie ©emeinben), burd)
©eroäftrung ber erwähnten Bcgüuftigungen, burd) möglitftfte Befreiung
i oon ftaailicften (Gebühren unb Abgaben, ^suforoeit bureft biefe ober
fonftige SÄaftuaftmen bem Woftnungsmangel nieftt abgcftolfen werben
fann, Befcftaffung oon Bgohmmgen bureft Staat unb (^emeinbe für bte
oon ihnen befeftäftigteu Arbeiter unb unteren Beamten fowie bie oon
ihnen bauenib uuterftüftten Armen ober ooritbergeheub Dbbadjlofen.
©eft. Baurath Stübben — Ä'öln fpraeft über „Stabtbauorbnung
unb Stabtbauplan in befonberer Stiicfficftt auf bie ©rmöglicftung
guter unb billiger fleiner Wohnungen", ©r begeieftnete es als er*
roünfcftt, baft bie ©emeinben forooftl wie ber Staat bei erforberlicft
roerbenber Auftfteilung ihres ©runbbefifteS gur Bebauung meftr benu
I bisher baS fogiale ^ntereffe als finangielle ©eficfttSpuiifte in ben
| Borbergrunb treten laffen möchten, ©r befürwortet bie offene Bau*
1 weife unb bie Abftufung ber Bauorbnun^eit nadj 3nnen* unb
Auftenbegirfen, aucft muffe baS Beftreben aut gröftere Ausbreitung
beS ©infamilienftaufeS ftinauSgeften; wenn alle Käufer als ©igen*
ftäufer für eine 3 amÜie gebaut würben, werbe es faum noeft einer
Baupoligeiorbttung bebürfen. Den Dftefen beS >3errn Dönftoff
fügte er folgenben Saft ftingu: ,,©S roirb empfohlen, bei geftftettung
oon Bebauungsplänen unb Bauorbnungen tneftr als bisfter barauf
gu adjten, baft bie ©rriefttung fleinerer Käufer erleichtert unb be*
günftigt werbe." ©r fcftloft feine Ausführungen mit beit Worten,
eS müffe roieber allgemeine Bolfsfitte, Saufilienfitte roerben, itit
fleinen £>aufe uub möglicftft für ficft allein gu wohnen.
3n ber Disfuffion, an roeld;er fid) bie Herren Srattg Branbts
M.=©labbacft, Cberbürgenneifter Strauft—Sth«)bt, Sientuer 3 . W.
StümgeS—9tftei)bt unb Dr. 0 . Mangolbt—3ranffurt a. M. betfteili*
gen, rourbe namentlich eine ©rmäftigung ber ©ebäubeftener befür*
roortet. Die Dftefen würben gur Menutnift genommen, ©tu Mufter
ftatut nebft ©efd)äftSanweifuugen für Baiigeiioffenfiftafteu fauu 00111
BereinSbureau begogen roerben. Öanbricftter Dr. Sdjöller—Düffel
borf fpraeft über Mauf* uub Micthsoerträge nad) bem neuen Bitrgei
licfteit ©efeftbueft. ©s füllen im Vanfe beS Winters einige Mn ft er
entwürfe gu folcftcn Bertiagen ansgearbeitet werben.
granrfe in Scvlin \V, Sar)vcuil)cviua|jf :>v.
soziale ^rariö. ©entralblatt für ©ojialpolittf. 9?r.
®te .»^oitaU f»ra«i0“ erfebetnt an jebem ©uttnerMag uttb iit bur<b alle ©udihanblungen uitb ©oftämter (©oftadtungSnuntmer 6729) au beheben. ©er ©rdö
für ba8 ©ierteljabr ift 9W. 2,50. 3ebe Kummer foftet 30 ©f. ©er fflnaeigenpreiS ift 60 ©f. für bte bretgefpaltene ©eti^eife.
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1898. Preis gebunden in Leinewand 3 Mark 60 Pfennig.
Aus einer Besprechung des Herrn Regicrungsrat Seidel (Wiesbaden) im ProiuMilu^houi
Yerwttltui»g»blatt (13. August 1898): .... r Mit Rücksicht auf den nahen Zeitpunkt des
Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches ist dankenswerter Weise auch dieses mit heran¬
gezogen, auch die Rechtsprechung der höchsten Gerichtshöfe auf dem Gebiete der ordentlichen,
sowie der Verwaltungsrechtspflege ist berücksichtigt worden.
Das Werk kann demgemäss als eine praktisch brauchbare Arbeit empfohlen werden. . . .“
©emnäcbft rottb öerfanbt: |
Kaife* tPütjelm I. j
profeffor Dr. (Eridj tttarefs in Ceipfig. i
©ritte, Perhefferte nnb üermeljrte Auflage. W VA |
ttroa 26 Sogen gr. ö*>. »reiB 5 S»r. 40 ©f., in fetnemßetnenbb. 7 SRI., tn $al6fr|bb. 7 SDK.60 $f.
©ehr halb nach ©rfebeinen ber ©tBmai'tffcben „©ebanfett unb Erinnerungen"
— alfo nod) rechtjeitig üor bem SBcibnacbtSfeft — wirb bte britte, oielfacb ber»
önberte unb bermebrtc Auflage ber ©iograpbie Äaifer SBübelniS I. auSgegeben, firtlttttinltinltt
na<bbem faum ein Satjr bergangen ift, feit baS ©udj junt erftenmal erftbien. ^IIIUIIIUIJIUUI
3n biefer britten Stuflage wirb bie gefamte aeitgenöffifebe Öitteratur, alfo
ni<bt nur ba« ermähnte Söerf ©iSntatcfe, fonbern auch bte ©riefe 21befenS unb i
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Strafrecht —-
— • unb polttif.
f tiiinnlplttifdg f rfcintfeftt riurs ölten iii^ttrs.
©on
Jfuftus (ülratcns.
- 110 ©eiten gr. 8». 31 ?f. 1 , 60 . -
„ .7 — » ! M-MM«
»•»«M« 1 Umtt te Sellin« ' in
uitb I :ur
i von
ihr Pirtflhnftspolitih. i «eorg Salzer, | ^ortbilöung öes grofembujiriellen
I Präsident de* Züricher Cassatlonshofc.s. <ltbdtSffC^tS.
1,11,1 < ! Preis 6 Mark. ' Son
«ttj fUrtib- i Die§t)i(utnngäes^rceerhrlftsfntBtuiftblanb loHo* pierpierff.
| «on
wh. i ®tf. - ! tSrnft veit |«Ue. - in 97. ^ rC u- i m -
^I - 189«. 'Ureis Ui- --
«erantroortlitf) für bte “Insdgcn: ScQmuU) Gfctbel, ßetpjtg. — »erlag oon Dunder & ^umblot. Cetpjig. — Giebrurft bei ^ultui Stttcnfelb, »erlitt.
vm. faprjmij.
iöerlin, ben 2 . Dezember 1898 .
Ütantnwr 9 *
Soziale pvaris.
@enfraH?fatt für ^ogiafpofifiß
mit 6er 2KonatSbeilage:
Vas ©ewerbe^cvic^t*
(Drgan bcs Derbait&es beutfdjer (Betperbegericfyte.
9^euc golge 6er „Slätter für foatate unb 6e8 „Sogialpolitifdjen ©entralblattS".
ffrfdjcint om jebem Xotmerflag. ©eCflüSgeber.* IJreiS uiettetjÄprlf; 2 IR* 60 flf.
SRebaftion: Serllit W., SBabreutberftrafje 29. Dl\ (Etttjl Serlag boit ©uttder & ©umblot, Seidig.
3 nfinlt
©ebattfett unb ©httittentiignt bott
Otto Slftirft tum Slßitsarrf. Sßon
Stof. Dr. ©. S d> m o 1l e t, Berlin. 209
9IHoc«eine Cejial* nab «Btvtbfiftaft«’
|»0li«if.218
UntetneljmeT» unb Hibeiteröer*
bänbe in ©ngtanb. Son©.®öeß,
Sonbon.
©ie ©atifbemeaunfl im Sudjbrucfer*
gewctbc ©eutfd)lanbß.
gbiberung bon .£>anbn>etf unb .ftauß*
inbufiric in Ungarn.
Romsinnale ©»stalpoltttt ... 221
©et ©efebentttmrf übet bie 9led)tß»
Detf)Ältn<fle bet Äommunalbeaniten
in Preußen.
Statut für bie Sllterfi* unb gnoaliben»
üerforgung bet ftöbtifdjcn ^o:;n=
arbeiter in Stuttgart.
Statut für ftabtifdje Arbeiter in Äarlß*
tube.
ilommunalprogtamm bet Ueipjiger
Sojialbeuiofratte.
Stöbtifcpeß SlrbeitSamt füt ©l^mnilj.
•i)ifli( Bnftünbc :.223
©egen bie SebrlingSjücbtcTei iin beut*
fdjen Sarbier* unb grifeutgemerbe.
©ie Arbeiter in ben öfterrcid)iid)cn I
©abaffabrifen. |
9lrbeitßlöt)ne in bet belgifdjen ©ifen*
inbuitrie. I
ßur Sage bet Sltbeiter in ben Äricg$= !
atfenalen granfrfid)ß. ,
MrOehgeteruerbänbe.225
2ltbeitacbert»etbanb im SaugemeTbe '
ju Sliincbcn. '
©et CSentraldetbanbfitag beutjdjer
Säcfet'gnnutigen.
©ie Engineering Employers Federation
in ©nglanb.
Urfretterbctorgnita.225
Streitigfeiten unter ben bcutfcficn
.^anbclßthUfßarbeitern. \
©in tbtiftlicbet ©ejtilarbeiteroerbanö !
in 50t. ©labbad). !
©entralüerbanb ber beutjdjen Siucfa* I
teure, ©ipfer ic.
93ergarbcitcröerbanb in Sübmateö.
Slrbeitßeinftellungcn in fyranfrcid) 1 97. ;
©ie Streifs in Stalieit Don 1879 bis :
1896.
©ie Organifation ber 3t m mertcutc •
hi Mmerifa. j
Ülrbeitcrfongtefc in Sftbauftralicn. i
ttrbetterfdmi}. 227 !
tfein Örbeiterfdjufc in funftgemerb* t
litten Setrieben. 1
Sdju{} ber ^anbelßangeftellten.
SOta&ngbnten gegen ben Staub in
©olbbud)«2öerfftätten.
Söeiblidje gabtifinfpeftoren in 3tufi*
lanb.
VrbeüertoevfltfKYttng. «parfaffett 228
©aS ginnifdje Unfalloerfidje*
tunflßgefep. Son Dr. 9t. 9t. af
Urftn, ©urfu (Slbo) in gimtlanb.
Serufßftatiftif ber Sparfaffen*
einleger in Sapern.
Stellung ber 2lerjte ju ben Äranfen»
faffen.
©in Antrag auf ©infübrung einet
allgemeinen Slltcrö- unb^noalibitütS«
berficberung in Defterreid).
©aS Problem ber 3llterßöerfid)erung
in ©nglanb.
©in S^ojeft über SllterSöerforgung
bcS nieberen Soft* unb ©elegrapfjcn«
perfonalS in granfreidj.
tlrbeitßnci(f)ti>ri6. 233 )
©rridjtung einer SlrbeitSnadjloeiSftefle !
in Stcgnip. i
Stäbtifcper 2ltbeitßnadjn>inß in Sonn. ;
SSoblfabrtSeinrtdituugen .... 233
©ie SJöot)Ifal)rtßetntid)tungcii auf ber |
tfaiferlicpen 2Scrft in tfiel. j
Stäbtifdjc unb prtoate Sßoplfaprtß*
pflege. i
©ie ©entralftefle für bie Üontrolc ber ;
20ol)ltl)ätigfcitSpflege in Serlin. I
Sclbft ,ut crmittelnbe ißrioatpflege. I
fteüen in .ftöltt. |
Sebrlingöftiftungen in SSfirttemberg. !
fSobnungßtaefen. 235 I
©ie ©rriditung eines SBoljnungS*
amteS in Stuttgart.
©er Scrbanb ber t OauS» unb ©runb*
bcfitier in ber Stbeinpialj.
©er ^arlöruber SOtietljer* unb Sau*
oerein.
6oiiole J&pßieue. 235 i
SOtebijinalreform in Preußen. |
Sefampfung ber ©uberfulofc. \
tftaucbocrbrennungSöürridjtungen. *
^pgienifdje 2öol)lfal)rtSeinTid)tungen. I
©enefimgSlieime in Saben. i
eoAiatpolttHdie 9taffiiabmen tu» Srr I
febrsmefett. 237 '
SonntasiSrulje auf ben engiifdjen
©ifenbapnen. * j
Sttteravtftfie tla&etgen.238
Snbalt beß ©emerbegerid)tS SJtr. 3. j
Oeilflgtt **©«$ <Betnerbegertibt M Nr. 3. I
Ubbrucf fämmtlicber Strtifel ift ß^ltungen unb geftattet, febo^ nur j
mit boHet tQuellenangabe.
Irknitm unb |riiunu$n v ifi : 9tti Jirft^ira^isinattt;.
Son
Se^moffer.
politifc^e ^eftament S3iömarcfg an 6 a$ bcutfrfjc Sotf, mit
feltener Spannung feit Monaten ermartet, ift am 29. 9?ooember
au^gegeben roorbeu; roie oicle Saufenbe t)abe aui^ id^ e«, in ber
Seftüre niefft me^r enben fönnenb, üerfdjlungen unb eile, in biefen
blättern fur^ barüber 3 U berieten, obroobl fo^ialpolitifc^e ®ingc
fauut berührt. Scf) füt)le mid^ baju oeranlaftt, roeil id) in oier
Septembernummern ber „Sozialen $raji§" neben ber fogial*
politifrfjen unb uolföimrtbfcbaftlid^cn Sebeuhtug Siömarc!^ ooc§
and) feine $erfönlid)feit unb ihre politifdje ©efammtleiftung
fd)Überte. 2)eit überntäd)tigen ©inbrud ber gmei 33änbe möd)te i(^
gleicbfatn al£ ©pilog beut bort ©efagten folgen laffen.
(S£ oerftebt fief) nad; Stitel unb Umfang, bafe mir feine er*
feftöpfenbe 5lutobiograpl)ie cor uug au( ^ ^ ne fünftlerifd)
abgcruiibcte ©efd)id)ttfbarfte[lung, roie fte griebricb ber ©rofee nach
jahrelanger ^urdjfeilung in feinen hMtorifchen Serien binterliefc.
i^erf ift auf 3 “^ben Sotbar Sucher^ au§ ©efpräcben be 8
75 jäbrigert entftanben, melcbe biefer treue ©efäbtrte fteuograpbifcb
fiyirtc. 9iacbb^t mürben fie mieberbolt uott Sigmar cf felbft tureb*
aefefien unb geänbert. s J)Jan fpiirt biefe (Sntftebung; uielfacb maltet
oer CSb^rafter einer ©auferie uor, Söieberbolungen fmb nicht oei>
mieben. Slber alleö atbmct bafür lebenSoolle Slnfcbaulicbfeit
unb ooflenbete fubjeftioe ©abrbaftigfeit. 3 n lofer gorm folgen
ficb breiunbbreifjig Mapitel, einige fiirger, anbere länger, bureb*
fcbnittlicb gmangig Seiten lang; tbre Sfolge entfpriebt bem fiebeng*
gang beö $angler3; jebeg bebaubeit eine geitepoebe, ein großes ©r^
eignifi, eine Snftitution ober ^ßerföntiebfeit. ©ingelne Kapitel finb
binreiftenbe anfd)aulicf)e ©rgäbluugen ber großen Sßenbepunfte
feinem i?cbcnö; in anberen übermiegen tbeilä neue, tbeilö auch be*
fannte ?lftenftüde; oft mirb ber Reiben ber ©arftellung burd) 9fücf»
unb Sorblicfe, burdb politifrfje Sergleicbe unb biftorifebe (Ijfurfe,
burd) 3 i c bung ber ßrgebniffe aller (Srfabrungen be§ großen
Staatsmannes unterbrodjen. 3>ic dürften, SDiinifter unb anberen
miebtigeren 'ißerfonen ber 3 ^it roerben braftifdj gefebilbert, böupß
mit fo uiel .fmmor unb SarfaSntuS, baft man immer mieber in
laute ©eiterfeit ausbriebt; eingelne nicht ohne SBitterfeit unb Schärfe,
mie ©ortfebaforo, anbere mit oollenbcter Pietät, mie $aifer
SJilbelm, alle mit bctit s l'iitfel, ben nur bie gottbegnabeten ©iftorifer
führen. 3 tn 3)tittelpunft ftebt burcbauS bie aiiSmärtige ^ßolitif,
bauptfädjlid) bie non 1858—75; bie materiellen fragen ber inneren
mcrbeit mehr nur ba unb bort geftreift, um beftimmte
Uebergcugungcii aitSgufpred)en. dagegen )inb bie fonital recht*
lidjen unb polüifd)en 5 ra 9 c n ber SDtimiterftellung unb alles, maS
bamit gufammenbängt, faft ebenfo eingebenb erörtert, als bie aus*
märtige 'jßolitif.
^3ei bem großen Umfang ber fd)on oorbaubenen ^ßublifationen
Sismarcffdjcr Elften unb Sriefc unb ben gablreidjen SDarftellungen,
bie mir non Spbel, 'DiarcfS nub Anberen über bie Qtit haben, ift
es natiirlid), bafj mir nid)t burdjaus Weites erfahren fönnen. 2 tber
211
Sojiale Praji«. dentralblati für Sogialpolittl. Sir. 0.
212
nid)t nur ift Sleue« unb ileberrafcßenbe« bocf) in §utte itnb Sülle
oorßanben; nic^t nur ergäßlt bcr größte Kenner bcr neueren
europaifcßen politif mit üoerrafchenber Offenheit über eine dpocße,
beren Arcßiofcbäbe bocß im langen nod) oerfd)loffen finb. Auch
rno er oiel erörterte, im (langen befannte fragen, wie bie Gut*
fteßung be« Krieges non 1870 ergäbt, erfcßeiitt bie ©Iaubwiirbig*
feit biefe« unterricf)tetften 3 eu 9 en ™ f° buttem ßid)te, baß alle bi«*
berigen DarfteÜungeu baneben faft gu trüben £>ellämpd)cu gu*
fammenfdjrumpfen/ Aber natürlich bleibt bcr SRemoirencharafter
bod) bent BSerfe aufgebrücft: ber große, leibenfcßaftlicb liebenbe unb
ßaffenbe Stander will ftcb rechtfertigen, will geigen, wa« er getßan,
wa« Anbere ibm in ben 2öeg gelegt, dr fprtcht pro domo, dr
ift fein objeftioer £>iftorifer, ber über ferne 3 e il cn gang gerecht
abmägenb berichtet; er ergäbt tbeilroeife an« bem ©ebäcßtniß; fo
roie ißm bie perfonen unb bie Dinge in bcr 3 e it, ba er fpricßt
unb fdjreibt, erscheinen, finb fie bargelegt; bie Notice feiner geinbe
unb ©egner roürbigt er jeßt fo toenig gang objeftio, al« er e« im
Amte gefonnt batte; er fucßt oon benfelben itberwiegenb hoch bie
niebrigen. Die ungeheure Hraft feinet BMllen« hätte nicht eyiftirt,
roenn er ba« berechtigte in ben Denbeitgen feiner Gegner oerftanben
batte. Die bitterfeit be« entladenen SRinifterpräfibenten bridjt
immer roieber in eingelnen fleinen 3ägcn burd). Aber alle« ber*
artige erfdjeint hoch nur als eine gu überfebenbe beigabe neben
ber abgeklärten Stube be« groben preußifd)*beutfcßen Patrioten unb
be« melterfabrenften SRenfcßenfenner« unb Staatenlenfer«, ber am
Slbenb feine« ßeben« feinem bolfe tagen mill, mie Deutfcßlaitb
enblich feit ben Dagen ber fächfifcßen'Haifer mieber ein einiger
großer Staat geworben ift, unb bureb welche SRittel unb Sßege wir
iiber ba« $>eer oon Junberniffen hinweg gum großen Siele fanten.
Sreilicß ergäblt er ba« im Done be« Litauen, welcher fein §>erg*
btut babei oergoffen bat, ber faft nie ben Danf unb ba« Ber*
ftänbniß, ba« er erwartete, fanb, ber faft nie jur Stube, gum
©enuß be« reinen ©lüde« unb ber oollen Bcfrtebigung feinet
Schaffen« fatn.
Der ungeheure bramatifche dinbruef be« SSerfe« fcheint mir
mefentlid) barauf gu beruhen, baß e« bei aller Sd)lid)tbeit unb
Stealiftif, bei bem gänglichen SRangel jebe« Bojtreit« unb jeher De*
flamation bie innere Dragif be« weltgefchichtlichen gelben ergäblt,
ber alle« ©roße für fein Baterlanb nur erreicht burd) innere dr*
regungett unb äußere .Stampfe fo bitterer unb fo heftiger Art, baß
all feine SRacßt, fein äußerer ©lang ihn nicht über feine dinfaui*
feit unb bie Stichtanerfennung tröften fönnen. So feßr für biefe
Stimmung feine dntlaffung 1890 mit* unb nadjgewirft haben mag
— er oermeibet in oorneßmer Seife fie gu befprechen — fo wenig
ift biefe hoch offenbar bie ©runburfaeße biefer burd)fcbimmernben
Stimmung. Aud) Aße«, wa« er oorber erlebt bat, feine gange
politifd)e Dßätiafeit oon 1862 an, tritt un« in ber Beleuchtung
eine« erfeböpfenoen H'ampfe« unb eine« SRartyrium« entgegen. Unb
babei ift ba«, wa« an feinem bergen nagt, wa« feine Steroeufraft
erfdjöpft, nicht bie Steibung mit feinen Öeinben: bie belebt, erfreut
unb erfrifdjt ihn. Stein, bie fio«reißung erft oon ©erlad), Stahl,
Sagener, fpäter oon ber gangen fonferoatioen Partei, oon feinem
Berwanbten Äleift*Steßow, feinem Sreunbe Blanfenburg unb halb
auch oon Stoon, bie Kämpfe mit ben ©eneralen, bie ihn, ben Be*
grünber all ihre« Stuhme«, 1870 oon jeber Beratßung au«fchließen,
weil er, wie ber ftaifer gu ©raf d. Stolbcrg jagte/ 1866 immer
Stecht in feinem Boturn gegen fie gehabt habe, bie Sieibitngen unb
.Stümpfe mit ben anberen SRiniftern, ber erfeßöpfenbe Stampf gegen
bie £>offamarilla, über bie er nie gang £err wirb, bie bittere dm*
finbung, baß bei feiner dntlaffung 1890 bureb alle SRinifterien
ie Stimmung einer Befreiung oon fd)wereni 3odj laut burd)*
bricht, unb juleßt freilid) am meiften, baß er auch mit feinem oiel*
geliebten Staifer nur burd) Kämpfe ber erfcbütternbfteu Art ßinbnrd)
au«fontmt, baß biefer g. B. nach ber .Staiferproflamation in Ber*
faüle« ihn ignorirt, an ihm oorbei gebt, ben ©eneralcn bie $>aub
gibt, weil ber Stönig unb er bie Sage oorber fid) über bie Slrt ber
itaifertitulation nicht batten einigen fönnen, — ba« finb bie
bitterften Sropfen in bem £eibeu«fcld), ben er bann guleßt mit ber
dntlaffung bi« auf bie $cfe leeren muß.
Saß er feine eigene innere ©efd)id)te fo empfanb, baß er bie
ungeheuren drfolge, bie große Popularität, bie feltene S)tad)t
weniger fab al« bie oielfad) fleinen .Stränfungen, lag in feinem
innerften Sefen nod) meljr begriinbet al« in feinem äußeren
Sd)icffal. din SJtann oon fold)er S3illen«ftärfe unb fo tiefer ©e*
miit«empfinbung, baß er, ber fcheinbar diferne, g. B. in Stifol^*
bürg, al« er oon allen ©cneralen unb bem Mönig überftimmt
wirb, nur noch fähig ift, in fein 3ünmer gu eilen unb in einem
SBeinframpf gufammengubreeben, ein folcber SRanu war nicht fähig,
fid) barmlo« wie SInbere gu tröften, er habe ja bocf) oiel erreicht,
Sille« fei nid)t gu haben, d« bäumt in ißm ber Brometf)cn« auf,
ber ba« Sd)icffal gwingen will, unb wo er e« nicht gwingeit famt,
mit ben ©öttern babert.
Slber bie ©öfter überlaffen ihren Lieblingen, bur<b welche fie
ba« §öchfte au«richten, eine foldje Stolle nur um ben prei« bcr
dinfatnfeit unb eine« gewiffen SJtartprium«. ^)er große biftorifebe
©eniu«, ber fein Baterlanb rettet unb gur ©röße führt, fann ba«
nur oollfübren auf einem fchwinbelnbeu Pfabe, auf bem ihm felbft
bie Städ)ftftebenben oft nicht begreifen, ben erft bie folgenbe ©enc*
ration in banfbarer Bcrebrung gang oerfteben fann.
* *
*
dtwa« meßr al« bie Hälfte aller Kapitel ift ben äußeren Ber*
bältniffen gewibmet. din meifterbafter Stücfblicf auf bie preußifdjc
politif gibt un« bie dinftcht in ba« Urteil be« Rangier« über bie
3cit oon 1786 bi« 1862: e« ift im ©artgen eine dpoche oerpaßter
(Gelegenheiten, in welcher unfere Politif meift nicht in Berlin,
fonbern in BSien unb Peter«burg gemad)t würbe; Preußen war
1815 bi« 1850 faft ein ruffifeber "Bafaflenftaat. s Ba« in Deftcr*
reich bie Beid)toäter, haben bei un« bie $abiuet«rätbe unb bie
ebrlid)en, aber befdjränften ©eneralabjutanten oerfchulbet. 2)ie Be*
ftimmbarfeit Sriebrid) B?ill)elm« IV. bureb ntel)r ober weniger geift*
reiche Slbjutantcn, Sfabinet«rätbc, ©elebrte, unehrliche Streber,
Pbantaften unb Höflinge war fein Utiglücf: ftatt nur auf feine
SRinifter gu böi'en, oertrautc er fid) bem ©eneral oon Stabomife,
„bem ©arberobier feiner mittelalterlichen Bbantafie", an. Slud) Honig
BBilbelm unterliegt guerft ähnlichen ©cfabren; er läßt fid) 1854 gu
einer falfcbcn Parteinahme für bie B>eftmäd)te, 1859 faft gur ^h e ^ s
nähme am italicnifchen Hriege hiabrängen. Slber mehr unb mehr
fiegt in ihm ba« richtige Slugenmaß für bie Realitäten, ber ftolge
Patrioti«mu« unb bie dinfiebt in ba« Staat«intereffe über bie
fonferoatioen Srabitionen ber ^eiligen SlUiang, über rontantifche
dinfliiffe unb bie ^ofüberalen Hoterien. Smmer wieber betont
Bi«tnarcf, baß man in ber au«wärtiaen Politif nur Schaben
ftiftet, wenn man Sympathien, trabitioneTlcu (Sefiiblcn, allgemeinen
Stichworten, wie Legitimität ober Hampf gegen bie Steoolution,
folge, d« ift in feinen Bkrbejabren ein Siebltng«tbema gegenüber
feinen fonferoatioen o^anben, wie falfd) e« fei, wenn man einen
SRamt wie Stapoleon III. reige unb gurüefftoße, weil man fief) in
Berlin noch in ber Stimmung oon 1813 fühle. Shir ba« Jsntercffe
be« eigenen Staate« biirfe maßgebenb fein, ba« man freilich mit
weitem Blicf, mit Abwägung aller Begiebungeit flar unb fcharf
nitb mit federn, fiihnem SRutbe erfaffeu nuiffe; in ben klugen*
blicfen be« drfolge« biirfe man aber aud) nid)t etwa gur Be*
friebigung nationaler ditelfeit ober be« militärifcfjen Stuhme« einen
Sd)ätt gu weit geben.
Sie biftorifd)e Slbwaitbelung bcr prenßifcheu Begiebungeit gu
Stußlanb, Defterrcidj, Jvranfreid) in erfier Linie, gu Italien, dug*
lanb, ben auberen beutfdjen Staaten in gweiter Linie wirb in allen
ihren phafeu, s D?öglid)feiteu, Spannungen unb Annäherungen ge*
fchilbert; oölferpft)d)ologifche Bilber wechfeln mit ber drörtcrung
be« dinfluffe« ber Stegierungöfyfteme; e« wirb für feinen b^an*
wachfenben bcutfd)cn Diplomaten ein lebrreid)ere« Stubium geben,
al« ba« biefer Blätter, wenn aud) heute bie mitfpreebenben gaftoren
thcilwcife fd)oit wieber etwa« anbere finb, al« in ber 3 C ^ 0011
1850—1890, auf welche bie drörtcrung fich begießt
Die ^rage wann, für wa«, in weld)er europäifchen Houftella*
tion preußen ober Deutfd)Iaub gunt Mriege fd)rcitcu biirfe, bie dr*
flärnng, warum bie Mriege 1864, 1866, 1870 berechtigt, bie
broßenben, tßeilweife aueß in Dcutfd)laub gemünfdjten 1867, 1875
abgeweubet werben mußten, fteßt im SJtittelpunft biefer drörternngen.
Unb bamit oerfuiipft fid) natiirlid) bie anbere, burd) weld)e Biinb*
niffe Deutfd)laub feine Stellung behaupten unb ftärfen nuiffe. d«
ift nidßt unfere Sad)e, hierauf eingugeßen. Bicllcidjt am lehrreich*
ften ift babei, wa« Biemarcf über fcefterreid) unb ben Drcibunb,
über feine bi« 1850 gunirfreid)enbe Abfidjt äußerte, Defterreid) bie
Aiißrung Deutfd)lanb« abguueßmen, aber gu ißm itt ba« Berßältniß
eine« engeren Bnnbe« gu foutmeu. Bi«marcf ift bi« 1850 gut
öfterreichifcß. drft Sdyoargenberg« Deuife in Begug auf preußen:
Avilir. puis demolir t: öffnet ihm bie Augen bariiber, baß ßier
eine Aii«ciuanberfeßung mit Blut unb difert nötßig fei: aber er
fließt fie gu ocrmciben/ fo lange er fann, nitb al« fie bann fatn,
fo rafd) unb fo milb al« möglich gu bceuben. dr wäre 1864 im
! Dftober fogar gu einem 3°üuerein mit Ccfterreicß, hauptfädjlicß
| um Stedjberg gu halten, bereit gewefen, wenn ißn uid)t bie auberen
I Biiniftcr uub Delbriicf baran geßinbert hätten. Daß er, um nießt
I mit frangöfifdjer theurer .§>ülfc bie bentfeße Srage gu löfen, bie
Sogiale Pra|i3. Eentralblatt füt Sojialpolitif. Br. 9.
214
21Ä
Biinbnifeanträge BapoleonS III. ablehnte, ift befannt. Bidjt aber
— fo r>iel id) weife — bie Ablehnung eiltet ruffifdjen Bwtbnife-
antrageS im Fahre 1863, welches einen ftrieg gegen Frankreich
nnb Deflerreid) unb bie Bieberwerfung ber fort|d)ritt(id)en Dppofi*
tion gum 3 tü ede hatte. BiSmard empfahl bie Ablehnung, um nid^t
Defterreid) p gefäfjrben, um nicftt bie beutfdje unb bie BerfaffungS*
frage mit Mofafen 311 löfen unb nicht baburd) bie Abhängigfeit
non Bufelanb 3 U fteigern. „^afe ber $önig," fügt er in Begug
hierauf, „1863 feine fdjmer gefränFte Empfinbung als Blonarch
unb als Preufee nid)t über bie potitifcfjen Erwägungen Herr werben
liefe, beweift, wie ftarf in ihm baS nationale Ehrgefühl unb ber
gefunbe Btenfd)enoerftanb waren."
3)ie Stellung BiSrnardS gegenüber ben anberen beutfchen
Staaten unb ben beutfchen dürften unb bamit feine Anfchauungen
über bie föberatioe beutflhe Berfaffung ift fchon bisher allgemein
befannt. Er war ein fdjroffer ©egner beS rabifalen HnitariSmuS,
wie ihn £reüfd)fe wiinfdjte, obwohl er aus SdjIeSwig^olftein
feinen neuen Bfittelftaat werben laffen wollte, §annooer, ^urljeffen
unb Bafiau bem preufeifdjen Staate einoerleibte. Aber bie £efer
werben in ben „©ebanfen" bodt) oiele braftifdje Ausführungen unb
neue ©rünbe für feinen Stanbpuuft finbeit. Ueberaus lehrreich ift
in biefer Stellung baS Kapitel über „Stämme unb 6 E)puaftien",
baS 3 eigt, wie fefer BiSmard bod) aud) oÖlferpfpchologifchen ©e*
banfenreiben gugänglich war. „3>er Sd^lüffel 3 ur beutfchen Politif,"
fagt er ba, auf 1848—1866 gurüdblidenb, „lag bei ben dürften
unb SDtjnaftieu, nicht bei ber Sgubli^iftif in Parlament unb preffe
ober bei ber Barrifabe."
* *
*
Auch bie Anfchauungen BiSrnardS über bie grofeen inneren
BerfaffungSf ragen ber ©egenwart unb fpe^ieH ber preufeifdjen unb
beutfchen finb im ©angen bisher fcfjon befannt gewefen. Aber fie
erfjalten hoch mancherlei neue Beleuchtung.
Er ergäbt, bafe er, mit Speftalos^i^a^nfdfjen ©runbfäfeen er*
gogen, bie Schule mit ber Uebergeugung oerlaffen habe, bie Bcpu-
blif fei bie oernünftigfte Staatsform; er betont, bafe fein Bater
frei oon ariftofratifc^en Borurtheilen, feine Blutter oon fo liberalen
Xrabitionen erfüllt war, bafe fie, am £eben bleibenb, faum mit ber
Bicfetung feiner minifleriellen St^ätigfeit gufrieben gewefen wäre.
Bon bem Eintritt in bie Bnrflhenfdpft hielt ihn hauptfäd)li<h ber
Mangel an Ergiehung unb bie utopiftifdje Ueberfpanntheit ihrer
bantaligen ©öttinger Blitglieber ab. Für ein AbelSregiment fei
er nie gewefen, habe nie geglaubt, bafe ©eburt ein Erfafe für
mangelnbe iüchtigfeit fei. Aber ben guten preufeen unb ben 3 UU 1
entfchloffenen Bionarchiften geworbenen ftänbifch s liberalen ©utsbe*
fifeer ber oter^iger Fahre reigten bie Flachheiten unb Plattheiten
beS IHberaliSmuS jener £age gum Kampfe. 2)ie polternbe .£)eftig«
feit BindeS, bie Sentimentalität BetferatfjS, ber rheinif<h-frangöfifd)e
IHberaliSmuS BfeoiffenS unb oon ber H^btS erzeugten feinen BSiber*
fpruch unb liefeen ihn auf bem Bereinigten #anbtage als Funfer
unb extremen Bogaliften erfcheinen, währenb bie unumfehränfte
Autorität ber alten preufeifdjen $önigSmad)t fchon bamals nicht
fein lefeteS B$ort war. „^er AbfolutiSntuS, fagt er, bebarf in
erfler Ötnie Unparteilich Feit, Ehrlichfeit, pflichttreue, Arbeitskraft
unb innere 3)emuth beS Begierenben; finb fie oorhanben, fo wer*
ben hoch männliche nnb weibliche ©ünfllingc, im beften Falle bie
legitime Frau, bie eigene Eitelfeit nnb Empfänglid)feit für Scbmeidje*
leien bem Staate bie Früchte beS föniglidjen B3ohlwollenS oer*
für 3 en, ba ber Bionard) nicht aHmif[enb ift unb nicht für alle
3meige feiner Aufgabe gleiches Berftänbnife haben fann." AuS
biefen ©rünben fei er fchon 1847 für eine öffentliche ^ritif in
Parlament unb Preffe gewefen. ÜIRan mag gweifeln, ob ba nidjt
theilweife fpätere Erfahrungen in jene 3 e ^ übertragen werben;
BiSmard fagt felbft, biefe Sluffaffung hätte fich in bem Biafee bei
ihm ausgeprägt, als er bie§offreife unb bie ©efahren beSBeffort*
Patriotismus näher fennen gelernt habe. FebenfallS finb bie
Sleufeerungen wichtig unb forrigiren baS Bilb oon bem tollen
Sunfer, in bem Friebrich BMlljelm IV. feinen Freunb unb Schüler
fah, wefentlich-
S)aS Berhältnife BiStnarcfS 311 biefem Fürften tritt uns wohl
aus ben 2 luf 3 ei<hnungen 3 um erften Bial Flar entgegen. 2 )ie
beiben geistreichen Biänner 3 ogen fid) an; bie ritterliche Streue unb
ber füfene Biuth beS Fünfers feffeln ben ßönig ebenfo, wie bie
oerblüffenbe Wahrheit feiner politifchen Erörterungen unb Bath*
fchläge, benen er hoch nicht 311 folgen wagt. 2llS BiSmarcf ihm 1854
ein fühneS Auftreten gegen 0 efterreid) unb F^anfreith zugleich räth,
antwortete er: „3>aS is fehr fchöne, aber es iS mich 3 U tljeuer,
foldje ©ewaltftreiche fann ein Btann oon ber Sorte Napoleon
wohl machen, ich aber nicht." BiSmarcf oerfieht bie Stelle eines
Spiritus familiaris beim SFönig, beforgt ihm BJinifter unb oerföhnt
fte wieber mit ihm, entwirft ^epefdjen, wirb über 2WeS ge¬
hört, foll felbft immer wieber Bttnifter werben, weife bem aber
gefchicft au$ 3 uweichen, weil er wohl empfinbet, bafe er als Btinifter
nicht mehr mit bem romantifchen, wedjfelnben Stimmungen unter*
liegenben ^önig auSfäme. Es ift eine &hätigfeit neben ben
Bhniftern, wie fte BiSmarcf fpäter als Bfinifter auf baS h € f^gfte
jeberseit befämpft hat, bie aber hoch bamals oiel ©uteS bewirfte;
freilich toefeittlich beShalb, weil BiSmarcf nie gegen Btanteuffel
intriguirte, immer nur bie Sache, nie feine Perfon im Sluge hatte.
BiSmarcf bient bem ft'önig auch als geheimer Slgent bei ber
fonferoatioen Partei, weife biefe für bie £>errenhauSpläne beS
Königs 3 U gewinnen; er fügt aber bei, er fehe, bafe baS nicht
richtig gewefen, wie er es fchon bamals, freilich gan 3 oergeblich,
bem Könige oorgeftellt habe. S)ie frühere erfte gewählte Kammer
fei 3 ur Söfung ihrer Aufgaben befähigter gewefen, als baS nun
frei oom S^önig gebilbete, als fein alter ego erfdjeinenbe §erreit*
hauS: eine erfte Kammer bürfe nicht in ber öffentlichen Bteinung
als IDrgan ber Regierung gelten. Ein muthigeS Sfönigthum be-
bürfe folcher Brüden nicht. Fa ber $onfliftS 3 eit habe baS Herren¬
haus 3 war burch furchtlofe ^reue fich auSge 3 eichnet, aber nicht
burch mehr^ Eine erfte Kammer, wie fie bis 1854 beftanb, würbe
burch bie Sadjlichfeit unb Selbenfchaftsiofigfeit ihrer Debatten
fdjon oiel früher auf baS SlbgeorbnetenhauS ermäfeigenb einge*
wirft unb helfen SluSfchreitungen oerhinbert haben. Er würbe
20 Fahre fpäter aus ber Beibehaltung ber erften Kammer gegen
ein H erren bauS eine $abinetsfraae gemacht haben. ®iefc Ein*
fchäfeung beS HerrenhaufeS, bie faft an bie Schriften oon Sweften,
©neift, Eonftantin Böfeler erinnert, wirb felbft für oiele genaue
Ämner BiSmardS iiberrafchenb fein.
Bei ber Er 3 ählung, wie er mit arofeer Bfühe ben Äönig ba 3 u
gebracht habe, 3 U 3 ufiimmen, bafe im äuguft 1866 für bie bubget*
lofe Regierung oon 1862 bis 1866 Fnbemnität oom Sanbtag ge*
forbert werbe, Fommt BiSmard auf bie BerfaffungSfrage 3 urüd:
®er SlbfolutiSmuS fei feine F° nn einer in ®eutfd)Ianb auf bie
$auer haltbaren ober erfolgreichen Regierung. 4>ie preufeifche
Berfaffung fei in ber Hauptfache oernünftig, inoeui ber ft'önig unb
jebe ber beiben Kammern ein Beto habe; es laffe fich mit berfelben -
regieren. $ur 3 oorfeer oertheibigt er bie Äon 3 ebirung beS allge¬
meinen Stimmrechts, nur öffentliche BSahl fei nöthig, wie er fie
urfpriinglid) geforbert. ^)amit erhalte ber Einflufe ber ©ebilbeten,
als ©egengewicht, feine BSirffamfeit. Fn jebem StaatSwefen fei
baS Streben ber SRichtbefifeenbcn nad) Erwerb fo berechtigt, als bie
2 enben 3 en ber Befifeenben; aber baS Uebergewid)t berer, bie ben
Befife oertreten, fei baS 9füfelid)ere. Ein Regiment ber Begehr¬
lichen, ber novarum rerum eupidi, unb ber Bebner, welche urtpeilS*
lofe Bcaffen belügen, er 3 euge leicht eine Unruhe, welche ftaatliche
©emeinwefeit nidjt ohne Schaben aushielten, welche eine gefähr¬
liche Befchleunigung ober gar 3 er frümmerung beS Staatswagens
er 3 euge. Unb wenn bann auch Blaffen felbft burch baS Örb-
nungSbebürfnife 3 ulefet wieber pr 2)iftatur unb 3 um EäfariSmuS
geführt würben, fo geflhehe baS unter Aufopferung auch ^ e *
rechtigten unb feft 3 uhaltenben BtafeeS oon Freiheit, baS europäifch
ftaatliche ©efeEfdjaftcn ertragen.
^)iefe hifiorifchc Betrachtung über ben Kreislauf, bem bie
heutigen europäifchen rnonard)ifd)en Staaten unterliegen, ber oon
ber abfoluten Btonarchie 3 ur gan 3 * ober halbrepublifanifdjen Staats-
form unb 3 ur Babifalifirung öfter Fnftitutionen führe unb ftets
mit bem EäfariSmuS enbe, Hingt an oerfdflebenen Stellen beS
BkrFeS wieber an; biefen pro 3 efe fo auf 3 uhalten unb gu mo*
beriren, bafe weber bie Anardjie noch ber EäfariSmuS eintrete,
fönnte man als baS 3i ß l f e i n ^ r inneren politif bezeichnen. Aber
nirgenbs geht nun ber grofee Staatsmann auf bie Asiaten, bamit
in Berbinbuitg ftehenben Fragen ein; er berührt weber baS
Sogialiftengefefe noch ben Arbciterfchufe unb bie Arbeiteroerficherung,
ber erörtert weber bie Sogialbemofratie noch bie ©ewerfoereine,
weber Kartelle noch Sohufämpfe; er bringt bamit gewife bie fogial-
politifchen Beaftionäre, bie fich jefet fo häwfig auf ihn berufen $u
bürfen glauben, in Berlegenhcit. Fdj inöd)te fagen, er geigt bamit,
bafe ihm biefe Fragen nicht fo am H er gen lagen wie bie, welche
er eingehenb bespricht.
Aud) nach ber mehr politifcf) oerfaffungSred)tlichen Seite hin
erörtert BiSmard baS oon ihm aufgeftellte hiflorifche ©efefe leibet*
nicht näher. BMr bebauern baS, weil baS ©efefe in feiner Allge¬
meinheit gewife ebenfo wahr ift, als bie Auffinbung beS Büttel-
wegeS fcfjwierig erfd^eint, ber ber gefürchteten ilonfequeng auSgu-
weichen, aber bod) bie berechtigten Forberungen ber 3eit, wie
21 &
^ogtale Prajis. ßentratBlatt für 6ogialpoItttf. Elr. y.
*2t6
allgemeines Stimmrecht, gu bewilligen oerftet)t. ViSmarcf fommt
nur nod) furg unb anbeutungSweife auf einige herber gehörige
fragen, g. 23. ben Ginfluß beS VefibeS unb ber Gilbung oßne Veftß in
ben Parlamenten. Die befißlofe Gilbung finbet er nie! gu ftarf oer*
treten; roäfjrenb fie im Voll nur wenige progente auSmadje, ftcige
Tie in ben Kammern auf über bie §älfte. Dabei giebt er aber an
anberer 'Stelle gu, baß bie ben Vefiß oertretenben Elbgeorbneten
meift träge, wenig arbeitfam. babei leid;t ncrftirnmt unb eljrgeigig
feien, nod) mehr als anbere ohne eigene Prüfung ben Rührern
folgen, wäfjrenb bie ©ebilbeten oljne Vefip in ber Siegel mehr
Elrbeitfamfeit unb RnteUigeng geigten.
Die Mittellinie, welche unfer VerfaffungSleben einguhalteit
habe, bcgeidjnet ViSmarcf 00 m Stanbpunft ber Grhaltung guter
Minifterien fo: Die Mritif ber Parlamente unb ber Preffe foü in
ben Sdjranfen fich holten, foH burd) baS pofitioe Elecbt unb bie
politifdje Grgiehung fo bemeffen werben, baß unfähige Minifter
baburd) befeitigt, fähige aber auch gegenüber gelegentlichen
Majorität^bftimmungen, Schwanfungen ber öffentlidjen Meinung,
jeitweifen Eingriffen ber preffe unb ,pof* unb Hantaridaeinflüffeit
fid) beiten fönnen. DiefeS fei Ins gu bem nadj menfd)lid)er
UnooÜfommenbeit überhaupt erreichbarem ©rabe annähernb unter
Maifer EBiUjelm I. erreicht gewefen.
Elach biefem Eluerfenntniß follte man erwarten, baß ViSmarcf
auch bie Gjifteng unb EBirffamfeit ber politifdjen Parteien aner*
fennen würbe. Elber er oerweilt auSfchließlid) bei ben Sdjatten*
feiten ber heutigen Parteien, was ja pftjchologifch wohl begreiflich
ift, ba Eliemanb mehr als er unter ber Unreife unferer beutfehen
politifchen Parteien litt. Rebe Partei, meint er, treibe politif, als
ob fie allein wäre; auf bem EBege beS Parteihaffes färnen fie bis
gur Unehrlichfeit unb Vaterlanbslofigfeit, bis gur Einweisung oon
Mitteln, bie jeher in feinem prioatleben oerwerfe.; nicht Programme
unb pringipien fchieben fie, fonbern perfönlidje 3iüc(fc; bie Rührer
unb SRebner feien Gonbottieri, bie eine ©efolgfdjaft oon Strebern
um fid) fammelten; bie Parteianhänger wollten mit ben Rührern
gur Macht unb gu Stellen fontmen. Elm meiften geht er ins ©e*
rieht mit ber fonferoatioen Partei; er mieberholt EtoonS befannte
EBorte oon ber Verworrenheit, Elatf) s unb Mopflofigfeit biefer
Partei, oon ber neibifd;en unb boshaften lleberhcbung Singeiner
in ihr. Gr fpricht wieberholt ben Vorwurf aus, baß oiele
ber Runfer in farmatifchem ©leidjheitsbrang ihm bie Minifier*
fteHung, bie Dotation unb ben Rürftentitel, ber ihm fo fel;r wtber*
ftrebt habe, geneibet hätten. ®ie Elbwenbung ber Monferoatioen
oon ihm, ihre Eingriffe gegen ihn 1868—76, ergäl;lt er itodj mit
bem gangen ©roll ber ge)tern erlittenen Mränfung unb mit ber
Gntrüftung über bie großen politifdjen Rebler, bie fie bamit be*
gingen. Der VerleumbungSfelbgug ber Mreuggeitung unb ber
EteichSgtocfe gegen ihn unb feine Rntegrität hat ihn wohl am
allermeiften gefdjmergt; es war auch ber thörichtftc unb unwahrfte
Eingriff, ihn als einen Vegünftiger ober Dheilnefjmer bes langes
um baS golbene Malb gu oerbädjtigen. |>ätte er iljn mitgemacht,
wie g. V. einft Magarin ober Richelieu, fo hätte er wie biefe ein
Vermögen oon 100 - 200 Millionen htuterlaffen unb nicht ein für
einen Rürften mäßiges oon einigen wenigen, baS ben Dotationen
unb bem Miniftergehalt entfpricht.
Rrnmer geht biefe Parteifritif an manchen punften über bie
ViÜigfeit unb bie ^iftorifd;e EBahrljeit IjinouS. ViSmartf giebt
generalifirenbe Urtheile ab, auch wo er nur einige beftimmte per*
fonen im Sluge hat. Unb bie großen geiftigen Strömungen, als
beren Grgebniß hoch bie Parteien fid) barftcllen, ftehen ihm häufig
nicht fo oor ber Seele, baß er oon hier aus bie Parteien innerlich
oerftünbe. EBährenb er alfo hier theilweife übers Riel hinaus*
fließt, fdjeint baS mir gar nicht ber RaU ba, wo er auf bie
Schilberung feiner Minijterfoliegen unb oerfdjiebener CGefanbten,
auf bie Monflifte, bie er mit ihnen hatte unb bie Eieffortfämpfe,
welche bamit gufammenhängen, fommt. Sr ift hier ebenfo maßoofl
als utnfidjtig; ich glaube, baß in ben gasreichen biefeS Dljeuia
behanbelnben Partien einer ber bebeutfamjten Verträge für eine
praftifche politif geliefert ift. Rn unferen großen burcanfratifdjcn
Staaten mit ihren organifirten Veamteugruppen, beren ElrbeitS*
theilung unb Reuereifer für ihr Eleffort ift es eine ber größten
©efahren, baß ber Staat unb baS ©aitge burd) bie Eieibung ber
EteffortS unb burd) bie geitweilige einfeitige .J>errfchaft ber eingelneu
©ruppen gefährbet werbe, baf 3 fo eine tl;eils gelähmte, tljeils falfdje
StaatSleitung entftehe. Reh habe baoon fd)ort bes Näheren in
meinen ViSmarcfbriefen gefprodjert unb barf heute babei nid)t oer*
weilen, fo oieleS gu fagen wäre über bie Elrt, wie ViSmartf biefe
Rrage in 3ufammenhaug mit ber nothwenbigen Sinheit ber Staats*
oerwaltung, mit ber De^nif ber ©efefcgcbung befprichh wie er oon
biefem ©efidjtSpunft aus bie EBieberbelebung beS Staatsraths oer*
fuchte, wie er bie Eiolle bes Ieitenben MinifterS gegenüber ber in
gewiffen ©reugen nöthigen Selbftänbigfeit ber anberen Minifter
gu beftimmen fucht.
EBid)tiger ift gulefet hoch noch bie poiitifdje, mit ber oorher*
gehenben freilich vielfach gufammenhängenben Kernfrage, bie man
neben ber auswärtigen politif bas .fauptthema feiner Srinnerungen
nennen fönnte: wie fann unb foll baS Verhältnis bes Ieitenben
MiuifterS gunt Rürften fein. Das ift bie wahre Eldjfe ber inneren
politif bes prenßifchen Staates feit 1786. Eitle entfdjeibenbeix
Strifen unb EBenbungen unfereS Staatslebens brel;ten fich mit ba*
rum; man fann ohne Uebertrcibung fagen, in immer neuen Ein*
läufeu fämpften bie Ieitenben Minifter oon ^erfcberg, Stein,
£>arbenberg bis gu Mantcuffel, ViSmarcf unb Saprioi um bie
normale ©eftaltung biefeS fdiwierigfteu politifdjen VerhältniffeS.
Die ,£)ohengollern wollen mit Eiecht bie Ieitenbe Stellung behalten,
aber bie ungeheure fiaft ber ©efchäfte unb bie Eiothwenbigfeit für
bert $önig oon preufjen, in erftcr Üinie Dffigier gu fein, bie Ver*
faffnng unb bie heutige Deffentlitfjfeit gwingen hoch in immer weiter*
gchenber EBeife bagu, aus gehonhenben, burch bie Unterfdjrift
bes Königs gebeeften, bei DiffenS nidjt gurüeftretenben Minifteru
felbftftäubige ocrantwortliche Dräger einer eigenen Politif gu machen,
welche gugicid) bie gangen inneren Staatsgefdjäfte tedjnifrf; oer*
ftehen unb befjerrfchen, weld)e nur ihr Programm auSguführen bereit
ftnb. Das Problem ift nidjt etwa erft mit ber Verfaffung entftanben;
fchoit 1806 — 15 hanbeltces fich im abfoluten Staate um bie Rriebrich
EBilhelm III. fo ferner werbenbe Srfenntnife, bafe bie Eiettung bes
Staates in ber Elufridjtung, in ber redjten EBirffamfeit unb
Äompetengabgrengung eines fclbftänbigen, baS geheime Üabiuet
beherrfdjenben, ben Slönig täglich beeinfluffenben Staatsfangieramtes
liege.
EBaS uns ViSmarcf über biefe widjtigfte fonftitutionelle Rrage
ergählt unb oorträgt, ift in erfter ^inie rein PerfönlidjeS; unb es
ift flar, baß bas perfönlidje inbioibueüe Verhältnis beS £önigS gu
feinem Minifter immer gulept bas ©ntfdjeibenbe für baS Rufamnten«
wirfeu unb bie itonflifte ift. Elber auch biefeS perfönlidje ift be*
bingt burch bie Sitten unb (Gepflogenheiten, bie inftitutionelleu
(Sinridjtungen, welche ben ^lönig wie ben Minifter binben, iljnen
eine beftimmte Elrt beS Verljältnifics als hergebracht unb uoth s
wenbig, heilfam ober fdjäblidj erfdjeineu laffen.
(Ss ift guuädjft bie Rrage, inwieweit ber Eiegeut einer ©roß*
macht heute nodj fein eigener Minifter fein fönne. Rm Ranuar
1859 fagte ber Pringregcni gu ViSmarcf, baß er fein eigener aus*
märtiger unb itriegsminifter fein werbe; biefer fudjte ihm fofort
gu bemeifen, bah baS heute unmöglich fei. Gs fjanbelt fich bann
weiter barum, ob unb inwieweit bie anberen Minifter bem leiten*
ben beim ^önig entgegentreten bfirfen, wogegen in Preußen bie
befannte £abinetSorbre gu Manteuffcls 3 e rt erlaffen würbe, bie
1890 eine Efolle fpielte. 3 U ViSmarcfs 3^ü oerfnüpfte fich bamit
bie weitere Rrage, ob ein leitenber Minifter persona grata bei
ber Rürftin fein müffe, wie es Sdjleiuiß war, ob in ber Perfon
beS föniglichen §ansminifterS eine Elrt weiblicher ©egenregierung
gebulbet werben fönne, oljne bie Ruh^ ber Rriftionen an oberfter
stelle bis ginn liebermaß gu fteigern. lieber Derartiges flagt
ViSmarcf am meiften. Gbenfo widjtig ift bie Steünng ber oberfteu
militärifchen Eiatljgeber bes Königs gu bem Minifterpräfibenten.
Die Rrennbfdjaft ViSmarcfs mit Eioon unb Moltfe Ijinberten nicht
bie ftarfften Mampfe, wie id) fchon erwähnte. Mit leibenfdjaftlidjer
(Energie betont ViSmarcf, baf; ber erftc Minifter unb itid)t bie ©e*
uerale bie Gntfdjcibnng audj über Mrieg unb Rrieben, wie über bie
Elrt ber Mriegfüljrung haben miiffe, ba auch leßtere ftets politifdhe
Vcbeutung habe. Daß bie (Generale ftets leicht gum Mrieae
brängett, will er nicht oerurtljeilen, aber heilfam fei es nur, fo
lange ein großer Minifter unb ein Mönig fie im 3 au me holte, ber
bas redjte Efugenntaß Ijobe unb gegen unberechte Ginflüffe wiber*
ftanbsfäljig fei.
Eluf 3 er bjefen nie gu oermeibenben Elebeneinfliiffeu ber oberfteu
Spißeit bcS Staates auf bert Mönig, ftehen aber audh aüeperfonett
in Monfurreng mit bem Mangler, bie überhaupt regelmäßig ben
Möuig fehen^unb fpfedjen: bie MabinetSräthe, ©enera(*Eibjutanten,
perfönlidje Rreunbe, bie burdj iljre gefellfdjaftlidjeu Vegieljungeit
an bett Monardjeit hereinfotnmenben. Rn Gnglanb wedjfeln mit
bett partei*Minifterieu feit lange audj bie Mammerfrauen, nicht um
bie Moitigin gu träufelt, fonbern bie. Rohl ber freugenben Ginflüffe
gu miubcrit. Ellle foldje perfotten werben einem Minifter baS
Vebeu um fo fdjwerer madjeit, als fie meift 001 t ben Staats*
gefdjäften weniger als bie Minifter, oft gar nichts oerftehen, oon
Gitelfeit unb anberen unfachlidjen Motioeu getrieben werben.
217
Sojtale PrajiS. Eentralblatt für ©ojialpoltttf. SRr. 9.
21 «
PiSmarcf fatin fic^ nicht genug thun, über fie 31 t Hagen. SöoHen
wir billig fein, fo werben wir jagen, bah folrfje Einffiiffe nie gans
gu befeitigen feien, aber innerhalb gewiffer ©rensen firf) galten
muffen. $)er Regent fanti niegt itt ber SSagl feines Umganges,
feiner 9lbjutanten unb Generale, feiner Wiener gan 3 beoormunbet
werben, fonft wirb ber Ieitenbe 9Rinifter sutn ^auSmeier; oollenbs
in 3 e ^ e « ber Hrife, beS 3weifelS an ihm muh ber Hönig auch
anbere Perfonen hören fönneu. ?lnbererfeits muh ber Ieitenbe
s Dtinifter forbern, baf$ nicht unoerantwortlichc Stafhgeber mehr bas
Dhr beS Königs haben als er, wie bah bie anberen 9)tinifter nur
in llebereinftiinmung mit ihm ben Honig berathen, bah taftlofc
Sntriganteu unb Streber fieg nicht beraubrängen bürfen. Es ift fo
thcilS Sache beS Saftes unb beS gegenfeitigen PertrauenS, theils ber
Hofetiquette unb beS pofitioen Rechts, wie ber .Honig su berathen
fei. 3ulept, wenn ber Ieitenbe Minifter nicht mit feinem SJtatlje
buregbrirtgt, hat er baS PreffionSmittel ber HabinetSfrage, fofern er
fich erhcblicge Serbienfte erworben unb bei ben Parlamenten unb
ber öffentlichen Meinung einen Sücfhalt gefunben hat. PiSmarcf
hat es auch $aifer Wilhelm I. gegenüber öfter unb ftetS mit (Sr*
folg angewanbt. Unb man wirb nicht fagen Fönneit, bah Haij'er
SBilhelm fich babei etwas oergeben habe. 3 $ habe bem, was id)
in meinem erften PiSmarcfbrief ( 1 . Sept. 1898) über biefe HonfliFte,
ihre pfpdjologijchen Urfachen unb bie ftetS wieber gelingenbe Ser*
föhnung fagte, weber etwas susufügen, noch auf ©runo ber „(Sr*
innerungen" etwas 311 änbern. PHe ich bort fegon fagte, erfegeint
bie ©rohe beiber SRänner gerabe giebei in ihrem reinften Sichte.
* *
*
Sch glaube baba: auch, bah bie oollftäubige Slufbecfung biefer
HonfliFte unb ber jebeSmaligen Perfopnung, weldje hier sunt erften
SRale rficfpaltlos gefiept, niegt nur nicht fegaben, fonberu Segen
ftiften wirb. $ie oolle Wahrheit gleicht auch hier bem Speere,
ber wohl SBunben fcplagen Faun, aber fie ftetS auch geilt. $ur
wenn bie ^Dlenfcgen enblicg 311 begreifen anfangen, wie unenblich
jepwierig baS Regieren, baS 3 u fammenfaffen Pieler 3 U einem
Sßillen, ja nur baS einheitliche 3ufammenwirFen sweier großer unb
ebler Piänner burch Sabre pinburd) ift, werben fie beginnen, etwas
oerftäubiger über politifege fragen su urtgeilert.
Unb ber lebte Eiubrucf ber „Erinnerungen" wirb nach beut
erften iragifegen hoch am Enbe ber oerjöbnliche fein; gerabe burch
bie 9lrt, wie PiSmarcf fein 3Sergältnife su Haijer Wilhelm ftfjilbert.
Glicht ohne XMbficgt finb bie Mapitel über bie beiben lebten Haifer
ans Enbe geftellt. SRicpt mit Porten beS ©rolls, wie er fie oor*
her rcicglicg nach ben oerfcgiebenften Seiten ausgefepüttet, fcheibet
ber eiferne Hansler oon feinem PolFe, fonbern mit Porten ber
Siebe, ber pietät, ber $)anfbarfeit.
Haifer SBilhelm wirb freilich in ben gansen 3 wei Pänben nur
mit Verehrung behanbelt. 2lls er in SftiFolsburg PiSmarcf oor*
geworfen hatte, er laffe ihn oor bem Jeinbe im Sticp unb 3 winge
ihn 311 fchmachooUem ^rieben, fügt PiSmarcf bei, er habe fid) an
biefer unoerbinblichen Sorm ber 3 ujtimmung 3 U feinen SBorfcglägen
nicht geflohen, unb beUagt es, bah er feinen geliebten Herrn fo habe
oerftimmen müffen. $uit im oorlepten Kapitel fegilbert er in 3 h*
fammenbang bie perfönlidjfeit beS HaiferS; ohne iibertreibenbeS
Sobmort, ja bie Eigenheiten unb ©re^en fegarf be 3 cichnenb, aber
bie frönen ritterlicgen unb groben 3 üge in fo rührenber SBeife, fo
binreibenb 3 eichnenb, bah inan fagen muh: fo fchön unb fo wahr
ift entfernt Fein anberes Porträt. PiSmarcf erfegeint nur als ber
SehnSmann, als ber treue Wiener beS treuen Herrn, ber fich jebe
Perftimmuug, ja jebe Ungeredjtigfeit gern gefallen läht, wie ber
Sohn es oom Pater hinnimmt. Er ersäplt, wie ber Haifer offen
fagt, er wiffe, bah er oon ihm geleitet werbe, bah er ohne ihn fich
in feinem Filter „blamiren" wiiroe, wie aber all baS feiner Fönig*
liehen P$ürbe nie Eintrag gethan, weil er fich feiner hohen
Stellung unb feines PkrtpeS ftetS bewuht gewefen, baher er nie
eine Spur oon Eiferfucpt auf ben .Hausier geseigt habe. Unb faft
wie ein Snbel Hingt eS, wenn er sulept anher ben oorher fegon
eingeftreuten ^anFeSbriefen beS Haifers nun noch eine ganse Serie '
oon folcgen abbrueft, als wolle er fagen: Seht, ihr s Sfäfler unb
Seinbe, biefer Eine, mein Herr, ber rnidj Fannie, er hat mich oer-
ftanben unb gewürbigt!
Sluch was über Haifer Sriebrich gefagt wirb, ift in ähnlichem
©eifte gehalten. 3br Perpältnih su einanber habe bis 1860 ab
unb 311 gefchmnnFt, fpäter nie mehr. Sn ben entfeheibenbeu Hon* ;
fliFlen mit PMlbelm I. war ber Hronprins ftetS auf PiSmarcfS |
Seite, Pei ber Pefprccpiing, ob PiSmarcf fpäter bei ihm bleiben
werbe, hatte fich ein oollftänbigcS Einoerjtänbnih ergeben auf 1
©runblage oon bem Söorte beS SRinifterS: „Heine Parlaments*
regierung unb Fein auswärtiger Einfluh in ber politiF."
$)as Perpältnih 3 ur Haifcrin griebrich ift ebenfalls mit be*
fonberein Xaft befprochen, ohne bie oorhanbeneit !©cgenfähe 31 t
leugnen. 23iSmarcf hat eine ?lrt ritterlicher Hochachtung oor biefer
geiftreiegen Philofophin auf bem throne, mit ber er fcherggaft*
necfifche ©efpräche über SRepubliF unb Hönigthum führt.
So Hingt baS politifdje ^eftament SiSmarcfS hannonifch
auS. ES wiro baburd) bem beutfd)en S^olFe um fo mehr ans §ers
wachfen; eS wirb Xaufenbe feiner ©egner entwaffnen, bie meiften
überrafegen burch bie oltjmpifche 3^ugc unb Penneibung jeber
PiFanterie. 5Bir SosialpolitiFer, bie wir in manchem punFte feine
©egner waren, haben ihm su banFen, bah & auf biefe ftrittigen
Stagen gar nicht eingegt; baS SöerF gewinnt baburch au gefcgloffener
©röhe. ®ie, welche jagen, baS £eftament würbe im Sluite ge*
feg rieben auf etwas anberen £on abgeftimmt fein, haben gewih
Stecht; eine föniglicge Regierung über bem Parlament wäre bann
wohl etwas ftärFer betont. Slber bie Erinnerungen würben bamit
nicht wirFfamer, oielleidjt auch niegt innerlich wahrer. 9lud) baburch
oerliert ber Einbrucf nicht, bah bie Schwächen, bie Seibenfdjaften,
bie theilweife einfeitigen (Gefühle s>oijchen ber faft übermenfcglicgeit
©röhe beS 3)tanneS überall menfdjlid) burd;blicfen.
Sch Fenne oon Feinem groben i)cami ber ©efchichte ein ähn*
licheS ^eftament, — aufjer oon Sriebrich bem ©rohen. Slber beffen
beibe ^eftamente werben oon bureauFratifcher (^eheimnihFränterei
leiber immer noch bem beutfdjen 2$olFe oorenthalteu. Stets hat
fich bisher eine Summe oon ßegenben unb SRihoerftänbnifjen für
©enerationen wie ein Stebel oor baS Pilb ber groben Staaten*
lenFer gelagert, fo bah erft fpätere Sah^haaberte fie gans begriffen.
Hier wirb sum erften Ptai fofort nad) bem £obe biefer Stebel
Serriffen burd) ein authentifcheS ^DoFument, baS uns ben beutfehen
Halben unfereS Sah^hanberts in feiner gansen ^gatfraft, feinem
fontf), feinem Patriotismus, feiner Schlichtheit, feiner Ptähigung,
feinem burchbringenben Scharfjinn, feinem unbegreiflichen Slugen*
tnah für bie wirtlichen Hräfte beS ftaatlidjen SebcuS seigt. Es ift
ein SöerF, beffen SöirFiing man Faum überfdjäfcen Fanrt.
Es wirb noch nad) Sah^hanberten unb Sah^tanfenben gelefeu
unb ftubirt werben. Heute follen jd)ou 80 000 Exemplare ber
beutfehen Ausgabe feft beftettt fein, über Sah* unb Xag werben eS
Huubcrttaujenbc werben unb Millionen oon Ptcnfchen, bie cS gelefeu
haben. Stögen bieSehren gefchid)tlid)er unb politifdjer Weisheit, bie eS
prebigt, als SamenFörnchen wirFeit unb taufcnbfach aufgehen, bann
wirb eS wahr werben, was ich am 3. Slugujt sum Schluh meiner
SteFtoratsrebe im auf PiSmarcf auSjprad): „bah bie
breitefte SöirFfamFeit ber groben ©ettien ber Ptenfdhh^tt gerabe nad)
ihrem £obe beginnt!"
Perlin, 1 . 2 >e 3 ember 1898 .
geweilte Sojial- unb IBirtt)fii)aft£politUt.
Unternehmer* unb 9lrbetterberbanbe in Englanb»
SlrbeitSFämpfe haben gewöhnlich/ auch wenn eine ber Parteien
in bem Streite befiegt worben ift, ben Ausbau ber Drganifation
Sur Solge. Arbeitgeber unb Arbeiter fühlen eben beibe, bah ber
s lRangel einer feften Drganifation bie Unftcgergeit im ©ewerbe
förbert, unb eS mehren ftd) bcShalb bie ©rünbe, fpftematifege Pe*
Siehungen swifchen beibeu ger^ufteÜen unb einen geeigneten Apparat
Sur Peileguitg fünftiger ®ifferensen auf frieblicgent Söege su fegaffen.
SSerfcgiebeue ü)tafpial)men oon Pebcutung finb in biefer SWichtnng
gegenwärtig in Englanb im ©ange.
Pon ben neuen Pewegungen ift bie Sonberfifeung beS ^rabc
UnionFongreffeS im näcgften Sanuar injofern am s JÜieiften bcadjtet
worben, als mau oielfacg glaubt, bah ber plan einer allgemeinen
Söberation Ij^c einen Schritt nach PorwärtS madjen wirb. :i ) Aber
für ben Augenblicf ift praftifch baS wiegtigfte Ercignih auf biefem
©ebiete ein Pefdjluh, ber auf einer Vlrbcitgeberocrfauunlung am
15.8tooember 311 Bonbon gefaxt worben ift. Xer Porfiuenbc,
Sorb P3emi)h, hat ben 3^tungen einen Peridit sugefaubt, um 3 ll=
fammenfepung unb §kk ber Perjomiulung Harsulegen. Xie ld>
ieren beftegen mber Emjcpung einesparlamcutarifd)eii?lrbeitgeberaiiv*
fepuffes, ber in feiner Dblicgenheit j'o siemlid) bem Parlaments*
Fomit 6 ber £rabe UnionS gleicht: er fall ber ©efepgcbuug bie ge*
meinjamen ?lnfchauungen „in Petreff ber inbnftrieilen SnteretTeu,
:: ) Pgl. ben ''limao oon a. 'li 1 . ^nilion (lieniber iit $v. I be.r
„zonalen praris“, gallig. VIII.
219
©ogiale $ra£i«. ©entralblatt für ©ogialpotitif. Ar. 9.
220
beS freien KontrafieS wnb ber freien Arbeit" gu ©ehör bringen.
Aber eS feuchtet ein, baß ein leiftungSfäßiger Apparat für biefe
Froecfe auch ein gut ©tütf SBeges für anbere gemeinfame Aftionen
gu braunen fein roirb, fei es für Beratungen, fei eS für ©<ßnß»
maßnahmen, roie bie Gelegenheit eS eben erfordert. darauf beutet
feßon ber Befucß ber Berfammlung bin. ÜDfeßr als 30 große ©eroerbe
unb Fnbuftrien mären oertreten, barunter bie ftärfften Unterneßmer»
nerbänbe beS SanbeS: bie ©d)ifffaßrt, ber Btafcßinenbau, ber
©cßiffbau, bie Bleichereien unb Färbereien, bie Btöbelmanufaftur,
bie lianbroirtßfcßaft, bie Koßlen» unb Gifeninbuftrie, bie ©teilt»
brüd)e, baS Baugewerbe, bie Dorfs, Bkrften, Söaareitlager, ber
©etreibeßanbel, bie ©djußfabrifation, baS ©attlergemerbe, bie
Baumroodeninöiiftrie, bie ©laSfabrifation, bie dürftenfabrifation,
baS Bäcferei* unb Konbitoreigeroerbe, bie Klempnerei, baS Fumelier»
geroerbe, bie Drurferei nebft oerroanbten ©eroerben, bie Kleiber»
fabrifation, baS gubrgeroerbe, bie ©ißiefcrberferei, bie Anftreicßerei
unb anbere ©eroerbe. ©in prooiforifcßeS Komite, bas einige ber
befannteftert Btänner ber ©cfcßäftSroelt enthält, rourbe eingefeßt unb
ift oielleiißt gunäcßft baS roießtigfte ©rgebitiß ber Bereinigung, bie
augenfcßeinlicß auf eine ftärfere' Berbinbung ber Arbeitgeber unter
einanber gu ©cßuß unb Druß ßingielt.
©leicßrooßl ift ein folcßeS Borgeßen im allgemeinen Fntereffe
bes geroerblidjen griebenö gu begrüben, beim ftänbige BertretnugS»
förper auf beiben ©eiten erforbern eine tüchtige ©efcßäftsfiißrung
unb biefe roieberum ift eine ©eroäßr bafiir, baß in Streitfällen bie
.JmlfSmittel gewerblicher Diplomatie gehörig oerroeubet roerbett.
Die Bereinigung oon Arbeitgebern roirb jeßt oermutßlicß ernfthafter
als früßer in ber BrajiS betrieben unb bie Arbeiteroerbänbe roer»
ben fich oft neuen ©eroalten bes BHberftanbeS gegenüber fehen.
Aber es roäre eine furgfießtige Behauptung, baß bie Stabe llnionS ba»
bureß entmutigt unb gefcßroäd)t roerben müßten. Fm ©egentheil,
fie finb jeßt oft noeß fo unoollfommen unb fdjtoaitfenb, baß mit
oiel größerer Böaßrfcßeinlicßfcit bie $aupttoirfung ber neuen Drb»
nung ber Dinge eine ©rßößung beS AiocauS ber Arbeiterorgani»
fationen unb eine Berntcßrung'ißres ohnehin feßon beträrfjtficßen
©influffeS in geroerblicheu Angelegenheiten fein roirb.
BMe ber Apparat auf betben ©eiten tßatfäcßlicß arbeitet, bafiir
haben roir ein gutes Beifpiel an ben ftirglicß abgehaltenen Be»
rathungen oon Unternehmern unb Arbeitern in beut ©inigungsamt
für ben Kohlenbergbau. £>ier hatte jebe Bartei Klagen über Ber»
flöße gegen bie Beftimmungen ber Bereinbarung oom ©eptember
b. F- (ogl. „©ogiale BnifiS" VIII ©p. 10) oorgubringen. Als ©r»
gebniß ber in oerbinblichftem Done geführten Berßanblungen rourbe
befcßloffen, einen oon ben ©eneralfetretären beiher Berbänbe unter»
geichneten, gemcinfamen Brief ber Unternehmer unb ber Arbeiter
an alle ©rubenbefißer unb Arbeiteroertreter in ben gur göberation
gehörigen ©ebieten gu erlaffen; bieS ©eßrriben fcßloß mit ber
Mahnung, baß in aden Fäden, rco bie ocreinbarten Beftimmungen
nicht ausgeführt roorben feien, „fofort Blaßnaßmen getroffen roer»
ben foden, um jene Borfdjriften ihrem oodett S^hölfe nach bureß»
gufüßren." Das Amt roirb nochmals ftdj oerfammeln, um bie
B3aßl eines Borfißenbeti gu berathen, ber oon bem ©precher beS
UnterßaufeS ernannt roerben fod, roemt bie Blitglieber beS Amtes
fich nicht einigen föniteu. ©S fei übrigens ßier gleich angefügt,
bafe bie Delegirten beS neuen BergarbeitcroereiuS ooit ©iibroales
fich iüngft mit ben Bertretern ber großen Miner Federation über
bie Fulaffung gum Berbänbe berathen haben. Bereits ift eine oor»
läufige Bereinbarung getroffen roorben, unb fo befiehl ade AuSficßt,
ba§ binnen Kurgent aud) ©übroales unb BZonmoutßfßire gu ben
Bereinigten Bergbaubiftriften beS Raubes gehören.
Sonboit. ©. Aoes.
Die Darifbetoegttttg im Bucßbrurfcrgelucrbe DentfcßlanbS
(oergl. „©ogiale BrajiS" VIII ©p. 66) ift groar noch nicht gu ©ube,
läßt fich aber hoch feßott einigermaßen in ihren ©rgebttijfen über»
fehen. Die oom „Deutfcßen Bitd)brurfer»Berein" (Bringipale)
herausgegebeuc „Feitfcßrift für Dcutfd)IanbS Budjbrmfcr" ftellt in
ihrer Ar.47 feit, bas jüngfte Borgehen gur weiteren Berallgetneine»
rung beS Darifs fei oon gang bemerfensiocrtheu ©rfolgen begleitet
geroefen:
3u größeren Differengen grotfdjeu Beingipalen unb ('ichülfen ift es
habet iiicf)t gefommen, fonbern es bat fidj bas ,3urcbni ber Bringipnl»
mtb ©ehülfemnitglieber im ^artfaitstrbnfl ber bcutfihen Bmfibruefer, fo=
wie ber Organen ber beibericitigen Crgantfatioucn als ausretiljeub er»
lotcfen, um eine gang ertlcdliche ;>al)I non Bringipaleit gur Anerfeumiiig
bes Sartfs gu oeraulaffeti unb biefe % 3ahl roirb in ben uäriifteit Soeben
oorausfiditlidi uodi rociter roadjicn. B^ie ans ben Beröffentliebungen
bes Sarifamtes benrorgebt, bat firfj bie ;>aUl ber ben Savif auerfeunen»
ben Firmen in ben lejjten Söochen um iiahcgu 600 uermebrt unb bem»
entfprechenb bat fid) auch ber Kreis ber tarifmäßig entlohnten Öebülfen
oergrößert ...
Fm weiteren Berlaufe feiner Ausführungen mahnt baS Blatt
gu energifeßer Drganifation ber Bnngipale. ©benfo roie bie Unter»
nehnter fpreeßen aber aud) bie Arbeiter ißre Befriebiaung auS:
„Fiir uns Bud)brucfer rcfnltirt aus ber jiiitgften Darifberoegung,
baß fie uns große ©rfolge gebracht hat . . . Die Bud)brucfer
roiffen es gu fräßen, roaS eS ßeißt, faft oßne Opfer innerhalb ber
heutigen gefahrenen roirthfcßaftlid)cn Berhältniffe folcß einen gort»
feßritt im Fntcreffe ber Kodegenfdjaft gemacht gu haben," feßreibt
baS ©eßülfenorgan, ber „©orrefponbent für DeutfcßlanbS Budj»
bruefer unb ©cßriftgießer" in $r. 133. Die Bewegung ßat aber
noch eine weitere Folge. Fn ber fogialbemofratifcßen B^effe fanb
bie Darifoeradgemeiiterung tßeils offenen Dabei, tßeils laue ©Ieicß»
gültigfeit. Das giebt bem „©orrefponbent" Anlaß gu einer feßarfen
©ntgegnung:
Die Bud)brucfer haben jeber geit als Arbeiter im heften ©innc beS
SBorteö gchanbelt; fie oerlangen nießt Dulbung, fonbern Anerfennung
innerhalb ber Arbeitcrberoegung . .. B$ic fommt es, baß faft aus»
fchlteßUch in jogialbemofratifcßeu Drudereien jene ©eßülfen gu finben
finb, roeldie mit adelt Mitteln bie Organifation ber Budjbrudergehülfen
gu oernidften unb bie übrigen Arbeiter gegen fie aufguljcßrn bemüht
finb, roie fommt es, baß fogialbemofrattfdjc Aeid)Stagsabgeorbnete, Ae»
balteure, ©eroerffd)aftsfartcd»Borfißcnbe unb ähnliche Arbeiterführer ihr
SDJanbat mißbramht haben unb nod) mißbrauchen, um burd) Berbäd)ti=
aungett unfers Berbanbes, beffett Leitung wie feines CrgauS, mtb
Sörberung einer Okgettorganifation ben Bcrbattb lal)mgulrgen ober ben
Unternehmern gegenüber gu feßtoächen unb bann bie Folgen biefer
bctnoralifirenbcit Il)ätigfcit aufs Konto ber Dartfgcmeiitfdjaft feßen?!
SBir finb jebergeit objeftio genug geroefen, nicht bie Bartet als folcßc
für biefe Dinge ueraitttuörtlich gu machen, roemt cS aber in berfelbett
fd)ott fo weit gcfommeit fein foUtc, baß jeber oon perföttlidjen Veibett»
fdiaften ober ©cßäfftgfciteit erfüllte SKenfdj AamenS ber Bartei bie Be»
fämpfung oon Arbeitern ober bereu rrgauifatiouen gum „Bruigip" er»
fläreit feinn, wenn eine Abwehr perfönlitßer Attgriß'e unb ©ehafftgfeiten
mit bem AuSfcßluß aus ber Bartei geahubet urtb bamtt gur Barteifache
gemacht wirb, bann oergtoeifelu wir an bem OHaubett, in ber fogiat»
betnofratifd)ett Bartei bie Bertretcrin unterer Fntereffen gu erbliden.
Die Darifberoegung im bentfdjen Buchbrudgeroerbe roirb oer»
tnuthlid) im näd)ften AeidjStag bei beit ©rörteruugen über Koali»
tionSrecßt utib BerufSoereine ßäußg befproeßen roerben. ©ie beroeift,
baß ftarfe Organifatiouen ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter feßr
rooßl im ©tanbe finb, bem gewerblichen unb fogialen Frieben gu
bienen, baß beibe mit ©rfolg gur BSaßrung ißrer gemeinfanten
Fntereffen fricblicß gufammettarbeiten, baß babureß für Böngipale
unb ©eßülfett befriebigenbe ArbeitSbebingungen mit Btnbung auf
längere Dauer gefeßaffett roerben, baß bie pofitioe geroerffeßaftluße
Arbeit auf bem gegebenen Bobeit ber Berßältniffe gu einer Abfeßr
oou ber poütifcßen ©ogialbemofraüe führt. DaS finb bie wichtigen
Beßren aus ber leßten Bud)brucferberoeguug!
Förderung Don ^anbkperf nnb pauSittbufirie tu Ungarn. Fu
ber fiirglid) eingebraeßten Bubgetoorlage ber ungarifeßen Regierung
roirb ein Krebit gur Förberung oon Fubuftrie unb ©etoerbc an»
gefprocßen. Fnt s A)iotioenberid)t bemerft bagn ber .vtanbclsminiftcr:
s Bas baS .gtaitbroerf betrifft, fo habe er bie Befferung ber Krebitoer*
ßältniffe, bie Bcfcßaffung oon Äoßftoff», i^ager» mtb B r °buftionS»
genoffeufd)aftcn oor Augen; bann toid er Btafcßinen unb B?erf»
geuge gur Beifügung fteden unb Btcifterfurfe einrid)ten, in benen
bie .'oanbßabuug ber Btafcßiucn geleßrt roirb. $m\\ ©entralpuuft
ber teeßnifeßen ©ntioicflung bes MleittgeroerbeS fod bas Bubapefter
ted)nologifd)e ©eroerbemufeum gemad)t werben, neben roelcßeni
aber im näcßfteit Faßre in brei ober oier Brooingftäbtcn £eßr»
furfe unb Aiisftellungen abgeßalteit roerben. F^ner roünfcßt
ber Blinifter bie Berhältniffe ber Sfeßrlingc gu regeln, einen Berfud)
mit freiwilligen CeßrlingSprüfungen gu tnadten mtb mit ©tipenbieu
oerfeßene Jiaubtoerfer beßufs Ausbilbmtg ins X^uSlanb gu eutfenben.
Die ^auSinbuftrie fod in jenen 3meigen, in toclcßen fie ,,fon»
furrengfäßig" ift, gu einem regelrechten Faftor ber Brobuftion ent»
loicfelt unb mit Fabrifen in Berbinbmtg gebracht werben. Die
gabrif ßätte baS Boßmaterial gu bieten unb ben gu £>aufc
I arbeitenbett ©eiuerbetreibenben gu entlohnen. B?o eine folcße An»
gliebermig ber .pauStnbnftrie an bie Fabrif nicht möglid) ift, foÜ
l für bie tecßnifdje ©ntioicflung ber .pansinbnjtrie unb für bie Ber-
S roertßuug ihrer ©rgeuguiffe geforqt roerben. (Bgl. „©ogiale Braris"
| VII ©p. 1281.1
221 Sogtate SßrariS. Gcutralblatt für Sogiatpolilif. Rr. 9. 222
kommunale Sozialpolitik.
$er ©efehentrourf über bte 9ied)t$berl)ä(tmffe ber kommunal«
beamten in Brennen (ogl. Safjra- VII, Sp. 1281 f.) ift nad) ber
„Mölntfdjen 3citung" einer Umarbeitung unterzogen, SHanadj fdjeint
bie Sicherung ber ©emcinöebeamten gegen roißfürlidje ßntgieljung
noit Amt unb (Sinfommen, roie fie Art. 98 ber preufetfdjen Ber*
faffuitg für bie Staatsbeamten forbert, erhöht worben 511 fein. S£)er
^Begriff „Beamter" roirb im § 3 fcfyärfer bahin gefaxt: „5Bcr ben
(Sib ber mittelbaren Staatsbicner oor einer Mommunalbchörbe, in
beren 3 )tenfl er eintritt, geleistet Ijat, ift Mommunalbeamter unb
erhält eine Bcfiaßung 2 c." lieber ift aber für bie Beamten ber
ftäbtifdjen BetriebSoerroaltungen, 311 benen bodj and) Bureau*
beamten geboren, eine Ausnahme gugelaffen, ebenfo fehlt eine Be*
ftimmung über bie ^erfonen, roeldje fiinftlcrifdje unb roiffeufdjaft*
licbe SDienfte Ieiften. Weiterem Schu&e ber Beamten foll mobl
auch bie Beftimmung im § 13 bienen, roonatb bie Seftfepung ber
BefolbungSbeträge ber ftäbtifdjen Beamten im Salle beS SSiber*
jprudjeS ber ©tabtgemeinbe burd) Befdjlufj beS Dberpräfibenten (in
ber Brooing beS BegirfSauSfdjuffeS) erfolgt, ©ollte Mefe Beftim*
tnung burdj baS merfroürbige Berhalten Berlins unb einiger
anberen großen ©täbte gegen ihre Sefjrer, bie unteren Beamten
unb f>iilf3arbciter heroorgerufen fein? Bont Cberpräfibenten oon
Brandenburg unb bem Bcinifter beS Smtern, ber bie obere
Snftartg bilbet, mürbe g. 55. Berlin in einem folgen Salle nöllig
abhängig fein. Bür roerben auf ben (Sntnntrf bei feiner Vorlage
im Öanbtag gurüeffommen.
Statut für bte Alters* nub Sntmlibcnocrforgntig ber ftäbtifdjen
Lohnarbeiter in Stuttgart« ^er ©emeinberatb Stuttgart höt in
feiner Sifcung 00 m 24. Rooember ein Statut über bie Alters* unb
SnoalibitätSoerforgung ber ftäbtifdjen Lohnarbeiter beratfjen unb
angenommen, baS auf ©runb oott fefjon früher befchloffciten ©runb*
giigett oon ©emeinberatfj Stodfmaper entmorfeit morben mar.
5£>ie Berforgung erftreeft fidj auf ftänbige ftäbtifche Arbeiter,
bie ohne eigenes Berfdjulbett in Solge förperlidjer ober geiftiger
(Gebrechen bauernb unfähig gur Befolgung beS ihnen obliegenbcn
ftäbtifdjen ^ienfteS geroorben finb ober baS 65. Lebensjahr guriief*
gelegt höben. Sinter mufj ber Arbeiter, ehe er in ben ©enufj
einer Berforgung fommen !ann, gehn Söhre ununterbrochen in
ftäbtifebem $>ienfte gugebradjt höben, roobei übrigens fiirgere Unter*
bredjungen unter groei Monaten, 3 . B. megen militäritdjer ©inbe*
rufung, Mranfljeit u. f. ro. nicht berüeffiebtigt unb nidjt gerechnet
merben. $>ic Berforgung beträgt mit bent ooßenbeten zehnten
5)ienftjahre 230 J(, unb fteigtr mit jebent meiteren 2)ienftjaljre um
15 J(, bis gu bem .fjödjftbetrage oon 500 ,K. Begüge aus retdjS*
aefefclichen Waffen u. bgl. toerben eingerechnet, bodj ift hierbei bie
Sinfchränfung beigefügt, bafc burch folcfje Abgüge ber ©efatnmt*
begug nicht unter 360 J(. herabgebrüdt merben Darf.
3ur Beftreitung ber Büttel foH eine eigene oon ber Stabt*
pflege oerroaltete $affe bienen, für bie bereits in 3 toei (Statsjafjren
je 20 000 , U bereinigt rourben unb ber bis auf Weiteres auch
ferner jährlich 20 000 J( überroiefen roerben follen. ®ie Arbeiter
felbft galjlen feine Beiträge, fic nehmen aber auch nicht an ber
Bcrroaltung theil, roie überhaupt bie oerroilligten Berforgungen
oom ©emeuiberatfj einfeitig unb enbaültig foroie in jebergeit roiber*
ruf lieber SSeife feftgefteßt roerben. ds befteht alfo auf Seiten ber
Arbeiter fein RechtSanfprudj, hoch hält fid) bie Berroaltung an bie
in bem Statut aufgeftellten ©runbfähe berart für gebunoen, baf;
bie Berforgung beim 3 u trcffen ber ermähnten BorauSfefcungen
jebem ftänbtgen Arbeiter gu theil unb nicht etroa oon ber Prüfung
ber Bebürftigfcit abhängig gemacht mirb.
S)a bie ftäbtifdjen Beamten, Affiftenten unb ©ehülfen fdjon
länger ^enfionSrechle höben unb auch für bie nieberen ftäbtifdjen
Bebienfteten, ?lufmärter, 'ißoligeibiener u. f. ro. fdjon geraume 3 e ü
eine UnterftüpungSfaffc befteht, bie theils aus Beiträgen ber Stabt,
thcilS aitS folgen ber üJiitglieber unterhalten roirb, fo ift mit bem
neueften Statut baS Iepte ©lieb in ber .Mette ber Berforgung oon
in ftäbtifchem ®ienft ftänbig Befchäftigten irgenb roelcher 5lrt ge*
fchloffen.
ßrroähnt mag noch merben, bafj baS Statut auf foldje, bic
bei feinem Snfratttreten bereits aus bem ftäbtifdjen 2 >ienft aus*
gefchicbeit finb, felbftoerftänblid) nicht gurücfroirft. 5öenn fo in
liberaler Seife ber ftäbtifdje Arbeiter für SäHc ber Snoalibität
unb ber ?lltersfdjroäd)e fichergefteßt fein unb oor Snanfprudjnahme
oon Slrnienunterftüfcung für bie Siegel beroabrt roerben foll, fo
fudht baS Statut anbererfeits für einen leiftungSfähigen Arbeiter*
ftamm neben ben Beftimmungcu ber in 9ir. 35 beS VII. Sahr*
gatigcS ber Sogialen B^öfiS erroähnten 5lrbeitSorbnung baburch
m Jorgen, bafe Arbeiter nach gurücfgelegtem 34. ßebenSjahre in
oer Siegel nidjt mehr gu fiänbiger Arbeit eingefteßt roerben foßen.
5luch baS ift erroähnenSroerth, baft baS Statut oom ©emeinbe*
ratlje, in bem aße Parteien oertreten finb, einftimmig genehmigt
rourbe. — 51 in felben Sage, an bem baS Statut genehmigt mürbe,
fonftituirte fich ber auf ©rnnb ber oorerroähnten SlrbeitSorbnung
gewählte 5lrbeiterauSfchu6, oon beffen Shätigfeit ebenfo bie 3 ö s
tageförberung mancher fonft iit ber Siefe oerborgenen lllifeftänbe
unb bie offene 5luSfprache barüber erwartet, roie bie Slufbecfung
unb bie Unterbriicfung unbegrünbeter, nur auf §örenfagen beruhen*
ber Befdjroerben erhofft wirb.
Statut für ftäbtifdje Arbeiter tu Karlsruhe. Sie Stabtoer*
maltungen fommen im eigenen roohloerftanbenen Qntereffe neuer*
bingS audj gu einer ähnlichen Sürforge für ihre Arbeiter, roie fte für
bie Beamten meift fchon befteht. Sn SreSben, granffurta. Bl.,
©ffen, Stuttgart (liehe oben) begehen BenfionSfaffen für ftäbtifdje
Arbeiter (ogl. Söhrg* VI ^P- 1047), in Sarmftabt roerben 9tube*
geholt unb .ginterbliebenenoerforgung für ftäbtifche Arbeiter (ogl.
Öahrg. VII Sp. 784) auf Antrag beS Oberbürgermeisters oerhanbelt,
in Blaing für bie Snoalibeit. Sn Berlin petitionirten bie ftäbti*
fd)cit Arbeiter um bie gleiche gürforge. §n Sranffurt a. 2 R.
finb auSführlidje „Slrbeitsbebingungen" gefchaffen (ogl. 3öh r g- VII
Sp. 1048). 3» Karlsruhe höben nun bie oorbereitenben Schritte
ftatiftifdjer Erhebung, roie fte auch in Seipgig oeranftaltet rourbett
(ogl. Söljrg« VII Sp. 359, 1148, 1206), gu ber Ausarbeitung eines
ArbeiterftatutS, roie es fcfjeint nach Sranffurter Blufter, geführt,
danach ift, roie bie „Sranffurter 3citnng" berichtet, als s AlterS*
grertge für bie Aufteßung baS 30. Söfjt gewählt.
Xcv 2oljn ber )täbtijdjcn Arbeiter foü bent ortsüblidjeit 2i$ert ber
ihnen obliegenbcn Arbeit gunt Slinbeften entfpredjen unb feineSfall^ ge*
ringer fein, als ber nad) ben Beftimntungett beS Mranfenucr[id)cruugS*
gejctjcS feftgefebte ortsüblidje üagclohn. Arbeiter, roeldje fünf 3 a h rc
unb barüber bet befriebigenber Rührung tm ftäbtifdjen ^ienfte geftanben
finb, erhalten eine Belohnung in ber ^olje oon 8ü bis 150 M. c
Arbeitszeit foll je nach ber Sdjmcrc ber Arbeit auf 9 bis lt Stnnben
im 'Jage feftgeftellt merben, wobei bic ArbeitSpaufen in biefeit 3eitrautn
nidjt eingerechnet merben. gür Ueberftunbeu roirb eine 20 % höhere
Bcrgiitmig gemährt. Jvi’tr 91ad)t= ober Sonntagsarbeit mirb eine Auf*
befferung oon 100 u /o, foroeit eS fich um. SSadit* unb AuffichtSbienft
hanbelt, eine foldje oon 50°/o gemährt. Jjur Regelung ber ArbcitSoer*
Ijältniffe merben Arbeiterausfchüffe gebilbet, bereit Blitglieber in
iljrer iUlehrgaljl oon ben oofljährigett ftäbtifdjen 5lrbeitern in birefter
unb geheimer B$ahl gewählt merben. 3«r Unterftühung oon Arbeitern
ober Hinterbliebenen im 5 a ß c unoerfdjulbeter Botljlage roirb ein Unter*
ftitpungsfoubs gebUbct mit einem ftänbigen 3 u fd)ufjbou jäljrlid) 2000
Blarf aus ber Stabtfaffe. Arbeiter, mcldje gehn ^aljre lang im ^ienft
ber Stabt geftanben unb baS 35. Lebensjahr ooßenbet höben, merben
als ftänbige ftäbtifche Arbeiter anaeftcllt, roeldje Anmartfdjaft auf
Buhegefjalt unb Beliftenoerforgung h a ö en - Buhegehalt
beträgt für ba§ ^aljr ber ftänbigen Aufteßung 40 0/0 beS BOOfacheit
Sagelohnes unb fteigt um 1 ü /o jebcS ^aljr bis gu 70%. £aS B>ittmen*
gelb beträgt 30%, baS BJaifcngclb für Minber, beren Blatter lebt, a /io
unb für foldje, beren SWutter geftorben. 3 , 10 beS SSittmengelbes für jebeS
.^inb. Staubigen Arbeitern fann auf Anfuchett jährlich ein Urlaub
bis gu adjt iageu gemährt roerben, oljne bah rtne Unter*
brcchuug ber Loljugahlung eintritt. $üe göhluufl ber Beloh*
nungen, Äuljegehalte 2 c. gelten als freiroiüige Leitungen, auf meiere ein
9ted)tsaufpruch nidjt befteht. $iefc ©runbfä^e gelten auch für bie
Arbeiterinnen.
.^öffentlich roirb ber dutrourf oon bem BürgerauSfdjufj nidjt
abgefdjroächt.
Mommiraarprojrainm ber Letpgtßcr Soglalbemofraten. Auf bem ge*
ntcinblidjen OJcbicte tritt ber (Sljarafter ber ntobemen Sogialbentofratie
Büttel* unb Sübbeutfdjlanbs als rabifalc Beformpartei am flarfieti gu
2 agc, roie bic Programme für bie gemeinblidjcu Wahlen beroeifen, bic wir
mieberholt in biefett Blättern gebradjt haben. So enthält baS jiingftc
fommunale Programm ber Lcipgigcr Sogialbemofratic gtoar nodj bie
Stellungnahme gegen Bereinigung oon ftäbtifdjen Bütteln für Sport*,
LuruS* intb firdjlidjc 3mede, bic eitglifdje, amerifauifdjc unb auftralifdje
Arbeiter — roeuigftetts mas Sport unb Mirrijc an langt — nidjt ein*
nehmen, bie pringipiellc ^orberung beS Regiebetriebes unb ber lieber*
nähme bcs AnnemoefcuS auf ben Staat, alic anberen Aorberungcu aber
finb mehr ober miitbcr energifdj andj oon bürgerlidjcu Sogialpolitifern
beS ^sn* ober Aitslaitbes aufgcftellt worben. (5s finb: Aenberung bcs
OJemcinbcroaljlredjts l^roportioualfnftem), Bejeitigmig bcs Subntijfions*
roefenS, Umgcftaltung ber Begtrfs* 1111 b Biirgerfdjiilcn in ('leuteinbe*
fdjuleu; Uueutgeltlidjfeit bes Untcrridjts unb ber Lehrmittel, l5hmihniug
eines geljuftünbigeu Bcarimalarbeitstnges für alle ftäbtifdjen Arbeiter
unb eines Bünimallohncs, ber ben Arbeitern eine menfdjeuioürbige
0 'rifteng oerbürgt. Sdjaffung begm. Berutehruiig oon öffeutlidjeii Bolfs*
bäbern, bereu Bcuupnug für ^iebmuariu uncntgeltlidj fein muf;; beo*
glcidjcn Rcuaulcgung oon üiuberfpielplätjcii. ISrridjtung oon ftäbtiidjeu
223
©ojtole $ra$tö Eentralblatt für ©ojialpolitif. Br. 9.
224
©noitätemadjeu; genauere ftmitrolc über gcfunbhettsidjäbtgenbc Arbeit#«
räume utib SSofjumtgeu; Benud)nmg ber öffentlichen Sebürfuißanftaltcii
uub bereu unentgeltliche Betiubitiig für männliche unb weibliche Bev*
fernen. Unentgeltlichfeit ber Xobtenbeftattimg uub Siegelung bes grieb*
I)ofs§u?efetiio.
©täbtifdjeS Ar&etfÖamt für Jiingft brauten bie ©ojial*
bemofraten im Stabtuerorbnetenfollegium einen Eintrag auf Errichtung
eine* ftäbiifchcu Arbeitsamtes ein, baS bie Aufgabe haben fotl, ftatiftifche
Erhebungen aller Art über ArbeitSoerljältitifsc au^jufübren unb alljähr*
lieh xu neröffentlicheit, unentgeltliche AuSftiufte über Berfirfjcnmgen, Etc*
wcrocgeridjte :e. jit geben, für unentgeltliche Arbeit#» unb ©tellenucr»
mittelung 31 t forgen unb eine ftäbtifche Ucbcrmadnmg ber gabrifbetriebe
im Jutercjfe ber f^efunbheit uub ©ittlidrfeit hcrbeizufü&mi. Erfreu»
licfjerineife haben bie ©tabtuerorbneten befchloffen, beim Batfyc bie Ein*
fetutng eine? gemifchten Aiisfchuffe# 3 ur Beratung bes Antrages in
Borjd)lag 311 bringen.
Soziale 3tt(töni>r.
Ekneit bte gdgtlc^terei ’ im Barbier* unb SrrifcurgettierBe
wenbet fid) in einer Petition an ben BunbeSratb ber Borftanb beS
Bagerifdjeit SanbeSoerbaitbeS ber Barbiere unb grifeure mit ber
'-Bitte, auf EJruttb beS $. 128 Abf. 2 ber Eleroerbeorbnung bie Bor«
fchrift 3 U erlaffen, „baß in ben Betrieben beS Barbier* unb grifeur*
geroerbeS mehrere Sehrlittge zu gleicher 3?ü nur infofern gehalten
merben biirfen, als ihre ©efantmtjahl bie 3 a hl ber regelmäßig
befchäftigten (behülfen nicht überleitet." 3 ur BegrünDung ift
eine oon Dr. B- ©eitber—Berlin ausgearbeitete Tenffdjrift beigefügt.
Tanacf) überfc^reitet bie 3 a hl ber Lehrlinge, bie jept adjährlich
auSgebilbet merben, ben oorhanbcneit Bebarf (3 Lehrlinge auf
100 Bleifter unb ©ehülfen) um nahezu baS günffache. Tie folgen
finb Berfd)ärfung ber ä'onfurrenz, ©infcit ber greife uub Soßne,
Erfetjung ber behülfen burch Sehrlingc, Berfcßlechterung ber Sehr»
ItngSauSbilbung, Benninberung ber Betriebsfoftcn, rcoburch bie
Beiiilichfeit leibe, Unftätheit im EJemerbe. Turch Befchrättfung ber
Sehrling^haltung hofft mau biefen llebelftänbcn z u begegnen. —
Ünfere§ BMffenS ift bieS ber erfte Berfud), ben §. 128 beS neuen
.JmnbwerfSgefebeS (Abänbcrung ber ©emerbeorbnung 00 m 22. guli
1897) in bie B ra riS ju führen.
Tie Arbeiter tu ben oftmcidjifdjeit Xabaffabtifeu. Jn beut lebten
ftefte ber „0tatiftifcheu SBonatSfchrift* ift ein Jluffap oon Dr. ©iegfrieb
Siofenfelb enthalten, ber fidi mit ben ttranff)eits= uub ©terblichfeitSuer*
hältuiffeu ber Arbeiter in ben öftcrreid)i)d)en Tabaffabrifeu befaßt. ES
erfranfien im Xurdj)diuitt Dieter Jahve oon lOn labatfabriföarbeitern
32,*:>, uon huubert Arbeiterinnen 40, 6? , oon ben Arbeitern ftarben l,3cs,
non ben Arbeiterinnen 1 , 03 % oHjnhrlid). Tie ©terbüdjfeit ift, mit ber
3terblid)feit aller fraufhcityuerfidierten Arbeiter uerglidjen, hoch- Bon
biefen ftarben bei ben BJönueru 1 , 03 , bei ben Leibern 1,13%. Tie
Erfranfungehäufigfcit ber Xabafarbeiier ift aber nicht höher als bie
aller anberen Arbeiter. Xi c bödpten Jaljlen für bie ©terb*
lichfeit unb Erfranfungsjäbigfeit finben ftch bei ber ©fartirung,
ber Eigarreu», Eigaretteu», Baud)» unb ©chnupftabaffabrifation, alfo
bei jenen Betriebszweigen, bie bem Xabafftaub entmeber auSfdjließlid)
ober am ftärfften ausgefefct finb. Tic ©tcrblidjfcit ber Xabafarbciter
mirb burd) bie Jufeftiouvfraufheiteu beherrfdit. Unter biefen ift c$
natürlich bie Xuberfulofe, ber ber Sömcuauthcil pfällt. 0b bem Xabaf*
ftaitb eine fpejififd) fraufmacheubc "Birfung xufonnnt, bariiber finb bie
Statoren noch nüht einig. Dr. Bofcnfelb möchte fie ihm nid)t gaiu ab»
flretteu. Xie llrfnd)en mögen 311 m Xheil in Uebetftänbeu ber Jabrifs*
iofalitäteu liegen. Xann finb üc, foiüie bie burd) ben Xabafftaub felbft
heruorgerufencu Mraufheiten, burd) bt)gienifd)c Biaßnahmett meun nicht
gan ,3 311 beteiligen, fo bod) 311 minberu. Jum anberen unb größeren
Iheile liegen bie llrfadjcn biefer Äfranffieitcit in foktalen Berhaltniffen,
in ber fdiled)tcit Wohnung, bei mangelhaften Ernährung unb überhaupt
allen auf eine ltngeniigenbc Entlohnung 3 iirürf 3 tiführenben Jaftorcn.
Xieie fallen bei ben’ Xabafarbeiterinueu um fo ftärfer inö (^cmid)t, als
bie Xabafarbcit in fchr frühem Sllter begonnen mirb. SJadj Bofcnfelb
finb fogar^inber unter 14 Jahren nod) oor meitigen Jahren bcfchäftigt
geincfeu.
SlrbeitSldhite in ber belgifchett Eifcninbnftric. X'er eben er*
fchiencuc Berid)t ber ^Association des Maitres de Forges de Char-
lero'r pro 1897 gibt u. St. eine ^arfteHung ber SlrbeitSlöhrte unb
Slrbeitsleiftung in ber belgifd)eu Eifeuinbuftrie, ber nad)ftel)cnbe
Taten entlehnt finb: Tie burdjfdjnittlicbe Brobnftion ber Modjofeu»
arbeiter ift uon 290 300 kg in 1890 auf 297 707 kg in 1897 ge»
fliegen 1111 b erreichte bamit feinen hödiftcn Buuft im gegenmärtigen
Texenmum; ein OHcidjeo gilt 00111 Sohn, ber oon 3 /0 o grcS. auf
.'ml ai*cs. ftieg. Tanadj märe ber Tnrdifdmittcdohn tun 2,^ 0 o/
bie Seiftung bagegcit bloß um 2 , 7 , 7 % gejttegeu. Jni Slllgemeineit
luiben bie Arbeiter in ben Eifeutuerfen nidjt unter ber Berfchlochte»
einig ber Sage ber belgifcßeu Eifcniubuftric 311 leiben gehabt; l;i cr
oerriugerfc fid) bie 8j3robuftioii per Mopf ber Arbeiter um 3^,,%,
bie 3^tf ^ cl ‘ Arbeiter ftieg uon 14 821 auf 15 103 uub ber
Arbeitslohn ftieg oon 3, r>9 grc§. pro Tag in 1896 auf 3, t 5 grcS.
in 1897 alfo um 1, 77 °/o- Betreffs ber .perftellung fertiger Eifen*
probufte uerringerte fiih bie SeiftungSfähigfcü ber Arbeiter trofc
ber tedhnifchen gortfehritte um 5,68°/o. Sn ber ©tahlinbuftrie bc*
trug biefer Sliicfgang gar 6,94%, inbem bie ^robuftimtät eines
Arbeiters oon 96 490 kg in 1896 auf 31 439 kg fanf. Ter 9fii(f*
gang ber SeiftungSfähigfeit ber Arbeiter mirb als crnfteS ©tjmptom
aufgefaßt.
Ter Bericht legt leiber nicht baS ftatiftifche SRaterial oor, baS
ju obigen Enbergcbniffcn geführt h^t. Tic ©tatiftif h^t längft
bie TurchfchnittSlöhne oerroorfen; menn nicht nütgetheilt mirb, mie
ftch Sohnfteigerungen oerthcilen, fann auch nicht gefchloffeit
merben, inroieroeit fich bie Sage ber Eifenarbeiter als klaffe ge*
beffert h<*t. Tie Beregnung ber burchfd)nittlid)eu $robuftion ift
gleichfatts nicht gan^ einroanbfrei; oor Allem müßte feftgeftelit
merben, ob feine Aenberungeu in ber Arbeitszeit oorgefallen finb
unb ob nicht etroa auch einzelne Betriebe ihre ^robuftion abfuht*
lieh eingcfdjränft höben. 0o münfdhcnSmerth es ift, menn fid)
Snbuftriebcridjtc auch mit ben Arbeiteroerhaltniffen befaffen, fo
angezeigt ift es, baß bieS in flarer unb grünblicher SSeife gefdfjieht
Dberflächlichfeitert führen hier gar z« leicht Z u fchroerroiegenben
gehlfchlüffeit.
Sage ber Arbeiter in ben $rieg$arfenalen granfreid^S.
Born 14. bis 19. SRooember hielten in BnriS bie in ben franzöfi*
fchen Btilitärarfenalen (Btarinearfenale nicht inbegriffen) befchäftigten
Arbeiter unb Arbeiterinnen ihren fünften SöhveSfongreß ab. Au*
mefenb mareit 23 Telegirte, 21 636 Befchäftigte, alfo baS gefamtnte
eigentliche Arbeiterperfonal oertreten. Tie Berhanblungen betrafen
bauptfächlich bie Anftellunge» unb BenfionSoerhältniffe,
bereu gegenmärtige offizielle Begelnng noch oielfachen B^idfürlich*
feiten fcitenS ber Berroaltung Baum giebt. Unter bem herrfcheubcn
3uftanbe, ber auf bem Tefret 00 m 27. gebruar 1897 beruht,
unterfcheibet man Angefiellte (commissionAs), |>ütfSarbeiter
(auxiliaires) unb Taglöhner (journaliersl. Tic 3 Q h^ ^er Sin*
qefteHten mirb oom 5lricgSminifter für jeben einzelnen Tienftzroeig
fiyirt. Tie Aufteilung felbft erfolgt nach freier SSal)l bes Arfenal*
oorftaubeS aus ben ^ülfSarbeiteru mit einer gemiffen Slnzahl oon
Tienftjahren. 0ie giebt inbeffen fein Becht auf ftänbige Bef^äfti*
auug, fouberu nur baS Brioileg, nicht oerabfehiebet merben z u
rönnen, fo lange im bctreffenbeit Tienftzmeig noch $>ülf$arbeiter
ober Tagelöhner oorhanben finb. Bach ben Sßünfchen ber Arbeiter,
mie fie auf bem in Bebe ftehenben Kongreß formulirt mürben, foll
nun bie AnfteUuug ansfchlicßlidh nach AnciennetätSrang erfolgen
unb obligatorifd) fein nad) zehn Tienftjahren. S^och foHen Ar*
beiter, bie fchoti eine militärifche B^öfion beziehen, nicht in biefe
Kategorie ber SlnftellungSbered)tigten zugeiaffen merben. Bezüglich
ber AlterSpenfionen ftellte ber Kongreß ben Slntrag auf eine
.s^erabfeßung beS penfionSfähigen Alters oon 65 gahreu auf 55
für bie Biäuner unb oon 60 auf 50 für bie grauen. Auch roünfcht
man einen größeren Tf)eil ber für bie Aufbringung ber bei ber
AlterSoerfidjerungSfaffe eingcfchriebenen ^ßcnfioneit aufmachfenben
Soften auf ben BtilitärfiSfuS abzumälzeu. 3 ur 3 e ^t merben oon
ben Bezügen ber Angeftellten unb ^iilfsarbeiter 4 o / 0 a l$ Brämien
erhoben, benen ber giSfuS 4% l)inz»fügt. Ter ©taatsbeitrag fod
nun auf 5 % erhöht unb ber perfönliche auf 3 % erniebrigt
merben. Tas garantirte BenfiönSminimum mödjte man für bte
Btänner auf 600 grcS., für bie grauen auf 400 grcS. erhöht höben.
Tie Beftimmungen über AlterSpenfionirung gelten h clJ tc fdjoit in
gleicher SÖeife für Angestellte unb ^iilfsarbeiter. — s Beiter faßte
ber Kongreß bie Befolution, bie ^ranfenunterftüfcung burch
miniftcrielleS Tefret einheitlich für alle Arbeiterfategorieu zu regeln.
Unb zn)ar fod bem B er f° na l gemährt merben unentgeltlicher ärzt»
lieber Beiftanb, freier Bezug ber Btebifamente unb eine Baarunter*
ftüjjung oon minbeftenS ber §älfte beS Tagelohns für fechS Bto*
nate, rceld)es immer bie Urfache ber rauf heit fei. — Bon anberen
grageit adgemeiner Bebeutung, bie oerhanbelt mürben, hefott mir
heroor bie Erhöhung ber Söhne ber raeiblichen Arbeiter,
bie im Arfenal oon Touai z* B. nur 1,49 grcS. pro Tag erhalten,
ferner ben Antrag z^ Bermeibung langer B er i°^ cn DOn
Arbeitslos igfeit bie oorhanbenen Arbeiten gleichmäßig au bie
oerfd)iebeneu Arfenale unb übere ganze Sohr z u ocrtheilen, fobanu
bie Abfcbaffung ber gabrifationSprämieu, bie gegeitroärtig
311 großen llngicichheiten in beit Bezügen ber Arbeiter führen.
Enbiid) münfd)t man, baß ade geltenben Bestimmungen über bie
Arbeitsoerhältnifse in gornt oon BcgieruttgSbefreteu erlaffen merben
unb bamit gefepliche ilraft erlangen. Ter Kongreß, bem fich ^
©ogiale Jprajt«. (Eentralblatt für ©ogtalpolitif. 9fr. 9.
226
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ber groeitcn .vmlfte feiner lagung groei £)elegtrtc ber in beu ©taats*
puluennanufaftnreu befdjäftigteii Arbeiter (ctit»a 30()0) angefdjloffeit
batten, leitete feine Dcformoorfd)läge unb 33efchroerben burd) eine
Delegation an bie guftänbigen Steden, b. h- an beit KriegSminifter
unb an ben parlamentarifiijen HuSfc^uß ber ^eputirtenfammer.
^rbcitgrberuerbänbc.
ArBettgebrrberbanb im Aangetoerbe 51t DJündjett. 3m Shrüfj*
jahr, als in 3Dünd)eu eine öohnberoegung einfefete, rourbe unter
Sitbrung bebeutenber 33aufirmen ein $erbanb ber Arbeitgeber int
Baugewerbe houptfächlid) gunt ®<hu6 gegen Streifs angeftrebt.
Anfangs ftiefj ber $lait auf ©djroierigfcitcn; botb rourbe ein
Sekretariat eingefefct unb nun roerben bie Statuten an bie einzelnen
Korporationen ocrfenbet, um fid) gutachtlich gu äu&ern. £er 33er*
banb will oorerft nur fiir Dfiindjen tbätig fein, aber bod) auch eine
33erbinbung mit baperifchen unb anderen beutfdjcn Vereinen an*
ftreben. Die Beiträge, bereit V>öf)e autb für bie Stimmengabi ber
einzelnen DJitglieber ntafegebenb ift, roerben oerrocnbet gur Ab*
roeifung 001 t Streifs unb gur Unterftüfeung oon burd) folche in
Scbroierigfeiten geratenen DJitgliebern. 3ßirb bei einem 33erbanbS*
mitgliebe oon ben Arbeitern eine Sorberung aufgeftellt, bie baS
beftebenbe 3Serhältnif$ gtt änbertt beabfid)tigt, fo tft ber 33erbaitb
git oerftänbigen. ®er Berbanb führt alle roeitcren 33erhanblungen.
Bei größeren AuSftättben finb nad) ben OuittungSfarten ber 3n*
oalibttätS* unb AlterSocrficheruttg oont Sefretariate beS 33erbanbeS
Siften ber AuSftänbigen berguftelleu. ®iefe S3ergei<hniffe roerben
an alle Dtttglieber unb and) an Dichtmitglieber abgegeben. Arbeiter
aus Crten, in benen geftreift roirb, bürfen nicht ciugeftettt, muffen
eoentuell fofort entlaffen roerben. Sei einem Streif oerpfli<bten fid)
bie ^üiitglieber, feine Arbeiter an Dichtmitglieber abgugeben. — Alfo
„fcbroarge Siften", AuSfperruitgen unb Bopfotts in aller Sorm!
$er dentral-BerbanbStög beutfdjer Bätfer= 3 nmmgen, ber oon
etroa 200 Bäcfer*3nn ungen aus bem gangen Deiche befudt roar,
tagte am 21.Dooember in Berlin. dS rourbeit febr heftige Deben
gegen ben DtajrimalarbeitStag gehalten unb angefünbigt, baft man
gegen biefen eoentuell „bis gunt Kaifer geben roerbe". ©<hlie&lid)
rourbe eine Defolution angenommen, in ber bie Unburchführbarfeit
beS 9Da£imalarbeitStageS im Bäcfergeroerbe betont unb darauf bin*
eroiefen roirb, bafj ber SDajdmalarbeitStag es unmöglich mache,
ie Orbnung im Bäcfergeroerbe aufrecht gu erhalten, bafg bie orbent*
liehen, föniaS* unb oaterlanbstreuen dJefetten gegen ben 2Wa;rimal*
arbeitstag feien, bafg inSbefottbere ber Diittelftanb unb baS Klein*
geroerbe ungemein baburd) gefd)äbigt roerben, unb baß es ungerecht
fei, gerabe bie Bäder in ihrem bewerbe berartig gu fdjäbigen.
&er BerbanbStag erfuebt baber bie Regierung, ben 9J?a£tmaI*
arbeitstag roieber aufgubeben, unb roenn baS nicht fofort geftheben
fönne, eine Dttnintalruhegeit oon täglich 8 ©tunben eittgufübreit.
3>amt folgten Klagen über baS lefcte SnnungSgefefc uttb bie
Schließung Heiner Snuungen, ohne bajg es gu einem Befdjlut fam.
$te Engineering Employers’ Federation in diiglanb bat
ihren Serbano nunmehr reorganifirt. SBährenb beS großen Streifs
fdjloffen fich oiele SDiftrifte unb firmen bem Serbanbe temporär
an. ^aS 33erhältniß rourbe nunmehr fonfolibirt. din dentralamt
oon 40 3>elegirten ber bem Serbanbe angebörenben lofalen Affocia*
tionen führt Die ©efebäfte.
^rbeitaribenugttitg.
©treittgfeiteit unter ben $anbeISljfilf$arteitent. Unter beu VanbelS*
bülfSarbcttern ift feit etroa eineinhalb fahren eine Spaltung eingetreten.
(Entgegen bem Sefdjlnffe beS lebten 3?crufsdongreffeS, eine centrale Crga*
nifation auf bem ltäcpftcn .Hongreffe gu f cf) offen, ift eine foldje bereits
furge ;geit nad) Abhaltung bes erfteren begrünbet roerben. tiefer ift
jebod) etroa bie .fpälfte ber in ben bisherigen ^ofalocreinen organifirten
.'banbelSbülfSarbciter nicht beigetreten. 2>ie beiben Dichtungen führen
nun einen erbitterten Hampf. Die centrale Didjtung hat für iKeihnadjten
tiefes Rohres einen aUgemeineu Serufsfongrefj nad) ftranffurt a. Df.
einberufen. 2>ieS hat bie lofalc mit ber (Einberufung eines ebcnfolcben
Hongrcffes gu Cftern näd)ften Jahres nad; (Saffel beantwortet. ^öcibe
Hongreffc roerben ftattfinbcu unb groeifellos bie ©egeufähe noch oer*
fehärfen. 'J'ie .^aubclShülfSarbciterbebürfen jebod) um fo mehr ber (Einigfeit,
als ftc fid) gunt größten ^f)eil in rcdjt fd)led;ter roirthjdjaftlidier Öage
befinben, unb ba fie ungelernte Arbeiter fmb, bei ^ohufämpfen jebergeit
leicht erfe|jt roerben fönneu, roenn ihre Crganifation nidjt eine gang
befonbers feftgefügte ift.
diu djriftlidjer ?eg;tilarbcttcrberbanb tu 9R. Glabbach hat fid) aut
20 . Doociubcr gebilbet. 2)ie Anregung geht oon fatl)olifd)cn Sogial»
reformern aus, aber ber Derciu umfafit beibe djriftliche Houfeffiouen.
3u ben iiorftanb rourben 15 fatl)olifd)e unb 5 eoangelifdje Arbeiter ge*
roählt. Dach Ausarbeitung ber Safcungcn foU bie enbgültige (ijrünbuug
beS 9?erbanbeS im $egembcr erfolgen.
dentraloctbaub ber beutftheu Stucfateitre, ^Hpfer ?c. ®ie groeite
©eueraloerfammlung, bie oont 21. bis 28. Doocmbcr in §allc a. S.
ftattfanb, erlebigte in ber .f)auptfad)C DrganifationSfragcn. Aus bem
©eftfjäftsberidjt geht heroor, ba& ber feerbanb gegenroärtig runb
2500 Diitglieber gäl)lt/ etroa 30% aller Dcrufsaugchörigen. Seit brei
fahren ift bie Dfitglicbcrgal)! um 1800 geftiegen, bie ^ahl ber Filialen
oon 17 auf 39. Sde dinführung ber ArbcitSlofenunterftübuug roirb für
eine ftragc oon einfd)iteibenber Sebeutung erflärt unb ber löorftanb be*
auftragt, eine Umfrage über bic $auer unb Art ber Arbeitslofigfeit gu
ocranftaltcn. Dach einer im 3al)w 1896 aufgcnommeiten, allerbiugS
giemlich mangelhaften Statiftif foDen bic Sturfateurc im ^urdjfchnitt
22 Vs Dage im ^ahte arbeitslos fein. $>ic drünbung eines eigenen
Crgans rourbe im ^ringip befchloffen, oon ber fofortigen Verausgabe
jebod) abgefehen. Die §rage ber Afforbarbeit roar degenftanb einer
eiugchcnben XiSfuffioit, ber Deferent unb bie nachfolgenden Debner
beleuchteten bie Schaben bes AfforbfpftemS unb oerurtheiiten es, ba ba*
runter gerabe ber forperlidj fdjioächere unb bamit roeniger leiftungs*
fähigere Arbeiter aih meiften gu leiben habe. Auch BaS im Stuckateur*
geroerbe herrfd)enbe ^roifdjenmeifterftjftem roarb auf baS dntfdjiebenbfte
oerurtheilt. 3ur Annahme gelangte folgcnbe Defolution: „3« drroägung,
ba& bic Afforb* unb Stiicflohnarbeit bie Ausbeutung ber Arbeiter burch
ftch felbft bebeutet, ferner bie V erun terfefcung ber ArbeitSpreife, bas
Holonuenfpftem, bas Sd)roihfnftem, foroie bas Anlerneu oott Vülfsarbeitern
begünftigt, bie Arbeitslofigfeit oermehrt, bas Solibaritätsgefühl unter ben
Arbeitern untergräbt unb bie geroerffchaftlidjc Drganifatiou in hohem HRafje
fchäbigt, befchliefjt ber ^erbanbstag: in Denjenigen Filialen, in benen
noch Afforb* unb Stücflohuftjftem oorljanbcn ift, innerhalb groeier 3al)ve
genannte eijftente abgufd)affen unb Dafür ein geregeltes 3 c ttlohnft)ftem
einguführen." Gleichfalls angenommen rourbe eine Defolution, ,,bafj bic
Sichtarbeit innerhalb groeier $af)rc abgufdjaffen ift," roeil fie bie Unfall*
gefahr oergröjgere. Dad) Dfittheilung einer Aitgal)l totaler Dfife-
[tänbe rourbe bie dinfefcung einer AgitationSfommiffton befd)loffen, um
bie Agitation unter ben Hollegen roirffamer betreiben gu fönnen.
93ergarBetterberBaub in 6übttiale$. Ungefähr 35 000 ^Bergleute
finb bem neuen ©eroerfoerein beigetreten, ber fich nac h Seenbigung
beS lebten großen Kampfes gebilbet hol- ®t e ©efammtgahl ber
am AuSftanoe betheiligten Arbeiter betrug runb 100 000 unb es
ift wahrscheinlich, bafe oon biefen noch fehr oiele ber neuen JDrga*
nifation beitreten. SBenn bieS gefchieht unb ber $lan eines An*
fd^luffeS an bie grofee Miners Federation auSgeführt rotrb, fo roirb
biefer Arbeiteroerbanb ungefähr 400 000 DHtglieber gählen unb
bamit weitaus bie ftärffte inbuftrieHe 33erbinbung in ditglanb fein.
ArbeitSeinfteUnngen in gfranfrei^ 1897. Dach ÜOm
„Office du travail 1 * oeröffentlichten ftatiftifdhen 5)aten finb in 0franf*
reidh roährenb bes lebten 3<*hreS 356 AuSftänbe oorgefommen, au
benen fid) 68 875 in 2568 dtabliffements befd)äftigte Arbeiter be*
theiliaten. 5)ie Angahl ber oerloreiten Arbeitstage betrug 780 944
mit Inbegriff oon 60 433 Xagen, bie fich auf Arbeiter beziehen,
bie an ben AuSftänben feinen Antheil nahmen $)ie burchfchnitt*
liehe 2)auer beS ©treifs pro Arbeiter roar roaS unter
ben in ben lebten fünf Sohren beobachteten Arbeitseinteilungen
als bie fürgefte Srifi erf^eint. S)te geaen baS Soh^ 1896 mit
476 AuSftänben eingetretene bebeutenbe Abnahme betrifft houpt*
fächlid) bie Xejrtilinbuftrie. ^)ie im oerfloffenen 3ah^ auSgebrocheneu
©treifs enbigten in 68 2?äUen gu fünften ber Arbeiter, in 122 gällen
burch Vergleich, in 166 Satten mit einem Dfifeerfolge ber Arbeiter.
2)ie Angal)l ber erfterroähnten Kategorie oon AuSftänben (68) roar
wohl Heiner als 1896, umfafete aber eine oerhältnibrnäfeig größere
Angahl Arbeiter. 3« betreff ber Urfacheu ber AuSftänbe pot fid)
gegen 1896 feine roefentltche 93eränberung ergeben; in erfter ßtnie
waren cS immer ^ohnfragen, bie gu Arbeitseinteilungen führten,
bann $)tenfteSentlaffung unb im Allgemeinen ^ßerfonalfragen; oer*
hältnifjmä&ig gering waren bie Sötte, in roelchen ein ©treif burch
bas Verlangen na$ fiirgerer ArbeitSgeit oeranlafgt rourbe. 33er*
gehen gegen bie Freiheit ber Arbeit rourben in 170 gätten poligei*
lieh betraft.
$ic ©treifs in Italien bon 1879—1896. ^)ie ftatiftifche Ab*
theilung beS DfiniftertumS für Atferbau, 3obuftrie unb ^onbcl in
Stalien oeröffentlid)t eine Ueberftcht über bie ©treifs oon 1879 bis
1896, ber baS Solgenbe entnommen ift: $>te 3af)l ^ cr Streifs,
über welche bem ftatiftifchen Amte DJittheilung gemacht roorben ift,
erreichte im Sohre 1896 ben b)öd)ften ©taub, ds rourbe über
210 ©treifs mit 96 051 ^erfonen, ober burdjfchnittlich 457 ^er*
fonen auf einen AuSftanb, berichtet. S'ie Angahl ber ©treifs oer*
mehrte fich 001 t 32 im 3ol)rc 1879 auf 139 im 3of;re 1890. 3>on
227
Sogiale ^rajris. (Eentralblatt für «SogialpolitU. Kr. 9.
228
btcfer ;]cii bis 1895 blieb bicfe 3abl beinahe gleich, bis fie fid)
1896 auf 210 oerntebrte. Tie grögte Anjal)! ber Streife fanb
1896 ioöhrenb ber Kiouate guni, Auguft unb Oftober ftatt,
mährenb bie fleinfte Anga()l mährenb ber 3£intermonate oorfam.
Kaljegu 53% ber Streife mäljrenb be$ gahreS 1896 hatten bie
gorberttjtg höherer Söhne gur Urfadje, mährenb bei 12, 4 %ßohn*
fürjung ber ©rutib mar. (ES finb alfo 65% ber Streifs in cg eit
Sohnfragen eutftanbeu. Kur faft 4% ber (Streifs mürben burd)
bie Regelung ber Arbeitzeit ocraulaftt. Sou ben Streife mären
38 % erfolgreich, 24 % maren tl)eilmcife erfolgrcid) unb 38 %
halten feinen (Erfolg. 3£enn bie Attgal)l ber Strcifenben in 3k*
lradjt gejogen rcirb, mar ber Ausfall noch günftiger, 70% ber
Slreifeitbeit Ratten (Erfolg, 18% erhielten theilmeifen (Erfolg unb
nur 12% hatten feinen (Erfolg gu oerjeidjneit. Tie crfolgreichften
Streife maren bie, raelcfje megen ber ArbeitSjeit eutftanbeu.
Tie Organifation ber 3immcrlente in Amerifa. ®ie ©ernerf*
fchaft ber 3i™roe r f eute ^iclt am 17. September 1898 ihre gehnte
©eneraloerfammlung unter Teilnahme DOn 156 Tclegirten in
Kemporf ab. Ter Bericht beS 3*orftanbeS enthält einige iitter*
effaitte Kfittheilungen, bie mir nad) bem oout American Fede¬
rationist“ oeröffentlid)ten ^Bericht miebergeben. -Tie Organifation
mürbe im gapre 1881 gegrünbet. 3 U jener 3eit mar ber gehn*
ftünbige Arbeitstag bei ben 3i ni merleuten allgemein üblich- §eute
finb nur noch 23 oon ben Stabten, in meld)en bie Organifation
oertreten ift, bie ben gehnftiinbigen Arbeitstag h 0 & cn - 105
Orten ift ber adjtftünbige unb in 424 Orten ber neunftünbige
Arbeitstag errungen. 3n ben Icpten groei fahren mürbe in
35 Orten ber Sldjtftnnbentag burdjgeführt. Tie Sohnocrhält*
niffe finb in $unberten oon Orten oerbeffert. Trop ber au*
bauernben 33aufrifts gelang es ben Unternehmern, nur in 40 Orten
bie Arbeitsbebingungen gu oerfchledjtern. Seit 1883 hat bie Or*
ganifation für Unfaflunterftüpung 528 706 $, für Traufen unter*
ftitpmtg 683 644 $, für Streifunterftüpung 354 293 $ oeraitSgabt.
gu biefem 3eitraunt maren 1026 Streife unb AuSfpcrrungctt git
ocrgeid)ncn, oon benen 998 erfolgreich maren, 61 mürben oer*
loreu unb 67 in gütlicher 3Beife geregelt. 3n 70% ber Stabte,
auf toeld)e fid) bie Organifation erftreeft, betragen bie Söhne heute
50% im Tui(hfd)nttt mehr, als oor ©rünbting ber Union. 3ki acht
KJonaten Slrbeit im 3a£)re i n biefen Stabten für bie lepteti gmölf
gapre ergiebt bieS einen Sohngeroinn oon 4 500 000 $ jährlich,
ober 54 000 000 $ in ben lepien gmölf gapren. Tie gerfplitterten
gäben oon Iofalen unb fogenannten unabhängigen Unionen mürben
in ein großes Keproerf ooUftäitbiger Organisationen gitfammeit*
gemoben, mit ftarfen finangiellen Keferoen "unb großem öffentlichen
(Einflup.
Arbeiterfoitgrefj in Sübauftralien. SOie fürglich ftattgehabte
.Stoitferenj fübaufiralifdjer Arbeiterbelegiitcr befd)log eine Kcfolution
gu ©unften ber gefeplichen (Einführung beS AchtftunbcntageS in
ber Kolonie, oerurttjeüte baS Montraftfpftem bei ber Ausführung
öffentlidjer Arbeiten unb fprad) fid) für bie geftfepung allgemein
gültiger Kfinimallöhuc aus. Tesgleichen forberte bie Eonferenj
eine Regelung beS SehrlingSmefenS unb eine Ikrbcfferung bcs
Uuternehmerhaftpflid)tgefepes.
3CcbeUccfd)u^.
$ein Irbcitcrfch»# in funftgctocrblichcu Setrieben. 3>ott 3 C ^
gu 3 e ü merben gerichtliche Urtheile gefällt, bie red)t beutlid) bie
Ungulänglid)feü ber jept gültigen 33efd)räitfungeu in ber Ausbcl) 5
nung bes gemerblicfjen Ärbeiterfdnipes barttjun. (Ein befonberS
fraffer 5a 11 ift jiingft oor bem Amtsgericht in München oerhanbelt
morben. 3 rae i Schaber einer lithographifdien Anftalt maren nämlich
angeflagt, ben in ihrem ^Betriebe |tcl)enben Sehrlingen bie oout ©c*
fepe oorgcfdjriebenen Arbeitspensen nid)t gemährt, ben AuSjug ber
©croerbeorbituitg in ihren 33ctriebSräumcn itid)t angefd)lagen unb
bie bei ihnen befdjäftigten Arbeiterinnen über bie gefeplidje geicr*
abenbftunbe befdjäftigt gu haben. Xrohbem bie Angeflagteu bie
oernoinmcnen Arbeiter, bie gegen fie anSfagten, entließen unb fo
auf bie 3fugen einen in ber Scrhaublung ftarf bemerfbaren ^ruef
ausübten, mürben bod) alle ihnen gnr Saft gelegten lleberfchreU
tungen bnrd) bie 3.krf)anblung bemiefen. Olleidimobl fprad) bas
Ok’ridjt bie Angeflagteu frei, ba ihr 33etrieb ein Muuftgemerbe*
unb fein gabrifbetrieb fei. Auf ben Muiiftgemerbebetrieb aber
fänben bie fraglichen 33eftimmuugen ber Olcraerbeorbuuug feine
Aumenbung. S'ie Sache mirb gmar eine mcitere 33et)aublung
bnrd) bie 33erufnngSinftang erfahren, ber Arbeiterfd)iip follte aber
nicht bnrd) (irmcffeit bcs 3iid)terS beftimmt merben, fonbern bnrd)
Ok'feb feft begreitgt fein.
Sd)uh ber ^aubclSangcftedten. S)er im Keid)Samt beS Oaneru
ausgearbeitete r^efehentmurf liegt jept ben (Eingelregierungen oor.
©ann er an ben SBunbesrath gelaugt, läfet fid) gegenmärtig nicht
fageu. ^em 3>eruehmeu nad) enthält er nicht allein Seftimmungen
über bie (Einführung einer 3)iinimalrnhegeit, fonbern es ift auch,
roie offigiös mitgetheilt mirb „oon ber Aumenbung beS Sabeu*
fdjluffeS nicht gäuglid) Abftanb genommen." 3» öer angefünbigteu
Vorlage nimmt ber „Serbaub beutfeher .gmnblungsgebülfeit" Stellung.
3n feinem Organ, ber „ftanfm. Reform", ftellt er folgenbc ^Irunb*
fäjje auf:
Aeftfepung einer Öabenjeit oon 12 Stnnben für alle (»efdjäftc mit
Ausnahme ber Kahnuigsmittclgefdiäfte, für btefe eine foldic oon
14 Stunbeu; 12= refp. 14 ftünbige ArbcitSgeit einfdjliebltd) 2 Stnnben
^auje; ^abenfhlnfj mit 8 Uhr, für etngelnc WcfdiäftSgmeige foll oon ber
£anbescentrnlbehörbc ein früherer *!nbenfd)luf? feftgefept merben; bis
9 Uhr füllen bie Scibcn geöffnet fein an ben Sonnabenben, ben lepten
14 lagen oor 38cihnad)ten nnb an einer Aitgahl anberer Jage; für
(5-ngrosgcfd)äfte unb Kontore bicielbc Arbeitsgcit mie für i?abcngefd)äfte,
(vntfdmbigung für Ucberftunbeu; 3?efdn*äufung ber Sonntagsarbeit auf
3 Stunbeu, falls uollftäubigc Sonntagsruhe für bie nädjfte geit aus*
ftd)tslos ift; gleidmiäfhgc (kftaltung iaubesgefeplidicr Korfdtriftcu über
bie Sonntagsruhe; uotlfiänbigc Sonntagsruhe für 6)ehnlfinneu; Afarimah
arbeitsgcit oon U) Stunbeu eiufdjltcniuh Raufen für OTäbdjeu unter
16 fahren; ebenfo 11 ftünbige für Mbdu'it über 16 Tsahrc; jcftlegung
eines beftimmten 3?erhältnifies gmifdieit ber ,3ahl ber Lehrlinge unb
hiehülfen; Tsnfpeftion ber betriebe, fauitäre 3?orfdiriften für fie; Aus=
bchuung ber Sbatigleit ber Auffihtsbehörbc auf bie 6)efd)ä|tsorbnnngcn;
(£r(aft oon SBoridjriftcn für bereu Aufteilung.
5)cr grofee Hamburger „herein für §aitbluitg£eommiS oott
1858", gu befielt Ktitgltcbcru and) fchr oiele s $riitgipalc gäl)leu, ntmuit
es als feilt 3>erbieitft itt Attfprud), bag er guerft ben 3?orfd)lag ge*
macht hat, einen allgemeinen 8 Uhr Sabeitfdjlug eiitgu*
führen, um ber übermäßig langen Arbeitsgeit ber (Mjilfeu unb
Schrliugc oorgubeugett.
3){r4i;ahmctt pegen ben Staub tu ®ilbtui|nicrfftittci. Auf eine
Anregung bes ^alu'ifinfpeftorS hat in Nürnberg bie SFoIi^ct (Er*
hebungeii über bie Stauboerhälhiiffc in ben SBerfftättcu ber 6)olbbud)=
litadter nngei ettt. (>)ang böfe fhhtünbe mürben babei feftgeftcllt. (5s
fei fniuit gu begreifen, heigt es in beut 35eridit, bag fidt Arbeiterinnen
finben, bie es aiishieltcu, ln bis 12 Stunbeu in folchem Staub gu
arbeiten. $cr ^oligeifenat bcS 'il^agiftrais befthlog, bas Acid)Sgcfunb=
heitsaint erfndjeit gu taffen, barübev 3>crfud)c nugufteltcu, ob bas (Ein*
reiben bes Rapiers für bie Sdjaumgolbheftdjen mit ,Hreibe nicht auf
uiedtanifdjem 3yege gu bemcrfftelligeu fei, meil, mie gefagt, bei bem
| jepigen .5>aubbctrieb bie (vtefuubheit ber Arbcitenuncu gefäl)rbet er*
! fcheiue.
I SBciblidjc ^abrifinfpeftoren in fKn^lanb. SDie „3»reb. Olajcta",
I bas Organ bcs ruffifchcn 3aftigminifteriums, utelbet, man plane
in SHcgiernttgStreifeu mciblidje Jyabrifinfpcftoren für fold)e gabrifett,
I in benett grauen als Arbeiterinnen befd)äftigt Ttnb, angufieUen,
unb gtoar füllen meiblid)e Aergte bas Amt biefer toeiblid)ett gabrif*
I iufpeftoren beflciben.
^rbdtctttccfidjcrung. Spachaffeu.
1 ginnifchc UtifafiOerfidicntngSgefeh.
i Seitbetn baS ^Teutfche Keid) mit feiner obligatorifdjeit Unfall*
oerfid)crnttg im 3at)w 1884 oorangegattgen ift, ftitb Oefterreich im
! gal)re 1887 nnb Kormcgen im gal)re 1891 auf berfelben 35ahu
j gefolgt. 2aS oierte Vattb, mo eine obligatorifche llnfalloerfidjerung
I feit bettt gahre 1895 e^ifttrt, ift baS (%ogfürftentt)um ginttlanb.
| 2)as finnifd)e ©efep bietet aber auf bem Oiebiete ber obligatorifd)en
j Hnfallgefepgebung einige @tgenthümlid)feiten bar, bie oielleidjt eine
| etmaS nähere 3k[prcd)iing unb 3>eröffcntttd)ung in meiteren Greifen
angemeffen erfdjctnen taffen.
|: ^ie erfte Anregung gu bem Olefepe mürbe fchott im gal)re 1882
; im fimitfdien ijattbtagc gegeben, mo bie (Einfepung einer Mommiffion
gur näheren Prüfung ber Sadje in 3>orfd)lag gebracht mürbe,
i Tie Kegiernug fepte and) mirflid) eine .Stomutiffioit gu biefem 3 rl) eif
ein, bie ihr 0)titad)teit im gahre isst abgab. Tiefes beruhte
i mefentlid) auf bem f<hmcijcrifd)en Oiefepe oom gahre 18sl. (Es
blieb jebod) bei biefem 0)utaci)len bis ginn gahre 1888; in ber
Stänbeoerfammlnng biefes galjres mürbe mieber ein Antrag auf
i eine enieute ^riifung ber ginge eingereicht. Tie Regierung fepte
; nun mieber eine Mottimiffiott ein ■— in meld)e ginn crften ÜDial aud)
ein Arbeiter gemäl)lt mürbe nnb biefc ^ommiffioit erftattete itit
gahre 1893 einen 33erid)t, ber fehr umfangreich nnb erfd)öpfettb toar.
Soziale Sßrajis. ©entralblatt für Sogialpolitif. 9fr. 9.
230
229
£)ocp fonntc bic ^omntiffion nic^t einmal über bie ©runb*
pringipien einig merben. £>ie Vtehrpeit befürwortete bie ©runb*
anfdjauunaen ber früheren Sfonttniffiott, tneil fie ber Anfid)t mar,
bap bie obligatorifche Verficpcrung bie 3opl her llufäHe in golge
ber SJfacpläffigfeit ber Betriebsunternehmer in Begug auf Sd)up*
t>orrid)tungen unoerhältitipmäpig oermeprett mürbe, ©ine folcpe
Befürchtung, bie befanntlid) aud) in ^ranfretep unb fonft non ben
©egnern ber obligatorifdjen Unfadoerficherung gehegt mirb, grünbet
ficp angeblich auf bie in 2 >eutfd)laub gemalten ©rfaprungen, ob*
gleich, mie inan in ber tfommiffion peroorpob, bie mirflidjen STf)at*
fa^en als SHefultat ergeben, bafj eine burep bie obligatorifcpe Ver*
fiepentng oeranlapte größere SRacpläffigfeit non Seiten ber Untere
neptner bieS nid^t oerattlapt haben fann, fcpon aus bem einfachen
©ruitbe, baft bie 3 a Pt bet SobeSfäde überhaupt niept ober niept
in bemfelben Btapc mie bie ber anberen Unfälle geftiegen ift
unb bie Unternehmer felbftoerftänblicf) nicht bie Art ber burep ihre
9?a<pläfftgfeit entftanbenen Unfälle beftimmen föntten. X>te Btinber*
gal)l in ber ^ommiffion geigte im ©egentpeil, bafe befonberS bie
fiep fonft fehr nermehrenbeu Streitigfeiten gioifcpen ben Unter*
ne|mern unb ben Arbeitern in Begug auf ben auSgugaplenben
Scpabenerfap unb bie llnficperheit ber ©ntfcpäbiguncj bei geroöpn*
lieber Haftpflicht ber Unternehmer mit Sßotproeubigfeit gur obliga*
torifefjen Verficperutig führten. ©S machten fid) fo ziemlich bie
alten, befannten ©riinbe unb ©egengrünbe auf beiben Seiten
gelten b.
£>ie Regierung entfehieb fid) für bie obligatorifche Verficperung:
ihre Sßropofition an ben £anbtag mar auf biefem ^ßrinjip auf*
gebaut. 3»n ben Stäuben maren natürlich bie llnternepmerintereffen
)tarf oertreten; bie Sache enbigte baher burch ein ftompromife. ©ie
Vereinbarung mürbe befonberS burch ben oorhergepenben AuSfprucp
bcS VerficperungSinfpeftorS perbeigefüprt, ber eben für einen oer*
mittelnben Vorfcplag pläbirt hatte. $ie größeren Unfälle, b. p.
biejenigen, bic ben Xob ober bie Snoalibität Ijerbeiführen, feilten
oerfiepert, bie Heineren bagegen oon ben Unternehmern bireft ent*
fdjäbigt merben. SDaS finnifche ©efep ift alfo ber erfte
Verfucp, gtoifepen ber obligatorifcpen Verficperung unb
ber fcpmeigerifcpeit Haftpflicht ootn Qapre 1881 gu oer*
mittein, obgleich bamit feineStoegS gefagt merben fotf, bafs ber
Verfucp als gelungen gu betrachten ift. ©egentheil ift faft mit
Sicherheit oorauSgufepen, bap bie Ausgleichung ber oerfchiebcnen
Snterejfen bei Heineren Unfällen nicht fo leicht oon Statten gehen
mirb unb ba& ber geroinnenbe Xpeil babei in ben meiften SäUen
feineSroegS ber Arbeiter fein mirb.
BerficpernngSpflichtig finb nach bem finnifchen ©efep alle Ar*
beiter (aber nid)t Beamte ober ArbeitSauffeper) in ben meiften
3?abrifen ober fabrifmäpigeit betrieben nebft Vau* unb Bkgeanlagen
oon allerlei Art, fomie in einigen anberen Betrieben, bie mit einer
größeren Unfaflgefapr oerbunbeit finb. Welche Betriebe als Sabrifen
attgufepen finb, mirb jebod) nicht, mie im beutfepen ©efep, in bem
finnifchen näher angegeben, fonbern biefeS mirb, mie in bem nor*
megifdjen ItnfadDerficperungSgefep oon bem betreflfenben SRegierungS*
amt, h^r 00 m ©ericht in gweifelpaften Jällen feftgefept. Mehrere
©eroerbebetriebe, aud) meint fie mehr als gehn Arbeiter befepäftigen,
fönnen baburch oon ber BerficherungSpflidjt auSgefchloifeit merben.
Alle forft* unb laubroirthfcpaftlicpen Betriebe finb unter bas ©efep
gar nidjt mitbegriffen, ebenfo wenig mie bie Seeleute, obgleich bie
Unfälle auf bem erftgenannteu ©ebiete als gar nicht unbebeutenb
and) in Simtlanb naepgumeifen finb unb in 'Xcutfcplaiib in Begug
auf Seeleute ja fogar force majeure berücffidjtigt mirb.
9?acp bem 3 bes finntfdjen ©efepcS mirb berjenige, für
beffeu Rechnung bie befonberS aufgegäplfcu Unternehmen ausgeführt
merben, als Arbeitgeber angefehen, aber bettnod) gehen bte^ Cb* j
liegenheiten in Begug auf bie Berfüperung auf einen geroerbSmäHigeit
©ntrepreneur über. SDtefe Beftimmung "ift als fehr unglütflicp an* |
gufepen — um fo mehr, als bie" VerfidjerungSfommiffion fie '
feineStoegS gebilligt hatte —, meint man bebenft, baft menigftenS
in Sinnlanb folcpe gemerbSmäftige (Sntrepreneure öfters grofte
Spefulanteu ohne Kapital finb.
9bod) bebenflidjer ift ber Mangel einer anSbriicflicheu unb 1
beutlichen Beftimmung, mer ben AadjmeiS 311 führen hat, meint |
ein Unfall fid) ereignet hat. Uitb in baS finnifche ©efep finb aud) 1
bie unglücflichen B^ortc: „grobe gahrläffigfeit" bes Arbeiters als
nicht 311 m Sdjabeiterfafc bered)tigenb hiaeingeraten. GS ift felbft*
oerftänblith, ba& heraus bei Heineren Unfällen eine Unzahl 001 t
Streitigfeiten 3 ioifd)en Arbeitgebern unb Arbeitern fid) ergeben mirb.
Doglcich ber Xob unb bie onoalibität burch bie Berfidieruttg
entfehäbigt merben — als Snoalibität mirb in biefer Be 3 iel)itng
fdjo.tt eine über 120 läge bauernbe Mranfbeit angefehen —, fann i
jebodj bie einheimifdje Regierung gegen ©arantie oon biefer Ber*
ficherunaSpflicht entbmben. — Sicherlich ift baS auch eine Beftim*
mung. Die feineSrcegS auf allgemeine 3uftimmung 3 U regnen hat.
®ie GntfdhäbigungSbeträge, befonberS in Be 3 ug auf bte Hinter*
laffenen finb niebriaer bemeffen als in bem beutfd)en unb itormegi*
fchen ©efeh- Als 5ödt)ftcr fiohn mirb im Salle ber Snoalibität
720 finn. Bfarf (= SrancS), als niebrigfter 300 finn. 3Rarf be*
rechnet, roaS bei 60o/ 0 einen höchfteit Grfah oon 432 finn. 9Rarf
unb einen niebrigften oon 180 finn. Biarf jährlich ergiebt — eine
Gntfchäbigung, bie ber Arbeiter befommt, merttt er tu einer Be*
fdjäfttgung oor adern ju ©unfteti beS Arbeitgebers feine ©efunb*
heit für immer geopfert hat! Vergebens fucht man im finnifchen
©efeh einen befonberen ©rfap ber Soften beS H e ^ oer fahreitS, biefe
£often finb in bie Bente ober bie 60o/ 0 beS bitrchfchnittlid)en täg*
liehen ArbeitSoerbienftes, ben ber Arbeiter bei oorübergehenber,
üodftänbiger Arbeitsunfähigfeit ober höchftenS 2 finn. Btorf 50 $fg.
täglich berommt, mitgeredhnet — alfo ganj anberS als in ben
beutfd)en unb norroegifd)en ©efehen. Gine gemiffe, obgleich uit*
gureichenbe ©tttfehäbigung h^für bietet ber Umftanb, ba| ber
Sdjabenerfafc für oorübergehenbe Arbeitsunfähigfeit faft ohne
$aren 33 eit fd)on mit bem fiebenten ^age nach bent Unfade anfängt.
@S fcheint, als ob burch biefe Beftimmung bie Saft beS H^l*
oerfahrenS fchon 00 m Anfang ber burch beu Unfall h^bet*
geführten Äranfheit bem Arbeitgeber, mie gebührenb, überlaffen
märe unb bafj bie ^ranfenfaffen, bie hauptfächlich burch bie Bei*
träge ber Arbeiter getragen finb, nicht, mie in ^eutfdjlanb mähreitb
13 Wochen, in SRormegeu unb Defterreich mährenb 4 Soeben, als
Präger biefer bem Arbeitgeber obUegcnbcn Saft angefehen mürben.
Aber ber fiebente Paragraph bes finnifchen ©efefceS, ber bem
beutfehen Haftpfli^htgefeh 00 m Sah^ 1871 entnommen ift, giebt
bem Unternehmer burch ©rünbnng oon Stranfenfaifen, gu meldjen
er mit einem drittel beiträgt, unb obligatorifche Heraitgiehung
ber Arbeiter 3 U benfelben (burch SSeiaerung ber Arbeit im ent*
gegengefepten gade) eine gute ©elegenheit, bie auch nach bem finni¬
fchen ©efe(j oon if)tn ood 3 U tragenbe fiaft ber Unfadoerficherung,
in fo roeit oorübergehenbe Unfäde in örage ftehen, auf eine folche
^ranfenfaffe gu mälgen. ^
©S mag noch ermähnt merben, bafj im ^vade bes XobeS bie
BHttroe 20% bes ArbeitSoerbienftes beS ©etöbteten unb jebes
hinterlaffene ^inb bis gum 15. Sah^e 10 o/ (l , aber gufammen
höchftenS 40% (in 3>eutf<hlanb 60%, in S^orroegen 50%) begiehen;
anbere 5)eScenbenten unb AScenbenten befommen nichts.
®ie übrigen Beftimmungen beS finnifchen ©efepeS finb oon
feinem größeren Belang. Seiber ift ber AuStaufch ber Bflege gu
Haufe gegen biejenige tn einem Äranfenhaufe immer obligatorifd^,
menn ber Arbeitgeber es münfdjt — roaS bem Arbeiter aufeerbem
theurer 311 ftehen fommen fann; ebenfo ift oon bem foftfpieligen
unb meitläufigen Verfahren oor ©ericht bei allen Befdjmerben
©ebrauch gu machen. Auch bie AuSgahlung beS SchabenerfapeS
gefd)ief)t nicht, mie in ^)eutfchlanb, burch bie Voft, noch liegt, mie
in Sßorroegen, für eine adgemeine 9teid)Sanftalt (bie in Sinnlanb
nicht e^iftirt), bie Verpflichtung jeber ©emeinbe auf bem Sanbe oor,
menigftenS einen Agenten ober Auffeher ber Verfid)erung gu mahlen.
l £aS ©efep ift fchon im 3<*hrc 1895 erlaffcn, aber erft feit
Anfang biefes 3al) re ^ ^ ra fi getreten. ÜJtan hot ben Arbeit*
gebern 3 e ^ Ö^nug gur Bilbung oon befonberen, auf ©egenfeitigfeit
gegrünbeten VerficherungSanftalten getoähren moden. $ic Beftim*
mungen beS finnifd)en UnfadoerficherungSgefepeS erfüdeu iit manchen
Bcgichuugen bie gorberungen, bie eine fortfcfjrittliche Aufaffung ber
fogialpolitifcheit Aufgaben beS Staates erpeifchen fann, freilich uid)t;
aber Jvinnlanb fann oiedeiept boep ftolg baranf fein, fepon jept
oor fo manepeu anberen, auep in Eultnr pßh er ftepenben Völfern,
ein auf obligatorifcpen ©runbpriugipien menigftenS tpeilmeife fupen*
beS, entmidelungsfähigeS UnfadoerficperungSgcfep gu befipeu.
^urfu (Abo) iit Sinnlaub. Dr. 31. 5R. af llrfin.
BernfSftatifttf ber Sparfaffenemleßer tit «atjent.
Bei einer Vcrufsftatiftif ber Sparfajfcneinlegcr hanbelt ee fid um
ein doppeltes, crftlidi um eine Aimfipeibiuig ber ©inleger uadj ihrem
Beruf unb bann um eine Aimfdieibuug ber ©inlagen und) bem Beruf
ber ©iuleger. Xer praltifd)c Bierth einer folden Stattftif ift bereits? im
Oiahrg. IV Ar. 45 biefer Blödenfdrift oon a. 3al)ii bargethan morbeu.
Xie ©rgebuiffc finb oon Sntercffe fomohl in Bcgug auf Aragon, meldie
bie Sparfaifeueinrtdtuugeu felbft angehnt ( 3 . B. bei 3daffmig befonberer
Sparformen für beftimmte Mategoricu ber Sparer, mie Arbeiter :e.l,
als aud in Bcgug auf A-rageu, bie mit ber Beurteilung beo Biohl'-
ftaubeo, beo Sparfiuiif 1111 b ber Vebenslmltung ber Beoölferung in
^ufammenbaug ftehen. Anmeutlid befugen fie, ob bie Sparfniien ent'
ipreehenb ihrer uripriinglideii Beftimmung in iiormiegeuDem Biaf;e 0011
231
©ogtale ißrayis. Gentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 9.
232
bcn breiten Schichten be§ Solls bcnüfct werben unb wirflid) (Erfpamiffe
bcr ärmeren ober minberbemittelten Polfsflaffen oerwalten ober ob fie
mehr ben (Sharafter non Xcpofitcnbanfen angenommen haben.
Den erften bead)tenSmertbcn Pcrfurf) gu einer foldjcn Statiftif
machte non ben beutfdjen PunbeSftaatcn SBatjcrn im Sahre 4893.
[teilte babei für ein drittel ber baijcrifdjcn Sparfaffen, bie ein fünftel
ber ©efauunteinleger nnb ein Siebentel ber OJcfautmteiulagen umfdjlichen,*)
feft, ba [3 bie Sparfaffen weitaus am meiften oon beit Arbeitern unb
Minbern benii^t werben, bah bie[e Pcoölfcruugsflaffeu fowoljl im S3cr*
gleidj gur ©efamnitgaljl bcr Sparer, wie im ’&crglcidj gum ©efamnit*
einlagenbeftanbc bei jenen Kaffen am Ijödjften betbcüigt finb.
Auf (ärmtb ber bei biefer (Erhebung gewonnenen (Erfahrung würbe
in 33aijerit oom Sahre 1896 ab für fänuntlidje Sparfaffen eine all*
jäljr liebe Aufnahme bes Pcrufs eingcfüfjvt, frcilid) mit ber Niafigabc,
bah Iebiglief) bie neu bei ben Sparfaffen eiutretenbcu Einleger mit ihrer
erften (Einlage nad) PcrufSartcn nachgewicfen werben feilten. Das
Verfahren empfahl fid), weil fo jebc Sparfaffe, aud) bie mit auögebclju*
teftem betrieb, bie gewünfdjten Nachweife erbringen farm; aufjerbent
ergeben bie 9faebweifuugen in jener Pcfchräitfung ben ibatfäditidjcn Pe*
ruf bcr Spargäfte oiel fidjercr als biejenigen (Ermittelungen, wcldje für
alle am Sabresfdjluh oorhanbenen ülefammteinleger ben Peruf crfaffeti
wollen. Aus biefeit ®rüuben erflärte fid) aud) bas internationale
ftatiftifdje Snftitut auf bem Kongreh 51 t Pern mit bcr (Einführung einer
internationalen Statiftif im Sinne ber batjerifdjen Stfetljobe oöflig ein-
oerftanben, unb fanb baS 9?orbilb Patjerns iugwifdjcn oott anberen
Staaten bes So* nnb AttSlanbeS mehrfach Nachahmung.
Nunmehr theilt ber eben crfchicncne oierte Jahrgang bes baqcri*
fehen Statiftifdicn Sahrbudjs -- herausgegeben oont iBorftanb bes
Statiftifcheu Bureaus, Dbcr-Negierungsratl) Dr.prob ft — neben fonftigen
recht intereffauten Daten bie Nefultate mit, weldje für baS Sahr 1896
burch jene Statiftif ermittelt würben. Dattadj finb in biefem Saljre bei
ben baperifchert Sparfaffen neu eingetreten:
3ahl
spar*
1. (Erwcrbstfjättge, bie für fid) fclbft I
einlagen mad)teu.
2 . Suriftifdje perfonen (Vereine, Corpora*
tionen)..
Nidjferwerb^thätige (Ktuber), für weldje
oon Anberen (Einlagen gemacht würben
betrag ihrer
(Erfteinlagen
65 073 16 354 835
3
3 215 1 079 211
34 568 5 319 039
Sa. 102 856 22 753 085.
Nur bie erftc (Gruppe, bie faft gtoei drittel ber neuen Spargäfte
mit faft ebenfalls gtoei drittel ber Neueinlagcnfnntmc in fid) begreift,
eignet fid) bereits gur weiteren 2£ürbigung. Die gweitc (Gruppe ift für
unfere fokale ^etraditung irreleoant, unb bie brüte bleibt folange eine
wirtfdjaftlicf) ober fogiaTfarblofe Mlaffe, als man nicht weih, ob cs fid)
um Unternehmer* ober Arbeitcrfinber hanbelt, nnb folange mau uidjt bie
(Erwerbsquelle (Sanbwtrthfdjaft :c.) fennt, aus welcher fic ihren Unter*
halt ablcüeu; in Pegitg auf le^tere (Gruppe muh alfo bie ausführliche
publifatiou bes Statiftifdjeu Bureaus abgewartet werben.
§ebt man aus ber erften ©ruppc bas Aitgefte Ilten* unb 21 r*
beiterperfonal heraus, fo ergiebt fid) über beffett Setheiliguug an
bcn Sparfaffen foIgeitbeS:
2 aub* unb Jorfnoirthfdjaft
progeittauthetl an
fämmtlidjen **) Neu*
(Einlegern (Einlagen
. . 13,*77 10, 70
Xurdjfdjnitil
£>öl)c einer
(Erfteiulage
198,18
Sitbuftrie.
. . 18,67,
1 3,50
184,79
.^anbel uttb Scrfeljr . .
5,18
3,82
178,51
£>äuslidje Xienftbotcn
. . 20,18
1 0, C9
132,78
£cffetttlichcr Xicnft eiufdjl.
Perufsartcu ....
freie
. . 5,21
5,40
266,76
Sa. 62,99 43,76 177,33
2L*eun nad) biefen 3af)Ieit faft gwei drittel aller Neueinleger fid)
ans ber Mlaffe ber Unfelbftfiäubigen, insbefonbere ber Arbeiterflnffc,
refrutiren, fo ift bas zweifellos ein giinftiges Spmptom oon bem Spar*
finit unb ber Sparfähigfcit ber unteren Klaffen. Su biefem Urtheil
beftärft bie 2Ijatfarfie, bäfj aud) am betrag ber Neueinlageit bie ar*
beitenbe 'sBeoölferung mit über gwei fünftel betheiligt ift, nnb bie bimh*
fd)iiittlid)C .frühe ihrer (Erfteinlage fciitcswcgs unerheblich fid) bnrftcllt.
Der etwas niebrigere progciitiap ber Abhängigen an ber (Einlagenfmniite
gegenüber bemjenigen au bcr (Einlegergahl wirb im Uebrigen uidjt bc*
frciitben, beim bie in Nebe [tchcnbeu Kategorien föuueu uaturgemäh
ntd)t fo hohe Beträge erübrigen unb gitriicflcgcti als bie Unternehmer*
flaffe, für weld)e fid) bie (Erfteiulage bunbfdmittlirfi auf rnnb 390 jt
beläuft.
Nad) einzelnen berufen georbuet ergiebt fid) bie bebeutenbfte
Sparhäufigleit für bie inbuftrielle Arbcitcrfdjait. 3 ,luu ‘ wirb ihr au
fid) hoher AiithcU (!*,<* %) au ber (Einleger^ahl oon ben häuslichen
Xieuftboteu uod) etwas übertroffen, unb im Turd)fd)iiitt finb bie 2?e*
) Xie (ücfammt^ahl ber Sparfaffen betrug bantals 323 (1896: 333),
ber (Einleger 63s ss7 (729 s 3 s) unb ber (Einlagen 216,3 (27<>) Ncillioueit
AVarf.
I X. i. oon (Gruppe 1 unb 2 nad) ben ^eredjnuugeii bes? Xtatiüi*
fdjen oahrbudjs.
träge, bie ber 2Irbeiterftanb oon i?aitb* unb ^orftwirthfch«ft, fowie oon
öffentlichem Xieitft (tiicbere SBebienftete, iöureaubiener, Portiers :c.) bei beit
Sparfaffen einlegeit, höher; aber bie Iepteren ^älle finb oiel fclteucr als
bie, in benett Arbeiter bcr ^»buftric jur Sparfaffe fomnien. Unb barunt
erfd)eiuen bie iubuftrielleu ?lrbeiter mit einem fo namhaften Aittbeil au
ber (Einlagenfumute, bah bie Cuoteu ber anberen Arbeiter oerhältnifj*
ntäfeig weit juriicfbleiben.
©tellttug ber Äerjte jn bcn ftranFenfaffen. X)er 2lnSfchuh ber
preufeifchen Aergtefammeru hat am 22. Nooentbec befdjloffen, über
bie Stellung ber Werkte ju beit Äran feit Fa [feit ©ntadjtcit oott allen
Kammern nn^uholen nnb baS (Ergebnife in einer X'enFfdjrift b er
©ehörbe gu überreidjett. X'er AuSfchufe empfiehlt als Norm folgenbe
gorberungett:
a) (ES ift prinzipiell bie 'gefeplidtc ^eftlegung bcr freien Arztwahl
weuigftenS für bie OrtSfranfenfaffeu anguftreben.
b) (ES ift bie gcfc^Iicfje Definition, wer als „Argt" gu begeidjucu
ift, anguftreben.
c) (ES ift anguftreben, bah nH* Waffen, bie ben gefcfclid) geforberten
Ncfcroefonbs erreid)t haben, bie §otiorirung ber Aergte möglich bis
gur (Erreidnmg ber SNinitnaltare erhöhen.
d) (ES finb gefefclid) (ärgtliche ober geutifdite) Äomtitifftouen gu
bilben, weldje bie Ahfchlüffe ber Verträge gwifchen Waffen unb Aergtcu
gu prüfen hoben.
e) (Ebenfolchen .(fommifftonen liegt bie Neoiftou ber Negeptur ob.
f) (Es finb für Streitig feiten gwifchcn Äaffen unb ihren Aergten
gefehlid) Sd)iebsgerid)te und; Analogie ber Sd)iebSgcridjte für bie ®c*
werbetreibenbeu gu bilben.
g) (ES fo« barauf hingewirft werben, bah l- ^erfoneit mit mehr
als 2000 JL ^fthrrSeinfoinmeu aud) freiwillig nicht Nfitglieber oon
^hranfenfaffen werben föimen, unb bah bei tpäteren Aenbenmgen in
ber Olcfefcgebuitg biefer betrag bes (Einfommcns uidjt erljöht werbe.
Aud) ber ttädjfie Aergtetag, ber im NJärg 1899 in X)reSben
ftattfinben foü, wirb als ^auptgegenftanb bie Stellung ber Aergte
gu ben £ranfenfaffen behanbeln. Sin „Aergtl. SSereittSbl." fchlägt
Dr. be S3arp—Alt*Xhann bie (Eiitfebung einer Art oon Sd)iebs*
geridjt oor, „ba§ burdh baS ftaffengefefc fanftiouirt, in erftcr l # inie
tu foldjett Streitigfeiten (mit ben Staffen) unb ärgtlidjen Sragen gu
Nathe gu giehen wäre, baS erfparett würbe, bah bie orbentUdjen
($erid)tc gleich gur (Geltung fomtneit mühten, ba£, furg gefagt, bie
dinfettigfeiten abfehaffen h^f^/ bie auf ncrfdjiebenen Seiten in
^affenbingett gu äage treten. y<
din Antrag auf (Einfühntug einer attgetnetnen Afters* nnb
Snoalibitätsoerfidjernng in Oefterreiih ift oon 24 juiiQtfd^ecfjifcfjen
Abgeorbneten, alfo ctuS ber NegieruitgSinehrheit, im ofterreidjifchett
Abgeorbnetenhaufe eingebracht worben. Sn ber SBegrünbuitg wirb
barauf oerwiefett, bah für eine folche s 3erfidherung bereits gahlreiche
SSercine, (^enoffeitfdjaften unb Waffen errichtet wörbett feien.
reiche Petitionen ftrebten weiter bicS att. 'Die Nothwenbiafeit
einer folgen Perfid)erung nach beutfehem Ntufter äußere fidj gleich
für afle Angehörigen ber im NeidjSrathe oertretenen Königreiche
uttb fiänber. X)urch dinführuitg einer nidjt blofj partiellen, fonberu
allgemeinen Nentettoerficherung werbe bei ben heutigen oerfdhärften
Konfurrengoerhältttiffen Ntillionen oon Arbeitern, ©ewerbsleuien,
^aubroirtljen, prioatbeamten, SchriftfteKern, M ünftlem u. f. w.
bie alles hetnmenbe unb oergeljrenbe 33eforgnih unt bie dgnfiettg
für bie Sälle ber ArbeitS* unb Perbieuftunfähigfeit benommen. (Es
genüge bie SScrfidjerung oon minimalen Nenten, fo bah baburdj
bie prioatoerficherung oon höheren Ncnten wie bisher nidjt auSgc*
fdjloffen wirb. 5£er Schluh bes Antrages lautet toörtlidj:
Xurd) btefc allgemeine, alfo für fämmtlidjc Staatsbürger eingu*
fiiljrcnbc Nentcuocrfidjcrung, bie als Ijuntaiie Snftitution burch ^erbei*
gieljung ber befteheitbeit Steuerämter als (^clbfammelftellen unb ber
Olcmciiibcämtcr als Abmiuiftratioorganc läuberwcifc ohne namhafte
Niaiüpulationsauslagen bewerfftelligt werben föunte, würbe bie fchwie*
rigflc Partie ber .^eimathsgcfepgcbimg, näntlid) bie Armeuoerforgung
erlebigt werben — es entfielen gitm groheit Xheile bie für bie 2anb=
wirthfdjaft briiefeubeu AiiSgcbingc — cs wäre bies ein oovbereitenber
Sdjriit für bie Ncgehmg ltub Stabilifinmg bes ^üisfuficS, ber Söljnc,
ja für bie (Eiitlaftuug bes bäucrlidjcu (^rttiibbcfiltes. Xicfe Snftitution
ift ber Sdjliiffel gur 2öfuug maudjer brohenbeu Sogialtragcu.
Aus biefett diriinben wirb bie Negierung aitfgeforbcrt, balbigft
bem NeidjSratlj einen ©efetjcntiüurf, beireffenb bie (Einführung einer
allgemeinen Alters* uttb Si^altbitätsrentcnocrfichcruug, oorgulegen.
XaS Problem ber Alterdoerfidjerung itt ©nqlanb ift oon bem
Kolonialntiitiftcr dhambcrlain, ber eigentltdjen Xriebh'aft auf bem
(Gebiete ber Sogialreform im Mabinet, nnlängft in Nianchefter er*
örtert worben. (Ehamberlain war cs, ber biefe Ara ge auf bas
j fonferoatioc Negientngsprogratnm 1805 gebradjt batte: auf feine
1 Snitiatioeiourbe ein parlameiitarifd)er Aitsfdjuh unter Vorb NofebernS
; Porfife ciugefcbt, tun bie Angelegenheit gu ftubiren. Das (Ergebnis
233
©ojiate $raji$. ©cntralblatt für ©ojialpolitif. Ar. 9
234
biefer Verathungen ift frciltd) oo^ugSweife negativ (ogl. „Soziale
VrajiS" VU. ©p. 1179). 3 u ^ e w hat bex 3 thafefan 3 lcr fid) jiingft
recht abfällig über jeöe ftaatlidje AlterSoerforgung anSgefprod)eu.
Aud) (Sfjamberlain betonte nadfjbrücflid) bie ©d)wierigfeiten, aber
er fuf)r bod) fort: i
„(Einige meiner politifdjcn (Gegner haben ben Vcrirfjt bcS Aus*
idjuffeS mit greubc be^m. ©chabetifreube begriifet. Wirb ber Veridjt
genehmigt, fo bat barnit bie Sobtenglorfc für eine ber größten f 0310 len
Reformen gefdjlagen. ©elbft wenn er genehmigt mirb uub bas leßte
Wort in ber Sache gefprodjen morbeit ift, mürbe ich es nidjt bebauein, 1
beui Oiegcnftanbc ^eit uub Aadjbenfcn gemibmet unb bas Volf 3111 * Ve*
feitiguug eines ber größten Aergcrutffc nuferer (ScfUtung augeregt 311
haben. ' Selbft wenn ich (einen Erfolg haben fällte, mürbe id) mir
fagen, bafe es beffer ift, SDJifeerfoIg 3 U ernten, als niemals für eine gute
Sadje 311 fämpfett. 3dl glaube jebod) nicht, bafe bas lefete Wort in ber
©adje fdjon gefprochen worben ift."
Wir finb ber feften Ueber 3 eugnng, bafe bie 3ufanft §ernt
(Ehamberlain Aed)t geben mirb; nadjbetn burd) bie UnfaÜoerficherung
in (Englanb gan 3 neue Sahnen burd) fokale Qürforge unb jroar
burchauS erfolgreich, fo meit fich bis jefct fehen läfet, eiitgefd)Iagen
finb, toirb auch baS Problem ber AlterSuerficherung nicht mehr 3 ur
Auhe fomtnen. ®er grofee 0 o 3 ialreformer, (El). ^Vooth in Lonbon,
hat erft biefer Sage aufs Aeue bie ^ropaganba für bie Old Age
Pensions in einer Aebe aufgenommen, bie in bem oolfsthümlidjeu
©chlagroort gipfelt: 5 Schilling wöchentlich für Liebermaiin, ber
über 65 Sahre alt.
<£in fprojeft über AlterSberforgmtg be$ ttteberett $oft* imb
Xelcgrnpf)cnperfonalS in grrattfreid) toirb gegenwärtig int £mnbels*
minijterium ausgearbeitet. Sie ßlrunbltnten beffelben finb bie
folgenben: S)a bie angcfteÜten Vebienfteten fchott jefet bie An wart« j
fchaft auf eine auSfchliefelid) aus ihren eigenen EJkämiei^ahluugen |
Fonftituirte Alterspcnfioit haben, fo ift gwifetjen ihnen unb bent !
nichtangeftellten Verfonal 31 t unterfcheiben. mir bie erfteren fieht !
baS neue ^rojeft nur einen 3afd)nfe bes Si^Fits oon 3 o / 0 ber j
(behalte ju ben inbipibueüen Prämien oor. giir bas nidjtangeftellte >
$erfonal führt eS bie AlterSoerforgung ein, unb groar folien bie I
^enfionSfonbS gebilbet werben aus einem 4o/ 0 igen Lobnal^ug
unb einem 3 o/ 0 igen 3ufchu6 aus fisfalifd)cn Mitteln. Sie VeufionS*
fähigfeit tritt ein bei ben männlidjcn Vebienfteten mit bent 00 .,
bei ben weiblichen mit bem 55. Lebensjahre. Sie $enfion felbft
beträgt 500 fyrcS. im ÜDiinimum unb 1200 $reS. im ÄZagimum.
Sen Wittwen unb Söaifeit ber ^enponSberechtigten foll baS Aecfet
auf einen entfprechenben Sruchtheil ber 'ßenfion gefiebert werben
Ärbtlt?itad)ttiel5.
(Errichtung einer ÄrbeitStiachtoeiSfteKe in Siegt!!#. Sas 3 ur Vcfeitigung
ber lättbltchcn ArbeitSnoth ins Auge gefaßte Unternehmen, eine Siegelung
beö SlrbeitSnachmetfeS herbciiuführen, ift am 15. Aoo. ins Sehen getreten.
Ser Aad)meis ift auf ben Vobett ber freien Vereinstbätigfeit gcftellt
worben; er mirb geleitet oon einem Vcrmaltungsausirfjufe, weh-feer oon
einem weiteren, aus Vertretern ber beteiligten Korporationen, Ver= j
eine 2 c. bcftchenben SluSfdhuß gewählt mirb. £ic finan 3 iellen Viittel |
werben burd) 3 u fd)üffc ber ©tabt unb bes Kreifcs fomic burd) Beiträge
ber betheiligten Vereine 2 c. aufgebradjt. $ie SlrDeitsocrmittelung finbet
für Arbeiter unb Arbeiterinnen fämmtlid)er Verufsartcn fomie für ftäbti*
fcheS unb IanblicheS (^eftnbe ftatt, unb jmar für Arbeitnehmer uneuP
geltlich, mährenb oon ben Arbeitgebern eine geringe (Gebühr erhoben
werben foü.
©täbtifiher ArbeitSnaihttietS in Vom S)ie ©tabtoerorbneteu haben j
am 25.JRoocmber bie (Srridjtung einer ftäbtifdjeu Arbcitsoermittelnngi?« j
ftelle für männlidjc unb weibliche Arbeiter befd)loffeu.
üotjlfaljrt^eimiditungen.
2)ie üföohlfahrtSeinrichtUttgeti auf ber !aiferli<hcit SBerft in Äiel (ogl. j
„©oktale $rajis" VII. ©p. 813) haben einen neuen 3»wachS erhalten. !
inmitten beS oor brei fahren angelegten Arbciterparfcs ift im i'aufe
biefes Sahrfd ein großes (Jrholuugs* unb Verfammlimgohaus erbaut •
worben. $aS weithin fidjtbare, auf einer Anhöhe ber VSerft gegenüber |
liegenbe VauwerF macht einen fiattlidjen tiinbruef. S)as (jrbgefdjofj !
enthält einen 600 qm groben Konjertfaal mit Viihne, einen Sfebeufaal, |
StcftaurationSräume, eine Vcranba unb eine Soppelfegelbahn. 3m erften i
©toef liegen Klub=, Sefe.jimmer unb Viüarbfäle, wcihreub im zweiten ,
©tod bie SBohnräume für ben üDcfonomen fid) befinben. An ber Cft=
feite ift ein hoher 2 h«rm aufgeführt, oon meldjcm man einen präd)tigeu |
Vlic! über Kiel unb ben ganzen .'oafen bis in bie Lfifec Ijat. ©chöne
Anlagen umgeben bas ®an$c. Sie Arbeiter unb Veamten ber Vierff I
folien in biefen Räumen eine ©teile ber (Srf)olung erblirfen. 3 u ben 1
Seferäumen wirb ihnen jegliche Seftüre geboten; bie Vereine foflen in I
ben größeren Klubjimmern ihre Vcrathungcu abhalten; ber ©aal fieht
ihnen für ihre Vergnügungen 31 er Verfügung; ©pcifen unb Öeträufe
werben 311 mäfjigen^reifen oerabfolgt, unb ber fd)öne ^arf bietet einen
herrlidjeu Aufenthalt im freien. Sie ganzen Koften für ben Vau, an
beffert Verwaltung bie Arbeiter bureb Vertreter betheiligt finb, unb bie
(Einrichtung belaufen fid) auf eine Vicrtelmillion SRarf.
©täbtifche mtb pribatc 3öohlfahrtSpflcfle. 3 n ben ©tabtoertretuugeu
mad)t fich bas .'oerannahen bes Sinters bcmerflich. ©0 würben am
15. Siooember in .^alle 3500 x. 3 ur Anlegung einer (Eisbahn für Uu=
bemittelte bewilligt, ©diulbcputationcn, Vereine u. f. w. beginnen auf
Vergünftigungen für beu (Eislauf ber Kinber uub bie Vefcbaffung oon
©d)iittfd)uhcn 3 U finneu. Sesgleidjeu regen fid) bie Ausfdjüffc 311 r Ve=
[djaffung oon warmem Ai'ühftüd für armeKinbcr bort, wo bies nur
im hinter gewährt wirb. 3 n granffurt a. V?. ftnb für ben hinter
bereits 1600 Kinber bafür angemelbet, wovon 1400 00 m 15. 9tooember
ab bcriidfichtigt werben. Ser Koftenaufmaub bafür beträgt 16 8 (X) JL
3 n (Ehemnip ift nad) Seipjiger SKufter eine ©djreibftube für
Arbeitslofe begrünbet. ©ic bient ähnlidjen 3mecfen, wie bie foge*
nannten Aothftanbsarbciten, bieinjebem SSinter oon beit gröberen
©täbten eingerichtet werben, unb ermöglicht es beu fd)wäd)creu Ver*
fouen, betten ©teinHopfen, .'ool^fägeit u. f. w. eine ©chäbigung ihrer
fvingerfertigfeit ober Otefunbheit bringen fönnte, fid) über bie ^eit ber
Arbeitslofigfeit hiawegjubriugcn. Vcrlin ift ein AbeHbbeim
für Arbeiterinnen errichtet, ber Unterhaltung, Velehrung unb Arbeit
(eine 9fähmafd)ine fteljt 3 ur Verfügung) gemibmet. 3ür billiges Abeitb»
brot wirb geforgt. — ©penbeit für bie (Errichtung neuer Suttgeuheil*
ftätten unb Olenefungsheime werben aus £ Ibenburg (75 000 JL hat
bie Verfidjcrungsanftalt bem Volfsheilftätteuoereine ohne Verpflidjtung
3 ur Stiidgabe 311 r Verfügung gcftellt), 3»eifeen berichtet. Weitere
©penbeu betrafen bie (Srrid)tung eines VolfsbraufcbabeS (in fieupfd)
bei 2 eip 3 ig), eines Kinberafpls (in Vcrlin ), eines Vlittbenafpls (Verliit),
Sefehalleit unb Volfsbibliothefen (Vcrlin), ein oegctarifcfeeS Kinberhfim
(Vcrlin), Volfsparfs, 9)Ktnncrheimc, Kranfenhäufer unb Ael)nlid)eS. —
Sic Arid)*p oft Verwaltung hat fid) entfdj loffeu, bei Acu- unb Um*
bauten für Vabcgelegcuhciten ihrer Augeftelltcn 31 t forgeu. Sie feit
einem halben 3 abrc in ber 9teid)sbrucferei gefdjaffeuen Vraufebäber bc=
unfeten burdifdjuittlid) täglid) 108 Vcäuner unb 82 grauen. Sie Vc
nupung (eiufd)liefe(id) ©eife, $>aubtuch u. f. w.) ift uuentgcltlid).
Sie ^entralftette für bie ^ontrole ber V^ohUhatigfeitSpflege
in Vcrlin, bie mit ber ftäbtifdjeu ©tiftiiugsbeputatton oerbunbeit
ift, erstattet einen gebrueften Veridjt über baS 3al)r 1 . April 1897
bis 31. s JAär 3 1898 (Vcrlin 1898, Srucf 001 t dutil ©^ 11 ( 30 , Vian=
tcuffelftr. 77). 3n ber (ientralftelle füllten alle Aad)rid)ten über
fowohl burd) bie öffentliche Armenpflege, als auch aus ©tiftungS*
foitbs, oon Vchörbeit, Sol)ltl)ätigfeitSanftalten, Vereinen 2 c. unter*
ftüfete s ^erfonen gefamntelt werben, uttb oon ihr füllte AuSfunft
über alle als unterftüfet gemelbetett Verfonen ertheilt werben, bamit
Unterftüfeungen nid)t mehr gewerbSmäfeigcn Vettlcrn gugewettbet
werben. S)as ift bis jefet nicht erreicht. *&S ift nid)t oor jeber
llnterftü(jititgSgewäf)rung angefragt worben, es finb nur 17875 3Rit*
theiluitgen ber ber Armenbireftion nid)t unterftel)enbeu ©teilen bei
ber (Eentralftelle eingegangen, ferner 2265 Anfragen, 43164 9 Rit*
tl)eilungen ber Armenbireftion über gewährte ©jdraunterftühuitgen,
31 760 Vcittheiluiigen über Veränberungett in beit Iaufenben Ve*
3 iigen, 11 253 Aftenftücfe. ©ie erlebigte ferner 202 ©tabtfergeanten*
aufträge. Susgefammt bearbeitete bie (ientralftelle 106 519'©ad)en.
Aus benfelbcti würben 25 927 ^crfonenblätter neu angelegt unb
78 433 berichtigt. Von bett 249 Vel)örben, SBohlthätigFeitSaiiitaltert,
Vereinen 2 c., welche fid) bis 311 m £)erbft 1897 30 einer Verbitibuttg
mit ber (ientralftelle bereit erflärt hatten, h a & cu nur 107 fic be*
tljätigt, 142 haben itid)ts oott fid) hören Iaffeit. Sic (ientralftelle
ift fein Organ ber Armenbireftion unb oerfid)ert, fie halte bie
VUttheilungen ftets unter Verfd)lufe, fo bafe eine Vefanntgabe ber
barin enthaltenen Viittheilnngeu an Unbefugte auSgcfdjloffeu ift.
©elbft 3 u ermittclube $ripatpffegeftellett in ftöln. Ser Kölner
Verwaltungsbericht tEjeilt mit:
(Eitbe Sf 3 emher 1897 ift oerfud)Swetfc bie (Einridjtung getroffen
worben, baß bie Armeuln^ivfe hülfsbcbürftige Kinber hei mir worüber*
gehenber llnlerbrerijung ber (Elternfürforge ftatt, wie bisher, in ftäbtifchc
VJaifcupflcgc, in felbft 31 t ermittelnbc ^rioatpflcgcftellcu unter*
bringen fönnen. ^sn foldjcu Jvällcu wirb ber für bic Aufnahme in
Viaifeupflege uorgcftbricbene Antrag oon beu Armenbe 3 irfen bei ber
Armeubeputation gefiellt, glcid) 3 eitig bie Vflegcftelle näher be 3 cid)iict unb
eine geeignete Saute oorgefdjlagcn, welche bereit ift, in Verbinbitug mit
bem betreffeuben Armcitbc^irfsoorfteher uub Armcupfleger bei ber Veauf*
fichtigung ber 'ipflcge mit 3 inoirfeu. ^\it beu erften brei Vcounten ift in
12 ^äUcit für 3111 'ammeu 22 Kinber oon biefer (Einridjtung Olebraitd)
gemadjt worben. Aur in einem biefer gälle haben fich Vebenfeit gegen
bie Vflegcftclle ergeben.
^chrlitiflSfriftungett in Württemberg. Sas ©tuttgarter ©tatiitiidie
Amt hat es fich 3 m’*Aufgabe gemacht, in einem Anhang 31 t jebem
Aconatsberidjt eine grage oon allgemeinerem ftäötiidieu ^ntereffe in|
Sufammenhange 31 t behaitbefu, beioufet, in ber Abfidjr, baburdj au
‘235
Soziale $roji3. Eentralblatt für Sojialpolitif. Rt. 9.
236
regenb auf bie ftäbtifdjc Sogialpolitif unb Wohlfahrtspflege 311 wirfen.
Ter Septemberbericht ftcllt bie Sej^rliiiQ^ftiftungen unb ihre Jlwcdbc*
ftimmungeit in 'Stuttgart unb bcn übrigen größeren Stabten bcs £aubcs
gufammen. 3usgcfammt bcftchcu in beit elf Stabten: Stuttgart, (Sann*
ftatt, (Swingen, ©münb, ©öppingen, .^eilbronn, iubwigsburg, RavetiS*
bürg, Reutlingen, Tübingen, Ulm, 56 öffentlich verwaltete Stiftungen
für gewerbliche VerufSbübung. 3 n ben anberen ©emeinben beS ^anbeS
beftaubeu itad) einer Aufnahme non 1876 nodj 39 ä^nlidie Stiftungen.
jDiefel&en nerfügen über ein Mapital vvti gufammen 374 410 *(>. mit
einem jährlichen Erträguif) non 13 605 M . Ter Stiftiutgsgwccf geht
tf)etls auf bie gewerblidje AuSbifbung, theils auf bie höhnen Stubien.
39 , 3 % ber Stiftungen mit 44 ,bs% beS gefammtett Kapitals ftttb nor
1860 unb 23,? bejiu. 15,^2% beS Kapitals gmifdjcn 1851 unb 1871 er*
richtet. TaS laufenbe 3ahrgel)tit hat nur wer Stiftungen biefer Art
im ©efammlbetrage non 37 000 Ji. gebracht. TaS Statiftif<hc Amt
weift barauf hity baf) allein im Danton St. ©allen 1895 nicht weniger
als 118 gewerbliche MjrliugSfoitbS mit einem Setrag non 875 519 ftrcS.
regiftrirt würben unb forbert bie wol)lhabenben Rteifter gur Rad)*
eiferitng aud) in biefer Art ber görberung beS £ehrlingswcfens auf.
ffloljnungsttiefcn.
Tie (Errichtung eines ä$ohmiti$3atiitrd in Stuttgart ift im
Werfe. 3m Aufträge beS DberbürgerntetfterS hat ber ®ireFtor
bes ftatiftifchen Amtes ber Stabt Stuttgart, Dr. Rettich, bent ©e*
meinberathe einen $lan vorgelegt, wonach bern Amte folgenbe
jjpauptfunftionen gugebad)t ftnb:
1. Statiftifche Veobachtung aller Vorgänge auf bem ©cbietc beS
WohnmigswefertS unb beS WohnungSmarfteS.
2. feof)nungsnad)roeiS, barauf geftü^t, bafc bie HauSbeftfcer burd)
OrtSfiatut verpflichtet werben [ollen, jebe nermiethbaie Wohnung unter
Sefchreibuitg berfelbeit unb Angabe bes greife© aitjumelbeu unb nach
erfolgter Vcrmietf)ung, unter Angabe ber neu ehtgiehenbcit ^erfonen
wieber abjumelben. (Sgl. ben Aufjah RettidjS in ber „Sozialen Vrnris"
VI. Sp. 545.)
3. SSoI)nungsinfpeltion, inSbefonbere Ermittelung ber überfüllten
Wohnungen.
4. Tas Wohnungsamt foll ■ oor beni Erlab oon Crtsbau*
ftatuten, bei Stabterweiterungen unb über Anträge auf Erbauung non
SWiethmobnungen burd) bie Stabt gutadjtlidj gehört werben.
5. TaS Wohnungsamt foü als unentgeltliche AuSfiuiftSffclIe für
alle fragen bes 9)detl)red)tS fuugiren; ferner wirb bem ©emcinberathe
anheim gegeben, gu erwägen, ob es nicht nüfclid) wäre, bem Wohitungs*
amt aud) eine fd)iebsrid)terliche gunftion gugucrfeitneti.
Tct Vcrbanb ber unb ©ntnbbcftfcct tu ber
hat, entgegen ben Sefdjlüffen beS EentralvereinS beutfefjer §auS*
befifcer, bie fid) gegen Saugenoffenfdjaften unb 93augefcllfd)aften
auf gemeimtüfciger 93afiS richteten, fid) bahin auSgefprochen, bafj
in ben Snbuftrieorten ber $falg thatfächlid) Mangel an Arbeiter*
Wohnungen fei unb es nur gebilligt werben fönne, wenn Vau*
gefellfdjaften unb ©enoffenfdjafien entftehen, bie biefem Mangel
abhelfen. Wenn ©enteinbe* unb Staatsbehörben fowie bie 93er*
ficherungSanftalten folcheit Vaugenoffenfchaftcn unb *©efellfchaften
ihre görberung guwenben, fo muffe man baS als im allgemeinen
3ntereffc liegenb nur anerfennen. Tie ©rünbung oon Vaugeitoffcn*
fchaften fchreitet in ber $falg fort.
Ter ftartönther 2üiet|et* trab Vauvmbt (©enoffenfehaft mit bc*
fchränftcr Haftpflicht) hat bie erftc Serie feiner Sauten forneit fertig*
gefteflt, bafj 27 Wohnungen an Vtttglicber gu vergeben ftnb. Serbien!
and) baS rafdje, energifrf)c Vorgehen Anerfennung, fo ift baS Ergebnis
ber 9)?iihe im Verhältnis gum Vebarf an fleinen Wohnungen in Karls*
rul)e nur gering, unb weber bie Sauten ber Stabt, nod) bie ber ©e*
uoffenfehaft werben ben Stängel linbern, ber fid) burd) bie grof 3 cn
Sauten in Karlsruhe, bie bereits begonnen finb unb bie weiter in Aus*
ficht flehen, nod) erheblid) fteigern bürfte.
$ 0 |iale §t| 0 iette.
SRebuiualreform. er preufeifche „Entwurf eines ©efefceS,
betr. bie ^ienftfteHung beS Kreisarztes unb bie Silbung non ©e*
funbheitsfommiffionen", wie er feiner geit hfiro°rö e 9 an 9 en au§ ^ cn
Serathungen ber fogenannten 2J2aifommiffion (1897) über ben
urfprüngltch oon ber Regierung uorgelegten weiteren Entwurf, ift
jefct uon ben Aerztefammern berathen unb warb in biefen £agen
uon bereu AuSfdjufe erlebigt. Er bejwecft befanntlich, bas alte
Snftitut ber KteiSphnfici beit Anforberungen ber mobernen Sozial*
$>i) 9 iene anzupaffen, ©ie Stellung ber Aerzte zu biefer Sorlage
mögen bie Sefd)liiffe ber Aerztefammer für Serlin*Sranbenburg
erläutern. SDiefe ftimmen ber Reform im Allgemeinen z^O
ntiffen aber eine ©ernähr in bem Entwürfe, ba& ber ftinftige Kreis*
arzt auch wirflid) auSfd)laggcbenber 3aftor in ber Sozialhygiene
werben fann. Sic halten bazu für nötl)ig, bafj ber Kreisarzt
ooübcfolbeter, unmittelbarer Staatsbeamter werbe unb auf jebe
^rioalprayiS verzichte, ähnlich bem eitglifchen ©efnubheitsinfpeftor,
baft er ferner eine eigene Snitiatiue befomme unb nicht erft baS
Erforbern ber z»ftänbigen Sehörbett (meiftenS beS SanbratheS)
abwarten müffe, um fid) gutachtlich äufjeru z« fönnen, unb aud),
ohne aufgeforbert gn fein, an ben Si(jnngeu ber KreiSfd)üffe u.f.w.
theiluehmen gu bürfen. Ein äl)itlid)er ©runb ift es befanntlid)
aud) gewefen, ber Rubolf Sird)Ow gu ber Sorberung einer £os=
löfung beS öffentlichen ©efunbheitSwefenS oom Reffort beS Kultus*
minifteriumS unb feiner Unterteilung unter baS Stinifterium
beS Snnern oeranlafet hat. 3m Entwurf fehlt bie Einrichtung oon
Affiftenten beS Kreisarztes, bie fich bie Kammer als private, auf
ben KreiSargt fich vorbereitenbe Aergte benft, bie von Satt gu gaU
gegen Remunerationen gugegogen werben. Enblid) greift bie
Kammer bie Seftimmung beS urfprünglichen Regierungsentwurfs
wieber auf, wonach für 3mecfe beS ©efunbheitSwefenS Unter*
fuchungSanftalten unter staatlicher Auffidht erridjtet weiben muffen.
"SMe nothwenbig biefe lejjte gorberung ift, ohne weld)e ber Kreis*
argt häufig jeber R;öglid)feit mobcrn*wiifenfd)aftlicher Hnterfud)ungeu
bar ift, geigt ber Umftanb, bafe bisher erft ^erglidj wenig Stäbte
folcfje Anftalten befigett, unb bie Kreisärzte auf bie fiicbenStvürbig*
feit ber militärärgtlichcn Einrichtungen angewiefen waren, wo
ihnen nicht bie UniverfitätSlaboratorien auShaifen.
SSefämpfmtg ber Sufaerfulofe. ^aS Seutfdie EcutralfomitH gur Er#
ridjtung von Heilftätten für ^ungeiifranfc, welches unter bem ^roteftorat
ber Kaiferin unb bem Ehrenvorfib beS SieidivfauglcrS ftcfjt, wirb am
17. S)cgcmber im ReichSfauglrrpalaiS feine ©cueraluerfammlung abhalten,
i^on ben auf ber lageSorbuung fteftenben ©egenftänbeu finb bemerfenS*
wertl) Sftittheilungen über ben "für bie ^fing|twoche 1899 uad) Berlin
eingubenifenben „Kongrefe gur ^efämpfung ber ^ltbcrfulofc als s i?olf$=
fraitfheit", beffeu Vorbereitung in ben Hauben be$ Herzogs von Ratibor
unb beS ÖeheimrathS v. iteyben liegt. 2)a in lefzter v 0 ,c'it eine größere
Angahl von ©emeinben bie 3Äitgliebfd)aft beS EentralfomiteS erworben
hat unb bie an bie Unterbringung tubcrfulös Erfranfter in Hcilftätteu
fid) anfdjliehenbc ^iirforge gu nicht geringem Jheil auf fommunalcm
©ebiet liegt, fo wirb ferner bie Stellung ber ©emeinben gur Heilftätteni
frage einer Erörterung unterzogen werben.
RmtthocrbrcnnunöSDomchtintßcn. Unter gahlreidjer Vetheiliguug
hoher Beamter, ^nbuftriefler, 2ed)nifcr :c. fanb am 24. Roveuiber in
Verliit eine Verfammlung ftatt, bie unter Hinweis auf anbermärts ge*
machte erfolgreiche Erfahrungen (VariS) befdjlofj um Erlau einer ^oltgei*
vcrorbnung gunächfl für Verlin gu bitten, nad) wcldjer bie Eutwidlung
fd)wargcn, biefeu unb lauganbaueritbeu Rauches burd) gemcrblidjc An*
lagen unb Eentralbeigiingeit vom 1 . Cftober 1899 ab ünterfagt wirb.
Rtabgebcnb finb für biefeu Vefchluß folgenbe Erwägungen: 1 . es ift
feftgeftcllt, bab cs eine grofje Angahl randjvergehrenber Apparate gicbi,
weldje geeignet finb, bie Eutwicflung übermäfngen Rauches bei groben
Seuerftätten gu verhtnbern; 2 .^ es? fann mit Sid)crheit angenommen
werben, baf) bei Aitwcnbung foldjer Eturidjtungcu eine irgenbwie in
Vetracht fontmcnbe öfonomifdje Schäbigimg ber hefiger von fteucrungs*
anlageu nicht ein treten wirb; 3. es ift gu erwarten, baf? ber Erlag eines
Verbotes bie weitere wtrffame unb fegcnSreidjc Eutwicflung rauchver*
gehrenber Apparate gur ?volge haben wirb; 4. burd) bie fid) immer ver*
mehrenben Anlagen ber ^euerfteüeu in groben Stäbtcu wirb ein gefunb*
heitsgefährlicher, bie Schönheit unb Reinlid)fett ber Stäbte beeinträd)ti=
genber Einflub ausgei'tbt; 5. es bietet feine Schwierigfeiten, biefen unb
unburd)fid)tigen Rand) von fd)ioad)em, uid)t beläftigenbeu Raud) 31 t
unterfd)ciben.
H^penifchc IBoyföhrtSetitriihtuugett. S'ie Reuerridjtung von ©c--
nefungsheimen fdjreitet fort, ^sm Sübhargborf Sülgfjaiu ift von
ber Rorbbeutfdien Änappfdjaftspciifiousfaffc unb privaten eine Hctlftätte
für Suugeufranfe für 115 ^erfoneu crridjtet • mit) Riitte Cftober ein*
geweiht. 78 Patienten finb bereits aufgeuommen. — 3ur Erbauung
eines ©enefungsl)eims in ©rotVHansborf bewilligte am 20. Öf*
tober ber Ausfd)uu ber auf biefem (Müde rnbmlidjfi vorangegaugeueit
hanfeatifdjen ^uivalibitäts* unb Altersvcrfidjcrutig 273 600 .//. — E^er
AuSfchub ber württembcrgifdien ^imalibitäts* nitb Altcrsvcrfidierung
beriet!) am 20 . Oftober in Stuttgart über einen Antrag beS Rfitgliebcs
Knie, bie Errichtung von Sanatorien (lüiugeuhcilftätten) 1111 b
R ef 011 valesg cuten hält fern auf .üoftcu ber Vcrfidimingsauftalt in
Erwägung gu giehen. ^cr Vorftanb, ivie bie Mehrheit bes AiiSfdjuffeS
geigten fid) geneigt, bcn fd)on befteljenben württembcrgifchen Verein für
Volfsheilftätteu gu unterftüpeu. Ein enbgiltigcr Vefdjlub würbe bis gur
nädiften Etatsberathung vertagt. Tiefer Verein gäfjlt gur ^eit 328 V?ü=
gücbcr, hat 73 000 „it an einmaligen unb 5000 ^ au bauernbeu Ein*
nahmen, fowie einen ©rimbiingsbeitrag von 50 000 jc von ber Regie*
rung gugefidjert erhalten. Tns Sanatorium foll für 100 Vetten ein*
geridjtet werben.’
©eitcfmtßSheimc in Vabeit. Ter babifdjc Verein „©cucfuugsfürforge",
beffen ©rimbftocf beit Sammlungen entflammt, bie gum 70. ©eburtstag
bcs ©robhet'gogs von ben Hanbelsfammem veranftaltd waren, hat feilt
©ojialc Sßrajis. Wcntralblatt [ür SojialpoUtiF. 9fr. 0.
238
237
erßeS WenefungSßeim fertiggeffellt unb wirb cs bemnäcßß bem Vetrieb
übergeben. Ws ift aite einem ehemaligen Scßlößcßeu in Aoßrbacß bei
Heibelbcrg ßergeßeHt worben unb entfprießt in feinen Winridjtuiigen,
feiner 2 age unb feiner Umgebung feinem 3™ed in ßoßem Wrabc. &aS
Siocite §eiut wirb im Greife 2 örracß errichtet werben.
äojtalpolitifdje üHa|§nal)tnen im öerheljr^mcfcn.
Qu SountngSrnße auf bett engltfdjcu (Mfettlftlttctt. lieber bie
(5infd)ränFung beS (9uteroerfeßrS an Sonn* unb gfeiertagen auf
ben difenbaßneu GnglaubS (mo feßon 1680 bte „Lords Day Act“
beit ©runb jur Winfüßrung ber Sonntagsruße legte), berietet bie
öftcrreicßtfrfj*ungariicßc HartbelS* unb ©ewerbeFamnter in ßonbon:
Alle befragten Vaßtiuerwaltungen Fonftatiren übereinßimmenb, baß
fte Feine gebrueften Verorbmutgen für bie WirifdjrätiFung beS Wüteroer*
FeßrS an Sonn* unb geiertagen befaßen, fowie, baß ber beginn ber
Vefdjränfung auf Fein befaimmteS 2)atum jurücfgefübrt werben Fönnc.
$)iefc Winridjtung ift baS Aeuiltat langjähriger Oiepflogentjeit unb fjat
fidj, ben Anfdjauungert beS ^ublifimts unb ben baraus fad) ergebenben
Webräucßen betreffenb bei* Sonntagsruhe entfpredjenb allmählich ent*
wicFelt; fie entfpridjt oollFommen ben Vebürfniffen ber Wefcßäftemcit,
mcltfjc in Feiner SSeifc über biefe Winfcßränfung Klage führt. HUc
Wiiterftationen ftnb bem ^ublifum gegenüber am Sonntage gefcßloffen;
bie größeren Stationen werben bereite am Sonntage non Vacßmtttags
3 wci ober oier Uhr gefcßloffen. SSäßrenb biefer $eriobe nehmen bie
Sahnen uont ^ublifum Feine Wiiter entgegen, gm ^rinjip ftreben bie
Verwaltungen banadj, bie 3aF)l ber am Sonntag ab^ulaffenben
unb uantentlid) auch Oiüterjüge auf baS mögliche Vfinimum 3 U be*
fdjränFcn unb fo einer großen Stnjahl non Vebienßeten aller Art wie
irgenb thunlidj frei ju geben, gn ber Sieget leiften bie Vebienßeten
ber Wiiterftationen am Sonntag Feinen $ienft, jebod) Fommt es ju
feiten außergewöhnlich großen WefdjäftebrangeS oor, baß einige 2eutc
aufgeforbert werben, am Sonntag haaren auf* ober abjulaben, bereu
Hatitirung am Jage ooyßer nicht rechtzeitig oollenbet werben Fonnte.
Ws erfeßeint auch juweilen erforterlicß, in golge außerorbentlidj
regen WefdjäfteocrfeßrS, ober wenn bureß 9fatureretgniffe, wie groß,
Sdjnec, 9?ebel u. bgl., Stocfungen ßeroorgerufeit werben, am Sonntag
eine gewiffe 3 a ßl »on Oiiiter^ügen ein 3 ufcßalten, namentlich um Stationen
3 u entlaßen, wo faeß oielleidjt eine übergroße An 3 aßl oon leeren SBagen,
ober oon belabenen Kohlenwagen aiigefamntelt hüben, $iefc 3 iige
werben inbeß nicht eingelegt, weil etwa baS ^iiblifum bieö oerlaitgt,
fonbern fie bienen lebiglidj ben Vebürfniffen ber Sahn. Oielegcntlidj
wirb and) ein Sonbcrgüter^ug für Wjrportwaaren am Sonntag eingelegt.
Reicht ocrberblidjc Artifcl, wie Vfildj, gifche u. bgl. werben, infoweit
bics bas Sebiirfrtiß bes VublifiimS erfordert, am Sonntag bureß $er*
fouenjüge ober Sonbcrjüge beforbert. Mn ben größeren Wüterßationen
ßnbet an ben oier SanFfciertagcn bie Ablieferung foldjer haaren ßatt,
welche leicht bem Serberbcu aitegcfcßt ßub. gm Allgemeinen läßt ßdj
bas Sijftem ber Wtnfrfjränfimg bes Wüterocrfeßrs bahin ^ufantmenfaffeu,
baß an Sonn* unb geiertageu Feine Annahme noch Aitefolgung ber
Witter erfolgt; mit Ausnahme oon relatio geringen Vfengen oon SBaaren,
weldje bem Scrbcrben auogefeßt fittb. Wiifertige, weldjc au ben ge*
nannten ^agett abgelaffen werben, bienen lebiglidj baju, Anßauitugeu
oon SSaaren ju oerljinbern; ihre 3 a b l befeßränft ßdj burdjwegs auf
etwa ben fünften Üljeil ber an fonßigeti £agen faßrenben Wiiterjüge.
Auf ber Wreat=Aortfjern=(£ifenbahn werben am Sonntag nur 90 bureß*
geßenbe Wiiterjüge abgelaffen, wäßrettb bereu 3 aßl an ben äßodhentagen
je 450 beträgt, tiefes Sijftem wirb babureß ermöglidjt, baß eineStßeite
bie Saßnen einen ßinreidjenben gahrparF bcßßen, ber ißuen erlaubt,
bem SubliFum gcuiigenb 3eit jum Auf* unb Ablaben ber S?aarert ju
gewähren, unb anbererfeits baburdj, baß bie Saßnoerwaltungen SJaarcn
in allen gälten prompteß beförbern, fo 3 war, baß Wüter oon einem
(Snbc bes Sanbes bis an bas anbere fpätcftenS innerhalb 24—86 Stunbett
oont AugenblicF ber Aufgabe an gcrcdjiict 3 m* Ablieferung gelangen.
Qic prompte Seförberung ber Wüter auf ben englifcßeit Saßnen wirb
aueß itod) babureß wesentlich erleidjtert, baß bie Verwaltungen nießt
allein bie SSaaren bureß ihr eigenes guhrwerf abliefcrtt, fonbern auch I
ab holen, unb 3 war tßeils oon eigenen Sammclßellen, tßeils ootn We*
fdjäftSloFal beS Serfenbcrs felbß. SBaaren, weldje 3 . S. in ber (iitt)
oon Sonbon oont WefdjäftsloFal bes Serfenbers oor fedjS Ußr Abettbs
abgeßolt werben unb für Wlasgow beßimrnt ßnb, werben bereits am
nädjßen Sormittaa beut Wmpfängcr ciugeßänbigt. 5)ie Wntfermtng be=
trägt 645 km, bie ^auer ber Seförberung oon £>auS 3 U £>auS 18 Stunben.
Citcrartfdie ^njdgett.
£ liefert, Dr. Wgon, Sammlung fo 3 ialpäbagogifcßer Auffäße. ^aber*
born 1898, gerbinanb Scßöningß. 137 S.
gn biefer Sammlung früher in oerfeßiebenen Seitfdjnftcn fdjon
oerößentlidjter Auffäße werben bie 2efer biefeS SlatteS befonbers bte
trefflichen Abßanblungen interefßren über bie höheren faulen unb bte
fo 3 ialen gragen, über bie Sheilnaßme ber höheren schule am Kampfe
gegen Serfdjwenbung unb Serguügungsfudjt, über fo^ialpabagogticßc
gerienfurfe, fowie bie feinfinnigeu, auf reießer päbagogifcßer ivrfahrung
unb gebiegeneu oolFSwirtßfdjaftlidjen Kenntniffen berußenben AuS uh*
rungen bes Autors über bie Seleßrungen betreffenb bie gefeUfcßaftltcßc
unb wirtßfcßaftli^e Wntwicfelung in ben ßößeren Seßraußalten.
llevue politique et parlamentaire. Herausgeber Starcel gournier.
^ariS. Woliu & Wo.
Aus bem DFtober* unb Vooemberßeften citireu wir folgenbe ArtiFel
oon fo 3 ialpolitifdjent gntereffe: Toran*Bagle, Le probleme social et l’indi-
vidualisme; Aguilera, Ja Politique ö’Aristote et le programme social
de la 3 me republique; Fournier dq Flaix, La geographie Sconomique et
sociale en France; Fontaine, revue des questions ouvrieres et de pro-
voyance; Roussel, La grevo general et le syndicat Gu^rard; de Seilhac,
les congres ouvriers; Bourdeau, revue du mouvement socialiste etc.
fronte, Dr., Arsneioerfeßr für KrauFenFaffen. Anleitung 3 ur Spar*
famFeit bei bem Serorbnen für KranFenFaffen. dritte Auflage.
Köln a. 9Uj. 1898, $aul Veuoiter. 244 S.
s l5ataFtj, Hugo unb SJilßelm. Sämmtlicße S^entgefeße bes gn*
unb AuSlanbcS in ißren wießtiaften Seßimntuugeu. gür beit
praFttfcßen Webraud) überfidjtlicß 3 ufammengeftellt. 4. Auflage.
Bresben 1899, Werßarb Küßtmann. 275 S. $reis 3 ,€ geb.
Söberblom, Vatßan, Pfarrer ber feßwebifeßen Wemcinbe in $aris.
Sie Religion unb bie fo 3 iale Wntwicflung. Vortrag auf bem
erften religionswiffenfcßaftlidjeu Kongreß in Stocfßolm gehalten
am 31. Auguft 1897. greiburg i. S. 1898, g. W. S. SKoßr.
96 S.
Seemann, SBilßelm, güßrer bureß bas Kranfen*, Unfall*, gnoalibi*
täte* fowie Alteroerßcßernngs*Wefeß. 3 l, l flmnten f lc ^ im Ü ^ cr
widjtigften Seßimntungcii in leicßt oerßänbltcßer unb Fnapper
SBeife. Karlsruße, Verlag ber W. Sraun’fdjen Höfbudjbntcferci.
31 S.
SKUtheiltutgen aus ber Verwaltung ber bircFteu Steuern im
preußifdjen Staate. 9fr. 35 unb 36._ Serlin l« 9 s,
9t. o. federte Verlag, W. Scßencf, KÖntgl. Hofbudjßäitbicr.
Sa cm ei ß er, goßanit. SSarum? Vfenfcß unb Sucßßänbler. Scbens*
Auj 3 eicßnungen. Sicsbabctt 1898, Hans Sacmeifter. 247 8 .
$reis 2 M.
greiburg i. S. Vorlage bcS Stabtratßs ber Stabt greiburg i. S. an
ben Sürgerausfcßuß.
Dsnabrücf, Sericßt über bie Verwaltung unb ben Stanb ber We*
meinbeangelcgcnßeitcn ber Stabt Dsnabrücf pro 1. April 1897/98.
Statiftif ber VcidjStagöwaßlen oon 1898. 9tebft einer Fartograpßifcßen
2)arfteIIung. Searbeitet im Kaiferlidjeit Statißifcßen Amt. Wr*
gänsungSßeft 31 t ben Vierteljaßrshcften 3 ur Statiftif beS S)eutfd)en
Steigs, III. Serlin 1898, $uttfammer & Vtüßlbredjt. 78 S.
^reiS 1
Wef^äftsbericßt bes 9tßeinifcßcn Vereins 311 t görberutig bes Arbeiter*
woßitiingswefenS pro 1897/98.
Stettin, Sericßt über bie Verwaltung ber Weineinbcaugelegenßeiten
ber Stabt Stettin pro 1. April 1897/98.
SaS 5)eutfdje VoIFStßum. Unter Mitarbeit oon Dr. Hans Hcünot, $ro=
feffor Dr. Alfreb Kircßhoff, ^rofeffor Dr. H- A. Köftlin u. A.
ßeraitegegeben oon Dr. H^nS Steuer. Öcip 3 ig unb 93ieit 1898,
Verlag bes Sibliograpßifdjen gnßituts. 13 2iefcrungen 311 je
1 Jt. mit 30 tafeln in garbenbrud, Kupferäßung unb Hol 3 fcßnitt.
Heibelberg. Vorlagen bes Stabtratßs H e ^ c ^erg an ben Siirger*
ausfeßuß.
Revue Neo-Scolastique, publiee par la Societe Philosophique de Louvain.
5e Annee. No. 4. Novembre 1898. Louvain, Institut superieur
de Philosophie.
Augsburg, VerwaltnngsbericßtbeS StabtmagiftratsMugsburgfür 1897.
Qk gleicß 3 eitig hiermit aitSgegebene 9fr. 3 ber Sionatsfcßrift
„Qa» (Bm&thegttMif entßält:
3ur recßtlicßeii Stellung ber Heimarbeiter. I. Von Vf. oon 6cßul,L
Vorf. beS (9cwcrberidjts Serlin. — Serfaffuitg unb Verfahren:
Kur 3 e Notizen. Von Vfagiftratsaffeffor Saubünger in Stettin. —
SRecßtfpredjung: Vfittljctlungen aus ben dntfcßeibuugen ber
©ewerbegerießte Serlin, granFfurt a. Vf., H am ^ lir 9/ Sreiburg i. S.,
Stettin, eines ©ewerbegeritfjts in Siibbeutfcßlanb unb ber ßanbgericßte
Serlin, Stettin. — Allgemeines über ©eroerbegeriißte unb
ArbeitSoertrag: Aus bem gaßreSbericßt bes Olewerbegeridjts
Vfiincßen fiir 1897; SeFanntmacßung ber ©ewerbegeridjte über
ArbeitSoerßältniffe ißres Se 3 ir!es. (Geringe Seitußuug ber Arbeite*
Zettel. — VerfdjiebeneS: Seiftßerorganifattoueu; 3 una & me ber
gütlicßen Segleidjung oon ArbeitSftreitigFeiten in Wnglaub. —
SriefFaftcu: ©re^; Wannftatt, Stettin. — giißaltsaugabe ber
„So 3 ialen ^ßrai'is".
»erantroortltc^ für bie Slebaftton: Dr. örnft gtcnicfe (11 Serlin W., Sagreutijcrftra&c 2.*.
239
©oktale ^ßrajig. ©entralhlatt für ©ojialpolitif. 9lr. 9. 240
©ie ,,$o|taI» ^ratrU ’ 5 erfc^eint an jebem ©onnerötag unb ift burdj alle 33ud)f)anblungeu nnb «ßoftämtet (fJoftaeitungänummer 6729) )u begießen, ©er IßretS
_fflt bag aStertelfäbt ift 3B. 2,50. gebe Mummet Foftet 30 $f. ©er Stnaeigenpreiö ift 60 $f. für bie breigefpaltene ^etitaeile.
©einnäcfjft mirb uerfanbt:
Katfcv UHlljdnt I.
3301t
Profeffor Dr. <Erictj ZtTarcfs in Ceipftg.
Srittt, Octieffertc nnb »ermcljrte Stuffage.
6t uni l’ü i ; oßfii ßt, 8°. $rel« 5 SHf. 40 <pf., tu feinem fielttenbb. 7 SDtf., tu bclbfri&b. 7 üKf. oo $f.
v'sn btrfcr brittcn Auflage wirb bic gefamtc ^eitgcuöffifdK l'itteratur,
alfo N £ismarrftf „(stebanfeu mtb Urimierurigeit", bic ^Briefe ?lOcfrii£, aud)
btc bctbcn SJeröffrntlidjungcii 5ÖÖ 33ii|cf)C’, legiere foioeit fic Urfmiblidjcd
enthalten, bcriirffhljtigt fein. SBic SHarcfä’ 33nrf) non bei* Airitif mit
fclteiicr liinmütigfeit al£ bic hefte Biographie Ataifcr Bülheims 1. an*
erfannt morbeit ift, mirb cö itt feiner neuen Gteftalt bie eingclicnbfte unb
nnhefanpenfte SSürbignng bev großen Staatsmannes enthalten, bie jur
^jeü emittiert.
®tto Jiebiiinnn, Prrlagsbnd)f)anb[nng, rillt W. 35.
Soeben erfdjien:
§trafrfd)t UH» Unlitili.
51t cetera. Bon 3ttftu$ <£lctttett$. 110 S. gr. 8°. 2ft. 1,60.
grüfjer crfdjicnen:
Sie fmittlffngr ber arhritenhen JUa jfrn
ttt 4ßprlt1t ^ on Dp * ^ffift- am etatift.
III 21 mt ber Stabt Berlin. 5Kit mehreren
grapljifdjen ©arftellungen. 1897. 5,50.
fic Änitfutjflrfle. 8 SSW »rS
rat l)r. aRiinfterbcrg. 1897. ö)eb. 3N. 3,—
Demnächst erscheint:
Deutsche Wirtschaftsgeschichte.
Von
Karl Theodor von «Iiuuna - Steriiegg,
k. k. Soktionschef, Präsident der k. k. Statischen Zentralkominission in Wien.
Dritter Band, erste Hälfte.
Etwa 30 Bogen gr. 8 Ü . Preis etwa 11 Mk.
ln der ersten Hälfte des dritten Bandes behandelt der Verfasser Kolonialgesehichte und städtische Entwickelung,
Grundbesitz und Bodenkultur für die Zeit des 13. bis 15. Jahrhunderts. Die zweite Hälfte wird die Geschichte der
Gewerbe, des Handels und der Schiffahrt, des Geld- und Kreditwesens bringen und mit einem Gesamtregister über alle
drei Bände das Werk abschliessen.
Früher erschienen von demselben Werke:
Erster Band:
Deutsche Wirtschaftsgeschichte
bis zum Schluss der Karolingerperiode.
XXIII, 527 S. 1879. Preis 12 M.
Zweiter Band:
Deutsche Wirtschaftsgeschichte
des 10. bis 12. Jahrhunderts. -
XX, 518 S. 1891. Preis 13 M.
Eekert, Christian, Das Mainzer Schiffergewerbe in
den letzten drei Jahrhunderten des Kurstaates.
3 M. 80 Pf.
Gothein, Eberhard, Pforzheims Vergangenheit. Ein
Beitrag zur deutschen Städte- und Gewerbegeschichte.
2 M. 20 Pf.
Gothein, Eberhard, Die deutschen Kreditverhältnisse
und der dreissigjährige Krieg. (In: Samml. staatsw.
Schriften). Geb. 3 M. 20 Pf.
Hätschelt, Hans J«, Das Manufakturhaus auf dem
Tabor in Wien. Ein Beitrag zur österreichischen Wirt¬
schaftsgeschichte des 17. Jahrhunderts. 2 M. 80 Pf.
! Jnama-Sternegg, Karl Theodor von. Die Aus-
j bildung der grossen Grundherrschaften in Deutschland
während der Karoliugerzeit. 3 M. 20 Pf.
j Meyer, Hans, Die Strassburger Goldschmiedezunft von
I ihrem Entstehen bis 1681. Ein Beitrag zur Gewerbe-
j geschichte des Mittelalters. 6 M.
j Nähling, Eugen, Ulms Baumwollweberei im Mittel-
I alter. Ein Beitrag zur deutschen Städte- und Wirt-
! schaftsgeschichte. 5 M.
[ Wiedfeldt, Otto, Statistische Studien zur Entwicke-
i lungsgeschichte der Berliner Industrie von 1720 bis
1890. 9 M. 60 Pf.
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
_ A. Troschel, Berlin W. _
*
Das
Krankenversicherungsgesetz
vom
15. Juni 1883
Tü. April 7892'
Mit Einleitung und Kommentar
vou
Julius Hahn,
Amtsgerichtsrath.
Zweite, umgearbeitete und reich vermehrte Auflage.
1898. Preis 6 Mk., geb. 7 Mk.
Revue d’Economie
PoJitique.
Hgg. von Gauvw&S, Gide 9 Soh wiedland und VHloy* Redactionssecretäre: Jay
und Souckon. Diese Monatsschrift brachte bisher u. A. Beiträge Yon Beauregard, v. Böhm-
Bawerk, Brentano, Bücher, Clark, Cossa f, Foxwell, Issajev, y. Körösi, Lareleye
Leyasseur, Loria, Macleod, Mataja, dn Maronssem, Menger, v. Miaskowski, Mnnro,
y. Philippoy ich, Piernas, Pigeonneau f, Rabbenof, Sauzet, Schmoller, Walras, Webb,
Westergaard. — Ständige Chronik der Wirtschafts-Gesetzgebung Frankreichs.
Preis jährlich 21 Francs.
Verlagshandlung L. Larose in Paris.
Bcrunhuoinidj für bie önjcigcn: 4>eflmutl> ©etbel, ßeipjig. — Bcrlag oon Suncfer & £>umblot, Vciysig. — ©ebnuft bei Suliuä -Ittcnfclb, Scrllit.
vm. fiiljrgmtg.
Serlin, ben 8. Sejember 1898.
Ütummtr 10.
Softdk ptctris»
^entra£ 6 fatt für §> 03 ict£:po£ifili
mit ber SWonatSbeilage:
Das ©ewerbegevicht.
©rgait bes Oerbanbes beutfdjer (Betrerbegericfyte.
9tcuc golge bcr „Blätter für fojlale unb beS „Sogialpolittfdjen GentralblattS*.
ttrMcint an lebe® Scmuerfiag. Herausgeber: 0«W btertelMrliit 2 Ol. 50 $?.
SRcboftion: Berlin W., Sahreuthevftrafce 29. Dp. Ctttfl «ftUHlfet* ©erlag Oon Wunder & Humblot, Seipgtg.
Inhalt
(ginc Sltbeiterprobuftibge*
noffenfdjaft in ber (SUaSin*
buftrie SRoxbböIjmenS. I. ©on
Dr. 3Raj bon Tapenttjal, 1. ©e»
fretär ber J&anbelfi« unb ©ewerbe»
fnmmer, 9tetd)enberg.241
©ie Drganifation ber amtlichen
©treifftatiftif. ©on Dr. Gfrnft
§ ran de, fflerlin.246
tVgeaieta* SojUl* *»b
»#l litt.248
©ie ©oaialpolitif in ber beut*
fdjen Tljronrebe.
©oaialpolitif d»e «rbeiten be«
ftanaöfif djen Parlaments, ©on
fy. ©cfcottljdfer, ©axi«.
Snbuftxiefammm ern.
©in foaialifttfdjeS „©lebisdt" in (Sng*
lanb.
<Sinigung8ämtex in Belgien.
Dr. öeumet unb Dr. non 5totten*
bürg.
ftraumaale «oataUioltrt* ... 252
©oaiale Äommiffion in bet ©tabt*
bexwaltung Münchens,
kommunaler ®rbeitexfc$ug in ©axi6.
•*StsIe SnWnbe : .252
§rembfpxacbli<ge Arbeiter in Wjeinlanb*
SBeftfalen.
Sftabattfparoereine in ©xeufcen.
©rhebungen über ben ©efunbpeitfl*
jnftanb beS ©oft» unb Telegraphen*
perfonalS in ©eutfcplanb.
©exgaxbeitexlöljne in ©xeufcen.
HWinimallöljne für belgifdbe (Sifenbafjn*
arbeiter.
VtteitevtetMgaag.253
ßur beutfdjen ©exgaxbeitex*©ewegung.
©et Btemfdjeibex Äran!en!affen»tMu8*
ftanb.
©ie ©adexei*9lxbeitex ©exlinS.
©erbot üon Slxbeitexfongxeffen in
Ungarn.
Lohnbewegung in bet belgif^en Äoh»
leninbuftrie.
Bewegung unter ben englifchen ©ee*
leuten.
©ach bem Kampfe in ©übwale«.
Vtbettetffta«.255
©ochmald bie Befestigung bon
SHxbeitexinnen unb jugenblichen Mr*
beitem in 3i*Ö e fct en - ® om ® c *
merberath 3»aeger, ©erlin.
©djufcmagnabmen für Arbeiter in
Thoma$f<bIadenniühlen.
Orbeiterfchuh im ©augewerbe in
©apero.
internationaler Äxbeitexfdjufe; Eintrag
im öfterreiebifeben Obgeorbnetenhaufe.
©d&ufcgefefc für ^anbtungfgehülfen im
ftanton Büxidj.
©Chu| beö SlrbeitSfontrafteS gegen
Ouflöfung burch milit&rifche Hebungen
in gxanfxeicp.
tttbdtetlictfldienitif. SU«* taffe» 258
©ie freiwillige Ältexfibexfoxgung ber
Öhbeitcr burch bie Orbeitgebet in
gxanfxeidj.
Mvtctt0aa«|tbei5.259
OrbeitSnachwei« ber ©atrioti*
fcheit ©efellfdjaft in Hamburg.
Drganifation be8 Ärbeitßmarfte« in
©elgien.
CBopIfabvttctovtcgtttngeu .... 260
Slrbeiterfürforge bei ben pxeugifepen
©taatSbafjnen.
fBoftnaaggwefea.261
©au* unb ©parbereine in Hamburg
unb Umgegenb.
£ur Söohnungönoth in (Sf)arIotten-
burg.
©aö ©chlafftellenwefen.
Coatete $l)gicur. 262
©ie ©erlittet SftettungSgefeUfchaft.
©tabttfd&e ©chulörate.
Oltterarifdie ftuftttarn.262
ttbbxud fömmtlicher Mxtifel ift ßdtungen unb B'üfcbriften geftattet, jeboch nur j
mit oollex Quellenangabe. !
!
(fine 3 ltbeUer|>vobulttingenonenrd)(iÜ in ber j
(Bla^httrpmareninbußrie ftoröböljmen?.
’ i~ j
Sn 9?r. 48 Snh r 9- VII biefes Blattes oom 1. September b. S*- i
ocröffentlichte 9tob. 'Jkeufcler, einer ber Sübrer ber öfterreid&ifdien
(^erüerff^aft^beroegung, einen Slrüfel über ben gegenwärtigen 1
ftanb in ber ©laäfuraroaareninbuftrie ©orbbölimen^, genauer ber
natf) bent Zentrum be8 Snbuftriegebiete^ bejeic^neten ©ablonjer
Snbuftrie, womit er bie ^(ufmerffamfeit aueb weiterer Greife auf
biefe Snbuftrie lenfte, welche bem ©ationalöfonomen wie bem Sojial-
politifer unb ©erwaltungöbeamten eine au&erorbentlidje Sütte be^
©tubien« unb $Beoba<f)tung3materiaIe8 bietet unb welche namentlich
Bet llnterfuchungen über ba§ 3Befen beS SSerlag^fpftemS nicht über«
gangen werben fofl.
5lu^ biefem Söetcieb^fpftem finb in erfter 9teihe bie immer
wieberfehrenben Ärifen biefer trofc berfelben gumeift blühenben
unb für OefterreichS ^olföwirthfchaft fehr bebeutfamen Gjport»
inbuftrie gu erflären, inbem alle ©acfjthcile ber |>au§inbuftrie hier
ohne SluSnahme gutreffen. Sn einigen 3weigen biefer oielgeitaltigen
Snbuftrie fpielt allerbing# neben bem ©etrieböfpftem noch bie
itobe eine au^fchlagacbenbe stelle unb ift ber "Bechfel berfelben
bie Urfad)e ber h^ftigiten @rf(Fütterungen, bie bann häufig felbft
auf bie übrigen 3weige guriiciwirfen. Sn anberen 3 ^ e i 9 e n ba*
gegen laffen ftch bie ^achtheile beS 33etrieb£fgftem§ mit umfo
größerer i)eutli(hfeit auf ihre llrfachen hin prüfen, al8 e@ ftdh um
haaren hnnbelt, welche trofe ihre« ßufuScharafterS ©egenftänbe
eines bauemben 33ebarfeS finb unb für welche baS ©ablottger
©ebiet ber eingige (SrgeugungSort ber »Belt ift, um eine $robuftion
alfo, bei ber bie Schwanfungen auf bem Beltmarfte, Äonfurren^
oerhältniffe unb felbft fonft tiefeinfehneibenbe hnnbelSpolitifche 9JtaB*
nahmen faft feine ober nur eine nebenfübliche Atolle fpielen, bei
ber bie inneren Grfcheinungen baher auch gumeift auf innere ilr*
faihen gurüdfguführen ftnb.
Se madjtlofer bisher bie ©efehgebunaen jenen Schaben beS
SSerlagSfpftemS gegenübet^tanben unb je refultatlofer bie fchwachen
Slitläufe geblieben finb, bie in Defterreich wie anberwärts in lefeter
3cit gum 3n>ecfe ber ftaatüchen Regelung ber Heimarbeit genommen
würben, umfomehr mu& baher ein 3?erfuch intereffiren, ber gegen*
wärtig in einem 3roeige ber ©ablonger Snbuftrie gemacht wirb,
um im Bege ber Selbft|ülfe einerfeitS bie wirthfchnftliche 6age ber
Arbeiter gu beffern, anbererfeits in 3 u ^nnft bie Schaben beS 33er*
lagSfijftemS gu befeitigen unb felbft in gewiffem 3Ka&e eittgelnen
fogialpolitifchen (Errungenfhaften ber anberen Setriebsfpfteme auch
in biefem Spfteme ©eltung gu oerfchaffen.
tiefer 33erfuch wirb gemacht in ber gormperleninbuftrie unb
ift nicht nur intereffant wegen bes angeftrebten 3n?ecfeS, fonbern
aud) burch gewählte Mittel, als welches bie (Errichtung einer
^robuftiogenoffenfehaft gewählt würbe.
^ie ©ablonger Snbuftrie ift, wie bereits erwähnt, aufeerorbent*
lieh oielgeftaltig. 23erfucht man trofebem eine J^ategorifiruitg, fo
fanit man als ihre bebeutenbften 3n>eige ^craorficben bie ©las*
fnopfergeugung, bann bie fßrobuftion oon ©lasfteinen, Simili*
biamanten u. bal., weiter bie ©rgeugung oon geblafeneit perlen,
ferner bie oon Vlrtifeln aus gepregtem unb gefchliffenem Mrnftall*
glas, namentlich oon Sufterartifcln, bann bie Snbuftrie in ©efau«
perlen unb ^Befapfteinen für ^ofamentriegmeefen unb enblidi bic
Herftellung oon Bijouterien, wogu ©las in Bcrbinbung mit Biotall
oerwenbet wirb, ^ie einzelnen biefer Steige finben bann noch
zahlreiche Unterthcilungen, wie fie and) oernhiebene llebergäuge
24*
Sogtale $rö£i8. (Eentratblatt für Sogialpolitif. Rr. io.
244
intterettianber öufweifen. 3>it”ber Sßerleninbuftrie fpegiell bilbet
eine ber Hauptgruppen bie (Ergeugung fogenannter Formperlen,
mit roelcßer ficß ungefähr ein Fimfunbgwangigftel ber gefammten
Arbeiterfcßaft ber eigentlichen Gablonger 3nbuftrie, b. i. etwas über
1000 gcfcßulte Arbeiter befd^äftigen, bie Vrob für über 3000 $er*
fonen gu erwerben höben.
Ki s Bäßrenb in anberen 3ro«9*n ber Gablonger Snbuftrie baS
VerlagSfpftem oerfeßiebeue VetriebSformen, namentlich auch ben
Vkrfftättenbetrieb aufroeift, beruht bie gormperleninbuftrie aus*
feßließließ auf ber Heimarbeit, 3n ber befißeibenen 2Bof>nftätte beS
Arbeiter« fpielt ficß ber gange ^robuftionSprogefe ab. 2>aS roichtigfte
HanbwerfSgeug bilbeit eine (Stichflamme unb eine VJetaflfornt in
roelchc bie perlen aus GlaSrößrcßen geblafen werben, um bann
mittels einfad&er 9Rafcßinen burch ben Arbeiter felbft ober ben
Lieferanten mit einem Silbereingug nerfehen, abgefprengt, oon grauen
unb Hinbern angefäbelt unb fobamt an 3nn|tßenglieber, bie Liefe*
ranten, beren bie Qnbuftrie etwas über 60 gäßlt, unb oon biefen
an bie (Exporteure geliefert gu werben. 3)ie ©efchicflichfeit unb bie
VJaterialfenntniß beS Arbeiters finb bie roießtigften Faftoren in
biefer Sßrobultion. 3ßr gefd)äftlicher £ßetl wiefeit [ich in ber 2Seife
ab, baß ber (Exporteur, ber eigentliche Verleger, trachtet, Aufträge
im AuSlaitbe gu erhalten, bie er bern Lieferanten gur Aus*
führung übergiebt, welcher bie bestellte 2öare oon ben einzelnen
Arbeitern gang ober theilweife fertigftellen läßt. tiefes Spftem
ermöglichte eS nun, baß bie Importeure, benen wegen beffelben
ein tieferer Ginblicf in bie VrobuftionSoerßältniffe in ber Siegel
abgeht, bas (Erlangen oon Aufträgen, bie gegenfeitige Honlurreng,
nießt burch Verbefferung ber 2£aare, fonbern burch roecßfelfeitigeS,
oon ber flauen überfeeifeßen Hunbfcßaft noch mit allerlei Mitteln
qeförberteS Unterbieten in ben VerlaufSpreifeu betrieben, auf
Höften ber ben Lieferanten gegarten greife unb feßließließ ber
Arbeitslöhne!
$)eren ftänbiger §erabbrücfung ftehen bie Arbeiter wehrlos
gegenüber, eben gufolge ihrer (Eigenfcßaft als Heimarbeiter, bie
gerftreut, ohne jebe Drganifation, theilweife an $auS unb Scholle
gebunben leben, ohne jebe Henntniß einer anberen gewerblichen
Sßätigfeit unb baßer ohne Vföglicßleit, in eine aitbere Arbeitsftätte
ober auf anbereS Arbeitsgebiet übergutreten, unb bie babei bie
Vefißer ber SßrobuftionSnuttel finb, beS eigentlichen, wenn auch
mäßigen AnlagcfapitalS, unb angemiefen crfcheincn, bieS auch gu
noch fo geringem Ertrage gu oerwertheu. Verfcßiebene fleine
VUttelcßen, baS AuSfpielen ber Lieferanten gegen einanber, bas
Umgehen berfelben, bie mit all biefen (Erfcßeinungen §anb in g>anb
gehenbe ^emoralifation ber Lieferanten unb Arbeiter ettblicß oollenben
baS Vilb biefeS HonfurrengfampfeS auf bem Vücfen ber Arbeiter.
s Bie beffen ERöglicßfeit aus bem VerlagSfpftem, fo ift aus ihm
bic (Erfcßeiming gu erflären, baß in ber furgen 3^it oon 1890
bis gu beginn biefeS Frühjahres ein Vücfgang ber greife um
runb 50o/o erfolgte unb ber Verbienft ber Arbeiter auf ein
Minimum, ca. 1 bis 4 fl. bei 70 bis SOftünbiger ArbeitS*
■geit in ber VJocße, fanf, troßbem ber Artifel oon feiner 9Robe
beeinflußt in gleichen, ja eher fteigenben jährlich auf ungefähr eine
SJtiHion Gulben gu bewertßenbeit Quantitäten, ßauptfäcßlich auf
bem inbifeßen unb afrifanifcßeit SRarfte ftänbig begeßrt wirb unb
troßbem bie Gablonger Formperlcninbuftrie feinerlei auSlänbifcße
Hoitfurreng ßat unb alle Verfudje, eine folcfje gu begrünben, bisßer
mangels eines entfpredjenben ArbcitermaterialeS feßlgefdjlagen finb.
£ie wieberßolten Verfucße ber betßeiligten Arbeiterfcßaft, biefem
Vücfgange ber greife unb Lößnc (Eiitßalt gu tßun — Verfudje,
bie gumeift in bureß Streifs ergwungenen Vereinbarungen gwifeßen
(Exporteuren, Lieferanten unb Arbeitern über euigußaltenbe
Sliinimallößne ißren AnSbrucf fatiben — feßeiterten gewößnlicß
in fiirgefter grift an bem allfeitigen Gefcßäfts* unb Arbeitshunger,
ber immer in allen betßeiligten (Gruppen Elemente fiitben ließ, bie
biefe Vereinbarungen, welcße niemals mit ftärferen — meift feßon
burch bie befteßenben Gcfeße auSgefcßloffenen — (Garantien um¬
geben waren, bureßbraeßen unb bamit autß fofort auf ber gangen
Linie unhaltbar ntaeßten.
2£aren ja bocß, wie erwähnt, feinerlei materielle Vücfficßten
gu neßincn unb fpielten ja in ber Halfulatioti ber Importeure unb
Lieferanten bie GeftcßungSfoften nur als (Einfaufsprcis, iticßt aber
als ^robuftionSfoften eine Volle. :£ic Halfulation biefer fonute tnan
rußig bem eigentlidjen ^robugenten, bem Arbeiter übcrlaffen, toeldjer
beim aueß richtig fein wicßtigftcS VrobnftionSmittel, feilte ArbeitS*
fraft, bie hier ben Hauptfaftor in ber Vrcisbilbung anSmacßt ober
weitigfteitS ausguniacßen hätte, nießt in bie Halfulation eittbegog
unb tu mangelhaftem Verftänbitiß unb im prange ber Votß weit
unter bereu OJefteßungsfoften, unter ben nothwenbigett Lebens*
bebarf herunterging. (Erft an ber äußerften ©reitge ermaeßte immer,
wenn aueß nid;t bie (Erfenntniß, fo boeß ber SBiberftanb.
5)aß unter biefen Verßältniffen enblicß hätte bie 3nbuftrie
felbft Schaben nehmen muffen, was fieß aueß in einer bereits be*
benfließen SBaarenoerfdjlecßierung, bem eingigen fonftaut ange-
wanbten ©iberftanbSmittel ber Arbeiter geigte, war felbftoerftänb*
Hdß. Als ficß baßer im Früßjaßre unb im Vegimte beS Sommers
biefeS SaßreS bie Lage ber Arbeiterfcßaft wieber auf Aeußerfte oer»
fcßlecßtert ßalte unb ein großer Streif ber Verlenarbeiter ßieoon
berebteS 3 eu 9™& 9 fl b, fonnten ficß bie berufenen öffentlichen Faf-
toren iw ^pinblicf auf bie Sntereffen ber 3n*mftrie überhaupt, wie
auf ben Votßftanb ber Arbeiter ber Aufgabe nießt entgießen,
wenigftenS ben Verfucß eines (Eingriffes gu machen.
Auf Aufforberng ber StaatSbeßörben unb im (Einoerneßmen
mit ben Sntereffenten oeranftaltete bie Veicßenberger HanbelS* unb
^ewerbefammer in ben erften SaÜtagen eine (Enquete, welcße bie
oorßin gefcßilberten Verßältniffe flarlegte unb bie Gelegenheit gur
Vefprecßung oon Mitteln ber Abßülfe bot. Vicßt eine neuerliche
VreiSfonoention, beren Grfolglofigfeit oorauSgufeßen qewefen wäre,
fonbern bie Verwirflicßung eines längft gehegten feunfcßeS ber
Arbeiterfcßaft unb einer namentlich oon bem Argt unb Sabrifanten
Dr. 3»an 2SeiSfopf bereits oor gaßren angeregten Qbee, bie Grün*
bung einer Vrobuftiogenoffeitfcßaft, war bieSmal baS günftige Ve*
fnltat ber Verathungen. S)urcß bie 3afammenfaffung ber gefammten
Vrobuftion beS VfaffenartifelS in ißrer §anb unb bureß bie Liefe*
rung ber V?aaren gu einem einheitlichen greife an bie Ggporteure
fann es einer folcßen Genoffenfcßaft in erfter Linie möglich fein,
aueß einheitliche Arbeitslöhne gu erhalten unb gleicßgeitig ber Veffe*
rung ber Vtaarenqualität ißr Augenmerf gugutoenben. ®iefe Gr*
fenntniß war es, bie benn aueß alle betßeiligten Faftoren bewog,
jene Grünbung naeß Hräften gu förbern, unb bereits in ber SRitte
beS VfonatS Anguft war baS ^rojeft foweit oorgefeßritten, baß bie
Statuten ber „^robuftiogenoffenfeßaft ber $oßtperlen*
ergenger im politifcßen Vegirfe Gablonj" hanbelSgericßtlicß
regiftrirt würben. Am 2. Dftober fanb bic erfte Generaloerfamm*
lung ber Genoffenfcßaft ftatt, ber faft alle betßeiligten Arbeiter unb
bie VJeßrgaßl ber Lieferanten beigetreten finb.
(Eines ber auSfdjlaggebenben Momente bei biefer Grünbung
war aüerbingS, baß ber GlaSfabrifant Viebel, ber Hauptprobugent
beS VoßmaterialS für bie Gablouger Snbuftric, ficß bereit erflärte,
ber Genoffenfcßaft als AnfangSfapital 100 000 fl. leißweife, unb
gwar für eine Veiße oon 3aßren unoerginSlicß unb für eine fpätere
3eit gu ben günftiaften Vebinijungen, gur Verfügung gu ftellen unb
fo bie finanzielle VafiS für eine gebeißlicßc Gntwiaelung ber Ge*
noffenfeßaft gu feßaffen, eine VafiS, bic baburd) noeß wefentlidß oer*
breitert würbe, baß aueß baS HanbelSminifterium, beffen jüngft
abgetretener Leiter, Dr. Värnrcitßer aueß ßiennit fein oielfeitig
betßätigteS fogialpoUtifcßeS Verftänbniß bofnmentirt ßat, gunäcßft
für baS fommenbe 3aßr eine Suboention oon 12 000 fl. gufid)crte.
2)ie juriftifeße Qrganifation ber Genoffenfcßaft berußt auf bem
„Gefeße über (Erwerbs* uub ^BirtßfcßaftSgenoffenfd^aften" oomSaßre
1873. 2)ie wießtigften Veftimmungen ber auf Grunb biefeS Ge*
feßeS ausgearbeiteten Statuten fowie ber biefe ergäitgenben unb
für bie praftifdje GefcßäftSgebaßrung ber Genoffenfcßaft ßoeßmieß*
tigen GefcßäftSorbnung follen nun im Solgenben mitgctßeilt werben.
Xie Genoffenfcßaft ift eine Genoffenfcßaft mit — auf bas 2)uplum
beS Antßeils — befeßränfter Haftung. Gcgeuftanb beS (4efcßäftsbetriebeS
ift bie lErgeugung oon SWaffenartifeln ber Hobt perlen brandic mit Aus*
feßluß jeber gcfrfiliffeneu 3i^aarc unb bereu Verfnuf auSfdiließlicß an bie
(Exporteure bes Gablouger politifcßen Vegirfe*. Sftitglieber ber Genoffen¬
fcßaft föunen nur Fadigeuoffen, ^erlenbläfer, gertigmadjer unb Lieferanten
werben, weldie minbeften* einen Antßeilfdjciu geießuen. 2)ie C^efcßäftS*
antßeilc ber s Uhtglieber finb bergeit auf einen Vetrag oon fl. 50 feft
gefeßt unb föunen burdj wöcßentlidic Vciträge oon 10 Aireugent ein*
gegaßlt werben. Außcrbem werben, folauge ber Gefcßäftsantßeil eines
Slfitgliebes uid)t ooll ciugrgalilt ift, bic hierauf cntfallenben 3infen auf
bas" (5onto bes GefdjäftoantßeileS gutgcfcßricbeu. Mein iWitglieb fann
mehr als 20 Gefdjäftsantbeile erwerben. Aebeit bem aus beit GcfcßäftS*
antßcilen gebilbeten Vtitglieberocrmögcn wirb ein Veferocfonb bis gur
Höhe oon fl. looooo augefammelt. S)ic ('Icwinuoertheiluug wirb in
ber Seife oorgeuonimcu, bafj oon bem fuß ergebeuben Reingewinne
10 % beut Rcferoefonb gugewiefeu werben, wäbrcnb ber ^)teft 'gunäcßft
gur Verginfung ber 0)efd)äftsantheile, weldje jebod) 5% nidit iiberfteigen
barf, oerwenbet wirb. (Ergiebt fidi ein weiterer Ueberfcßuß/fo wirb er gu
Vio unter ben gefdiäftsfiihrenben Vorftaub, ben Auffidjtsratß unb bie
Veamteii, gu 9 /iu aber unter alle Olcuoffenfdmftsmitglieber unb gwar nad)
Maßgabe ber oon jebem einzelnen gelieferten Vnwrenmengc, begießungS*
weife ber geleiftcteu Arbeit ocrtßcilt.
Als bas oberfte Crgan ber Gefdiäftslcituug fuugirt bic (General*
oerfammlung, in ber jebes SRitglicÖ fooiel 3ttmmeii als Antbeilsfdjciue,
245
Sogiale $tagii. Gentralblatt für ©ogialpolUtf. Rr. 10.
246
jebocß niemals meßr als 10 Stimmen hat. Der Generaloerfantmlung
fielen bie SBabl (unb enentuette Remuneration) beS RorftanbeS unb bie
SBaßl beS AufftcßtSratheS gu, ferner bie Reftimmuttg ber Höße ber Ge*
fcßäftSantßeile, bie Genehmigung ber GefcßäftSführung burch beu Ror*
ftanb unb Slufftcf)tSratß unb bie Sdjlußprüfuttg ber Rilang, bie Re»
ftimmung ber SRobalitäten ber Geminnoertheilung, bie peftfeßung ber
Öoßntarife unb bie Gntfdjeibung über Refdjmerben gegen bett Rorftanb
unb AufficßtSrath, fomie enblicß bie Romahme wichtigerer RemtögenS*
tranSaftionen. Die eigentlirfje GefdjäftSführuua beforgt ein breiglieberiger
Rorftanb, bem bie gerichtliche unb außergerichtliche Rertretung ber Ge*
noffenfeßaft gufommt, ber für flc zeichnet, bie Rudffüßrung, ftaffenge*
baßrung u. f. m. beforgt. Das mießtigfte Organ ift aber ein aus 18 Rtit*
gliebern beftehenber AufficßtSratß, ber bie Gefchäftsführung bes Ror*
ftanbeS übermacßt_ mit bem Rechte, RorftanbSmitglieber, fofern fie fteß
gegen bie Fntereffen ber Genoffenfchaft oergeheit, uon ber GefdjäftS*
Ieitung gu entfernen, unb an beffen 3uftimntung ber Rorftanb überhaupt
in allen mistigeren Angelegenheiten gebunben ift. Heber eine Reihe
non Gegcnftänben, wie über bie Aufteilung ber Reatnten, über bie Re*
fSaffung ber Rohftoffe 2 c. entfeßeiben Rorftanb unb AufffcßtSratß in ge*
meinfanter ©ißung.
Eine befonbere Rebeutung mirb ber bereits in ben Statuten, aber
namentlich in ber GefcßäftSorbnung ausführlich behanbelten Organifation
bes SBaarenßaufeS in Gablottg beigenteffen. Unter ber unmittelbaren
Leitung beS mit gemeinfam, oou ihm unb einem RorftanbSmitgliebe auSgu*
übenber $rofura betrauten Ghefbeamten ftehenb, beforgt bic|eS SBaaren*
Baus allein bie Lieferung ber SBaaren an bie Importeure. Die gange Rer*
reeßnung mit biefen, fomie anbererfeits mit ben Lieferanten erfolgt burch
Rermittlung ber Filiale ber bößntifcßen Unionban! in Gablong. Der
Ieitenbe Reamte führt lebiglidj eine mit einem unbebeutenben Retragc
botirte Hanbfaffe, roährenb alle größeren Gin* unb Anzahlungen burch
Amoeifungcn auf baS genannte Fnftitut ftattßnben. Dabei werben nicht
längere als einroödjentlicßc Sfrebite gemährt-. Die Lagerung oon SBaarcn
ift, fomeit nicht bas für eine rafeße Gefcßäftsgebahrung erforberlicße Rfani*
pulattonSlager in Retracßt lommt, genau in einer SEBeife geregelt, bie
es ermöglicht, auch mäßreub Abfaßftocfungen bis gu brei Monaten bett
Arbeitern fortwäßrenb Rerbienft gu geben, ohne eine Gefäßrbung ber
Genoffenfchaft, fei eS burch übermäßige Auslagen für Lageroorräthe
ober burch Gntmertßung beS Artifels bei Ueberproouftion herbeigufüßren.
Die ^robuftion felbft ift unter Reibehattung ber alten Retricbsfonn,
ber Heimarbeit, genau geregelt, uttb groar fo, baß auch bie Lieferanten,
bie ehemaligen SRittelglieöer jmifeßen Exporteuren unb Arbeitern, fofern fie
SRitglieber ber Genoffenfchaft merben, gum größten Dßeile eine Rermctt*
bung ßnbett, bie fieß oou ißrer früheren — aHerbittgs unter Uebcritahme
einer Reiße oon $fltcßten, betten numnehr eilt gefieberter ftäubiger Rer*
bienft geg^nüberfteht —, hauptfäcßlich nur babitrcf; unterfeßeibet, baß fte
jeßt anftatt an oerfeßiebette Exporteure, an bas RSaarcußauS ber Ge*
noffenfeßaft gu liefern haben.
Raturgemäß mar bie Abgrenzung ber Recßte unb $flicßten ber in
ben Genoffcnfdjaftsbetrieb übernommenen Lieferanten gegenüber ber.Gc*
noffenfeßaft uno gegenüber ben einzelnen Arbeitern eine ber fchmierigften
ber zu löfenbeit prägen unb bementfprccßcnb ftnb auch bie nteiften unb
betaillirteften Reftimmuitgen ber Gefcßäftsorbtiung biefent Gegenftanbe
gemibmet. Febern Lieferanten toerben, unb grnar nadj Maßgabe ber
totalen Rerßältttiffe eine Angabt Arbeiter, bie GenoffenfcßaftSmitglieber
ftnb, gugemiefett. Fm Rerßältttiffe gur 3 a ßl biefer Arbeiter, int all*
gemeinen aber möglidjft gleichmäßig, erfolgt bann au bie Lieferanten
bie 3 u tßeilung ber Aufträge burd) bie Gefcßäftsieitnng, oou ber bie
Lieferanten auch eine Reiße ber notßmenbigeu Hülfsftoffe, mie Silber,
Aetgfali, Rapier, Solle unb Rinbfaben fomie bie Rerlenformen gu
begießen haben. Der Regug beS Glafes gefeßießt bttreß bie Arbeiter
bireft; fte ftnb hierbei an feine beftimmte Rcgugsquelle gebuitbeii. Die
erhaltenen Aufträge hat ber Lieferant gleichmäßig unter bie ißnt gu*
aewiefenen Arbeiter gu oertßeilen unb hierüber, fomie über bie begaßlteit
Löhne, rücfficßtlich bereu er fieß an bie oon ber Genoffenfchaft feftgefeßten
Loßntarifc gu halten hat, Ruch 3 U füßren. Die fertige Saare mirb oou
ißm in beftimniter Aufmachung unb Rerpacfung unb mit ber regiftrirteu
©cßußntarfc ber GenoffeufSaft oerfeßen gu im Roraus beftimntten greifen
an baS Saarettßaus abgeliefert unb ßat er für ißre Oualität gu haften.
$>ic Lieferanten biirfen fid> nur mit in ben Geitoffeufdjaftsbetrieb auf*
genommenen Artifeln befaffcttutib folcße Artifelnur an bie (Genoffenfchaft,
feineSfaDs an außenfteßettbe Rerfonen liefern. Rur gegen Grlag einer
Kaution gur ®icßeruttg ber Icßterwäßntcn Rerpflidjtuttg fantt ißtten aueß
bie Herfteüung oott Artifeln, bie nicht in ben Raßnten ber Genoffenfdjaft
fallen, geftattet merben.
Die Rßicßtcn ber Arbeiter entfprcc^en benen ber Lieferanten. Aucß
bie Arbeiter haben fuß gunä^ft nur mit ben GenoffenfcßaftSartifeln gu
befaffen unb fte ausfdjließlicß für bie Genoffenfd^aft gu ergeugett. Anbere
Artifel gu ergeugen ift ißtten moßl geftattet, jeboeß biirfen fie biefe jeben*
faüS nur an bie Lieferanten, nicht an bie Grporteure bireft liefern.
3um 3roecfe ber Erfüllung aller baS Arbeitsocrhältuiß betreßettbett
Rcftimmungen ift ber Genoffeufcßaft ein roeitgeßenbes AuffidjtSrecßt ein*
geräumt, toelcßes bureß bie Aufficßtsrätße nach beftimntten ißtten gu*
gemiefetten RaijonS ausgeübt mirb. Strcitigfettcu gmifcßeu Genoffen*
jeßaft unb Lieferanten, ober biefen unb Arbeitern merben burd; ein
Scßiebsgcricßt gefd;lid;tet, baS in ber Seife gebilbet mirb, baß jeber
Streittßeil einen Scßiebsrid;ter bezeichnet unb bie fo begeießnetett ScßiebS*
rießter bann gemeinfam einen unparteiifeßen Rorftfcenben ernennen.
Refonbere Refüntmungett betreffen baS Scßulboerßältniß gur ^irttta
Riebel, welcher ein RorfdjlagSrecßt für brei SRitglicbcr bes Auffidjts»
ratßeS unb ben leitenbett Reamtett, fomie ein getoiffes Ginfprud)Sredjt
gegen Refcßlüffe ber GenoffenfcßaftSleitung gugeftanben. mirb, mit ber
Sirfung, baß itt berartigen gällen bie Gencraloerfammiuttg gu ent*
feßeiben ßat.
Die ftatutarifdien Reftimmungen über Auflöfung, ÄottfurS uttb
Liquibatiott ber Genoffenfdjaft cntfpredjett lebiglicß ben befteßettben gc^
feßlicßen Rorfcßriftcn.
Reicßenberg. t>on Da^entßal.
(Scf)lu6 folgt.)
Bte (Snjnnifation ber amtiidjen Streikftati|tik.
Saut Refdßluß beS RunbeSratßeS nom 10. 3utti 1898 merben
Dom 1. Januar 1899 ab im D)eutfdßen Reicße Ermittelungen gur §er*
fteUung einer ©tatiftif ber Streifs unb AuSfperrungen gefüßrt.
D)ie hierfür getroffenen Reftimmungen, bie bisher nur fumtnarifcß
befannt waren (oergl. „©ogiale $rafis ;/ VII. ©p. 864), merben
nunmehr in ben „RierteljahrSßeften ber ©tatiftif beS D>eutf<ßen
ReidjeS", .J>eft 4, mitgetheilt, gugleicß mit einigen Angaben über
bie Drgantfation ber ©treifftatiftif in Gnglaitb, Italien, 0efterreicß
unb ber norbamerifaniftßen Union. 2Lir werfen gunädßft einen
Jürgen Rlidf auf biefe RHttßeilungen, eße mir an bie Erörterungen
ber beutfeßen Rorfcßriften geßen.
D)ie ältefte attjäßrliiß erhobene amtltdße ©tatiftif, beginnenb mit
1888, befißt Englanb. Rorläufige Angaben merben allmonatltcß in
ber amtlichen „Labour Gazette“ getnadßt, bie enbgültigen Ergebniffe
merben bann iäßrlid) in einem befonberen Ranbe oeröffentlicßt.
D)ie ©tatiftif mirb im Arbeitsamt beS Board of Trade gefüßrt,
unb grnar finb für bie Ermittelung als geeignete Duellen nußbar
gemaeßt bie Sofal* unb bie ©eroerbepreffe, bie Reridjte ber ©ewerf*
oereine, ber Unterneßmeroerbänbe unb äßnlicße Racßricßten, bagu
fontmeit Rftttßeilungen oon ben in allen bebeutenben ^nbuftrie*
gegenben anfäffigeit „Labour Correspondents“ beS Arbeitsamtes.
Due gefammelten Racßricßten merben in ein Regifter eingetragen,
aisbann erfolgen genauere Erhebungen, in ber Hauptfacße bureß
Ausgabe oon Fragebogen an bie ftreitenben Dßetlc,
beueit baburdj ©elegenßeit geboten merben folf, ißrerfeitS eine
D)arftcUung bes Sattes gu geben. „Rtit bem Erfolge beS englU
fcßeit RerfaßrettS ift man ber amtUcßen ©tatiftif gufolge im ©angeit
guf rieb eit," bemerft ber Rerfaffer bes AuffaßeS in ben „Rer*
öffcntlicßungen". D)er Fragebogen ift feßr einfaeß; er enthält nur
Fragen nadj Drt, Refcßäftigung, ©runb ober ©egenftanb, 3 a ßl &er
betroffenen Retriebe unb Arbeiter (unmittelbar ober mittelbar),
D'auer bes ©treifs, Ergebitiß — baS ift Alles!
F« F^aufreieß unb Ftalieit berußt bie ©treifftatiftif im
Rkfentlicßen auf ben Rcricßten ber Rräfeften; in Ftanfretcß merben
fie oeroollftänbigt bureß bie ^rotofoÜe unb Entfcßeibungen im •
RermittelungSoerfaßreu oor bem FtiebenSricßter. D)aS Office du
Travail, baS bie ©tatiftif bearbeitet, oeröffentlicßt bie oorläufigen
Ergebniffe monatlich itt feinem „Bulletin“ unb bann gufammen*
faffcnb ttaeß Fößtesfcßluß (baffelbe tßut übrigens aucß Relgien),
mäßrenb Ftalien, mo bie ©eiteralbireftion ber ©tatiftif bie ©treifs
bearbeitet, nur eine aUjäßrlid)e ^ublifation ßerauSgiebt. Defter*
reieß ßat naeß Errichtung feines arbeitSftatiftifcßen Amtes biefem
bie feit 1891 im H<mbclSminifterium bearbeitete ©treifftatiftif über»
tragen. D)ie Erhebungen erfolgen in ber Hauptfacße mittels 3äßl s
Blätter, „melcße bie politifdjen Reßörbett erftcr Fuftattg, naeßbem fie
fieß tßeils bureß Rerneßmungen ber RetriebSleitunaen unb ber
Arbeiter, tßeils auf ©runb gemiffenßafter unparteiifeßer Erhebung
ber ißnen gur Rcrfüguttg fteßenben Drgane ilemttniff oerfeßafft
ßabett, auSfüUen fotteit." Ron ben Rehörbett unb ©eroerbeinfpef*
toren werben biefe 3äßlblätter bann ergättgt: „Auf bie Rtitmirfung
ber©etoerbeinfpeftoren legt man SLertß nicht nur, weil fie im
Allgemeinen mit Arbeiteroerhältniffen oertraut finb, fonbern aucß
beShalb, weil fie in ißrer AmtStßätigfeit ßäufig bei Ausftänben
oermittelub eingreifen." D)ie D)urcßforfcßitng ber Rreffe, bie Re*
fragung oon HanbelSfammerit unb F^bitftrtellen liefern weiteres
s IRateriaI. D)ie Reröffentlicßung erfolgt aUiäßrlidß. 3 ur 3 e ^ wirb
biefe ©treifftatiftif ttoeß oeroollfomtitnet. — D)ie Erhebungen bes
Department of Labor in ben Rereittigten ©taaten föttnen mir
ßier außer Adjt laffen, weil fie feine fortlaitfeitben Aufnahmen uttb
jäßrlicße Reröffcntlidjungen bringen.
Sie fott nun fünftig in SDeutfcßlanb oerfaßrett merben? D>te
Reftimmungen lauten in xßren roefentltcßen fünften folgenbenttafjen:
Rom 1. Smutar 1899 ab foll über jebe gemeinfantc Arbeitsrin*
fteUung mehrerer geroerblicßer Arbeiter (©treif) uttb über jebe gemein»
247
©ogiale $ra$t*. Eentralblatt für ©ogtalpoltttf. Rr. 10.
248
farne AuSfcßließung mehrerer gewerblicher Arbeiter oon ber Arbeit
(AuSfperrung) eine Rad)weifung auSgefüllt werben. Tie ^uSffilluitg
ber Racßwetfungen liegt ben DrtSpoligeioeßörben ob, foweit nic^t burd)
bie 2anbeS*EeritraIbeßorben anbere ©teilen bamit beauftragt werben.
Tie Radpoeifung wirb ber ßößeren Berwaltungsbeßörbe iiberfanbt,
biefe oerattlaßt bie Prüfung unb, foweit crforberlicß, bie SerooIIftänbi*
gung beS SnßaltS unb fcßitft binnen gwei Söocßeti naeß bem ©d)Iuffe
jebe« Vierteljahre« bie im 2aufe beS Cuartals eingcreidjten Radj*
weifungen an bas Kaiferl. ©tatift. Amt. Rüdfragett beS Kaiferl. ©tatift.
Amte« muffen bie ßößeren BerwaltungSbeßörbeit unmittelbar beant*
Worten. Ta« Kaiferl. ©tatift. Amt ßat für jebe« Vierteljahr eine
fummarifeße Ueberfid)t ber ©treif« unb AuSiperrungett unb für jebe«
gaßr eine ausführliche ©tatiftif fobalb als tßunlicß gu oeröffeittlicßen.
Tie Racßweifung fowoßl für ©treifs wie für AuSfperrungcn eut*
ßält 14 fünfte, biefe betreffen gleichmäßig £)rt, Eewerbeart, Angaßl ber
Betriebe, ©efammtgaßl ber in ißnen befrf)äftigten Arbeiter (barunter
Berfotten unter 21 fahren), Beginn unb Ettbe beS ©treifs (refp. ber
AuSfperrung), ^öcfjftga^l ber ©treifenben (barunter Biinberjäßrige), 3 a ^I
ber Kontraftbriicßigeu (barunter SRinberjäßrige), £>öcßftgaßl ber inbireft
oom ©treif erfaßten Arbeiter, Erüubc beS ©treifs uitb gorberungen
ber AuSftänbigen, Ergebttiffe beS ©treif«, Einmirfung unb Untcrftüßung
oon Berufsocreiuigungen unb britten B^rfonen, BcrgleitfiSoerßaublungeu
(unmittelbar gwifeßen ben Parteien, oor bem Olewerbegeridjt, burd) Ber*
mittelung oon SerufSoercimgurtgeit ober hätten Berfonen), poligeiließer
©cßufc Arbeitswilliger unb fonftige poligeiließe SRaßnaßmen, Benterfungeit
(auch barüber, ob bie ©taatsanwaltfcßaft in Anfprud) genommen worben
ift, fowie über nachweisbare Berlufte au Arbeitslohn wäßrenb beS ©tretfS).
TaS Bebürfniß nach einer amtlichen ©treifftatiftif ift in
Teutfcßlattb fehr ftarf unb bie Eenugtßuung, baß wir enblicß bie
Erfüllung biefeS ShmfcßeS oor uns fehen, wahrlich nicht gering,
©leitßwohl bürfen wir es nicht unterlaffen, Bebenfen über bie Art
unb 22 eife ber Ermittelungen 511 äußern. Es erftreeft fidß bie
Racßweifung auf oiel mehr fünfte, ak in aubern Räubern üblich-
TaS fann fehr werthoolleS Material ergeben, eS macht aber auch bie
Erhebung fchmieriger unb baS Ergcbniß unfießer. 3n ber SBaßl ber
Organe für bie Erhebung lehnt man fuß leiber an baS bureau*
fratifeße ©pftem in granfreieß unb Stalien an, aber nicht an bie
in Englanb unb 511 m SO^eil auch in JDefterreicß erprobte Btetßobe,
bie ben SOh^tBcftanb burch befragen ber Bnrteien felbft feftguftellen
furf)t. Auch in ber beutfdjjen ©treifftatiftif ift gwar ein bireftes
Erfunbigen bei ben Setheiligten nicht auSgefcßloffen, aber bie Ser*
muthung geht baßin, baß, felbft wenn bies gefeßieht, bei ben Orts*
poligeibeßörben bie ©timme ber Unternehmer größeren Einfluß hat
als bie ber Arbeiter. Eine bebauerliche llnterlaffung ift unfcreS
EracßtenS, baß bie EJewerbeaufficßtsbeamten nicht ausbrürflicß gu
ben Erhebungen ßerangegogen werben. Wäßrenb ferner Englaub,
granfreid), Belgien allmonatlich eine ©treifftatiftif in amtlichen
Blättern oeröffentlichen, foß bies in Teutfdßlanb nur okrteljährlirf)
gefeßehen. $>a$ ift ein gu langes gttteroau, wenn man bie wirth*
fcßaftlicßen golgerungen aus ber ©tatiftif für bie B™fk gießen
will. BefonberS aber fällt ber feßarf poligeiließe unb friminaliftifeße
Eßarafter einiger gragett auf, wie bie Erfuubigung nach ber 3aßl
ber Stinberjährigen, ber Kontraftbrüdjigen, ber poligeilicßen 9Raß*
nahmen unb beS ftaatSanroaltlicßen EinfcßreitenS; in Verbinbung
mit ihnen befommt auch bie grage nach ber Einmirfung ber Sc*
rufsoereine unb britter B er f° ncn e i ncn bitteren Seigefcßmacf.
$>iefe Ermittelungen fehlen in ben fämmtlichen Srageboaeit für bie
©treifftatiftif ber anberen ßänber unb fie fitib es, bie bei ber gur
3 eit in 2 )eutfcßlanb ßerrfeßenben reaftionären ©trömmtg in ber
©ogialpolitif bie Sefiird)tung naßelegen, baß eS fuß bei Der beut*
feßen ©treifftatiftif uießt bloß um Sejtftettung wirfhfchaftlicßer £ßat*
faeßen unb fogialer 3aftänbe, fonberit um Gewinnung oon An*
flagematerial gegen bie Arbeiterbewegung ßanbelt. 2Bir ßoffeit,
baß bie Antworten bartßun, wie ftarf im Allgemeinen — Aus*
naßmen giebt es natürlich auch hier — ber gefeßlicße ©inn in
ber beutfeßen Arbeiterwelt ift.
$>en 3 roc ^ ^ er Streifftatiftif in anberen Sänbern finbet bie
Bublifation beS Maiferlicßen ftatiftifeßen Amtes gang richtig in
erfter Sink auf wirtßfcßaftlichem unb fogialetn ©ebiete: „S3ie oft
bie einanber wiberftreitenben Qntereffeti oon Arbeitgebern unb
Arbeitern unter Anwenbung oon Arbeitseinteilungen, ben äußerfkn
Kampfmitteln, gum Austrag fommen, unter wcldjen llmftänben,
ju welchen 3roecfen, mit welchem Erfolge cs gefeßießt, welcße Solgen
fid) barauS für bas mirtßfd)aftlid)e Sebcn ergeben, baS fitib Aragen,
bie eine Beantwortung bureß bie ©tatiftif erßeifeßen. Unb uod)
ein weiterer 3 ^ ef f pflegt mit biefen ©tatiftifen oerbunben gu wer*
ben, ba bie begiiglidjen Ermittelungen eine Ieicßt greifbare ^JÜiög*
licßfeit bieten, einen Einblicf in bie baS ikben ber Arbeiter be*
wegenben Serßältniffe gu tßun." Es wäre crfreulid), wenn man
biefe BJorte aueß als s l)?otto ber amtlid)en ©treifftatiftif iu 2 )eutfd)*
Ianb oorfeßen fönnte! ' 22 ir müffen nun abmarten, wie fie ausfällt.
Eine Ergängung ßaben wir ja in ber oon ber Eentralfommiffion
ber Eewerffcßaften ocranftalteten ©tatiftif. Aber wie bie amtlichen
Erhebungen auch geftaltet fein mögen, ein Blicf in bie Organifation
ber ©treifftatiftif ber anberen Sauber läßt uns aufs 9ieue tief
beflagcn, baß wir eine Eentrale für fokße Ermittelungen entbehren,
bie jeßt naßegu alle Kulturnationen befißen unb beren SDafein fieß
ßöcßft frucßtbringenb erwiefen hat: Ein SfeicßSarbeitSamt!
Berlin. E. granefe.
Allgemeine Qojial* und fiJlrt!)fd)aft?politih.
$te ©ogialpolitif in ber bentfeßen Sßroitrebe.
^)ie erfte ©effion beS neugewäßlten Reichstages ift am 6 . £e*
jember oom Kaifer pcrföttlicß mit einer &ßronrebe eröffnet worben,
in ber bem Skicßstage oon ben oerbünbeten Regierungen folgenbe
Aufgaben auf bem (Gebiete ber ©ogialreform gefteßt werben:
^er weitere Ausbau ber fogialen ©efeßgebung liegt ben
oerbünbeten Regierungen nad) wie ooram$ergen. Auf biefcin
Eebiete wirb 3ßneit wieberum ein OJefeßentwurf gugeßen, ber ben
9)?äitgeln ber 3«oalibitätS- unb AIterSoerficßcrung in wefent*
Iid)en Begießungen abgnßelfeit fudjt.
^>nrd) eine Rooetle gur Eewcrbeorbnung foH ber ben gewerblichen
Arbeitern bereits gewäßrtc ©d)uß oor (fkfaßrett für Seben, Eefuubßeit
unb ©ittlidjfeit auf bie Weßiilfen unb 2eßrlitige im ^anbelsgcfcßäft
auSgcbeßnt unb gleid^geitig Bäßftänben gefteuert werben, welcße ftdj
namentlich in ber KonfeftionSinbuftrie gegeigt ßaben.
£>er Terrorismus, burd) ben Arbeitswillige an ber gortfeßung ober
Annaßtne oon Arbeit geßinbert werben, ßat einen gemeinfcßäblichen
Umfang angenommen. TaS ben Arbeitern gewäßrleiftete Koalition«*
red)t, weld)e« unangetaftet bleiben f 0 II, barf nießt bagu genüß*
braucht werben, bas ßößere Red)t: gu arbeiten unb oon ber Arbeit gu
leben, bureß (Siufcßüdjteruug ober Troßuug gu oergewaltigen. §ier bie
perfönlicße ^reißeit unb ©clbftbeftimmung 11 aeßbrü(fließft gu fcßüßett, ift
naeß Bkitier unb Bkincr ßoßen Berbünbeten Uebergeugung bie unab*
weisbare ^fließt ber ©taatSgewalt. .£)iergu rcidjen aber bie befteßenben
©trafoorfdiriften nießt aus; fie bebürfeu besßalb ber Erweiterung unb
Ergängung. Tiefem 3werfe entfpridjt ein ©efeßentwurf gum ©rf)uße
beS gewerblichen Arbeitsuerßältniffe«, welcßem ©ie, wie 3cß
guoerfießtlid) erwarte, oßre 3 ll ftiminung nießt oerfagen werben.
T)ie Tßronrcbc oon 1897/98 gebaeßte mit feinem 2öorte ber
Aortfüßrung ber ©ogialreform; tßatfäcßlid) ßat aueß ber BnnbeS*
ratß in ber Ießteti ©effioit bem RcicßStag weber auf beui (Gebiete
ber Arbeiteroerficßerung noeß beS At*beiterfd)ußeS eine Sorlage gu*
gehen laffen. Es war bamit and) äußerlich befunbet, baß ein
©tillftanb in ber ©ogialreform eingetreten fei. ©teßen wir jeßt
oor einem neuen Anlauf? Berbefferuug ber Snoalibenoerficßeruug,
©d)uß ber ,g)anbelSangeftclIten, Befeitigung oon Rtißftänben in ber
KonfeftionSinbuftrie werben angefiinbigt. ©elbft wenn bamit nur
AbfcßlagSgaßluitgen auf berechtigte öo^beruugen gegeben werben —
unb rneßr ift fd)werlid) gu erwarten — halten wir es für bk
Bflicßt ber Anhänger einer ©ogialreform auf ©runb ber faifer*
ließen Kunbgebungen oom 17. Rooember 1881 unb oom 4. Februar
1890 mit Eifer unb Ernft mitguarbeiten: 3teber toirflicßc gort*
feßritt, fei er an fieß noeß fo flein, ßat in ber ©ogialreform als
notßwenbige golge weitere ©cßritte naeß bent 3 kl e ßin!
T)aS ©d)wergewicßt ber fogialpolitifcßen Debatten wirb
aber nießt itt biefen pofitioett Rtafjnaßmeu, fonbern in
bem unter bem Rauten eines „ EkfeßeittmurfeS gum ©cßuße
beS gewerblichen ArbeitSoerßättniffeS" angefititbigten ©traf*
gefeße liegen. T)er itt ber Tßrottrebe gewählte Rame ift an
fieß oielbeutig; man fann aus ißtn aueß ßerauSlefett, baß baS ge*
werblidte ArbeitSoerßältniß naeß beibett ©eiten, alfo nießt nur
gegen Berftöße ber Arbeiter, fonbern aneß gegen folcße ber Unter*
tteßmer gcfdjiipt werben fott. Sttbcffen bie erläuternben Berner*
fungett müffen gu ber Aitttaßmc fiißreu, baß nur bie Arbeiter
getroffen werben foHett. B3ie bies möglid) fein wirb, oßne bie
Koalitionsfreiheit eingufeßränfett, ift uns nießt erfennbar. ©0 feßr
wir bie Bebroßnng uttb Riißßattblung Arbeitswilliger oerurtßcilen,
fo glauben wir bod) entgegen ben Porten ber Xßrottrebe, baß
bie befteßenben ©trafgefeße oöllig auSrcid)en, um Riiß*
ftättbeit gu fteuern, unb baß bie fogialen ©eßwierigfeiten
ber 3 c it bureß bie äußerliche Repreffion nur gefteigert
werben. Xod) Darauf wirb itäßer ciitgugeßeit fein, wenn ber ©e*
feßeutwurf, für beffeit angebliche Rotßtoeubigfeit bie Regierung ben
Beweis erbringen muß, oorliegt. Vorläufig ift er noeß nießt ein*
mal an ben Sunbesratß gelangt, wie beim aueß oon ben anberen
fogialpolitifcßen Vorlagen noeß feine gur Einbringung au ben
249
Sogtale prajis. Eentralblatt für Sogtalpoltttl. Nr. 10.
250
NeicpStag fertig aefteHt ift. Sie Sogialpolitif roirb natürlich fcpon
in ben Bubgetoebatten geftreift werben, ber $auptfampf aber roirb
erft oiel fpäter in ber Seffion entbrennen.
Sogialpolitifdje Arbeiten beS frangöftfdjen Parlaments.
Ser Bieberbeginn ber parlamentarifcpen Tagung pat in ber
Seputirtenfammer eine glutp oon fogialpolitifdpen Anträgen per*
oorgebracpt, bie aflerbingS tpeitroeife nur Neprifen aus ber oer*
gangcnen Legislaturperiode barfteHen. Sie Snitiatioe gu ben an«
geftrebten gefepgeberifcpen Reformen unb Neuerungen geht non ben
©Hebern ber oerfcpiebenften Parteien aus; hoch geigt fiep bie ©ruppe
ber fogialiftifchen Seputirten am fruchtbarften. — 3m Ntittelpunfte
ber fommenben Sebatten roirb neben ber Peptral’fcben Einfommen*
[teuer („Sogiale Praxis" Sflprg* VIII, Sp. 89) Die grage ber all*
gemeinen AtterSoerfidperung fielen. Es liegen hinüber brei
in ber jeßigen Sagung eingebracpte Entwürfe oor, bie gufammen
mit mehreren aus ber lepten Legislatur übrig gebliebenen projeften
in ber Arbeitsfommiffion ber Seputirtenfammer oorberatpen roerben.
darunter befinbet fiep eine oom oorigen $anbelSminifter, Barue*
jouls, ausgearbeitete unb oom Kabinett Griffon offiziell eingereid^te
Vorlage, roeldje — mie mir prioater 3nformation oerbanfen —
aud) oom NUnifterium Supup oor bent Parlamente oertreten
roerben roirb, obroopl es fiep nocp nicpt formell bafür erflärt pat.
Beiläufig mag pier erwähnt roerben, baß ber Ntinifterpräfibent an*
läßlich ber oon ibm präfibirten EröffnungSfipung ber Binteroor*
lefungen beS Ntufee Social fepr lebhaft betonte, baß ber Staat
überall ba mit oblifjatorifcper ©efebgebung eingutreten pabe, roo
bie freiwillige unb wbioibuelle giirforge nicht auSreid)t. Samit
ibentifigirte er fid^ mit bem Projefte Ntdruejouls. Auf biefeS unb
bie oerroanbten Anträge ber Seputirten Subuiffon (liberal) unb
Epauriere (Sogialift) fontmen wir nod) fpegiett gurüd.
Neben bem fogialiftifcf>en Anträge auf Schaffung eines
ArbeitSminifteriumS („Sogiate prajiS", 3a§rg. VII, 0p. 1281)
erfdieint nunmehr oon liberaler Seite ein Antrag Sutreij, baS
bcftebenbe office du travail in ein UnterftaatSfefretariat ber
Arbeit umguänbern, welches bem $anbelSminifterium angugliebetn
wäre unb baS ArbeitSred}t, bie £>pgiene, Ernten* unb ©enoffen*
fcbaftSroefen als Neffort erhalten foue. Sie beiben Einträge finb
recht aussichtslos. 9Nan pat im Bubget ber lepten 3ap*e bie
$rebite beS Arbeitsamts gang erheblich ßerabgefefet unb roirb fi<h
im Parlament nicht fo leicht oerleiten taffen, nunmehr roieber ben
entgegengefepten Beg gu roattbeln. Ser Antrag Sutreig: hält fiep
übrigens faum auf ber £>öpe ernftpafter Beachtung: 3it feinen
Botioen [teilt er baS Seutjcpe Neicp in Begug auf arbeitsftatiftifcpe
Bepörben granfreicp als Bufter bin. — Ser proteftioniftifcpe
3ug, unter bem bie frangöfifcbe BirtpfcpaftSpoIitif feit langen
Sabren ftebt, fucpt fiep nunmehr auf bie Baare Arbeit auSgubebnen.
Abgeorbnete, roelcpe ber fleinen neugebilbeten antifemitifdj-nationa*
liftifchen ©ruppe angeboren, haben groei projeftegurBeftcuerung
auSlänbifcper Arbeiter eingereidjt. SaS Projeft Bagniaube
oerlangt oon ben Unternehmern für jeben befcpäftigten fremben
Arbeiter eine ©ebüpr oon 50 EtS. pro Sag, baS anbere weniger
probibitioe oon Brice unb 3J?iHeoope mochte nur eine 'JNonatStaje
oon 5 grcS. (für grauen bie £>älfte) pro Üopf erhoben roiffen.
Beibe rooHen bie gu erroartenben ©innabmen für 3n>e<fe ber Alters*
oerftdberung oerroenben.
3ur Neform beS ^oalitionSgefepeS oom 21. SNärg 1884
gingen oon brei Seiten Anregungen aus, bie alle eine größere
gretbeit unb größere Selbftänbigfeit ber syndicats professionnels
anftreben. S)er Antrag Sanfette unb Wotte, eines ©rofrinbuftriellen
oon Noubaif unb BefieacrS oon 3ut^ ©ueSbe bei ben lepten
'Bahlen, forbert für biefe gachoereine bie oollen Nechte einer
juriftifdjen Perfon, namentli^ bie SNöglicbfeit, ihr Bermögen in
ooHer greibeit gu oerroenben unb gu oerroalten. Sie fogialiftifche
NooeHe BaSlp möchte ben gachoereinen auch nicht gum ©eroerbe
gehörigen perfonen als Blitglieber gulaffen, bie obligatorifcbe 6in*
reichuttg ber Blitglieberliften bei ben BerroaltungSbebörben ab*
fd^affen, um bem Arbeiter größere Sicherheit gegenüber ben Unter*
nebmetn gu geben. Nach öem Antrag Bartbe enblid) foH es ben
Spnbifaten möglich gemacht roerben, ihre gonbs für ©rbauuttg
oon Arbeiterroobnungen nupbar gu mad)ett, felbftoerftänblicb unter
©inbaltnng ber Beftimmungen beS SpegialgefepeS oon 1894 über
§erftettung billiger Bohnungen.
Sie unaufborlid) oon ber Arbeiterfchaftangcftrebte Befeitigung
ber prioaten Stellenoermittluugsbiireans roirb burd) einen
fogialiftifchen Antrag ©outant u. f. ro. aufs Neue in Erinnerung
gebracht. Siefer oerfucht, ben Arbeitsnachweis unentgeltlich gu
uta^en unb ihn auSfchlie&ticb ben Berufs!örperfd)aften unb ©e*
meinbebebörben ^u referoiren. — TOt ber Neorganifation ber
gabrifinfpeftton befchäftigen fleh S^ e i Anträge. Ser eine oon
ihnen, ©bnrleS Bemarb gegeichnet, würbe eingebracht als ©rfap
für bie immer oerfprochene unb immer auSgebltebene NegierungS*
oorlage über ftraffere Örganifation unb ^ompetengerroeiterung Des
SnfpeftionSbienfteS, welche heute nur burch einige Paragraphen beS
ArbeitSfdjupgefepeS oon 1892 unb einige Berorbnuitgen geregelt
ift (ogl. „Sogiale Praxis", Sabrg. VII, Sp. 1265). Ser anbere
Antrag, oon Sogialiften auSgebenb, bemüht fich, ben Arbeitern
einen größeren Emflup auf bie AufftchtSbehörben gu oerfchaffen,
einmal burch bie Nefrutirung beS AuffichtSperfonalS aus birefter
Bahl burch bie Betheiligten anftatt ber gouoemementalen Er*
nennung, fobann burch Beiorbnung oon ebenfalls gewählten
Spegialfommiffionen für jeben gnfpefttonSbegirf. Bie ber oorher*
gehenbe erweitert auch &W er Antrag bie ^ompeteng beS SnfpeltorS.
Erwähnen wir noch, befonbere Befprechung oorbehattenb, ben
fchon burch mehrere ßegislaturperioben hinburchgegogenen unb nun
roieber erneuerten fogialiftifchen ©efepentrourf gur Äobifüation
ber gefammten bie Lohnarbeit betreffenben ©efep*
gebung, um fo einen befonberen code du travail gu fchaffen.
Ebenfo muft ber oon bem Seputirten unb Profeffor an ber Parifer
Necptsfafultät Beauregarb eingebrad;te Antrag auf Umgeftaltung
ber ©eroerbegerid|te, nach welchem biefe förmliche ArbeitS*
tribunale roerben follen, gefonoert befprochen roerben.
Paris. g. Sdhotthöfer.
3nbuf)riefammeru« Bieberholt haöen wir in Iepter 3 e ^ ^ur*
auf hingeroiefen, bafe oon fonferoatioer Seite eine aemeinfame
Drganifation ber inbuftrieüen Arbeitgeber unb Arbeiter befürwortet
roirb. Auch in ihrer Nummer 564 befdjäftigt fich bie Äreuggeitung
roieber eingeheitb mit biefent ©ebanfen unb groar bieSntal an ber
$anb ber Ausführungen BranbtS * §>ipe über ArbeitSfammern auf
oer lepten ©eneraloerfammlung beS BerbanbeS „Arbeiterroohl"
in Strapburg. Obwohl baS feitenbe fonferoatioe Blatt an ben
bort gemachten Borfdjlägen manches im Eingelnen auSgufepen hnt,
erflärt es hoch ben Plan für fehr erroägenSroerth: „ES ift ftets
baS Srachten ber Sfonferoatioen geroefen — unb ift eS unoeränbert
noch b eu * e —< eine aemeinfame Drganifation oon Arbeitgebern
unb Arbeitern in ber gnbuftrie herbeiguführen. ©egenfeitige Aus*
fprache führt am lepten Enbe gu aegenfeitiger Berftänbigung unb
gur AbftanbSnahme oon unerfüllbaren Bünden." Ser Name
„Snbuftriefammern" erfcheint bem Blatte jeboch paffenber als ber
oon „ArbeitSfammern". Ser Name tljut wenig gur Sache, aber ge*
fpannt mufe man nun fein, wie bie fonferoatioe Partei imNeidjS*
tag fich oerhalten roirb, wenn baS Eentrum, wie roir hoffen, einen
bem §ipe’fchen Projeft entfprechenben Antrag einbringt. Einiger*
maßen ftupig muß eS machen, wenn bie Äreuggeüung erflärt, einer
3ufantmenfaffung ber Begirfsfammem in einer Spipe, einem
NeichSarbeitSamt, oorläufig noch feinen rechten ©efebmaef abge*
roimten gu fönnen. Anbere Aeußerungen legen bie Bermuthung
nahe, baß eS bem fonferoatioen Blatt bei ber gangen Angelegenheit
me|r um eine Befämpfung ber Sogialbemofratie als um eine
görberung ber Arbeiterintercffen gu thun ift.
Ein fogtaliftifdjeS „PlcbiScit" itt Euglanb. Einige Sogialiften*
führer Englaubs, bie im „Elarion" ihr Organ hoÖen, rooHen eine
ftärfere Aftion ihrer ©efinuungSgenoffen einleiten. 3 U liefern 3ioecfe
haben fie gunächft eine Abftimmung über bie grage ber Annahme einer
neuen Politif im Parlament unb bei ben Bahlen oeranlaßt. SaS
Eraebniß biefeS BotumS liegt oor unb baS erfte, baS baran auf*
fällt, ift bie ©eringfügigfeit ber Betheiligung. Nur 8885 Perfonen
haben abgeftinunt, unb ba oiele oon biefen nicht Böhler finb, fo
erhellt, roelch geringen Einfluß biefe Schaar auf bie Bahlen hoben
fann. BaS bie Eingelheiten betrifft, fo fpriept ficb eine fepr große
Ntehrheit für bie Bilbung einer einzigen fogialiftifchen Partei auS;
bei ber nächften allgemeinen Bapl follen in erfter Linie Sogialiften
aufgeftellt roerben, roo bieS nicht angeht, will man für biejenigen
$anbibaten anberer Parteien ftimmen, bie ben fogialiftifchen gor-
berungen am meiften entgegenfomnien, bie frühere görberung ber
Bahlentpaltung ift bamit aufgegeben. Auch ein „praftifcheS Par¬
lamentsprogramm" ift angenommen worben, unb eS ift eben fo
begeiepnenb für bie englifcpen Sogialiften, welches bie eingelnen
punfte beS Programms finb, als auch, roeldje Stimmengapl biefe
erhalten haben: für Neferenbum unb Soitiatioe nad) Srfjroeiger
Bufter paben fiep 5965 erflärt; bie nächften gorberuugen: Alters*
oerforgung, Befdjaffung oon Arbeit für ArbeitSlofe, Abfdjaffung
oon Sünberarbeü bis gum 14. 3opre unb gefeplidjer Acptitmtbentag
haben groifepen 5115 unb 4763 Stimmen erhalten. Sie oolle Be*
fteueruug oon ©runb unb Bobeit, bie Nalionalifatiou beS Laubes,
251
©ogiale $ra£t$. Gentralblatt für Sosialpolitt!. Sir. 10.
252
bie Sorberung non Diäten unb Seftreitung ber Sßahlfoften, foroie
bie Serftaatlid)ung ber Gifenbahnen fiitb mit 4052—3709 Stimmen
angenommen, baS allgemeine Stimmrecht hot nur 2856 bc!ontnten.
GS folgen bie Befreiung oorn Schulgelb, bie Serftaatlidjung beS
SchanfgeroerbeS foroie ber Sergroerfe, bie Ginführung oon Stich*
mahlen unb Erhöhung ber GrbfchaftSfteuer, roofür groifchen 1976
unb 1423 Sotanten eintraten, Gang gulefct fommt eine alte gor*
berung ber fogialbemofratifchen Söberation: Free Bread for all
Applicants — fie erhielt nur 967 Stimmen. — $er gange Sor*
gang oon Nob. Slatdjforb unb feiner greunbe oom „Glarion"
beroeift anfs Neue, mie gering bie AuSftdjten für bie Grftatfung
ber Sogialbemofratie in Gnglanb finb, roährenb bie nichtfogialiftifdjen
Geroerfoereine fortroährenb an innerer $raft unb äufjerem Umfang
roachfen.
GimgimgSämter in Seiten. Aus Sörüffel mirb uns ge*
fehrieben: 3n eingeroeihten Streifen oerlautet, bah tnan im bclgifchen
ArbeitSmiuifterium mit ber Ausarbeitung eines GefefceS befc^äftigt
ift, meines an bie Stelle beS GefefceS oom 16. Auauft 1887 über
bie Conseils de l’industrie et du travail treten foH. GS mirb
barin angeftrebt, biefe tförperfchaften, bie bisher nur eine fehr
geringe Shrffamfeit enhoicfelt haben, gu oerbeffern unb inSbefonbere
fie geeigneter unb fähiger gu machen, um bei ßohnftreitigfeiten als
GimguitgSätntcr erfolgreich gu roirfen. Natürlich ben!t man aber
in Trüffel nid^t baran, beit AuSfprüdjen biefer GinigungSämter
irgettbrnie obligatorifche Gültigfeit gu oerleihen.
Dr. Sattster unb Dr. üon Notteuburg. 3Bir erhalten nach*
folgenbeS Schreiben mit ber Sitte um Aufnahme:
$)üffelborf, ben 30. Nooember 1898.
Sehr geehrte Nebaftion!
3<h fann nicht oerlangen, bah Sie ber in ber Anlage f&eutfdje
Snbuftriegeitung Nr. 23) erfolgten Grroiberung auf bie feitenS
beS Herrn Söirflidjen GeheimrathS Dr. o. Nottenburg gegen mich
in ben Artifeln „Herr Dr. o. Seumer unb bie englifdjen Xrabe
UnionS" gerichteten Angriffe einen $lafc in ben Spalten ber
„Sogialen Sßrajis" geroähren. SSohl aber glaube ich Sie er*
gebenft barum erfuchen gu bürfen, Sh^en ßefern mittheilen gu
moUeu, bah ich auf bie Dr. o. Nottenburg’fdje, meine amtliche
SBirffamfeit in einem ungeroöhnlichen Grabe herabfefcenbe Äritif
nteinerfeits in ber „S)eutfchen Snbuftriegeitung" Nr. 23 beS
XVII. SahrgangS geantmortet habe.
^So3)ad)tungSooI[ unb ergebenft
Dr. Seumer, 3JiitgIieb beS ^Sreufeifchen AbgeorbnetenhaufeS.
Herr Dr. oon Lotten bürg fenbet uns gu biefem Schreiben,
oon bem mir ihm ebenfo mie oon bem Artifel beS Herrn Dr. Seumer
Mcnntnih gegeben hatten, folgenbe Semerfungen:
Soun, 5. $>egember 1898.
Sehr geehrter Herr $)oftor!
Sn Grroiberung auf Sh* gefälliges Schreiben oon geftern
erlaube ich mir ergebenft gu betnerfen, bah ich es meinerfeits
nur befürroorten fann, rocitn bie ßefer ber .„Sogialen $rafis"
auf ben Artifel in ber $>eutfd)en 3nbuftrie*3eitung aufmerffam
gemacht roerben, in roelchem §err Dr. Senmer meine gegen ihn
gerichteten Ausführungen gu roiberlegeit oerfucht. 3<h mürbe eS
ant Iiebften fehen, roenn ber Artifel in Shrem Slatte Sßort für
S?ort reprobugirt roiirbe; benn roeit baoon entfernt eine „Ab*
mehr" beffen gu enthalten, roaS ich behauptet habe, femtgeichnet
er fich oielmehr als eine Seftätignng meiner $ritif. 3d) behalte
mir oor, binnen fturgem ben NachroeiS gu erbringen, bah bie
gange ©ebuftion beS Herrn Pr. Senmer fich lebiglidj in unbe*
roiefenen Sehauptungen unb roillfü dich eit ÜnterfteUungen beroegt.
3unächft nuih ich noch eine Änderung beS Herrn Spence Söatfon
abroarten. Herr Dr. Seumer fagt in feiner „Abroehr", mein
Gewährsmann habe bie Sdfjattenfeiten ber £rabe UnionS „nicht
fehen roollen unb fcheine fie auef) heute nod) nicht gu fennen",
toeil er, ein rabifafer ^olitifer, „auf bie Stimmen ber £rabe
Unioniften angeroiefen fei." 3d) fenne Herrn SktfonS 2Bahr*
heitsliebe genau genug, um gu roiffen, baß er biefe ohne jebe
Segrünbuitg gemachte Unterteilung nicht leicht nehmen unb baS
Sebürfnih empfinben roirb, fie öffentlich guriicfgnroeifen.
Sdjon heute muh ich aber eine Sehauptung in ber „Abroehr"
beS Herrn Dr. Seumer berühren, roeit fie fid) fd;einbar auf
einen Seroeis ftüfct. ^err Dr. Seumer beruft fich auf bie Ser*
hanblungen beS SereiuS für Sogialpolitif im Sahre 1890*)
gtint Seroeife bafür, bah „englifche Irabe UnionS ben Arbeit*
gebern bie Ginführung neuer Nlafdjinen unterfagt" hätten. Sn
: j Sgl. ©rfjvifteii b<\^ Screiits für Sogialpolitif Sb. 47 $>ic Aeb.
ben begeidjneten Serhanbtungen hat nur Herr Suedf behauptet,
bie Arbeiter eines SetriebeS — ber 9Äa£im*Norbenfelb SöorfS
— hätten einer Serbefferung oon 3Jla feinen Söiberftanb geleistet.
Son bem thema probandum, b. h- baoon, bah eine £rabe Union
fich in folcher Art „gum gierrn beS SetriebeS" gu machen oerfucht
habe, ift alfo in biefer Seroeisführung abfolut nichts enthalten.
3<h halte hiernach Alles, roaS ich in nteiner Uritif gefagt
habe, Söort für 3Sort aufrecht unb füge hingu: S)er un*
günftige Ginbrucf, roelchen bie Siebe beS $errn Dr. Seumer im
Abgeorbnetenhaufe bei allen Sachoerftänbigen h cr °argurufen ge*
eignet roar, roirb burch feine „Abroehr" noch mefentlich oerfchärft.
Genehmigen Sie, oerehrter §err, bie Serfitherung meiner
oolüommenften Hochachtung. oon 91 Ottenburg.
kommunale $o|ialpoltttb.
Sogtale Äommifüon in ber Stabtbertoaltnna Münchens» SDem
GemeinbefoIIegium (Stabtoerorbneten) liegt feit längerer 3*ü
„Sogiale S ^kafis" Sahrg. VII Sp. 1339) ein Antrag oor, es möge eine
aus ber Stabtoertretung unb ben Sntereffentenfreifen fombinirte ftän*
bige f ommiffioit gebilbet roerben, an roeldjc fogiale fragen oon ein-
fchneibenber Sebeutung gur Sorberathung unb üKeinungSäufeerung
gu überroeifen unb ber ebenfo Streitfragen gur Segleidjung gu
übergeben finb. derartige ^ommiffionen beftehen in einigen an*
beren Stäbten unb haben fich auch oielfach beroährt. 3n SJlündjen
beantragte ber AuSfchufe, ben Antrag afyjulehnen, roeü er hoch auS-
fichtSloS fei. 9la<h fehr lebhafter Grörterung aber befchlofe am
1. $egember bie SJlehrheit, trohbem bie Anregung bem Slagiftrat
gur SB&ürbigung gu überroeifen. — ®ie Hauptfachc freilich ift unb
bleibt, bah bie gefammte Stabtoerroaltung oon fogialpolitifcher
Gefinnung unb ^hatfrafl befeclt ift.
ftotmtwstaier 9(rbeiterffhub in $ariS» $)aS „Bulletin muni*
cipal officiel“ oom 9. SRooember oeröffentlicht folgenben Sefd)Iuh
beS ^arifer GemeinberatheS, betreffenb bie Regelung ber ArbeitS*
oerhältniffe feitenS ber Kommune:
2)aS Subfontraftroefen ift oerboten; bie bei ber Ausführung
ftäbtifcher Arbeiten befdjäftigten Arbeiter rnüffen bireft oom Unter*
nehmer, bem bie ßieferung ertheilt rourbe, angeftellt roerben. 2)er
5RormaIarbeitStag barf neun effeltioe Arbeitsftunben nicht über*
fchreiteit, auch ift roöchentlich ein Auhetag gu geroähren. 2ÖaS bie
Söhne anlangt, fo ift ber Unternehmer oerpflicptet, foroohl bei 3^it*
als bei Stücflohn minbeftenS bie für jebe Kategorie unb ^Sro*
feffioit fiyirten Slinimallöhne gu begahlen. Goenhiett erlaubte
Ueberftunben rnüffen mit 25 progentigern 3ufdtfag, bei 9lacht mit
bem hoppelten ßohn begahlt roeroen. 2)er Unternehmer barf nicht
mehr als ein 3^hntel ber Selegfchaft auSlänbifche Arbeiter befchäf*
tigen; bei Äafernenbauten bürfen nur frangöfifche Arbeiter be*
fchäftigt roerben. S^be eingelne Uebertretung roirb mit einer Sufj€
oon 10 3?rcS. geahnbet unb Nichtbeachtung ber allgemeinen Se*
ftimmungen gieht ben Serluft ber Lieferung nach fnh; iiberbieS hat
ber Unternehmer eine Kaution gu hiaterlegen, bie für bie regel*
mähige AuSgahlung ber ßöhite Garantie bietet.
t Jttflättbt*
^rembfprachUdhe Arbeiter in Nheintaub-SSeftfalen. Gegen baS
ftarfe Ginftrömen polnifd^er Arbeiter nach & eit rheinifch^roeftfälifchen
Snbuftriebegirfen bereitet baS Dberbergamt gu 2)ortmunb, ber
„£ölitifd)en 3 e itung" gufolge, eine Sergpoligeioerorbnung oor,
roelcbe u. a. beftimmt:
^rembfprachlidje Arbeiter bürfen auf Sergroerfen uub bagu ge*
hörigen Nebcnanlagcn nur befdjäftigt roerben, roenn fie genugenb beutfeb
oerftehen, um münbliche Anroeifungen ihrer Sorgcfehten unb 3Rit*
theilnngen ihrer Acitarbeiter richtig aufgufaffen. AIS Auffel)er, SRafdünen*
fiihrer, Surnoen* unb Mcffclroärtcr, liefmeifter, SBettcrleute, Crtöältcfte
(^rittclführer), Stfjacbtbaucr, Anfd)Iäger, Abnehmer unb Sorarbeitcr
auf ähnlichen Soften bürfen frembfpradfjige Arbeiter nur befchäfügt
roerben, roenn fie ber beutfrficn Spradje fo roeit mächtig fmb, bah f»e
biefelbc fertig fpred;eit unb in Schrift unb $)rucf fertig lefeu fönnen.
3ur Segrünbuug ber Ntahnahme roirb auf bie fchroeren fidjer*
heitspoligeilichen Sebenfen hingcroiefen, bie beim Sergroerfsbetrieb,
roo oont ^haa anb ßaffen beS einzelnen ÜRanneS oft bie Sicher*
heit Sieler abhänge, aus ber Unfenntnih ber beutfcheit Sprache
unb bem barauS entftehenben Nid)toerftehen oon Reifungen unb
3 urufen gu beforgen feien.
fRabattfparoereine. 3n ber „Sogialen SßrayiS" hat unlängft
(Sahrg. VII Sp. 1333) Herr gabrifant D. Steigert baS Sorgehen
unb bie SMrfungen ber Nabattfparoereine an einem befonberen
253
©ogtale «ragi*. «entralblatt für SogtalpolitH. Br. 10.
254
Beifpiel in Berlin fd^ctrf Beleuchtet. 3efct hat ber preußifdhe 2 Ri*
nifter für £anbel unb ©eroerbe ant 30. Booember eine Hborbnuna
beg Bunbeg ber grnnbel** unb ©eroerbetreibenben unb ber ©entraß
oereine felbftftänbiger ©eroerbetreibenber empfangen, bie in Ber**
tretuni} non 26 Bereinen eine Eingabe gegen bie Babattfparoereine
überreichte. Der Btinifter lieb fid) eingehenb über bie tbatfadjlicften
Berhältniffe foroie über bie ©ünfehe Der betfeciligten Greife, welche
bie Stellung biefer Bereine unter bag ©ir^fchaftggenoffenfchaftg*
fchaftggefefc foroie ihre §erangiehung gu ben ftäbtifchen unb ftaat*
tidhen Steuern beantragen, Bericht erftatten, unb erfuchte um ©in**
reichung ftatiftifchen SRaterialg, aug bem fidfj eine ©efammtüberficht
über bie Sdf)äbigung beg §>anbelg burd) bie Babattfparoereine
erfehen laffe. Der Brinifter oerfprach eine grünbliche Prüfung ber
Httgelegenheii.'
langet über ben ©efmtbbcitggitffaitb bei f oft* unb Delegrapljeti«
perfmtalg in Deittfdjlattb. Dag Beidjgpoftamt hat oerfügt, baß im 3aßre
1899 eine etngehenbe ftatifttfdje ©rljebung innerhalb ber $oft* unb Dele*
graphennermaltungen ftattgufinben habe, um über bie einrotrfung ber
uerfihiebenen Bcfchäftigunggarten im Sßoft* unb Delegraphcnbetriebe auf
ben ©efunbbeitSjuftanb beg $erfonal8 einen Ueberblid gu gewinnen.
Bergarbeitcrlöf)tie in ^teuften* lieber bie ßöfjne ber Berg**
arbeiter in Preußen im britten Cuartal biefeS Sahreg oeröffentlic^t
ber „Beichgangeiger" eine lleberftdjt, bie ^olgetibeg ergiebt:
3m Steinfohlenbergbau betrug ber Durdjfdjmttglofjn beS Arbeiters
für eine S<fjid)t in Dberfchleften 2,70 gegen 2, 69 JL im groeiten Biertel*
jahr 1898 unb 2, 68 im 3ahre£mittel 1897, in lieberfchleften 2,?i gegen
2 ^ä unb 2,59, im Cberbergamtöbegirf Dortmunb JL 3,78 gegen 3,69 unb
3 , 57 , Bei Saarbrüifen 3, S8 gegen 3,38 unb 3,34 unb bei Hacken B, 97 gegen
8,37 unb 3 , 19 . Der gefammte nerbiente reine Hrbeitglohn (nach Hbgug
aller HrbeitSfoften, foroie ber Änappfdjaftg*, 3nnalibität§= unb HlterS-
oerßdjerunggbetträge belief fuh im 3. Cuartal in 0berfd)lefien auf 208 JL
(tm 2. Quartal 182), in Bteberfchlefien auf 213 (193), Dortmunber
Denier 310 (281), Saarbrücfen 262 (241) unb Kathen M. 263 (243).
Beim Braunfohlcnbergbau im DbcrbergamtSbegirf §aüe betrug ber
Sthiihtlohn JL 2,79 gegen 2,71 im 2. Quartal b. 3- unb 2^4 im §al>re
1897, unb ber ©efammtlohn 218 gegen 200 JL im vorigen Bierteijabr;
ebenfo im Saigbergbau 3 ,59 gegen 3,49 unb 8 , 59 , foroie JL 280 gegen 257.
Sehnliche Sohnftcigerungen fmben fidh beim ©rgbergbau. Die Sunahme
beg Sohnes gegen bag oorige Bierteljahr fchroanft hier in ben einzelnen
Bejirfen grotfehen JC. 12 uno 29.
SRimmaUbhne für belaität ©ifeubahuarbeiter. Huf ©runb
einer im Huftrage beg belgifchen ©ifenbahmninifterg oeranftalteten
©nquete oerfügte biefer, baß fünftig bei ben ©ifenbahnen feine
Hrbeiter mehr unter einem Dagelohn oon 2,co 8 fr. refp. 2,so 3?r.
befdjäftigt roerben foHen. Die Berorbnung. fott gubern eine biß
gum 1 . Sfali rücfroirfenbe Äraft erhalten.
Atcbettetbetvegitttg.
Bergarbeiter-Beioegnng. Der Borftanb beg alten (fogial*
bemofratifchen) Berg* unb püttenarbeiteroerbanbeg im Bnhrreoier
hat nunmehr bie ßohnforberungen ber Bergleute ben 3 c <hen**
oerroaltungen gugefanbt. Bor ©eihnadjten foü außerbem ein
Bergarbeiter**Delegirtentag ftattfinben, auf bem in ber ßohnange*
legenheit enbgültig Befd)iuß gefaxt roerben foH. 3m Organ beg
©eroerfoereing c^riftlid^er Bergarbeiter, bem „Bergetappen", roirb
groar bag Bedangen nach weiterer Hufbefferung ber ßöhne für be*
rechtigt, burihführbar unb roünfchengroerth erflärt, aber gugleiih
oor einem Streif gewarnt, weil eg an einer gefdhloffenen Organi*
fation unb an Mitteln gum Streif fehle. 2)ie Buhrbergleute hätten
auch fö nc Beranlaffung unb 5uft, für bie Hrbeiter anberer Geniere
bie Äaftanien aug bem Sfeuer gu holen. $)iefe mosten fich guerft
beffer organifiren. lim eine beffere unb gerechtere Bertheilung ber
ßohne herbeiguführen, foHten Hrbeiteraugfchüffe eingeführt roerben,
bie bei ber Regelung ber ©ebinge unb Scfjicfjtlö^ne mitguroirfen
hätten. 3m Uebrigen möchten bie Bergarbeiter bie je^ige günftige
3 eit unb bie „giemlich befriebigenben" ßöhne (ogl. bie betreffende
SRotig unter ber Bubrif „Sogiale 3uftänbe" in biefer Bummer) be*
nufeen, um ftch beffer gu organifiren unb bie Organifation auch
finanziell gu fräftigen. 3 ngroifd)en hüben bei ben legten $napp*
fchaftgälteftenroahlen im Buhrreoier bie Oppofitionellen, bie eine
freiere Berroaltung ber $nappf<haftgfaffen burch bie Hrbeiter, fyöfyvt
ßeiftungen ber Waffen unb Bereinheitlichung beg Enappf^aftg«*
(Bruberlaben=*)2öefeng für gang $)eutftblanb erfireben, über bie @e*
mäßigten einen Sieg baoongetragen, ber auch bem alten Berbanb
gu ©ute fommen bürfte.
$ev Bemfdjeiber ^ranfenfafftnangfitanb (ogl. „Sogiale $ragig"
VIII Sp. 197) hat feinegroegg ben Umfang unb bie Schärfe an**
genommen, ben fogialbemofratifche Blätter prophegeit haben. 3n
SBirflichfeit war ber Hugftanb in groei Betrieben mit etwa 100
Btonn fehr halb befeitiat, ba bie Hrbeiter bie Hrbeit roieber
aufgenommen haben; auch in ben übrigen Betrieben ift bie Äünbi*
gung gurüefgejogen roorben, weil bie Hrbeiter fich gefügt haben
wohl auch m ber Uebergeugung, ba& bie neu gu erridhtenben Be*
triebgfaffen in oieler Begiehung mehr leiften roerben alg bie Bern**
fcheiber Ortgfranfenfaffe. 3nggefammt roerben einige groangig
Betriebgfranfenfaffen gearünbet, bie gufammen etwa 2000 SRit*
glieber haben roerben. ä)ie Ortgfranfenfaffe hat jefet 10000 BUt*
glieber, mit ben bleibenben 8000 Btitgliebern ift fie lebensfähig;
eg ift aber nicht abgufehen, ob eg nicht gu weiteren Hbfpaltungen
fommen roirb. BMe bie „9Jteb. Beform" melbet, roirb auch bie
(Errichtung oon Snnunggfranfenfaffen betrieben. Huch baburd)
roerben ber Ortgfianfenfaffe Btitglieber abroenbig gemacht. 2)ie
neuen Bemfdjeiber Betriebgfranfenfaffen fchliefeen fic^ gufammen
unb [teilen genteinfam 18 Hergte an. Böie ber 8 fabnfantenoerein
befannt macht, fteht ben SRitgliebern ber Betriebgfranfenfaffen bie
SBahl unter biefen 18 Hergten frei.
$ie Bäcferelarbeiter Beding halten am 29. Booember eine
Berfammluncj ab, in ber bie Shmdichfeit einer umfaffenben ßohn**
beroegung erörtert rourbe. HIg gorberungen rourben aufgefteKt:
1. Hbfchaffung oon $oft unb 2ogi§ int .£>aufe beg 2Reifterg. a) Hlg
©ntfhäbigung hierfür roerben pro 2Rattn unb SSodje 12 M. gegahlt.
b) 18 M. gelten alg SRinbeftlohn. c) f$ür gefeplt«h guläffige lieber**
ftunben roerben 50 begahlt.
2 . Stritte Durchführung ber Bunbegrathg=Berorbnung mit einer
Stunbc (Sfcpcutfe.
3. Begelung beg Hrbeitgnaihroeifeg auf unparteiifcher ©runblage.
4. ©eroährung einer greina^t an ben brei hohen geften Dftern,
fingften, SSeihnachten, unb groar ber Bad)t 00 m erften gum groeiten
eiertage.
Diefe Sorberungen foHen gunädjft burch bie ©efeüenaugfchüffe
ben beiben Berliner Bäcferinnunaen oorgelegt roerben. Uebcr bag
©eitere roirb bann eine Äommiffion befinben, bie jefet fd)oit einen
8 fonbg für einen etwaigen Streif fammein foll.
Berbot toon Hrbeiterfongreffen in Ungarn. 3« Ungarn ift ber
für ©eihnachten nach ©segieb einberufene Parteitag Der ungar*
iänbifchen Sojialbemofratie foroie ber britte Sfribarbeiterfougrejj,
ber fich an biefen Parteitag anfchlieben foflte, oerboten roorben.
Den ©inberufern rourbe aufeerbem eröffnet, ba§ bie etwaige Hb**
haltung ber Sfongreffe in ber ^auptftabt Bubapeft ebenfaüg nicht
geftattet werbe, ba bie öffentliche Orbnung gefährbet erfcheine. Da
eg in Ungarn aufjer Bubapeft unb ©gegleb nur wenige Orte giebt,
in benen fogialbemofratifche Berfammluttgen cjebulbet roerben, unb
ba bie Berlegung ber Sfongreffe nad) Oefterreich wegen ber Botfj*
läge ber ungarifchen ßanbarbeiter am $oftenpunft feneitem würbe,
foU oon ben $ongreffen gang abgefehen unb ben geheimen fogial*
bemofratifihen Difdjgeitoffenfthaften, bie über bag gange ßanb oer*
breitet pnb, bie Befchlu&faffuna über bie Sragett, bie auf ben
Äongreffen beraten roerben foulen, überlaffen roerben, nachbem
ihnen oorher gebruefte Beferate unb Befolutionen gugänglich ge**
macht roorben ftnb. Der geibarbeiterfonarefe fottte ftd^ befonberg
über bie Hbänberung beg gelbarbeitergefeheg, bag am 1 . Blärg
b. 3 - in $raft getreten ift unb oon ben fogialbemofratifchen
Hrbeitern alg „Sflaoengefefc" bezeichnet roirb, foroie über bie
gforberuitgen ber gelbarbeiter fcf)lüffig machen. Der fogialbemo**
ftratifche ^sarteitap follte fich mit bem ©abl * 5 unb Äoalitiongrecht
unb bem Hrbeiterfd)ufc befchäftigen. Seit bem oorjährigen
Schnitterftreif fudjt bie Begierung bie fogialbemofratifche
unb ingbefonbere bie ^dbarbeiterberoegung mit allen 3Ritteln gu
unterbrüefen. Heufeerlid) ift auch eine geroiffe Buhe geraffen
roorben, aber unter ber Oberfläche hält bie ©ährung an.
Sohnbetoegnng in ber belgifdiett Äohlentnbuftrie. ©ie in ber
„Sogialen ißrajig" feiner 3 c ii mitgetheilt rourbe, war auf bem
Äongrefc ber belgifchen Btinenarbeiter in Sframerieg im Oftober
b. 3- ber Befchfuft gefafet roorben, foroohl an bie Hffociation Btar*
bonniere wie an bie Direftoren ber emgelnen ©efellfchaften bie
©infabung gu richten, fich mit ben Hrbeiterorganifationen über bie
Begrünbung eineg ©onfeil be Btarbonnageg gu oerftänbigen. Diefer
foUte gu gleichen Dheilen aug Hrbeitern unb Hrbeitgcbern beftehen
unb bie Begelung ber ßobttfragen gur Hufgabe haben. Huf biefe
Borfdpge Der Hrbeiterfchaft haben bie eingelnen Direftoren über*
haupt nicht geantwortet. Bon ber Hffociation Btarbonniere aber
lief bie Hntroort ein, ba& fic eine foÜeftioe Begelung ber ßohu*
frage pringipiell ablehnen inüffe unb bafe eg allein „praftifd) unb
oernünftig" fei, wenn jebe ©efeUfchaft fich über bie ßohnfrage ein*
geln mit ihren Hrbeitern oerftänbige. Die Hrbeitcrfdjaft, bereu
eingige Btacht in ihrer Bereinigung unb ihrer Solibarität liegt,
mußte biefe Hntroort natürlid) alg eine Hblehnung ihrer Borfdjläge
255
Sogiale Vrajis. Eentralblatt für SogtalpolUtf. Mt. 10.
256
anfepen. hierauf befcplop man, eine Deputation ber pariamen*
tarifepen Abgeorbneten ber 9Rinettbegirfe an ben ArbeitSminifter
Mgffetn gu entfenben, um biefen oon bem bropenben $onf!ift gu
unterrichten. Der SRinifter erftärte ben Abgeorbneten, er bebaure
bie ©egenfäpe gwifepen Kapital unb Arbeit, hoch fyaltt er es nicht
für feine Aufgabe, feinerfeitS pier eingugreifen. Aus Vrüffel roirb
unö piergu gefdjrieben: „2BaS für (Stritte bie Arbeiter jept unter*
nehmen weroen, um einen entfprechenben Antpeil an bem Auf*
fchmung ber Snbuftrie gu erlangen, ift bisher nicht befannt ge*
roorben. Von Vorbereitungen gu einem ©eneralftreif oerlautet
noch nichts. Dagegen fepemen auf einer Veipe oon ©rubert
menigftenS partielle Lohnerhöhungen gugeftanben worben gu fein.
Aus ber fürglich erfchienenen Statiftif ber 2Rinen in 1897 bürften
hier bie folgenben Eingaben über bie Eopleninbuftrie iutereffiren.
Die 3ahi btt Unfälle belief ftd) auf 306, baoon oerliefen 124
töbtlicp. Es famen 48 (Streifs oor gegen 38 in 1896. Das
burcpfcpnittliche Sap^einfommen beS Arbeiters betrug 1006 gr¬
ober 3,40 ÖrcS. täglich 9 e Ö en 2,92 fJfrcS. in 1896. Söenn man bie
tpatfäcplich eingetretene Lohnerhöhung mit ben auperorbentlicp ge*
fteigerteu Dioibenben ber ©efellfcpaft oergleicht, fo erfennt man,
bap fte nicht im entfernteren mit biefen Stritt gehalten h a t
toogu noch bemerft werben mup, bap nach offigtetteit Vublifationen
bie Lage ber Äopleninbuftrie auch in 1898 eine blüpenbe ge*
blieben ift.
Die Vetoegmtg unter ben fuglifcpen Seeleuten« Seit einigen
Wochen ift eine giemlich lebhafte Veweaung unter ben englifcpen
Seeleuten im ©äuge, bie fid) auf ©faSgoio, Mewcaftle*on*Dpne,
Mortp* unb SoutpsSpielbS, £artlepool unb Duitbee erftredt. Die
Urfacpe ber auf einen Streif abgielenben Agitation ift bie Rührung
einer Art feptoarger Liften feitenS ber Vpeber. Vor 1880 fonnte
jeber befertirenbe Vtatrofe eingefperrt werben, was jeboep burch bie
Merchant Shipping Act 1880 abgefchafft würbe; feither geht ber
Deferteur nur feiner an Vorb gelaffenen Effeften unb ber rücf*
ftänbigeit Löhne oerluftig unb fann auch cioilrecptlicp für bie Ve*
gahluitg ber Differeng belangt werben, wenn fein Erfapmann etwa
höheren Lohn erhält. Die ScpiffScigenthümer hielten biefe Strafen
für unwirffant unb fuchten nach anoeren SRitteln, um bie Seeleute
gnr Einhaltung ihrer Vertragspflicht gu oerhalten. Sie fanben
baS ÜRittel im „Federation Ticket“, baS alle flRatrofen oorguweifen
haben, bie bereit fiub, mit Micptunioniften an Vorb eines SdjiffeS
gu arbeiten. Das Dicfet ift bie wichtigfte VorauSfepung gur Auf¬
nahme eines Seemannes an Vorb eines bem Vpeberoerbanb gu*
gehörigen Schiffes; es mup bem „Shipmaster“ übergeben werben,
ber es erft am Enbe ber Fahrt «lieber ausfolgt. 3m gälte einer
Defertion nun fenbet ber Vpeber baS entfpredjeub inboffirte Dicfet
bem SRbeberoerbanb, ber einen „Record of Offences“ eingerichtet
hat uuo Strafen biftirt. Deferteure gehen beS DicfetS gang oer-
luftig, b. p. fie fönnen auf feinem gum Vpeberoerbanb gehörigen
Schiffe aufgenommen werben, fo lange fie fiep nicht wieber baS
Dicfet erworben haben; für anbere Vflicptoerlepungen fept ber Verbanb
1—12monatlidje SuSpenfionen begw. Vetention beS Dicfets feft.
Der SRpeberoerbanb fenbet bie Nachrichten feines „Record of Of-
fences u an 30 3nmcperbänbe, fo bap ber beftrafte SRatrofe in
feinem englifchen £>afen auf Arbeit au einem SeberationSfabrgeug
redjnen fann. 3n ben lepten fiebeu 3apren follen über 10 000
Mameu im erwähnten „Vecorb" eingetragen worben fein. Die
Vewegung richtet fich 9W n biefeä Aftern unb bürfte faum fobalb
aufhören, ba ja immer ein gewiffer Vrogcntfap oon fuSpenbirten
ober bopfottirten Seeleuten für bie Agitation forgt.
Nach bem Stampfe bt SftbmaleS. Am 30. Mooember tagte gunt
erfteu SRale wieber nach bem großen Streif ber aus Arbeitgebern unb
Arbeitern befteljenbe SohnffalaauSfchup ber wnltftfrfjcn Slohleuinbuftrie
in Earbiff. Die oon beibcit Seiten gur Prüfung ber Viicper gewäblten
Monitoren erftatteteu Vericpt über bie Einuabme ber Vkrfe int Sep¬
tember unb Cftobcr. 5)aS Nefultat ift, bap bie Arbeiter eine 2 l / 2 %iqc
i'olmerhöljung erhalten. $ie 2öf)ne werben fontit um 20% höher fein,
als itarf) bem 1879 feftgefteüten SRittelmap.
3UbeÜerfd)u|.
Nochmals bte Vcfdjäftigung Don Arbeiterinnen uitl jjugenblichen
Arbeitern in 3tege(eien. Vöir geben folgeuber 3«f<prift im Snter*
effe ber Sache Vaum:
Die Ausführungen beS Ferrit V*. Swienh) in Ar. 5 biefer
3eitfcf)rift bebiirfen in einigen 'fünften ber Verfügung:
3m Vergleich mit ber älteren Verorbnnug beS VunbeSratpS
bebeuteu bie neuen Veftimmuugeu unter Abfcpuitt I feineSwegS
einen Mücffdjritt. Aidjt nur fiub bie Ehamottefabrifeu in ben
^reiS ber Verorbnung einbegogen, fonbern baS Verbot beS Streichens
ber Steine ift nunmehr aud) auf bie juaenblicpen Arbeiter auSge*
behnt worben. Ebetifo ift baS Verbot Des DranSports geformter
Steine anberS als auf ©eleifen ober harten Fahrbahnen für bie
gu fchüpenbeti Arbeiterfategorieti als eine wefentlidje AnSbehnung
oeS ArbeiterfchupeS augufehen. Die Anficpt beS §errn Swienhj,
bap ein DranSport ohne Fahrbahn eine llnmöglichfeit fei, baS
Verbot alfo offene Dhüreti einftope, fann ich aus ber VrafiS
burchauS nicht beftätigen, ba mir hinreichenb 3i c 9cRieu befannt
finb, in benen iuSbefonbere ber DrauSport getroefneter Steine oon
ben fogenannten ©atnuten in bie Schuppen oon Frauen ohneFahrbahn
beforgt wirb. Von einem Vücffdfritt fann bei bem erpaitfioen
Efjarafter ber Verorbnung im Abfcpnitt I baper feine Vebe fein.
3Rir ift niept befannt, ob unb inwieweit |>err Swientp Fadjmann
ift, jebenfads ift fein Vhmfcp, bie Verorbnung möge baS Sieben
oon Dpon, €anb unb Epamotte in ben Ehamottefabrifeu oerbieten,
binficptlidj beS DponS unerfüllbar, ba fiep folcper niept fiebeu läpt,
hiufidhtlicp ber anbereu ^Materialien überflüffia, ba bieS mafcpinell
gefepiept. Der augeblid) niept oerftänblicpe AuSbrucf „Scpmaucp*
ofeu" ift eine in Facpfreifen niept unbefannte Vegeicpnung ber oben
offenen beutfepeu Defen.
Die Veftimtnungen unter Abfd)nitt II 3ift er 2 ber Verorbnung
Tmb oon $crrn Swienh) gänglicp falfcp aufgefapt worben. Aus
ber ©egenüberftellung folcper 3 i e 9 *leien, welcpc „opne ftänbige
Anlagen" (Felbgiegeleien) betrieben werben, unb folcpen, in weiten
als ftänbige. Anlage „nur ein Cfeit" oorpauben ift, gept peroor,
bap „ein" niept als 3äplwort fonbern als unbeftimtnter Artifel
aufgufaffen ift unb bap ber SRacpbrucf auf nur begw. Cfen gu
legen ift. Unter 3iffa 2 fallen bemnaep nur bie primitioen Vetriebe,
welcpe entweber gar feine ftänbigen Anlagen, auep niefjt einmal
einen ftänbigen Dten, ober auper einem ftänbigen Dfeit fonft feine
ftänbigen Anlagen fg. V. Drocfenfcpuppen, Schlämmen, Dpon*
fepneiber, mafcpiucfle Anlagen u. f. m.) befipen. Mur biefen fleinen
Anlagen ift mit Vücffidht auf ipre fümmerlicpen ErwerbSoerpält*
niffe eine täglidje gwölfftünbige ArbeitSgeit für Arbeiterinnen unb
jugenblicpe ^Arbeiter bewilligt worben, wobei gu berücffidjtigen ift,
bap in biefen Anlagen, inbetn felbft Schuppen als ftänbige An*
lagen ber VorauSfepung nach fehlen, alle Arbeiten betnnad) oon
ber Witterung abhängig finb, häufig ftutiben*, ja tagelang jeglidje
Arbeit unmöglid) ift. Die burcpfipnittlicpe ArbeitSgeit wirb baper
feinesfalls länger wäpreu, als naep ben allgemeinen Veftimmuugeu
ber ©ewerbeoronuug guläffig ift.
3n ber VJehrgapl ber Ziegeleien wirb jeboep neben bem Ofen
irgenb eine ftänbige Anlage oorpauben fein, fo bap bie Vegel bie
clfftiinbige ArbeitSgeit für junge Leute unb Arbeiterinnen fein wirb.
Für lepterc beftepen baper, abgefepen oon ber guläffigen AuS-
bepnung ber ArbeitSgeit an Soitnabenben über b 1 /^ Upr piitauS
(fiepe Ziffer 3 ber Verorbnung), feine Ausnahmen mepr oon ben
qefeplicpen Veftimmungen; bie jugenblidjen Arbeiter bürfen aller*
bingS itocp fünf Stunoen in ber feoepe länger arbeiten, als fonft
guläffig ift, immerhin aber 1 Stunbe weniger als früher.
Diefe fünfftiinbige 3Reprarbeit wirb aber burch eine anbere
SRapnapme fompenfirt, bereu Sirfuug bisper in biefen Vlältern
noep niept gcnüqenb gewürbigt worben ift.
Söäprenb ber Arbeitgeber bisher je nach ber Witterung bie
ArbeitSftunben ber Arbeiterinnen unb jungen Leute beliebig unb
täglid) wecpfelnb auf bie 3eit gwifdjeit 4 Upr 9RorgeuS unb 9 Upr
Abeubs oertpeileu fonnte, mup berfelbe nunmehr eine nur burch
bie Vöufen unterbrochene, gefdiloffene ArbeitSgeit, überein*
ftiinmeub mit ben naep S 138 ber ©ewerbeorbnung ber Orts*
poligei gemachten Angaben, einführen. Es ift fomit ben AufficptS*
Organen für bie Dnrd)füprung ber Veftimmungen ber wichtige
Anpalt beS VeginneS unb beS EnbeS ber ArbeitSgeit unb ber
Vau feit gegeben, ©crabe biefer Mangel ber früheren Verorbnung,
uämlid) bie bem Arbeitgeber geftatteten beliebigen Abweidjungen
ooit ber regelmäßigen ArbeitSgeit, machten bie Veauffidjtigunq un*
burtpfüprbar. Die labellen würben niept gefiiprt unb waprpeits*
gemäße Angaben ber gefcpiipten Arbeüerfategorien waren eine
Seltenheit. Eine Äontrole ber Angaben war niept möglich
Macpbem aber nuumepr bie 3*cgeleien in biefer .giuxficpt allen
auberen Vetricben gleid)gcfteflt finb, wirb bie Ä’ontrole unb batnit
bie Herbeiführung georbneter ArbeitSguftänbe auf ben Ziegeleien,
wenn bie ©emerbeanffieptsbeamten burep bie ^ol^eibepörbeu nur
einigermaßen unterftiipt werben, burcpfüprbar.
3 fh glnubc, bap bie Elcwerbeaufficptsbcamten biefe wefentlicpe
Verbefferung ber Verorbnung beffer gu fcpäpeu wiffen werben, als
V)err Swieitti), beffeu abfprecpcnbes ilrtpeil auep pinfidjtlicp beS
AbfdjuiitS II ber Verorbnung ein nid)t geuügenb begriiubetes ift,
257
Sogiale ArajiS. ©entralblatt für Sojtalpolitif. Sir. 10.
258
feineSfaEs begrünbet itt bern Sinne, baß bic Berorbnung begeidjnenb
fei für ben EnrS, ben bie amtliche Sogialpolitif heute fteuert.
©twaS AnbereS ift es, wenn es als wünfcbenSwerth begeidhnet
wirb, bie neuen Beftimmungen mosten ben Uebergang bagu büoen,
bie 3iegeleien ^infid^tlid^ ber ArbeitSgeit zc. gänglid) ben anberen
gabrifen gleidjgufteEen, auch üielleid^t eine Begrengung ber ArbeüS*
jeit ermachfener männlicher Arbeiter oorgunehmen. Bielen 3iegeleien
ift es jeßtfchon möglich, unabhängig non ber ^Bitterung gu arbeiten.
$>ie bagu erforberlidjen ©inrichtungen (ArbettSfdjuppen) fonnen
aber non ben noch rüdftänbigen 3^geleien offne aEgu brücfenbe
Belaftnng in einer UebergangSgeit getroffen werben. $>a für bie
golae aber tnenigftenS eine feft geregelte Arbeitszeit eingefüßrt
tnerben muß, toie id) oben auSeinanberfeßte, fo ift ber weitere
<5cf)ritt, biefe auf baS allgemeine gefefelid&e ERaß gurücfguführen,
nicht mehr fdjmer.
Berlin. ga ege r, ©emerberatß.
§d)ttgmaf?nahmen für Arbeiter iw SbomaSfdjlatfenraüblen. Am
2. $)egember befaßte fiep im BeidjSamt beS gnnern eine aus Ber«
tretern ber Regierung, ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter gufammen*
gefegte Eonfereng mit ber Befdjäftigung ber Arbeiter in £f)omaS*
fdt)la(fenmüf)len, beren ©efunbheitsfchäblühfeit in golge ber ftarfen
©ntmicfelung beS feinen SchlacfenftaubeS befonbere Sißußöor*
rid)tuiigen auf ©runb ber §§. 120e unb 139a ber ©eraerbeorbnung
geboten erfdjeinen lägt.
Arbeiterfrau im Baugewerbe tu Bauern« 3um Schüße ber
Arbeiter bei Neubauten hat ber SRagiftrat ber baperifdjen Stabt
gürtß eine ortSpoligeilidie Borfdjrift erlaffen, wonach ber Bau*
leiter ober roenn ein folcßer nid^t oorhanben ift, ber Bauherr bei
jebem Neubau einen Arbeiter ober polier beni Sftagifirat namhaft
*u mact)en bat, beut bie Beantwortung für bie gunehaltung ber
BauoorfTriften übertragen worben ift. — $>a£ BegirfSamt in
EaiferSlautern (Bheinpfalg) batte in golge ber jüngften Bau*
einftürge an bie Stabtoerwaltung bie Aufforberung gerietet, eine
ftäbtifepe Baufontrole einguführen. S)er Stabtratß bat baraufbin
befcbloffeit, oom nächften grühjaßre an einen tüchtigen polier an*
gufteEen, ber bie Bauftellen gu begeben unb gu überwachen bat.
$)ie Soften ber Uebermad)ung bat ber Bauherr gu tragen.
gutentationaler Arbeiierfdjuß; Antrag int öftemuhifAett Ab«
aeorbitefenljattfe. $)ic fogialbemofratifchen Abgeorbneten haben eine
Interpellation eingebracht, bie bei ber Regierung anfragt, ob fie
gewillt fei, eoentuell einen neuen Berfud) beS Schweiger BunbeS*
ratbeS, eine internationale Arbeiterfd)ußfonfereng einguberufen, tbat*
fräftig gu unterftüßen ober falls ein foldjer Berfud) oon Seite ber
Schweig nicht erfolgt, felbft bie Snitiatioe gu ergreifen unb auf
bie £ageSorbnung einer fold)en Eonfereng bie Befcplüffe beS Snter*
nationalen 3ü rc h*r ArbeiterfdjußfongreffeS oom gaßre 1897 (ogl.
„SogialeBrajiS" Sabrg.YISp. 1213) gu fteHen unb oor AEern auf
bie internationale gefeßlicße geftlegung ber Acbtftunbenfcbicbt für
Bergarbeiter unb eines entfpreebenben ERajimalarbeitStageS für alle
Arbeiter ber gnbuftrie, beS §anbels unb beS £rauSportS gu
bringen? — gn ber Begriinbung ber gnterpeEation beißt eS:
lieber bie Aott)menbigfeit intentationaler 2lrbeiterfcf)uggefcge bat
ließ nicht nur längft bic flaffenberoußte Arbeiterjcßaft aller Sauber flar
geäußert, fonbern auch bie Scanner ber SBiffcnfcßaft laßen bariiber
leinen Zweifel, unb felbft intelligente llntemebmer geben fte gu.
€>4ttfcgefe1? für ^anbfungSgebüffen im Danton 3ürid). Auf
mehrfache Anregung ber faufutänntfeben Bereine bes Kantons
3üricb bat ber EantonSratß eine Eommiffion eingefegt, bie ein
Scßußgejeß für fjanblungSgeßülfen ausarbeiten foE. $>er nun
unlängft erfcßienenc Entwurf fiebt eine elfftünbige ArbeitSgeit
als Btajimalgrenge für baS Berfonal ber Eaufläben unb s Dto*
gagine oor. gür bas Burcauperfonal ber faufmännifeben Betriebe
wirb eine ERayimalarbeitSzeit oon 60 Stunben in ber SBodje oor*
gefcblagen. gerner ift oouftänbige Sonntagsruhe für alle Betriebe
borgefeben, jebod) foE ben eingelnen ©etneinbebehörben baS Becht
gufteben, befonbere Borfcßriften in biefer gnnfiebt gu erlaffen, gür
ßebrlinge wirb eine B^obegeit oon 14 Sagen feftgefefct; ber Sehr*
berr wirb oerpflicgtet, bem Sebrling täglid) 4 Stunben im BiagH*
mum 3 e *t gum Befucße einer faufntänniicben gortbilbung£f(f)ule gu
gewähren. S>er Unterricht in biefen Schulen ift unentgeltlid). gür
bie Safpeftion ber |)anbelsbetriebe wirb eine Hommiffion eingefegt.
Mehrere faufmämtifdje Bereine bes Kantons haben nun an ben
Batb eine Eingabe gerichtet, in weld)er fie bie geftfegurtg ber elf*
ftünbigen s DtagimalarbeitSgeit für Sabengefdjäfte begrüßen, jebo^i
barauf biaweifen, baß eine berartige Maßregel ben größten Sßeil
ihrer BMrfung oerlieren werbe, wenn nicht gleicßgeitig ein einbeit*
lieber Sabenf^luß feftgefeßt wirb. Sie forbern bie geftfeßung
eines folgen für 8 Uhr AbenbS. gerner foE bie Arbeit in ben
£abengcf<bäften auf bie 3?it oon 6 Uhr BiorgenS bis 8 Uhr Abenbs
a ränft werben, ©nergifcb wenbet ft<h Die ©iitgabe gegen bie
fichtigte geftfeßung etneS gebnftünbigen BZa^imalarbeitStageS
für Äomptoire; barin fiebt fie einen Bücffcbritt gegenüber ben
jegigen 3aftänben fotoobl, als auch gegenüber einem im Borjabre
oon einem BegierungSratb auf Beranlaffung ber Äantonbebörbe
auSgearbeiteten ©ntmurf. Sie oeclangt bie Befchränfung ber Ar*
beitSgeit in ^omptoiren auf wöchentlich höchstens 54 Stunben. Be*
güglich ber Sonntagsruhe oerlangt bie ©ingabe baS einheitliche
Berbot jeber Sonntagsarbeit im |>anbelSgewerbe für ben gangen
Danton. Bei ber ©emäbrung freier 3 ci t für ßebrlinge wirb
Streichung ber SBorte „im Sftajimum" oerlangt; ferner wirb bie
AuSbebnung ber Unentgeltlicbfeit auf Lehrmittel unb Scbulmaterial
geforbert.
Sdlnß beS ArbeitSfontrafteS gegen Auflöfung bureß milttörifche
Hebungen in granfreicb. S)ie ®eputirten!ammer bat einen ©efeß*
entwurf genehmigt, ber bem Unternehmer oerbietet, bie ©inbentfung
beS Arbeiters ober AngefteEten gu Beferoenbungen als ©ntlajfnugS*
grunb gu betrachten. Bei bereits gefünbigten Arbeitsoerbältniffen
barf bie Sauer ber Uebung nicht in bie ÄiinbignngSfrift eingcredjnet
werben. Scbe Berleßung biefer Beftimmungen giebt bem Arbeit*
nebmer ein Becßt auf ©ntfebäbiaung bis gur $öfie eines gwei*
monatlichen BerbienfteS für bie AngefteEten unb etneS einmonat*
liehen für bie Arbeiter. Bewerft mag werben, baß bie Beferoiften
unb ßanbwebrleute gu Hebungen oon 28 unb 13 Sagen eingegogen
werben.
3Ctbcitctoerfldjeraug. öparha)7cn.
Sie freiwillige AlterSoerforgung ber Arbeiter burdj bie Arbeit*
aeber in granfreidj. SaS fraugöfifche Arbeitsbureau bat für bas
Sabr 1896 eine eingebenbe Unterfucbung begüglich ber Alters*
oerforaung, welcßc in granfreich oon ben Arbeitgebern freimütig
für ipre Arbeiter eingerichtet worben, eihgeleitet unb ihre ©r*
gebniffc nunmehr gur Beröffenttidjung gebracht. Befcßränft war
bie Unterfucbung einerfeiis auf biejeniaen gewerblichen ©tabliffe*
ments, welche ber Aufficßt beS gabrifinfpeftors nnterftanben, unb
anberfeits auf biejenigcti BerforgungSeinridjtungen, welche Icbiglicß
oon bem Arbeitgeber ins Leben gerufen, fomie burd) ihn in ihren
©inrid)tungen beftimmt unb geleitet waren, fo baß alfo wohl*
tbätige Bereine unb ©efcEfcßaften unb bergleidjen nicht mit in
Betracht gegogen würben. Nebenher ift übrigens aud) noch ber
Bergbau unb baS SranSportgemerbe, fowie bic Arbeiterfchaft in
ben ftaatlichen Betrieben unb in gewiffen Eiaffen oon anberen
öffentlichen Betrieben berüeffiegtigt worben. Sie Unterfud)ung hat
in ihrem ©nbrefultat ergeben, baß oon einer gefammten Arbeiter*
fdjaft gu 2 673 314 Eöpfen, welche im gahre 1896 in 296 797 ge*
werblichen ©tabliffements befchäftigt würben, 115 896 ober 4,35 o / 0
befchäftigt in 229 ©tabliffements, fid) einer AlterSoerforgung, welche
in ber bewährten Söeife freiwiEig oon ben Arbeitgebern eingerichtet
war, gu erfreuen hatten. Bon biefer oerforgten Arbeiterfdjaft ent*
faEen 17 240 auf bie ftaatlichen Sabaf* unb 3^ n bgolgfabri#en, für
bereu AlterSoerforgung ber Staat oermittelft bes National*Alters*
oerforgungsfonbs eintritt; läßt man biefe Arbeiter außer Betracht,
fo oerbleioen aus lebiglich prioaten ©tabliffements noch 98 656
beiter oon inSgefammt 2 656 074 ober 3,71 OL oerforgt. S)ie Berg*
merfsarbeiter unb bie Seeleute, beren 3«ht U<h c troa auf 166 000
begm. 120 000 beläüft, finb bnrehweg beftimmungSgemäß gu irgenb
welchen AlterSoerforgungSanftalten berechtigt unb auf biefe 2Beife
ooE gefiebert. Bon ben Befdjäftigten ber hauptfäd)lichftcn ©ifen*
bahnen cinfcßließlich ber Staatseifenbahnen, ber Straßenbahnen,
ber DmnibuSgcfeEfchaften unb anberer SranSportunternehmungen
haben 196 000 ber oerfchübenften ©rabe unb SteEungen eme
AlterSoerforgung auf ©runb einer freiwiEig geraffenen ©inrich s
tung ber betreffenben Unternehmungen gu beanfpruchen. S)er Staat
unb anbere öffentliche BermaltungSförper haben für etwa 42 000
Straßenarbeiter zc. eine AlterSoerforgung gefchaffen unb ebenfo finb
ungefähr 20 000 Arbeiter, wcldje in ben unter bem EriegSminifterium
ftehenben ftaatlichen ©tabliffements befchäftigt werben, begüglich
ihres Alters gefiebert, gietjt man nun aEe biefe eingelnen 3 roetgc
gufammen, fo fommt man gu bem ©efammtfdjlnß, baß in granf*
reich oon inSgefammt etwa 3 900 000 Lohnarbeitern ber gewerb*
ließen ©tabliffements zc. etwa 660 000 ober hächfteitS 17®/ 0 burd)
©inrichtungen, welche ans eigener güitiatioe burd) ben Arbeitgeber
begw. ben Staat ins Leben' gerufen finb, begüglich iljres Alters
fichergefteEt werben.
259
Sogtole $ragig. Eentralblatt für Sogtatpoltttf. 9^r. 10.
260
Atbett$tta<i)it)ete.
Arbeitsnachweis ber ^atriotifdjen ©efeflfdjaft In Hamburg*
Die höh^e Stuffaffung oon bctn Bkfen bcr ArbeitSoermittelung,
baß fie bcr Sphäre beS BtadfjtftreiteS gwifdfjeu Arbeitgebern unb
Arbeitnehmern möglichft 31 t entriicfcn uitb als eine Angelegenheit
öffentlichen gntereffeS gu behanbeln fei, wie fic bcr im gebruar 1898
in Berlin gegründete Berbanb beutfdjer Arbeitsnachweis oertritt,
ift im Süben unb Bkften Deutfd£)lanbS bereits allgemein geroorben,
mährenb üßorbbeutfcf)tanb bisher nur oereingelte 5Da|en biefeS fokalen
©eifieS aufmeift. Das gahrbud) 1898 ber Homburgifchen ©efeH*
fchaft gur Beförberung ber fünfte unb mißlichen ©ewerbe gemährt
uns einen Einblitf in baS rührige Söirfen auf einer folgen 5Dafe,
nämlich ber ßeiter beS Arbeitsnachweis ber Batriotifd£>en ©efell*
fdfjaft. Der Bericht beS SfommiffarS Stath Dr. Naumann mit
feinen Beilagen ift beShalb fo lehrreich, weil er beutlich bie
Schwierigfeiten erfennen läßt, bie ber Eentralifirung ber ArbeitS*
oermittelung einer ©roßftabt entgegenftehen, unb gewiffermaßen
eine Anleitung gum Ausbau folcher gemeinnüfcigen Einrichtungen ift.
Der ^atriotifchen ©efeHfdßaft gelang gunäcfjfi bie AuSbehnung
beS Arbeitsnachweis für ©etegenheitSarbeiter (Arbeiter ohne
befonbere Borbübung für ben ArbeitSgweig, morin fie auf Stunden
ober Dage fidf) befchäftigen laffen), ben fie auf Anregung beS
(Senates übernommen hotten. Berfdjiebene große Bermaltnngen
unb größere Greife oon Arbeitgebern entnehmen i|re ©eleaenheits*
arbeiter ausfdiließlich bem Nachweis, barunter bie houiburgifche
Baubeputation (b. i. baS ftaatliche Departement für Baumefen).
Diefe benachrichtigt ben Arbeitsnachweis auch jebeSmal, wenn
gröbere Sauarbeiten fontraftlich an einen Unternehmer übertragen
roorben finb, unb betraut ihn mit ber Ausgabe ber harten gu
ben oon ber Straßenreinigung gu beforgenben Schnee* unb Eis*
arbeiten, SSeitcr mürbe ein Unternehmer oeranlaßt, mit zahlreichen
HouSbefifcern einen Bertrag abgufdjjließen, moburch ihm bie oor*
gefchriebenen Schnee* unb Eisarbeiten oor ben Käufern übertragen
mürben. Der Unternehmer mar oerpflichtet, Arbeiter Iebiglich aus
bem SRadfjweiSbureau bei einem SJünbeftlohn gu begiehen.
gür bie AuSbehnung beS $a<f)meifes auf bie gelernten
S afenarb eiter — Schauerleute, Emerführer, Spei cp er arbeiter,
djjiffSreiniger, Baggerer u. A. — ergaben fidf) als Anforberungen:
1 . bie fachliche unb womöglich räumliche Trennung oon ben ©e*
legenheitSarbeitern, fchon um bie 9)tögiicf)feit eines £ohnbrucfeS gu
oermeiben; 2 . bie berufsmäßige Sonderung innerhalb ber Hofen*
arbeiter, barnit jeher Arbeitgeber in feinem Sache erfahrene Seute
befommt; 3. bie räumliche Decentralifirung. Berliefe oon ber Be*
fteHung bis gum Eintreffen ber Arbeiter gu oiel 3 C ^/ fo überwöge
ber baburch entfteljenbe Berluft alle Bortheile. Der periobifaje
Bebarf an Arbeitern, wie es ber SchiffSoerfehr mit ftch bringt,
hat bie Arbeitgeber oeranlaßt, folchen Arbeitern, bie bei ihnen gu
bciberfeitiger ^ufriebenheit tljätig gemefen finb, harten gu geben;
auf beiberfeitigen Bhtnßh werben bie anmefenben Äartenleute beS
BeftellerS gunächft berücffichtigt.
An bie Abtheiluna für ben lanbmirthfdf)aftlichen $adf)*
roeis, beffen ßeitung äenfaüs einer fachfunbigen ^ßerfon unterfteHt
werben foll, fnüpft fi(h ber roirthfchaftlich unb fogiatpolitifch hoch
bebeutfame interlofale Ausbau, beffen Aufgabe bie Entfaftung
beS überfüllten ArbeitSmarfteS unb bie 3 ur ücfführung ber
iiberfchüffigen für bie ßanbarbeit geeigneten Kräfte auf
bas &anb i)t. Eine Berbinbung mit ben Homburgifchen £anb*
herrenfdfjaften unb ben fianbrathsämtern ber Greife Stormam,
^ergogthum ßaueitbnrg, Sßinneberg, gorf, Harburg, 2öin*
fen a. 2. unb fiüneburg ift angefnüpft unb ein Beirath prafti*
fdfjer ßanbmirthe gugegogen. Der Berein ber gabrif* unb £anb*
arbeiter Hamburgs, oon beffen 1500 Btitgliebern gahlreidf)e gur
lanbroirthfchaftlichen Dhätigfeii fähig unb bereit fein foften, hot bie
Hülfe bes üRachmeifeS erbeten. i)ht ben Verbergen gur ^>eimath
finb Segiehungen eingeleitet.
Vertreter ber Arbeitnehmer wie ber Arbeiter follen
an ber Leitung beS ArbeitSnachmeifeS betheiligt werben, obliga*
torifch ift biefe Setheiügung bei ber Abtheilung für gelernte £>afen*
arbeiter gebacht. Die iloften für bie SSarteräume werben burdf)
eine SSerbmbung mit ben beftehenben ,,£affcehallen", foweit fie eine
geeignete £age hoben, erheblich oenninbert. ©eforbert wirb baS
Serbot, Arbeiter auf ber Straße unb in StHrtßfchaften angunehmen.
Die Soften eines folchen umfaffenben ArbeitSnachmeifeS werben auf
jährlich 40 000 < // berechnet, bie fid) bnrd) bie Erfparniffe ber
Arbeiter an ben oft wuctjerifcf)en SermittelungSgcbiihren, bie jeber*
Zeit flare ileberfid)t über ben Arbeitsmarft, 9Jhnberung ber SRadj*
frage, Entlaftung ber Armenpflege unb einiger Sehörben unb bie
Dienfte für bie Statifti! nach Anfnht ber ©efeüfcßoft reichlich begahlt
machen; ja fie benft fd)on an AuSgahlung beS CohneS burch ben
Arbeitsnachweis, wie fie für bie homburgifchen Seeleute fchon jefct
bem Seemannsamt übertragen ift.
Die Entwicklung bes ArbeitSnachmeifeS gu ber geplanten £>öhe
würbe burdt) ben großen §afenarbeiterftreif unterbrochen. Die
Arbeitgeber in Hamburg fteuten fidf) feßroff auf ben Stanbpunft,
baß bie Vergebung ber Arbeit allein Sad)e ber Unternehmer fei,
unb baß fie fidf) babei weber oon ben Arbeitern, nodj oon ben
ftaatlidfjen Sehörben ober gemeinnützigen ©efeUf(haften h^inreben
taffen wollten. Ein eigener Arbeitsnachweis ber $amburg*Amerifa*
fiinie unb ein ^euerbureau bes 9 f th e beroereinS für Seeleute würben
eingerichtet unb ber Arbeitgeberoerbanb hot ftdj baran gemacht, für
bie eingetnen ©ruppen oon Hafenarbeitern eigene Sßadf)meife gu er*
öffnen. 3o einem Ergebniß gefommen ift bereits außer bem herein
Hamburger 9 f th^^ er noch btt herein ber Stauer oon Hamburg*
Altona. Der Arbeitgeberoerbanb lehnte fogar bie löetheiligung an
einer nach gleichen ©runbfäfcen eingerichteten Statiftif ab. Daburdf)
ift bie alte 3erfplitterunp auf bem ©ebiete beS ArbeitSnachmeifeS
in Homburg aufrecht erhalten, baS DhätigfeitSgebiet ber $atrioti-
fdf)en ©efeHjcbaft in ber Houptfoche leiber auf bie ©elegenljeitS*
arbeiter unb bie länblichen Arbeiter befchränft. Senat unb Bürger*
fchaft haben bie Mittel (11 000 r /fi. jährlich) gur Aufrechterhaltung
bes $a<hmeifes in bem begrengteren Umfange auf mehrere gafjre
etatSmäßig gewährt. _
Organifatiott beS ArbeitSmarfteS in Belgien. Der fogialiftifche
Abgeoronete H cc ^or Denis, ^rofeffor ber Siationalöfonomie an ber
Srüffeler Unioerfität, hotte ber 9tepräfentanten!ammer einen ©efefc
entwurf unterbreitet, welcher bie Drganifation ber Nachfrage unb
beS Angebots oon Arbeit burdf) ben Staat anftrebte. Die oer*
einigten Seftionen ber Kammer hoben nunmehr biefen ©efefc*
entwurf abgelehnt, mit ber Begriinbung, baß bie Errichtung oon
Drganifationen gu biefem 3 mecfe ber Sßrioatinitiatioe überlaffen
werben müffe, welche freilich bann 00 m Staate ermutigt werben
ntüffe. _
KohJfrtljrtetlnridjhtugea.
Arbeiterfürforge bei ben prenßif^en StaatSbahnen. Die
preußifche Staatsbahnoerwaltung hot für bie nicht bloß oorüber*
gehenb befdjäftigten Arbeiter eine befonbere ^affenabtheilung ein*
gerichtet, bie 3 uf(hüffe gu ben Snoalibenrenten unb SBittwen* unb
feaifengelb an bie Hinterbliebenen ber Arbeiter nach & crci1 fünf*
jähriger 3 ngehöriafeit gur Äaffe gewährt. S^ad^ ben 3 nfommen*
ftellungen beS ©eheimen 9legierungSrateS Hoff m ber „Leitung beS
BereinS Deutfcher Eifenbahnoerwaltungen" waren baran am
Schluffe bes Sohnes 1898 oon ben runb 219 000 Arbeitern
150 000 betheiligt. 1897 finb in nahegu 900 gälten beS Eintritts
ber Erwerbsunfähigfeit folcher §Rentengufdf)üffe unb in nahegu
1000 gäHen BHttmen* unb SBaifengetoer neu gewährt worben.
Daneben fmb aus bereiten Mitteln Unterftüfcunaen gewährt. Am
Schluffe beS QahreS 1897 begogen 4113 inoalioe Arbeiter Snoa*
libenrente unb oon ihnen 2792 außerbem einen Bentengufchuß,
ferner 4677 SBittwen oerftorbener 5faffenmitalieber SBittwengelber
unb 5473 SSaifen 3öaifengelber. Die 3afd Altersrenten*
empfänger betrug 2926. 3ur felben 3eit hotten oon ben 21 Eifen*
bahnbetriebsfaffen 18 bie Sranfenfürforge auf 20 bis 40 Söocben
unb 17 — ober runb 80% — baS £ranfengelb auf % oeS
ArbeitSoerbienfteS feftgefeßt, waren atfo über bie im Ärantenoer*
ficherungSgefefc oorgef^riebenen Btinbeftleiftungen hinouSgegangen.
Die Angehörigen finb meift in biefe gürforge oöflig mit einbe*
griffen, auch begüglich beS Sterbegelbes. Die Aufmenbungen ber
Waffen bei Erfranfung ober Ableben oon Angehörigen meroen für
1897 auf 1 300 000,/# berechnet. Berfügbare Mittel würben
egen 3 bis 3, 5 % 3mS, gumeift ohne 9Jtünbelfi<herheit, als Bau*
arlehen an Baugenoffenfcbaften oon Eifenbahnbeamten unb *Arbei*
tern — bis Eitbe 1898 über 4 000 000 , # — gegeben. Bon fo
bebauten ©enoffenfehaften finb bereits 233 Sßohnhäufer erbaut,
49 im Bau begriffen unb 41 geplant mit im ©angen 1491 28oh s
nungen. Die StaatSoerwaltung hot bie Unfall* unb Hofipflid^t*
entf^äbigung allein getragen, 1897 gufammen runb 3 683 000 Jfi,
gu ben tfranfenfaffen holb fo oiel, nämlich 1897 einfdjließlic!)
SBöchnerinnenunterftüßung, Sterbegelb u. f. w. 5 500 000 Ji, unb
ju ber ^enrionsfaffe eben fo oiel als bie taffenmitglieber beige*
fteuert, nämlich über 2 000 000 ^ gür jeben ber 1 740 706
^ranfheitstage ber Bthgtieber ber Eifenbahnbetriebsfranfenfaffen
im gahre 1897 h°t baS Äranfengelb bur<hfdf)nittlich l, 4 i M. be*
261
<SojiaIe Sraji«. GentralBIatt für ©ojialpolittf. Kr. 10.
*262
tragen« Ser Sergleid) mit bem igahre 1891 lägt eine erhebliche
©texgeruitg bei* 3uroenbungen er f cnnen - c j ne TO eitere Steigerung
ift 3 U enoarten unb für ba« $ranfengelb 311 münfd)en. Srnmerhiit
ift bie Selaftung be« Hu«gabefonb« ber ©taat«bahnen burdh bie
9So§lfaf)rt8einri(§tungcrt für bie Hrbeiterfchaft red^t erheblich, fie
betrug 1897 runb 9 100 000 dt ober 40 di. für jeben ber burch*
febnittlirf) täglich befdhäftigten Arbeiter ohne bie Soften ber Ke<h*
innig«* unb Äaffenfüt;rungen bei ben Soblfaf;rt£einrid)tungen.
ttetjttuttg&tiereit.
San« nnb Spartetrine in $atnftnrg »*b Hingegen*. Stau fd) reibt
nrt«: Sa« erfte ©euoffenfd)aft«f)au« in S$aub«bcE ift Anfang Ko«
uember bejogen unb bietet aegt gamüten Sehnungen ooit je brei
3ixnmcrn mit Äiidje, Heller, Sobeu unb ©artenplap (oon 30 qm) für
240—250 Jt SJäetbe je nadfj ber ©röpe ber SSobmmg, bie jroifdjen 63
unb 67 qm fdjmanft. Sa jur gemcinfamen Semipung noch Groden»
hoben, 2£afchfüd)e unb Sabeftube 31 er Verfügung fte^t, muß ber Släetbe*
preis? billig genannt merben, mährenb gleicgiuo^l feine relatioe £>öbe
beioeift, bap aud) in 3Baitb«bef bie SKänner, meiere bie ©enoffen)tfjaft
begrünbet paben, niept $u ben armen Seuten ju jäfjlen finb. Ser
unaepft in Hu«fupt genommene Sau auf einem 3000 qm groben Sßlap
oü aud) Sohnungen mit groei 3inmtem enthalten.
Ser Spar« unb Sauoerein Hltona, eine feit mehreren gapren
febr tpätige Eenoffeufcpaft, mirb im näcpften Sommer roieber 64 SBop*
nungen, oon beneu jmei drittel nur jioei 3 iwmer unb Äiicpc enthalten
füllen, ben Sätglicberu anbieten unb für bie Sliitber einen 1000 qm
großen 8 pielplap cim*ichten.
Ser 00 m Sau« unb ©paroerein Hamburg ausgefepriebene 2Bett*
beioerb 31 m Erlangung oon planen für Scbauung eines? Örunbftüd«
im Stabttbeil Eimsbüttel mit Hrbeitert)äufem ift oon 15 Hrcpitcften
bcfdjicft rnorben, bereit Entmiirfe 51111 t Speil auch bie Seachtung oon
Saugcnoffenfd)aften anberer ©ropftäbte oerbienen. Sa« mit bem erften
greife gefrönte Sßrojeft geftattet bie Einrichtung oon 108 S$ohmingcn,
ba bie öruppirung ber Käufer in £mfetjemorm, mit ber offenen ©eite
bei* ©trage jugefehrt, ben HiiSbau bei* glügel ju oier (6 cf cf) offen ge« j
ftattet, ma« na<p bem SaupoIi 3 eigefep nidjt erlaubt ift, loenit bie glügel* I
bauten an ber ber ©trage abgefebrten ©eite be« Wrunbftiicf« liegen, j
Ser Säetpcpret« foll 5 M für 1 qm Sobenfläche ber Wohnungen nicht j
überfteigen, fo bap (Sin« 3 immcr«SBof)uungen (mit Miidje, SSaffcrflofet,
Sorplap unb geuerung«gclap) 180—200 M foften merben, 3mei*3immer*
SBopnungen burdjfdjuittlicp 250 M unb folcpe oon brei gintmem 300 Jt
3ur StohnnttgSnatb in Eharfottenlmrg äupert fiep bie „Saugern.*
3tg." in einem Hrtifel toie folgt: Eparlottenburg ift in rapibem Hn*
machien begriffen unb pat wegen ber oieleit geioerblichen Anlagen
bauptfächlich 811311 g oon Arbeitern. Sie Sauftellen ftnb fo tbeuer ge«
toorben, bap barauf Heine SSopnungen überhaupt nicht mehr gebaut
loerben fönneu, unb es? pat notorisch bie Erbauung oon Raufern mit
Heineren 2Bol)nungen fchon längft aufgehört. £>ier 3 u fommt, bap ber
3 ino für .£>t)potf)cfeu erheblich in bie £>öpc gegangen ift unb #t)po*
thefen überhaupt nicht mehr fo leidjt toie nod) oor smei fahren 31 t
haben finb. Saburd) mirb ba« Sauen natürlich fehr erfdiroert. Sas?
©teigen ber Sauftellenpreifc mirb ()a«ptfächlicli barauf 3 uriicfgeführt,
bap oon ben mehr als 2000 §eftar Eefammtareal El)arIottcnburg«
nur ettoa ber britte &heil fanalifirt ift, unb 100 nicht faitaüfirt unb
entmäffert ift, barf nicht gebaut merben. Aufgabe ber ©tabtocrmaltung
GliarlottenburgS joirb e§ bemnach fein, balbigft neue ©tragcit 3 üge für
bie Scbauung baburdj 3 U erfchlicpen, bap für bie (£ntmäfferung ber«
jenigen ©tragcnanlagen geforgt mirb, mel^e an bie $fanalifation nod)
nicht angcfrfiloffen finb.
@«hlafP*Scnweffii unterfud)t Dr. (Jmft Galjn in einer füglich
al§ 28. ©tiid ber Siiiuchner Solfem. ©tubien erfchienenett ©djrift mit
bem Sitel ^Sa§ ©dilafftellenmefen in ben beutfehen Oiropftäbten unb
feine Keforrn mit bcfotiberer Scrüdfichtigung ber ©labt Kiiindjen".*)
Ser Serfaffcr cntmidclt bie Cuellen bcö heutigen ©djlafftcüeumcfeno,
fudjt an 2 gpen beffeu gegenmärtigen ©tanb unb feine folgen bai* 3 u«
legen unb bcfprid)t bie gefeggeberiiebett unb bie pofitioeu Kiaguahincn,
bie 311 feiner Sefferung in Sentichlanb, Oirogbritaunieit, Tvranfveid) unb
Safel ergriffen roorben futb. Sic eigene (Snquctc belicht fid) auf bie
Serbältni|ic in SHiuchen. Kn ben finanjiellen drgebniffen bei* englifchcit
Model lodfing houseb**) 3 cigt ber Serfaffer, bag es? felbft bei ben theuren
Sobenprcifeti ber großen euglifdjen ©täbte möglid) ift, bei bei* latibc£«
üblidteit Serbin fang be? Knlage«ÄiapitaIs? ben alleinftehenben Knge«
hörigen ber ärmeren Solfyflaffen eine annehmbare SJohnftätte 3 u einem
ihren CJinfommcnooerhältuiffeu entfprechenbeu greife 311 bieten. ®ie
tn (Snglanb mögen ©taat unb ©tabt e* auch in Seutfdjlanb nicht ab«
lehnen, ihre gemaltigcu Siadjtinittel für foldje 3 ^ f de in bie SBaafchale |
5 U merfen, menu bie ^rioatinitiatioe 31 t gering ift unb Kothftänoc ein |
Eingreifen erheifd)en. Unb Kothftänbe finb in erfdjrecfenbem 9)?age i
oorhanben, bao scigen bie cingcftreutcn ©chilberutigen ber ©djlafftellcn I
bei ben Krbcitgebern mie Sermiethern. Sen Kuhang bilbet eine ctma* |
*) Serlag ber ffi. Eottafchen Suchhanbluug Kadif., Stuttgart. |
**) Kls? Kulage ift bie Silan 3 oon Model Loifging Houses Parker- 1
Street-Drury-Lano für 1895/96 mitgetheilt. I
rciihlid) fui^e Serüdfidjtiaung bei* Kfplc für Ebbadjlofe uub oermaubter
Knftalten in Seutfdhlaub unb Olrogbritaunien. KI« HRufter für bie
Wcfcpgebung ift ber Entmurf eine« 28ohnuitg«gefepe« für ben Manton
Safelftabt mitgetheilt, mie er bcm Olrogen 9iath am 8 . September 1897
oorgelegt muroe.__
Sojink jQt)glene.
Sie Serliner Kettungdgefettfihaft (Sorfipenber ^Srofeffor E. o. Serg«
mann) hat über ihr erfte« KrbeitSjahr berichtet. Sana^ hatte fie fid)
bie Hufgabe gefteflt, äße gtopen in Serliti beftehenben ®o«pitäIer, roelche
ber ©taat, bie ©tabt unb bie firdhlicheu Oienoffenfchaften erhalten, in
Se 3 ug auf erfte fmlfeleiftung unb Unterbringung ber ihnen 3 ugchenben
Äranfen 31 t einigen, nach Sebarf Kettungöroacheu 3 ur nothmenbigen
erften $ülfe. 3 U gemähren, mit Setiupung ber beftehenben guhrgefchäfte
ben ftraufentrandport 3 U orbnen uub an unbemittelte Mraitfe unb Ser«
unglüefte bie erfte .§ülfe unb ben Sran«port unentgeltlich 31 t gemähren.
Siefe Hufgabe hat fie fdjon 3 iemlid) gelöft. Sie Eeutrale ber Öefeü«
fchaft, bie bei ber lür 3 lid)en Hus?fteöung be« Kothen $reu 3 e« ben 00 m
Äönig oon ©achten geftifteten Ehreitpret« erhalten hat, oermittelt burd)
eigene Srähte bie Serbinbung mit ben Orantenhäufern unb ben guhr«
gefchäfteu. ^eben borgen unb jeben Hbenb mirb fie oon ben .ftofpitälern
über bie 3 Q hl ber freien Setten für 2J?änner, grauen unb Äinber, fomie
anftedenbe ih*an!eitcn unterridjtet. geber Hqt unb jeber ilranfe fanu
fo bei Sag unb Kacht erfahren, melche« ^»ofpital noch freie Setten hat,
mo ber nädjfte Hr 3 t, ©eburtöhdfer ober Ehirurg mol)nt, u. f. m. noch
nicht oerfloffenen erften gahre ift fie runb 10 000 SWal in Hnfprud) ge«
nommen, am 20 . Cftober 3 . S. bi« 2 Uhr SHttag« 48 9Kal. Eine Ser«
einiguug mit ben beftehenben ©anität«mad)en ift angebahnt. Ser
Her 3 teoerein ber Serliner Kettung«gefellfd)aft mit etma KXK) Stitgliebem
regelt unb Übermacht ben ältlichen SSachtbienft, ber in oierftiinbigem
3Scchfel unb felbftuerftänblid) bauernb nid)t ohne Entfchäbigung geleiftet
mirb. Örunbfap üt, nur erfte $ülfc in ber SBadje unb Seförberung
bc« Äranfen, mohin er mifl, b. h- Uebermeifung an ben Hr 3 t ober ba«
§ofpital feiner SBahl, 3 u übernehmen. Sie Sättel merben burch Sei«
träge ber ©tabt, intereffirter SerufSgenoffenfchafteti, Sereine, Äaffen unb
Srioatperfonen aufgebracht.
©tabtifdjt ©chulorrii gn $alle a. ©. mürbe ber Hntrag auf
HnfteDimg oon Sdjulärsten am 22 . Kooember 00 m Cberbürgermeiftcr
©taube mit bem Einmanbe befämpft, bie grage fei nod) nicht fprudi*
reif, erforbere, menu man auf lOOOtf inbcr einen Hr 3 t rcdtjne, bei *20 000
©d)nlfinbern am Crtc mehr al« 20 00<^ Jt bei fteter Steigerung. Hn=
bere Hu«gaben feien ^unädjft midjtiger, jebod) habe ber S?agiftrat gegen
eine Sorberathung in einem gemifchten Huöfchuffe nid)t« ciii 3 umcnben.
©0 mürbe beim aud) befdjloffen. SBir haben fdhon mehrfad) bie Huf«
gaben bc« ©chulai’ 3 te« ffi 33 irt, mie fie in ben Stäbten, bie bie Ein«
ridjtung haben, aufgefapt mirb. SBir fügen heatf einen Serid)t über
ba« Shätigfeit«gebiet ber ^peilbronner ©d)ulär 3 te bei, ber erfel)en
läßt, mie burch Einführung oon Schulärzten ein möglichft guter
©efunbheit« 3 uftanb ber anmachfenben Olcneration be 3 ioerft mirb:
Ser Sdiular 3 t unterfudit jebe« neu in bie Sd)ule eintretenbe $inb;
ba« Ergcbnin bei* Unterfuchung mirb in ben ,.(^cfunbl)eit«fd)ein", ber
für fieben ©d)uljahre abgetheilt ift, auf beit Kamen be« betreffenben
Miitbe« lautet unb baffelbe burch bie gaii 3 e ©d)ul 3 eit begleitet, ein*
getragen, gnt ©efunbhcit«fd)ein finben mir folgenbc Kubrilen: 1 . Saturn
unb Schuljahr, 2 . allgemeine tfonftitution, 3. Olröfje, (Vernicht unb
Sruftumfang, 4. Sruft unb Sauch, 5. .^aut, 6 . Sirbclfäule uub Ertre*
mitäten, 7. Hugen unb ©ehfehärfe, 8 . Dbren unb (4ehör, 9. Ktünb,
Kafc unb Spraye, 10 . Semerfungen unb Sorfdiläge be 3 iiglid) ber Se«
hanblung in ber ©cpule ( 3 . S. befonberer ©ipplap, Sefreiung 00 m
(v*erätf)eturneu 2 c.), 11. Sätthcilungeu an bie Eltern, 12 . Semerfungen
bc« Sehrer«. 3 un äd)ft merben nur bie beibeu erften Schuljahre unter*
fucht. KZonatUd) einmal haben bann bie ©d)uläi* 3 tc bie Sdiulen 3 U bc*
fuchen, bie Hnftänbe ber 2ehrer bc 3 iiglid) ber einseinen .Slinber entgegen*
3 iinel)men unb bie Minber einer felbftäubigen Seobadjtung 311 unter*
3 icl)cn. Hm Sd)lnp jebe« ©d)iill)albjal)r« treten bie Sd)iiläi* 3 te, bie
über ihre Seobadjtungen 2 c. Sud) führen, mit bem Stabtai' 3 t 3 ufammen
3 ur Sefpred)iing ihrer s Bünfd)e, Sefd)toerben unb Hnträge in Setreff
ber Sd)ulgefunbheit«pflege, über meldie bann bie 0rt«fd)iilbcl)örbe ent«
fdjeibet. Huf Hutrag bc« Crtofdmlinfpcftorato haben bie Sd)iilär 3 tc
ein 3 eluc Minber 311 bcgutadjten — fall« fein f)au«är 3 tlid)c« 3 cu 9 n Ül
liegt, 1 . be 3 iiglid) ber Sefreiung oom Schulbefuch, be 3 io. oon eiii 3 eluen
gädjeru (lurnen, Singen, 3ädjueu); ‘2. besligltcf) bei* Sefreiung oom
Solf«bab; 3. bejüglid) bei* gcftftellung 0011 anftedeubeu ober efel«
erregeuben Mraufheitcu; 4. be 3 Üglid) ber Uebermeifung eine« .tttnbc« in
Hnftalten für Epileptifdje, ©d)mad)finnige, ober Unterbringung in eine
£eü* ober Serforgung«anftalt; 5. be 3 üglich eoentueller 3 ui*ücfftelluiig
oom Sdjulbefud) um ein gahr megen Schmäd)lid)feit.
eiterarirdje ^njelgeit.
3 i nun ermann, Seigeorbneter in Äöln. Sie Hnnenpflegc bei* Stabt
Äöln. (Sonbcrabbrucf au« ber geftfdjrift für bie $auptoerfamm=
hing be« beutfehen Serein« für öffentlidie rrtefunbheitopflege. 1 ^ 9 s.)
Keue Seutfdje Kuubfchau. .'oeft 11. Kooember Isns.' Serliu,
S. gifdjer.
ikrantroovtlic^ für btc Stcbaftton: Ür. Cinift gtanrfc tu Serliu W., 8ai)reutt)crin:aBc 2y.
263
eojiale ^ra£i$. (icntralülatt für 8 o 3 iaIpolitif. 9it*. 10.
26 4.
® le ).$o)iaU ?3rarie“ erfdjcint an jebcm ©onnerötag unb ift burdj alle 23ud)fianblungen unb tßoftämter (^ofaeitungSnummer 67*29) ju bcjieljen. ©er Sßreiö
für baS 93ierteljaf)r ift 9J?. 2,50. 3ebc Kummer foftet 30 ^f. ©er Slnjeigenpreiö ift 60 $f. für bie breigefpaltene ^etitaeile.
Figuren unb 2 lnjid)ten
ber
Variier Sdiretfcnsseit
( 1791 — 1794 .)
3?on
3uüu 5 (Ecfarbt.
—— Preis 8 111. —-
^nüalt: SRajrimilian 91o&c$pt«xe. — ©antou. — 3aiut Juft. —
©er öffcntlitfje Auflager bc* 9icöoIutions=©ribunalS. — llnferc
liebe ftrau oout ©fjermibor. — 3 ^KPüüic S?eauf)arnai$ itnb
©clpljine bc Guftine. — ocan $aul 3K^rat. — .frebert lutb
(Sbaumctte. — Slu&Iänber im revolutionären $artö.
©rouet, ber ^oftmeifter oou 2aintc HRencfjouIb.
11
*5^ —-<-0 Verlag von Gustav Fischer in Jena.
Wörterbuch der Volkswirtschaft. ,n zwei B ™ den -
Bearbeitet von
Prof. Dr. von Below-Marburg, Prof. Dr. M. Biermer-Greifswald, Prof. Dr. van der Borght-Aacken, Prof.
Dr. Karl Bücher-Leipzlg, (ich. Reg.-Rat Prof. Dr. Ludwig Elster-Berlin, Geb. Med.-Rat Prof. Dr. Flügge-
Breslau, Prof. Dr. Fucha-Freiburg i. Br., Geh. Reg.-Kat Prof. Dr. Freiherrn von der Goltz-Ronn, Gericurs-
sekretär und Privatdocent. an der Universität Dr. Carl Grünberg-Wien, Privatdocent Dr Max von Heckel-
Würzburg, Forstmeister Dr. Jentsch-Hann.-Münden, Bergrat Lengemann, Direktor der Kgl. Berginspek-
tion, Clausthal, Geh. Reg-Hat Prof. Dr. Lexie-Göitingen, Bibliothekar Dr. Paul Lippert-Berlin. Prof. Dr.
Lotz-München, Prof. Dr. Mischler-Graz, Landgerichtsrat Dr. Neukamp-Göttingen, Prof. Dr. Pierstorff-
Jena, Prof. Dr. Rathgen-Marburg. Hofrat Prof. Dr. Schanz-Wür/.burg. Dr. Schott, Vorstand des stat.
Amtes, Mannheim, Prof. Dr. Sering-Berlin, Dr. Wirminghaus, Syndikus der Handelskammer, Köln,
Konsul Dr. Zimmermann-Berlin, Prof. Dr. Zuckerkandl-Prag,
herausgegeben von Prof. Dr. Ludwig Elster,
Geh. Reg.-Kat u. vortrag. Rat im Ministerium d. Geistl.-, Cnterrichts- u. Medicinalangeleg. in Berlin.
fS <S Preis das vol,ständ '0 e Werk in zwei Bänden brosch. 20 Mk., elegant Q Q
halbfranz geb. 25 Mk. Die Bände werden nicht einzeln abgegeben.
Deutsche Volkswirtschaftliche Correspondenz v. 29.,7. 1893.
.... In seiner Art die beste Zusammenfassung unserer volkswirtschaftlichen
Kenntnisse in einer bequem zugäuglicheu Form.
Hamburgischer Correspondent v. 17.7. 1898:
4 . . . Der ganz aiissergewölinlich billige Preis wird das Buch iu seiner Aufgabe,
ein Hilfs- und Lehrmittel für weite gebildete Kreise unseres Volkes zu w erden, wesentlich
unterstützen. Vor allemmöchtenwiresalsFerienlektii re unddauerndesNachsch lagebuch
unseren parlamentarischen „Füchsen** empfehlen, den neuen Reichstags-
(^10) abgeordneten — und vielleicht auch einigen alten. Wenn sie es recht fleissig (%(f0)
studieren, so wird man das mancher Reichstagsrede vorteilhaft anmerken.
1
3« bejicfjen burd) jebc Sortimente
Bmljfianblung:
peltgf fri|iil)te.
33 on
ftopolb noit Ranke.
SBoUftänbigc ©ci:t = ?(u8gabe mit
(Scfnnitrcgifter.
lieber 190 Sogen 9tcwal = Dftao in
oier Sänbcn.
3hicitc, nnoeräuberte Auflage.
f&rete: ©eljeftet 40 SRarF, gebunben
in $albfranj 50 S?arf.
©injelne Sättbc werben nidjt abgegeben,
©ic Mimaljntc oou Sanb I nerpfliifjtct
$u ber beS ganzen SScrfetf.
©iefc neue ?lu£gabe in oier Sänbcti
bringt bie Hnmerfungen, foioie bie
Hnaleften unb fritifdjen (Erörterungen
ber nodi weiterhin beftebeubeu grofjcit,
neunteiligen ?togabe nicht; hingegen
enthält fic au ger bem o o 11 ft än b i g en
©ert in einem Anhang bie „2luffrifoe
jur eignen 2ebenöbefd)reibung' /
unb bie für bie 3citgefd)i<f)te wichtigen
„©agcburfjülättcr" unb ein aue
fiihrlidjeg Sadjregifter.
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel, Berlin W.
Soeben erschien:
Verzeichnis
der
Jielriebskrankenkassen
des
Deutschen Reiches.
Nach amtlichen Quellen zusammengestellt.
Nebst einem alphabetischen Ortsverzeichnis
und einer Zusammenstellung der Fabrikationszweige.
-— Preis 6 Mark. ——
Soeben erschienen:
Die
bevorstehende Erneuerung
des
deutsche n f^ankgesetzes.
Von
Karl Helffericb.
- Preis 3 M. -
XHc Scfytmnfcfucfyt
im Sichte ber ©tatiftif unb ©ocial*
politif. 23on Dr. IUill)rlm $Uetf.
1898. <ßrei§ 2 2JFF. 40 $f.
|um llcrlmnf.
fturliau* in (*rfncr, lanbidjarilid) irfum,
fnuitär günftig gelegen, — o'cfgrmibiiürf, 46 &T,
gutes SBoijn« unb Dcronomtegebäube, mantgf.
alter 3?aiunbeftniib, — im V'niiMiaiwuicTtcl eint
SBalbe, gute $romenabcnwege audi im Sinter.
©ccignct für eilt ftänbigee* (*rf)0luitgd*
haue« 3. für ’sMugeftcUtc bc* ftanbel* unb
ber 3»bu|trie. ftiisfunft: IV» Köhlen 9
<?rfncr, gürfienmalberftraftc 4.
Ccraiihuortlidj für bic ?lnscigcn: fcellinutt) Gctbcl, flcipjifl. — S?ctlap non Zunder 6k $umb!ot, Seipjig. — Gebiucft bei Julius eittciilclD, Berlin.
vm. guljrgang.
SSerlin, ben 15 Scjcmbcc 1898.
Hummer 11.
Soziale pvam.
($enfra£ 6 fctft fö* gjogiafporifiE
mit bcr KtonatSbctlage:
Das < 5 ewerbe<jertcpt.
©rgan bes Decbattbes beutfdjer (Betrerbegericfyte.
Kcite Folge bcr „Blätter für fojialc ^rajrt«" unb be« „©osialpolitifcpcn (SentralbtattS".
©rftfdit* an leiem D«uwerftag. §erau«geber: AretS oiertclittrli* 2 SR. 60 ff.
Kebaftton: Berlin W., Bapreutperftrape 29. Dl\ (Etttft /tDttlkt Berlag Oon D>uncfer & Jmmblot, Ceipstg.
3 nl)<tlt
SuöaUbenpftufer für Arbeiter.
Bon Stabtratl)&. 0. $ ranfenberg,
Btaun|cf)Weig . . . . ‘.265
©ine ArbeiterprobuftiDgc*
itoffenfdjaft in ber ©laSiit*
buftrie KorbböpmenS. II. Bon
Dr. Sflar bon Dapentljal, Äon»
jipift ber #(inbel$* unb ©ewerbe*
fammer, SReiebcnberg.269
KlfcnetneOHiab nnb f9irt(f4«ft9*
gaoftttf.272
Arbeitgeber unb llntcrnebnier.
Bom ©eroerbendjtcr £. S d) in i e b e t,
Berltnȣalenf<e.
Der ©efefcentrourf über ben
ArbeitSbertrag inBelgien. Bon
Dr. ©uftao 3Rat)er, Brüfiel.
©oaialpolitifdje Anträge im Deutfdjen
SieidjShige.
Arbeiteioerbänbe unb gabrifnntcn*
fpnbifatc.
ArbeiterauSfdjüjfe bei ben baperifcben
©taatSbapnen.
Da$ örtcrrefctjifc^c Arbeitsamt.
Snternationaier fojialiftiftber Dieuft.
Die ©o^ialpolitif auf bcr ©arifcr
SSeltausfteUung 1900.
Üomnnnaie ©osialpalltif . . . . 277
gosialbemoTratifcbcö ©rogtanun für
bie ©emeinbemapleu in SßreuBcu.
Befdpränfungen beS ©cmeinbcroal)!*
recptS in Sadjfen.
©täbtifdjc ÜJltScellen.
Asglale guH'dnbt ..278
©tatiftif ber grauen», ^ugenblicpcn«
unb Äinberarbeit in gabrifeit.
Die AuSbilbung ber faufmännifcbeit
Veprlinge.
Die täglidje Arbeitszeit in Oefterreicp.
©oaialbemorratiftbe Viga in Belgien
gegen ben AUopol.
fHvbeitgcberbevbänbe.280
„©(Smarje Siften".
Bereinigung bon iyabrifanteu in Äre*
felb gegen Streifs.
Die ©infüprung bon ©ntlaffungS*
fd&elnen für bie Arbeiter bcS ge*
fammten Baugewerbes.
Der Bunb öiterreicpifcpeT ^ubufirieller.
MnSciterbetocgnng.282
SRa®elung wegen Auöfageit uor
ber Äommiffion für Arbeiterftatiftif.
3ur Bergarbeiter * Bewegung in
©eutfdjlanb.
Die beutfcpen Bauarbeiter,
ßur Bermeibung beS Berliner Bäder*
fireifeS.
Arbeiter * ©cfretarlate in DüfTelborf
unb Wm.
©egen baS 3weiftuT}Ifpftem in ber
Weberei.
Bewegung ber belgifcpen SJtincnar-
beiter.
SUbetJcvf*«*.283
Der ©efefeentwurf gegen bie Uebef*
ftüitbe in ber ÄonfeftionSinbuftrie.
3 um ©cpup gewevbltd) befepäftigter
Äinber.
Arbeiterfc^ub im heutigen SBirtljS*
gewerbe.
Die ©ewerbeinfpeftion in Oefterriicb
tttbeiterberflttcruitg. ©fartaffen 285
Die Kentenfeftfepung unb bie
Aufbringung bei ©Uttel jur
Beftreitung ber SRentenlfaft
nad) bet Kooellc jum 3 >noali*
I bitfltSgefefce oon Dr. 3uliu8
I 9to.tbboIa, Berlin.
3ut 3 |lüc dibitätSnobetle.
Äranfen* unb Uufatlucrfidjerung ber
ftäbiifdjen Arbeiter in Berlin.
UnfaÜberpütungSborfcpläge ber Ar*
beiterunfaUoerficberungSonftalt für
Slteberofterreicb.
Berficperung ber ©oft» unb Dele»
grapljenbebienfteten in Defierreicf).
©nquete für eine AlterSberfttpeTitng
in Belgien.
StYbctt«nc**eit.288
©eniralberein für AibeiiSnadimeiS in
Berlin unb ©enträlauSfauB fauf*
j mänuifeper, gewerblicher unb in*
buftrieller Bereine.
©rgtcOBKg «nb BUbunq.288
DaS preuüifdje ©otfSfcbuIwefen.
Bon ©eneralfefretür 3. $ e w S, Beilm.
BoIfStbümlidje ^otbfcbuUurfe in
Berlin.
$umboIbtafabemie 311 Berlin.
Die Uuiveisity Exteusiou in Vonbon.
©iBigattffämtev. 6<&tebSger«it( 293
©in ©totfarbeiter-AuSftanb Por beiu
©inigungSamt beS ©ewerbegerid)tS
Berlin.
©in ©inigungSamt in ber englifd)en
SRbeberei.
8Uicra?tf©c Stnaatgcii.294
S0tT Diefcr Kummer fiub für föntmtlidje Abonnenten bcr „So*
3 ialen als Wrati^bdlagc btc Steuograp^t^cn ^rotofoffe
ber tBerianblnttgett ber erftett, in AKünepeti <5nbe September
abge^atteuett ^oitferett) be^ iDerbanbcd 'Deutfcper 9(rbcit<M
ttadMueife beigegeben. Die Kebaftion.
3mmlii»enljän|Vt für Arbeiter.
Scpon feü einer langen Keipe non 3«^en roirb für bie
naliben be§ ©tptnerteS niept nur burep ©etoäprung non ^enfionen ;
fonbern and) baburep geforgt, ba§ ein Xpeil non ipnen angemeffene
Verpflegung in ftaatlid)en Anftalten finbet unb oor Kotp unb @nt*
beprung auSreicpenb gefepüpt ift. S)ie 3»ööltben ber Arbeit fiitb
niipt fo günftig gefteüt; pier unb ba beftepen atlerbingS su iprer
Unterbringung Stiftungen mit ober opne @infauf§gelber; öffent*
lüpc Verbönbe in iprer (Sigenftpaft als Arbeitgeber paben ein
nacpapmenSmertpes Vorbilb in ©eftalt oon §>eimftätten für ipre
burd) Alter ober fonftige dinmirfungeit erioerbSunfäpig gemorbeiieit
Arbeiter gefepaffen, unb AepnliipcS ift feitens uiancper ©Jrog*
inbnftrieHen foroie in ber Verginbufirie burip ^nappfcpaftSorgane
unb berg(eid)en gefepepen. 3m Allgemeinen inbep fepU es bisper
noep an ber greifbaren S)urcpfüprung beS ©ebanlcnS, ben inoalibeu
Arbeitern auf Söunftp ein befdjeibeneS, bauernbeS Unterfomtnen
mit ber nötpigen pflege bieten.
barf bespalb baö Vorgepen beS VorftanbeS ber 3n*
oalibitäts* unb AlterSoerficperiingSanftalt Vrauufcptoeig in biefer
Angelegenpeit bie Aufmerffamfeit aller Vetpeiligten beanfprucpeit.
©r pat nämliip, natpbem er auf eine Umfrage bei ben Kenten*
empfängern feine« Ve^irfeS fepr oiele juftimmeube Antroorten er*
palten patte, bei bem KeitpSamte be« Snnern beantragt, in ben
Gsntiourf ber 3noalibenoerfi^erung«nooeUe eine Vorfcprift be« 3«*
palt« aufgiinepmen, bap e« ben VerrnperungSanftalten nadp Ktafe*
gäbe ber oerfügbaren 3Rittel geftattet fein fülle, bie ©mpfänger
einer Kente gegen Ver^idpt auf bie leptere in einem oon
ber Anftalt ju erbauenben Snoalibenpaufe auf^unepmen.
3>a$ Keicpsamt beS Snnern pat biefem ©rfuepen entfprocpeu, unb
fo ift su erwarten, bap naep erfolgter Vefdplupfaffung be« Vunbes*
ratp« bie Srage be« Vaue« oon Arbeiter*3noalibenpäufern bei ber
beoorftepenben ©rörterung im KeitpStagc mit beratpen werben wirb.
©S lägt fiep freiliep nidpt oerfennen, bap bie ©rfepung bcr
Snoalibenrente burep ben freien Unterpalt in berartigen Anftalteu
einigen Vebenfen begegnet, beren ©rpeblidpfeit ju prüfen ift.
3>ie ©efapr fdpeint $u bropen, bap baS Familienleben, ber
Familienfimt be« Arbeiterftanbe« nadptpeilig beeinflupt wirb, wenn
man bie Alten unb ©rwerbsunfäpigen oeraulapt, au« ber Ktitte
iprer Angepörigen, beren Siebe unb Aupänglicpfeit gerate in
Eranfpeit«tagen erprobt werben fönnte, auf bie Malier in ein Ver*
forgung«peim übereilfiebeln. Xiefent ©inwanbe läpt fiep jeboep
entgegenpalten, bap naep bem obigen Vorfcplage bcr Wegfall ber
Kente unb ber ©intritt ber pflege niemal« bnrep fonbern
immer nur im beiberfeitigen ©inoerftänbuiffc erfolgen foll.
0d)on bei ©rlap be« Snoalibität«* unb Alter«Derfi£perung«gefctn‘v
würbe gelcgcntliep bcr Scfprccpung be« jepigen §. 1H (bamal* S)
in ber Kciipötagsfommiffion mit Kcdjt betont, ta,; e« uuwiirbig
267
Sojtale $rayt$. Eentralblatt für Soatalpolttü. 9h:. 11.
268
fei iinb beut (Reifte beS (GefeßeS 3itroiberlaufe, gan^ aßgemcin bie
Ablöfung ber Rente burd) Raturalleiftungen jiijulaffcn; *) bas
Plenum beS Reichstages fjat troß beS BiberfprucßS ber RegierungS*
oertreter biefe Auffaffung burcßauS gebilligt.**) — Vielleicht wirb
es fief) empfehlen, ben berechtigten Biinfdjen beS Eii^clnen baburcf)
Rechnung gu tragen, baß beiben £ßeilen, bem AnftaltSoorftanbe
n)ie bem Verficßerten, bie Vefugniß eingeräumt roirb, aus wichtigen
(Griinben bie Eutlaffung aus ber pflege unb ben Biebereintritt
in ben SHentenbejug 31t oerlaitgen. Db ein „wichtiger (Grunb"
biefer Art oorliegt, wirb non bem ScßiebSgericßte ober bem ReidjS*
VerficßerungSamte naeß bifligem Ermeffeit enbgültig 31t entfeßeiben
fein, ähnlich wie in 3aßlreid)en anbereu gäßen beS (Gewerbe* unb
$>aube[$red)t$ (3. 33. §§. 124a, 133 b ber Rei<ßS*(Geroerbeorbnuug;
§. 626 beS 23ürgerlicheu (GefeßbucßS). Benit 3. V. ber einzige
Soßu einer Bittroe aus fernen ßanben ßeimfeßrt unb ber Vhitter
in feiner Veßaufung einen bequemen £ebenSabenb bereiten möchte,
fo roäre eS eine $ärte, wenn ber Austritt auS bem 3uoaliben*
baufc nicht baS Aufleben bes Rentenanfprucßs 311t* golge haben
foßte.
fRoch meniger fticßßaltig ift es, toenn ein Vebenfen gegen ben
Antrag abgeleitet roirb aus ber Verfcßiebenartigfeit ber Vermögens*
ucrhältniffe ber eingelnen VerficßerungSanftalten. Es mag fein,
baß‘inSbefonbere Dftpreußen unb Rieberbapern auch naeß Einfüß*
rnng ber ihnen fefjr günftigen Rooeßenoorfcßläge über bie Ver*
tf)eilung ber Rentenlaft noeß geraume ^c\t uöthig haben, ehe fie
lief) aus ben 0ehmierig!eiteu herausarbeiten, in bie fie 311m Sßeil
nicht ohne eigene Scßulb gerathen ftnb. 3)aburcß barf aber, raenn
man fid) nicht bem Vorwürfe ber Prinaipienreiterei auSfeßeu miß,
feiueSroegS bie Entroicflung in ben übrigen, beffer gefteßten 93er*
ficßerungSanftalten aufgehalten merbeit. Bie eS ßod) erfreulich ift,
ba& biefe auf bem (Gebiete ber Kranfeufürforge burth ben Vau
unb bie Einrichtung oon £>eimftätten für ©enefenbe bereite be*
bculenbe Erfolge erhielt unb auch Öörbcrung beS BoßnungS*
roefenS in bas ^Bereich ihrer £ßätigfeit ge3ogen h^bett, fo foß man
ihnen bei biefem ferneren (Gegeuftanbe ber ArbcitenooßlfaßrtS*
Veftrebungeu gleichfalls freie £>anb laffen. 3>er Vorbehalt, baß
über bie oerfügbaren Mittel nicht ßinauSgegaugeu toerbeu barf, ift
felbftoerftänblid). Beim aber früher ober fpäter einmal bie in
biefem Platte fo oft befürwortete EinßeitS*Verficßerung burchgeführt
mirb, bann roirb fi<h ber Uebergang aßer biefer Einrichtungen auf
bie neu 311 fchaffenben RecßtSfubjefte Straft bes (GefeßeS ohne
BeitereS ooßaießen.
0elbft roenu man ben geänderten Gebeuten mehr Berti) bei*
legen rooßte, fo roirb man bod) sugebeu miiffen, baß im Vergleiche
bamit bie Vortheile ber 3uüalibenßänfer überroiegeit unb 311 that*
fräftigem Vorgehen ermutßigeu.
^ic Suoalibenrente ift jur befanntlich noch fehr gering,
ba feit bem 1. Januar 1891 erft eine oerßältuißmäßig Heine 3 a bl
ber VeitragSroocßeu oerftrießen ift, bereu jebe ben 3oßre3betrag ber
Rente um 2, 6, 9 ober 13 4 erhöht. £>er monatliche ^ureßfeßnitt
ber mit 9,0-, JL beginnenben Snoalibenrenteu fchroanft gegenroärtig
Sroifcßen 10 unb 11 ,-if, Vereitelt roerben, befonberS in ben
großen 0täbten, Veträge bis 311 13 , i( monatlich gezahlt, ^ie
Roocße bcabfidjtigt 3toar, biefer färglicßen Vemeffung ber ßeiftungen
al^uljclfen — eine burdjgreifenbe Aetibcrung ift aber faum 3U er*
•warten, roenn nicht ber (Grunbgebaitfe beS (GefeßeS aufgegeben
roirb: ber Verficherte foß fich bie Rente je nach 2trt unb 3ußl ber
geleiteten Veiträge in höherem ober geringerem Vetrage oerbienen,
•hinter ben llnfaßrenten, roic fie bei einer als 3noalibität 311 be*
3eid)nenben, alfo über 2 / :? betragenben ErroerbSbefcßränfnng geroährt
roerben, bleibt bie 3nDalibenrentc in abfehbarer 3ufunft erheblich
3un'icf: Vei ben SllterSrenten, bie in .s^öhe oon 9 bi§ 16 t ((_ monat*
lieh beroißigt roerben, gilt baffelbe. Bie füllen ec> nun, gitmal in
beit theneren Drtfchaften, bie eilten unb (Gebrechlichen einrichten,
mit berartigen Veträgen au^ufommen? Benn Verroanbte ba
ftnb, mit benen fie eine Haushaltung bilben, unb bie fid) ihrer
annehmen, fo läjjt fich noch am leichteften ber Unterhalt für ben
) ^cidifingC'brnefindHMi oon isss sn 8fr. l-!l 3. I M*».
I 2teiiogr. Veriiüt B. 12:*>4 rf.
Rentenempfänger befd)affen. Beim aber ber Verficherte fich bei
fremben Leuten in pflege geben muh/ bann roirb naturgemäß hön*
figer ber Öaß eintreten, baß bie betreffenbe gamilie aßmonatlich
ben ooßen Rentenbetrag hinnimmt, ohne auSreicßenb für ben Vc*
reeßtigten 311 Jörgen. Verfud)t er aber aßein 3U roirthfehnften, fo
finb bie ?lu£gabeit für Bohnung, Rahrung, Neuerung 2c. für ihn
al0 Einseinen fdjier itnerfd^roinglich, unb nicht feiten muß er ftd)
an bie ^rioatroohlthätigfeit, an Vereine ober an bie Slrmenbehörbe
roenben, um Vaarunterftüßung, Raturalien, ja felbft Aufnahme im
Rrmenhaufe 31t erlangen.
3m Vergleiche mit biefem befchämenben 3uftanbe eS
offenbar eine große Botjlthat 31t bebeuten, roenn ber Rentner auf
Slulrag in einem angemeffen auägeftatteten Verforgung^h^ni feitenS
ber Verfid^erungöanftalt untergebracht unb biö an fein ßebenSenbe
au^fömmlich oerpflegt roiirbe. Rebenbei mag baranf hingeroiefen
roerben, baß auch & er Sö^gfuß ber für oiele Snualibe befchroerlichcn,
jebeu 9Ronat erforberlichen Bege 3111* Vefchaffung be« behörblichen
5iebensattefteS unb 3ur Abholung be3 Selbes oon ber ^ßoftanftalt
ben Vetreffenben fehr roißfomnten roäre. ^eu ihnen etroa oer*
bliebenen Reft oon 2trbeitSfäl)igfeit roürben bie meiften Snfaffen
folcher Suoalibenhäufer geroiß gerne oerroerthen, um ihre 3«t mit
nüßlidjen Vefchäftigungen 3U oerbringen. 3)er babei er3ielte Ver*
bienft müßte ihnen, nach $lb3ug ber 0elbft!often für Rtaterial unb
bcrgleichen, überroiefen roerben. 0oroeit eine folcßc Einnahme nicht
in Vetracßt fomtnt, fteht nichts entgegen, nöthigen SußeS ein be*
fcheibeneS Heines 2afd)engelD 3U geroähren, ähnlich roie es 0011
ben VerficherungSanftalten in manchen Säßen bei benjenigen Uranien
gefdjieht, bie in einen Kurort gefeßieft roerben. Eine unguläffige
Sreigebigfeit ift in folcßen 3umenbungen ficßerlich uießt 3U erblicfen,
ba fie lebiglid) ben 3mecf hüben, ben geroährten freien Unterhalt
3U ergänsen unb bem Empfänger bie Veftreitung geringfügiger
Ausgaben für feine perfönlicßen Vebürfniffe 3U ermöglichen. ^aS
Rähere hierüber fann bureß bie §>auSorbnung geregelt unb ebenfo
roirb Veftimmung barüber getroffen roerben, ob oielleidjt für SDie*
jenigen, roelche eine höhere Rente be3ogen hüben ober einen 3» s
feßuß 3itr Verpflegung 311 3ahleit bereit finb, befonbere Vergiin*
ftigungen geroährt roerben foßen.
lleberhaupt muß man oorauSfeßeit, baß oon ben 3«ualibitätS*
unb 9llterSocrfid)eruugSanftaIten, bei beren Verwaltung bureß Vor*
ftanb unb ?lusftßuß neben ben ftaatlicß befteßteu Veamten bie
Arbeitgeber nitb *neßmer in gleicher i^aljl betheiligt finb, bie Ein*
rießtung unb ber BirtßfcßaftSbetrieb ber Suoalibenhäufer in einer
oerftänbigen, roohlrooßenben Beife geregelt unb beauffießtigt roirb.
Benn fie e£ hieran irgenbroie in erheblichem SRaße fehlen ließen,
fo roiirbe bieS bei uitferen heutigen Verßältniffen alsbalb befannt
roerben, unb fortan möchte eS feßroer faßen, bie Rentenberechtigten
3unt Eintaufcß ißreS AnfprucßS gegen bie freie Station in bem
Afpl 311 beroegen.
^cr EMcidjfteßung prioater VerforgungSßeime mit jenen An*
ftalten fann icß nießt baS Bort reben. ^)er Vraunfcßtoeiger An*
trag nimmt ßieoon audj Abftanb. 3u ber Xfyat roürbe e£ leicßt
311 RHßftänben führen, roenn man bie Unterbringung in $rioat*
pflege auf Soften ber Verficßerungsorgane ebenfaßs an bie Steße
ber Rente treten laffen rooßte. 3>ie (Sorge für bie Verecßtigten ift
babureß bei Beitem nießt fo aitsreicßenb fießergefteßt, als bei un*
mittelbarer (Gewährung beS Aufenthalts feitenS ber Xräger ber
Rentenpflicßt.
Auf ber anberen Seite bietet ben VerficßerungSanftalten bie
Errichtung ber Snoalibenßäufer große Vortßeile, bie eS erflärlidj
matßeu, baß aus ißrer Vätte bie Anregung 311 ber gefeßgeberifcßeit
Reuerung ausgeßt. Sie erhalten nießt nur (Gelegenheit, bem aß*
gemeinen Boßle burd) bie Erfüßung eines oielfacß gehegten
BunfcßeS 311 bienen unb ben Segen ber oft angefeinbeten Arbeiter*
oerfidjerung reeßt augenfäßig fid)tbar roerben 3U laffen, fonbern fie
werben aueß oorauSfid)tlicß bie gemeinfame Verpflegung einer
größeren Ai^aßl oon ^erfonen bebeutenb billiger unb fachgemäßer
bureßfüßren fönnen, als es bem Einseinen möglid) roäre, 3umal
ba fie mit ißren eigenen, erßeblicßeit Kapitalien arbeiten. Sie haben
gleichzeitig (Gelegenheit, bie Pfleglinge, beren 3uftanb, Eßarafter
unb Veiftungsfähigfeit genau 311 beobachten, fie fönnen bei ihnen.
270
269 Soziale PrajtS. Gentraloltttt für ©ogtalpolüil. 9h:. ll.
falls bic^ gmecfentfprecpenb frfjeiut, baS ^eilocrfaprcn (§ 12) ein«
leiten, baS nach ber RooeHe auch bei ben fd)on für iitoalibe (Sr*
Härten ftattpaft fein foH, unb \\t finb, wenn fiep eine erhebliche
Peränberung in ben Perpältniffen eines Snfaffen ergiebt, welche
tpu niept niepr als bauernb erwerbsunfähig betrachten läßt,
ober wenn er ben angebotenen, facpbienlicpen £eiluerfucp ab(eF»nt,
gur Perfagung beS ferneren Aufenthalts in ber Anftalt unb gur
Gntgiepung ber Reute befugt. $)a bie ©efammtpeit ein 3ntereffe
baran pat, baß niemanb bie Rente erhält ober weiter bezieht, ber
fie nicht oerbient, fo läßt fich gegen biefe Rtöglicpfeit befferer Kon*
trole, bei ber felbftoerftänblich bie ^rcimilligfeit beS Eintritte
in baS SnoalibenhauS nicht "unbeachtet bleiben barf, schwerlich
etwas erinnern.
Aue biefen ©rüitbcn ift bem Porfcplage, bie PersicperuugS*
anftalten gum Pau ooit Snoalibenpäufern unb gur Unterbringung
ber Rentenempfänger in ihnen gegen S^er^icfjt auf bie Rente gu be*
rechtigen, ein guter Grfolg gu tuünfcheit, fofem bie ermähnten Gr*
gelungen Perücfficptigung finben, bie ^auptfächlich im ^ntereffe
ber Perficperten liegen. Gin Perfucp foüte mit ber Sadje wenig*
ftene gemacht werben; ein folcher ift aber ohne Aenberung beS 3n*
oalibitäts* unb AlterSoerlicperuHgSgefeßeS gur 3*it nicht möglich,
ba bie gefeßUcp gewährleifteten baaren Rentenbegftge felbft mit Gin*
roiQigung beS berechtigten nicht bnreh Raturaloerpflegung erfept
werben fönnen.
Praunfcpmeig. £>. o. 3ran fettberg.
dtne Ätbertcrprobuhtiagenoflettfdjaft in bet
dla^kurinmareninbitfirie UorbböJjmcn?.
ii.
PerS'ucpt mau nun fich über bie bortheile Har gu werben,
welche bie ©enoffenfdjaft auf ©runb ber in ooriger Rümmer gc*
fchitberten Drganifation mit [ich bringen fann unb oorauSfichtlid)
auch mit fich bringen wirb, fo laffctt lieh biefe nach groei ©eftepts*
punften, unb gwar iit folche oorwiegeitb wirthfcpaftlidser unb folcpe
oorwiegeitb fogialpolitifdjer Ratnr gruppiren, bie beibe naturgemäß
oielfath gu einanber in 'Becpfelbegiepungen fielen unb ineitianbcr
übergreifen.
3 n ber erften (Gruppe ift als wichtigstem ÜÄoment bie burch
bie ©enoffeufepaft gu bewirfenbe Preiserhöhung gu nennen. £>tefe,
welche oorfichtigerweife für bie uächfte 3eit nur auf etwa 20%
feftgefeßt ift, bebeutet für bie Arbeiter eine Grpöpung ihres Arbeits*
eiufommcuS um etwa 200—300% unb wirb ihnen baher, wenn
auch feine glängenbe, fo bod) eine meufcpenwiirbige Griffen g bieten.
Sie bebeutet aber auch eine Grhöhung beS Perbienftes ber fiiefe*
ranten, bie unter ben bisherigen Perhältuiffen oielfach um ihr ganzes
fiab unb ©ut gefommeu waren, unb fd)ließlicp auch beseitigen ber
Grporteure felbft, bereu ©ewinn fich innerhalb gewiffer progeitt*
fäße oom Preife bewegt, jeßt allerbings aber mehr ben Gharafter
einer KomtniffionSgebübr annehmen wirb. ®ie burch bie ©enoffen*
fepaft gu bewirfenbe Peenbigung ber preis* unb £opnbrücferei
wirb alfo allen betheiligten (Gruppen Ruhen bringen, womit bereu
Kauffraft erhöht werben unb ber bereits ftarf überhanbuepmenbeu
Perfcpulbung ber ©egenb Ginhalt gethau werben wirb.
4)iefe äÖirfuitg wirb fich aber niept nur auf jene (Gruppen er*
ftreefen, bie an bem oon ber ©enoffenfepaft erzeugten Rfaffenartifel
unmittelbar betheiligt finb, fonbertt ber Auffcproung biefeS ArtifelS
wirb auch auf bie gaplreicpeu aitberen Artifel gunäepft ber perlen*
brauche unb oielleicht aud) nnberer Prancpen ber ©ablonger 3n s
buftrie guriicfwirfeit, wie bereits gegenwärtig bie ©riiubung ber
©enoffenfepaft felbft auf ähnliche ausläubifcpe 3nbuftrien in yform
einer Preiserhöhung ihrer Artifel cinguwirfen f epeint.
Gin anberer Porttjetf, bie Permcibuug einer lleberprobuftiou,
ift infofern nicht befonbers hoch angufiplagen, als ja auch bisher
in bem Artifel fein Spefitlationsgefd)äft oorperrfepte, fonberu für j
bie probuftiou rneift nur bie tpatfäcplid) oorliegenben DrbreS maß* j
gebenb waren. 3mmerhitt ift aber bie Regelung ber probuftion j
auch in Pegug auf bie Quantität, bie burd) bie ©enoffenfepaft unb |
fpejiell burch ein oon ihr gu errid)tenbeS L'ager herbeigeführt wirb, |
fef;r su begrüben, namentlidj auch beShalb, weil bie pauSiubuftrielle 1
Peoölferung, um bie es fich pi er banbeit, oon einem gewissen 1
Üeicptfiun nicht frei^ufpreeheu ift, ber fie in früheren 3eiten günftige j
perioben häufig überhaupt nidit auSnüpeu. fonbern nur sum Anlag j
eines seitmeiligeu flotteren Üebeus nehmen lief).
j Als ein wirthfchaftlicher SSortheil ift auch bic Perbilligung ber
probuftion gu begeidjnen, bie burch & e n Anfauf einer Reihe oon
I $ülfsmaterialieu burd) bie ®enoffenfd)aft herbeigeführt wirb. Aber
i nicht nur ber Perbilligung ber oerwenbeten Rtatcrialien, fonbern
i aud) ihrer belferen Qualität fann bie GJenoffcnfcbaft ihr Augenmerf
1 guwenben, wie überhaupt ber Pefferung ber Qualität ber 'I^aare
burch Ginführung gleichmäßiger, größerer formen, burch befonbere
Aufmerffamfeit auf bie Perfilberung 2 C. bie weiteftgehenbe ^ürforge
bei befferen Preifen gewibmet werben fann. Hnb gerabe barin
I muß ebenfalls einer ber widrigsten gortfehritte erblicft werben, ber
j burd) bie Wenoffenfchaft angebahnt wirb, bereu gefeßUd) gefchiißte,
; außer für eine entfpred)enb gute Qualität auch bie Garantie für
! entfprechenbe (Größen unb Pcengen in ben eingelnen Aufmachungen
j gebenbe SRarfe in .'pinfunft bic ©ablonger 3ormperle gu einem
hoppelt fo gefuchten unb beliebten Artifel gu machen beftimmt ift.
2£as bie fogialpolitifcheu Grrungenfd)af!en anlangt, bie burch
bie ©enoffenfehaft ihre Permirflichung erfahren follen, fo ift auch
hier bie ^ohnfrage in erfter Reihe gu nennen. ®as 3^ ^aS an*
geftrebt wirb unb baS anbermärts immer mehr ober weniger nto*
piftifdi bleibt, bie Ginführung oon Ptinimallöhnen, erfdjeinl hter ntög*
lief) baburd), baß es sich um eine fo giemlid) gefd)loffcnc3al)loon Ar*
beitem ohne ftonfurreng hanbelt. 3»t 3nfamntenhange mit biefer
Grrungenfchaft ift auch bie glücflid) gelöste Srage ber Pertheilung
bes Reingewinnes gu betrad)ten. (^<hon uad) 3- ^t PHd ift baran
feftguhalten, „baß eine Pereinigung feine ©enoffeftfehaft ift. gu ber
fich perfoiten oereinigen, um ©ewimt gu ergiclen, an Dem nur
Ginige Anteil haben, fonbern baS ©efentlichfte ber ©enoffenfehaft
ift, baß ber Arbeiter au bem ©ewinne ber Arbeit theilnimmt".
$ier wirb faft ber gaiue ©ewinn nad) Maßgabe ber geleifteteu
Arbeit oertheilt unb baburch bis gu einem gewiffen ©rabe fogar
baS oie!6efprochene „Recht auf ben ooHen Arbeitsertrag" oerwirflicht.
PefonberS beuterfenSwerth ift nun aber nod), baß burd) bie
©enoffeufd)aft iubireft wenigftenS bem Arbeiter ein 0d)uß gu*
gewenbet wirb, ben baS ©efep bisher nur in ber gabrif bur^*
geführt hat. £bnc baß bas Statut ober bie ©efdjäftSorbnung
auch nur ein Söort barüber enthielte, wirb nämlich bei Pefolgung
ihrer Peftimmungen baS ArbeitSi)uautum, bas bem Gingelnert gu*
gewiefen wirb, ein befchränftes unb baher auch ArbeitSgeit eine
hefchränfte fein, in gewissem 0innc alfo ber PfayimalarbeitStag
auch in biefer .spauSinbuftrie Gingang finben. ; '
^aß bie Art unb ©eife ber Gingahlung bei* Antheilc bic
gunächft allerbings gwingeitbe Anregung gum Sparen giebt unb
ben 0parfinu weeft, ift, wenn auch nicht oon befonberer, fo hoch
nicht gang unb gar gu unterfepäßenber Pebeutnng, guntal wenn bie
©enoffenfdjaft florirt. s BaS ipr in biefent galle noch auf humani*
tärem ©ebiete gu leisten möglich ift, mag oorläufig bahingeftellt
bleiben, dagegen wirft bie ©enoffenfehaft jeßt fepon niept un*
| wefentlid) ergieperifcp unb in fogialer Pegiepung anregenb baburep,
baß fie ben Arbeitern ein gentcinfameS Öbjcft bcS ScpaffenS, einen
iongentrationspunft iprer Peftrebungen unb enblid) auep einen
AuSgangSpunft iprer Drganifation gab.
^aß mit ber Grhöpung ber l^öpne unb Ginfcpränfung ber
ArbeitSgeit, fowie mit ber angebapnten Drganifation auep bie ©runb*
bebingungen ber Pefferung ber oielfacp fepr traurigen fanitären
unb fittlicpen Perljältniffe gegeben finb, braudjt wopl niept befonbers
erörtert gu werben. Auep ift es oorläufig nod) niept an ber 3°iP
bie weiteren fo$ialpolitifd)en Aufgaben ber ©enoffenfepaft git be*
fpreepen, au bereu fiöfung fie mit ihrer inneren öeftigung unb Gr*
ftarfung oon felbft schreiten wirb.
dagegen fott uoep furg ber Perfucp geinacpt werben, bie Aus*
fiepten ber ©enoffcnfdjaft auf ©runb ber beftepenben Perljältniffe
unb ber anberwärts gemachten Grfaprungen furg ins Auge gu
faffeit, wenn fiep auep ber Perfaffer gang Har barüber ift, baß
gerabe in ben fragen beS wirtf)fd)aftlicpeu Gebens, baS oon fo
oielen gum ^peil nüd) unanfgeflärten Jaftoren abhängig ift, jebc
Prognofe fautn mepr als eine Permutpung ift unb nur bie Gr*
faprung ben Grfolg jeber Maßregel lepreu fann. Pisper paben
bie Probuftiogenoffenfcpaften im Allgemeinen noep niept jene Gr*
folge für firfj, bie mau uaep ben Anpreifnngeu burep mauepe ihrer
Perfecpter gu erwarten hätte; ja oielc oon biefen finb im Minblief
auf bie gaplreicpeu Riißerfolge, bie fpegiell im Kleingewerbe mit
biefer AffogiationSforui gemacht würben, oon ipreit einstigen Ur*
tpeilen abgefommen unb betrachten ftreng fritifepen Auges bie oer*
pältnißmäßig wenigen probiiftiogenoffcnscpafteu, bie oereingelt in
allen Staaten eine mehl* ober weniger befdieibene Grifteng friiten.
Ausgunehmeu finb oiellcidit mir jene ginn 0heil fein* bebenteiibeu
©euoffcntd)aften, weUpc, gumeift oon Monfumenteu gegriiubet, für
bie Pefcpaffung ber wichtigsten Artifel bes täglidjen ijebeitsbebaifes,
271
Soziale $rajt$. ©entralblati für ©o&ialpolittf. Nr. 11.
Brob, Niild) :c., forgen, wahrend fpe^tcH oerfcf)iebene Arbeiterprobuf*
tiogcnoffenfifjaftcn, bie eine ßeitlang oiel oon fid) reben gemacht
batten, halb an unüberwindlichen Schwierigfeiten fetjeiterten. BSenn
nun trop biefer ©rfahrungett hier ein giinftiged fHefuTtat erwartet
wirb, fo gefdjieht bied, weil bie* tbaifäcfjlich ganz befonbere 93er*
bältniife oorliegett und biefe ©enoffenfehaft wirflid) gefördert non
alten Jyaftoren, oon ben natürlichen (^riften^oerbältniffen ber in
faage fommenbett Snbuftrie, wie oon einer Steifte inbioibneller unb
fpe^ififcher Momente tnd Leben tritt.
Nach ber Anfid)t eined ber beften Kenner ber ganzen ©enoffen*
fchaftdbewegung, Dr. £>and drüger*@barIottenburg (ogl. Artifel
„Brobuftiogenoffenfchaften" im .v)anbwörterbud)c ber Staatdwiffen*
febaften), wirb
„bie Brobuftiogeuoffcnicbaft am cheftcn überall ba erfolgreich fein, wo
ber Breis bes Brobuftes hauptfädjlid) burrfi bie Arbeit beftimmt mirb,
wo Arbeit uttb perföiiliche (Energie für bas ©cbeiljeti bcs Unternehmens
eutfcbeibeitb fiab, wo ber Abiaß ein gefid)erter ift unb um eine gleich*
mäßig große ^Ingaljl oon Arbeitern befrfjäftigt werben famt. ©anz be*
fonberd zur geuoffenfchaftlicheu Crganifatiou eignet (ich aber bie .fraud*
inbuftric."
AHcd, wad ber erfahrene Autor oorftebenber Säpe ald Bedingungen
ber erfolgreichen Begründung unb bed ©ebeihend einer ^robuftio*
genoffenfdjaft hier ooraudfept, trifft in Dorliegeitbem 3aUe zu unb
noch weit mehr. 3n erfter Linie ift ber Abfap des Artifcld nach
menfchlicher Boraudficht ein gefieberter unb feit Bienfehengebenfen
ein !onftanter, ja fteigenber. Meine audlättbifche unb feine inlän*
bifche Moufurrenz bebroht ihn, unb auch in unferer 3»buftrie felbft
wetteifern nicht etwa oerfchiebene Betriebdformeii untereinanber.
Meine Biafdjine ermöglicht einem Unternehmer, bie Arbeit bed mit
fojufageu ererbten Menntniffen fdjaffenben $)eiinarbeiterd burdfj bie
Leitungen einer ungefdjulten ^anb zu erfepeu. SDie ©efcfjicflichfeit
unb Erfahrung bedArbeiterd ift audfdjlaggebenb für Citalität unb
Quantität ber Brobuftion, unb feine Arbeitdfrafl bilbet ben öaupt*
faftor ber ^reigbilbung. Mautit irgenb eine wefentlicbe (Gefahr
droht alfo bem neuen Unternehmen uon außen.
$)ie Draanifation ber ©enoffeufchaft ift aber eine fo oorfichtig
angelegte unb gut funbirte, baß and) aud ben fpe^ififdjen Verhält*
niffen biefer ©enoffeufchaft wohl feine unüberwindlichen Schwierig*
feiten fid) ergeben werben. $)iirch bie ftuge unb zweckmäßige
Beßhränfung auf ben Abfap an bie ©rporteure unb ltnterlaffuug
einer eigenen ©fporttpätigfeit, bie jumeift wohl eine auf große ©r*
fahrungen unb" Menntniffe bed Bkltinarfted geftüpte iubioibuelle
Leitung unb auch gt’oßc S^ififcn zur Boraudfepung hat, bricht bie
©enoffeufchaft bem begreiflichen Mißtrauen ber ©£porteure, ber ein*
fluß* unb fapitaldreid)ften Saftoren ber Snbuftrie, bie Spipe ab;
burch Befestigung aller tüchtigen Lieferanten oermieb fie ed, biefen
Staub feiner ©pftenzmittel 311 berauben unb fid) gutn ©egner 3U
machen; burch eine auf mobernen Anfchauungen unb 'sßrin^ipicu
beruhenbe ©ewinnoertheilung wirb fie fi<h bie ©uitft unb and) ben
©ifer ber Arbeiter erwerben. Bon ben offiziellen Aaftorcu wirb
bie ©euoffenfdjaft, wie bisher, auch in 3 u t mi ft geförbert werben.
Aud) bie Arbeiter fepaft ald Partei, fowie in ihrer gcwerffdjaftlicheu
Crganifatiou befürwortet in ihren Streifen, wenn and) unter Bkp s
rung ihrer prinzipiellen Neutralität, bie llitterftiipitng ber ©enoffeit*
frfjaft unb ben Beitritt 311 ihr.
Unb nun 31 t einem ber heifeliteu fünfte, 31 U' ©elbfrage! Biele
ber heroon*agenbfteu Meitner be$ ©euoffenfchafti&wefenö oerwerfen
bie |)ülfe ooit außen, burch Staat unb Brioate, uitb h a ^ en ^
Brobuftiogenoffenfhaft nur bann thatfächlid) für ein geeignete^
Ntittel ber ©tnau 3 ipation ber Arbeit, wenn fie and eigener Suitiatioe
ber Arbeiter entfpringt unb mit ben eigenen Mitteln ber Arbeiter
ind 3Öerf gefept wirb, fner aber geben zunächft nur Brioate unb
ber Staat bad ©elb her unb auch bie Leitung ber ©enoffeufchaft
ift ooit aufjeit beeinflußt. Vlber wenn nun auch bad ©rftcre bem
Berfafier felbft ald ein bebenflidje^ Moment erfd)cinen will, wenn
and) wirflid) 31t befürchten fleht, bafj bie Arbeiter, fid) felbft über*
lajfcu, bie Summen, über bie fie nun 31t oerfiigeu haben, über*
fchäpen, fd)led)t uermalten unb fid) ber eigenen Arbeit unb bed
Lernend überhoben glauben würben, fo werben gerabe biefe Be*
benfen burch bad zweite Bioment einigermaßen ^erftreut. 2?cnn
freilich fehlt ber Nrbeiterfchaft bie geuoffenfchaftliche Borfdiule,
freilich fehlt ihr nocf) ber (iinblicf in bae ©efchäftdlebcu, aber bie*
jenigeu, bie bad ©euoffenfchaftdprojeft, einen laugerfehuteu 92öunfd)
ber Arbeiter, mit ihrer Miilfe in bie ®rflid)feit ntngefept haben,
bie wollen nid)t nur ©elb geben, fonberu and) bie ©r.dehung 311
beffen ©ebraud).
„Bür haben bie Arbeiter auf*? Bferb geießt, nun füllen fie —
uidit gleich reiieu , aber reiten lernen/' meinte einer ber am ver*
oorrageitbften au ber ©enoffenfehaftdgrünbung betheiligten Ntänner.
Db fie ed lernen werben, ob bad $ferb bad rid)tige unb ob ed
rid)tig gefältelt unb gesäumt ift, wirb freilich erft bie 3ufunft
lehren, jebeufalld wirb hier ein bebeutfamer Berfud) gemacht
unter ben günftigften 2lufpicien. Unb ed wirb für Stheoretifer unb
Braftifer ber 3Kiihe werth fein, biefen Berfuch, ber audi theore*
tifchen ©egnern Sympathie absuringen geeignet ift, mit Äufinerf*
famfeit 311 oerfolgen.*!
Neidjenberg. Biar 00n ^apenthal.
^Ugemdtte Qojiol- unb ÄirtljrdjaftspoUUfe.
Arbeitgeber ttnb Unternehmer.
©in Beitrag 3ur ^Regelung bed 3Sahlred)td für bad
©emerbegericht.
3n ber Spraye bed gewöhnlichen Lebend pflegt man gwifcfjen
einem „Arbeitgeber" unb einem „felbftänbigen Unternehmer" feinen
Unterfd)ieb 31t machen. B?an hat eben bei Anweitbung beiber Be*
griffe nur ben ©egenfap bed fo^ial unabhängig für eigene Nedjming
Arbeitenden 311 bem abhängigen Arbeitnehmer im Auge. 3m red>t-
lichen Sinne aber ftnb biefe beiden Begriffe burchaud oerfchieben:
Nicht jeder Arbeitgeber ift felbftänbigcr Untemehmer, unb nicht
jeder felbftänbige Unternehmer ift Arbeitgeber.
Ilm bied uaduumeifen, muh man sunächft beide Begriffe 3U
befiniren fuchen. Leiber giebt bie ©ewerbeorbnung für eine ^e*
finition feinen Anhalt. ®enn fte gebraucht häufig beibe Begriffe
ald gleichbebeuteub (ogl. 3. B. § 133a „oon ©ewerbeunter*
nehmern . . . befdjäftigte Berfonen", denen gegenüber nach § 133c
Abf. 2 ber „Arbeitgeber" gewiffe Ned)te hat), während fie au
oieleit anderen SteHen swifd^cu „Unternehmer", „©ewerbetreibenber"
unb „Arbeitgeber" 11 nterfd)eibet.
§)ält man fleh bedhalb sunädjft an ben Bdortfinn, fo ift „felb*
ftänbiger Unternehmer" derjenige, ber eine Arbeit sur And*
führung auf eigene Nechnnna übernimmt. Selbftänbiger
Unternehmer ift alfo nicht nur der grofce gabrifant ober .?>anb=
werfdnteifter, ber oiele ©ehülfen befchäftigt, ober der Mleinmeifter,
ber ohne fremde$ülfe arbeitet, fonbern auch ber fogial abhängige
Arbeitnehmer infoweit, ald er einmal audnahmdweife ein Stücf
Scharwerf auf eigene Nedjmincj audfiihrt (3. B. ber Nofirleger, ber
für feinen $>audwirth eine flaue Reparatur an ber 9ßafferleitung
oornimmt).
Arbeitgeber dagegen ift nach & em IBortjinn derjenige, ber
3emanbem Arbeit giebt, ber 3^manben ald feinen Arbeitnehmer
befd)äftigt. Arbeitgeber ift alfo nicht nur ber mit ©ehülfen
arbeitende felbftänbige Unternehmer, fonbern auch ber £>aud*
inbuftriellc rücfficf}tlicf) bed Nechtdoerhäliniffed 3U feinen §ülfdfräften.
Beibe Begriffe bccfeit fleh alfo nicht, obwohl fie bie ©ewerbe*
Ordnung mehrfach ald gleichbebeuteub anwenbet. hierdurch ent*
ftehen auch im Nahmen ber ©ewerbeorbnung feine Schwierig*
feiten, weil gerabe dort, wo beibe Begriffe oermifcht werben, über
den Sinn bed ©efefced fein 3meifel befteht.
Bon erheblicher Bedeutung dagegen ift ber llntcrfcfjicb 3wifcf)cii
„Arbeitgeber" und „Unternehmer" auf einem anderen ©ebiet.
3)ie Beifiper ber ©ewerbegeriepte „miiffen 3«r |)älfte aud den
Arbeitgebern .... entnommen fein", fie „werben mittclft Bkpl
ber Arbeitgeber . . . befteüt" (§ 12), denen im § 14 gewiffe
andere Berfonen gegeftelit find. (Endlich find nach § 13 nur „bie
näheren Beftimmungen über bie B3aht und bad Berfahren bei der*
fclben" der ortdftatutarifchcn Negclung überwiefen.
: ’n ©!? ift ein bcmerfcndwcrthcr /ufall, baß glcid) 3 eitig mit brr
oben geid)ilbcrtcn großen ^robuftiogeuoffenfehaft int ©ablonzer Bewirte
eine zweite Arbeiterprobiiftiugcuo|fciijci)aft in einem anderen $>au«iiiduftrie*
gebiete Norbböbmen« im? Leben tritt, bie „©rfte Bürgfteiuer Ber*
einig 1111 g 3111 * r 3 cngnng oon Na Innen, regiftrirte ©eiiofienidmft
mit beidiränltcr imftung". Xiefc etwa 4u ältere Arbeiter zählenbe We*
noiienidjflft löft bie Airma ,,©arl ©rar Min?fi) ©rben" in Bürgfiein ab nnb
ift in bcrB?eife 311 Staube gefommen, baß ber bi*?berige /siibaber biefer
A-irma, ©raf .stinofii, fein Unternehmen, bie fabrikmäßige Urzeugung
oon banptiäd)lid) für ben Urport nad) /snbien nnb Amerifa beftimmten
Spiegelrabmen felbft nicht weiter betreiben, mit Niicffidit auf bie lang*
jährige Bcfihäitignng ber Arbeiter bei ber A-irma nnb auf ben Bcftaud
einer wohl fnnbirten Mrattfeu* unb $eufiouöfaffe aber ba? Unter*
nehmen aud) nidjt oollftänbig auflöfeu wollte, weshalb er baffelbe
feinen Arbeitern übertrug, iljnen gleichzeitig bie freie Benupuug ber
A-abrif, ber Niafthineu, iWräthc, bie Urlebiguug ber oorbaubeneu Auf*
träge :e. iiberlaffeub. Xie Arbeiter oeriitdieu nun, zu einer Brobuftio*
geuotfeuichait orgnuinrt, ben Betrieb mit eigenen Banuittelii weiter*
zutiihren.
273
©ojiale fprajis. <5entraI6Iait für ©ojialpolittf. Ar. 11.
274
( 5 ? fragt ficfj bal;cr, ob jeber felbftänbige Unternehmer als
Arbeitgeber wahlberechtigt ift. Diefe grage roirb nach oorftehenben
Ausführungen 311 oerneinen fein. Aur Derjenige Unternehmer barf
Sitm ©ewerbegerid)t wählen, ber gleichseitig Arbeitgeber ift; beim
im ©efefc ift nirgenbs bem „Unternehmer" eine ©iitwirfitrtg auf
bie 3 u f amm enfebung Des ©ewerbegerichts eingeräumt, bort ift oiel*
incht immer nur 00 m „Arbeitgeber" bie Aebe. Die 33orgefd)id)te
beS ©ewerbecjcrichtSgefeheS fönnte aßerbitigS eine anbere Anfidjt nahe
liegen; benn ein Antrag, bett begriff beS Arbeitgebers bahiit jubeftniren,
bag er Arbeit geben unb fein ©ewerbe angemelbet höben muffe,
würbe in ber äommiffion abgelehnt. SDiefe Ablehnung aber er«
folgte nicht, weil man bie Definition für falfch ^ielt, fonberen weil
man nicht ju fet)r generalifiren wollte, 3öenn in ber Äommiffion
ualeich ber ©ebanfe auSgefprochen würbe, biefe Definition folle
ieber baS DrtSftatut auSfprechen, fo !ann biefer ©ebanfe, ba er
im ©efefc felbft feinen AuSbrucf gefunben hat/ feinen Anfpruch auf
S3erücffid)tigung machen. Denn nach § 13 Abf. 4 hat baS DrtS*
ftatut (abgefehen oon bem gefefclid) befonberS h en, 0 r 9 e h 0 & cncn
0 pe 3 ialfau beS § 14 Abf. 2) nur „über bie 3öahl unb oaS 33er*
fahren bei berfelben", nicht aber über baS Wahlrecht 33eftimmungen
SU treffen.
©S ift beShalb auch nicht möglich, burch baS DrtSftatut folche
3?erfonen jur SBahl ber Arbeitgeoerbeififcer gujulaffen, bie smar
Unternehmer, nicht aber Arbeitgeber ftnb. 2So biefer S3erfuch etwa
gemacht worben ift, ift er ungefehlid).
Glicht ni leugnen aber ift eine ©chwierigfeit, bie ftd) aus biefer
Trennung Der beiben in Aebe ftehenben begriffe ergiebt. V3o —
wie 3 . 33. in Berlin — Sählerliften aufgefteHt werben, rnüfcte bei
jebem ©inseinen, ber als Arbeitgeber eingetragen werben will, feft*
gefteHt werben, ob er wirfUd) „Arbeit giebt", b. h- ob er in ber
Aegel Arbeitnehmer Befcfjäftiat. 3Boßte man in jebem 3aß einen
ftriften Nachweis erforbern, fo würbe in großen ©täbten eine ge«
rabegu nicht 5 U bewältigenbe Arbeit für Den 9ßagiftrat bei Auf«
fteHung ber ßifte entftehen. Diefe ©djwierigfeit liehe fich aber
leicht heben, wenn man folche Unternehmer, welche ttotorifcf) ©e«
hülfen befestigen, ohne weiteres eintrüge unb bei ben übrigen
ftd) mit einer ©laubhaftmachung im ©inne ber ©ioibprosefe«
orbnuna begnügte. Da| in beiben Aichtungen gro^e Vorfid)t am
$tage fein würbe, ift flar. Voürbe hoch wohl manche eibeSftatt«
liehe Vcrfidjerung leichtfertig abgegeben werben, unb giebt eS hoch
anbererfeits Unternehmer, bie — wie 3 . 33. ein großer 33auunter«
nehmer in 33erlin — nicht einen ewigen Arbeiter befchäftigen,
fonbern ftets ihre großen S3auten einer anberen $erfon in ©eneral*
entreprife übertragen unb felbft nur beren Dbätigfeit fontroliren.
Ungenügenb ift bagegen ber Wachweis, ben 3 . 33. baS 33erliner
DrtSftatut (§ 13) für auSreichenb hält, bah nämlich ber ©in«
mtragenbe fein ©ewerbe angemelbet ober oerfteuert habe; benn
oaburch weift er nur nach, bah er felbftänbiger Unternehmer, nicht
aber, bah er „Arbeitgeber" ift.
23erlin«£>alenfee. §anS ©thtnieber.
Der @efe|entamrf über ben Arbeitsertrag in felgten.
SSorauSfichtlich noch oor ©d)Iuh beS SalpS wirb ber Projet
de loi sur le contrat de travail in ber Acpräfentantenfamnter sur
33erhanblung unb auch ohne wefentliche 33eränberungen ber in ber
Section general ber Kammer feftgefteHten Raffung sur Sinnahme
fommen. Der belgifcfje Code civil behanbelt ben ArbeitSoertrag
lebiglich als AtiethSoertrag. Artifel 1708 fagt: fl ll y a deux
sortes de contrats de louage: celui des choses, et celui d’ouvrage“.
lieber bie Pflichten ber Arbeiter unb Arbeitgeber gegen einanber
enthält baS ©efefcbuch nichts.
3 m 3 ahre 1891 beauftragte ber bamalige 3 aftisminifter
#e Senne eine Eommiffion, an beren ©pifee ber äaffationSgerichtS*
rath oan Verdient ftanb, mit ber Ausarbeitung eines ©efe(jentrourfs
sur les efFets du contrat de louage des ouvriers et des domes-
tiques. S3on ben 110 Artifeln beS oon biefer Üommiffion aus«
gearbeiteten ©ntwurfs behanbelten nicht weniger als 93 bie ©nt«
jchäbigungSpflicht beS Arbeitgebers bei Unfällen. Diefer oon ber
Regierung eingebradjtc ©nttourf !am wegen Auflöfung ber Kammern
nicht s»r 33erhanblung, unb als er 1893 oon Weucm oorgelegt
würbe, erlitt er baffelbe ©djicffal, wenngleich er bieSmal wenigftenS
in bie Eommiffion gelangt war. ©rft 1895 würbe bie Angelegen«
heit wieber aufgenommen. 3 uswifd)en war bas SRinifterium für
Arbeit unb Snbuftrie errichtet worben, unb bie gefefcgeberifchen
Aufgaben auf fosialem ©ebiet fielen nunmehr biefem 311 . Der
neue SRinifter, £>err WpffenS, beauftragte ©nbe 1895 ben Conseil
superieur de travail mit ber Ausarbeitung eines ©efefcentwurfS,
ber fich aber auSfdjliehlid) auf ben ArbeitSoertrag bestehen unb
bie 3rage bet Unfattentfd)äbigung bei ©eite laffen follte. Auf
SSunfch ber innerhalb beS Conseil superieur unter Vorfifc beS
|>erm $rinS errichteten ©pesialfommiffion geftattete ber WUnifter
fpäter aber hoch bie ©inbesiehnng jener Srage.
Der oorlicgenbe ©efejjentwurf ftüfct fich auf bie Arbeiten jener
$ommiffionen oon 1891 unb 1895, hoch weidet er oon ihnen in
böchft wefentlicben fünften ab. 33or Allem ift bie Unfallentfchäbi«
ung außerhalb beS AahmenS beS ©efefceS geblieben, ba fowohl
er SRinifter wie bie £ammerauSfd)üffe ber Attficht waren, bah es
oorsusiehen fei, biefeS h^dhft wichtige ©ebiet oon Verpflichtungen
ber Arbeitgeber gegenüber ihren Angefteltten sum ©egenftanb eines
fpesiellen ©efefceS 3 U machen. Auch biefeS ©efefc liegt ber Kammer
gegenwärtig oor unb beibe ©efefce werben oorauSfidjtlich gleich*
Seitig auf bie DageSorbnung fommen. 3Sir werben ben Unfatt«
oerfidjerungSentwurf in einem fpäteren Slrtifel befprechen. 33e«
achienSwerth aber i)t, bah bie ©efefegebung, inbem fie fich enblich
anfehidt, ben ArbeitSoertrag als einen 33ertrag sui generis auf*
Sufaffen, bie UnfallentfchäbigungSpflicht als eine Pflicht in einer £ette
oon pflichten auffaht. ©in weiterer Unterfchieb beS oorliegenben
©ntwurfs oon bem oon 1891 befielt barin, bah er nicht wie jener
bie Dienftboten ben Arbeitern anreiht, fonbern fie aus bem ©efefce
fortläht. Die 3Rotioe bearünben biefe AuSfchliehung bamit, bah
eS nur su Äonfufionen führen fönnte, wenn man swei fo oer*
fchiebene klaffen in ein ©efefc hätte sufammenfaffen wollen, ©benfo
finb bie fiehrlinge auSgefchloffen.
Der ©ntwurf, wie er aus ber ©eftion heroorgegangett ift unb je^t
ber Kammer oorliegt, beginnt mit allgemeinen Veftimmungen; be*
adjtenSwertfj hierbei ift Artifel 5, ber feftfept, bafe alle gorberungen, bie
auS bem ArbeitSoertrag berühren, wenn nicht ©pesialbeftimmungcn
oorliegen, nach fed)S SRonaten oerjähren. Dann folgen bie Artifel, welche
bie 33erpflid)tungen ber Parteien feftfe^en. Der Arbeiter ift aud) pr
Söabrung ber fvabrifgebeimniffe oerpflidjtet. Unter ben Pflichten oeS
Unternehmers finb bie folgenben fünfte heroorsuheben: er hat mit ber
©orgfalt eines guten fvamilienoaterS unb unberührt burd) alle entgegen*
ftehenben Abmachungen barüber su wachen, bah bie Arbeit unter an*
genteffenen Vcbingungett in Vesug auf ©i(hei*heit unb ©efunbheit beS
Arbeiters fid) uollsiebe. 35Senn er bie Verpflidjtnng übernommen hat,
bem Arbeiter SSohnuitg unb ifoft su geben, fo muh er ihm eine an«
gemeffene Wohnung unb eine gefunbe unb ausreid)enbe itoft liefern.
@tn weiteres Kapitel haobelt oon ben oerfchiebeneit Ratten, in beneti
bie Verpflirfjtungcn ber Parteien aufhören, hierbei oerbienen befonberS
bie Veftimmungen über ÄünbigungSfrift unb Äoutraftbruch Ve«
aebtuug. 3Benn nicht burch Vertrag ober ortsüblidjen ©ebraud; anberS
beftimmt ift, wirb bie Äünbigungsfrift auf wenigftenS 3 wei Sodien an*
gefegt. betrieben aber, wo baS Vorhanbcnfein einer f^abriforbnung
obligatorifd) ift unb biefe nidjtS über bie Äünbignugsfrift beftimmt,
oraucht eine folche auch ntd;t eingehalten su werben. Die (välle, in
benen ber Unternehmer ben Arbeiter ohne Äünbigungsfrift entlaffen
fann, fmb im ©efeh aufgejä^It. ©in $imft hifröfi erfcheint bebenflich
unb fönnte unter Umftänben s u ©Ijdanen gegenüber bem Arbeiter be*
nufct werben. Artifel 17 nennt nämlid) gulejht als ©runb sur fofortigen
©ntlaffung beS Arbeiters auch ben galt: „wenn er eS an feinen Ver*
Pachtungen gegenüber ber guten Drbnung, ber Disziplin beS Unter*
nebmenS ober ber Ausführung ber Arbeit fehlen läht." Die „gute
Drbnung" ift unferer Meinung nach ein 311 unbeftimmter AuSbrud!
Unter ben fällen, in benen ber Arbeiter ben Dien ft ohne ft ünbigung
oerlaffen barf, beftnbet fich audj ber, wenn ber Unternehmer eS bulbet,
bah einer feiner AngefteDten ben Arbeiter'fdjledjt behanbelt. SBetbliche
Arbeiter, bie im .£>aufe beS Arbeitgebers ober ArbeitsleiterS wohnen,
haben baS Aecht, ben ßontraft su löfen, fobalb bie ©atttn ober ^>auS*
oorftchenn ber Arbeitgebers ober Arbeitsleiters,' bie sur 3 c it beS Sion*
traftabfdjluffes oorljanbeu war, ftirbt ober auSsieht.
©S folgen bie Veftimmungen über ben Älontraftbrud). Die
gartet, bie fich eines foldieu fchulbig macht, fott sur Zahlung einer
©ntfehäbigung oerpflidjtct fein, welche ber Hälfte beS bnrdifdjnittlichen
Sohnes ber Dage entfpricht, währenb beren bie Arbeit nodj hätte fort*
baueni müffen; hoch barf biefer Vctrag niemals ben biird)fd)uittltd)eu
SSodjenlohu itberfteigen. Alle Abfommen über f)öf)ere ©ntfchäbigungeu
bei Slontraftbruch finb nichtig. Dodj werben für Säße, mo eS fidj um
bie Voßenbung oon gans beftimmter auSbebiutgener Arbeit ljaubelt,
gewiffe Ausnahmen oorgefehen.
©nbltdj folgen nodj einige befonbere Verfügungen für ftrnuen unb
Vüriberjährige. Diefe fonnen jeben ArbeitSoertrag abfddiehen, faßS
nicht ber Vater, ber ©atte ober ber Vormunb bem Arbeitgeber ober
VetriebSleiter bagegen proteftiren. ©cfd)ieht bicS, fo füuncit ber?iiinber*
jährige unb btc oerheirathete ^rau beim ftriebensridder ©infprud) er*
heben, bem bie ©ntfdjcibuug 3 uftel;t. Audi ber Sohn wirb bem Winber*
jährigen felbft ausgcsafjlt, wenn bev Vater nidit Dagegen proteftirt.
©egen biefeit ^roteft fann ber Vitnberjährige wieberum beim ^riebeus*
richter ©infprud) erheben.
3Senn fefjon bie einzelnen Veftiutmungcn biefeS ©efehentwiirfs
über ben ArbeitSoertrag praftifd) feinesmegS itnwidjtig finb, fo
liegt ber ^auptwerth biefeS ©efe^eS in Anbetradjt ber fosialett
275
6ojtair$rajtfi.'" dentralBIatt für Sogtalpoltttf. Sir. 11.
276
3 uftänbe in Belgien bo<h auf allgemeinem unb etfjiftfjem ©ebiet.
Snbem ber ©efefcgeber gugiebt, bah ber ArbeitSoertrag ein Eontraft
sui generis ift unb lein blofjer ERiethSoertrag, macht er bem neuen
fojialen ©eift, wenn auch fpäter als anberSwo, ein 3ugeftänbnih,
beffen Eonfequengen gar nid)t überfdfjäfet werben fönnen!
Brüffel. ©uftao ERaper.
Sogialpolitifiijc Anträge im $eutfdjen BetdjStage. ®ie in ber
X^ronrebe angefiinbigten fogialpolitifchen BegierungSoorlagen finb
bem Beichstage noch nicht gugegangen, wohl aber finb oon ben
oerfdiiebenen Parteien bereits ga^lreic^e Anträge fogialpolitifcher
Baiur eingebracht roorben. ©S befinben fich barunter mehrere alte
Befannte. ®ie 6ogialbemofraten inSbefonbere ^aben faft aus»
fchliehlicfj ihre früheren Anträge wieberholt; fte begroedfen neben
einer Reform ber ©ewerbegerichte unb ber ©ewerbe*3ufpeftion, ben
©rlah eines Beidt)SberggefefceS, bie ©inführung beS Adhtftunben*
tageS für alle im Cohn®, ArbeitS* unb 3)ienftoerhältnih im ©e*
werbe®, Snbuftrie®, £>anbels* unb BerfehrSroefen befchäftigten $er*
fönen, unb bie ©ewäprung ooller BerfammlungS® unb BereinigungS*
freibeit. 2>ie ©ewerbegeriebte follen obligatorifdb gemacht unb baS
Söablredbt gu ihnen auch beit Arbeiterinnen ertpeilt, gleicbgeitig
foH baS aftioe unb pqffioe ESahfrecht auf baS oollenbete gwangiafte
ÖebenSjahr ^crabgefe^t werben. 2)ie ©ewerbe*3nfpeftion wieber
foH gur Beichsfache gemacht unb bur<h befonbere „BetriebauffichtS®
beljörben" wahrgenommen, bie Auffid)t auch auf bie £>auSinbuftrie
auSqebehnt werben. 3n ben SnfpeftionSbegirfen foH bie Betriebs®
auf ficht oon Beid)Sbeatnten unb Beigeorbneten gemeinfam mit bem
Bed)t auSgeübt werben, ihre Anorbnungen gwanaSweife burchgu*
führen. $)ie Beiaeorbneten follen auf ©runb oeS attgemeinen
Stimmrechts oon Den fmlfSperfonen aller Betriebe gewühlt, weib®
liehe Beamte unb Beigeorbnete aber follen entfprechenb ber 3 fl hl
ber in ben betrieben befchäftigten weiblichen |>ilfSperfonen ange®
fteHt, begw. gewählt werben.
©in Antrag ber liberalen Abgeorbneten Sßachnicfe unb Boeftcfe
oerlangt bie ©inrichtung eines BeidhSarbeitSamteS gur Unter®
fuchung unb gtftftellung ber Arbeiteroerhältniffe im $eutfchen
Reiche — alfo ein arbeitSftatiftifcbeS Amt, wie es in ©nglanb,
granfreich, Belgien unb anberSwo feit 3ah r en unb in Oefterreid)
feit bem 1. Oftober befteht. $)ie „Sog. B*ajiS" ift in Br. 38,
Sahrgang VH/ f«h r nachbrüdflich für ein folcheS Amt eingetreten.
©in Antrag beS ©entrumS oerlangt oon ben oerbünbeten Be*
gierungen balbthunlichfte Vorlegung eines ©efefcentwurfeS gum
ymeefe ber ©rrichtung oon ArbeitS f am mern, um fo „ben
Arbeitern ben freien unb frieblichen AuSbrmf ihrer Söünfdje unb
Befchwerben gu ermöglichen unb ben StaatSbehörben ©elegenheit
gu geben, fid) über bie Berhältniffe ber Arbeiter fortlaufenb gu
unterrichten unb mit ben lefcteren Fühlung gu behalten." (Eaifer®
liehe 3ebruar®©rlaffe oom 4. gebruar 1890.)
Weitere Anträge begweefen bie Anerfennung unb Bedjtsfähig*
feit ber eingefchriebenen BerufSoereine; bie Bationalliberalen
wieberholen bie alte Sorberung einer Aufhebung beS Verbotes,
woburrf) inlänbifchen Vereinen unterfagt wirb, mit einanber in
Berbinbung gu treten. EBie aus ber Ueberficht über bie ©nt®
fchliefjungen beS BunbeSrathS begüglich ber oorjährigeit Befdf)lüffe
beS Reichstags erfid)tlid) ift, h a * ber BunbeSrath, wie gu erwarten,
ben Beid)StagSbef<hlüffen in Betreff ber BerufSoereine, ber ©r-
weiterung beS EoalitionSrethtS 2 C. „feine Sfolge" gegeben. Auch
hier wirb fteter tropfen ben Stein höhlen.
Bon ben Bationalliberalen finb enblich Anträge auf ©rrichtung
faufmämtifcher SchiebSgerichte, auf ©rgängung beS §. 133 a ber
©ewerbeorbnung betreffenb bie EünbigungSfrift, auf AuSbehnung
beS ArbeiterfchufceS auf bie ESerfftätten ber §auSinbuftrie ein®
gebracht worben.
Arbeiteröerbänbc nnb 3fabrifautettfpnbifate. $)er frühere
öfterreichifcfje Sinangminifter unb jefeige SenatSpräfibent am Oberften
©erichtshof in EBien, Dr. Steinbad), hot unlängft in ber 3»nfti®
fchen ©efeEfdjaft gu EBien einen Bortrag über ben ©goiSmuS ber
©efellfd)aft ober bie gcfeflfdjaftlicbe ERoral gehalten, ©r wies babei
u. 21. auf bie lebhafte Betätigung beS forporatioen in
unferer 3eit hin- ©euoffenfdjaften, Bereine, Slffociationen, ©emeirt®
fchaften bilben fiefj immer mehr aus unb haben bett 3 ro ecf, gerabe
wie ber Staat felbft, baS s Bohl if>rer ©lieber gu förbern unb
„einen gefunben ©goiSmuS ju betätigen". 2>iefe Eorporationen
unb Bereine finb geneigt, eine £)anblungSmeife ihrer BHtglieber,
welche gegen ben ©efammtegoiSmuS oerftö&t, gerabe fo wie ber
Staat als Berlefcung ber „guten Sitten" aufgufaffen:
„®aS moralifche Urteil ber SRitglieber eines rbeiteroerBaubeS
in Betreff jener ©enoffen, welche ihre HrbeitSfraft um niebrigeS ©ntgelt
anbieten ober mäljrenb eines 2luSftanbeS fi<h gur Arbeit bereit finben
laffen, unterfcheibet fich in feinem Inhalte faum trgenbioie. oon bem
Urteile ber SRüglicber eines gabrifantenfpnbifats in Betreff eines
©enoffen, ber burdh erhöhte Sohnanbietungen anberen SpnbifatS*
mitgliebern gefdhiefte Beamte ober Arbeiter entgieljt ober einen Eartell®
oertrag oerlefct."
SlrBeiterauSftüffe Bei ben Ba^ertfdBett StaatSBahnen. Beit
©enehmigung beS BfinifteriumS l;at bie ©eneralbireftion ber
baperifchen Staatsbahnen über bie ©rrichtung oon 2lrbeiterauS®
fthüffen für bie im Xaglohn befchäftigten ftänbigen Arbeiter beS
Betriebs® unb BahnunterpaltungSbienfteS bie BoEgugSbeftimmungen
erfaffen. Bach hen allgemeinen ©rläuterungen follen bie Arbeiter®
auSfcbiiffe bie 5Röglid)feit ftaffen, bie Ooerbahnämter über bie
2 Bünf<he unb Anliegen ber Arbeiter burdh bie oon biefen felbft ge*
wählten BertrauenSntänner unmittelbar gu unterrichten unb im
SSege georbneter Berhanblungen eine Berftänbigung über alle
Slrbeiterangelegenheiten attgemeiner 2lrt herbeiguführen. $ie
HrbeiterauSfchüffe werben an ben Sifc ber Oberbahnämter gelegt,
unb bie Berhanblungen haben unter Seitung eines Oberbahnamts*
beamten ftattgufinben. ®ie erfte BSahl ber 2lrbeiterauSfd)üffc finbet
gegen SRitte 2)egember ftatt; bie 2luS[d)üffc felbft fotten im 3ah^
1899 ins fieben treten. Bach ben weiteren Beftitmnungen über bie
©inrichtung unb ^hätigfeit ber 2luSfchüffe follen in ihnen attge*
meine fragen beS SlrbeitSoerhältniffeS unb foldhe fragen, bie fich
auf baS SSohl ber Arbeiter begiehen, befprodhen unb fürStationS*
unb Bangirbienft, ©üterbienft, BkrfftättentranSportbienft, Bahn*
aufftchtS* unb BahnunterhaltunaSbienft (2lblöfer* unb Bahnarbeiter*
bienft) je ein eigener 2luSfchu& gebilbet werben. 2)er 2luSfchu6
befteht aus minbeftenS 3 unb hödhftenS 15 SRitgliebern. Beben
ber Berpflidjtung, Anträge, Sünfche unb Befdjwerben bei bem
Oberbahnamte oorgubringen ober über ©inrichtungen gur Ber*
hütung oon Unfällen, B3ohIfahrtSeinrichtungen gutachtlich S u öe*
richten, haben bie 2luSfthiiffe auch bie Aufgabe, Streitigfeiten ber
Arbeiter untereinanber gu flüchten. S)ie Sahl ber 2luSfchu6mit*
glieber erfolgt auf brei 3ah^. — &ieS Borgehen ber baperifdhen
StaatSbahnoermaltung fticht erfreulich ab oon ber ablehnenben
Spaltung, bie bie fädjfifche Begierung gegenüber BSünfchen oon
Bahnarbeitern auf ©inrichtung oon 2lrbeiterauSfchüffen eingenommen
hat. (Bgl. „Sog. ^ßr." 3ahrg. VII, Sp. 1338.)
2)aS Bfterreidjifdje Arbeitsamt. ^)ie öfterreidhifche Begierung
hat neuerlich — gum britten 9Ral — bem Parlamente einen ,,©e*
fefeentwurf betreffenb bie 2lrbeitSftatiftif" oorgelegt. Befanntlidh
ift im Sommer taufenben SahreS bereits bie ©mdjtung eines
arbeitsftatiftifchen Amtes im ^anbelsminifterium auf ©runb eines
©rlaffeS erfolgt. $)ie neue Borlage ift bagu beftimmt, bie Süden
in ber Organifirung beS arbeitsftatiftifchen SDienfteS auSgufüHen.
$)er ©ntwurf ftatuirt gunädjft eine allgemeine 2luSfunftSpfliid)t ber
für bie 3we<fe arbeitsftatiftifcher ©rliebungen gemäfe bem Statute
beS arbeitsftatiftifd)en Amtes Befragten, baS Bedjt ber für arbeitS*
ftatiftifche ©rhebungen legitimirten Organe, ©inficht in gewiffe
Sjhriftftücfe (2lrbeiteroergeichniffe, Arbeitsbücher zc.) gu nehmen, fo-
wie bie Arbeitsräume u.f.w. gu betreten. ®ie 3uerfennung biefer
Beredjtigungen foH bie Bornahme perfönlicher ©rhebungen auch
bort ermöglichen, wo etwa wenig ©ntgegenfommen gu finben wäre,
fowie auch unter allen Umftänben im Sntereffe ber ©enauigfeit
ber ©rfaffung bie 9Rögli<hfeit wahren, bah fid) bie Organe ber
ArbeitSftatifhf nicht immer mit ben erteilten AuSftinften begnügen
müffen, fonbern bie Originalquetten einfehen, aus benen biefe felbft
gefdjöpft werben. Breiter werben nod) Straffanftionen fowie bie
Pflid)t gur ©eheimtjaltung ber arbeitsftatiftifchen gefteEungen feft-
gefefet. 3nt Bubget werben für baS Amt im ©angen
65 050 fl. = 110 000 t fL geforbert. ^>aS ‘ißerfonal befteht anher
bem Borftanbe (£ofrath ^rofeffor ERataja) aus acht technifdhen
unb gwei BechnungSbeamten fowie gwei AmtSbienern.
internationaler fogialftatiftifdier bienft. 3u ber Sifcung beS
AuSgleidjSauSfchuffeS beS öfterreid)ifd)en BeichSratbS am 7. b. Bits,
wieberholte ber Briinner Stbgeorbnete Dr. Sedjer einen oon uns fdhon
früher erwähnten Antrag als Diefolution, monadj bie öfterrcidhifdje Be*
gierung erfutfjt wirb, mit ber mtgarifd)en Begierung basGinoernehmen
gu bem3mec!e gu pflegen, um ber Anregung ber fdjwcigerifchenBunbeS*
regierung, betreffenb bie Sdjaffung eines internationalen fogial*
ftatiftifchen SDienfteS, in Bälbe nahe gu treten. .JanbelSminifter
greiherrr o. ^Dipauli erflärte herauf, bah er fid) ben burch ben
BefolutionSantrag Dr. Bechers oa'folgten 3i e len gegenüber fptn*
pathifch oerhalte. Abg. ERauthner, präfibent ber ELUener £janbels*
277
Soziale $ra£t*. CentralBIatt für ©ojlalpolitif. ftt. 11.
278
unb ©ewerbefatnmer, erflärte ff mit bcr Errichtung eines foüal*
ftatiftifen Bureaus in Sern oollftänbig einoerftanben, weil es
unter beit gegenwärtigen Verhältniffen mit ben größten Schwierig»
feiten oerbmiben fei, wenn man fid^ bie gefeßlidjen Beftimmungen
in fozialpolitifdjer Richtung aus fremben unb entfernten ßänbem
uerfdjaffen roofle. Sie Refolution mürbe fobann wiberfpruchs«
to§ angenommen. — Sie prinzipielle Stellungnahme beS
©anbelSminifterS fomie beS JührerS ber Abgeorbneten ber §anbels«
unb ©ewerbefammeru, s l)?a uthner, zu fünften beS £ed)erfchen An«
träges ift f)öcf)ft erfreulich unb bilbet eine bemerfenSroerthe ^S^afc
in ber ©effte biefer 3bee.
$ e Soziatpolitif auf ber ^»irifer IMferiiffottirag 1900. Sic
mit ber Drganifation ber wäjhrenb ber AuSftellung abzuhaltenben
Kougreffe beauftragte Kommiffion hat in ihrer erften Sipung
oom 25. Rooember befchloffen, im (Ganzen 37 Kongreffe za uer«
anftalteu. Saoon werben 10 ber Sozialpoütif gewibmet fein. Sie
Spezialfragen, mit benen fie fid) befaffen, finb: ©enoffenfchaftsfrebit,
Konjumoereine, ©ewinnbetheiligung, Arbcitenoopnungen, Unfall«
oerficherung, Unfalloerhiitung bei Sampffcffeln, Sonntagsruhe,
öffentliche ©efuubfjeitSpflege unb Semograppie, Armenpflege, fjiir*
forge für entlaffcnc Sträflinge. ^ocpft wahrfcheinlid) wirb auch
ein Kongreß z u Staube fomnten, tn bem über baS Problem ber
ArbeitSlofeminterftüpuug oerhanbelt werben foll. Sie Anträge auf
Abhaltung eines großen internationalen ÖrauentageS, ber nach
einigen SBiinfcpen fe<hs Wodjen bauern foHte, würben abgelehnt.
kommunale Sozialpolitik.
SopalbemofratifdirS Programm für bie ©emcinbewahlen. Sie
fozialbemofratifche 3raftion ber Stabtoerorbnetenoerfammlung non
Berlin hat folgenbe „einheitliche ©runbfäpe" für bie ©emeinbe«
wählen ausgearbeitet:
8iir bie Wahlen za ben ©emeinbenertretungen ift baS allgemeine
leicpc, geheime, btreftc Wahlrecht einzuführen. Sa£ Wahlrecht barf
urd) ben Empfang irgenb welcher Unterftüpuug aus ©emeinbemittclu
nicht aufgehoben ober bcfdjränft werben. Sie Wahlen haben bcS Sonn«
tags ftattgifinbeii. Auf bem ©ebiete be£ SchulwefenS forbern wir
Wcltlirfifeit ber Schulen. Obligatorifchen Befudj ber BolfSfchulen. lln»
entgeülidjfcit bes iluterrftS unb ber Lehrmittel in ben BolfSfulen,
fowie in ben höheren BUbungSanftalteu für biejenigen Sd)üler ber
Volfsfchulen, bie traft ihrer J-ähigfeitcu jur weiteren AnSbübuug ge*
eignet erad)tet werben, Errid)tung non Sdnilfantinen z ur Verpflegung
ber Schnlfinbcr, (Einrichtung unb Unterhaltung einer geregelten ftraufcit»
unb ©efnnbheitsp jlegc unter Bcadjtuug aUer norbeugenbeu Mittel.
Firmen* unb Wagenpflege mit auSrefenben Unter|tüpungSfäpen.
Erridjtung non Afplen unb Wärmehafleu ohne polizeiliche Kontrole.
Sic (Gemeinbefteuern finb auf birefte Steuern zu befdjränfen. Aus¬
fluß jeher inbireften, VerbraudjS* ober Kopffteuer. BeleuchtungS»,
Verfehrs*, tfrafterzeugungs*, fowie fonftige, für bie ©emeinbe noth 5 *
wenbigeu Betriebe finb ber ^mmtausbeutung zu entziehen unb auf
eigene Rechnung bcr ©cmeinben zu errften unb zu betreiben, auch finb
anbere ©emciubcarbeiicu (Bau, Vflafter 2 c.), fo weit angängig, in ©e*
meiitberegie auszuführen. Reoifiou beS SubmiffionSwefenS,
Vergebung bcr ©emeinbearbeiten unb Lieferungen nur unter oertragS*
mäßiger Verpflichtung ber Unternehmer, bie Lohn- unb ArbeitSbe*
binguugen ber oon ihnen mit [täbtifcheu Arbeiten befchäftigten Ar¬
beiter in ©emcinfdft mit ben ftadjorgauifationen ber Arbeiter feftzu-
fepen. mir bie im ©emeiubeauftrag befchäftigten Arbeiter unb Beamten
ift auSreid)enbe Bezahlung fowie eine Arbeitszeit oon 8 Stunbcn
täglid) herbeizuführen. Sas Äoalitionsredjt ber Arbeiter ift ff er
Zu ftcllcn unb barf in feiner Seife eingefchränft werben. Jn allen
ftäbfifdien Betrieben finb Arbeiterausfchüffe zu errften. Ausbeutung
ber Kranfenoerfferung auf bie £ au Sin bu ft rie. Unentgeltlichfeit beS
Beftattuugswefens.
lieber bieS Programm foll auf einer für ben 27. Dezember
einberufenen Konferenz ber fozialbemofratif en ©emeinbeoertreter
ber ^rooinz Branbenburg berathen werben.
Befdjränfuttgen beS ©emeinbe Wahlrechtes in Sadjfen. ^as
Einbringen oon fozialbemofratifchen Arbeiteroertretern in bie Stabt«
oerorbrtctenoerfammlung hat zur Aenberung beS Wahlrechtes in
fäd)fifd)en ©emeinben angeregt. 3n Ebemnih hat man firf) für
ein Stänbewahlrecht entfd)ieben. Sie Wähler werben in fünf Ab¬
teilungen mit ocrfchiebenem Wahlrede gruppirt: 1. Allgemeine
Abtheilung (ade Bürger, bie in ben anberen klaffen fehlen unb ein
Einfommen bis zu 2500 c/// unb barüber haben); 2. Arbeiterftanb,
foweit er ber Snoalibenoerficherung unterfteht; 3. Beamte unb ®e«
lehrte mit einem Einfommen oon mehr als 2500 Ji ; 4. bewerbe*
ftaub (^anbwerfer unb fleine Eefdjäftsleute); 5. ^anbelsftanb
(©anbelSgefehbuch). ®ic etwa 6200 wahlberechtigten Ehemnifcer
Arbeiter würben fünftig nur 9 Vertreter haben (heute finb
17 Sozialbemofraten unter ben Stabtoerorbneten), ebenfooiel wie
bie 3900 SRitglieber I. Älaffe. S)ie 1500 Beamten unb ©eiehrten
erhalten 12, bie 1400 Äaufleute 15 Vertreter. — 3n Erimmitfchau
foüte ber EenfuS für baS paffioe Wahlrecht theilweife erhöht
werben, hoch fiel ber Antrag mit 11 gegen 9 Stimmen.
Stübtifdje 9Rt£cettett. Sie Sbee beS Schularztes feitbem
Wiesbaben in fo oorzüglidher, auch oom ftultuSminifterium anerfannter
unb zur 9?ad)al)me empfohlener Weife auf biefem (Miete ooraitgcgangen
war, ftätig neue Greife in ihren Bann. Sen Stäbtcn Äonigsberg,
Sarmftabt, Nürnberg, 'Dffenbach, ©iepen, Berlin, tyo\cn, 9Wagbeburg,
Stuttgart, ©alle u. f. w., bie mit ber grage, ber (Einführung ber Schul¬
ärzte unb meiftenS mit Erfolg befafjt gewefen finb, ift jept % rieb richS*
hagen bei Berlin gefolgt. Sie bortige ©emeinbeoertretung hat be¬
fchloffen, oorläufig einen Schularzt anzuftefleu. — Sic falte Jahreszeit
hat, worauf wir fchon hinwiefen, bie wohltätigen Vereine in Verbin*
bung mit ben Schulen ober Stabtuermaltungen oeraitla&t, bie Lieferung
warmer Eetränfe an bebiirftige Schüler wieber aufzunehmen. So
hat in SreSben ber füboorftäbtifdje BezirfSoerein, ber bisher 151800
&Iafdjen warmer 3RUch an 2580 tfinber mit einem Aitfwanb oon
10 600 M. oerteilt hat, feine 2l)ätigfeit am 28. Slooember wieber auf¬
genommen unb üertfjeilt täglich etwa 520 glafchen warmer SRilch- —
S>er Berliner Verein für baS Wohl ber aus ber Schule entlaffenen
Jugenb hat nach bem Bericht feines Vorfipenben, Schulinfpeftor unb
AeichStagSabgeorbneten Dr. 3wid 37 Äurfe mit 298 Leftionen hauS-
wirthftaftlichen Unterrichts an 200 Stäbchen ber 1. ©emeinbe-
ftulflaffen im oerfloffenen Jahr ertheilt. Sie hergefteflten Portionen
würben an Pfleglinge ber Äinberhorte geliefert. Sie Soften betrugen
2808,90 M., wooon bie Stabt 1500 M. zufchofe. Bei bem hohen fozialen
Werth biefeS Unterrichts foüte er oon ber Stabt übernommen werben,
Zumal ber Verein jept fchon an ber Erenze feiner LeiftungSfäl)igfeit
angefontmen ift. — Sie Erörterung ber grage, ob Regiebetrieb ober
Vrtuatbetrieb oorzuziehen, fnüpft fich an bie $Iäne auf Errid)tuug bezw.
Erweiterung ftäbtifcher EleftrizitätS- unb Strapenbahnanlagen
in Stuttgart, ©öttingen unb Nürnberg, ©ier hat fich jept Bür»
germeifter Dr. o. Sch uh für bie Verftabtlitfwng erflärt. Erunbach
in Württemberg wirb feit bem 4. Sezember oon einem fßrioatbetrieb
mit eieftrifcher Beleuchtung oerforgt. — 3n Eifenadfj fam an 20. Ro-
oentber im ©emeinberath bie grofee Wohnung Sn o t h in f^olge beS
BfangelS au mittleren unb fleinen Wohnungen zur Spradje. Eimnüthig
würbe betont, bafc bie Stabt bie ernftc Pflicht h a l 1e / bcr Wohnungsnoth
unter Aufbringung oon Opfern z« fteuern; über baS Wie? würbe eine
Einigung noch nicht erzielt. Ser Stabt*@emeinberat oon 9Äplau
hat genehmigt, bei einer prioatgefeüfc^aft bie Stabt gegen ©aft-
pflidjtanfprüche aus Befähigungen Iebenber unb tobter ©egenftänbe
Zu oerftdhem. Sie Prämie beträgt 3 JL. für je 1000 Einwohner.
$0}tale Jnftöttta.
StatifH! ber Sraueit-, Jfngenblidieit- trab ftraberarbeii in
^abrifen. S)aS neuefte VierteljahrSh^ft ber Statiftif beS Seutfen
Reiches (Rr. 4) giebt genaue Blittheilungen über bie 3ah^ ber in
gabrifen befäftigten Ö^anen, Sucjenblichen unb ^inber, f. Sabelle
Sp. 279—280.
Sie Ziffern weifen in allen Kategorien eine fepr beträchtliche
Steigerung auf, was z u ^ e Ml mit bem Auffwung, ben bie meiften
©roggewerbe genommen haben, zufammenhäitgt. Sa bie günftige
Sage ber Snbuftrie auch im laufenben Sabre angehalten hat, wirb
man annehmen bürfen, bafe auch für 1898 eine weitere 3unabme
ber 3 a bl Arbeiterinnen unb Sugenblichen in ben gabrifen feft*
gefteUt werben wirb. Um fo notbwenbiger ift es, bap bie Schup*
oorfchriften ber ©ewerbeorbnung mit aller Strenge gebanbhabt
werben. S)ie 3 a h^ ber 3.un)iberbanblungen gegen biefe Beftim*
mungen, bie zur gerichtlichen Beftrafung famen, ift leiber nid)t
gering: fie betrug 1895: 837, 1896: 985 unb 1897: 944. Sazu
aber finb bie Berichte ber ©ewerbe-AuffichtSbcantten noch ooH oon
Klagen über bie meift aufeerorbentliche ©eringfügigfeit ber oer-
bängten Strafen, bie weber zu ber Schwere ber Vergehen noch z u
bem burep unrechtmäßige Betuipuug ber grauen» unb Kinberarbeit
erzielten ©ewiitn im richtigen Verpältniffe ftehen. Es ift, als ob
man Dielfach in Ridjterfreifen nod) nicht baS richtige Augenmaß
für bie h°h c Bebeutung beS Arbeitcrfd)upeS im Sutereffe bes Bolfij*
woßle» unb ber Sittlichfeit gewonnen hätte. — Wieoiel Ehefrauen
unter ben 732 909 Sabrifarbeiteriniten über 16 Jahren finb, theilt
bie obige Sabelle nicht mit. Rad) ber Berufszählung oon 1*95
waren m ber 3ubuftrie 1 044 962 weiblidje ^erfüllen thätig (1 ö 82:
583 850), baoon waren 140 804 Ehefrauen, bie meift in ber ©roß*
inbuftrie befäftigt waren. Befamitlid; ift ben gabrifiufpeftoreu
279
Soziale PrajtS. CentralBIatt für Sojialpolttü. 9br. 11.
280
3ahl ber
gabrifen, melche
befchäftigeit
3ahl ber befdjäftigten jugeubtid)cn Arbeiter
3aljl ber befdjäftigten
er mach jenen
Arbeiterinnen
TeutfdjeS Gleich.
ftiuber
gunge Leute
Bezeidjuung
ber
©emerbegruppen.
jugenb*
liehe
Arbeite*
rinnen
über
16 gahre
alt.
unter
14 gahrert
oon
14 bis 16 gahreu
überhaupt
16 bis
21 galjre
über
21 Saljre
s«-
famuten
Arbeiter.
männl.
1
roeibl.
männl.
roeibl.
männl.
roeibl. j
auf-
alt.
alt. |
Bergbau, §ütten* unb Salinenmefcn,
Torfgräberei.
1450
731
132
25
21364
1020
21496
1 045 i
22 541
5 889
9 261
15 150
gnbuftric ber Steine unb Erben . .
6 005
4 595
1038
257
24 082
5 723
25 120
5 980 |
31 100
15 920
28 896
44 816
A?etaü*Berar6eitung.
6 503
2 316
483
146
27 720
6 252
28 203
6 398 1
34 601
16 194
21 228
37 422
SDcaftbineit, 2Serfzeuge, gnftrumente,
Apparate.
4 909
817
467
39
38
27 720
1322
28 187
1 360
29 547
6 016
8 626
14 642
Ebcmijdje gnbuftrie.
579
727
17
2 711
1268
2 750
1 285
4 035
5 179
8 077
13 256
gnbuftric ber £uü 3 s unb 2cud)tftoffe .
346
408
14
10
605
525
619
535
1 154
1 889
2 306
4 195
Tejtil-gnbuftrie.
6 387
8 681
501
1078
23 332
37 712
23 833
38 790
62 623
124 154
216 454
340 608
papier unb Leber.
2 349
2 601
179
153
7 333
6 592
7 512
6 745
14 257
19 887
27 906
47 793
gnbuftric ber ^olz* unb Sthnifeftoffc
4 153
1736
297
89
10 798
2 101
11095
2 190
13 285
5 874 !
10 784;
16 658
AahrungS* unb ©enufemittel . . .
6 345
6 929
241
321
13 004
13 389
13 245
13 710
26 955
38 739
69 385 1
108 124
Befleibung unb Reinigung ....
2 103
3 685
141
205
3 827
8 253
3 968
8 458
12 426
30 404
35 733
66 137
Polpgraphifdje ©emerbe . . . .
2 820
2 038
203
35
8 439
2 571
8 642
2 606
1 11248
9 281
11491,
20 772
Sonftigc gnbuftriezmeige ....
644
316
35
7
1463
444
1498
451 1
[ 1 949
1256
2 080 1
1 3 336
gm galjre 1897 znfatnmen . . .
43593
35 530
3 770
2 381
172 31)8
87172
176168
89553
265 721
280682
4522271
732 909
gm galjre 1896 . . .
40 339
32 823
8 343
1969
159 214
80 334
162 557
82 303
244 860
270 266
| 429 313
699 579
für bie nädjften gahreSberidjte aufgegeben roorben, bie Befchäftigung
oer^ciratbctcr grauen in ben gabrifen unb bie jroetfmäfeigfte 2 lrt
ber Befdjränfung biefer Arbeit 31 t unterfuchen. $>amit roirb einer
com DteidjStag in ber lebten Seffton auf Antrag ber EentrumS*
partei angenommenen Sftefolution entfprocfjen (uergl. „ 6 oziale
Praxis" VIII 6 p. 148).
$ie HnSBilbnua ber fanfmännifchen Lehrlinge. SDer „T)eutfdje
Berbanb faufmännifdjer Vereine" bat bem BeijhSamt beS gnnertt
eine Eingabe unterbreitet, bafj in baS angefünbigte ©efefc zum
6 djufee ber ©anblungSgehftlfen Beftimmungeu über bie AuSbilbung
fanfmännifcher Lehrlinge aufgenommen roerben, ober bafc s ur
Regelung biefer SRaterie ein Sonbergefefc erlaffen wirb. SDer 23er*
banb forbert:
1. eine $öcbftbauer ber Befdjäftigung umi £>anblungSlchrltngen ooit
Zehn Stunben unb eine SWUtagSpaufe oon einer Shntbe, 2. baß §aitb*
lungSlclirlirige 511 T/ieufUeiftiuigen, bie nach LrtSgebraurfj beit im
.JianbelSgcrocrOe bcfchäftigteu gcroerblichen Arbcitsfräften ober bem ©e*
l'inbe obliegen, nirfjt Ijcrangczogeu roerben bitrfeit, 3. ©eroäljrung oon
ntinbeftens roötfjeutlid) feefj^ Stimbcrt ^ur t^coretifc^en Ausbübung in
ber ^eit oon fieben lU)r Borgens bis fteben Ubr AbenbS, gortbilbungS*
fcfjulzroang, 4. Borfdjrift eines fdjriftlidjen LehrucrtrageS.
Begrünbet mirb bie Eingabe mit ben Ergebniffen ber Er *
Hebungen, bie ber „®eutf<he Berbanb für baS faufmäunifc^e Unter*
rid)tSroefeii" in einem mittleren BunbeSftaate oeranftaltet bat. T)ie
Erhebungen bezogen fidj auf Borbilbung, Lehrzeit, ©efchäftSzeit
unb Befdjäftigung im 1 ., 2 . unb 3. Lehrjahre. SDie gragebogen
mürben oon 106 Prinzipalen unb 304 Lehrlingen beantroortet.
^)ie Ermittelungen ergaben, baft befonberS in ben feineren 3Jta*
terial*, kolonial*, Eifert* unb Shtrzroaareitgefdjäften bie Lehrlinge
meifteuS mit nieberen Arbeiten (ftanbreidjuugen aller Llrt, ©efehäfts*
gangen, Ltbftäuben, Peinigen Der ©efdjäftSräume, Abfaffett unb
Berpacfeit ber B3aareii) befdjäftigt mürben. Es fam niefjt feiten
oor, baft jungen Leuten, mähreub ber ganzen Lehrzeit nidjt eine
einzige fdjriftlitfje Arbeit übertragen mürbe, willen Lehrlingen biefer
Brandjcit mangelt bie .Stenntmjz ber ^Buchführung. Tüe ©efchäfts*
Zeit ift eine übermäßig lange: oon fecfjS ober fteben Uhr Borgens
bis zehn Uhr AbenbS. UiittagSpaufe mirb nur in ben feltenften
gälten gemährt, ba 82 % ber Lehrlinge bei ben Prinzipalen in
$oft uno LoaiS ftanben. EtmaS beffer liegen bie Berljältniife in
ben übrigen Brandjen.
Tie tägliche Arbeitszeit in Oefterreich. golgenbe Tabelle giebt
Auffcfjluf^ barüber, mie lange bie tägliche Arbeitszeit in bett oer*
fchiebenett ©eroerbegruppen DefterreidjS im gal)re 1897 mar. Tiefe
ift zafainmengeftedt nach ben Berichten ber ©eroerbeinfpeftoren,
roeldje 4473 fabrifSutäfeige Betriebe im gahre 1897 bcfucht haben.
Aus ber Tabelle ift za erfchen, bag tro(j beS elfftünbigen
3JtajimalarbeitStageS in JCefterreid) 588 ober 13,1% ber fontrolirten
betriebe länger als 11 6 tunben pro Tag arbeiteten, gn mie oiel
Betrieben mag aber noch länger gearbeitet roerben, roeldje nidjt
fontrolirt muroen?
Anzahl ber gabrifen, bereu
Arbeitsftunben betrugen
u
Ä
©crocrbcgruppeu
JQ
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11
0
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ZF'Z
1»
0
SWetallgemerbe.
3
175
179
2
42
401
B?afrf)incn= u. Schiffbau ufro.
7
248
148
—
—
403
SSeberci.
9
79
946
—
9
1042
ftieibermadjergeroerbe . . .
6
39
114
—
—
159
Bapiercrzeugung ....
1
45
138
—
37
221
Trucferei uub uerro. ©croerbc
62
21
—
—
85
$olz s uub 9)?übelarbeit . .
10
83
229
-
—
322
©laSmadjer, Töpfer, S^l*
breuner ufm.
19
135
433
13
600
©emifdjte gabrifen . . .
6
77
148
i _
36
267
£>erftefluug non ^atjrungS*
mittcln ufm.
2 66
280
429
1
778
Aitbere ©eroerbe ....
8
1 58
109
1
19
195
Alle ©eroerbe, bereu gabrifert
infpizirt roaren, zufammen
133
1026
2726
432
156
4473
6oziaibentofratif<he Liga in Belgien gegen ben ^tlfohol. $ad)*
bem ber lefete belgifthe 6ozialiftenfongre6 bem AUohol ben Ärieg
erflärt unb befdjlofjen hat, cs bürften in ben foziaibemofratifchen
BolfShäufern unb ©enoffenfdjaften 6 pirituofen fiinftig nicht mehr
oerfauft roerben, hat fid) eine Liga füzialiftifdjer (Gegner beS Alfoljol*
enuffeS gcbilbet, bie ber Parteiorganifation angegliebert ift. Tie
eitretenben BUtglieber finb oerpflichtet, fich beS ©cnufjeS oon
alfoholifdjett ©etränfen, minbeftenS aber beS ©enuffeS oon beftillir*
tem Alf 0 hol (©eneoer unb anberett Ligueuren) za enthalten. Sollen
fie biefem Besprechen nidjt mehr nachfontmen, fo müffen fic ihren
Austritt anzeigen. Tie Bereinigung roill ber in ben unteren
Schichten ber belgifdjen Beoölferung meit oerbreiteten 6 d)uapSpeit
entgegenmirfeit. (gn ben ffanbinaoifchen Länbern fud)t bie
Sozialbemofratie ebenfalls ber Srunffudjt z« fteuern.)
Slrbcitgrberticrbänbe.
„Schmarre Liften." Unterm 26. ^ooetuber h fl t ber Berein
Braunfchmeiaifcher Btetadinbuftrieller an feine s Dcitglieber folgcnbes
oertraulid)e ylunbfdjretben erlaffen:
„2)ie Treber unb Nobler ber Atrina ?l. SsJilfe hier traben und)
orbuungSinäjjiger .Uuubigimg bie Arbeit nicbergelegt, meil eine
281
©ojtale $ragis. Eentralblatt für ©ojtalpolitif.' Rr. 11.
282
ntäfeige £>erabfeßung ber ju popen Afforbpreife angeorbnet mar. T)er I
„BoIfSfreunb" warnt oor 3 U 3»Ö unb erfcpcint es oeSpalb empffplens*
werth, feinen ber non ber girnta A. SSilfe am 28. b. 3». entlaffenen
Arbeiter jur Seit einjufteüen. (ES ift begrünbete Hoffnung oorpanben,
bafj einige ber (Entlaffenen bie Arbeit bei ber betreffenben gtrma roieber
aufnehmen, wenn fie hier in feinem anberen S5?erfe Arbeit finben, unb
baburdj biefe Angelegenheit opne roeitere folgen beseitigt wirb."
3n Bresben hat ber Borftanb ber Bucpbrucferinnung bie
kanten breier ©epriftfeßer, bie eine Lohnerhöhung oerlangten unb
beSpalb cntlaffen würben, ben ÜKitgliebern „zur Örientirung" mit*
aetpeilt. — $>er ©efammtoerbanb beutfeher Btetallinbuftrieller in
Berlin hat unterm 31. Dftober b. 38. ein mit „Ar. 9 pro 1898"
bezeicpneteS Runbfcpreiben oerfepieft, worin eS heißt:
SBegcti eines allgemeinen £treifs ihrer gornter aus Anlaß ber
RtcbtöemiHigung ungerechtfertigter gorberungen pat unfer (Einzelmitglieb,
bie girma R. B. ju gorft i. 2., ihren Setrieb oorläufig einfteflen miiffen.
Radjftepenb bringen wir bie 2ifte ber AuSftänbigen, unb bürfeit biefe
nach §-25 ber ©aßungen in Söerfftätten bes Eefammtoerban’
bcS bis auf SöeiiercS nicht befchäftigt werben.
Es folgen bann tarnen, ©eburtstage unb §eimathSorte oon
14 Arbeitern. — 2Bir haben noch eine Seihe oon ähnlichen gälten
in unferer Btaterialienfammlung. $)ocp werben bie im Borftepen*
ben mitgetheilten fthon genügen, um aufs Reue ju beweifeu, baß
auf ©eiten ber Unternehmer Büttel beS T>rucfeS unb ber Ber*
hinberung an ber Arbeit im ©eproange finb, bie in ihrer BSirfung
bem oon Arbeitern auSgeübten SterroriSmuS nicht naepftepen.
Bereinigung Pott gabrifanten in Srefelb gegen ©ireifS. 3n
ber ©eibenroeberei unb ©ammtfabrifation oon Sfrefelb finb in leßter
3eü einige fleinere AuSftänbe wegen Lopnforberungen oorgefommen.
3)aS hat baju geführt, baß bie Inhaber ber bortigen ©eibenftoff*
Webereien unb ©ammtfabrifen faft fämmtlidj fiep oereinigt unb am
7. Dezember, 46 an ber 3ahl, fotgenbe Befanntmadhung erlaffen
haben:
Gegenüber ben wadjfenben agitatorifchen Begebungen, bie Arbeiter
ber mechanifchen ©tofffaorifen jn ungerechtfertigten AuSftänben ju oer*
anlaffen unb bitrch Behinberung ber arbeitswilligen (Elemente bet ben
einzelnen gabrifen ftete fteigenbe gorberuugeit bürtfjzufeftcn, haben bie
Unterzeichneten girmeu befcploffen, um biefem Terrorismus entgegen¬
zutreten, baß, im gälte ein AuSftanb nach Prüfung ber zu biefem 3mecfe
eingefc&icu .Vfommtjfiou fid) als unqeredjtfcrtigt erweift, ber Betrieb
nach oorhergegangener ftünbigung ber Arbeiter binnen 14 Tagen in
fämmtlicheu mechanifchen ©toffwebereten SfrejelbS gleidjzeitig eingeftellt
werben foll.
„Ungerechtfertigt" ift ein ©treif meift in ben Augen ber be*
troffenen Unternehmer; es ift baher fehr bebenflich, wenn fie in
eigener ©ache Kläger, dichter unb Ejefutoren finb. T)aS ©ewerbe*
aericht als EinigungSamt wäre für folche gälte bie beftgeeignete
gnftang, um Ausftänbe burch Berpanblungen zu oerpüten ober bei*
julegen. 3» Erefelö hanbelt eS fich aber augenfcheittlich um bie
ÜRadjtfrage. $)enn unterm 10. ©egember wirb oon ber „£öln. 3tQ-"
gemclbet. „T)a ber AuSftanb bei ber girma E. oom Arbeitgeber*
auSfchuß für ungerechtfertigt erflärt wirb, bie Arbeiter hingegen beim
AuSftanb oerharren, befepfoß bie Serfammlung ber Arbeitgeber, am
Btontag fämmtücpen Arbeitern ber ptefigen mechanifchen ©toff*
webereten ju fünbigen." T)as ift alfo eine AuSfperrung in großem
Bfaßftabe, oon ber bie arbeitswilligen Arbeiter oon färnmt*
liehen anberen gabrifen getroffen werben, weil bie Arbeiter einer
einzigen gabrif im AuSftanbe oerharren.
$ie Einführung Pott EntlaffungSfcpeinen für Pie Arbeiter PeS
gefammten Baugewerbe# ift (nach bem „Bolf") feitenS einer großen
Anzahl oon Baugemerfsinnungeit in AuSfiipt genommen. Stan
gebenft burch eine berartige Biaßnahme ben ©treif# wirffatn ent*
gegentreten zu Jönnett unb zu oerhinbern, baß auSftänbige Arbeiter
an ftreiffreien Drten in Arbeit genommen werben. T)ie BorauS*
jepung eines folchen BorgeßenS ift jebodf) eine Einigung ber gn*
nungen mit ben anberen Arbeitgeberoereinigungen im Baugewerbe
unb ben jeber Drgamfation noch fernftehenben Unternehmern. Auch
wirb bie Einführung ber EntlaffungSftfjeine, gegen welche bie Ar*
beiter anberer Berufe mit Erfolg in Abwehr treten, nicht ohne
große Kämpfe mit ben Arbeitern im Baugewerbe möglich fein.
BtuiP öfterrcirfjifefter gtiPuftrieller* 2)ie zweite ©eneral*
oerfammlung biefer größten Unteritehmeroereinigung CefterreicßS,
bie jept 668 ginnen mit 128 000 Arbeitern zäßlt, pat am
28. Booember in ®en ftattgefunben. T)er oont B^äfibenten
Baftree erftattete Bechenfd)aftSbericht übergept eine ©eite ber BunbeS*
tpätigfeit mit ©cpwcigen: bie Bemühungen, bie Drganifationen
ber Arbeiter zu z er ttörett. „Es wäre taftifcp oerfeplt," fagte ber
Bräfibent, „uitfere hierauf bezüglichen Bemühungen bes weiteren
öffentlich Z u befpreepen. T)ie Herren, bie es angept, femten unfere
Arbeiten." Bon gntereffe ift ber BaffuS beS Berichtes über bie
3ufammenfepung beS gnbuftrie* unb beS ArbeitSratpeS. Es wirb
barauf pingewiefen,
„bap eS ber Bunb war, ber an bie Regierung mit bem Serlangeit
herangetreten ift, bie Sufammenfepnng bes gnbuftricratheS fo burd)*
Zufüpren, bap in erfter £inie inbuftrielfc B^aftifer in oiefen berufen
werben, liefern Berlangcn beS BunbeS würbe feitenS ber Regierung
ooßftänbig ftattgegebeu. Aucp unferen S?ünfd)en bezitglidj einer Ber*
tretung im gnbuftrierath unb ber Sufammenfcpung ber ©eftiouen beS
gnbuftrieratpeS würbe Aedjnnng getragen. (Ebenfo würbe bem SBunfcpe
beS BunbeS Aecpnuug getragen pinficptlich ber 3 u f am ntenfepung beS
ArbeitSftatiftifdjcn Amtes."
Am mieptigften ift bie Anfünbigung, baß ber BunbeSauSfcpuß
eine 9£ormalarbeitSorbnuncj ausgearbeitet pat, bie ict ben Betrieben
aller BunbeSmitglieber eingefüprt werben foll. SDtefe ArbeitS*
orbnung, beren Beröffentlicpung benmäepft erfolgen wirb, entfpridjt
war naep ^ en Berficperungen beS Bräßbenten oollfommen ben ge*
eplicpen Anorbnungen, pat aber ben ooUen Beifall bes Eentral*
©ewerbe*gnfpeftorS niept gefunben, unb z^ar beSpalb, weit bie
Herren „mit entfcploffener fefter Abficpt ben ©tanbpunJt beS Arbeit*
geberS eingenommen paben, wogegen baS Eentral*©emerbe*3nfpef*
torat, bem 3 u gc ber 3«t folgenb, fiep bemüßigt glaubte, etwas
mehr ben befannten ©tanbpunft ber organifirten Arbeiterfcpaft ein*
Zunehmen". Dr. 3Bolf, ber BunbeSanwalt, pat biefe Ausführungen
beS B r öpbenten noep ergänzt. T)ie gefeplicpcn Beftimmungen feien
ben Snbuftrieüen feinbltcp, unb ba eS berzeit niept möglich fei,
eine Aenberung beS ©efepeS perbeizufüpren, fo pättc ber AuSftpuß
niept aus bem Bollen fepaffen fönnem Sutmerpin aber räume bas
©efep boep eine gewiffe ßatitube ein, bie auSzunüpen eS gegolten
pabe:
„SBir paben uns alfo niept barauf geworfen, eine Utopie zu fepaffen,
fonbern etwas AealcS, was im auSgefprocpenen guter eff e ber Betriebs*
Unternehmer liegt, eine ArbeüSorbnung, bie nur für bie Arbeit*
geber, aber uid)t für bie Arbeitnehmer gefdjaffen ift, wobei
wir niept aufjer Acpt liepen, bap ben Arbeitern gegeben werben foll,
was ihnen gebührt, unb worauf baS Eefcp ja ohnehin reicplidj bc*
baept ift."
^rbeitecbrniegung.
9Raßre8flnng mtatn AnSfageu öor ber dommiffiott für Ar*
beiterftatiftif. BSäpreno man btSper nichts baooit gehört patte,
baß Arbeiter wegen iprer AuSfageit oor ber ^ommiffion für Ar*
beiterftatiftif irgenbwie oon ihren Arbeitgebern befehligt worben
wären, wirb jept befannt, baß ein $oteI*DberfeUner in $öln auf
eine ^Denunziation oon feinem Bnnzipale, ber fiep burch feine AuSfage
beleibigt fühlte, entlaffen worben fei. Offiziös wirb anläßlich biefes
galles barauf pingewiefen, baß ber Borftpenbe ber Äommiffion ber
Annahme, bie AuSfunftSperfonen aus bem Arbeitncpmerftanbe
fönnten burep ipr Erfdpeinen unb ipre AuSfagen oor ber $om*
miffion ipre ©tefiung oerlieren, mit ben Porten entgegengetreten
fei: „3(p nepnte an, baß bie AuSfagen, bie pier oor biefer popen
Äörperfcpaft abgegeben werben, feinem 3Birtp, anep wenn fie un*
günftig für ipn lauten, Anlaß zu prioaten Berfolgungen geben
follten. 3cp fepe baS als felbftoerftänblicp oorauS." Triefe Er¬
mahnung pat nicptS gemißt unb ber Borgang ift befonberS lehr¬
reich, ™an & cc AuSwapl ber AuSfunftSperfonen aus bem
Arbeiterftanbe bieSntal nur folcpe berücffidjtigte, bie noep im Sßirtps*
gewerbe tpätig waren, um, wie feiner 3«t angebeutet würbe, einer
Beeinfluffung ber AuSfagen burep bie Arbeiterorganifationen ent*
gegenzuwirfen. SBenn aucp BergleidjSoerpanblungen ^mifepen Bein*
Zipal unb Hellner in Slöln im "©aitge finb, fo wirb biefe 2JJaß*
reaelung boep niept opue 'nacptpeilige 3Birfung bleiben. Btan fartn
fiep nur bem Urtpeil anfcpließen, baS bie „$öln. BolfSztg." bapin
fällt, bem Arbeitnehmer müffe unter allen Umftänben baS 3ted)t
unb bie greipeit gewahrt werben, Büßftänbe im Berufe an zu*
ftänbiger ©teile offen barzulegen, opne baß ipre Eyiftenz babei
gefäprbet wirb.
3ur Bergarbeiterbetoegimg ttt ^eufdjlanb. ®en gorberungcu
ber Bergarbeiter beS AuprreoierS paben | fiep neuerbingS bie Berg*
leute beS B^uenfcpen ©runbeS im ^öuigreid) ©aepfen im BJefcnt*
lidheit angefcploffen, wäprenb im 3 ,0 *rf a uer Aeoier gleid) uad) Aeu*
japr unter ben Bergarbeitern eine Agitation zu ©unften ähnlicher
gorberungen beginnen foll, um fo ein eiupcitlidjes >>anbeln ber
fäcprtfdjen Sfoplenbergleute zu erzielen. T^ie Bergleute bes Blaneu-'
fd)eit ©runbeS wollen burd) bie Arbeitcroertreter au bie
oerwaltungeu folgeube gorberungen [teilen: 1. Eine Lohnerhöhung
oon 10% für alle Arbeitcrflaffeu; 2. Befeitigung ber fraffen Lohn*
283
©ogiale fragte. ©entralblatt für Sogtalpolittf. 9h;. 11.
284
uitterfcbiebe (begro. ftlaffenlöbne), roie fie auf ben eingelnen Skrfen
befielen; 3. Abfehaffung ber Ücberfc^idjten, foroeit fic nicht gur
Reparatur ber ©rubenanlagen notbroenbig finb; 4. achttägige Lohn*
gablung. — Sei biefer Gelegenheit fei bemerft, bafe oom 1. Sanuar
näcfeften SobreS ab bie in 3mirf au (m ^achfen) erfdjeinenbe Serg*
unb Hütten arbeitergeitung „©Iüef auf" mit bem Drgan beS alten
(fogialbemofratifdjen) SerbanbeS im SRubrreoier oerfcfemolgen mirb.
Tie beutfdjen Bauarbeiter rüften gu einem grofeen Lohn* unb
ArbeitSjeitfampf im näcbften Frühjahr- Vorher foll befauntlidj
aud) ein allgemeiner Sauarbeiterfongrefe in Serlin abgebalten
roerben. Tie SMntermonate foHen 311 reger Agitation unb gum
Ausbau ber Drganifation benufet roerben. 3n einer Serliner
Staureroerfammliing rourbe jiingft mitgetbeilt, bafe ber Maurer*
oerbanb gur &\t über 65 OOO gablcnbe s lRitaliebcr habe, benen etroa
6000 organifirte baugeroerblicfee Unternehmer gegenüberftänben.
Son ben Maurern feien 20, oon ben 3immererit 16 o/ 0 organifirt.
©S fei feftgefteflt, bafe nur ein geringer Progentfafe ber Staurer ein
bobeS Lebensalter erreiche. Tentnacf) fei für bie Staurer alle Ur*
fache oorbanbeit, auf bie Erringung befferer Lohn* unb Arbeite*
bebingungen bebaut gu fein.
3iir Sermeibmtg beS ©crlhier SBftcferferetfS haben in ber lefeten
*>o<fee Verbanblungcn groifeben Stiftern itnb ©efcllen ftattgefnnben. Ta
inbeffen bie Reiftet bie ftauptforbcnutg ber ©cfeHen: Abfdjaffintg oon
M o ft unb Logis iui Haufe beS 9Reifters, ftriftc ablebntcn, foll in ben
uäcfeften Tagen eine Varferuerfantmlung fid) über bie roeUeren Sd) ritte
fcbliiffig machen. Tie Sammlungen für beit StrciffonbS ftnb bereits
im Change.
Arbeitcr'Sefretariate in Tüftelborf nnb lUnu Tie Hirfd^Tunder’fcben
(Beroerfoereine in Tiiffelborf bcfcbloffcn bie ©rrtdjtung eines Arbeiter*
SelretariatS. Tie auf 2000 Jt . jährlich oeranfdjlagteu Mojieit fallen
burdj frciroiHige Beiträge unb Anjroettbimgen ber Hauptuovftänbe auf*
gebradit roerben. — (Sin ftäbtifdjeS Arbeiterfefretariat roirb am 1. 3«nuar
1899 mit bem ftäbtifdjen Arbeitsamt Ulm oerbuuben roerben. Tie Ober*
aufftd)i fülirt ber ©emcinberatf), begro. ber Vorftanb ber ArbeitSocr*
mittelnngs* unb &$obnungStommtffion.
©egen baS 3n>etftoljlWt*m m b*r USeberei, bei bem bie SBeber bei
ben bisherigen Söhnen groei SSebfiüble bebieneu muffen, madjt fid) unter
ben 2 egtilinbuffriearbeitern CcfterreidjS unb Teut[d)lanbs eine ftarfe
Bewegung bemerfbar. 3n Sriinn nnb 9ieidjenberg brohen bie Arbeiter
mit einem Streif unb famnteln bereits 31 t einem Streiffonb. Tie oer*
einigten Borftänbe bes bcutfdjcn Textilarbeiter* unb beS uicberrheinifd)en
23ebcruerbanbcs haben an bie in ber Samuit* unb Scibcniubuftric bc=
fdjäftigteu Textilarbeiter einen Aufruf erlaffen, bie Uebernaljmc ber fo*
genannten gmciftuljlarbcit abgulehnen. Ter d)riftlid)e Textilarbeiter*
oerbanb bes AieberrbciitS hat ben Anfd)Iufe abgetchnt.
Belegung ber belgifdien SJtinenarbeiter. Nad)bem foroobl bie
Serfucbe, auf bireftem Skge roie burd) Sermittelung beS Arbeite*
minifterS gu einer Serftänbigung mit ben Arbeitgebern in ber
Lofenfrage m gelangen, gefcfeeitert finb, roirb nunmehr ein für ben
erften 2ßeihnad)tetag gnfainmengerufener Sergarbeiterfongrefe in
©barleroi über bie roeitere §altung ber Arbeiter bie ©ntfc|eibung
fällen.
3Ubeiterfdjut}.
®er (Mcftijetttttmrf gegen bie Itebeiftttnbe in bee fionfeftion8='
inbuftrie, ber 11t ber Tbronrebe angefünbigt roirb, roirb, roie baS
3adhblatt „ t Sionfeftionär" mittbeilt, oorauSficbtlicb im Skfentliiben
bie §§ 114, 137, 146, 150 unb 154 ber ©eroerbeorbnung unb
ront Slranfenoerfid)erungSgefefee bie §§ 2 unb 54 betreffen, roie
ber ©efefeentrourf oom 18. ID^ai 1897, ber am 24. Wai bei feiner
erften Seratbung im !jHeid)stage einer Slommiffion überroiefen, oon
biefer aber roegen SdjluffeS ber Seffion nicht mehr erörtert rourbe.
Turd) bie bamalige Sorlage foEte bem SimbeSratb bie (Sr*
uiädjtigung gegeben roerben, für beftimmte ©eroerbe Sobnbü^er
ober SirbeitSgettcl oorgitfd)reibeu, roorin 3lrt unb llntfang ber über*
tragenen Arbeit, bei 3lfforbarbeit bie Stiicfgabl, ferner bie Lof)n*
fnpc unb bie Sebingungeit für bic Lieferung oon Skrfgcugeu unb
Stoffen gu ben übertragenen Arbeiten oon bem Arbeitgeber ober
bem bagu Seoollmädjtigten gu bcurfunben roaren. Lobnbud) ober
3lrbeitSgcttel, über bereu (Siurid)tuug ber SHeicbSfanglcr gu beftimmeu
batte, follte ber Arbeitgeber auf feine Stofteu befefeaffeu unb bem
Arbeiter nad) Sollgiebung ber oorgefdjriebeneu Gintraguugeu oor
ober bei ber llcbergabe ber Arbeit foftenfrei auSbäitbigen. 3roeitenS
mar bem Sefdilnffe beS Sunbesratbs oorbebaltcu, für beftimmte
©eroerbe anguorbnen, bafe Arbeiterinnen unb jugenblidjen Arbeitern,
bereu tägliche Sefd)äftiguug in ber Jabrif 6 Stunbeu überfteigt,
Arbeit uid)t mit nadj .sSaufe gegeben roerben bitrfe: aud) erhielten
biefe Seftimmungen auf bie Sefdjäftigung oon Arbeiterinnen unb
jugenblitben Arbeitern in 9öerfftätten entfpreebenbe Anroenbung. —
T)te oben citirten Paragraphen beS ^ranfenoerftcberungSgefefeeS
betreffen bie AuSbebnung ber Äranfeuoerficbming auf bie §au§*
inbuftrie bureb DrtSftatut. — Auf bem lefeten Scbneiber* unb
Scbneiberinnenfongreffe in Mannheim unb aud) fonft in manchen
Serfammlungeit rourbe fonftatirt, bafe bie burd) bie SunbeSratbS*
oerorbuung oom 31. Ü)?ai 1897 über ben Arbeiterfdjufe in ben
Skrfftätten ber Kleiber* unb SBäfcbefonfeftion betroffenen Arbeite*
fräfte büufig S lir Heimarbeit getrieben roorbeit feien, roie beim
überhaupt bie ungejcfeüfete HauSinbuftrie ficb immer mehr entfalte.
Um Material für bie ©efefegebung gu geroinnen, böt ber Sdjiteiber*
oerbanb Fragebogen oerfaitbt, bureb roeldbe (Srbebungen über bie
Folgen ber SuitbeSratbSoerorbnungen oeranftaltet roerben. T)ie
Fragebogen foHen bis 1. Tegember biefes F^breS gurücfgefanbt
roerben. Hoffentlich fann baS (Srgebuife biefer prioatenquete noch
nufebringeitb für bie Seratbung beS ©efefeentrourfeS gemacht roerben.
3«m geloerhltch iefdj&ftigter Ätiber. *) Gegen bie Alte*
beutung ber finber in ber H au 3inbuftrie fcbreüen oie Sebörben
im SRegierungSbegirf T)üffelborf ein. ©ine Fa^rifarbeiterin in
Erefelb b^h entgegen einer am 2. April b. 3. oeröffentlicbten, mit
3uftimmung beS SegirteauSfchuffeS oom SRegierungSpräfibenten
erlaffenen Poligeioerorbitung, fdjulpflichtige $inber roäbrenb ber
3eit groifeben bem Sor* unb 9?achmittagSfd)ulunterricht mit Slei*
fniipfen befebäftigt unb rourbe be§b(üb in Strafe genommen. Tic
Stinber mufeten täglich circa fünf Stunben arbeiten unb oerbienten
roöchentlich bödjftenS 75 4. Tie ermähnte Poligeioerorbmmg ift
auf ©runb beS §. 137 beS ©efefeeS über bie allgemeine LanbeS*
oerroaltung oom 30. 3uli 1883, ber §§. 6, 12 unb 15 beS ©efefeeS
oom 11. 3)^ärg 1850 unb ber §§. 120c unb 120e ber $Rei<h£*
geroerbeorbnung erlaffen unb oerbietet ben H au0 inbuftrieIIen unb
Heimarbeitern ber Teytil* unb 9fteta(linbuftrie, bie fid) mit ber An*
fertigung oon ©äfche, ^leibungSftiicfen unb 3üubl)oIäfdbachteln be*
faffen, bie Sefchäftigung oon fcfeulpflicbtigen Hinbem oor Seginn
bes Schulunterrichte, ferner groifeben bem Sor* unb Nachmittags*
unterricht unb AbenbS nach fieben Uhr.
Arbeiterf<buh im beutfdjen SSirtbSgetoerbe. 3m Frühjahr foll
in Serlin ein Fmbfo n 0re& ber ©aftroirtbSgebülfen ftattfinben, auf
bem bie Forberungcn ber ©ebülfenfehaft formulirt roerben füllen.
Tiefe fönnten bann oom 5Reid)Stag bei ber Seratbung eines etroaigen
S^ubgefefeeS berücffichtigt roerben. 3n einer Serliner Serfamm*
lung rourbe erflärt, bafe bie Kellner faft ausnahmslos eine gefefe*
licfee Festlegung eines roöchentlich roieberfebrenben NubetagS, einer
SJarimalarbeitegeit unb einer Stinbeftrubegeit für notbroenbig unb
burdjfiihrbar halten. Ter anroefenbe Sorfifeenbe beS Teutfchen
©aftroirtbe*SerbanbeS, Tb- Ntüller*Serlin, erflärte fi<h mit ber
gefefelicben Festlegung einer äRinbeftrufeegeit oon acht Stunben ein*
oerjtanbcn, ebenfo mit ber Sefchränfung ber LebrlingSaitebeutung
nnb ber Sefeitigung beS Stellenroud)erS.
Tte ©eroerbeinfpeftion in Defterreidj fott am ©nbe 1899 nach
bem Subgetooranfdjlag befteben aus 1 (Sentralgeroerbeinfpeftor,
6 Dbergeroerbeiufpeftoren, 11 ©eroerbeiitfpeftoreit I. klaffe, 13 ©e*
roerbeinfpeftoren II. klaffe, 23 ©eroerbeiufpeftorSaffiftenteu, 3 3n*
fpigienten. Tiefe Icfeteren Seamten fteüen eine neue Kategorie bar.
©S foüen näutlid) bie Fitfpeftoren oon jenen Serrid)tungen inöglichft
entlaftet roerben, bereit Seforgung eine höhere facblidje Sorbilbung
nid)t erbeifcht. 3 U biefem Sebuf roirb bie Seftellung oon 3n*
fpigienten in AuSfid)t genommen, unb es roirb beabfid)tiat; biefe
Fnfpigienten gunächft bem Streife jener Skrffiibrer, 9Reifter unb
Sorarbciter gu entnehmen, bie bie 2Berfmeifterfd)ule an einer in*
Iänbifdjen ©etuerbefdjule mit ©rfolg abfoloirt b^öen. Sorerft fott
bureb 3 u tl)eilnng je eines Snfpigientcn gu brei ©eroerbeinfpeftoraten
ein Serfnch gemacht roerben. Aus 2Bien roirb uns bagu gefd)ricben:
„Ten 3»fpigienteit foll bie Seforgung jener im F^fpehioitebienft
fich ergebenbeit Verrichtungen gufallen, beren Seforgung feine höhere
Fad)oorbilbung oorauSfefet. 3nforoeit bieS nicht für ben äufeeren
Tiertft in wichtigeren NeoifioitSfällen, foiibern faft aitefchliefelicb
nur für bett inneren .Hanglcimanipulationsbienft, ber bie ©eroerbe*
iufpeftoren in Defterreicb beute fefer fd)ioer belaftet, gefd)ebcu roirb,
faitu man gegen biefe Steform uid)ts eiuroenbeu. 3u beforgen ift
nur, bafe man biefe ,,3ufpigienten" ba unb öort auch allmäblidh
gur roirflidjeu 3nfpeftioit herangiebeit roirb, eine iRöglid)feit, bie
*) Xcm Seritcfimeii nad] ift bic Srröffcntlidjiing ber ©cfamntt*
ergcbiiiffr ber (Srl)elutiigeii über bic geroerblirfjc S\ tüberarbeit,
bie auf Airorbmmg bcy AcichsfangferS iror Fahrcsirift in beit ©ingcl»
ftaaten angefiellt roorben finb, in Salbe gu erroarten. Nadi einer An*
fmtbignng bev Siaat^fetretär^ bec? Fmiern foll bic Moinntiffioii für
Arbetierftaiifitf fid) mit biefer cinquete befaffett. . Tie Acb.
285
©ojiale $rajt$. ©entralblatt für Sojtalpolitü. Rr. 11.
286
bei ber mirt^fc^aftli^en Straft ber Unternehmer einerfeits imb ber
BJinberroertbigfeit ber neugefcßaffenen SiMP^ftionöorgaiie 31 t argen
Unjuträgli^fetten führen fönnte."
^rbeiterorrfidjerung. SpnrhafTen.
$ie ^lentenfeftfe^uttg ttnb bte Aufbringung ber SWtttcl ^nr 23e- j
ftreitung ber Renteulaft nad) ber AobeUe gnni SnPalibitfttSgefeße. j
$)ie Beftintmuugen beS neuen ©ntrourfeS, foroeit fie bis jeßt I
befannt geworben finb, beiaffen im ^rinjip bie jeßige geftfeßung !
ber Smmlibenrente aus einem ©runbbetrage unb ben (Steigerungen, :
bie bureb bie Btarfenbeiträge b^norgerufcit roerben. £er roefent* |
Iic^e Unterfd)ieb gegenüber bem beftel;enben RentenfefifeßuugSoer* 1
fahren befteßt aber barin, baß ber ©runbbetrag nießt meßr gleich* t
jeitig GO t // beträgt, fonbern nad) ber klaffe ber beigebradjten j
SRarfen be^ro. bem SDurcbfcßnitt abgeftuft roerben foH, unb groar j
für SoßnHaffe I .... auf 60 jfc I
* * JI . . . . * 90 *
- - II! ... . * 120 = 1
* 5 IV .... * 150 * |
s s y ... . * 180 * (neue SRarteuHaffc). 1
AnbererfeitS finb bie ©teigerungSfäße ber Rente burd) bie
üJarfenbeiträge erheblich oerringert; fie belaufen fuß:
in ber Soßnflaffe I . . . auf 2 ?{■ (früher 2 5*f.)
88 * * II ... * .8 * ( * 6 * )
8 5 * III . . . * 4 = ( * 9 * ) I
88 * * !V . . .* 5 * \ s 18 <» )
88 s s V . . . = 6 * (neue 21? arten Haffe).
Bklcße Bortßeile ergeben fid; aus bem neuen S^entenfeftfefeungö®
perfahren gegenüber bem jeßigen für bie Berfidjerten? $üe diente
für bie Berficßerten ber erften Lohnflaffe bleibt unoeränbert. gür
bie Berficherteit ber anberen Lohnflaffett fteigen bie ©ruitbbeträge
ber Renten nicht unerheblich, aber mit ber $auer ber Berfid)erung
oerfchroinben bie SBort^eile aus bem neuen RentenfeftfeßungSoer*
fahren mehr unb mehr, bie Rentenempfänger roerben im Laufe ber
Sabre fogar gegenüber bem jeßigen Berfaßren benachteiligt. Bei
ben Berficberten
II. Lobnflaffe tritt nad) 1000 BeitragStoodjen
III. = = * 1200
IV. * * » 1125 *
ber 3eitpunft ein, roo bie Snoalibenrenten nach bem neuen ©nt*
rourfe Heiner roerben, als nach bem alten ®efeße. Rechnet man
baS BeitragSjabr ju 47 Söochen, fo roerben bie Berficberten
in ber Lofmflaffe II nach ruitb 22 Bettragsjabren
* 3 * III * * 25 *
* - 3 IV * 9 24
fchlechter roegfommen, roenn bie RooeHe (BefeßeSfraft erhält. AuS
ben Tabellen ber lebten BerroaltungSbericßte ber BerficßerungSanftalt
Berlin läßt fich für bie männlichen Berfid)erten, für bie uor^üglid)
bie Bestimmungen ber RcroeÜe in Betracht fommen, ba fie ntinbeftenS
in LoßnHaffe II oerficbert finb, feftfteUeu, baß bei ihnen im $>urd)*
fchnitt für bie 3öb rc 1891/9-7 bie Snoalibität ungefähr mit bem
50. Lebensjahre eintrat, unb sroar roaren beim ©intritt ber Sn*
oalibität
unter 50 gafire über 50 galjrc
tu ben gabreu 1 so 1/05 554 045
im gaßre 1896 .. . 810 8s2
3 a 1897 . . . 819 482
©ären bie betreffenben Rentner mit Beginn beS 17. Lebensjahres
in bie Berficherung eingetreten unb hätten jäbrlid) 47 Beitrags*
rooeßen nachroeifen fönnen, fo mürben fie im 2 )urd)fd)nitt nad) bem
neuen ©ntrourf eine Heinere Rente erhalten haben, als nach beut
jeßt beftebenben (Befeße. $)ie Rooelle uerfdjärft noch baS BJißocr*
ßältniß, baß bie Berficberten, bie roenig Beiträge leiften, oerbältniß* I
mäßig fyofyt Reuten erhalten 31 t llngunftcn bei Anberu. j
2)urch bie roin 3 igen ©teigernngSfäbe nimmt bie Reute nur 311
burd) jäbrlid) 47 geleiftete Beiträge in
ber LobnHnfic U um J,n M
a 3 III * 1,80=
* = IV a 2,35 =
* = V = 2,82 *
Oiefejjt nun, baft im 2?urdjfchnitt ein Berfidjerter bis 311 m
©intritt ber Siwalibität 33 3ab l ’ e »om 17. bis 50. Lebensjahre
regelmäßig jäbrlid) 47 Beitragsmarfen beigebradjt bat, fo ift feilte
Reute in ber
II. SoljnHaffe um 46,53 Jt
III. a S 62,04 a
IV. a s 77,55 3
V. 98,06 a geftiegen.
demnach bifferirt bie BHnimalreitte (OJrunbbetrag) unb bie
Biafimalrente im ^)urchfchuitt bei allen LobnHaffen nodb nicht ein*
mal um 100 df ©oÜten biefe fleinen Unterfchiebe, bie bureb bie
äßarfenbeiträge b^roorgerufen roerben, roirflid) 60311 angetban fein,
ben Arbeiter an 3 ubalten, auf bie weitere Berroeitbung 001 t SJlarfen
3 U ad)ten, roenn er erft bie 2 Barte 3 cit erfüllt bat? ($S ift both
gan 3 natürlid), baß bei bem Berficberten baS Sntereffe an ber Ber*
fidjerung nur roachfen fann, roenn er fi<b bewußt wirb, baß feinen
Leitungen auch bie ©egettleiftungen entfpreeben. SDaS läßt fich
unfereS ©rachtenS nur erreichen, roenn mau bie ©teigerungsfäße
erhöbt, nicht aber bureb einen höheren Gkunbbetrag, roäbreitb gleich*
zeitig bie ©teigerungSfäße erniebrigt roerben. An ber ©rböbung ber
Rente follen alle Berftcherten betheiligt fein, nicht nur biejenigen,
bie roenig Beiträge geleiftet haben.
©ie ©runbbeträge ber oerfchiebenen LobnHaffen oerfchieben 31 t
normiren, halten roir für feine glütflicbe Reuerung beS ©ntrourfeS.
©aburcf), baß ber Berßcherte in eine ftaatlid)e Berftcherung auf*
aenommen wirb, ift ibtn 00 m Reiche ein ^
für baS Saßr bei ©intritt ber Saaalibität gefiebert. ®er ©taat
als folcher bringt bie ^Kittel hierfür auf. $)aS Reich macht feinen
Unterfdjieb, roefcher Lobnflaffe ber Berfidjerte angehört. ^)em*
gegenüber foKte auch bie Olefammtheit ber Berftcherten oerpfliebtet
“ein, Sebetn, ber in bie Berftcherung eintritt, eine Bfinintalrente 311
td)ern aud) oßne Rücffidbt auf bte Lobnflaffe; ber ©runbbetrag
ber Rente, ber fteß aus ben beiben oorbergenönnten Beträgen ju*
fammenfeht, ift bann, roie in bem alten ©efeß, in gan 3 $)eutfch*
Ianb ein einheitlicher, unb feine große oon 110 ,///. fann angetneffen
erfeßeinen.
' ©ine ©rßöbung ber Snoalibenrenten, 3 Utttal berjenigen, bie
feßon naeß Berroenbung oon einer oerbältnißmäßig geringen An 3 al)l
oon B?arfett bewilligt roerben, wäre feßr roünfdjenSroerth. ©ie
ließe fid) lcid)t bureß eine ©rßöbung ber ©teigcrungSfäße erreichen,
für Berfidjerte oon ber 3 toeiten LoßnHaffe ab begonnen. 3)entt
für bie Berfidjerten ber erften LoßnHaffe erreicht bie (^runbrente
oon 110 Ji feßon faft ein drittel beS jäßrlicßen ArbeitSoerbienfteS.
©S würbe aber 3 U roeit füßren, eine ©fala ber ©teigerungSfäße
an biefer ©teile an 3 ugeben, oielmeßr beßalten roir uns oor, in
einem befonberen Artifel ba rauf 3 urücf 3 ufommen.
Be 3 Üglitß ber Altersrenten tourbe feßon gelegentlich beS ©nt*
rourfs oon 1896 oon maßgebenber ©eite ber Borfcßlag gemacht,
bie Altersrente in eine Snoalibenreitte nm 3 uroanbetn, berart, baß
ber Berficßerte mit ©intritt in baS 71. Lebensjahr eine Snoaliben*
rente erßält. tiefer ©tanbpunft erfeßeint uns als ber rießtige.
3)ie Altersrente, beren Be 3 ug oon einer SBarte^eit oon 1410, naeß
bem neuen ©ntrourf oott 1200 BeitragSroodjen abßängig gemaeßt
wirb, oerliert bttreß biefeS erfdjroereitbe Btoment meßr unb meßr
an Bebeutung gegenüber ber Siwalibcnrente, bie feßon naeß Rad)*
roeifitttg oon 235 be^it*. 200 BeitragSroocßen bewilligt roerben fann.
©S ift ferner 3 U bebenfen, baß eine nießt Heine An 3 aßl oon Ber*
fi(ßerten beiberlei OiefcßledjtS erft in oorgefd)rittenen Saßren ge*
3 ioungen ift, oerfidjerungSpflicßtige Befcßäftigung au^uneßmen.
£ie Altersrente föitncn biefe wegen ber langen ^öarte^eit nießt be*
fommen, bie Snoalibenreitte wirb ißnett aber aueß nießt 3 ugefprocßen,
weil fie in Snlgc ibr eö fleinen BcrbicnfteS noeß immer im ©taube
finb, ein drittel beS ortsüblichen SageloßueS 31 t oerbienen, (^erabe
aus biefen Mlaffen feßen fid) bie Almofenempfänger 3 ufatnmen, unb
es würbe eine große ©ntlaftung ber Armenoerroaltuitgen bebeuten,
roenn bie Altersrente in eine Snoalibeitrentc umgeroanbelt würbe,
llnb 3 ioar füllten bie Altersrenten gan 3 uaeß berfelbeit Art unb
B>eife feftgefeßt roerben, roie bie Snoalibenrenten. ©S cntfpiidit
boeß nur Der Billigfeit, wenn ein 7J jäßriger Riamt, ber 001 t feinem
17. bis 71. LcbenSjaßre regelmäßig Rfarfen oerioeubet hat, aud)
ber Srnd)te feiner ©rfparnii’fc in oottcui Btaße tßcilbaftig wirb.
Jür bie Berioaltung ergiebt fid) aueß eine Grfparniß an ©tßreiberei
unb Arbeit babureß, baß ber AlterSrentner, fobalb er fid) inoalibe
füfjlt, bann nid)t meßr einen neuen Antrag auf Snonlibeiirente
eit^ubriugeii braucht, roehßer bie ©inleitiuig eines neuen Rcnteitoer*
fabrens 3111 * *5otgc bat. Betont mag itod) roerben, baß bainit bie
roeitoerbreitete Anfid)t unter beu Arbeitern, baß fie erft mit bem 7o. Le*
beusjabre, baS fie bod) uid)t crrcid)en, eine Rente erhalten, ans
ber Bklt gefeßafft wirb. ©S bleiben nur befteßcit Snaalibeureuteii,
287
©ogtale PrajtS. (Eentralblatt für Sojtalpolitif. 9fr. 11.
288
bie unabhängig non bcm Alter ber SSerfic^erten bewilligt werben |
tonnen, mit ber Oeftimtming, baß ein 71 jähriger Oerficf)erter and)
ot)ne 9?ad)wei« feiner (Erwerb««nfäl)igfeit al« Snoalibe gilt.
Oerlin. Dr. SuliuS SRothhoIo-
3«r Sm>alibttat«not>el(e. Ser Au«fd)itß ber Älter«- unb Snualibität«*
uerfid)erung«anftalt 0d)le§wtg*|>oIftein fprad) fid) cinftimmig gegen bte
geplante llebertragnng ber bi«lier ben Oorftänben ber Anftalten gu*
fteljenben Oefdilußfaffitng über bie Oemtfligimg non Renten an Sofal*
iltftangeit au«. Sie ÄenDerung erfdjeine in Ijo^em Stfaße bebenflidj unb
finanziell gefährlich. — Sie* „Soziale prari«" erblicft im ©egenfaß
tjierju in ber (Errichtung non Sofaltitftangett eine wefentltdje Oerbeffe*
rutig be« ©efeße«, wie bie« Dr. Sreunb in 9fr. 4 treffenb au«gefüljrt hat.
& ran fett* unb lUtfaHberftcherunfl ber ftäbHfrfjrtt Arbeiter in Berlin.
Sa« 9J?agiftrat«fotlegium hat auf Anregung ber Stabtuerorbnetenoer*
fammlung nunmehr befchloffett, ba« £)rt«ftatut jur Aegnlinmg ber
ftranfen- unb Unfalluerftcberung ber im ftäbtifrfien Sienft unb bei ben
ftäbtifchen wtrtl)fdjaftlid)cit Anftalten be[d)äftigten perfonen unb An*
gefteüten gu genehmigen. Sa« Statut bebnt bie Oorfchriften be« §. 1
be« Äranfenocrfidjentngsgcfeße« auf alle non ber ©enteinbe gegen ©e*
halt ober Sohn befdjeiftigten perfouert au«, foweit fie nid)t mehr al«
6 9 / 3 Ul. pro Sag bcgiehung«wetfe 2000 Uf. für ba« Sahr erhalten
ober in &ranfhett«fällen Aufprud) auf ^ortjahiung be« ©eljalt« ober
Sohne« haben. (Ebenfo foü bie Unfaltoerfidjerung ber tn ben ftäbtifchen
betrieben Befcfjäftigten Perfonen in ber oon ber ©ewerbebeputation be«
5DJagiftrat« norgefdjlagenen ©etfe in bie ©ege geleitet werben.
ttnfaüberhütung«borf(htäge ber Ärbeiterunfattberftcherungdanftalt
für 9Ueberöfterrcid). Sie öfterreidjifchen UnfaUuerfid)erung«anftalten
entbehren be« Rechte«, gur Unfalloerhütung allgemeine ^ßorfcfjriften
über Oetrieb«eiurichtungen gu erlaffen unb bie betriebe burd) eigene
Drgane gu befichtigen. Sie ftnb auf bie überbürbeten bewerbe»
infpeftoren angeretefen, bie auf Verlangen einer Anftatt einen oer*
fid)erung«pflichtigen betrieb an Drt unb Stelle gu befichtigen unb
bie (Ergebniffe ber Anftalt mitgutf)eilen haben. Me Oerfuche, biefen
3uftanb gu äubern, um einen größeren Oetrieb«fchuß in Unfall*
nerfi(herung«pflidjtigen ^Betrieben Ijerbe^uführen, finb bisher ge*
f (heitert. &un hat ber Oorftanb ber nieberöfterreicfjifi^en Mftalt
am 14. ^ooember noch einen Oerfutf) unternommen unb eine SReilje
oon Anträgen 31 er llnfattoerhütung befchloffen. Sarin wirb bie
Streichung ber Summe für bie Otttwirfung ber ©eroerbeinfpeftoren
(bie fämmtlichen Anftalten 3 ahlen bafür Jährlich 17 900 (Bulben)
eforbert. Sie ^Beauftragten, (Erhebung«?ommiffionen 2 c. foHen ihr
efonbere« Augentnerf auf bie Umfiärtbe richten, welche 3 ur herbei*
fiihrung be« Unfälle« befonber« beitrugen unb beren Oefeitigung
burd) Sid)erheit«üorfebrungcu bie ©ieberfel)r ber Unfälle au«*
fließen würbe. Sie £>aftpflid)tparagraphen foHen auf« Strengfte
angewenbet werben. Sa bie lluterlaffung oon Unfalloerhütung«*
oorfchriften al« ein Oerfchulben im Sinne be« allgemeinen bürget*
liehen ©efeßbuche« unb al« Oerleßung be« Arbeiterfrage« an 3 u*
fehen feien, fo fei für bie ©ewerbebei)örben ein fefter ©oben 3 um
(Erlaß oon Unföüoerhütuug«uorfchriften gegeben; Uebertretungen
feien nad)brücflich strafrechtlich 3 U oerfolgen. (Eine Stommiffion hat
bie Oorfd)rifien au«guarbeiten. Sür ^Betriebe mit größter Unfall*
gefäbrlicßfeit fitib bie Oorfchriften obligatorifch 31 t machen. Sie
&ad)tbefuguiffe be«©ewerbeinfpeltorat« finb 3 U erweitern, bie Unfall«*
erhebungen gröfttmöglichft 3 U befd)leunigeu. (Ein bem Streftor bei*
gegebener Sccßnifer hat bie Unfallaften auf bie Unfatlgefährlictjfeit
ber ^Betriebe gu prüfen unb auf Abteilung ber Mängel gu bringen,
Stoff für Unfafloerhütnng liefern, ftatiftifdje Spegtalau«weife
bariiber gu betreiben unb bet ber ©efahrenflaffififation ber betriebe
mitguwirfen. 9fr d)t wichtig erfd)eint bie weitere Sorberung gefeh¬
lter Ocftimmuitgen, wouad) bie OJafdjiiienfabrifanten fid) ftrafbar
unb ihre 9Jcafd)inett unoerfäitflich mad)en, wenn fie biefe nicht mit
oon ber 9J?afd)ine ungertren 11 ließen Scßußüorrichtungen oerfeh^n.
91 uf bie (Erfiubung gweeftnäfeiger unb nothwenbiger Sdjufeoorfeh-
rungen füllen Staat«preife au«gefeht werben. 2Beitere Sorberungen
Beziehen fich auf (Erhebungen über grauen* lin ^ itinberarbeit, fo*
wie beren Oefdjränfung ober Oerbot in beftiinmten ^Betrieben. S)ic
Scdjnif ber Sd)uhoorrid)tungeu follcrt in befonberen Kollegien gelefcn,
bie 9lrbeiterfd)ubgefebgebung in jeber 0 ?eife, befonber« burd) bie
Sehranftalten unb £)bd)fd)u!en, popularifirt werben. — ^offentlidh
haben bie Einträge (Erfolg.
Oerftdjerung ber fßoft- ttnb Selcgrap^nbebtenfteten in Oefter*
reich* Stuf Anregung einer SRefolution be« ©ewerbeau«fd)iiffc« be«
Ähgeorbnetenhaufe« fal) fid) bie öfterreidjifche Regierung oeranlaßt,
bem Parlamente einen BJefetjentwurf, betreffenb „bie Sterling ber
perfouen be« poft* uttb Selegraphenbetriebe« gegen bie golgeti
oon Unfällen" oorgulegen. S)er (Entwurf fiel;t jeboch uid)t bie
Mmelbung ber Poft* unb Selegraphenbebienfteten bei ben auf
förunb be« Unfaüoerfid)erung«gefehe« fonftituirten Oerfichcrung«*
anftalten oor, fonbern ftatuirt bie ©ewährleiftung ber gefebmägigen
Unfallentfchäbigung burch ben Staat, weil bie oerfchiebenartige 0)e*
ftaltung ber einfdjlägigen S)ienftuerl)ältniffe ber einfachen M«*
behnung be« UnfaÜoerti(herung«gefehe« grofee Schwierigfeiten in
ben ©eg fteEt. S)o<h wirb au«brticflich h cr oorgehoben, bafj bamit
feineSweg« ein Präjubig hiaf^^fh & er 9lu«fd)eibung anberer
ftaatlicher Oetriebe au« ber regulären UnfaHoerfterung gefthaffen
werben foll. — Oetreffenb bie Oorforge oon ÄTanfheit«fällen be*
ftehen formen, bie bie Oelaffung be« gangen SüenfteinFomtnen«
ober eine« Shcile« auf eine gewifje S)auer regeln.
(Smquete für eine Ältcr^oerpchcrung in Belgien. S)er ÜÄinifter
für Sttbuftrie unb Ärbeü beauftragte Da« „Office du travail ’ 4 mit
einer (Enquete über bie öfonontifd)e Sage ber perfonen oon über
60 gahren, bie ehemal« £>anbarbeiter gewefen ftnb, gu bem
3wecfc, genaue Unterlagen für ba« Stubiutn be« Problem« einer
eoentuellen 9llter«oerfid)erung gu gewinnen. &ie (Enquete füll ft
nidht auf« gange fianb, fonbern nur auf eine Ängaljl tqpifcher
inbuftrieller unb ianbmirthf<haftli<her ©emeinben unb £reife er*
ftreefen.
3trbeitsnod)njd9.
^entraloerein für &rbrit€nnchkuei« in Berlin unb Zentral*
ansfdjuff faufmännifcher, gewerblicher nnb inbnftrieüer Oereine.
S>er &ntratau«tufe h°t am 5. S'egember nach einem ausführlichen
Referat be« Dr. Sr e aab, Oorfitjenben ber Mer«* unb gnoalibität«*
oerftcherung Oerlin unb be« Oerbanbe« beutfeher 9lrbeit«nachweife,
unb nach eingehenber Oerathung einftimmig folgenben Oefchlufe
gefaßt:
Ser 6entralau«fchufj erfeunt tut Sntereffe einer befferen Siegelung
oon Angebot uttb Sladqrage auf bem 9lrbett«ntarfte unb 3 itgleid) tut
Sntereffc be« guten (Etnuemel)mcu« gwifdien Slrbettgebcru unb Ärbeit*
neljmem bie 9?otl)wenbig!ctt ber (Errichtung unb ber Sörbcritug oon
?lrbeit«nad)weifen an, tu beneu Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gleich»
mäbig unter einem unparteilichen Oorftpenben ocrtrcteit finb. Ser
(Eentralau«fd)uh befchliebt, feinen Oerbättbeit bie Unteiftüpung unb Oe*
nupung be« alfo orgauifirten (Ectttralnercin« für Arbcit«nad)wct« gu
Oerlin warm gu cmpfelileit, babei oott ber Oorau«fepimg au«gel)enb,
bafe zugleich unter Sljeilualjme non 0adwerftänbigen bte Organifation
oott Arbcit«nachweifeit für gelernte Arbeiter oont (Eentraloerctn für Ar*
beit«mchwei« fofort in Angriff genommen wirb.
S)a« Oorgehen be« ßentralau«tuffe« Oerltner faufmännifcher,
gewerblicher unb inbuftrieller Oereine ift ein fehr bebeutfame«.
S)enn nicht weniger al« 37 grobe Oerbänbe finb in biefetn Au«*
fchub (Oorfipenber ©eh- lommergienrath ©olbberger) oertreten;
wir nennen oon ben Otitgliebcrn g. O. bie Oereine Oerliner $auf*
leute unb Qnbuftrieller, Eaufleute ber $oIonialwaareubrand)e,
0chirmfabrifanten, Spebiteure, papieroerein, £>utinbuftrie, Seber*
hänbler, Schuhfabrifanten, ©äfchefabrifanten, Petroleum*@rob-
hänbler, ©olb* unb Silberwaarengewerbe, ©etreibe* unb Probuften*
hänbler, Sabafintereffenten, Olumenfabrifantcn, Oranntweininter*
ejfenten, Such*©robhänbler, £unft* unb §)anbel«gärtner, Herren*
unb Änaben-Äonfeftion, Oraucreien, $olginbuftriellc, Photographen,
^olghänbler, pianofortefabrifanten, äohlen*©robhänbler, d)emifd)e
Snbuftrie 2 c. Schott biefe Mfgähluttg giebt ein Oilb oon bem
Umfang uttb ber Oebeututtg be« (Eentralau«fchuffe«. ©enn nun
biefe zahlreichen Oereine oon Unternehmern uttb Arbeitgebern im
Sntereffe be« guten (Einoernehmen« für paritätifche Arbeit«nadhweife,
au bereu Oerwaltung Arbeitgeber unb Arbeiter gleichmäßig unter
einem unpartciifchen Oorfipettben betheiligt finb, efntreten, fo ift ba«
ein Alt oon großer praftifcher Tragweite, ber in l)öd)ft erfreulichem
©egettfape gu beut befannten 23cfd)luß ber Scipgigcr Oerfamtnlung
fteht unb oeffett ©irluitgen fid)er weit über Oerlin fich erftrecfen
toerbett.
(Ec}ict)ung unb fiUbnng.
Sa« prcuffiidje Oolf«fd)ulwefen.
Sie ftatiftifchen (Erhebungen über ba« gefammte niebere Sdjttl*
wefen in preiipeti, bie feit 1886 alle fünf ’^ahre regelmäßig uttb
im Allgemeinen nad) benfelbett ©efid)t«pun!ten ftattgefunben haben,
geben ein gwar uid)t umfaifenbe«, aber nad) ben in Oetrad)t ge*
gogenett ©cfid)t«pnnften erfcböpfeitbe« Oilb ber Oerbältniffe be«
Oolf«|chittitnterrid)t« ittt Staate. Oefonber« ausführlich werben
bie fonfeffionellen Oerhättniffe feiten« ber Statiftif beljanbelt, wäh-
289
Sogtale $raji$. Centralblatt für ©ogtalpolittf. SRt. 11.
290
renb bie inneren «ftuftänbe, bie u. 51. in ber öfterretd^ifcfjen unb
fcbroeigerifcben Statiftif eine grofee SRofle fptelen, unberücfftcbtigt
bleiben.
2luS bern reifen Material, baS bie drbebung oont 27. Sunt
1896 geliefert fjöt unb baS jefet in gmei Soliobänben bearbeitet
oorliegt, fönnen an biefer Stelle nur einige widrige Partien ^er«
auSgepoben unb bie Crgebniffe furg mitgetheilt werben.
bie Schulbauten, inSbefonbere in ben ßanbgemeinben
ber öftliäjen Groningen nicht auSreidjenb finb, ift aus ben 35er*
banblungeit beS 3lbgeorbnetenbaufeS befannt, gang gu fdjweigen
non bem elenben 3 ^ftanbe, itt bem firfj ein mdfjt geringer %$i\l
ber Schulhäufer nach ben ÜRittheÜungen beS MtuSminifterS be*
finbet. 1886 waren für 92 001 SchulHaffen nur 78 431 klaffen*
räume, bie gu UnterridbtSgmecFen benufct würben, oorhanben, unb
1916 SRäume mußten gemietbet werben. 33äfjrenb in ben Stätten
im S)urcbfcbnitt auf 103 Sdjulflaffen 100 SUaffenräume entfielen,
waren auf bem ßanbe bie 33erhältniffe wefentlidj ungünftiger. dS
famen 3 . SB. auf je 100 SUaffenräume in ben 93egirfen granf«
furt 149, ÄöSlin 130, $ofert 156, 33romberg 143, 33reSlau 165,
Ötegnifc 171, Dppelit 126, 3Rerfeburg, Erfurt unb .&ilbe§^eim je
134, fünfter 128, Csnabriidf 136, 3Rinben 161, Gaffel 140 Schul*
Haffen, tiefer SRangel an Älaffenräumen ift befonberS aus
bpgieniftbcn, aber auch aus fchultechnifchen ©rünben hö<hft beben!*
lieb- 2>erfelbe UnterrichtSranm mufe non oerfdjiebcnen Schul*
Haffen nach einanber benufct werben. 2htSreid)enbe ßüftung ift
hierbei nicf)t immer möglich: bie 3 U früh gurn Unterricht erfchetnen*
ben Minber muffen au<p bei fd^Ied^ter Witterung auf £)öfen unb
Sforriboren warten, unb größere unb Heinere Äiitber müffen an
benfelben Schulbänfen befc^äftigt werben. $>ie folgenbe Tabelle
geigt, eine wie grofce 3 a hl 00,1 ^dbulräumcn in ben ein 3 elnen
ißromngen noch befebafft werben müfcte, um für jebe Schulflaffe
ein eigenes £>eim 31 t erhalten.
einer SReihe non 33egirfen auf eine ßeljrfraft noch über 80 hinter,
fo in S3romberg 81, in DSnabrücf 82, in fünfter 87. trauriger
lagen bie SSerbältniffe auf bem ßanbe. §ier famen auf je einen
ßehrer im 33egirf ^Rarienwerber 85, in 3ran!furt89, in$ofenllO,
in 33romberg xtitb 33reSlau je 95, in ßiegnifc 88 , in Dppeln 96,
in 3Rerfeburg 82, in Erfurt 84, in £>annooer, Dsnabrücf unb
.Staffel je 81, in fünfter 92, in 3Rinben 97, in SntSberg 84 &in*
ber. $)urcbf<bnittlüb hötte 1886 jeber ftäbtifebe ßeljrer 67, jeber
ßanblehrer 79 Stinber 3 U unterrichten. ®iefc 3iffent hoben firf)
bis 1896 in ben Stätten auf 59, auf bem ßanbe auf 70 t>er*
minbert. Stafc auch biefe 3 afjlen noch gu hoch finb, fann feinem
3weifel unterliegen. 5lm günftigften finb bie ftäbtifcbeu Schulen
in ben 33egirfen ^Berlin (52), Stettin (52), Stralfunb (51), waffel
(52), SSieSbaben (51) unb Sigmaringen (52) gefteHt. Sei ben
ßanbfchulen befteben bie günftigften Serbältniffe in ben Segirfen
Stralfunb (53), Schleswig (53), ßüneburg (54) unb Sigmartngen
(54). SefonberS ungünftig finb gefteHt bie $egirfe $ofen ( 88 ),
Sromberg (77), granffurt (77), SreSlau (78), ßieguifc (78),
JDppeln (81), HRünfter (79) unb 9Rinben (82).
$afj eine folcbe Schiilergahl für eine ßeljrfraft gu ho<h *1*'
bat bie UnterricbtSocrwaltung baburdj anerfannt, bafe fte bie auf
einen ßehrer entfaöenbcn Schüler häufig in gwei klaffen geteilt
bat. So fommt es, bafc auf 79 431 ßehrerfteHen 92 001 SchulHaffen
entfallen. SDa aufjerbent ein Xbeil ber ßebrerftellen unbefefct ober
nicht orbnungSmäbig befe^t ift, fo hoben über 13 000 Schul*
flaffen feine befoitbere ßebrfraft. Sn ben Stabten waren
für 30153 HnterricbtSflaffen 29 901 ßebrfräfte oorbanben, auf
bem ßanbe bagegett für 61 848 UnterrichtsHaffen nur 49 531 ßebrer*
fteHen. Sn einer SReibe oon ^rooingeit ift biefer für bie unterricht*
liehe Serforaung ber Sugenb befonbers hioberliche SRaiigel an
ßehrfräften febr erheblich, ^ie folgenbe Tabelle giebt bie betreffen*
ben 3 ohlen für bie eingelnen ^rootngeu an.
3af)l ber
3al)l ber
S t a b t
2 a n b
ßftpmiBcn . . .
SchulHaffen.
. . 5 428
ftlaffeuräuntc.
0 055
Sdjulflaffen
ßehrer*
[teilen
Sdjulflaffen
2c h rer*
[teil cn
Seftpreuben . . .
. . 4 362 '
3 708
ßftpreuften ....
981
982
4 447
4 084
Berlin.
. . 3 583
3 543
SBcftpreubcu . . .
960
942
3 402
2 787
SBranbenburg . . .
. . 8 108
6 659
^Berlin.
3 583
3 58 7
—
^oinmeru ....
. . 5 011
4 365
iBraiibenburq . . .
2 608
2 542
5 500
4 144
$ofcn.
. . 5 786
4 149
Sommern ....
L 443
1462
3 568
2 927
Schlefien ....
. . 13 548
9 954
•jSofen . . . . .
1 444
1 309
4 342
2 887
Sachfcn ....
SchleSwig*.&ol[tciu .
. . 7 869
6 758
Schleften ....
3 270
3 158
10 278
6 947
. . 3 945
3 886
Satfjfen.
3 035
3 002
4 834
3 830
.ftaitnouer ....
. . 7 379
6 334
Sd)leSwig*.^olftein
1 206
1 273
2 739
2 653
Scftfaleu ....
. . 7 710
6 560
.ftamtoucr ....
1 972
1992
5 407
4 432
Öcffen*9?affau . . .
. . 5 285
4 368
SSeftfalen ....
2 393
2 383
5 317
4 341
Stbeinlanb ....
. . 13 788
12 914
.$effen*9fafiau . . .
1496
1 537
3 789,
2 874
.frohengoUcrn . . .
. . 199
198
9U)eintanb ....
.'pohengoüeni . . .
5 743
5 712
8 045
7 446
Staat .
. . 92 001
78 451
L9
19
180
179
Son beit in fäntnttlicben 36 138 Solfsfchuleu im Sob^ 1896
oorhanbeuen 92001 Xlnterrid^tSflaffen waren 14 422 Knaben*
Haffen, 14 552 'Dtäbd)enHaffen unb 63 027 gentifcf)te klaffen. Sn
ben Stabten waren neben 10 964 £naben* unb 11093 3Räb<ben*
Haffen nur 8096 gemifd)te klaffen oorbanben, fo baft noch nicht
ein drittel ber ftäbtifdfjen SolfSfchüler in gemifchten klaffen unter*
richtet würbe. Sluf bem ßanbe wirb bagegett noch weitaus bie
SRebrgabl ber Äittber (3 009 873) in gemifchten klaffen unb nur
226 320 Mnaben unb 227 263 9Räb<beu in gefotiberten Knaben*
unb SRäbcbeitflaffen unterrichtet. ^)ie Trennung ber ©e*
fdblecbtcr macht aber auch auf bem ßartbe grofee ^ortfehritte.
Sott 1886 bis 1896 bat fid) bie 3 a b^ ber gefonberten Mttabeit*
unb ÜRäbchenflaffeit oon 4206 auf 6917 oermebrt, unb bie 3 a bl
ber in bie[en unterrichteten Einber ift um runb 150 000 gefliegett,
wäbrcnb fich bie 3 a bl ber in gemifchten klaffen untergebrachten
SHitber in bcrfelben Qtit um 15 000 oerntiitbert (jat. (5s waltet
alfo offenbar bie £enben 3 ob, auch auf bem ßattbe, fo weit bie
Serbältuiffe es geftatten, eine Trennung ber ©efchlechter berbeigu*
führen.
^iefe 3 )laf 3 nabme erfreut fiä) in päbagogifcheit .Streifen itid)t
allfeitigcr 3 nfli tm nung, es wirb oieltnebr ber gcmcinfante
Unterricht beiber (SJefchlechter itiSbefonbere aus ergicblichcn ©rüit*
ben oielfach beoorgugt. Sn ben Stabten ift ber genieinfantc Unter*
rieht in beit ^rooingeit SSeftpreuBen, $ofett, §annooer, SBeftfaleu
unb ber 5Rh c inprooing no^) giemlid) häufig.
^ie $öbe ber unterridjtlicben Serforgung richtet ftdj in erfter
ßiitie tiad) bctit 3 a bl e noerbältnij 3 gwifdjen Schülern unb
ßebreru. (iS ift befannt, baf 3 in biefer ^egiebillig in ^renfjeu
bis in bie jüngfte 3 ^it gientlid) unbefriebigenbe SSerhältniffe obgc*
waltet hoben. Snt 3«b rc 1886 entfielen g. s S. in ben Stabtfdmien
30163 29 900 61 848 49 531
®er in biefen 3iif ern gn 2age tretenbe Uebelftanb l;öt ftch in
ben lebten gehn Snh ren noch oergröfeert. 1886 ftanben ben 75 097
Scbulflaffen 64 750 ßebrerftellen gegenüber, es fehlten alfo in biefern
Sabre nur 10 347 ßebrfräftc, 1896 bagegen 12 570, abgefebeu
oon ben unbefefeten Stellen. Sn ben 2Rittelfchulen unb höheren
Wäbthenfchulen beS Staates, in benen bie Sefefcung ber .Mlaffen
im ^urebfehnitt noch nicht hnlb fo ftarf ift, als in ben SSolfSfchulcn,
ift bagegeit bie 3«hl ber ßcbrfräfte größer als bie 3nh^ ber Schul*
flaffen. @S waren für 4 482 UnterrichtSflaffen mit 143 097 Sdpil*
finbent 4 904 oollbefchäftigte ßebrfräfte angeftelft. 5luch in ben
^Berliner ©emeinbefchulen ift für jebe klaffe eine befonbere ßeljr*
fraft oorbanben.
3u bent SRangel an ßebrfräften fommt ein anberer Uebelftanb
biitgit, ber bie ßelftungsfäbigfeit ber SolfSfchule erheblich herab*
brüeft. diu nicht geringer Sljeil ber Scbulflaffen, auch folcber,
für bie eine befonbere ßebrfraft nicht oorbanben ift, höben eine
Scbülergabl, bie weit über baS normale SRaft binauSgebt. 5Us
normal befefet betrachtet bie UnterriditSocrwaltung jebe Sd)ul*
Haffe, bie nicht über 80 (in einUaffigett Schulen) begiehungSweifc
nid)t über 70 (in mebrflaffigen Schulen) SUitber gäblt. 1896 fafeen
nod) 1 390 525 ttinber in klaffen, bie über biefe grequeug hinaus*
gingen, ^ie Scbulflaffen hötten g. ^lj. über 150 Schüler. 3»S*
efammt waren 17 165 Scbulflaffen überfüllt, baooit entfallen auf
ie Stabte 5 569 klaffen mit 432 603 Ambern, auf ba^ ßaub
11 596 Mlaffett mit 957 922 Minbern. ?luf bem ßanbe würbe
alfo faft eine 9Rillion Minber in überfüllten Sdiulflaffen unter*
ridjtet. Olegctt baS Sahr 1886 ift in biefer ^Begiebung jebod) eilt
erheblicher 7vortfd>ritt gu oergeidjueit. Sn biefern Söhre waren nod)
I 25 535 SchulHaffen mit 2 333 373 Minbent überfüllt. Xie lieber*
291
®ogtaIe ?TQft0. denfralMati für ©ogtatpoltitf. Nr. 11,
292
füüuug ber ©djulflaffeit ift aber 311 einem großen Steile lebiglich
öaburtfi befeitigt worben, baß bie klaffen oßne Aufteilung neuer
Lel)rfräfte geteilt roorben finb. 3)aburd) ift aHerbingg eine fdjul*
tedjnifdie ^erbcfferung erreicht, aber ber Werft) berfclben mirb ba*
burd) oerminbert, baß bic Leljrfräfte ftarf überlaftet gnb ober bie
llntcrrirfjtägeit bebeutenb abgefürgt roirb. Auf jeben galt ift biefe
(Einrichtung alg ein Notfjbehelf gn betrachten. Wollte bie Unter*
ridjtgoerwaltung für jebe ftiaffc eine befonbere Letjrfraft anftetten
unb fämmtlidje ©djnlflaffen auf eine nonnale <yrequeng bringen,
fo müßte ber Letjrförpcr um runb 20 000 $erfonen oer*
ftärft merben. 4>er Aufroanb für bag !Bolfgfd)ulroefeu mürbe
baburdj um 25 o / 0 ober um runb 50 Millionen gesteigert merben.
‘Xag märe freilich ritte erhebliche SWeljrbelaftung ber SBeoölferung
(auf ben Kopf l /50 *//), hoch bürfte ber SBortbeil einer fold)en
Skrbefferung beg Itnterricfjtgwefeng, aud) rein wirttjftfjaftlid) be*
trachtet, ein red)t bebeutenber fein.
£ag leßte 3aljräef)nt hat bereite eine bebeutenbe Grljößung
ber ©djulaujweitbungeu gebracht. $ie Auggabeit, auf ben Kopf
ein eg ©djulfinbeg berechnet, fteigerten fich oon 1886 big 1896 in
Stabt unb Laub gufamnten oon'24,07 anf 35 /50 J( t unb auf ben
Kopf ber 53eoölferung berechnet oon 4, u auf 5 /8 4 „//. $ie nach 6
fteßenbe Tabelle giebt einen Ueberblicf über bie ©teigerung ber
©djulaufroenbungcn in ben einzelnen ^rooiugeu oon 1886 big 1896.
Ausgaben auf ben Kopf
eines ©dgtlfinbcs
'Bolfsfd)iiIuutcrhaltungs*
fofteu auf beit Kopf ber
Beoölferuug
ISS Ci
1S91
189(5
lssß
1S91
1896
C ft preußen . . .
. 20,. 7
24,42
27,6u
3,32
:l,s3
4,58
Wcftprc.nßeu . .
. 19,71
24,82
28,92
3,36
4,ii
5,08
'Berlin ....
. 7)
CJ5l,ir>
(57,21
6,38
7,<rj.
7,54
'Bratibenburg . .
. 251,1«
2S,30
515,93
51,66
4,28
;>,3S
Sommern . . .
254,ui
29,12
351,68
4,10
4,8.
'pofen ....
17,42
251,07
29,22
51,18
4,n
5,19
©djlcfieu . . .
19,11
2;l,ui
27,72
51,33
51,97
4,66
®ad)fen ....
. 24,25
510,34
514,42
4,08
4,99
5,77
©d)leswig*.lpoIfteiu
513,23
41,30
46,91
5,85
6,85
7,65
Öannouer . . .
251,07
29,49
517,91
3,92
4,88
6,19
Wcftfaleu . . .
. 251,41
27,93
36,45
4,19
5,21
6,68
Öeffen«Kaffau . .
25,tio
30,97
41,47
4,13
5,00
6,36
Kl)cinlaub . . .
2(5,41
511,73
37,29
4,73
5,49
6,32
Vohei^olleru . .
25,8«
2 s, 64
37,79
4,80
5,06
6,11
24,07
29,74
35,50
4,11
4,88
X>as Wad)gtf)iim ber ©djullaften ift, mie biefe 3iff e rit auf
ben erften 33Iicf erfennen Iaffen, recht bebeutenb; ob eg ftarf genug
ift, bag llnterridjtgroefen ben machfenben Anforbernngen uuferer
3 eit entfpredjenb 311 oerbeffern, ift eine anbere grage, bie fich in
Mür^e nicht beantworten läßt.
2 )er größte Xfjeil ber ©djulauggabcit entfällt auf bie Lehrer*
geh älter. X)urd) bag ©efcß 00 m 3. Ktäq 1897 ift aber bie iBefolbuttg 1
beg Lefjrperfonalg fo bebeutenb umgeftaltet morben, baß bie An* I
gaben ber ©tatiftif für ben augeiibliiflid)eu ©taub nicht mehr maß* ■
gebenb fein fönnen. $>ic ftäatlichen Ausgaben finb burch bag
©efeß bjgfjer um runb 11 9ftilIioueu erhöht morben. X'aburd)
ergiebt fich für jebe ber 80 000 Lehrhafte, bie jur 3 eit an ben
preußtfcßen $Bolfgfd)_iilen amtiren, eine Aufbefferung oon runb
150 . /f _Nun finb freilich bie ftaatlicfjcn Aufwartungen gum £t)ril
an bie ©teile oon früheren OJcmeinbeleiftungen getreten. aber
audj oiele ©enteinben burd) bag ©cfeß 311 größeren Aufwartungen !
oeranlaßt morben finb, fo barf mau für ben Leßrerftanb minbefteug |
biefen betrag oon 11 ütiüioneu alg Aufbefferung berechnen. S >ic '
Erhöhung ber SBefolbung ber Leljrfräfte oon 1886 big 1896 ift !
aug nadßtefjenber Tabelle erfichtlich. I
ehre r
ehre r
i n u e n
1886
1896
1886
18%
Cfipreußeu . . . .
1054
1220
S83
991
Weftpreußen ....
1055
J 255
967
1100
'Berlin.
2375
3010
1457
1627
'Branbeubnrg . . .
1251
1527
1025
1 iss
'pommeru.
1172
1 35»;
101 1
1 125
'Polen.
I12N
1361
1093
1119
©d)le fielt.
1235
I4b9
1121
1264
©a di feu.
1277
1549
993
1109 I
©djleswtgs.'oolfteiu . .
1424
16S9
9 | S
1041 ;
vSauitooer.
1159
1 166
926
1103 |
Weit fa (eit.
1753
1042
1277
Ve.ffen=Naffatt . . .
1266
1694
1077
1371 1
Kheiulaub ....
I4S3
1 sc >6
1093
1285 ;
•FolienRollern ...
lols
1348
812
1006 i
1292
1583
11 OS
1279 ,
£roß biefer äugenfcheinlichen SSerbefferung ber $>nrd)fchmtt**
gehälter bleibt hoch ein erheblicher X^ril ber Lehrer unb Lehrerinnen
auf einem Gtnfotnmen ftehen, bag ben gegenwärtigen Lebeitg*
anfprüchen faum genügen bürfte. Gs be 3 ogen $. S -B. 1896: 41 Lehrer
unb 6 Lehrerinnen toeniger alg 600 Jt, 5882 Lehrer unb
1352 Lehrerinnen 600 big 900 , ff. unb 16 997 Lehrer unb
3826 Lehrerinnen 900 big 1200, // ®iefe Lehrfräftc hatten 311 m
&heil bereitg ein höfjereg 2)ienftalter erreicht. Auf bcni ©ef)altg*
faße oon 900 big 1050 , K ftanben 3 . 574 Lehrer mit 10 big
15 $icnftjahren, 43 Lehrer mit 15 big 20 Xienftjahrcn unb
18 Lehrer mit mehr a(g 20 ^ienftjahren. 3n bie oorftehenb au*
qegebencit ©chaltgfummeit fmb aOe ^Beträge für Wohnung, Steurung,
Öanbnußung 2 c. eingerechnet.
Wenn man bie in ben lebten 3ah r S e h n ^ ei1 veröffentlichten
ftatiftifdjen Angaben iiberblicft, fo ift unoerfennbar, bafe fich bag
preufeifche SSolfgfchulroefen ftetig weiter cntmicfelt hat. ^er öort*
fchritt ift feit ben fiebriger fahren ein befchleunigter geworben, ba
feit biefer $t\t ber ©taat mit eigenen 9lufroenbungen eingetreten
ift. $öig bahin mürben bie Solfgfdjulen, bie nad) bem Allgemeinen
Lanbred)t „eine SSeranftaltung beg ©taateg" finb, oon ben OJc*
meinbeit unb ben Glteru (burch ©chulgelb 3 ahlung) unterhalten.
®egenroärtig betragen bie ftaatlicheu Aufmeitbungen fiir bag
SSolfgfchulmefen faft ein ^Drittel fämmtlicher ©chullaften. Auf bem
Lanbe finb bie ©taatgleiftungen erheblich häh cr alg in ben ©täbten.
Gg roirb aud) nicht 311 umgehen fein, bie Heineren ©emeinben in
nod) größerem s 4)faßc bei ber Aufbringung ber ©djullaften burd)
ftaatlid)e ^eihülfen 3 U nnterftühen, roenn eine allgemeine, big in
bie fleiufteu 0rtfd)aften hiarinreichenbe ^erbefferung beg Unterrichte*
mefeng erhielt merben foll.
^Berlin. _ 3- Xe 10 g.
Stalfgtljtifltlidjc ^othfäjuUnrfe in Berlin. Xie erfte 2crie oon (> l^or*
trägen ift bccubigt mib ihre ^eranftalter wie bie Iheilnchmer biirfcn
mit großer 'Befricbigung auf ben Grfolg 3icriicfblirfen. Sic weiften ber
Vorträge fanben uor gefüllten, fogar überfüllten ©älen ftatt. Audi ift
eg als reiht errrenlidj 311 be.^cidinett, baß gerabe Diejenigen 'Benülfernngs*
fd)ichtcn, auf bic bie ^ortragenben unb mit ihr bie (Scntralftelle für
Arbeiier 3 2^ohlfahrtveinrichtungen heroomigenb geregnet hatte, ein
ftarfcs Kontingent oon Hörern gcftellt haben. s Bei eiu^elneu Vorträgen
betrug biefer ’Beftanbtheil, menigfteug wag bie fWänuer betrifft, über
so u / 0 ', währeub es in s igien, wo mau biefe Art oon llnioerfitäts * Aus=
Dehnung fdiou länger hat, niemals gelungen ift, biefen ^ro^entfaß über
8üo/ 0 311 erhöhen. Os ^eigt fiih, baß bie 'l>erauftalter bunhaus auf
ber riditigen 'Bahn finb. 2ehr bewährt hat fid) and) bie (iiuriihtuug
bes ‘Aiieiiumgsaustaufihes ober, wenn mau will, ber £isfuffion. ^ie
wir erfahren, finb auch bie ‘Bortrageubeu oon bem cirfolge ihrer ^Bc=
mühungeu, für bic ihnen ber wärmfte Tauf gebührt, Durduius'’^ufricbeit*
gcftellt, unb es beftel)t bie Abfiht, bas Unternehmen nicht nur weiter*
juführen, fonberu es im nächfteu hinter fogar nod) auf eine breitere
Bafis 311 fteflen. ^unädjft wirb man fidi nod) in bem bisherigen
Kähmen halten. Kad) ber N B?eihnad)tspaufe fommen für Sanitär«
Acbruar wieber fedjs Kurfe, biesutal oon anbereit ^rofefforen.
$rof. Marburg wirb bes Montags im phnßfalifdien Snftitut an
ber 9)?arid)aflbrliefe" über Wärmelehre fpredieu, ebenfalls Montags hält
in ber 'Bergafabemie, oaoalibcuftraße 44, l)r. Tvififjcr einen Kitrfus über.
Kupfer, ;Unf, 'Blei, $im\, Kirfel u. f. w. mit befoubrrcr 'Berüctfichtigung
ber 'Berliner ?Aetallwaareu*Subuftric unb ber (Gefahren, bie für bie
Arbeiter bei ber A-abrifation eutftehen fönneu; Jieuftags fpridit 'profeffor
'PUiller in ber lanbwirthfdjaftlidieu öod)fd)ule, Snvalibcnftrafje 42, über
pflau3lid)e Nahrungsmittel, bas 'Brob, bie ©ülfeufriidjte, Kaffee, Ihre,
Kafao u. f. w.; am Niittwodj wirb 'proieifor fsrei) in ber Uuioerfität,
•V>örfaal 2C>, über Kaphael unb NHdjelangelo fpredjen unb Dabei bie
Werfe biefer Kiinftler burd) ben Viditbilbcrapparat oeranfdjaulidjen; am
Xonuerftag erfolgt ber Opflus über 'paläftina oon 'profeffor Arciherr
0. ©oben im Aricbrid) = WcrDerfd)cu Ohnuuafium, Torotheenftraße in
unb 14; unb fdjliefjlid) lieft ©ouuabeubs in ber tedjnifcheu .Ood)fd)iilc
31t Oharlottcnburg, -Oorfaal 141, 'profeffor WebDiug über Oleftrotedjnif
mit Orperimenten. Sie 'Borträge beginnen, wie bisher, ftets um
8 l /a Uhr unb bauern 1 ’/a 3tunbeu, wobei bie Sisfuffiou eiugefdjloffcit
tft. Sas GiutrittsgclD beträgt für ben Karins 1 .//. unb alle Kurie
finb für iPfänncr unb grauen 3ugänglidi. Sas (Genauere ift bei ber
GeitirnlfteUc für Arbeiter=Woblfalins=Oiurid)tungeu, Köthuerftraße 2U,
täglidi oon 2- Uhr, 311 erfahren.
^umbolbt^Afabcmte 31t ^erlitt. Am 27. Noocmbcr beging bie erfte
bcutidje 'Bolfshod)fd)iile, bie .öiimboIbt=Afabemie 311 'Berlin, bas A-eft ihres
2n jährigen 'Beftehens unb ehrte ihren ©tüter, ben Anwalt ber beutfdjeii
Ok'werfoereiue, L)r. Niar .soirfd), burd) ein Ohrengefd)euf. .s>irfd) hielt
1877 iineutgeltlid) einen Opflus über 'Boifswirthfdjaftslehre unb 3war
3ituäd)ft für feine c^ewerfoereinler, unb ein Kebafteur öarfdjfnmp 'Bor=
träge für Khetorif mit praftifdieu Hebungen. Sm folgenbeu Satire
bradjte .^irfdj burd) 'Berfeubuug eines „'planes 3111’ ('»rüubung einer
Anftalt für populär=wiffeufd)aftlid)e 'Bortragscpfleu“ ben ('W'banfeu an bie
Ceffentlichfeit. Os war ber Uripruug bes wiüeuidmitlidien Oentraloereins
unb feiner .'pumbolbt=Afabemie.
298
Soziale PrajtS. Eentralblatt für ©ojtalpolitif. Br. 11.
294
Währcnb fic 1882 nur eine Leljrftätte hatte, wo jufammen 25 Bor s
tragsctjflen i>ou 588 eingefdjrtebenctt Hörern befudjt mürben, Beftanben
1897 außer einer 3meiglef)rftätte tu potSbant fünf Lehrftätten in beit
ocrfd)iebenen Stabtgegctiben Berlins, in benen jufammen 206 BortragS*
cijflen unb Unterrid)tefurfc non 5798 etngefdjrtebenen §öreru außer
mehreren .^unbert auf Etnzclfarten beuicbt mareit. Jut laufcnben Scmeftcr
ift bic 3aßl ber eingefdjriebenen .ftörer auf über 3000 geftiegen. £te Lehr*
fädjer ltmfpanitcn alle 3Biffen@jtüetgc. 35er ©ruttbfafc oolljter Lehrfreiheit
tonnte mit ber toadjfenben 3a|)l ber Lehrfräfte unb Etjflen immer frudjt*
Bringeuber oermirflicht merben.
$ie Unlverslty Extension tit fiouboit. 35er Bericht ber „London
Society for the Extension of University Teaching“ für baS „Stubtettjabr
1897/98 rneift einen gefunben gortfdjritt bcS oolfsthümlichen Unioerfi*
tätsunterririjteS auf. 35ie 3abl ber Kurfe unb Borlefungen ift neuerlid)
ftarf geftiegen, unb besgleichett jeigt bie 3al)l jener £>örer, bic ^eugntffe
erlangt haben, eine Steigerung oon 12,7 auf 14,i %. Beu eiubejogen
in beit WirluttgSfreiS mürben bie ’sBe^irfe: 4pacfnei>, $eptforb, Stepnem
Upper 3ooting,' Weft Bormoob, Eambentomn unb WnnbSmorth, mo ftd)
überall bic Arbeiterbeoölferung für ben Unterricht lebhaft intereffirte.
— 35er Extension*Bemeguug haben [ich ueueftetis and) bie polptechnifdien
Jnffititte in Ettglanb angefd)loffeu;
(Jinigungsätnter. #d)tei>j!gerid)te.
Ein Stoßarbeiter=Au$ftottb tun: betn (gittigmtgSaittt be$
geridjtS »erlitt, Bor einigen Wochen legten bie Arbeiter ber girma
A. L. & ©o. bei einem ihrer 3mifchenmeifter bie Arbeit ttieber, raeil
ihrem »erlangen nach ®icbercinfteüung bes orbitungSmäßig cntlaffenen
Arbeiters g., von betn fie behaupteten, er fei gemaferegelt roorben, nicht
entfprochcn mürbe. $>ie Sache gelangte Oor bas EinigungSamt beS
Berliner 0)eroerbegerid)tS unb ergab folgenben Shatbeftaub:
$ie Arbeitgeber maren oor 6 Wochen genötigt, einen ihrer Stod*
arbeiter 3JL auf feilten Wunjch unb fehr gegen ihren Villen ju entlaffen,
meil er erflärte, nicht länger mit ben 35red)Slern g. unb gr. jufammett
arbeiten ju föntten, ba biefe ihn nicht nur anbauernb häufelten, fonbern
ihn auch belichteten, feine Arbeitsfoliegen bei ben Ebefs ju oerbächtigen.
$rei Wochen fpäter erfudjte ber Stodarbeiter gi. um feine ©ntlaffmtg
unb gab als Glrunb hierfür au bah ex Bie £>ättfeleien bes g. nicht länger
ertragen föntte. 3)ie Eljefs erflärten hierauf, baS ftc eS oorjögen, ben
g. zu entlaffen unb gi. zu behalten, momit biefer cinoerftaitDen mar.
3:em g. mürbe hierauf bebeutet, baß er megen Mangel au genügettbcr
»efchäftigung aufhören müffc. Bad)bcm bie Entlaffung bes g. erfolgt,
mürbe 3W. veranlaßt, beffen Stelle einzunehmen. Butt aber oerlangten
bie Stodarbeiter unter ber Behauptung, g. fei megen feiner 3ugcbörigfeit
Zur Crganifation gcmaßregelt toorbett, beffen Wiebereinfteliitng unb bic
Entlaffung bes 9)?. 3 ur »egrünbung ihrer gorberung führten bic
Stodarbeiter an: g. habe ftets bafür geforgt, baß in ben L.fchett Werf*
fiätten bie 9 ftünbigc Arbeitzeit nicht überfchritten unb brohenbc Lohn*
abjügc nicht gentadjt mürben. 3K. bagegen habe bnrdj »emilligutig
oon ßstraoergiitigung fid; nicht nur ba^u, oerftanbcn, für Au^behnuttg
ber Arbeitzeit SU agitiren, fonbern auch burd) 3uträgereieu bie Arbeite
genoffen bei ben (£hcfö angefchmärjt, me^halb bie ©enoffen es ablehtten
muhten, fernerhin mit ihm ju arbeiten.
35ie umfangreiche »emeisaufnahme ergab bie £>altlofigfeit biefer
Behauptungen, g- war lebiglich auf Ölntnb feiner Unoerträglichfeit
mit feinen Arbeitögenoffen entlaffen morben; um ihn nicht blofeuftellen,
hatten bie Arbeitgeber ihm alo OJrunb ber ©ntlaffung Arbeitsmangel
angegeben unb ihm einen burchaus günftigen Arbeitsfdjein auSgeftellt.
(5s mürbe aber aud) feftgeftellt, bah Bie Arbeiter ohne jeglidjc Aufficht
in ber SSerfftatt arbeiteten, bah fie ihre Arbeiten ooflftänbig nach »e=
lieben leiftetcn unb manche oon ihnen, mas fie am 3agc oerabfauntten,
burdh Ueberftunben nachjuholen fudjten. ^urch ftänbigcs Streifen ber
Branutraeinflafche mährenb ber Arbeitzeit mürben biefenigeit Arbeiter,
bie menig oertrugen, betrunfen unb aisbann jur3ielfcheibe oon ^äufelcieit
ber Anbern gemad^t. Xie äoerfftatt ftellte fid) als eine berjenigen bar,
mie fte nicht fein foll, unb es hätte ber Streif, bei einiger Beauffichtigung
feitens ber Arbeitgeber, leicht oerutieben merbeit fönneit. 35a fomit febe
Unterlage für bie Beredjtigung beS AuSftanbeS mangelte, fo unterbreitete
bas (Siniguugsamt ben Parteien folgenben Bergleich:
1 . ^cftfc^img ber 9ftiinbigeu Arbeitsseit;
2 . Sd)liehung ber 3Öerfftatt nadj Ablauf ber Arbeitszeit;
3. Berjicht bes %. auf ä^iebereinftelluna unb
4. SBieberannahme fämmtlidher anberer Arbeiter ohne SKahregelung.
Xie Arbeitgeber erflärten hiermit ihr ©inoerftänbnih. ^ic Arbeiter
aber forberten auherbent bie (5ntlaffung oon unb fti., meil ein ge*
beihlicheS 3 u f ammcnai 'bciteu mit biefen nicht möglid) fei. $i. fei, mie
beffen Beruehntung ergeben habe, ju empfinblid), fei and; burd) feine
Befchmerbe bic »eranlaffung zur (Siitlaffung oon habe baburch beit
Ausftaub h cr beigeführt unb müffc audh eubliri) als Streifbrecher ange-
feheti merben, ba er bent AuSftanbe fid) nicht angefd)loffeti habe. So
menig 9)?itleib 3Ä. uttb gi. mit anberen gehabt, fo menig föunten fie
iejjt für fid) beatifprud)en. 35ctt BemUttcIungsüorfd)lag ber Arbeitgeber,
B?. auherhalb ber B5crfftatt ju befdiäftigcn, lehnten bie Arbeiter ab,
meil burd) Befdfäftigung §auSiubuftricller nur Breisbritdereieu begiinftigt
aSevantiooitlidj füc bic iHebaftlon: Dr. öuift
mürben. 3)ie ©ntlaffunj oon $i- mürbe in Ermangelung jeber thatfächlichen
unb rechtlichen Begriinbuug fategorifch abgelel)nt. Sd)liehlid) mürbe
ein Bergleid) burd) bie Annahme ber oben ermähnten oier Bunfte mit
beiti 3 u fa^ angenommen,
5. 35ic Barteien feien einig, bah Ber Stodarbeiter 9JL bis znm
]. fteor. 1899 bie Arbeit bei ber Airma A. 2. & Eo. eubgiiltig
uieberlege.
Senn auch biefer Ausftaub feine unmittelbare Urfadfc in ber
mangelhaften Beauffichtigung ber SBcrfftatt oon Seiten ber Arbeitgeber
hat, fo ift bod) nid)t zu leugnen, baf) bie Arbeiterführer fotoohl bei bem
Streif als oor bem EiniguugSamt ein ftarfeS Berfennen ihrer eigenen
aus bem ArbeitSoertrage ermachfenben BfU<hten unb eine Aid)tad)tung
ber Bechte anberer, ihnen mihliebiger Arbeiter bemiefen haben. Xurcli
fold)cS Berl)alten merben benen Blaffen zugeführt, bic mit ber »c*
fjauptung, bie gegenmärtigeu Strafbeftimmungen genügten nidjt z«m
Schnee ber ArbeitSmiUigen, eine Berfd)ärfung ber @efe|je unb bamit
bie Mittel zur Berfümmeruttg ber Koalitionsfreiheit oerlangeu. Aud) in
biefern fyaßc hat fid) ferner gezeigt, bah bie Berliner f$emerffd)aftsführer
nidjt mit ber £bjeftioität bie Aurbernngen ber Ausftänbigcn geprüft
haben, bie man im ^tttcreffc ber gelammten Arbciterfdjaft oerlangeu
muh. 2o lauge bic Leitung ber Berliner ^emerffdjaften fid) ttidht z«
ber Ueberzeugung befehrt, bah man Ausftäubc nicht mit blohen Be*
hauptungen uttb Schlagmorten, fonbern nur mit Ihatfacheit unb ftid)*
haltigen Bcmeifen erfolgreich burchfämpft, merben aus foId)eit Borgängeit,
mie ber oben gefchilberte, bie ©egner ber Arbeiterbemegung Bitten
Ziehen.
Berlin. €. SBeigert.
Ein EtittßuttgSttmt ttt ber ettgUfdjett Oiheberet. 3mifchen ben »he*
bem uttb ben organifirten Seeleuten fdjtoeben Berhanoluitgen, betreffenb
bie Schaffung eines „Shipping Conciliation Board“, baS, aus einer gleichen
Anzahl oon SchiffScigentljümern unb Seeleuten beftehenb, bie Löhne
regelmäßig für ein halbes 3afm int BorauS feftfeßen foll. Streitfälle
füllen oor einen Ausfluß gebracht merben, unb im $alle biefer feine
Beilegung erzielt, folleu bie ftreitenben Parteien ftch an bas ^aubelsaint
um Befteßung eines SchiebSrichterS auf Wrunb ber Conciliation Act
menbeii.
£ttcror!fd)t ^ttjdgett.
E lem cn S, 5u ftus, Strafred)t unb ^olttif. Kriminalpolitifdje ©ebaiifcit
eines alten Btchters. Berlin 1898, 0tto Liebmann. 103 S.
5preiS 1,60 Je.
Gewin, Bernard, Arbeidsbeurzen. Proefschrift ter Verkrijging van
den graad van Doctor in de staatswetenschap aan de Rijks Uni*
versiteit te Utrecht. Utrecht, A. J. van Huffel. 409 S. Prij*
fl. 2,40.
Giro tja hu, Alfreb, $er AlfoholiSttrus itadh 2Befen, »Mrfung uub
Bcrbreitutig. Leipzig 1898, Öeorg SBigaub’S Berlag. 412 S.
Jahrbücher für Bationalöfonomie unb Statiftif. ©egrünbet
oon Bruno £>ilbebranb. ^erauSgegeben oon ^xo\. Dr. J. Eonrab
ttt Berbinbuug mit ^rof. Dr. Ebg. Loening unb $rof. Dr.
©. Leyis. III. Jolgc. 16. Banb. 5. §eft. Jena 1898, ©ufiao
gifcher" Bfonatlid) erfcheiut ein §cft, 6 §efte bilbett einen Banb.
$reiS beS »anbeS 15 M.
Annals of the American Academy of political and social Science. Vol. XII,
No. 3. November 1898, London, P. S. King & Son. Price per
Year $ 6,00, per Number $ 1,00.
35ic Wohlfahrtspflege im Kreife. 3)ie inbioibuelle £>t)gieite
bcS Arbeiters. Borberichte uitb Berhanblungen ber VII. Kon*
ferenz oottt 16. uub 17. B?ai 1898 in Berlin (Schriften ber Een*
tralftelle für Arbeiter*WohIiahrtSeinridjtungen Br. 16). Berlin
1898, Earl .ftcpmannS Berlag. 274 S. $reis 5 M.
Unfcre BolfSfchiiler im Stabttheater. (Lehrer*Bereinigung für
bie pflege ber fiinftlcrifchen »ilbuitg in Hamburg.) Hamburg lsos,
E. »oufen. 48 S.
Wernide, Dr. Johannes, llnt[aßfteuer unb Konfumoereine (Olettoffeu*
fd)aftlid)e Streit* uttb 3 e itf l ’agen. .LierauSgegebeti oott Lubolf
^artftus uub Dr. ^aus Eriiger. $eft 3). Berlin 1898,
J. Oiuttentag.
J. Lehr’S ^olitifche Defonomie in gebrängter gaffung
(Bolfsmirthfchaftslehre unb $oiüif, ginanzmtffcn*
jdjaft, Statiftif u. f. m.). dritte oennehrtc Auflage beforgt
oon ^prof. Dr. E. Beitburg. SKüucheit 1889, J. Linbancr fchc
Buchhanblmtg (Schöppttig) 168 S. preis 3 M.
BermaltungSberidit bes BorftanbeS ber 3 hüringifdicn Bet*
fidierungsauftalt in Weimar pro 1897.
Olctßenbergcr, Dr., 3)as .fiaufirgemcrbe tu Elfah s Lothriiigen (Sottber*
Abbrud aus ben Schriften bes Bcreitts für Socialpolitif.
Bb. LKXX. Uitterfud)uugen über bic Lage bes .frnufirgemerbes
in 35eutfd)lanb VI. Bb.). 1 SÄit 8 tabellartfdjcit Ueberfidtteu im
Anhang. Leipzig 1898, Xitttcfer k .s>itmblot. 122 3.
g-taitcfc in Scrlin W., SnijrcutljcrftiaBc 2 %
295 ©ojiale $rajts. (Sentralblatt für <$ojtalpoütif. 9Rr. 11. 29<>
£ie ,,$0ftal* prati»' 4 erfdjemt an jebent {Donnerstag unb ift burdj alle BuddhuiMungeu unb Boftfimter (fpoftieitungSnummer 6729) 311 beziehen. S>cr Breis
für baS 9Siertdial)r ift 90t. 2,50. $ebe Stummer foftet 30 Bf. Der ttnjtfigenptiiS ift 60 Bf* für bie breigefpaliene ißetit^eile.
Kagetr UWljetm I.
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®ridf Pardt«.
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Brett 5 SKL 40 Bf., iu feinem Selnenbb. 7 Vit, in fcal&fn&b. 7 SWL 60 Bf- 1
3n biefer britten Auflage ift bte gcfauttc jeitgeitoffifrfje fiitteratur, alfo
Bi3utarcf$ „©ebanfen uitb Erinnerungen", bic Briefe ?lbefeu3, 1
and) bie beibcii Berüffcntlidjungen 90t. Bufd)*, tc^tcrc foweit fie llrfuub* 1
lidjc* enthalten, berücffichtigt. 9Sic SERarcfö’ Bud) uoit bei Ärttif mit I
feltencr Eiumiitigfeit als bie beftc Biographie Äaifcr Wilhelms I. an* j
erfaimt worben ift, enthält es in feiner neuen ©eftalt bie eingehenbftc unb 1
im befangenste SSiirbiguug bcs groben Staatsmannes, bic jur ^eit ejiftiert. j
Otto Liebmann, Ye^lagsbuchbandlang, Berlin W.35.
Soeben erschien:
Bürgerliches Gesetzbuch
nebst Einführungsgesetz.
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$u bet bed gangen SOerfeP.
Dtcfc neue Ausgabe tu oicr Bänben bringt
bic ^tnmprfmtgnr, forote Me Wtrafeftrn unb
fritifdien Erörterungen ber nodi lueiterhin be*
Iteheubeu groben, neuntetligen ^lutfgabc nidjt;
hingegen enthält fie anfjer bem oollftä ubigen
Icrt in einem Anhang bie „iHuffäße 311 r
eignen ^ebeuobefdireibuug" unb bic für
bie ^citgefdjidjte wichtigen „Jagebndiblntter"
mib ein auofiihrltdie^ Sachregifter.
©erlag ber Ärbeiter-©erforgung. 5 fi. Crofdjel ln Berlin W.
fhc Strfißiter^etfatgung
Centralbvgan
für bae gefamte
fuaitlttR-, ttttfatt-, Jnnalililüts- n. lltcrs-@«ftrf)trHnj5iBtftB in Sratfd)« fitidje.
$eranogegebeu non
Dr. jur. p. Jjonüjmann.
Die „?lrbeitcr*Berforgung" erfdjeint mouatfidj breintaf. Ser ?(bouiicmcutöpm*
beträgt 12 SKarf jäbrlid), aiuifdjliefelidj ^orto. Bollftäubige Jahrgänge werben einzeln
311m greife uoit 14 SWarf, bie Jahrgänge I XIV ^nfammen 31t bem ermäßigten Bicifc
non 98 9KarF, in Criginalbanb gebimben 31t 120 3Rarf abgegeben.
Hins beut Jnhalic ber lebten .frcfle finb folgenbc 9tbhanblnngcit hcruoriuhcben:
Die Bcfeitignng bei* 311 lliirrdjt genehmigten .Mranfeufaffeii. (£wffmann.) Die Jwang$*
oerfidjerung bei* .£>anblung#gchilfcu unb Lehrlinge auf Wutiib berBcftiutmuitgcn bctf&anDcl*«
gefeßbudi* uom 10. B?at 1897. (.Hamburger.) - B>cr haftet für Maffcnfchulbcn? (.Stabiler.) —
Born Äoufurcwerfahrcu über bas Bermögcn einer Atranfcufaffc. Lfrabu.) DieÄranfcu*
Äontrolle, ein mirffnuteö Mittel gegen bie Simulation. — Tie Bchanblung fdiwebenber
Uutcrftütmugoaniprüdjc bei XUenbcrungcu ber Alaffenmitgliebfdiajt. (.ftoffmami, $af)u.)
Soeben erschien:
Die bevorstehende Erneuerung
Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart.
des
Soeben erschien:
deutschen Bankgesetzes.; Cohn,
P GeoV B Dr ' Gemeinderschaft und Haus-
Von
Karl Keifferich.
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genossenschaft.
Vortrag gehalten in der internationalen Vereini¬
gung für vergleichende Rechtswissenschaft und
Volkswirtschaftslehre zu Berlin am 16. Oktober 1897. 8. 1898. Preis geh. M. 4 -
Die Reichs-Versicherangsgesetzgebimg. von r iwditer.
- 1898. Preis 1 M. 60 Pf.-
Die Schwindsncht im Lichte der Statistik and Socialpolitik. Von Wilhelm Kley.
-- 1898. Preis 2 M. 40 Pf. -
Die Drotfrage and ihre Lösung. Von r riedrich Freiherrn zu Weichs-Glon.
-1898. Preis 2 M. 20 Pf. -
*era:tiiooitli<fj für btc Jlnirigeu: $ennuitl) Deibel, Velvjifl. — Merlan uon Xundcr .V .vumLler. iMpüfl. - Gciumtt bei ^ulini «ittotfefs, Detail.
vm. fajrrpag.
©erlin, ben 22. Iiejentber 1898.
Itummrr 12.
Soziale prajte.
{|entraf5faff für g>ogtafpöfifift
mit bet 9flonat$betlage:
Vas ( 9 etretbegmd)t
(Drgatt fees Derbanfees beutfdjer < 5 ett>etbegeridjte.
«Reue golge her „Stfitter für fojlafe ^rajrtg" unb beS „©ojlalpolttlfi^en SentralBIottS*.
ttrfflefitt an Jrbnn Sonnerllag.
föebaftton: Berlin W., Babreutherftrafje 29.
Herausgeber:
Dr. (Srnß «frattibe.
freu oierteiiftbrlid 2 VI. 50 ff.
Berlag bon Suncfer & Humblot, Setpgtg.
©ie ©ojialreform in ber tatf
bebatte fee« beutf^en SRei#«*
tag«. Bon Dr. 6. Stande, Berlin.
297
nimehuCoiUb nnb C9irtbf4«ft«*
füllt«.301
SSeitere foaialpolitifc^c 8ln*
träge im «Reichstage,
©ewerloereine unb Btinifter ln
©nßlanfe.
©ntmurf eines ©efefcefl ftberbie
fr beit er waebfener «Männer in
ben «Riefeertanfeen. BonDr.ß.#.
»an ßanten, Stmfterbam.
Mocbmalfi bie beutfefee ©treifftatiftif.
VnMUumle VoaULpoltHf .... 305
©erfung fee« ©emelnbeaufwanbe«.
©täbtifebe 81 uSfunftei in Berlin.
ürbcttgebertccbänbe.306
KoalitionSawang öon Unternehmer«
Betbänben.
©er Beteln für bie bergbauli<ben
Sntereffen in Sftbeinlanb unb SBeft*
falen.
Uebereinfommen ber öfterreidbifc^en
BaumwoEfpimteteien über eine Be*
triebSeinfcbxönfung.
ffnfctterbtlMtnna.307
©ie 3:ejtUarbeiter*8etoegung in Äre*
felb.
Bewegung im ©eutfeben Baugewerbe,
©ie Berliner ©rofebfenfutfeber im
Sajameter-Betrieb.
Kein Strbeiierfeftetariat in Berlin,
©tretf« in ©eutfcblanb wäbrenb fee«
Boüembet«.
ßurfitfnabme einer «Wajjtegelung in
Köln.
©emerföerein ber ßtegler in Sippe,
©inigung bet #anbel«*£iif«arbeitet
lotaler unb centraler SRicbtunfl.
Berein für #anblung«fommi« bon
1858 in Hamburg.
©et 3abreö!ongreb ber franaöfifcb*n
Bergarbeiter.
Bewegung unter bem $ßerfonal ber
$atifet DmnibuSgefeÜfdjaft.
«steifer! *v*.309
©ie Ungteidjartigfeit feer ©ewetbe*
beauffidjtigung in ©eutftblanb.
©ewerbeinfpeftion in Beufj j. S.
©anitare Reformen für fea« Allein«
gewerbe in Defterreicb.
©in franabfifebe« ©<|M|gefe| über feie
Sobnaabtungen feer Arbeiter.
3 ttljaU.
«rteiterterfhbertmg- «Parfaffai 311
©ine Sücfe im Kranfenberficbe*
rungSgefefc. Bon Dr. 61. tfj,
Berlin.
ßur ßnbalifeenoerfitbexung in Bapero.
©nquete über feie 8llter«berficberung
in ©nglanfe.
©ie ©rünbung einer nationalen Ber*
einigung ber freien #ülf«faffen in
Sranfreicp.
«rtetiSiuMtWcl«.313
©er öfterrei<bif<b* ©efebent«
Wurf über ben 8lrbeit«na<b*
wei«. Bon£einri(b8lbler f SBien.
Sbrbetung gemeinbli^er frbeitSnacb*
weife burtb feie ^Regierung in SRünfter.
Arbeitsnachweis ber ©(bauerleute in
Hamburg.
©et Arbeit«marft im Bobember.
©enoffenfftafttwefen.316
©ie ©enoffenftbaften in ©itglanb 1897.
©ie Frlendly Societles im Sab« 1897.
C&otiuMgtwefett.317
©in ©ang burtb 3ö mmc * unb
Botb-
2Bobnung«notb in beutftben SRittel*
ftöbten.
©er Karlsruher SRietber* unb Bau*
berein.
8lrbeiterWobnung«frage in ßüricb.
©rüeptttiA nnb BUbnna.320
©ine ©tatiftt! über ben obltga*
torifeben gortbilbung«f<buI»
unterricht in ben preufeifeben
©rofcftäbten. Bon Dr. SRubolf
©täper, Berlin.
©oaia!wiffenf<baftti(be Bereinigung in
Setpaig.
©oatoli #Hgif«e.322
©in Kongreß a UT Befämpfung ber
Subetfulofe al« BolfSfranfbeit.
©ebulärate.
©et Berein für Bolf«beilftötten in
SSürttemberg.
©etoerbegeriftfe. ©inigangiämtev.
©cfctctogertAte.322
Heber bie {Retbtfpretbung fee«
©ewerbegeriebt« au Berlin.Bon
©ewerberidjter 2R. b. © <b u l a, Bor*
fifeenbem be« ©ewerbegeriebt« Berlin.
©inigungSamt im englifcpen Kopien*
betgbau.
Slbtebnung eine« ©(bieb«geri(btS
amifepen SRbebem unb ©eeleuten am
6lpbe.
«Reform ber franaöfifdjen ©ewerbe»
geriebte.
fUcmtfdt Kugctgen.326
fbbrud fämmtlicber frtilel ift Seitungen unb ßeitfebriften geftattet, febotb nur
mit boEer ^Quellenangabe.
Bie So}ialrtfontt i« feer ütatefeebatte feeo feentfibe»
Keiibotago.
ben Sleic^StagSroa^Ien fprad^en roir unfece Stnfic^t an
biefer ©teile (ngl. „© 03 . ^ra^iö" Sa^g. VII ©p. 992) baljin auS,
bafe ber neue 9teitf)8tag eine Serftärfung ber Slnpnger einer fraf**
tigen ©ojialreform auf beut Soben ber faiferlid^en drlaffe auf*
weifen werbe. (Sine SSeftätigung biefer Slnnalnne erbliden wir in
bem ©etteifer ber Parteien, fojialpolitifdje Anträge einsnbringen,
unb in bem Verlauf ber erften fiefung be 8 Steic^ö^auöljaltgetatg,
bie in ben Sagen oont 12 . bis 15. SDejember ftattgefunben
©S !ann banad) fein 3 roc if c I hefteten, ba& in biefem 9teid^Stage
für eine gro&e Slnsa^l fojialpolitifc^er Reformen eine ftattlidje
9 Re^r^eit oor^anben fein wirb. ©0 bebauerlidj eS ift, bafe bie
fonfernatioe graftion unb bie beutfdje SReid^Spartei, bie fowo^l ber
SIrbeiteroerficfjerung in ben adfjtjiger Sauren als au cf) ber Arbeiter«
fd&ufegefebgebung non 1891 unb bem ©ewerbegerid)tSgefeb non
1890 pofttine Unterftüfeung geliehen Ijaben, feitbem anbere Sahnen
eingefcf)Iagen unb in ben Iefcten Debatten nur äufjeren SfepreffionS»
mafena^men bas 28ort gerebet §aben, fo ^aben bo<§ anbere $ar*
teien bieSmal um fo entfdpebener fid^ für bie Fortführung ber
©ojialreform eingefefet. S)aS ©entrum feinen alten Stuf,
ben Bebürfniffen ber Arbeiterbewegung oerftänbnifjoolle ©infuht
entgegenjubringen, wieberum bewährt, inbem es nicht nur feine
früheren Anträge, bie IRechtSoerhältniffe ber BerufSoereine reichS«
gefefelidh su regeln, wieberholt, fonbern auch bebeutfame Forbe*
rung ber ©rcichtung non Arbeiterfammem aufftellt. ©eftüfet auf
biefe Beweife fonnte ftd) baher ber ©tatrebner ber F^füon in ber
Sisfuffton auf bie Bemerfung befchränfen, baS ©entrum h^e fich
ju felbftftänbigem Borgehen entfchloffen, um bie „arg ins ©toefen
gerathene" ©o^ialpolitif fortjuführen unb ben BunbeSrath su oer*
anlaffen, „wenigftenS biejenigen 9RaferegeIn gu treffen, welche uns
auf fogialpolitifchem ©ebiete am nothmenbigften unb am bringenbften
erfcheinen."
S)aS fogialpolitifche ©reignife ber Bubgetbebatte war inbeffen
bie 9tebe beS nationalliberalen F^aftionSrebnerS. ©cf)on norher
waren in angefehenen Blättern biefer Partei Aeuherungen erfchienen,
bie auf eine fräftige AfHon fdjUefeen liefeen. Sie ,,^6ln.3tg." fogar
hatte energifd) bagegen proteftirt, bafe man „eine grojje, aDe ©tänbe
umfaffenbe Bartei als ben Büttel beS UnternehmerthuntS" anfehe,
unb bie „SRationa^eitung" h^k berechtigte Berlangen ber
großen Btaffe nach einer auffteigenben ©eftaltung ihrer SafeinS«
bebingungen" als mafjgebenben Foftor für bie ©ntwicfelung beS
heutigen BölferlebenS begcichnet. ©leicfjwohl ftnb wir freubig
überrafcht gewefen burch bie ©ntf«hiebenheit, mit ber Abg. Baffer*
mann ein umfaffenbeS B^ogramm ber ©ogialrefornt oertrat. Siefer
Barlamentarier hot fefjon beS Defteren fich fl lS einfichtSoollen unb
fenntnifereichen ©ogialpolitifer erwiefen; bafe man gerabe ihn mit
299
Soziale prajt«. Ecntralblatt für Soztalpolitü. Str. 12.
ber Aufgabe betraute, als Führer bcr Partei bereit Aufichten bet
ber erften Debatte im neuen SleichStage oorzutragen, beroeift, bah
innerhalb ber Fraftion bie Erfenntnih ber Slothroenbigfeit, ben
hanbarbeitenben klaffen baS Auffteigen zu befferen SebenSoerhält*
niffen zu ermöglichen, neues ßeben geroonnett hat. $ieS mirb auch
im Anfchluh an feine 9>tebe in ber nationalliberalen treffe oielfadj
noch auSbrücflich beftätigt. Das ift zroar leine Belehrung zu neuen
Sbealen, benn auch bisher hat bie Sozialreform an biefer Partei
im Parlamente eine Stüfce gehabt. Aber eS ift hoch ein 3eugnih
bafür, bafe jefct ein frifcher unb lebenbiger 3 U 9 in bie Fraftion
gefontmen ift, mie benn auch baS Pefenntnih PaffermannS, baS
Dentpo ber Sozialreform fei zu langfam unb bieS roerbe auch in
nationalliberalen Greifen beflagt, am (Eingänge feiner Siebe ftanb.
Da baS oon ihm entroicfelte Programm fich in oielen Punften mit
ben immer roieber in biefen Plättern erhobenen Sorberungen beeft,
genügt eine furze SFizzirung:
Sin SleichSarbeitSamt, bem bie Pehanblung ber fozialpolitifdjen
Angelegenheiten unterteilt mirb, foll errichtet roerben, bamii baS
Dempo ber Sleform befchleunigt unb eine beftimmtc Shdjtung feft*
geftellt roerbe. (Sine gemetnfame Drganifation ber Arbeitgeber unb
ber Arbeiter merbe bem fogialen grieben bienen, bie ArbeitSlofen*
oerficherung unb bie Drganifation beS ArbeitSnachmeifeS auf pari*
tätifcher ©runblage in bie Bege leiten unb z u obligatorifchen
Einigungsämtern führen. So richtig eS fein möge, junächft einzelne
Schöben in ber Arbeiteroerficherung auS^ubeffern, fo muffe man
bodf) z u einer organifchen Sleform Fommen unter (Einbeziehung ber
Bittroen» unb Baifenoerforgung. Die Forberung eines SleichS*
BohnungSgefefceS fei im Prinzip gerechtfertigt. Der Arbeiterfchufc
rnüffe auSgebehnt merben. Aber noch nichtiger fei eS, in ben Ar*
beitern baS (Gefühl erftarfen zu machen, bah fie, wie x>. Pennigfen
f<hon oor oier Fahren Qefagt, „burch Plitroirfung ber Slegierung
unb ber bürgerlichen Parteien im Stanbe finb, in ben menfehen*
mürbigen 3 u ftanb S u gelangen, ber ben Arbeitern ebenfo zufommt
mie ben aitberen klaffen". Die Slothroenbigfeit ber uollen Auf*
rechterhaltung beS $oalitionSrechteS fei anzuerfennen. DenPerufS*
oereinen rnüffe bie legitime PeroegungSfreiheit zugeftanben roerben.
Pflicht ber Slegierung unb ber Parteien fei eS, im Kampfe zroifchen
Unternehmern unb Arbeitern oolle ©erechtigfeit malten zu laffen;
benn bie 3ufriebenheit ber groben Unternehmer Fönne im Staat
nicht ausfchlaggebenber ©eficfjtspunft fein.
Es oerbient Peadjtung, bahfogarber Abg. Pebel, bem erfichtlidj
bie Aufgabe zugefallen mar, gegenüber feinem mafjoolleren SFoöegen
o. PoIImar bie fchärfere ionart innerhalb ber Sozialbemofratie
auSzufpielen, mieberholt bem Abg. Paffermann unb ber national*
liberalen Fraftion feine Anerfennung für bieS fozialpolitifche Pro*
gramm auSgefprochen hat. Das märe noch nur einigen Salden
nicht möglich gemefen, batnals hätten bie Sozialbemofraten nur bie
oolle Schale giftigen Spottes über folche Ausführungen aus*
gegoffen, bie als „Sanb in bie Augen" ben Piaffen benun*
cirt zu merben pflegten. Fefct fcheint fich auch hier eine
Banbluitg oorzubereiten. Qn ber fefjarfen Siebe o. PollmarS, in
ben Ieibenfchaftlichen Ergüffen PebelS finbet fich fein Bort ber Ab*
fagc ober beS Rohnes gegen bie Sozialreform. Sollte in ber
fozialbemofratifchen Fraftion bie Einficht aufbämmern, bah bie Ab*
Iehnung ber Arbeiteroerficherung unb ber ArbeiterfdfjufcnooeHe im
SleichStage unb bie fpftematifch betriebene Slörgelei an allen fozial*
politifchen Plahnahmen ein fernerer Fehler gemefen ift, ber bie
reformfeinbiiehe Sleaftion erzeugen unb ftärfeit muhte? lieferte bieS
Perhalten bod) billiges PemeiSmaterial Denen, bie mit bem lanb*
läufigen Argument, bie Arbeiter mürben nur immer unzufriebener,
je mehr man ihnen gäbe, gegen bie Sozialreform überhaupt angingen.
Den groben Parteien fliehen fich mm ßittfS unb SlechtS noch
Zahlreiche Anhänger fozialpolitifcher Plahnahmen an. AitS ben
Sleihen ber ßinfsliberalen finb bie hüchft rcerthoollen Anregungen
auf Errichtung eines SleichSamteS für Arbeitcrftatiftif unb auf Ein*
führung gemeinblicher ArbeitSnachroeife an ben Reichstag gelangt.
Unter ben itonferoatioen ift bod) menigfteitS für mandje SJefortnen,
Z- P. für ArbeitSuad)roeife, Arbeiterfammern, eine Strömung oor*
hanben, mie oerfchiebene Prehftimmen bemeifeit. Das chriftlidj*
foziale Element, obrool)l im Parlament nur fdjioad) oertreteu,
200
roirft in entfchiebeit arbeitcrfreunbfichetn Sinne. Audj bie Bilbat
unb Antifemiten fteHen biefen unb jenen Abgeorbneten für bie
Sleform. Bir fürchten nicht burch bie Ereigniffe fiügen geftraft
Zu merben, roenn mir behaupten, bah eine Plehrheit im SteidjStag,
allerbingS bei ben oerfdjiebenen Anläffen oerfchieben zufammen*
gefefct, mittig eintreten mürbe für bie Anerfennung ber eingetragenen
PerufSoereine, für bie Pefeitigung ber bie legitime Birffamfeit ber
Arbeiterorganifationen hemmenben Schranfen, für Arbeiterfammern,
für ein SleichSarbeitSamt, für Plahregeln gegen bie BohnungS*
noth, für bie Errichtung oon ArbeitSnachroeifen, für bie Sleform
ber Arbeiteroerficherung, bie Fortführung beS ArbeiterfchufceS, für
Einigungsämter unb Ausbau ber ©eroerbcgerichte. AnbererfeitS aber
ift flar, bah roeber ein AuSnahmegefefc gegen bie Sozialbemofraten
noch eine Perfümmerung beS $oaIitionSred)teS eine Plajorität finben
mürbe. Die Sozialreform hat in biefem SteidjStag breiten
unb günftigen Poben, ber SteichStag mill ein rafchereS
Dempo, energifchereS Porgehen.
Unb bie Slegierung? 3war fagt bie 3rh r önrebe, bah ben
oerbünbeten Slegierungen nach wie oor ber roeitere Ausbau ber
fozialen ©efefcgebung am §erzen liege, zwar merben etnige Sleform*
mahregeln angefünbigt, zwar erflärt ber Staatsfefretär beS Fnnern,
es feien noch weitere Schufcoorfchriften in Ausficht genommen.
Aber mir hären oon ihm in gleichem Athern oerfid&ern, baS Dempo,
baS bie Plehrheit beS SleichStagS zu langfam hnbet, fei fc^nett
genug, baS ©ebäube ber Sozialreform rnüffe erft im Qnnern aus*
gebaut merben, ehe man an SleueS benfeu fönne. Ueberhaupt leben
mir nach feiner Auffaffung eigentlich in ber beften ber Pklten, unb
menn bie £eute fubjeftio unzufrieben finb, fo hat baS nach ihm feinen
©runb barin, bah tbaw öbjeftio fo gut geht. PSir muffen
geftehen, bah wir biefe heitere unb IiebenSmürbige Art, bie $>ingc
Zu fehen, leiber nicht tbeilen fönnen : fie mag ja perfönlich für ben
§errn Staatsfefretär bie Folge einer glücflichen Peanlagung fein,
bie ben Prioatmann zieren mürbe, bei bem PolitiFcr unb Staats*
mann aber hat fie hoch ihre bebenflichen Schattenfeiten. Es ift
unfereS EradjtenS ein Srrtham zu glauben, eS gelte jefet in ber
^auptfache nur bereits oorljanbene fozialpolitifche Fnftitutionen
auSzubeffern unb zu oerfdjönern. S)aS bisher aufgeführte ©ebäube
ift noch nicht einmal im Slohbau oollenbet. Es fehlt unten baS
Funbament: baS ift bie faftifdje Permirflithung ber rechtlich ben
Arbeitern gemährten gefcplichen (Gleichberechtigung bei Abfdjluh unb
Durchführung beS ArbeitSoertrageS, unb eS fehlen oben noch ganze
Stocfroerfe, bie zwar feit Fahren auf bem Papier im Entmurfe
ftehen, aber noch nicht gebaut finb.
2Bir müffen bamit rechnen, bah nach bem ganzen Perhalten ber
Slegierung an amtlicher Stelle offenbar roenig Peigung befielt, fich
ben fozialpolitifchen Anträgen unb Pefchlüffen beS Steid)StageS an*
Zufchliehen. 3m ©egentheil: mehr als bie pofitioe Sozialreform
mirb "Berth gelegt auf bie Slepreffion. BaS ber Staatsfefretär
gegen bie Anficht oon ber Plauferung ber Sozialbemofratie gefagt
hat, ermeeft faft ben Anfchein, als ob er einen folgen EntmicfelungS*
prozeh ungern fähe, als ob ihm eine reoolutionäre Partei, bie man
nötigenfalls mit (Gemalt nieberfchlägt, lieber fei als eine mächtige
Arbeiterberoegung, bie nach befferen SebenSbebinguitgen hinbrängt.
Schon beuten Anzeichen barauf hi n / äah es fich au <h bei bem
Schuhgefeh für bie Arbeitsmilligen in erfter ßinie um einen Äarnpf
gegen bie Arbeiterorganifationen honbelt — ber ftcherfte Beg nad)
unferer Ueberzeugung, um bie beutfdjen Arbeiter Plann für Plann
in baS fozialbemofratifche ßager zu füh^u unb bie reoolutionäre
Strömung zu ftärfen. Doch barüber mirb beS Näheren zu rebeit
fein, roenn bie Porlage, bie augenfdjeinlich noch im meiten Felbe ift,
erfcheint. Das Eine aber fteht f>eute fthon feft: bie ganze Art, mie
bieS ©efefc oon Anfang an in ber Deffentlid)feit bebanbelt morben
ift, hat ein fo tiefes Plifjtrauen aud) in ber nicht fozialbemofratifchen
Arbeiterroelt — unb fie ift ©ott fei Danf noch rc( ht groh • — er*
Zeugt, bah es auch für eine fräftigere Sozialpolitik als mir fie
heute haben, 3al)fe unb Fahre fchmerfter Arbeit bebürfen mirb,
um ben ungünftigen Einbrucf mieber zu befeitigen.
Ein Bort aber nehmen mir mit frenbigem Danfe oom (Grafen
Pofabomsfp au: „Ein ilulturftaat faitn bie foziale (Gefefc*
gebung gar nicht zum Stillftanb bringen —■ ein Stiüftaub
301
©oktale $rojt$. Gentralblati für ©ogialpolttif. Rr. 12.
302
ber fokalen ©efepgebung märe ein 6tiHftanb ber fortfcpreitenben
©efittung beS 2>eutfcpen Reiches überhaupt." Er märe nocp mehr!
Ricpt nur ber gortfchritt ber ©efittung unfereS VolfeS tätigt non
ber Sogialreform ab, fonbern bie $raft unb bie 3ufunft unfereS
VaterlanbeS. ©ewaltige Aufgaben liegen oor uns, gu beren Er¬
füllung bie Nation alle ihre geiftigen, fittlicpen unb förperlicpen
Mräfte anfpannen mufi. Seltner poper werben bie Anforbcrungen
an bie Seprfäpigfeit, bie Sfinangfraft, ben Arbeitseifer, bie Vilbung
unb bie 3ntettigeng unfereS Golfes. Um bie Aufgaben, bie baS
Reich im ^ci^cn Gingen mit anbem Länbern non riefiger Aus*
bepnung, foloffaler VolfSgapl unb unerschöpflichen ^Hilfsquellen
burchsufiipren pat, aud) wirflicp oottmertbig unb pünftlicp gu er¬
füllen, rnüffen bie breiten Rtaffen auf ben pöchfimöglichett Staub
iprer LeiftungSfäpigfeit gebraut werben. 3n biefem Sinne ift bie
Sogialreform nicpt nur ein ©ebot ber ©erecptigfeit unb Räcpften-
liebe, fonbern eine $flicpt ber nationalen Selbfterpaltung
0o »läge es im Amte einer weifen Regierung, hier füprenb ooran-
gugepen! Sie aber bie 2)inge gegenwärtig bei uns fielen, pat $mar
bie ttReprpeit ber VolfSoertretung auf bem ©ebiete ber Sogialpolitif
bie ©infid)t unb ben Riutp, bie $apne oorwärts gu tragen, bie
Regierung aber fiept gögerttb ober pinbemb am Sege. Sir hoben
f(bon einmal in ^eutfcplanb baS gleiche 0cbaufpiet erlebt: 3n ben
adfigiger Sabren erHärte ber Reichstag 3apr für 3apr feinen
Sitten nad) einem ftärferen Arbeiterfcpup, bie Regierung aber
lebnte faft alle Anträge ab, bis enblicp bocp ant 4. Jebruar 1890
baS erlöfenbe Sort fiel. Auch bieSnial oergweifeln wir an bem
fcplieplichen Siege nicpt unb ber Verlauf ber EtatSberatpung im
Reichstage beftärft unfere 3uoerfidfi!
Verlin. E. 5ran de.
Allgemeine Stejtal- unb Äirtljfdjnftepolitlh.
Seitere fogiatyoltttfcpe Anträge im Reichstage.
Heber ein $>upeitb Anträge fogialpolitifc^er Ratur liegen bereits
bem Reichstage oor unb noch futb weitere gu erwarten. SDaS
©entrum bot, wie fepon fiirg erwähnt, auper bem Anträge auf ©r-
riebtung oon Arbeiterfammern auch feinen Antrag auf Regelung
ber RecptSoerpältniffe ber VerufSoereine wieber eingebracht.
Serben Vereine, weldje bie Saprungunb görberuttg ^ er
unb StanbeSintereffen beftimmter Verfonenfreife begweden, gur
Eintragung in baS VereinSregifier angemelbet, fo fott bie Verwal-
tungSbebörbe gegen bie (Eintragung nicht aus bem ©runbe Ein¬
spruch erbeben fönnen, weit ber herein einen politifcpen ober fogial-
politischen 3 rae( * »erfolgt ober na<b bem öffentlichen VereiitSredfi
eines VunbeSftaateS unerlaubt ift ober oerboten werben fann Rtit
ber ©intragung fott ber Rame beS Vereins ben 3 u fap „eingetra¬
gener VerufSoerein" erhalten, Rteprere Vereine fotten gur gemein-
famen Verfolgung oon VerufS» unb StanbeSintereffen in Ver-
binbung treten fönnen. 3 roe de ber VerufSoereine fotten inS-
befonbere fein:
1. bie Sabntebntung ber Aedfie ber SRitglieber als SRitglieber beS
Vereins, fowie bie Errichtung oon Sdjtebs- unb Gtnigungsämtern;
2. bie Organisation bc* ArbeitSnacbweifeS unb bie Eewäfjrung uon
Unterftüpungen bei Arbeitslofigfeit, ArbeitSauSftänben, ArbetteauSfcpüffen
fowie in fallen ber Rotp; 3. bie AuSbilbung ber VJitglieber in ihrem
Verufe burd) Vorträge unb Unterricbtsfurfe; 4. bie Erridjtung oon
Unterfiüpuugs-, ttranfen- unb Verficberungsfaffen; bie Erörterung unb
Vefiblupfaffung über äße ben Veruf unb ben 0tanb ber SWitglieber be-
treffenben Ängelegcnbeitteu mit Einfdjlup ber Einwirfung auf bie Ote-
fepgebung unb bie Verwaltung. J'ic Uutfrftüfcungen unb Einridjtungcn
fönnen auf bie gamilienangebörigen ber Vtitglicber auSgebebnt werben.
©in in ber gleichen Dichtung fi<b bewegenber Antrag ber grei¬
finnigen ift angefünbigt.
S)ie Sßationalliberalen hoben ihren oorjährigen Antrag er¬
neuert, ber ben gewerblichen Ar beit er fdäufe auf bie §auSinbuftrie
auSbebnen, bie ArbeitSgeit in offenen Verfaufslofaleu fowie im
©aft- unb Scbanfgewerbe regeln unb für bie Aufficbt auib weib¬
liche Snfpeftoren gugieben unb bie ftranfen- unb 3noalibitätS- unb
AlterSoerficberungSpflicbt auch auf bie §auSgewerbetrcibenben unb
ihre Arbeiter auSbebnen will. Vei ber Aushebung bes Arbeiter-
frühes auf bie £>auSinbuftrie fotten aber biejenigen Scrfftätten
auSgefdjIoffen bleiben, in meldjen ber Unternehmer guSfd)lie&licb
gu feiner Familie gehörige ^erfonen befefjäftigt. ®ic in Vetreff
ber Lohnbücher uito ArbeitSgcttel in bem Anträge oorgefd)lageueu
neuen Veftimmungen betreffen befonberS bie Sfoufeftiousinbuftrie.
^)er VunbeSratl) fott Lohnbücher ober ArbeitSgettel oorfchreiben
fönnen, in benen Art unb Umfang ber übertragenen Arbeit, bei
Afforbarbeit bie Stüdgahl, ferner bie Lohnfäpe unb bie Vebingungen
für bie Lieferung oon Stoffen unb Serfgeugeit gu ben übertragenen
Arbeiten oon bem Arbeitgeber ober bem bagu Veoottmäcbtigten gu
beurfunben ftnb. gür beftimmte ©ewerbc fott ber VunbeSrath bie
ERitgabe oon Arbeit nach <£>aufe bei Arbeiterinnen unb jugenblichcn
Arbeitern oerbieten fönnen, fofern ihre tägliche Arbeit in gabrif
unb Serfftatt fechS Stunben überfteiat. $)a nach ber ^h r oo»cbe
bie feinergeit im Reichstage unerleoigt gebliebene RegierungS-
oorlage über ben ÄonfeftionSarbeiterfd^up wieber oorgelegt werben
fott, wirb ber obige £f)eil beS nationalliberalen Antrages wohl
babei mit gur ©rlebigung fommen. Veim ©ewerbebetrtebe in
offenen VerfaufSftetten unb Schanf- unb ©aftwirthfehaften fott
weiblichen Vebienfteten eine ununterbrochene Rachtruhe oon min-
beftenS gehn Stunben täglich gestaltet werben. $5ie in ©aftwirth*
fehaften angeftettten s #erfoneit fotten, foweit es gur Vebienung ber
©äfte nöthtg ift, AbenbS bis gur Voligeiftunbe unb bei grei*
nächten auch über biefe hinaus befchäftigt werben fönnen; hoch fott
ihnen in allen gäflen eine tägliche, ununterbrochene Ruhegeit oon
minbeftenS acht Stunben geftattet werben. Sofern ber Sontttag
aus Rüdfichten auf ben Vetrieb nicht freigegeben werben fann,
fott ihnen währenb ber Soche ein falber freier Zaa gewährt
werben. Säbcben unter 18 Sohlen fotten gur ftänbigen Vebienung
nicht oerwenbet werben bürfen, wenn fie nicht gur gamilie bes
SirtheS gehören. $)ie Aufficht über bie Ausführung biefer 33e-
ftimntungen fott burd) ©ewerbe-gnfpeftoren unb DrtSpoligeibehötben
wahrgenommen, biefen AufttchtSorganen fotten aber auch weib¬
liche Auffichtsbeamte beigeorbnet werben. Z>a bie Sfommiffion für
Arbeiterftatiftif ihre Erhebungen über bie Verhältniffe im Schanf«
unb ©aftwirthfehaftsgewerbe nun abgefchloffen fyat, ift bemnächft
wohl eine RegierungSuorlage über ben Stpup beS VerfonalS im
©aftwirthsgewerbe gu erwarten, mit bem bann biefer Speil beS
Antrages oerbunben werben fönnte, ber in ber ^auptfache 23e-
ftimmungen oorfcplägt, bie in ben ffanbinaoifdjen Länbern unb auch
in einigen itantonen ber Schweig bereits gelten.
$)ie Abgeorbneten Roefide ($>e|fau) unb Dr. Vachnide höben
mit Unterftüpung ber greifinnigen Vereinigung beantragt, bie
oerbünbeten Regierungen gu erfudjen, bem Reichstage balbmöglicpft
einen ©efepentwurf, betreffenb Errichtung oon ArbeitSnachweifen
oorgulegen, burch welchen — gang nach Analogie bes ©efepeS
über bie ©emerbegerid)te (§. 1) — beftinimt wirb, bap auf
Antrag unb nach Anhörung einer entfpredjenben Angahl be-
thciligter Arbeitgeber unb Arbeitnehmer ©emeinben begiehungSweife
weitere Äommunaloerbänbe, infomeit innerhalb ihrer Vegirfe fom-
munale ober gemeinnüpige ArbeitSnachweife, welche ben Vorfcpriften
beS gu erlaffenbeti ©efepeS unb ben örtlichen Vebürfnifien ent-
fprechen, nicht oorpanben finb, burd) bie LanbeScentralbepörbe gur
©rrid)tung unb Unterhaltung folcpcr ArbeitSnacpweife anaepalten
werben fönnen. gemer finb an ber Verwaltung fofiper ArbeitS-
naepweife Vertreter ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer in gleicher
3apl unter bem Vorfip eines ilnparteiifchen gu betpeiligen.
3n Sübbeutfchlanb ift befanntlich oon Staats- unb ©emeinbe-
weaen fchon oieX für ben fommunalen ArbeitSnadfweiS gefihepen,
unb auep in ^reufien ift bie Regierung in anerfennenswertper
SSeife wieberpolt in gleicher Richtung mit ©rlaffen oorgegangen.
Za inbeffen bie Erfolge foldjcr Vtapnungen bis jept leiber recht
mäfiig geblieben finb, i|t ein ftärferer 5)rud oon Röthen, unb bes*
wegen begrüpen wir ben Antrag Roefide in ber Hoffnung, bap
bie oerbünbeten Regierungen cbenfo wie ber Reichstag ipn an¬
nehmen unb bamit eine pöcpfi wichtige fogialpolitifcpe Snfiitution
in richtiger VBeife auSgeftalten unb förbern werben. Vebeutfam ift
es, bap gu gleicher 3 ß d a »fh i» Ocfterreich ein ©efepentwurf, be-
treffeub bie ArbeitSoermittelung, oorgelegt wirb, hier atterbingS
oon Seite ber Regierung. (Vergl. ben befonberen Artifel in biefer
Rümmer unter ber Rubrif „Arbeitsnachweis.")
©etoerfoereine unb Rüittffcr in ©nolanb.
3n ber ©tatsbebatte beS ©eutfepen Reichstages pat ber Staats-
fefretär beS 3nnern gientlicp beutlicp erflärt, bap nach feiner An¬
ficht baS^Jeutfche Reich au f bem Vobeu ber Sogialpolitif Englanb,
baS fo oft als Rhtfter pingeftettt werbe, überpolt pabe. VHr
ftimmen ipm gu, bap bies in einigen fünften ber £yatt ift, fo auf
bem wichtigen ©ebiet ber Arbeiteroerfid)ernng, auch lu bem Scpup
ber Äinberarbeit. Sie weit aber in grunbfäplicper Vegiepung Eng-
lanb noep ooranS ift, baS beweift ber Verlauf oon Unterrebungeu
gwifdjeu Vertretern ber ©ewerfocretitc unb Diiniftern, bie biefer
Xagc in Englaub ftattgefuubeu paben. Särc es bei uns heute
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Sogiale BrajtS- feentralblatt für ©ogialpolitif. Br. 12.
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möglich, bab g. B. eine Deputation oon Arbeiterberufgoereinen in
einem amtlichen Empfange BUniftera unb ©taatgfefretären ihre
©ünfebe unb Anliegen perfönlicb oortrügen unb oon ben Bätben
ber ftrone fo aufgenommen roürben, roie mir im Solgenben feben
roerben? ©ir fürsten, nein. Unb wenn eg bod) gefdpbe, wie
mürben bie oon ©tummfebem ©eifte befeelten Blätter unb manche
Unternebmeroerbänbe logfabren, toäbrenb in ßnglanb alle ©eit eg
alg gang fetbftoerftänblicb betrachtet, bab bie BUnifter Arbeiter*
beputationen ebenfo empfangen, roie Aborbnungen ber Unternebmer.
Dieg ©efübt fogialer ©eredfjtigfeit unb Billigfeit, bie Anertennung
ber Gleichberechtigung ber Arbeiter ift eg, in ber ©nglanb ung
noch roeit ooraug ift.
Die Borgänge, oon benen mir fpredfjen, finb folgenbe: Am
15. Dezember empfing ber §anbelg* unb ©emerbeminifter, umgeben
oon mehreren höheren Beamten, bag ^Sarlamentarifchc $omite beg
Trabe tfnionfongreffeg, um Befdjmerben roegen BJabregelung oon
©ifenbabnern, bie in ©emerfoereinen finb, unb ©ünfrf)e binficbtlidj
ber befferen Beförberung ber Arbeiter auf ben ©ifenbabnen ent*
gegengunebmen. Der BUnifter fagte na(b beibeit Bid)tungen eine
grünbliche Untersuchung gu, obmobl bieg bei ben Brioatbabnen
©nglanbg natürlich febroieriger ift alg bei ©taatsbabnen. Barnent»
lieh roanbte er fidpnit großer ©chärfe gegen ©ifenbabnoermaltungen,
bie ©eroerfoereinler gemaferegelt hätten, obmobl biefe nur Reifungen
beg |>anbelgminifteriumg befolgten. Dann aber aina ber BUnifter
ausführlich auf bie Kämpfe groifeben Kapital unb Arbeit überhaupt
ein. Dbroobl er nicht peffimiftifd) gefinnt fei, müffe er boeb barauf
oermeifen, bab dnglanbg ©oblftanb unb Btacbt oon ber Blütbe
feiner Snbuftrie unb feineg gmnbelg abbänge, bab biefe aber bureb
febmere unb langbauernbe Arbeitgfämpfe gefebäbigt merbe unb bab
baoon bie $onfurrenten ©nglanbg ben Bu^en gögen, gang abge*
feben oon ber Botb, bie bureb folcbe ©treifg über meite Greife ber
Beoölferung fäme. Bon mieberboltem Beifall ber ©emerfoereing*
beputation unterbrochen, forberte ber BUnifter auf, trofc aller
©<bmierigfeiten Biafenabmen gu treffen, um ber Snbuftrie
grieben gu bringen, ©in griebengoertrag gmifeben Kapital unb
Arbeit müffe möglich fein. ©djjon bag Berföbnungggefep oon
1896 habe tnancbeg ©ute beroirft, wenngleich eg bei ben größten
©treifg feblgefdfjlagen fei. ©ine 3toanggeinigung halte er aller*
bingg für auggefcbloffen, aber ein ©eg gum geroerblicben grieben
liege in ber ©rriebtung oon ©inigunggämtern für alle ©emerbe,
fo bab Arbeiter unb Arbeitgeber ficb um benfelben runben Tifd)
festen unb gemeinfam in aller Bube unb Orbnung bie ©treit*
punfte befpräcben. Damit mürbe fdjon unenblicb oiel gemonnen
roerben. Dabin gu roirfen, halte er für feine Bfftdjt, unb nichts
mürbe er bt>b cr fchäfeen, alg bag förbern gu fönnen, mag im
gntereffe aller Ä'laffen ber Bolfggemeinfcbatt notbroenbig fei. Den
©orten beg BUnifterg Bitdf)ie folgte gum ©d)lub abermalg lebhafter
Beifall, unb mit roarmen Danfegäufeerungen febieb bag ©emerf*
oereingfomite.
Am felben Tage mürbe bie Deputation 00 m ©ebafcf angier ©ir
Bt. £>idfg*Beacb empfangen unb trug ihm ben Befcblufe beg lebten
©emerfoereingfongreffeg oor, eg mochte ben Trabe Uniong ebenfo
roie ben grienblp ©ocietieg geftattet fein, ihre Bennögengbeftänbe
bei ben ^oftfparfaffen gu beponiren, ba auch fie gleich jenen ©e*
feUfcbaften gang oormiegenb mit ihren ©elbern 3 roe #e ber Unter*
ftüfcung für ihre BUtglieber in Sfranfbeit, Alter unb Arbeitglofig*
feit oerfolgten. Der ©cbapfangler betonte in feiner ©rmiberuna,
gu einer folgen Btabnabme fei ein ©efeb notbroenbig. ©r habe
an unb für ficb grunbfäfclicbe Bebenfen gegen eine AuSbebnung
ber Tbätigfeit ber Boftfparfaffen, ba fte in mifelicben 3^n ben
©taat febrcer belaften fönne. Doch ftebe er ben ©ünfeben ber
©emerfoereine frennblidj gegenüber, menn eg gelinge, bie Unter*
ftüfcunggfonbg oon ben ©treiffaffen gu fonbern. Der ©eneral*
j'efretär beg großen $?cffelmacber*©eroerföereing, £>err ftnigbt oon
Berocaftle, bemerfte biew bab fein Berein nur 2% aller Bfittel
für ArbeitSfämpfe oermenbet habe. Der BUnifter fdjlob ben
©mpfang mit bem Besprechen, bem ©efretär beg Barlamentar*
fomiteS ber ©emerfoereine fpäter mitgutbeilen, ob ber ©unf<b ber
Deputation Augficbt auf ©rfüllung habe.
(Sminwrf eineg ©efe^eg über bie Arbeit ertoaebfener Bfänner in ben
Bieberlanben.
Befanntlicb beftebt in ben Bieberlanben febon feit 1874 bag
Berbot ber Arbeit oon Stinbern unter 12 Sahnen, unb feit 1889
mirb bie Arbeitszeit ber Sfinber unter 16 Sabren unb ber grauen
jeben Alterg auf elf ©tunben befebränft, ihre Bubegeit geregelt unb
bie ©onntaggarbeit in faft allen Betrieben oerboten. 3*&t ift pon
ber Begieruitg ein ©efefeentmurf ben Kammern oorgelegt, ber in
einigen Betrieben einen Bfa|imai*5lrbeitgtag fcftfefct unb für alle
Sabrifen unb ©erfftätten Beftimmungen über Ba<bt* unb ©onntagg*
arbeit enthält.
3n Bäcfereien aller Art unb in anberen bureb föniglicbe Ber*
orbnung gu beftimmenben Betrieben, mo giftige ©toffe entmicfelt,
bereitet ober oerarbeitet roerben, fcbäblicbe Dünfte ober ©taub ent*
fteben unb eine bob^ Temperatur b^febt, barf nicht länger alg
elf ©tunben täglich gearbeitet roerben unb nur gehn ©tunben, roenn
baoon roeniafteng oier in bie Bacbtgeit (groifdheit 9 Uhr §lbenbg
unb 5 Ubr Bcorgeng) fallen. Doch oarf in Brotbäcfereien tuäbreitb
17 oon oen 24 ©tunben gearbeitet roerben, roenn in ben folgenben
24 ©tunben bie Bubegeit um bie 3abl ber Ueberftunben oermebrt
roirb. Der BUnifter barf für 60 Tage im S^b^ mit ober ohne Be*
binaungen erlauben, ba& in ben erften fünf fahren nad) bem
©efefc Drei, fpäter groci ©tunben länger gearbeitet roirb, unb ber
Unternehmer barf groölfmal im gabre (aufjer in ben Brotbäcfereien)
14 ©tunben arbeiten laffen.
Die Beftimmungen über bie Nachtarbeit in allen Sabrifen unb
©erfftätten finb folgenbe: Sebem Arbeiter miiffen in jebem Sa**
raum oon oiergebn Tagen roenigfteng fieben Bubegeiten, roooon
jebe eine gange Bacbt einfcbliefet, gemährt roerben; ber BUnifter
fann jeboeb in ben erften gehn fahren für eine beftimmte 3^ü . crs
lauben, in biefer Bubegeit gu arbeiten. Die Bubegeit barf nicht
in ber gabrif oerbradjt roerben, aber auch oon biefer Beftimmung
barf ber BUnifter für eine beftimmte &it Slugnabmcn erlauben.
Ueber bie ©onntaggarbeit, ober beffer bie wöchentliche Bubegeit,
enthält ber ©ntrourf naebftebenbe Beftimmungen: 3n ben nicht oon
einer föniglidjen Berorbnung beftimmten Betrieben mufj in jeber
©o<he eine Bubegeit oon 30 ©tunben, bie ben ©onntag einfcbliefjt,
ernährt roerben. Die Berorbnung fann für beftimmte Arbeit in
eftimmten Betrieben bem Unternehmer bie ©abl aug brei oer*
f^iebenen ©pftemen laffen: ©ntroeber er fann in groei ©oeben eine
Bubegeit oon roenigfteng 36 ©tunben mit einem ©onntag ein*
fcbliefelicb gewähren ober er fann in bemfeiben 3 c toaum smei
Bubegeiten gewähren, roooon bie eine 30 ©tunben mit einem
©onntag unb bie anbere ohne ©onntag 24 ©tunben, anfangenbgroifeben
6 unb 10 Ubr Slbenbg, bauert ober britteng, er fann groei Bube*
geiten, beibe ohne ©onntag, gewähren, roooon bie eine 30 unb bie
anbere 24 ©tunben bauert; in biefem Salle mufe jeboeb oon oier
auf einanber folgenben Bubegeiten eine 36 ©tunben mit einem
©onntag einfcbiiefelid) umfaffen. Der BUnifter fann in befonberen
Umftänben allen Betrieben erlauben, in ber Bubegeit gu arbeiten, unb
ber Unternehmer fann ohne ©rlaubnifc fedE)gmai im Sabre in ben
Bubegeiten arbeiten laffen, roenn nur bie Arbeit bie erlaubte Dauer
am Tage unb Ba<btg nicht überf(breitet, ©tatt ©onntag tritt für
3Sraeliten ber ©onnabenb ein.
Die Aufficht über bie SÜugfübruncj beg ©efefceg ift ben ®e*
roerbe*3tifpeftoren, bereit 3 a bl & er BUnifter nicht oermebren gu
müffen glaubt, übertragen. Die Arbeitgeber ftnb oerpflichtet, Be*
fanntmadfjungen über bie gewöhnliche unb bie eoentuell geänberteu
Arbeitg* unb Bubegeiten an fiebtbarer ©teile auggubängen.
Die Befcbränfung beg Arbeitgtageg bebeutet hernach noch
nicht oiel; eg ift wahrlich ein febr „febüebterner" ©efebeittrourf;
benn roenn in Bleiroeife* unb Bho^Pbo^fobrifen elf ©tunben ge*
arbeitet roerben barf, roie lange roürbe ber BUnifter bie Arbeit
bann roobl in ungefährlichen Betrieben ertauben? <&ern hätte er,
fagt ber BUnifter, biefe Beftimmungen auf mehrere Betriebe aug*
gebebnt, aber er beforgt eine gu ftarfe Bennebrung ber 3 a ^ ^ er
©eroerbe*3ttfpeftoren. ©ehr halb jeboeb will er bie Arbeitggeit
ber Arbeiter im Berfebrgroefen regeln, teilte Beftimmungen finb
getroffen für BUttaggpaufen, Bube für Btatjlgeiten u.f.ro. unb auch
feine befonberen Borfcbriften für |>ülfgarbeiten, roie bag Au*
machen oon Seuer, bie Beinigung ber Bfafcbineit unb berArbeitg*
räume. Da bag Gefefe roeber ben Anfang noch bag (Snbc ber
Arbeit befebränft, b^lt öer BUnifter eine folcbe Beftimmung nicht
für nötbig.
Amfterbam. 3- <£>■ oan 3aoten.
fb#malg bie betttfdje ©treifftatiftif. Bfit (^enugtbuung bc*
grüf$en mir eg, bab auch ein fo oormiegenb ben Unternebmerftanb*
punft oertretenbeg Blatt roie bie „$ölnifcbe 3eitung" in ihrem
Ürtbeit über bie Drganifation ber amtlichen ©treifftatiftif mit
unferen in Br. 10 ber „©ogiaten ^ßrayig" auggefproebenen An»
febauungen gerabe in bem roefentlicben Bunfte übereinftimmt. Dag
rbeinifdfje Blatt febreibt u. A. in feiner Br. 1176 00 m 14. Degember:
Die 0011 bem Bunbegratl) beftimmte, etwas burraufratifdjc B?e=
t^obe bei- 3Raterialfammlung giebt uns besljatb gu manuigfadjen Bebenfen
Anlab/ unb wir fönneu uns nicht bei Befürchtung oerfd)liefen, bab auf
305
©oktale ftöji*. ©entralblatt für ©ogialpolttt!. 9h. 12.
306
biefem Wege niemals eine allen, audfj ben höchften Anforbernngen ent*
fprerfienbe, non jeher Denbeng nach irgenb melier Richtung freie Stafiftif
Der ArbeitSetnfteßungen gefd^affen rairb. öS gehört feincSwegS oiet
^fjantafic bagu, um ficf) bie praftifdjen ©rfolge einer poligeiltchcn ©r*
funbigung nach ben Ürfadjen unb (Ergebntffett bcr AuSfiänbe ober gar
nach ben während berfelben gejaulten Unterftü^ungen flar gu machen.
Die „Kölnifche 3^itung" ift überzeugt, bafc bie oorgefchriebene
Viethobe ber Streif erhebungen „bei Vertretern ber Siffenfdfjaft
faum Anflang finben wirb. 9Ran mufj eben mit aller Veftimmt-
heit an bem ©cbanfeit fefthalten, bafj eine ReichS-AuSftanbSftatiftif
nicht allein ben 3 lüc ^ en einzelner VerwaltungSgweige bienen fann,
fonbern oielmehr ihre oornehmftc Aufgabe in ber aus ben ©rgeb-
niffen gu gewinnenden Vereiterung ber Kenntnift unferer wirth*
ftaftlidjen unb fogialen 3 u ftänbe gu erbltcfen bat woraus fid)
bann wieberum für bie PrajiS bie roicbtigften Schlüffe über bie
3Racbtoerbättniffe innerhalb ber probuftion ergeben werben." —
Der Reichstag follte eS fidb aidpt entgegen laffen, redjtjeitig oor
etwaigen Schlüffen gu warnen, bie aus einer bureaufratifdhen unb
friminaliftifcben Drganifation ber Streifftatiftif fünftig gezogen
werben fönnen.
JUnttttitttaJt Schulpolitik.
Detfung beS ©emeinbeaufwanbeS. $ietgu finb in erfter Sinic
bie ©infünfte aus bem ©emeinbeoermögen beftimmt. RufcbareS
Vermögen im oolfSwirthf ehelichen ‘Sinne ftettten nach ben bis*
a en Aufhellungen ber ©rutibbefip (©ebäube, ftäbtifcfje unb
id)e ©runbftücfe, gorften, Vergwerfe, Steinbrüche 2C.), bie
Rechte (Qagb-, gifcherei-, gluferecfjt, Venufcungen beS ©emeütbe-
eiaentumS burdb prioatgefeßfchaften, Pferdebahnen, ©aSgefettfchaften,
©IeftrigitätSwerfe 2C., bie Rufcungen), Kapitalien unb oeräu&er*
lidbe Mobilien unb Vtaterialien bar. Das Stuttgarter ftatiftifche
Amt bat nun im Dftoberbericht berechnet, wie gröl ber Progentfafc
ber fo gebecften ©innahmen in Stuttgart unb einigen anberen
großen Stabten ift. Von fömmtlicben Ausgaben für Unterricht,
Armenfürforge,©efunbheitS- unb Kranfenpflege, Vautenunb Strafen,
Pottgei, allgemeine Verwaltung unb ©emetnbefchulb fönnen burcb
bie ©innahmen aus bem Vermögen gebecft werben: in Altona
6,9i o/ 0 , Dortmund 2,r>4%, Königsberg i/Pr. 3 ,oo%, Nürnberg 5 , 52 o/o,
Stuttgart 1,44 °/ 0 . Rid)t riel günftiger fte|t Stuttgart begüglid)
ber ©tnnahmen aus ben gewerblichen Unternehmungen, 0 . b
aus bem Vetriebe oon ©inrichtungen wie ViarFthaflen, Viebtnarft,
fonftige Viärfte, Schlacbtbof, SBaffer-, ©aS-, ©IeftrigitätSwerfe,
ßagerbäufer, Stabtwaagen, $afen (ßönbe), guhrparf (Viarftatt),
Eichamt, AnfchlagSfäulen, Sparfaffe, ©emeinbefriebböfe 2 c. Die
©innahmen aus oiefem ©ebiete oermögen in Stuttgart nur 6 ,i 6 %
ber Koften ber oben genannten $auptgemeinbeaufgaben gu bedfen,
in Nürnberg bagegen 8 , 04 %/ in Königsberg 13 , 75 %, in Dort-
inunb fogar 31, 52 %; in Altona ift bieS ©ebiet noch wenig aus*
gebebnt unb ergiebt ein Defigit. Die fcblechte Stellung oon Stutt*
gart erflärt fleh u. A. barauS, baf* es ben ScfjlacbtbanSbetrieb unb
Die ßid)toerforgung prioaten überlaffen unb bie Ueberfdjüffe ber
Sparfaffen — was wir nur billigen fönnen — für VSohlfaljrtS-
gweefe beftimmt bat. Die ©infünfte aus bem nufcbaren Vennögen
mit ben Ueberfcbüffen aus ben gemeinblichen Vetrieben nifammen
bedfen oon ben Koften ber §auptgetneinbeanfgaben in Dortmund
34, 6 o/ 0/ Königsberg 17,35%, Nürnberg 13,56%, Stuttgart 7 /6 o°/o-
Das geigt beutlich ben großen ©influfj gefchicfter Venu^ung biefer
(SinfommenSquellen auf bie fteuerliche Velaftung. 3b re 9luSnuhung
wirb gebieterische Pflicht, wenn fonft bie Steuerfcbraube gu fefjarf
angegogen werben inufe. VUt Vecht weift baS 2Tmt auf ben Strafen*
babttbetrieb bin. Keine anbere Unternehmung fuftt fo Mer auf
ber beoölferunaSftatiftifcben ©ntwidfelung ber großen Stäote als
erabe biefe. &iefe Sicherheit ber Rentabilität in Verbinbung mit
em großen öffentlichen Sntereffe an ber beftmöglidhen SluSgeftal*
tung beS wichtigften grofeftäbtifchen VerfebrSmittelS macht biefeS
in befonberem VJafje gur Verftabtlidjung geeignet, wie es neuerbingS
auch beutfehe Stabte unternehmen, daneben fann bie Stabt bie
Steuerfraft ihrer Vewobner mittelbar ftärfen. 3n folchen 3Rafe*
nahmen, bie alfo ohne ins ©emidht faHenbe Koften ben Steuer*
gablcrn erhebliche Ausgaben erfparen, red)net bas Slmt neben
S^ladhtbäufern unb Warften bie gemeinbliche Regelung beS 3rieb*
bofmefenS nach Schweiger dufter, gute Vauorbnuttgen, unb einen
öffentlichen ©ohnungSnathweiS, ben Arbeitsnachweis :c. s Bir fönnen
bem &mte nur beifttmmen.
©täbtifche HstSftötfM in ©erlitt# ^ebnlid) ben ?(usfunfts« 1111b ?(n=
melbeftuben bei ben 9 lmtsgevirf)ten ioü eine unentgeltlich ,51t benuoenbe
VluofunftSitcÖe 00m berliner ^agiftrat eingcvidjtet werben, wo Anträge
entgegegenommen itnb über ftäbtifche Angelegenheiten AuSfunft ertheilt
wirb. 3ur Vorbereitung ift eine fünfgliebrige Kommiffion eingefe^t.
hoffentlich wächft fidb biefe SteDe einmal gu einem oöDigen VolfSbureau
aus, bamit bas ärmere $ublifum nicht immer auf bie juriftifchen Sprecfj*
ftunben oon 3 e itaagen ober gar bie SSinfelfonfuIentcn angewiefen
bleibt.
&rbeltgebemrbäiit>e.
KoaHtioitSgtiiattg Pott Httterttebttterperbittbe«# ^)ag 3ttbuftrie*
fartelle bie „Outsiders“, bie ftch oon ihnen fernbaltenben Unter*
nebmer ihres ©ewerbegweigeS, gum Veitritt mit SRitteln gu
S en fudbett, bie auf einen 3roang bioauSlaufen, gefchiebt oer*
4 oiel öfter, als es befannt wirb. SSieberbolt ift als eines
foldf)er Mittel bie Verweigerung ber Abgabe oon Robftoffen ober
ßalbfabrifaten an Ridhtmitglieber genannt worben, ©in folc^er
§all wirb jefet in ber jjachgeitfchrift „$)er ©ifenbanbler" mitgetbeilt.
2)er Snbaber einer fleineu 2 )rabtftiftfabrif fdhreibt bem Vlatte:
„3tb h a ^e oor Kurgem $raf)t befteßt unb erhalte oon ber gabrif
bie Rachricht, bafe fie mir bte Lieferung beS Drahtes oerweigert, weil
fte bem Verbaub ber ©rahtftiftfabrifanten beigetreten ift, unb gwar fo
lange, als ich biefem Verbanbe nid)t betgetreten bin. S)ie Statuten beS
VerbaubeS, bte mir gugefanbt würben, enthalten fooiel oeyatorifche Ve-
ftimmungen, bah teb mir lieber meine greiheit wahren miß, unb trete
ich bem Verbanbe nicht bei. 3<b erfuche Sie ergebenft, mir, wenn möglich,
gwei ober bret gabrifen, bie $)raht gu ^rahtftiften tauglich fertigen unb
bie nicht bei bem Verbanbe ftnb, gu nennen, bamit ich meinen Vebarf
bortfetoft gu beefen in ber Sage bin unb meine Arbeiter weiter befchäfti*
gen fann."
®er Satt ift febr lebrreidh. ©r tbut bar, ba& auch ® on Unter*
nebmem ein febarfer KoaütionSgwang ausgeübt wirb unb bafe
arbeitswillige Arbeiter burcb Unternehmer, inbem man ihrem Arbeit¬
geber ben Robftoff oorentbält, an ber Arbeit gebinbert werben.
$tr Verein für bie bergbaulichen gfntereffeu in Rheinlanb nnb
SBeftfalen b at 00 m SRinifter bie f)inauSfchiebung beS Termins für
Snnrafttrcten ber ^oligeioerorbnung über bie Vefdhäftigung fremb*
fprachiger Arbeiter erlangt (oergl. „Sogtale Vra^iS" Sp. 252).
®te Durchführung ber Verorbnung würbe, wie in weftbeutfehen
Vlättern beroorgeboben wirb, tief in bie beftebenben Verbältniffe
eingegriffen haben:
„So foßten als Auffeher, SRafcbinenführer, Keffel* unb Pumpen¬
wärter, Scbie&meifter, Wettermänner, DrtSältefte, Schachthauer, An-
fchläger u. f. w. nur 2eute befchäftigt werben, bie bie beutfehe Sprache
fertig fpredfjen unb in Schrift mtb Xrucf fertig lefen fönnen. (SS müßten
baher iaufenbe oon Arbeitern aus ihren je&igcn Poften entfernt werben.
2)a cs an Arbeitern mangelt, fo fönnte bie fofortige Durchführung ber
Verorbnung oielc Sdjäbiguttgen hfrbeifiihren."
Die Verecbtigung biefeS ©inwanbeS ift nicht gu uerfennen.
$öbcr aber ftebt hoch bie für jene Verorbnung oon ber Regie¬
rung geltenb gemachte Vegrünbung, ba& bie Unfenntnih ber
beutfehen Spraye im Vergwerfbetrieb fchwere ©efabren für bie
VetriebSficherbeit mit ficb bringe.
Uebereinfommen ber ö fit erreich ifeben Vanmtootffpinnereien be¬
treffend eine VetriebSeinfchränfnng. Die öfterreichifdjeit Vaumwott*
Spinnereien planen eine VetriebSrebuftion, wie aus folgenber Ver¬
öffentlichung ber Spinnereifeftion beS VerbanbeS ber Vaumwotten-
inbuftrietten £efterrei<hs gu erfehen ift:
„Die Vemühungen gur (Einführung einer 16progentigen Vetricbs-
cinfchränfung in ben öfterreicfjifchen Vauntmoßfpinnereien waren info-
fern oon (Erfolg begleitet, als ber weitaus größte Dh^il ber ins Auge
gefaxten Spinnereien bem oorgefdjlagenen Uebereinfommen beigetretcu
ift. Die gur Durchführung bes Uebereinfommens nothweitbige Ve-
theiliguna fonnte aber bisher uid)t ooflftänbtg erreicht werben, ba
mehrere bedeutende Spinnereien durch 2icferuugsucrpflid)tungeit, weldie
fte fchon früher für bie nächften SRonate übernommen hatten, oerhiubert
waren, an bie (Einführung ber Aebuftion gu fdjreiten. Vor allem aber
würben gewichtige Vcbcnfen laut, ob es nid)t mit Rücffidjt auf bte
Arbeitcrfchaft oortheilljafter wäre, mit ber Vetriebseinfchränfnng erfi
im grühjahre gu beginnen, wenn neue Arbeitsgelegenheit ober Reben-
bcfchäftigung burch Jvelbarbcit fidi Ieiditcr findet. Aus bieten ©riinben
hat baS (lomite befdiloffen, ben Vegitut ber Rebuftioit auf den 1. Afärg
1899 gu oerfchicben. (Es ift begrünbete Ausfidjt uorhanbeu, bau gu
biefeut Dcnnine die Riaftregel thatfädtlid) burdjgefiihrt wirb. (Eine neue
Einberufung bcr Aftionstheilnehutcr ift uid)t in Ausfidjt genommen,
ba für eine folche feilte Veranlagung oorlicgt."
Diefe Ausführungen laffen darauf fchliefeett, bafg nidtt nur
eine ^)erabfehung ber ArbeitSgeit, fonbern auch eine ©ntlaffung
ooti Arbeitern geplant ift.
308
30“ ©ogiale $tari8. Gentralblatt für ©ojialpolittt. SRr. 12.
^rbettarbesiieguiig*
$te SegtifarBriter - ©etoegung in ftrefelb ift burrf) eine Ver*
cinbarung gum ©tillftanb gefommett. Anfangs liefe fic fi<h fe^r
bebrofjlith an. Bie in ber Iefeten Kummer mitgetfeeili, füitbigteit
am 12. XJegember bie vereinigten Arbeitgeber roegen eines ©treifS
in einer einzigen gfabrif bie Ausfperrung fämmtlitf)er Beber —
roie es feexfet, an 8000 — nach Ablauf von 14 £aaen an. darauf
legten unter $ontraftbrudj gahlreidje Beber bie Arbeit nieber. (Sr*
freulicherroeife trat fofort bie ftäbtifc^e fogiale $otnmiffion oer*
mittelnb ein. Dad) oerfdjiebenen Benbungen einigten fitf) bie Ser*
treter ber ftreitenben Parteien über folgettbe fünfte:
1. Xie Fabrifanten »erpflid^teit fid), tut nädjften Vierteljahr uon
ber Vereinbarung, unter Umftänben 9J?affenauSfperrungen oorgu*
nehmen, feinen ©ebraitch gu machen. Xie Beber verpflichten fid), im
nädjften Vierteljahr in feinen AuSftanb eingutreten. 2. F» beit
mechanifdjen Bebereten foll allgemein bie bnftunbenarbcit einge*
führt roerben. 3. ©oll in einem Vierteljahr eine Sohnlifte für Stoff*
roeber anfgcfteÜt roerben.
©orool)t bie Arbeiter roie bie Sabrifantcn h a & e n bann in
Verfammlungeit biefer Abmachung gugeftimmt, unb roeitit nicht in
Iefetcr ©tunbe ein 3roifd)enfaH ftörcnb eintritt, fo werben bie X)inge
roieber in ruhige Sahnen fommen. X)ie Arbeiter befchroeren ftch
befonberS über bie niebrigen Söhne (es foll Botenlöhne von
10—11 Ji. geben), über ungerechtfertigte öofjnabgücje, lange ArbeitS*
geit unb über bie ^rajiS, bie Frauenarbeit niebriger gu begabten,
trofcbem bie Frauen baffclbe leiften foHen, roie bte Sfänner. ©S
roirb fid) nun geigen miiffen, ob im nächfteu Vierteljahr ein enb*
gültiger Ausgleich gu ©taube fomrnt. Xde Xljatfache, bafe forooljl
bie Unternehmer roie bie Arbeiter in feften Verbänbeit oraanifirt
finb, h Q t jebenfallS bie VermittelungSthätigfeit ber ftäotifcfjen
fogialen $ommiffton bisher erleichtert.
Vctoegnttß im BcntFchen VaugetoerBc. 3n einem oom Vunb
ber Vait*, 9Daurer* unb 3t mtnermc Mi er h^rrührenben Aufrufe
roerben mit Vegug auf bie für nächfteS Frühjahr angefünbigte
Vauarbeiterberoegung oerfchiebene Dathfcfjläge ertheilt. Sei Sohn*
forberungen foll billiges dntgeaenfommen gegeigt roerben; überall
ba aber, roo Verträge abgefd^toffen feien, fou auf ihre ftrenge
Fnnehaltung gebrungeit roerben. X>ie meiften AnSftänbe roürben
aber roofel um §erabfej}ung ber ArbeitSgeit unter gehn ©tun*
ben unb um Anerfennung ber Arbeiterorganifation entbrennen.
§ner fei eine ©tärfung beS ArbeitgeberoerbanbeS nothroenbig unb
oorfid)tigeS AbftUefeen ber Sauoerträge, bei benen oor Allem bie
©trcifflaufel nicht vergeben roerben bürfe. — 3» einer am 15. b.
abgehaltenen Dtaffenuerfammlung ber Serliner Sauarbeiter aller
klaffen rourbe über bie Dothroenbigfeit eines erroeiterten reichSge*
fehlidjett SauarbeiterfdjufceS oerhanbelt, ba bie jefeigeit Soligei*
oerorbnungen, namentlich roaS ben SftüftunaSbau, bie Saububen*
frage tc. betreffe, unguläitglith feien unb Deren Sefolgung audj
nicht genügenb fontrolirt roürbe. ©S rourbe eine $ommiffion oon
Sertretern fammtlidjer Sauberufe niebergefefet, welche einen bie
Bünfdje ber Sauarbeiter cnthaltenben ©efejjentrourf ausarbeiten
unb ben guftänbigen Sehörben unterbreiten foll. SefonberS foll
bie ©infepung eines Sauinfpeftorats gur Slontrole ber ©d)up*
beftitnmungen, bem auch praftifche Sauarbeiter angehören foÖen,
geforbert roerben.
Xie Serliner Xrofdjfenfiitfdjer im Xa£ameter*Vetrieli fteljeit g. 3*
in einer Sobnbcrocguug. ©ic ocrlaitgen ftatt bcS bisherigen Sohnfapes
uon 1 M ©nmblohn unb 25% ber XageSeiunaljmc eine ©ntnbtajre
oon 1,50 Ji. Xljcilrocife ftnb bie ftittjdjcr bereits erfolgrcidj geiocfcn,
guntal fie au ©teile bes ©efammtausjtaubcs fid) auf bie Verhängung
oon 15-ingelfperren befrfiränfrn, auf anberen .vröfeu, wo bie Aorbcrung
guriirfgeroiefeu rourbe, foll bas Auhrgcfchäft gang ober theilroeife ruhen.
Sebiirftige ©treifenbe erhalten oom Agitatioiisfomite 12 Ji pro Bodje
F» gioci Verfammluugen haben bie Mutfdier ncuerbings bie Beiterfiihrung
ber (5iugelfperren befihloffcn, roäbrcnb eine Verfammluug ber Parameter*
fnlirherrit befdiloffcn hat, am bisherigen Solmfap fcftguhnltcn, eine
Bibcrftanbsfaffe gu griiubrn unb aus ihr gesperrte au hrhcrru eocntuell
gu uuterftüpen, audj arbeitswillige itntfdjer* herangugiehen.
fteitt Arbcitcrfefrctartat in Verlin. (5ine Xelcgirten=Verfammlung
ber Serliner Weroerffdjaftsfommiffioii hat fid) für bie Auftelliing eines
giociten Seamten ausgefprodien, bagegen bie (Srioeiterung ber Mommiffion
gu einem Arbeiterfefrciariat itad) Nürnberger SWuftcr abgelchnt, weil in
Serliu oerfdjiebene Olerocrffdjafteu bereits eigene Sitreans hätten unb
roeil bei ber groben Ansbebuuug Scrlins ein C5entralbureau uidjt ge=
uügen unb fid) bie foftfpielige (Sinrid)tnng mehrerer Sureaus in ben
ucrfchiebcncn ©tabttheilen uotfjroenbig madien roürbe.
©treifS in Xeutfchlanb tnährcnb bcS flobember. X'er „Arbeits*
inarft" gäljlt 40 neu im Nooeutber ansgebrodjeue AuSftänbe auf.
X)ie Öohnberocgnng h a l alfo einen etwas größeren Umfang attge*
nommen als im Oftober, roo bie 3flhl W) au f 31 belief, ^ie
meiften ©treifS (9) treffen auf bie 9J?etall- unb SRafchineninbuftrie,
bann auf bie Snbuftrie ber §oIg* unb ©chnifeftoffc (5), im Sau¬
geroerbe, in ber NahrungSmittelinbuftrie unb im Xeftilgeroerbe ftnb
je 4 gu oergeidjnen. X)agu fomrnt noch eine SReifje oon ©treifS im
Suchbrucfgeroerbe, bie mit ber oon ^ringipalen unb ©ehülfen ge*
meinfam geführten Xarifberoegung gufamtnenljängen. X)ie meiften
biefer AuSftänbe finb gang geringfügig gcroefen; oon einiger Se*
beutung waren nur ber $affenftreit tn 9temfd)eib unb bie Anfänge
beS £rcfelber BeberftreifS; beibe Seroegungen finb nach oerhältniß*
rnä&ig furger 3 c if beigelegt roorben.
3urihf»ahme einer i^afr gelnng in ßoln. Btr httben in le^tcr
9?ummer (©p. 282) oon ber Gutlaffung eines ÄeDnerS in Äöln roegen
fein:r Auslagen oor ber .Hommiffton für Arbeiterftatiftif berichtet. (Sr*
freulidjcrrocifc haben bie beStjalb eingeleiteteu AuSglcidjSoerhanblungen
Erfolg gehabt. Am 16. Xegember hat bie hierfür eingefefete Äommiffion
oon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern beS ©aftroirthSftanbeS gu bent
(Srgebniffe geführt, „baf; bie Äiinbigung bes CberfeHticrS feitenS feines
Vringipals priugipiell gurüefgenommen*' rourbe." Irofcbem berocift ber
AaH, bafe Vorfehrungen getroffen roerben muffen, um AuSfunftSperfonen
oor SNafjregelungen roegen wahrheitsgetreuer AuSfagen oor ber Äfom*
miffion für Arbciterftatiftif, gu benen fie verpflichtet finb, gu fdjüben.
<$ctotrfoerein ber Biegler in Sippe« Am 10. SDejember fanb
in ‘Xetmolb eine Sorftanbsfthung bes ©eroerfoereinS ftatt, an ber
fid) auch ein Vertreter ber lippifchen Stegieruna betheiligte; bie
Vereinigung ber beutfehen 3^ c ß^leibefifecr, ber „Verbanb beutfeher
XfeoninbuftrieEer" hatte auf Üinlabung beS (^eroerfoereinS groei
Vertreter gefanbt (Is hanbelte fich nach ^ cm „®olf" hanptfächlidh
um bie Frage ber Srridjtung eines centralifirten ArbeitS* unb
©teilenitachroeifeS für baS 3 ie 9^rgeroerbe, ba bie Vermittelung
burch Agenten gu oielen 9)h|ftänben Aniah giebt. ßs rourbe bie
©rridhtung einer Zentrale mit örtlichen Filialen in £ippe, Reffen 2 f.
mit bem ©ifc in Sage in Sippe befdjloffen unb bie Verbinbung
mit einem feitenS bes VerbanbeS ber XhoninbuftrieHen in Serlin
gu errichtenben ArbeitSnadjroeifeS ber Arbeitgeber angebahnt. ©egen*
ftanb ber Verhanblung roar ferner baS Vorgehen bes ©eroerfoereinS
gur Vcrfürgung ber im 3iegeleigeroerbe überlangen täglichen ArbeitS*
geit, welche g. S. bis oor groei Fahren noch eine täglich 16* unb
meferftünbxge roar, jefet aber gumeift auf 14 ©tunben herabgefefct
ift. ©ine weitere §>erabfepung um 7-2 ®tunbe täglich oerfucht ber
©eroerfoerein für nächfte Campagne gu erreichen fiir baS ©ebiet
ber unteren ©Ibe.
©tntguug ber $aubclShilfSarbeiter lofaler unb centraler 9Hd)ttntg.
Fn einer am 11. b. 9tf. in Verlin abgehaltenen Äonfereng, gu ber faft
alle gröberen §anbelSftäbte XeittfchlanbS Xelegirte entfanbt hatten unb
ber auch ber Vorfifcenbe ber ©cneralfontmiffton ber ©eioerffchaften
Xeutfchläubs, Regien, beiwohnte, rourbe als ©runblage ber (Sinigung
beiber Aidjtungeu Folgcnbes befdiloffcn: 1. Xic oon ben beiben
Dichtungen gu Beihuadjten begro. gu s pfingften cinbcrufenen ©onber*
fongreffe finben nidit ftatt, 2. gu Cftcrn roirb oon ben Vertrauensleuten
beiber ©ruppen gemetnfam ein allgemeiner $anbelshiIfsarbeiterfongreh
einberufen, 3. auf biefent ©ongrep roirb ein neuer (Scntralocrbanb be*
grünbet, brffen ©apungen feftgelcgt unb beffen Veamtc aus Vertretern
beiber Dichtungen gewählt.
Verein für §nnb!nnfl«*©omntiS *** 1858. Nach groei Verichtcn*)
bes ©efdjäftsfühverS Alwin .^elmS gählte ber Verein oon 1858 f©ip
Hamburg) am 1. V?ai 1898 über 55ocX) Vereinsaugehörige, baruntcr
28 bcutfdjc .'oaubelsfammern unb 249 unterftüpeube Ainnen. (5s ocr*
mittelt foftenfreie am 2. April 1898 ben <57 onoficn ^often, baoon roährenb
ber lepten 10 Fahre 39 939 ©teilen im Fn* unb Auslaub (1642) unb
über ©ec (812). Xie 1874 eingcridjtetc Abtheilung für Lehrlinge oer*
mittelte bis (Snbe 1897 3 623 ©teilen. (Sine Verfidjcmng gegen ©teilen*
lofigfeit ift geplant, hat aber nod) feine Höfling gefnnben.' ftranfen*
unb Vegräbnififaffe, ^cnfionsFaffe mit Fnvalibcn*, Bittiven*, Alters*
unb Bai)en=Ver|orgung ift oovhanbcu. ©einer Anregung fdjreibt ber
Verein bie Xeuffdirift bes „Xeutfdjen Verbaubes Maufmaunifdjcr Vereine"
au ben Dcidjsfangler gu, bie gu (5rhcbuugeu über bie ^age ber .^anb*
luugsgehilfen, betreffenb Arbeitsgeit, tiiinbignngsjriften unb Lehrlings*
verhältniffe buvd) bie Momntiffiou für Arbciterftatiftif geführt haben,
besgleidjen bie Veroeguug für ben allgemeinen 8 Uhr*S?abcnfchluB
unb bie Vcrfürgung ber Arbeitsgeit in ben .Kontoren, roie eine aus*
gebehute ©onntagsruhe. Xer Verein forbert felbftänbigc faufmän*
nifd)e ©d)icbsgerid)te in Angliebentug au bie Amtsgeridjte unb hat
bas Verbot bes Abgugcs bes Mranfeugelbes oom (behalte burdjfcpen
helfen. Aus ben boftrinäreu (Srroäguugeu, baf', bas ©trebeu nach
©elbfthiilfe, bas ©taubesberoufitfein, bas "pflidngefülil unb bie Anlage
guut fclbftänbigeu Raubein entfdiieben burd) eine ^^’angsoerfidjentug
ungüuftig beeinflnfu werbe, roirb ber 3maug in ber Verftdicrungsfrage
für uuaugebradjt erflärt.
Xie (fntroiffluug bes Hamburger 5s cv Vereins in ben lepten
lu Fahren unb feine fogialen Aufgaben. Hamburg, V?ai unb Do*
ociuber 1898.
309
Sogtale $tajig. Eentralblati füt Sogtalpolttif. Ar. 12.
3J0
$er Sabregfongreft ber fraitgöftfchcn Bergarbeiter wirb oom
21. bi 8 24. £)egember in St. Etienne abgehalten unb ficf) im Ein*
gelnen mit folgenben fünften beg Arbeiterprogrammg befdhäftigen:
1 . Ad)tftunbentag, 2 . Abänderung beg ©efepeg über bie Arbeiters
belegirten gunt Auffichtgbienfte, 3. Abänderung beg Knappfdjaftg*
faffengefepeg, 4. Einrichtung non fpegieflen Öewerbegerichten für
bie Berginbuftrie, 5. Seftfefcung eineg Aftnimallohneg unb 6 . Aücf*
nähme non Kongeffionen, bie nicht auggebeutet werben, unb Ber*
gebung berfelben an Arbeiterprobuftiogenoffeufchaften.
Bewegung unter bem ^erfotial ber ^arifer Omnibu8gefeflfd)aft.
Sn $arig ift befanntlidf) ber Dmnibugoerfehr oößig in ben fänden
einer einzigen prinilegirten SlftiengefeUfcijaft monopolifirt, bie in
ber Sage ift, in jeber .gmificht faft nach SBißfür oerfahren gu
fonnen. Sie liegt barum auch beständig im Kriege, fowohl mit
ber Stabtoerwaltung, ba fie trop fefjr günftiger Sinänglage bie
Sntereffen beg Bubltfutng mißachtet, alg auch mit ihrem eigenen
Berfonal, bag über f<hle<f)ie Arbeitgoerljältniffe Klage führt. Eg
find namentlich bie unteren Kategorien ber Bediensteten, bie nach
Berbefferungen oerlangen. $>ie fchlimmften 3 u ftänbe fcheinen bei
ben leicht gu refrutirenoen ®epotarbeitern (Stößen, üAagaginen :c.)
gu h^rrfdhen, bie eben ber Unficfserheit ihrer Stellung wegen noch
gar nicht organifirt finb. 3>er gachoerein ber Angefteßten ber ©e*
feÜfchaft giebt fii) nun alle ßßühe, auch Kategorien fith ein*
guförpern. Er nerlangt für fie ähnliche Ordnung beg Arbeitg*
uerhältniffeg wie für bie übrigen Bebienfteten, in erfter Sinie einen
SJtinimallohn oon 5 grcg. pro £ag unb Beförderung nach SDienft*
jahren. $>er Stabtrath oon Sßarig fteUt ben Begebungen ber
Arbeiter feine Unterftüpung in Augficht, bie freilich ilfuforifch ift,
ba fich bie Dmnibuggefellfchaft auf ©ruub iljreg Bertrageg fdE)on
feit Sahren geftatten rann, allen Anregungen ber Stabtoerwaltung
feine Steige gu geben.
^tbeUerfdiu^.
$ie Uugleichartigfeit ber ©etoerbebeattfftdjtiguug iu $eutfdj B
fattb. 3>ie Augführung ber ©ewerbeaufficht burch Beamte, bie
nicht oom Aeirif), fonbern oon ben Eingelregierungen ernannt wer*
ben, fowie ferner bag Sehlen fcparfer ©rengen für bie ber 3 n*
fpeftion unterliegenben Betriebe haben eg bewirft, bafj in ben ein*
gelnen Bunbegftaaten ben Beamten gang ocrfchieben grofee Kreife
oon Betrieben gur Beaufsichtigung unterftehen unb in golge beffen
ber Arbeiterfd&up im ^eutfcpen Aeidjje eine bunte SJlufterfarte oon
Bta&nahmen aufweift. 2)ie „Amtlichen SAittheilungen aug ben
Sahregberichten ber ©ewerbeauffichtgbeamten für 1897" entwerfen
oon ben gur 3 C ^ haftenden 3uftänben in ber Anlage IA fol*
genbeg bunte Bilb:
„Aach ben oon eingelnen Bundesregierungen unb Auffuhtsbeamten
gegebenen Erläuterungen walten Berfchiebenheiten in ber Auffteßung
(ber Ciften) befonbers f)infidhtlicf) ber nach §. 16 ber Gewerbeordnung
genehmigungspflichtigen Anlagen (Schieppuloerfabrifeu u. f. w.) und
ber banbmerfSmäBigen Betriebe oor. Alg reoiftongpflid)tig fmb im
Königreich B reu feen btsljer folgende Betriebe angefehen worben:
a) fämmtltche Anlagen, bie unter §. 16 ber Gewerbeordnung faßen;
b) fämmtltche Anlagen, in welchen mit mechanischen ober durch thierifche
Kräfte betriebenen SEotoren, als £>ampf*, Heißluft ober ©agfraftmafdjinen
SBafferräbern unb Turbinen, SBinbmühlen, Bferbcgöpeln u. f. io. ge*
arbeitet wirb; c) Anlagen mit Arbeitgmafchinen, bie burch SRenfchenfraft
betrieben werben, wie Hanbwebftühle, Spülmaschinen, Spinnräber,
Scfjleifftcine, AäEj* unb Stricfmafchtnen u. f. w., ober auch Anlagen
ohne 9Rafd)inenbetrieb (g. B. ^ampfbäefereien, gärbereien, ©elbgiepereien)
ferner Bergwerfe, Brüche unb Gruben, foweit fte nicht unter bie Aufficht
ber Bergbehörden faßen, wenn biefelbcn ihrem Umfange nach alg ge*
werbliche Anlagen gu betrachten ftnb, wag im 3wetfel angenommen
werben foß, wenn bie 3<*bi ber an ber Betricbgftätte befebäftigten
fonen minbefteng 5 beträgt; d) fämmtliche Anlagen, in denen junge
tfeute unter 16 fahren alg Sehrlinge ober jugendliche Arbeiter befchäftigt
werben, unter Augfchlufc der SScrfftätten ber ^anbwerfer. 3tt mehreren
Äegierunggbegirfen werben auch lanbwirthfchaftliche Aebenbctriebe be*
« t, auch wenn fte ihrer Aatur nach nicht unter bie Bestimmungen
ewerbeorbnung faßen, neuerbingg alle Bäcfereien.
Sm Königreich Bauern finb beinahe fämmtliche baubwcrfgmäftige
Betriebe in bie Giften ber ©ewerbeauf ficht auf genommen.
3m Königreich Sachfen finb dagegen nur aufgenommen gewerbliche
Anlagen, welche mit elementarer Kraft betrieben werben, nach §. 16 ber
©ewerbeorbnung einer Genehmigung unterliegen ober unter bie Be*
Stimmungen ber §§. 154 Abf. 2 unb 154a ber ©ewerbeorbnung faßen;
andere Anlagen werben dagegen nur ittfofern berücffidjttgt, alg in ben*
felben minbefteng SO Arbeiter befchäftigt werben.
Auch in bem ©rohh^jogthunt Oldenburg, fowie bent dürften*
thum Ae uh ä. & finb oon den Betrieben ohne elementare Kraft nur
größere nach Biafjgabe ber Attgahl ber befdjäftigteu (10 begw. 20) Ar*
beiter berüdfichtigt. 3n anderen Begirfen, ben ©rofchergogthümern
Reffen, HÄecflenburg*S<hwerin unb Strelih/ Sßeimar, finb
Bäcfereien, Budjbrucfereicn, Eigarrenmachereien unb andere Anlagen
mitgegählt, für welche auf ©runb beg §. 120 e ber ©ewerbeorbnung
durch den Bunbegratlj besondere Borfdjriften erlaffen worben ftnb, aufjer
biefen im ®roBher 3 0 9 lhnnt SKeiningen noch Betriebe oon mehr tjai© 3
inbuftrießem Eh fl ratter.
3n Elfah*^othringen ift bie Erhebung auf fämmtliche Betriebe
auggebehnt worben, weldje mechanifdhe Kraft ober minbefteng einen
gewerblidjen Arbeiter ftänbig ober geitweilig oerwenben."
S)ag find doch gang unleidliche, unhaltbare 3 wftÜnbe! 2 )ie
©ewerbeauffidjt unb damit bie wirffame Augübuna beg Arbeiter*
fchufeeg abhängig gu machen oon bem SKafje fogialpolitifdjcr Ein*
ficht unb ^hatfraft ber jeweiligen Regierung fowie oom bigfretio*
nären Ermeffen ber Berwaltunggbehörben unb ber Aechtfprechung,
ift ein Unding. B5ag in einem Staate ber Qnfpeftion unterliegt,
mufj auch im andern reoiftongpflichtig fein, bag erfordert ni^t
nur bie hohe Bedeutung beg Arbeiterin£eg für bie Bolfgftaft unb
die Sittlichfeit, fonbern gerabegu auch ber Aeid)ggebanfe. ^)ie
mitgetheilte amtliche 3 ufoßnnenftellung fchreit laut nach einheit*
liehen Borfd)riften für bag Aeich- SSir ftimmen bem „Borwärtg"
bei, wenn er fagt: „Sie liegen fich mit einem Schlage fRaffen,
unb oielen Arbeitern würbe bann auch ber fo lang oorenthaltene
Schüfe gu £heil werben, wenn nun enblid) bie §. 154, Abfafc 3
unb 4 in Kraft treten würben." SDag ift eine Sorberung, die bie
„Sogiale Brafig" immer wieder erhoben hat.
©e»erbe-3ttfptftum i« j. ß. Aach dem Borgang oon Bauern
unb Reffen, denen fich auch SBetmar angefchloffen hat, hot ber fiaubtag
oon Aeufj j. Ö. auf Antrag ber fogialbcmofratifdjen Abgeordneten be-
fdjloffen, die Aegterung um eine Borlage betreffend Anfteßuna eineg
weiblichen Affiftenten ber Sabrifinfpeftion gu erfuchen. — 3u der
Debatte erflärte auf bie Sorberung, bafj ber Snfpeftor mit ben Arbeiter*
oereinen fich bireft ing Benehmen fe^e, ber Aegierunggoertreter, Staatg*
rath oon hinüber, auch dem AMnifiertum fei eg gang recht, wenn ber
©ewerbe*3nfpeftor mit ben Arbeiterorganisationen in Berbinbung trete.
Sanitäre Reformen für bag Kleingetoerbe in Defterretfh* 3 n
ber am 5. b. 3A. abgehaltenen Sifcung beg nieberöfterreid^ifchen
ßanbeg*Sanitätgratheg wurde bag Aeferat über bie oom Berbanbe
ber ©enoffeufchaftgfranfenfaffe für bie Sah** 1895 unb 1896 oor*
gelegten Berichte oorgetragen. 5)er ßanbegfanitätgrath beantragte
mit Aücfficht auf die in ben Berichten bcroorgeljobeiten fchlechten
©efunbheitgoerhältniffe beg Wiener Kleingewerbeg Aachftchenbeg:
1 . eine Berbefferung ber ©ewerbeorbnung nach ^rjgicnifcheit ©runb*
fäheit unb Anweifung ber Amtgärgte unb ©ewerbeinfpeftoren gur genauen
Ueberwachung ihrer Befolgung;
2. bie Aeform ber Bauordnung in bem Sinne, bah der arbeitenden
Bcoölferung gefunbe Aäume für ihre SBohnuitg und ihre Arbeitgftätte
gefchaffen unb fanitätgwibrige nicht gugelaffen werben;
3. fti’enge Ueberwachung beg Sebenguiitteloerfehrg gu ©uufteu ber
ärmeren Beoölfcrung bei ftrenger Handhabung beg Sebengmittelgc*
fc^eg;
4. Belehrung ber arbeitenden Klaffen überhaupt unb ber Klein*
gemerbe*3nhaber ingbefonbere durch bie Schulen, burch Borträge und
Schriften über bie Bf[ e 9 e der ©efunbheit beim ©ewerbebetriebe unb die
Bermeibung oon Unfällen;
5. Auggeftaltung ber Armenfranfettpflege burch Befteßuug einer
augrcichenben $al)l oon Armenärgten unb Sicherfteßung ärgtlicher HUfc
gu jeber Stunde beg 2ageg unb der Aacht;
6 . Aeform beg Kranfenfaffenwefeng nach ben bigljer gemachten Er*
fahrungen unb Ausdehnung beg Unfaßoerficherungggwangeg auf aße
Unfäßen auggefehten Arbeiter jeder Kategorie.
©in frangöftfeheg Sch«hgcfeh üöer bte Koh n $ a ^ttngeit ber
Arbeiter. Aacp mehr alg fecf)gjährigen parlamentarischen Berhanb*
luttgen fcheint nunmehr auch in Soanfreid) ben ßohngahlungen ber
Arbeiter jener gefefcliche Schuh gu ^hßif 3 1 * werben, ber fonft faft
überaß längft alg nothwenbig erfannt worben war. 2 )ag 3 u*
ftanbefommen biefeg frangöfifdEjen ^rudfgefeheg fcheiterte bigher an
ben wiberfprechenben Anfid^ten ber beiden legiglalioen Körper*
f(haften. Alg im Sahre 1892 bie 5Deputirtenfammer bie Snitiatioe
ergriff, genehmigte fie eine Borlage, welche in gewiffem Sinne bie
Aormen für bie Sabriforbnungen gab, aße Strafgelder rundweg
befeitigen unb Abgüge für Acalfacong, Befriedigungen nur alg
gewerbegerichtlich gu regelnden Schabenerfap guliefe. ^er Senat
befchnitt biefeg weitgehende Bi’ojeft fehr fd)arf. Statt der Be*
feitigung ber Strafgelder führte eg Äegelung unb SAayimum für
fie ein unb entgog die Snrigbiftion über begüglidje Streit*
fäße ben ©ewerbegerirf)ten. So ben Beratungen oom 6 . unb
8 . ©egember hat nunmehr bie 2)eputirtenfammer eine Saffung gc*
bißigt, bie fich ^ e w Senatgprojeft giemlich nähert unb daher* auch
Augfitt hat, ©efepegfraft gu erlangen. ^)ie Grundlinien biefeg
oon ber $)eputirtenfammer genehmigten unb an ben Senat ge*
leiteten Entwurfes finb bie folgenden: Sie V?öhne muffen in
311
©ogtale prajiS. Gentralblait für ©ogialpolttü. Sfr. 12.
312
SöährungSgelb auSgegahlt werben unb gwar minbeftenS gweimal
pro 2 Ronat unb in £>ö<hftinteroatten oon fedjjgehn Sagen. Bei
Slfforbarbeiten rnufe ©orge getragen werben, bafj SlbfdblagSgahlungen
in ben gleichen 3 e ^ r ® llinett erfolgen. Sie SluSgahlungen felbft
muffen an einem 2 Socf)entage unb tn ber gabrif unb nicht in einer
©chänle ober in einem Setailgefd&äfte ftattfinben. Sitte gabrif«
orbnungen miiffen minbeftenS einen SRonat oor ihrer Slnwenbung
bet ben guftänbigen ©ewerbegerichten eingereicf)t werben. Sitte
©trafgelber unb ßohnabgüge ober ßoljnminberungen als DiSgiplinar«
maßregeln finb unterfagt. gür oerborbene Slrbeit ober Material*
befrf)äbigungen fann ber Slrbeiter nur cioilrechtlicf) gum ©cfjabenerfab
herangegogen werben. 3mmberl)anblungen gegen biefeS ber gabrif«
infpeftion gur tontrole überwiefene ©efefc giepen eine ©träfe oon
15 grcS. nach fiel).
Ärbettemerfldienmg. SjmrhafJcu.
©ine Särfe im ÄraufenoerftcberungSgefefc,
SJadj §• 49 beS SfranfenoerficherungSgcfefceS haben bte Slrbeitgeber
jebc oon ihnen befchäjtigte uerficheningSpflid)tigc Perfon fpäteftenS am
britten Sage natp beginn ber Vefdjäftigimg angumelben. Sie oor«
faßliche ober fahrläfftge 23erlefcung biefcr Slnmelbepflicht gie^t nach §. 50
bte Grftattung aller Slujwenbungen nad) ftch, bie eine ölemeinbe-tranfen«
oerfuherung ober eine DrtSfranfenFaffe auf Grunb gefefclicfjer ober fta«
tutarifdjer Vorfchrift in einem oor ber Slnmelbung burch bie nicht an«
gemelbete Perfon oeranlafeten ttnterftüfcungsfall gemacht hat. $fi bie
wranfheit nur oon furger Sauer, jo wirb in einem folcfjen gaUe ber
erfranfte oerfid^erungSpflichtige Slrbeiter, ber ja bann nadj §. 616 beS
23ürgerlichen ©efefcbuchs „für eine ocrhälftiifjntäjsig nicht erhebliche 3eit"
unb nach §. 63 bcS 9?euen §anbel$ge[efcbu<hs 6 SÖodjen lang feinen
ßohn weiterbegiept, bie Unterftüfeuiig ber tranfenfafje nicht in Slnfprud)
nehmen, um nidjt um feinen Sienft gu fommett. 23et länger bauernber
trantbeit aber wirb ber Slrbeiter, ober, wenn er mittellos ift, bie Sinnen«
benbehörbe ftatt feiner bie tranfenfenfaffe in Slnfpruch nehmen.
Siefe wirb ihre Slegrefjanfprüche an ben Slrbeitgeber geltenb machen
unb baS Gubergebnib wirb fein, bafc biefer im Slerger über bie ihm
obliegenbe GrftattungSpflidjt bem Slrbeiter fiinbigen wirb.
gür eine grobe 3 a bl non Slrbeitern ift nun aüerbings bei ben
furgen ÄünbigungSfriften bie gange Sache belanglos. (Singeine anbere
bagegeu, bie fdpuerer wieber eine ihrer bisherigen 23crujStf)ätigfeit ent«
fpreepenbe Slrbeit finben wie g. 23. taiiflentc, SSerfführer u. bergl., bie
beSpalb auch in ber Siegel mit längerer tüiibigungsjrijt angeftellt finb,
tonnen burdj eine wäljrenb ihrer tranffjeit erfolgenbc unb oiclleicht
gar noch oor ihrer ©enefung ablaufenbe ftünbigimg Ijart getroffen
werben, ja in manchen gälten fann eine ihnen ohne ihr Verjdptlben
gugeftofjene berartige £>ärte ben Slitfang ihres wirthfdjaftlichen SluinS
biften. Sa nun ftranfheit nach 62« beS 23üraerli<beit ©efefcbucbS
unb §. 72 beS Sleuen .£>anbelsgejcfcbucbs einen tünoigungsgrunb bilbet,
wäre es angegeigt, bafj ein Slrbeitgeber, ber ber ihm nach §• 49 beS
.SlranfenoerfidjerungSgefeüeS obliegenben Slnmelbepflidjt nicht nachfommt,
auch alle golgen biefer Pflidjtoerlefcung gu tragen hätte. SieS fönnte
etwa burch einen Slbfafc 3 beS §. 50 beS tranfenoerficberungsgejefceS
in folgenber SBcife normirt werben:
Slbfah 3. „SBätjrenb ber gleichen 3eit ift bie Äünbigung beS
SlrbeitSoerhältniffeS burd) ben Slrbeitgeber ungültig."
Siefe 23eftimmung würbe ftd) namentlich beShalb empfehlen, weil
burch fte ber §. 50 bie gegen ben Slrbeiter gerichtete ©eite oerlieren
würbe. Senn gegenwärtig wirb mancher Slrbeiter, g. 23. mancher fauf«
männifdje Gebülfe, bie Sioften aud) einer längeren tranfljcit lieber
felber tragen, als auf bie (Gefahr pin, wegen ber unangenehmen folgen
beS §. 50 für ben Slrbeitgeber feine tünbigung gu erhalten, bie Unter«
ftüpung ber Äraitfenfaffc in Slnfprud) nehmen.' Ser Slrbeitgeber wirb,
wenn er ein Kaufmann ift, biefe folgen um fo mehr empfinben, als
er feinem erfranften Öcpülfcn neben bem tojtencrjafc an bie tränten«
faffe ben oollen ©ehalt weiter gu begaplen h«t. Gr wirb alfo um fo
eher fünbigen. Gine fold)e 2?eftimmung wäre auch ben berechtigten $n«
tereffen ber Slrbeitgeber gegenüber nidjt unbillig, benn fic würbe lebig*
lic§ ben gweef haben, bap ben an ben folgen beS 50 für ben
Slrbeitgeber unfdjulbigen Slrbeiter nidjt inbireft 5Racht^ciIc treffen. Gitte
folchc Seftimmung würbe aber auch f*h r Verbitterung oerhüten:
fie würbe es unmöglich machen, baß oer Slrbeitgeber ben Arbeiter bie
folgen feiner ^flidjtoerlehung fühlen läfct.
Verlin. Gl. ^ci
Sur ^nbaHbettberfifhemitg tu kapern wirb uns gefdjriebcn:
'Ii3te in ber SnoalibitätSoerficherungSanftalt für 9?ieberbapern, fo
macht ftch in berSlnftalt für Unterfranfen ebenfalls bie Neigung
bemerfbar, nach fretnber §itlfe gu fuchen. 3 « ^a^re 0 bericf)t
ber Slnftalt für Unterfranfen ootn 3ab rc 1897 heijgt eS:
„Sie Stellten finb tu rafdjem ©teigen begriffen unb werben fort«
gefegt fteigen bis gum Gintritt bes Ve 1)arnnigsgitftanbcs, ber erft itad)
Slblauf oon breifgig bis otergig fahren gu erwarten ftcljt. ©eit 1 so 1
bis Gnbe 1897 haben ftdj bie ^noaliben« unb Slltersreuteu unferer Slu«
ftalt oon jährlich 71 000 Ji auf 247 000 m erhöht. Sagu fonnnt uod)
bie 9tücferftattung oon 23citrägeit an oerheirathete grauen unb hinter«
laffette oerftorbener Verftdgerter int jährlichen 23etrage oon 20 000 bis
30 000 JL GS ift faum gu erhoffen, bafg bie fich aitnähemb gleich«
bleibenben Ginnahmen unferer Slnftalt gu ca. 7—800 000 M pro Sah**
gur Sientengahlung int VeharruttgSgufianbe auSreichcu. Sie fleinen,
weniger leiftungsfahigen Verfid)eruugsanftalten ftehen faft alle oor biefer
©diwierigfeit, namentUd) wo bie lanbwirthfdjaftlidie 23eoölferung oor«
l)errfd)t. 3» Unterfranfen mit feinen oortoiegenb lanbwirthfchaftli^en
betrieben, mit feinem pargellirten ©runbbefipe, ben nteift burdh nicht
oerficherungspflichtige gamilienangehörige beftellt wirb, mit feiner ge*
ringen gnbuftrie unb in golge hoffen ntiitberen Slngaljl oerficherungS«
pflichtiger Slrbeiter, werben mit SluSnahme ber ©täbte 2Biirgburg unb
©chweinfurt nur VeitragSmarfeu I. unb II. Äflaffe gu 14 unb 20 oer*
wenbet. gtt ben Slnftaltsbegirfen mit hodfentwicfelter ^nbuftrie uitb
großen ©täbten ift fdion bie Slngahl ber Verficherten eine ungleich f)öh erc
unb werben S3eitrngSmarfen III. unb IV. klaffe gu 24 unb 30 geflcbt.
SBährenb bie länblidjen Slrbeiter, fobalb fic ben fchweren lanbwirtl)*
fchaftlichcn Slrbeiten nidjt mehr gemachten finb, bie 8tente fofort in Slit*
fprud) nehmen, obfcfjoit für fie bie 23eiträge Iäfftger begahlt werben als
wie für bie ftäbtifdieu unb inbnftrieHen Slrbeiter, giebt es in ben ©täbten
unb gnbuftriebegirfeu für ßeute oon geringer SlrbcitSfäl)igfeit nod)
taufenbfache Slrbeitsaelegenheit, bie mehr als bas Grioerbsmiuimum gunt
Slnfpruche auf eine ^noalibenreute einträgt. Siefe Verhältniffe bringen
cS mit fid), bab bie fleinen VerfidjerungSanftalten ohne grobe ©täbte
uitb bebeutenbe 3nbuftrie ocrhältnibmäbig geringe Ginnahmen unb be*
beuteube Mehrausgaben auf Renten haben. GS wirb baljer gur Gnt«
laftung ber weniger leiftuugSfähigen Slnftalten nothwenbig werben, bie
Sientengahlung im gntereffe bes groben ©angen breiteren unb IeiftungS*
fähigeren ©djultern aufgubiirben."
SltterbiitgS finb bie Vegirfe ber acht baperifchen VerftcherungS«
anftalten fel;r flein; fie fd)lieben ftch ait bie politifdje Gintheilung
VapernS an, was burdgauS nicht gefefelich oorgefdgrieben ift, aber
für bie Verwaltung ben Vorgug ber Vequemlichfeit unb Vittigfeit
hat. 2Bäf)renb im Surchfchnitte bes Reiches auf eine Slnftalt etwa
370 000 VerficherungSpflichtige entfallen, gählen bie baperifchen
Slnftalten nur 128 000 bis 177 000 unb nur bie Slnftalt Dber«
bapern in aRündjett gählt 280 000 Verfi<herung3pfli<htige. S)ie
23ilbung gröberer Vegirfe würbe hi er fefjon manchem llebelftanbe
abhelfen. S)eitn wenn auch für Unterfranfen gutrifft, bafe bei bem
pargellirten 23efifce eine gröbere Slngahl oon ^crfoneit felbftänbig
ift als in bem mit ßatifunbien gefegneten Dftpreufeen, fo gilt bieS
bodj nidjt für bie übrigen baperifchen Slnftalten. 23ei oen Sin«
ftalten $falg unb Unterfranfen finb allerdings nur 19,4 begw.
20,2 o- ber Veoölferung als oerficherungSpflichtig ermittelt
worben; aber bei ben anbern baperifdhen Slnftalten ftettt fich
3ohf ^r Verfidherten wie bei ben meiften anbern Slnftalten, auf
23 o. unb in SRieberbapern fogar auf 26, 9 o. §.! Ueber bie
Iäffige VeitragSgahlung in ber ßanbwirthfchaft wirb auch hi e ^ 9 e *
flagt.
(Suquete über bie ?üter£Perftd)trung @ng(attb. S)aS $ar*
IamentSfomite, baS fid) neuerlich mit ber grage ber SllterSoerfor-
gung in Gnglanb gu befaffeit hat, bef<hlofg eine fd)riftliche Gnquete
einguleiten unb h<*t einen gragebogen ausgearbeitet, ber an
fämnttliche Oiewerfoereine, grienblp ©ocietieS, Sinnenpfleger unb
SöohlfahrtSgefettfdhaften gur Beantwortung oerfenbet werben fott.
S)ie Umfrage mnfafjt folgenbe §auptpuufte: 3ft anberweitige
©taatshülfe gur SllterSoerforgung neben ber Slrtnettpflege ange«
geigt ober fott fie ben grienblp ©ocietieS unb ähnlichen Bereini*
gmtgen überlaffen werben? Berbient ber Blön allgemeiner SllterS«
oerficherung oon 5 @h- wöchentlich für ^erfonen im 65. Sah**,
fobalb fie eine gewiffe Sfteibe oon gahren in einem ©ewerfoerein
ober einer ©enoffenfd;aft Prämien gegahlt h a ^« n / Unterftühung?
©inb Slenberungen beS Poor Law angegeigt, fei eS in ber SRich 5
tung, bafj SllterSafnle für unoerfchulbet in Slrmuth gerathene $er«
fonen errichtet werben, fei eS ba& folthe auf öffentliche 5foften
prioat oerpflegt werben? — TOnifter Ghamberlain h^ in feinen
lebten SReben in 9ftandf)efter neuerlich bie Hoffnung ausgefprodhen,
bafj bie grage nod) oor Slblauf ber ßegislaturperiobe bes geaen«
wärtigen Parlaments einer Grlebigung werbe gugefül)rt werben.
(S)emnad) entfpricht bie oom SRegierangStifch im ^Reichstag ge¬
fallene Behauptung, in Gnglanb hn&e man baSprojeft ber SllterS«
oerforgung ftitt bei ©eite gelegt, nicht ben £hatfad)en.)
2>ic ©rüubung einer nationalen Bereinigung ber freien 4bülfS«
faffen in granfreidj bilbet gegenwärtig ben ©egenjtanb eifriger
Bemühungen ber SRutualiften. S)ie Snitiatioe gu biefem Söerfe
geht auf beit präfibenteu ber SRcpublif gurücf, ber fürglid) eine
Delegation beS SluSführungSfomitSS empfing unb baS Ghren*
präfibium ber gu grünbenben geberatiou übernahm. Die Slufgabe,
bie man fich Q?f e hl hat, beftel)t in ber 3 afammcufaffuug aller
lofalen unb fpegietten Vereine gu einem fich über baS gange ßanb
erftreefenben Verbanbe, um einerfeits bie beftebenben taffen weiter
313
Soziale (tagte. ©entralblatt für ©ojtalpoltttt. Sfr. 12.
814
SU entwicfeln unb namentlich in bcn länblicßen Bezirfen mitunter*
ftüßung ber ©emeinben neue ju grünben. S)er Berbanb beab*
ficßtigi, fowoßl ben 3nbioibuen roie ben ißm angebörenben 93er*
einen §itff$Ieiftungen zu gewähren. $>en leßteren 0fatt fießt man
namentlich bei ©pibemien ober Kalamitäten ber ßofaloereine oor.
SDie Organifation beS neuen BerbanbeS foE fuß auf regionalen unb
biefe auf bepartementalen ©ruppen aufbauen.
3Ubeit$nad)ttie&
$er öftemidjifcße ©efeßentwurf über ben Arbeitsnachweis.
Oefterreicß ftebt auf bem ©ebiete beS öffentlichen ArbeitSnacß*
weifeS ßeute noch febr roeit zurück $)er ©efeßentwurf über bie
2)ienft* unb ©teEenoermütelung, ber bem neuen arbeitsftatiftifcßen
93 eiratb gleich in feiner erften Tagung zuging*), fcß'eint beftimmt,
biefem Mangel zu einem £ßeile abzußelfen. 3« ben Eigenheiten ber
öfterreicßifcßen BerwaltungSpflege gehört es ja auch fonft, in
mistigen fünften lange jurüdfsubleiben, bann aber baS Berfäumniß
mit einem Male einbolen zu motten — eine ©prungßaftigfeit, bie ber
normalen ©ntwicflung unb bem regelmäßigen ©inleben beS Sfruen
um fo weniger förberlich ift, wenn fie fi<h mit mehr mecßanifcßer,
urtßeilslofer Sftacßaßmung frember Mufter paart. 2)iefeS Ießtere
Uebel fann man am ©efeßentwurfe, ber uns hier befcßäftigt, aEer*
bingS nur oerfchwinbenb wenig waßmeßmen. ®aS aber ift £ßat*
fache, auch bieSmal bat fich bie öfterreichifche ©ozialpolitif fo große
Aufgaben jur gleichseitigen Erfüllung gefeßt, baß es zweifelhaft
wirb, ob Sie Söfung wirflicß in ber gewünfcßten ©leichseitigfeit
unb Boflftänbigfeit auch nur xn ber £>auptfacße möglich fein wirb.
Man wiE ja auch eine regelmäßige Bericßterftattung über
bie ßage beS ArbeitSmarfteS organifiren. lieber ben Arbeit«*
marft, über bie Befcßäftigung ber ^Betriebe unb ihrer Arbeiter,
über Arbeitsmangel unb Arbeitslofigfeit follen bei ben §anbels*
unb ©ewerbefammern, bei ©onberbericßterftattern beS ßnnbels*
minifterieHen Arbeitsamtes, bei ben 93ertretungen unb 93erbänben
fowoßl ber Unternehmer als ber Arbeiter (©ewerfoereine, Aus*
fcßüffe ber ©eßülfenoerfammlungen) regelmäßige Monatsberichte
eingebolt unb in einem Monatsblatte beS Arbeitsamtes oeröffent*
licht werben. 3)ie Berichte follen besirfSweife, unb zwar für jeben
Berirf möglichft je ein Beriet aus Unternehmer* unb aus Arbeiter*
freifen, erflattei werben. S5er Berufscharafter (Arbeiter ober Unter*
nehmer), wenn fcßon nicht ber 9tame, foE bei jebem Berichte er*
ficßtlicß fein, ©obalb bie besirfSweife Berichterftattung eine gewiffe
BoEftänbigfeit erreicht bat, foü bann „aus ben ©inselberichten eine
lleberficßt unb $>arfteEung ber ArbeitSmarftlage im AEgemeinen
fowie nach ben wichtigften (robuftionSzweigen zufammengefteEt
werben."
$)ie gefammelten Mittbcilungen über Arbeitszeit unb ßoßnßöße
follen nach bem in ber englifcßen „ßabour ©asette" eingehaltenen
Borgange benußt, gleicbsritxg bamit foE nun au<ß bie SDienft* unb
©teEenoermittelung, ber Arbeitsnachweis felbft auf bem ©e*
feßeSweae orgaitifirt werben, ©cßon oor fecßS 3ußren würbe bie
öfterreichifche Regierung s u ©rßebungen über eine folcße Aftion
unb in Berbinbung bamit su ©tubien über bie ßerrfcßenben Ber*
ßältniffe im Arbeitsna<bmeife oeranlaßt. 3nt Saufe beS 3aßreS 1898
erfcßien biefer Bericht, eine müßeooEe Arbeit, bie ben Söiener
BegierungSfreifen fo recht wate, wie oiel Berfäumniffe in Oefter*
reich nacßzußolen unb welch’ fcßöne ©rfolge bisher im AuSlanbe,
oor AEem in ©übbeutfd^Ianb auf bem ©ebiete beS Arbeits*
nachweifeS erzielt feien.
S)er ©efeßentwurf beS ftaatlichen Arbeitsamtes, biefer oor*
trefflichften ©ißöpfung beS früheren §anbelSminifterS Dr. Baern*
reitßer, wurzelt in ben ©rgebniffen jener oieljäbrigen ©rhebungS*
arbeit. 2)ie £ienft* unb ©teHenoermittelung foü fich fünftig in
bie gewerbsmäßige, an ben KonzeffionSzwang su binbettbe unb
in bie nicht gewerbsmäßige, öffentliche Arbeitsoermittelung ber
Bereine, ©enoffenfcßaften unb ©emeinben gliebern. $)ie Berbängung
beS konseffionSswaugeS bejwecft baS aümälige „Abfterben" ber
gewerbsmäßigen BermittlungSgefchäfte. Man wirb ihnen auch in
Oefterreicß faum oiel Spänen nachweinen, benn gerabe bort unter*
liegen bie oft mittellofen unb ganz unerfahrenen ©teHenwerber
häufig fcßamlofefter Ausbeutung. An ben genoffenfcbaftlicben
ArbeitSnacßweifen tabelte man Die (roteftion unb Subolens unb
flüchtete besbalb su ben prioaten, gewerbsmäßigen ArbeitSnacß*
*) Bgl. Darüber ben Artifel in Sfr. 8 ber „©ojialeit ^rarii?" oom
24. 9touember 1898 (3p. 189 unb 190).
weifen, fo hob* ©elbforberungen biefe auch ftellen. SDer KonseffionS*
Swang unb bie bamit zu oerbinbenbe fcbarfe Bolisei*Ueberwachung
ber prioaten ArbeitSnachweife füll all* biefen Mißbräuchen ein
©nbe feßen. 3a, es fxitb fo einfcßneibenbe Aufftchtsmaßregeln unb
©chußoorfehrungen gegen bie Ausbeutung ber ©teHenwerber ge*
plant, baß bie ©teflenoermittelung f<hon baburch ihre heutige
©inträglichfeit oerlieren unb fo immer weniger Socfungen bieten wirb.
Auf biefem 2Sege wirb baS Uebergewicht ber öffent*
liehen, bißigft ober ganz unentgeltlich tßätigen ArbeitSnachweife
bann nur no* mehr waeßfen, bis biefe ben ArbeitSmarft fcßließlich
ganz aEein beherrfchen werben, tiefer Brogeß wirb fieß felbft
immer meßr befcßleunigen, benn fowie fieß bei ben öffentlichen
ArbeitSnacßweifen Angebot unb Nachfrage fonsentrirt muß ißnen
bieS bie Möglich feit wirffamer Xßätigfeit nur noeß meßr fteigern.
$er ©efeßentwurf räumt, als ecßteS Baßmengefeß, bem bebörblicßen
BerorbnungSrecßte bie weiteften Bcfugniffe über bie Buchführung,
über bie AmtSaufficßt, über ©efcßäftSorbnung unb £arifwefen ber
fonsefftonirten ©teEennacßweife ein. $>aS Berbot ber Beherbergung
weiblicßer ©teEenfucßer in folcßen ^ienftoennittelungen ift barin
enthalten, aber leiber nicht fo abfolut, wie im neufeelänbifcßen
©efeße, fottbera ift befeßränft auf jene Konseffionäre, bie nießt auch
bie Berechtigung zur Beherbergung oon gremben haben, ©insu*
fügen wäre im Uebrigen noch eine Beftimmung über bie ftrafweife
©ntziehung ber Konzeffion, benn ber öinweiS (§. 8) auf bie in
ber ©emerbeorbnung oorgefehenen ©trafbeftimmungen erfeßeint uns
bei ber Öaffung biefer leßteren nießt ganz genügeno.
5)ie „nießt gern erbemäßige" ©teEenoermittelung wirb zu s
gelaffen für Bereine — je nach ißren ©tatuten —, für gewerbliche
©enoffenfeßaften, bie minbeftenS 200 ©ehülfen als Angehörige be*
ftßen unb im ©inne ber ©emerbeorbnung für ben Arbeitsnachweis
bereits geforgt haben ober bieS planen, für ©emeinben unb für
bieBerbänbe foldjer nicßt-gewerbSmäßigen ArbeitSnachweife. ©erabe
oon Ber einen würbe für ben Arbeitsnachweis bisher wohl baS
Meifte in Defterreicß geleiftet; wir erinnern nur an ben jeßt leiber
in ben total mißglücken Wiener ftäbtifeßen Arbeitsnachweis aufge*
B nen Berein für ArbeitSoermittlung mit feinen Filialen in
:r*9?euftabt unb Brünn, an bie ArbeitSoermittelungSanftalten
ber ©emerfoereine, an ben fteiermärfifeßen SanbeSoerbartb für Söoßl*
tßätigfeit, welch leßterer in ©ras einen ausgezeichnet orgaitiftrten
öffentlichen Arbeitsnachweis angelegt ßat $>en ArbeitSnacßweifen
ber erwähnten ©emerbSgenoffenfcßaften wirb nunmeßr bie
paritätifeße Berwaltung unb Kontrole ber ©inrießtung z ur
^fließt gemaeßt, ber Ausfluß muß alfo aus einer gleichen Anzahl
oon ©enoffenfcßaftSmitgliebern unb Arbeitern beftehen, bie oon ber
©enoffenfeßafts*, refpeftioe oon ber ©ebülfenoerfammlung z u
wählen finb. ^inficßtlich ber ©em ei nbe* ArbeitSnachweife wirb
bie ©inrießtung für aEe fianbeSßauptftäbte unb bie übrigen ©täbte
mit meßr als 30 000 ©inmohnern (eine Anlehnung an Den fran*
löfifeßen 1897er ©efeßentwurf über ben ©teflennacßweiS für
Arbeiter unb AngefteEte) oorgefeßrieben. BebarfSweife fann bie
©rrießtung fommunaler ArbeitSnachweife oon ber ©taatSregierung
unb ber ßanbeSoermaltung auch für anbere Orte oerfügt werben.
$iefe ^otßmenbigfeit wirb fich, angefießts ber ©ecentralifation ber
Arbeiterfcßaft fo maneßer ^robuftionSzweige, woßl feßr ßäufig
geltenb maeßen, bieS umfomeßr, als bie Mmbeftgrenze — 30 000
©inwoßner pro ©emeinbe — ja feßr weit, oielfeicßt z» weit ge*
fteeft ift (für B^ußen pro 10000 ©inwoßner!). BoEenbS für
^robuftionSzweige, bie zah^eieße auf bem offenen Sanbe anfäfftge
Heimarbeiter befcßäftigen, wirb fieß bie ©rrießtung eines Arbeits*
nacßmeifeS ja oft in einem günftig gelegenen, wenn auch oielleicßt
ganz keinen Orte empfehlen.
Qür bie * paritätifeße, alfo ftreng neutrale Berwaltung ber
Kommunal*ArbeitSnacßmeife ift babureß geforgt, baß ißre Ber*
waltungSfommiffion, geleitet oon einem Borfißenbcn ober beffen
Bertreter — biefe beiben bürfen weber bem Unternehmer« noeß bem
Arbeiterftanbe angeßören — je zur £älfte bem Unternehmer* unb
bem Arbeiterftanbe entnommen werben muß. 3ür biefe Bkßlen
ift zunäcßft an bie Mitwirfung ber ©emerbegerießte gebaeßt.
2 Bo biefe aber feßlen, foE bie 2Baßl ber Unterneßmerbeifxßer
(§. 14) an bie ©emeinbeoertretung, bie ber Arbeiterbeifißer an bie
93 orftänbe ber Kranfenfaffen übergeßen. 3u jener bebarfsweifen
Heranziehung ber ©emeinbeoertretung liegt inbeS eine Uu*
gleießßeit, zum ©cßaben ber Unternehmer, benn bie ©emeinbe*
oertretungen finb felbft in Oefterreicß nießt immer meßr als ibentifd)
mit Bertretungen beS Unterneßmer*3ntereffeS aufzufaffen. ©crecßter
wäre eS woßl, in jenen Bebarfsfällen bie lofalen ©ewerbsgenoffen*
feßaften unb bie in ber betreffenben ©emeinbe erwcrbstßätigcn,
etwa nießt in ben ©enoffenfeßaften oertretenen Mitglieber ber be*
3l5
Sogtale $rajt$. ©enfralblatt für Sogtalpolittt. Nr. 12.
316
girfSguftänbigen HanbelSfammer bireft mit ber Vornahme bcr Baßl
gu betrauen.
Ter ftreng neutrale ©ßarafter ber öffentlichen ArbeüSnacß«
roeife foll auch bureß bie entfpreeßenbe Anlage ber ©efcßäfts«
orbnung oerbürgt werben. Sie wirb oon ber ©emeinbeoertretung
nach Anhörung ber VerwaltungSfommiffion (§. 17) feftgcfteUt.
®iefe Veftimmung paßt für Teutfcßlanb, überhaupt für Staaten,
bie über ein moberneS ©emeinbewahlrecßt oerfügen, aber für Defter«
reich, wo baS allgemeine Wahlrecht für bie ©emeinbe noch immer
feine ©eltung erlangt hat, erfdjeint fic bebeuflicß. Tenn wenn bie
©efcßäftSorbnung auf neutralen ©runbfäßen beruhen foll, muß
fie hoch mohl oon einer Mörperfdjaft befcßloffen werben, in ber
beibe Sntereffenten, Unternehmer unb Arbeiter, oertreten finb. gür
bie ©emeinbeoertretung in Defterreicß trifft biefe Vebingung inbeS
nicht gu. Bir betonen bieg, wenn mir aud) im Vorigen guge«
ftanben ^abcn r baß bie ©emeinbeoertretung in Cefterreicß nicht
mehr bloß baS Unternehmerintereffe oertritt, benn ooit ba big gur
oollen Rarität ift eben hoch nod) ein großer Abftanb. ©inen
braftifd)en Verneig liefert bafür gerabe bie erfte ©emeinbe beg
NeicßeS Bien, roo oor Burgern troß beg lebhaften AbmaßnenS ber
liberalen unb ber fogialpolitifc^en Vertreter ein Arbeitsnachweis
ohne paritätifeße Vertretung ber Unternehmer unb Arbeiter er*
rießtet mürbe.
©ine auffällige ßücfe geigt fich im ©efeßeniwurfe auch h™ 9
fichtlich beg Verhalteng ber Arbeitgnacßweife gegenüber Streifs
unb AuSfperrungen. ®er Ausbau ber ©ewerbeqerichtS*Crga*
nifation hätte gang woßl geftattet, bem ©efeßentwurfe Veftimmungen
ähnlich etma benen ber ArbeitSn ad) weife ©ießen, Dhinfter unb
Bormg k. im Sinne ihreg 3ufammenwirFenS mit ben ©ewerbe»
aerießten gur frieblicßen Slugtragung ber Streitfälle eingufügen. Tie
©efcßäftSorbnung muß bie Neutralität ber Öffentlichen ArbeitSnacß*
weife augbrücflich oerbürgen, bag gängliche £>inmegqehen über
biefen widrigen Vunft fann fonft noch ben Öortbeftanb unb ben
©rfolg ber ArbeitSnacßweife in Srage fteHen. Auffällig ift auch,
baß auf bie Vermittelung lanbwirthfehaftlicher Arbeiter im
©efeßentwurfe fo wenig ober gar feine Nücfficßt genommen würbe,
eine Unterlaffung, bie umfomeßr befremben muß, als bie Arbeit*«
nachweife bisher fa gerabe bei ben weniger qualifigirten Arbeit*«
fräften mehr ©rfolge alg bei ben gewerblichen Arbeitern höherer
£ualififation gu oergeichnen hatten. Vielleid)t freilich beruht jener
Vergibt nur barauf, baß ber fchon lange baß© fcßlummernbe gräf« j
lieh Salfenßaqn « £ebebur’fcße ©efeßentwurf über bie lärtblicßen
3wangS«VerufSgenoffenfd)aften ben lanbwirthfdjaftlicßen Arbeit*«
nachweig biefen recht unglücflicß gebachten Unternehmeroereiitigungen
gugemiefen §at. ßiir bag oerbanbgweife 3«fammenroirfen öer
lofalett ArbeitSnacßweife ftnb im ©efeßentwurfe bie nöthigen Vor*
feßrungen bereits getroffen.
Bien. Heinrich Abler.
görberunq genteinblidjet ArbeitSnacßweife Inreh bie Negierung
tn Vtflnfter. Ntit Vegugnahme auf wieberholte ©rlaffe beg preußt«
feßen HanbelSminifterS ß a t neuerbingg NegieruncjSpräftbent ©efdjer
in Ntünfter an bie Vehörben feineg Vegirfeg eine banfengmerthe
Verfügung gerichtet, in ber eg u. A. Reifet:
,,©S muh wiebcrßolt barauf hingewiefen werben, baß bie ©rridjtung
oon ArbeitSnadjweisanftalten gerabe als eine Aufgabe ber feiten mit
gutem Gefd)äftsgange angufeben ift, bamit für weniger günftige feiten
Vorforgc getroffen ift. Ter organifirte ArbcitsnadjweiS bient ebertfo
ben Arbeitnehmern wie auefj ben Arbeitgebern, insbefonbere auch um
ben leßteren im ftallc bes ArbcüermangelS bie VJöglicßfcit gur Ve»
jdjaffung oon ArbeitsFräftcn gu gewähren. Tie ©iurid)tung oon
örtlidjen ArbeitSnadjweiS [teilen ift nothwenbig unb bilbet
bie VorauSfeßuitg für bie lünftig gu fdjaffenbe organifdje
Vcrbinbung ber eingelnen ArbeitSnad)wcisftellen behufs
planmäßigerer unb umfaffeitbercr AuSgeftaltung ber Ar«
beitsoermittelung."
©S folgt bann bie Aufforberung, nochmals gu prüfen, wag
für bie beffere AuSgeftaltung beg Arbeitsnachweises gu oeraulaffen
ift. darüber foll fünftig alljährlicf) unb augfiihrlid) berichtet
werben. £)ie fonferoatioe „^reuggtg." bemerft gu bem Grlafg: ,,©g
ift gu oerntuthen, bafe audh anbere Vegirfgregieruttgen in gleidicr
Beife oorgeheu werben ober fd)on oorgegangen finb. ^ebenfalls
ift gu wiiufchen, baß biefe ftaatlidjen Anregungen guten ©rfolg
haben; eg wäre fd)wer gu oerfteheu, wenn bic Monununen in biefer,
ihr eigenfteg Sntereffe oerührenben Angelegenheit nod) ferner un-
thatig bleiben wollten." Tie wirffamftc Manbljabe für ein erfolg»
reiches ©ingreifen ber Vehörben würbe freilich bie Verwirflirfjuug
beg Antrages Noeficfe (oergl. baniber in Spalte 302 biefer Nummer)
geben.
SlrbeüSnachmetg ber Saaufrlcute in Hamburg. Tie oont
Senat nach öem großen Streif oeranftaltete ©nquete über bie
ArbeitSoerhältniffe im Hamburger .$afen h^t unwiberleglich be*
wiefen, baß einen ber fdjlimmften SJiifeftänbe bie Art ber ArbeitS*
oertheilung bilbet. Namentlich wirb baburch bie gahlreichfte klaffe
ber Hafenarbeiter, bie Schancrleute betroffen. Nur Benige oon
biefen Taufenben oon Arbeitern fönneit ftänbig auf Vefchäftigung
rechnen, bie ungeheure Behrgahl muß fid) täglich neue Arbeit fuchen
unb wartet in BirthSbönfern, auf ben CuaiS unb Straßen, bis
ber Stauer fie anuimmt. Tie ©inrichtung eines* geregelten ArbeitS*
nadjweifeS für Schauerleute war baber eine ber wefentlichften
Nefornten, bie bie Senatsfommiffton oorfchlug. Bic in Sp. 269
ber „Sozialen $rajiS" erwähnt, wollte eine aemeinnüßige ©efeU»
fchaft mit Staatsunterftiißung biefer Aufgabe fich untergiehen.
Aber wie bie Arbeiter, bie bie Gmchtung einer „ArbeitSbörfe" oer*
langten, fo erflärten auch bie Arbeitgeber ruitbweg, baß fie einer foldjen
unparteiifch oerwaltetcn Snftitutiou fid) wiberfeßten unb nur einen
Arbeitsnachweis wollten, ber ausfchließlich in ihren eigenen Hänben
ruht. öer Tfjat hat ber Arbeitgeberoerbanb einen folgen
Nachweis errichtet, beffen Saßungeit bisher ben Arbeitern ftrenge
oorcnthalten worben waren. 3eßt ift inbeffen baS Statut hoch an
bie Deffentlichfeit gelangt. Tie |>auptbeftimmungen finb folgenbe:
Ter Verein ber Stauer oon Hamburg»Altona errid)tct einen ArbeitS*
naeßweis für Scßauerleute gu beut 3wecf, bie Arbeitsoermittelung gu
regeln, insbefonbere ben ^ugug ber erforberlicßen Arbeitsfräfte gu förbem,
anbererfettg aber aud) ein Ueberangebot oon Arbeitsfräften gu oerhinbern.
©S füll bas Herumlanfeu ber Arbeiter uad) Arbeit befeitiat, bas Arbeit*»
angebot uad) VZöglid)feit centralifirt werben. Aucß rann bureß ben
Arbeitsnachweis bic 2ol)ngahlung bewirft unb oereinfadht werben. TaS
Viireau arbeitet narß Anweifung unb unter Auffnßt bcS Vereins ber
Stauer. Tie V?itglteber bes Vereins ber Stauer oerpflicßtcn fieß, nur
bureß Vermittlung bes VureauS Arbeiter anguftellen unb gu biefent ^weef
nur folcßcu Arbeitern Arbeit gu geben, meld)e eine oont Vurcau auSge*
ftelltc Arbeitsfarte ober Arbeitsgettcl befißen. ^seber Arbeitfudjenbe ßat
bei feiner erften Vielbung im Nadjwcis ein 2egitimationSpapicr unb
ben Ausweis über feine IeßtrTfjätigfeit oorgulegen. Tie Arbeiter werben
in 4 SUaffen eingethcilt: 1. in fefte Arbeiter, 2. in örtlid)e HiilfSarbeiter,
3. in Vrand)cnarbeitcr, 4. in Gelegenheitsarbeiter. Tie klaffen werben
burd) oerfdiiebenfarbige Marten fenntlicß gemadjt. ©S foHeit nidjt mcßr
Martenleutc oorhanben fein, als fid) oon bcr gewöhnlichen, bureßfeßnitt*
ließen Arbeit auSfömmlicß ernähren Fönnen. Tie Marte Fann Arbeitern
entgogcu werben, „loeldje oon ben Stauern aus irgenb wcldjcnt Grunbe
! nidjt mehr in Arbeit genommen werben ober fid) an ben VerfammlungS*
orten nießt einfinben, ober unter allerljanb AuSreben Feine, ober ßöcßft
feiten, Arbeit anncl)mcn. M Tie Mohngaßlung hat auf ber Arbeitsfteile
fclbft in Vaar ober itt (Sijeef gu erfolgen.
Tie günftigen Birfungen, bie feibft ein folcßer Arbeitsnachweis
für bie Negelung ber ArbeitSoerhältniffe in H am öurg haben fann,
finb nicht gu unterfd)äßen. Sic werben aber in hö<ßft bebeitflicher
Beife geminbert bureß bie Veitimmungen bes Statuts, bie nießt
nur bie unbefeßränfte NJacßt ber Arbeitgeber fefifeßen, fonbern audß
ber Billfiir Tßür unb Tßor offnen. Von ben Arbeitern ift Nie*
manb an ber Verwaltung unb Kontrolle betßeiligt, nur in ber
VefcßwerbeFommiffion fißen gewählte Vertreter ber Scßauerleute
neben fDiitgliebern ber^ organifirten Nheber, Sd)iffStnaFler unb
Stauer. Tem fogialeit ^rieben wirb mit folcßen ©inrießtungen, bie
baS fDtißtrauen ber Arbeiter gerabegu ßerauSforbern, nießt gebient.
Ter ArbeitSmarft im Nobember geigte troß ber günftigen $on*
junftur in oielen Snbuftriegweigen ein AnfcßweHen beS AnbrangeS
ber Arbeitfucßenbcn, wenn aueß nießt in bem Vtaße, wie im gleichen
Ntonate beS Vorjahres. ©S ift bieg eine alljährliche ©rfeßeinung,
bie oielfad) bureß ben Becßfel ber 3ahreSgeit, bie Vcenbiguna ber
Somnterfaifon bebingt ift. Aucß bie ©nttaffungen oom Vtilitär
belaften baS Angebot auf bem ArbeitSmarfte im Nionat Nooember.
Tiefe Sage beS ©efanuntmarfteS ftießt wefentlid) oon bem Arbeiter«
mangel ab, ber noeß für oerfeßiebene ©ewerbe, wie Vergbau, ©ifen«
inbuftrie 2 C. gu Fonftatiren ift. Nacß ben ©rgebniffen Der ArbeitS*
nachweiSoerwaltungen, wie fte im „Arbeitsmarft" oeröjfentlicßt
werben, bewarben fid) um 100 offene Stellen 135, 7 Arbeitfud)enbe
gegen 145, 7 im gleichen Ntonat bes Vorjahres. Von 56 oergleicß*
baren Vericßten weifen im Vergleid) gum Vorjahr 34 eine Ab»
naßme unb nur 19 H- 3 auSlänbifcße) eine 3 lln aßmc beS An«
brangcS auf.
®eno(|cnrdjBfl5«icren.
Ttc ©enoffenfeßaften in ©nglanb 1897. Tie amtliche „Labour
Gazette“ ocröffeutlidjt eine Tabelle über bie Vorgänge in ben
Arbeitergcnoffenfchaften für Monfutn unb ©rgeugnng oon Baarcn
817
Sogtale Srajis. ©entralblatt für Sogtalpolitif. 9tr. 12.
818
in ©nglanb. T)er ©efannntuerfauf unb lltnfafc ber aufgeführten
1710 ©enoffenfdjaften int 3aljre 1897 belief ft<h auf 1319635380 JL,
bie ©efamnttmitgliebergahl auf 1 512 399 unb bie Slngaht ber am
3 af)reäfd)Iuffe bei ben ©enoffenfcfjaften unmittelbar befdfjäftigten
$erfonen auf 73 054. The ©efatntntoerfäufe ber 5tonfumabthei*
lungert ber 1 483 Vereine, welche ihre SBaaren im Detail oer*
laufen, Ratten einen Sßerth non 803 515 480 <1(, ein 93tehr oon
63 990 780 J(, über ben Setrag, melier für 1896 oott 1 470 ©e*
rtoffenf (haften berietet mürbe. T)ie eingegangenen Senate non
580 ber Äonfumoereine, roelthe T)etailgefdjäfte machen, geigen, bah
biefe ©nbe 1897 10 830 Sßerfonen unmittelbar bantit befdjäftigten,
bie oerfdjiebenett Slrtifel fjerguftetten, roeldfje in ihren Äonfumabthei*
Jungen oerfauft mürben. T)er SSerth ber ©rgeugniffe biefer 2lrt
betrug roährenb beS QaljreS 63 911260 < //, oergFtchen mit
53 003 660 c /1t. als SSertfj ber ©rgeugniffe non 495 ©enoffen*
fdjaften, welche 1896 Seridjte oer off entließ ten. tiefes macht gu*
fammen mit ben ©rgeugniffett ber groei ©enoffenfdhaften, welche im
©rohen oerfaufeit unb ben ©enoffenfdjaften gur SBaarenergeugung,
bie ©efammtfumme non 186 986 380 <//£ als SSerth ber eigenen
©rgeugniffe, roeldje non ©enoffenfdhaften aller Slrt im Sahre 1897
nerfauft mürben ein 9Keljr non 21, 9 o/ 0 über baS 3ah r 1896. The
©efammtgabl ber bei ©enoffenfdhaften aller Hrt gur Stoarenergeu*
gung befdjäftigten ^erfonen mar 29 564, roonon 17 149 Siänner,
7 537 grauen unb 4 878 junge Sßerfonen unter 18 3aljren maren.
Son biefen maren 69 /8 % in ©nglanb unb 2SaleS, 28, 8 in Sdjott*
lanb unb 1, 4 in Srlattb befchäftigt. Sei ben ©enoffenfdhaften für
SBaarenergeugung beträgt baS Slnmadjfen ber 9)?itgliebergaljl 6,5 o/ 0 ;
bei Shttheilfdjeinen, T)arlehen unb Sfteferoefapital 9 o/ 0 ; bei Ser*
fäufen 12,i °/o unb bei ben Sefdjäftigten 5^ o/ 0 . Son beut ©e*
fammfapital fämmtlidber Slrten non ©enoffenfdhaften mürben
160803 160 jH, anbermeitig unb nicht im eigenen ©efdjäftsbetriebe
angelegt, gheroon mürben 52 794 220 ^1(, auf £äufer unb £anb*
Käufer, 71 272 300 <//£ bei anberen ©enofjenfdjafteit unb baS
Uebrige in nerfdjiebener Steife ftdjjer belegt.
$ieFriendly Societies in ©nglanb 1897. T)er unlängft erfdjienene
SahreSberidjt beS Chief Registrar ber Friendly Societies pro 1897
fonftatirt einen leidsten SRüefgaitg in ber 3a^l biefer Sercinigungen.
Son ben Anfangs 1896 regiftrirten 9154 Friendly Societies hüben
1340 aufgeprt gu egriftiren, rcogegen nur menig neue ©enoffen*
fd^aften gegrünbet mürben, dagegen geigt bie Stttgliebergafjl ber
erroerbsttjätigen Friendly Societies eine ertjeblidje 3unahnte. 1531
folcfjer (SefeUfdEjaften — norgugsroeife Hooperatio* uitb Saugenoffen*
fefjaften — miefen 1 238 190 Stttglieber auf, baS finb um 72 268
me^r als im Sorjabre. Unter ber Trade ünions Act mürben im
SericbtSjabre 44 Sereine neu regiftrirt.
Ho^mtüptnefat.
©in ©aitg bnrdj Sammet nttb 97atb*
T»er unter Sßroteftorat ber $aiferin fteljenbe beutfebe Scretn
„Slrbeiterljeim", nor nieten 3ab^n non Sßaftor Dr. n. Sobelfdimingb
unter tbätiger Seibülfe beS nadjmaligen $aiferS grtebricb ins
Seben gerufen, bat fid) bie Aufgabe gefteUt, im beutfdjen Sater*
taube bie SöobnungSnotb aufgufud^en, bie gefunbheitlid) s fittli<h, wie
fogial, ja politifch gerabegu oerfjängnihooll gerfefcenben ©infliiffc an
ber .g>anb faßlicher Seridjte aufgitbcden, gur SKbhülfe aufs $adj s
brücflitbfte anguregen unb hierbei itacb Kräften mit SluSfunft, Satb
unb Material gur §anb gu geben. Um bieS tbun gu fönnen,
ftubirt ber Serein fonberücb audj alle ßinri(btungen, bie Hbbiilfe
begroeefen, unb bat felbjt eine SerfudbSftation, bie halb ungefähr
150 Qweifamilienbänfer (gum eigenen ßrmerb mit Stallung unb
größerem ©arten) in Sielefelb gäblt. Dberinfpeftor Sieber, ber
©efebäftsfübrer beS SereinS, ber feit über fieben Qabren feine Straft
biefer SFbätigfeit mibmet, betont beS Dcfteren, mie gerabe bie Un*
feuntniß ber SJobnungSnotb im eigenen Saterlaube, eigener 6tabt,
ja eigenem |>aufe bie 0<bulb baran trage, bajj fold^e unfer Solls*
leben unterroüblenbe 3wpnbe beftelieit fönneit, unb läftt es fid)
befebalb angelegen fein, Slufflärung b^ r ä^e r 3a oerbreiten. S$ir
taffen einige roenige TOtbetlungen über Stettin aus feinen Steife*
berichten folgen, bie unter obigem £itel („©in ©ang bureb Sammcr
unb flotb") erfebeinen merben,
3u einer ber erften 2Bobmtngen,> bie [mir in Stettin befurfjicn,
mußten mir in fo einem neugeitigen SJtaffenquarticr, brei Xreppen empor,
^ort fanben mir 3 gang bübjdje lidjte ^täumc/ bie inbeb nicht meniger
als 360 JL fofteten. Um biefe Summe 31 t crjrfjunngen, mufjtc bie
SRietbcrin, eine SJtttme, fid) mit ihrer gangen Familie auf einen mit
befchränfcn. Ten gmetten batte ihre Brfjmcftcr, ebenfalls 3i>ittmc, unb
beren 2 Äinber in fUftermietbe. gm britten häuften gmei 0 chlafburf<hen.
Tie SBhtbin felbft batte, oon 14 ftinbern, bie fte gehabt, noch 0 bei fid).
Tiefe 6 $erfonen mußten fich/ mie gefagt, mit bem einen ©täbeben bc*
fcheiben unb beS 9tacbt$ Unterfchlupf in 2 Setten unb auf einem ©oplja
fuebeu. Tie grau, ein fchr orbentlicheS SSeib, hatte eine SlufmartefteUe
unb juchte mit ber ältefieu, gerabe fonfirmirten Toehter meiter burch
Jäheit fuh unb ihre gamilie burdjgubringen. Sange mar fic franf ge*
mefen,unbba hatte in ber That allein berältefte 18jährige $nabc, als Äcgel*
junge, bie gange gamilie ernähren ntüffen. Unb groar oerbiente bas
arme tfinb, oon abenbs bis oft 2 Uhr morgens, ungefähr 75 mogu
ber freunblidje SBirtb mobl noch ab uitb gu etmaS ©ffen (ich fürchte
auch ©ctränf) gab. Um 6 Va mufete baS Äerlchen roieber gur Schule.
Sebeuienb fpäter traten mir, über einen gang fleinen Sorraum, in
ein faft bunfleS 2och gu ebener ©rbe, neben bem fich ber oft gefehenc
§erbminlel befanb. Ter ©eruefj mar entfehlich- Unb hoch mufete hier
ein SWatrofe, ber augenbüdlidj beS ameri!anif(h s fpanifchen 5h:iegeS megen
nicht angehrtiert mar, beffen grau unb 6 ftinber leben, oon benen baS
ältefte noch nicht fonfirmirt mar. gür alle 8 $erfonen maren in bem
2ochc 3 Setten eingefchachtelt. 28ie hier 2J?enfdjenlungen athmen fonnten
mar mir einmal roieber ein Stätljfel. greilidj faben bieJ^inbergefichtchen
auch banach ans. Unb biefeS 9left foftete immer noch 132 JL
3Wit bie fdjredlichfte Sehaufnng, bie uns in Stettin begegnete, füllten
mir inbeb halb barauf erft fehen. ©ine entfefclidje alte Treppe ging cS
empor. Traufeen auf ber Strafe mar es heller, lichter Sonnenfdjein,
bennodh märe bas Soch, baS mir betraten, ftorffinfter gemefen, meil ei?
eben feufterloS mar, menn nicht ein armfeliges Petroleumlämpchen,
auf einem Tifchchen, an ber Stonö gegenüber, ein mübeS 2id)t gefpenbet
hätte. 2ln biefem Tifchchen (eS lehnte fich anf<heineub altersfchurndj an
bie SSanb) fab ein 5D?ann im ?lrbeitshemb unb §o[e, ben Äopf auf bie
©llenbogen geftü^t, bie ^änbe im mirrett ^aar oergraben, unb ftarrte
oor fich tu ein gerlumptcs Such. TidEjt neben bem Tifch ftanb ein
Äinberbctt, auf bem tief eingefunfen, ein ungefähr löjäljrigeS SRäbdjeit
fab unb bei bem miiben Rampenlicht eine glidcrei gu madjen fdjieu.
So meit ich ntid) entfinne, maren auber Tifdj, Äinberbettfteü unb Stuhl
fein ©inridhtungsgegeitftanb mehr, faum noch ein paar Rümpen an ber
©rbe, in biefem üerfdjmärgten, fchrecflichen Roche. Nebenan mar noch
ein gang äfjnlidjeS, bas inbeb an ber einen S$anb, ^od) oben unter ber
Tede, ein paar oergitterte genfterchen hatte, oor beiten bidjt fich a ber
aud^ bie Stauer beS fRacfjbarbaujeS auftbnrmte. Tas ©ange machte
unmiHfurlich ben ©inbrud einer 3 e ßr für fernere Serbrecher. Stuch bas
eine armfcligc Sett, baS an ber SBanb ftanb, änberte an biefem ©in*
brud mahrlid) nichts, einige Rümpen lagen auch ^ier auf bem frf) 10 argen
gubboben unb in einem fleinen pufteren 2lrt SorrathSraum nebenan,
fonft ebenfalls fein ©inricbtimgsgegenftanb, nichts — nichts! Unb in
foldjem 9^aume mohnten, athmeten unb fdhltefen, mogu baS Slinberbett
unb baS eine Sett nebenan genügen fottte, Sfann, grau unb 4 ftinber
Trei baoon maren noÄ flein, baS ältefte mar bas Stäbchen bei ber
glidarbeit. ©ran, elen\ oerfommen fab audEj bas SBeib aus, mie alles
mas hier lebte unb mebte. — Taft in einem tnlturftaate, too bem Ser*
brcchcr nicht bloß Dbbadfj/ fonbern audj Serpfleguttg gereicht mirb, freie
Sfenfdjett in foldj einem Roche Unterfchlupf fudien unb baffclbe nodh mit
108 M. begahlen muffen, baS follte hoch unmöglich fein! Ter Sfaitn,
ein Töpfer, ber feit lange arbeitslos mar, fcfjulbete nun freilich and)
fdfjon feit 5 ÜDfonaten bie äßiethe. Unb nur ber Umftanb, ba& in folche
Sehaufung boch nur bie Hermftcn ber traten gebrängt mürben,^ ^attc
mahrfcheinlich ben Hausherrn abgehalten, bie gamilic auf bie Straffe
gu fefeen.
Siergefjn Stufen hinab ging es, an eine anbere Stelle, in eilten
Heller. Tiefer, mie mancher roeiteri)in befuchte, mar urfprünglich Hohlen*
feiler gemefen, bann aber, bei fo bebcutenber ©obmingSnarfjfragc, gur
2SohnungoermanbeItmorben. ©S mar ein bunfleS, entfc^Uchcs Rodj, ba bic
obere Haute ber fafienartigen genfter nur gerabe mit einem fleinen
Streifen über bie ©rboberjläcbe ragte. Unb auch biefer staunt foftete
nodh 84 Jf. Sfietlje. Selbftrebenb mar ber Jammer ber Scmobucr ber
Sehaufung cntfpredjenb. Ter Sfann mar fortgelaufen, bie grau, ein
armes mübcs ©efchöpf, nun allein auf ihrer $änbc Arbeit atigemiefcn,
fich unb 4 noch flehte Hiitber gn ernähren, oon beiieu bas Csüngftc erft
2 Satire gählte. Ter ^lelteftc muhte als Raufburfdic fchon etmaS oei-*
bienen, fam aber auch höchftenS nur auf täglidj 50 SBciut bic SBnttcr
mafdjen ging, muhte er auch »od), auher ber Sdjulgcit, feine fleiitcit
©efehmifter beforgen unb bas bisdjett Mittagbrot fertig fteücn. ©in
Sett nur fanb in bem fchauerlicheu Staunt. TcS Nachts mürbe
inbeh noch eine Ragerftatt auf bem gufjbobcn gurecht gemacht. Uitb fo
oerfrochen fich bann bie 5 Häupter unb §änptchen, fo gut es eben gehen
100 Ute.
$atf) oielcn weiteren Scfudhett. gingen mir, in einer anberen Strafje,
gu ebener ©rbe, burdj baS SorberljauS, bei ber Unebenheit bcs Sobeits
inbeh hinten nach bent «ftofe mieber eine Treppe hinnb unb alsbaitit
im Seitengebäube, noch eine Treppe tief unter bie ©rbe. Ter frijmalc,
cinfenftrige Heller, mit bem noch ein bunfleS oicüeicht 3 ©eoiertmeter
IjaltcnbeS Roch in ^erbinbuttg ftanb, mar nag unb fo itiebrig, baft idi
bequem an bie Tecfe faffen fonnte. Unb foldj ein Rudi muhte immer
noch mit 90 M. begaljlt merben. ©in eiugiges Sett, oteluiehr Sett*
geftcll, mit einigen oerfdjmärgten, gerfdjlificncii SettubciTcfteu brin, hatte
anher einigen Rumpett unb gerbrodjenen ©eräthen, gerabe Sinh. Sor
bem Settgeftcll ftanbcii ein paar SHohrftühlc mit gcrfepteit Sipen. Sor
bem einen auf beut fdjmu^ftarrcitbcn gujjbobeu fniete, mit Vliiyheffcnt
befdjäftigt, ein tutgefähr 10—12 jähriges SWtibcheu, bas hierbunlt etmas
319
Soziale $rcqt*. ©entralbtatt für SogtalpoUtt!. 9h:. 12.
320
gu oerbienen ftrebte. Sott biefettt elenben, fielen Kinbe, mit bem müben
©lief beSgammerS, bem ftruppigen, rotmn §dar, gerfcßlißtem, farblofem
Kattimfäbncßen, bas fcßlotternb atn £eibe §ittg, erfuhren mir beti gangen
abgrunbtiefeu gammer; freilich ftodte bie Antwort auf unfere grage oft
unb fattt bann uur fcbcu beraub. £ic Butter lebte gefeßieben, ober boeß
getrennt oon tfjrem Spanne, bem ©ater biefcö unb eines noch jüngeren
armen ©cfdiöpfcßeitS. 2)ie Notß, bte SNietße gu erfeßroingen, ßatte halb
beit Scßtafburfcßcu eingießen taffen. — ®ie natürliche golge mar bte
roilbe (Hk. Scßlafburfcße, grau in milber ©ße — 2 Kinber in feßon
reiferem KinbeSalter — für aHe ein Sett in foldj einem Scßanblodje!
Nidjt oiet beffet mar eine fpäter angetroffene SSoßnung. Söir
mußten gu ibr über ben engen unb mabrbaft atbembellemmenb rieeßenben
.£>of einer echten 5 ftödfigen Arbeiterfaferne. $)ort, eine Jreppe ßoeß/ * n
in bem bunflen Stiibdjen mit 2 elenben Setten, roobnte eine SBittroe
mit 2 Äinbern, oon benett baS eine geifteSfranf mar. gn bem bagu
gehörigen Kämntercßen fanb ein äußerft Dürftiges Sett plaß. tiefes
eine Sett mar an groei Sdjlafleute (grauen) oermietbet, ooft benett bie
eine eßeoerlaffen mar. |>iergu fam nod) bie mebrgefebene feßroarge Kocß*
gelegenbeit, giir btefe SBoßnititg mußten 168 M, troßbem ber ©erueß
aueß in ber Sühnung entfeßließ mar, gegaßlt rnerben. $>aS arme Sein
fudjte burd) Stopfen unb glideu etroaS gu oerbienett, fam aber babei
natürlich täglich nur auf einige Pfennige, $ie Armenoerroaltung gaßltc
monattidi 10, 5 o M.. t bie Sdjlafleiitegnfamuten 6 M. gm ipanfe
mobntett ungefähr 50 gantUiett. $>ie 40 gamiliett beS fpinterßaufeS
batten gufammen unten auf bem ßofe 3 bäßlidje, aus Srettcrn gufammen*
geftetttc Aborte. 3 an ß Streit unb SHeberlicßfeit gab eS natürlich, mie
uns bie grau flagte, aud) genug. — GS braucht eigeittlidj faunt noch
hittjngefügt rnerben, baß unter folgen — hier freilich faum ftüditig ge*
ftreiften — Umftänben auch bie förperlicße ©efunbßeit, je mehr, je garter
bie Sefen, tßeils fdimer gefcßäbigt rnerben mußte: gegebener $eit alle
non ber Sohnungsnotb ja untrennbaren Reiben, 9thad)itiS, Sfropßulofe,
Juberfulofe, u. f. m. ihre $erbe finben tttüffen.
3um Schluß biefer ergreifenben Silber, bie feineSroegS bie
bunfelften finb, bie in ben „©ängen bureß Säumer unb Notß"
entrollt rnerben, bie Setnerfung, baß Dberinfpeftor Sieber, Siele*
felb * ©abberbaum, gu jeber meiteren AuSfunft über ben beutfeßen
Serein „Arbeiterßeim" bereit ift.
SBoßmnig&roiß ht beutfehen SRittelfföbfeu. Aus 1: armjtabt mirb
berichtet: $)er Mangel an SBoßnungen für SWinberbemittelte ßul bie
©emeiitbeoerroaltung oon $armftabt oeranlaßt, ftch nach ©runb unb
Hoheit umgufeßen, ber für ben Sau folcßer SBoßnungen geeignet märe.
Silan hat aber megen ber bol) en greife, bie geforbert mürben, nidjts
finben fönnen, unb gebt nun mit bem ©ebanfen um, ftäbtifdjes ©elänbe
gu Saujroecfeu gu oermenben. Aucß foü ber grage näher getreten
rnerben, ob nicht gum 3 l ^eef ber ©rbauung oon Arbcitcrroüßnungen baS
©nteignungSuerfaßren gegen bie Sefißer oon in grage fommenben
©runbßütfen gu beantragen märe. — $er gaßresberießt beS ©eroerf*
fdjaftsfartefls in gena tßeilt mit, baß bie Wohnungsfrage, bie auch in
gena eine Kalamität fei,'mehrfach erörtert mürbe. Als uou bürgerlicher
Seite bie ©riinbung einer ©augenoffenfeßaft augeregt mürbe, bie gum
3roerf bat bie ©efeßaffung oon gefunben unb billigen SBoßnungen an
bie ©enoffen, finb oiele Sftiiglieber ber ©eroerffdjaften beigetreten, fünf
mürben fogar in ben Aufficßtsratb gemäblt.
$cr Karlsruher 9JJict^er- unb Saubereiu, e. tn. b. $)., Ijat
jeßt, nachbetn er eine Serie SJlietbSroobnungen fertiggefteUt hat,
einen neuen ^ßlan in Singriff genommen, ©r gebenft oberhalb
©ttlingen im ^ cr un t eren Älp ©infamilienhäufer he^nfteHen
unb an feine SJittglieber gegen Slbgahlung $u oerfaufen. ©S foKen
250 folcßer §äu3<hen erbaut rnerben, unb es mirb ftch ihr 9$reiS
auf etrnas über 6000 <JC ftellen. tiefer ^reis foH burch
jährliche Slb^ahlung oon 300 J( getilgt rnerben, unb bei ©in*
rechnnng ber 3” l f ei1 ift eine gfrift oon längftenS 28 3ah ren & a Su
oorgefehen. ©ine Slngahlung foH nicht ocrlangt rnerben. ®aS
Saufapital hofft man burch Ausgabe 3progentiaer Schulbfcheine bei
ber rcohlhabcnben Seoölferung 311 befeßaffen, uno bereits haben ber
Wroßbeqog unb bie 0 )roßher 3 ogin bem Sernehmen nach i e
100 000 t /H biefer Schulbfcheine gegeidjnet. $>ie gu erbauenbe
Molonie ift burd) bie eleftrifdje Sahn in feljr guter Serbinbung
mit Karlsruhe gebracht, auch finb bie gfahrfoften fehr niebrig, fo
baß bie SJtietherfparniß bei Weitem nicht aufgemogen mürbe.
Silan ocrfpricht fid), mie man uns feßreibt, für bie ©efunbßeit ber
Semohner ber Kolonie nur (künftiges unb leatSBerth barauf, baß
and) jebeS $aus mit (Sorten oerfeßen unb fo eine Heine Öanb*
mirthfehaft unb Sießhaltung geftatten mirb.
9lrheitertt)ob«uu0Öfrafle in ^ürifh). &ie .Hommtffion beö ©roßen
2tabtratheS beantragte ben Zulauf billiger unb geeigneter f^obnhäufer,
alter Käufer auf Mbbrudj ober Umbau, fomie ?lnfauf oon Saupläpeit,
alltnählidie .^erftellung billiger unb geeigneter Wohnungen burd) bie
Stabt pr miethmeifen Ueberlaßuug au Arbeiter unb ^lugeftclltc, coent.
and) au attbere ©iiimohner mit geringem ©infommeu, im Allgemeinen
görberuug oon Seftrebungen oon ^rioateit, gemeiunüßigen ©cjcllfdiafteu
unb Saugeuoffenfdjafteu für .^erftellung billiger unb gefuuber ^Joh s
nungen. ®ie Stabt foH einen SBoßnungSnachmeiS einrichten. gemer
muroe beantragt: ber ©rlaß eines tantonalen SBohnungSgefeßeS, ©e*
mährung billiger Anleihen an ©emeinben, Saugcnoffenfchaften ober
gemeinnüßige ©efeüfchaften, gumenbung oon Beiträgen an folrhe aus
Dem für gemeiitnüßige 3mede in AuSftcht genommenen gonbs ber
Kantonalban!.
<Ef|ie^tmg trab OUbmtg.
(Sine Statifiti! über ben obligatorifchen gortbilbungSfchulunterricht
tu ben preußifdjett ©roßftäbtem
Dbrnoßl bie SlooeHe gur ©emerbeorbnung 00 m 1 . Suui 1891
in §. 120 Abf. 3 ben ©emeinben auSbriicflicb bie Sefugniß ertheilte,
burch DrtSftatut ben 3u>ang gum Sefuch ber grortbilbungSfd)ulen
auSgufprechen, ift biefer SBmf beS ©efeßgeberS bis in bie jüngfte
3 eit hinein anfeßeinenb oßne praftifeße golge geblieben, ©rft jeßt
madbt fieß eine ettoaS lebhaftere Seroegung ber ©emetnben in biefer
SRicßtung bemerfbar, über beren Umfang unb ©rfolge man jeboeß
bisßer fo gut mie nichts mußte.
3tn Slai b. 3s. oerhanbelte aueß baS Scßulfuratorium gu
$)ortmunb über biefe mießtige grage. Seoor man jebodj befinitio
Stellung naßm, mürbe eine Umfrage über bie Serßältniffe in ben
größeren Stabtgemeinben SreußenS befcßloffen. 00 m Stati*
ftifeßen Amte ber Stabt 5)ortmunb bearbeiteten S^efultate geben
einen banfenSroertßen Auffcßluß über oiele bisßer bunfle ©tngel*
fragen.
Unter 50 befragten größeren preußifeßen Stabten befaßen 20
obligatorifcßen gortbilbungSfcßulunterri^t. §iergu tritt als 21.
$otSbam, roo bie ©emeinbebeßörben ben 3 roa n9 befcßloffen hatten,
roäßrenb baS DrtSftatut itocß bei ber Regierung gur ©eneßmigung
lagerte. Außerbem feßmeben gur fyit in brei meiteren Stabten
(granffurt a/3Jl., §ilbeSßeim unb Kaffel) noeß SSerßanblungen über
bie ©infüßrung. 23on ben 16 preußifdjen Stabten, bie im 3dßre
1895 über 10 Ö 000 ©inrooßner gäßlten, befaßen nur brei (Altona,
®angig unb Königsberg i/^r.) biefen Scßulgmang, bei groei meiteren
($ortmunb unb granffnrt a/3Jl.) mar er projeftirt. ©ei ber Kate*
gorie ber größeren 3Jlittelftäbte (50 bis 100 000 ©inmoßner) hatte
bie Snftitution bagegen meit meßr Anflang gefunben.
©ßaraFteriftifcß ift, baß Stettin erflärte, im gaßre 1897 märe
über bie grage oerßgnbelt roorben, ba aber bie ÜRehrgaßl ber
gnuungen fieß bagegen auSgefprocßen habe, fei oon ber ©infüß*
ruitg Abftanb genommen morben. ®aS ift feßr auffällig; benn es
bürfte moßl faum ein gnnungSftatut geben, baS nießt bie ©er*
pfließtung ber 9Reifter auSfpricßt, ißre Seßrlinge gum ©efueß ber
gaeß* unb gortbilbungSfcßulen angußalten, ßäufig ift bieS ißre
gange £ßätigfeit in päbagogifcßer ©ejießung. Unb nun biefer
©infprueß, bem fi(ß bie Stabtbeßörben fügten.
Seiber fonnte nur in brei gällen feftgeftellt rnerben, feit mann
bie gortbilbungSfcßuIpflicßt eingefüßrt roorben ift. 5)a fuß aber
biefe auf bie gaßre 1897 begro. 1898 begießen unb eS in ber ÜJleßr*
jaßl ber gälle ßeißt:,,DrtSftatut ift cingereicßt", fo ift auguneßmen.
Daß in ber £ßat bie ©infüßrung erft oon ben beiben Ießten
gaßren batirt, mit AuSnaßtne oon ©elfenfirtßen, melcße Stabt
bereits feit 1892 ein folcßeS DrtSftatut erließ.
$)ie Scßülergaßl ber gortbilbungSfcßulen feßroanft natürlich je
nad) ©röße ber Stabt unb ber gemerblicßen ©eoölferung feßr be*
träcßtlicß; boeß ßanbelt es fuß feßon jeßt um bebeutenbe 3 iff c ^n
oon Sd)ülern.
$)aS ^auptintereffe ber gangen ©nquete, ißr Scßroerpunft, ent*
fällt auf ©eantroortung ber grage: „gft eS nötßig, ßäufig einen
3mang gum ©efud) beS Unterrichts auSguübett?" Sir muffen babei
an bie gugeub ber gangen gnftitution erinnern. Naturgemäß geigt
fuß am Anfang biefe Sißattenfeite am mciften. ^iergu fommt, baß
fomoßl bie ©rmittelung mie bie K'ontrofe ber Pflichtigen eine feines*
megS geflärte unb einroanbfreie aller Drten ift. Senn troßbem
eigentlich nur Sinben bei §annooer über oerßältnißmäßig oiele
Strafen megen unentfcßulbigter Scßuloerfäumniffe flogt, fo ift bas
feßr bebcutfam. „Nießt feiten" fommt bergleid)eit in ©eifenfireßen
oor, ebenfo gu Königsberg i/Pr. unb ©HeSbaben. Sonft aber
mirb über befriebiaenbe guftänbe in biefer ©egießung berießtet.
Seßr ßäufig finb aber bagegen bie gätle, in benen gefagt ift, baß
Strafen fo gut mie gar rneßt oorfämeu. ©Ibing feßreibt noeß gang
befonberS: ,’^)er obligatorifd)e Sdjulbefucß ßat fieß gang
oorgitglicß bemäßrt." ©on etmaigen Niißerfolgen, bie gut Auf*
ßebung beS DrtsftatutS ©eranlaffung geben fönnten, ift feine eingige
Stimme laut gemorbeu.
So erfrenlid) eS nun an fuß ift, baß bie Verpflichtung gum
©efudi ber gortbilbungsfdjuleii innerhalb ber preußifdjen Stabt*
321
Sogiale ptaji«. Eentralblatt für Sogialpolitif. Kr. 12.
322
emeinben oon fclbft immer roeitere Streife gieht, fo fann bod)
iefeS lanafame Dempo roeber ben Sogialpolüifer itocfj ben päba-
O en befriebigen. Es barf hoch nid)t bem blofjen 3ufatt über-
in bleiben, ob bie Stabtoertretungen mit genügenb oiel fogial-
Politikern Del gefalbt finb, um ten 3nbifferenttSmuS unb bie
oielfach beftehenben boftrinören Borurtheile gu übenoinben, bagu
ift bie Sache gu mistig. @3 hanbeli fid) §ier um Daufenbe unb
Abertaufenbe oon jungen Leuten, bie baburch fo gut wie jeber (Ge¬
legenheit gur AuSbitbung oerluftig gehen unb beren geifttgeS Ka¬
pital an stenntniffen gefährbet ift burd) gu frühe3 Abbredjen be3
Schulunterrichts. D>af 3 biefer kroere Bedrohungen unferer
BolfSfraft, unferer gangen geioerblichen unb fogialen 3 u f u nft in
fi<h kliefet, brauet fautn angebeutet gu toerben.
Wohl ift e3 toahr, bah auch stabte mit fafultatioem gort-
bilbungS- unb gadjknlunterricht relatio günftige Kefultate auf-
toeifeit; ba3 fofite aber gerabe ein Anfporn fein, biefe burch ben
obliqatorifcfjen noch gu erhöhen unb gu oerbeffera. „S)ie Unent¬
geltlichfeit be3 Elementarunterrichts ift eine grofee Errungenfchaft,
aber mir fehen feinen Erunb bei ihr ftehen gu bleiben. &ie 3eit,
mo bie Anfangsgrünbe be3 WiffenS genügten, um bie grofee 3Äaffe
ber Beoölferung für ben Ä'ampf um3 Dtofein auSgurüften, ift
oorüber, bie höheren Anfprüdje, roelche ba3 Leben ftettt, erforbern
eine gröfeerc unb intenfioere Vorbereitung." S)er ba3 gefd)rieben,
ift ber fidjerlid) „fogialiftifcher" Regungen unoerbächtige Borfijjenbe
ber Berliner BoIfSroirthkaftlken Eefettfchaft, §err Stabtrath
Dr. W. Steigert. *)
Stobei mürbe ber obligatorike Unterricht nicht einmal fo un¬
geheuere finangielle Dpfer bebeuten, al3 oft eingemorfen mirb.
Wäre e3 aber felbft fo, bann mürben mir bann noch feinen
gmingenben ©runb gur Ablehnung erblicfen. Sogar in Berlin,
mo Doch bie Aufroenbung unb bie Bermehrung ber Sdjülergahl
burch ben 3 ro ang am größten märe, bebeutete nach ben Bered)*
nungen oon E. ^irfthberg**) biefer bie Bermehrung oon 8666
Schülern auf etroa 22 000.
S)ie ^orimunber Enquete belegt auch, öafe auf ber oierjährigen
Schulpflicht bis gum oollenbetem 18. Lebensjahre umfomehr be-
ftanben merben muh, als biefe aus päbagogifdjen Erünben ge-
forbert mirb. S)ie grofee Wehrgatjl ber Stabte mit obligatorifdjem
gortbilbungSfchuluntemcht kreiben biefe Periobe auch oor.
So märe benn biefe Ermeiterung beS gortbilbungSunterrichteS
gugleid) eine Beranlaffung, in ben geroählten Parlamenten beS
Beiches unb Preußens, baS in ber .fmuptfache allein rücfftanbig
ift, biefe grage mieberum anguregen. Es muh fo lange auf einer
^Regelung genereller Art burch 9teid)S- bep. LanbeSgefefe beftanben
merben, bis gröbere fogialpolitifdje Einficht alle entgegenftehenben
§emmniffe aus bem Wege räumt.
Berlin. Bubolf Eräfeer.
Soglalmiffenkaftlke in ßetpgig. (Sine Pflegftätte
fogialen ©eiftes ift bie £eipgiger „Sogialroiffenfcbaftlidje Bereinigung".
Kadj bem Bericht über ihr groeitcS Bereinsjahr 1897/98 erfdjien es ihr
merthooöer, ohne irgenb roeldje Kücfficht auf politifchc Anfdjauungen,
gelegentlich auch nur im eugften Streife Belehrung gu fudjen, als etroa
in öffentlidjen BolfSoerfamntlungen bie OTöglid^feit fachlicher unb forber-
Iicher AuSfpracbe gu gefährben. Unter ben acht gröberen Borträgen
mären nur gmei öffentlich. gür ben fommenbeit hinter ftnb bisher bie
Herren gacobSfötter-Erfurt, ferner Sombart-BreSlau, Äulemann-Braun-
fdjroeig, Dr. Kaumann-|>amburg, Dr. Ketn-gena, Sohnrep-Berlin
unb Dr. Bahel-^eipgtg für Borträge gemonnen. Eine Btbliothef ift be-
grünbet. Einen überrafdjenb groben Erfolg hatten bie oolfsthitmlichen
Sqmphouiefongerte, bie oon ber Bereinigung im notigen hinter ins
£eben gerufen morben finb. Die Eintrittsfarten gu 20 frf merben nicht
öffentlirfj oerfauft, fonbern burch Auflage oon Bcftefllifteu in gabrilen
unb ©efdjäften, bantit gu biefen Beranftaltungen auch mirflich bie Streife
herangegogen merben, bie fonft geroöbnltdj baoon ausgefchloffert fmb.
Senn audj oon ben 600 gabrifbefifjern etroa bie $älfte bie Sifte unter
ihrem Perfonal nicht berumgeben lieben, fo mürbe hoch ein burchknitt-
liAer Befuch oon 3000 perfonen ergielt. S)abei mar eS nicht bie 9lb=
fic$t, ctmas umfouft gu bieten, nein, feine Sohltljätigfeit, fonbern Dar¬
bietungen oon fünftlerikent 253crtf) für bas Bolf gegen bas Opfer eines
mäbtgen Eintrittsgelbes, ^ür biefen hinter finb mieberum 6 Äongerte
in flusfid)i genommen. Der Borftanb hofft, in l'eipgig biejenigen
bauentb gu fantmeln, bie ihre nationale Eefinnung befonberS in oer
Arbeit für ihre minber begünftigten Bolfsgenoffen bethätigen möchten.
Dem Borftanb gehören an prioatbogent Dr. ©alter Eoefc, Dr. K. Äöhfdjfe,
Dr. Söhnt, Dr. rl. OHefecfe, Daoib 9toft, Euftao bc Öiagrc, Dr. ©. Stieba,
Dr. ©uubt 2 c.
*) 2)ie Bolfsfdjulc unb ber gcmcrblidic Unterricht in ftranfreirf).
Berlin 1890.
**) Die fogialc s 2age ber arbriteubeii Ml affen tu Berlin. Berlin ls‘J7.
S. 17 u. 126.
Sojiole Jjqgtette.
Ein fifngtei gur Befämpfung ber Duberhtlofe als BolfS-
franfheit mirb oom D)eutken Eentralfomitee gur Errichtung oon
^eilftätten für Lungenfranfe für bie Dage oom 23. bis 27. 3Jtai
1899 nach Berlin einberufeit merben. S)er KeichSfangier h^t ben
Ehrenoorfth übernommen. D)ie Aufgabe beS ÄongreffeS foÖ barin
befielen, einerfeitS bie Bebeutung ber Duberfulofe als BolfSfranf*
heit, anbererfeitS bie 3RitteI gu ihrer Befämpfung ben meiteften
Greifen oor Slugen gu führen. Um biefer Aufgabe gu entfpredjen,
hat baS mit ber Drganifation beS ÄongreffeS beauftragte Komitee,
an beffen Spi^e ber $ergog oon Batibor unb Eeheimrath o. ßepben
ftehen, ben gefammten ©egenftanb in fünf §lbfchnitte: StuSbreitung,
Sletiologie, prophpfafe, Xfaxapit, §eilftättenroefen, gerlegt. 3Rit-
glieb beS ÄongreffeS fann 3^ber merben, ber Sntereffe an ber Be¬
fämpfung ber Duberfulofe als BolfSfranfljeit h^t unb eine Btit*
aliebsfarte bei ber ^affe beS EentralfomiteeS für Lungenheilstätten
löft. D)ie Begierungen beS 3n* unb SluSlanbeS merben oon ber
Abhaltung beS Stongreffes oerftänbigt unb um bie Slborbnuug oon
D)elegirten erfudjt merben.
D)aS SDeutke Eentralfomitee gur Errichtung oon $eilftätten
für Lungenfranfe hot eine Eeneraloerfammlung für ben 9. 3fanuar
einberufen. Slufeer Bfittheilungen über ben Sfongrefj gur Befämpfung
ber Duberfulofe fteht als ^auptgegenftanb auf ber DageSorbnung:
w 3Bie ftetten fi<h bie Eemeinbett gur ^eilftättenfrage?" Bericht¬
erftatter hi cr fi* r f in ^ Oberbürgermeifter o. Borftht-Btündjen unb
Lanbrath Bafe-Saarbrücfen.
©dhuförgte* $>ie Aufteilung oon Schulärgten keint fk bem
ShiltuSminifterium immer ftärfer als Kothmenbigfeit aufgubrängen.
An oerkiebene BegierutigSpräfibenten ift ein Erlafe beS StultuS-
minifterS gegangen, monach eine ärgtliche Unterfuchung einer
größeren Angahl oon $inbem inlänbli^en Begirfen oorgenommen
merben fott, befonberS ber neuaufgunehmenben. An etrna fechS
Schulen eines jeben BegierungSbegirfS fott burch ben guftänbigen
Btebiginalbeamten unter 3wsi^unö beS toiSkulinfpeftorS unb
^auptlehrerS unterfucht merben, ob bie gum Schulbefuch atigemcl-
beten Minber 1. ohne Eefährbung ihrer SRitküIer gum Eintritt
in bie Schule gugelaffen fmb unb 2. oorauSfktlid) kne ^ac^t^cil
für ihre förperliche Etitmicfelung an bem Unterricht uneingekränft
ober bebingungSroeife theilnehmen fönnen. 3m Anklufe h^ran
ift gugleich bie Berichtigung ber Schulgimmer oom kö^nifchen
Stanbpunft aus oorgunehmen unb auch barüber gu berichten. Auf
Erunb biefer Sfcftftettungen fott bann ein Urteil barüber ge¬
monnen merben, ob bte ärgtlke Prüfung beS EefunbheitSgu-
ftanbeS bei ber Aufnahme ber Sfinber in bie länblken BolfSkulen,
fomie bei ber gefunbheitlidjen Uebermachung ber Schüler über¬
haupt unb in meld)em Umfange erforberlich fei. — 3n Berlin
ift bie Schulargtfrage aflmählith fo roeit gebiehen, bafe pe am
15. D)egember oon ben Stabtoerorbneten einem AuSfthuffe über-
roiefen mürbe.
Der Bereut für BolfSheilflätten m Württemberg, ber fid) nunmehr
organtfirt uitb am 24. Cttober feinen BermaltungSrath geioäl)tt hnt
(Borftbenber Staatsratl; o. 3Rofer) mirb bei ber pargelle (©chtffrain,
©emeinbe Keid)enberg, eine, bie erfte roürttcmbergi[che .^eilftättc errichten,
bie im griihjahr 1900 eröffnet merben foll.
®EwerbtgcrlrC)tc. (Eiuigungsömter. Sdjtcb^gcridjtc.
Heber bie fttechtfpredjttng beS EetoerbegerichtS gu Berlin.
3n bem BermaltungSbericht über baS (Geroerbegericht gu Berlin
für 1897/98 mirb mitgetheilt, bafe Klagen oon Arbeitnehmern
12 837 (957*2 o/o)/ non Arbeitgebern 568 (472 °/o) angeftrengt
morben finb. Bon ben burch Arbeitgeber angeftellten 568 pro-
geffen gelangten 53 gum fontrabiftorifchen Urtljeil unb mürben
hieroon 41 = 77 % gemonnen. AnbrcrfeitS fameit oon ben 12 837
progeffen ber Arbeitnehmer 1732 gum fontrabiftorifchen ilrtheil
unb ftegten h^r bie Kläger in 686 gälten = runb 40 %. Wir
erflärten bagu, baß biefe 3klen ben oöttig neutralen Stanbpunft
unferer Beiftfeer bemeifen unb in 3 u ^ un ft biejenigen ein für alle
Wal oerftummen mad)en merben, roeke bie aus ber Luft gegriffene
Behauptung fk erlaubten, baf$ auf ben (Gerocrbegerid)ten bie
Arbeitnehmer „mehr 9ted)t" befänten als bie Arbeitgeber. D>er
Umftanb, baft in biefern puitfte bie Arbeiter ben Arbeitgebern fo#
gar um 37 % gur lief ftehen, laffe beutlich erfemten, ba& oorgebad)te
unb ähnliche Behauptungen mir ber Ausfluß unlauterer Bcftvc-
bungen finb.
324
323
©ogiale prägt». ©entralblatt für ©ogialpolitif. 9fr. 12.
Xie Hoffnungen, roelc^e mir gehegt fabelt, finb trügerifd)
gemefen. Xie „Xeutfdje Bolf»roirthfd)aftlid)e Sforrefponbeng" oorn
13. Xegember b. 3-, beren grunblofe Angriffe gegen bie ©emerbe*
gertd)tc bereit» im April b. 3- energifd) gurüefgeroiefen raerben
mußten, 1 ) oerfudjt anfnüpfenb an ben oben oon un» angeführten
Xh e ü b *8 BerroaItung»berid)teS roieberum beit Serth ber ©emerbe*
gerid)te unb ihrer Sfedjtfpredjung herabgufefcen. Xie $orrefponbeng
fteÜt bie grage auf, ob e» etrna ein 3eugnih für bie Uebergeuguttg
oon ber unfererfeü» behaupteten Unparteilid)feit ber ©emerbe*
gerichte fein folle, bah oon ben 12 827 im Berid)t»jahre angefteüten
Klagen 9572 °/o oon ben Arbeitern unb nur 4Vs % oon ben
Unternehmern eingeleitet mürben. Sir mürben fchon, fährt bie
3 eitfd)rift fort, au» biefer einen Berhältnihgahl folgern, bah ein
Vertrauen gu ber gemerbegeri<htlid)en Stedjtfprediung bei ben
Arbeitgebern oiel roettiger al» bei ben Arbeitnehmern beftehe,
ba hoch niemanb unterfteflen mürbe, bah bie Unternehmer im
Berfjältnih obiger Progentgahlen ihren Berpflichtungen gegen
bie Arbeitnehmer fehlerer nachfämen, al» e» umgefehrt ber galt
fei. Senn ferner bie Arbeitgeber 77 %, bie Arbeitnehmer
aber nur 40% obfiegenbe ©rfennntniffe burd) fontrabiftorifdje»
Urtheil ergielten, fo läge ba» einen oielfagenben Schluh auf bie
Cualität ber Anfprüdje gu, roelche bie Arbeitnehmer im Vertrauen
barauf, bah mehr al» bie Hälfte ber Seifiger Sogial*
bemofraten feien, oor ben ©emerbegerichtcn erheben. 3 m
Uebrigeit habe man nur nötljig, bie 33ericf)te über bie ©emerbe*
geritbt»ocrhanblungen gu oerfolgen, meldje ber „BormärtS" bringe,
um oie in bem BerroaltungSbendjt ausgefprochcne Anfid)t oon ber
Unparteilichfeit ber Beifiber gu mürbigen. Xa» Vertrauen gu
ben fogialbemofratifchen Beifibern ber ©emerbegerichte fei fo ein»
fettig mie möglich- Senn bie Statiftif ergebe, bah in fehr oielen
Säuen bie in folgern Vertrauen erhobenen AnfprüdEje ber Arbeiter
abgeroiefen rnerben mußten, fo geige fich gerabe barin, mie bie
fammenfebung ber ©emerbegerichte, fo mte fie fid) nach ben gefeb*
lieben Borfdjriften geftalten muhte, fehr fonberbare Stecht»»
anfehauungen bei jenen entmicfelt hat, melche gum ©emerbegericht
gehen, meil ftc oorauöfefcen, bah ihre Seifiger ihnen bort fd)on
„Stecht" gu oerfchaffen roiffen mürben.
Xurch biefe Ausführungen glaubt bie „Xeutfdje BolfSmirtfj*
fchaftliche ftorrefponbeng" bem Bermaltuug»berid)t 3 rrthiimer nadj»
gemiefen gu haben. ©g ift ihr bie» feineSmeg» gelungen. Xurch
ba» leiber noch immer oorhaitbcne SRifttrauen einer Angabi Arbeit»
geber, rocld)e», int Berfchminbcn begriffen, burch bie Eritif be» Ber*
maltungSberidjt» roieber genährt rnerben foll, unb burd) bie an»
gebliche Auffaifung ber Arbeitnehmer, bah fie in golge ihrer 3u»
gehörigfeit gu einer beftimmten Politiken Partei felbft bei ben
uubegrünbetften Klagen oor bem ©emerbegericht „Stecht" erhalten
mürben, beroeift man nicht bie ‘parteilichfeit ber Stichter unb ebenfo*
menig, bah mir mit unferen, feiten» ber $orrefponbeng bemängelten
Behauptungen be» Bericht» un» im Unrecht befinben.
Auch bie Berichte be» „Bormärt»" über bie Berljanblungen
beim ©emerbegericht bemeifen nidjt» gu llngunften ber ©emerbe*
erid)te. ©» ift befannt, bah 3 e üang»beri^te über ©erichtSoer*
anblungert mehr ober mirtber unguoerläffig unb besmegen mit
Borfidjt aufgunehmen jtnb. 2 ) Senn man ben reblidjeit Sillen |at, ftch
ein forrefte» Bilb oon ber Xljätigfeit ber ©emerbegerichte gu oer»
fdjaffen, fo möge man bie oom Berbanbe beutfeher ©emerbegerichte
oeröffentlichten ©ntfeheibungen unb bie oon Unger herausgegebenen
©ntfdjeibungen be» ©emerbegericht» gu Berlin ftubiren. AlSbann
mirb man gu ber ©rfenntnih gelangen, bah oon ben ©emerbe»
geridjten meber nach ©utbiinfen noch einfeitig gu ©unften ber
Arbeitnehmer entfliehen mirb. 8 )
3a ber erftcti 3 dt be» Beftehen» eine» ©emerbegericht» rnerben
oereingelte gäOe nicht au»gefchloffen fein, in benen fid) bie Beifiber al»
SRanbatare ihrer Sähler fühlen. ©» ift bie» guntal bei ben Arbeit»
nehmern nidjt gu oermuiiberit, ba fie — roenn man oon ben Sieid)»*
taa»manbaten abfieht — gum erften SRale burch ^ a » ©emerbegericht»»
gefep gu einem oerantmortlidjen ©hrenamt berufen rnerben. S^ach
ben überall gemachten ©rfahrungen fann man fagen, bah im ©rohen
unb ©angen bie Beifiber [ich in ihre 2tellung al» Stifter überrafdjenb
fchneU hiaeingelebt haben. 3 ut llebrigen haben mir mäbreub
*) Siebe ba» ©cmcrücgcridit oom 2. 'umi lsys 3p. 97 imb 9*.
2 ) Bcrgl. gaftrom, btc (Erfahrungen in bcu beutidn'ii ©emerbe»« I
geriditeu in ben gahrbüdiern für S?ationalöfoiioniie imb 2tatiftif. Xritte |
golge. Bb. XIV (LXIX) 3.331 u. ff.
3 ) @iclie hiergu V.'auteufd)läger in ©dintoUcr* oahrluid) für ('k'iep» !
gebung 1-S93 3. 172, Tvlrfdj in bcu Blättern für 2o.gialc Brari» oom |
2 . Augnft 1S93, oaftrom a. a. C. 3. 3(>4 imb 33.» uni» 3. 3;>i;, unb 1
Bi. o. 3cfjitlg in Braun » Arrfjiu Bb. XII 3. 79sff. i
unferer mehrjährigen Xhätigfeit nirgenb» bie Beobachtung gemacht,
bafe bie oon ber Slorrefponbeng gefchilberten „fehr fonberbaren
S^edht»anfd)auungen" bei ben Arbeitnehmern heroortreten. Xic
„Xeutfdfje Bolfsmirthfchaftlid^e Morrefponbeng" hält bie SaieHigeng
ber Arbeitnehmer mirflich für eine gar fo geringe.
Seitit hin »ab micbcr frioole Klagen feiten» ber Arbeitnehmer
anhängig gemacht rnerben foHten, in ber ©rmartung, auf biefeut
Segc Zahlung- einer menn auch nod) fo geringen Summe oom
Arbeitgeber gu erreid)en, fo barf man für biefe» $hun ni^t eine
politifd)c Partei oerantmortlich machen. Xcr gehler mirb oielmchr
im ©efebe felbft gu fliehen fein. Xer Borftbenbc be» ©ericht» hat
nach §• 39 be» ©cmerbegcrid)t»gefebe» in allen Stabicn be» Siecht»*
ftreit» ben Berfpd) ber gütlidjen ©rlebigung gu machen. Xiefe
Borfchrift hat tl)atfäd)lid) Unguträglichfcitcn h^roorgerufen, inbem
bie Arbeitgeber mehrfach bie ^lagefummc ober einen Xheil ber»
felbeit, auf meldie bie Arbeiter oon 3ied)t»roegen feinen Aufprud)
hatten, ben Klägern in bem Sühnetermine burch Bergleich gu»
billigten. Xie befannt gemorbene Siachgiebigfeit ber Beflagteu
mag eingelne Arbeitnehmer ocrleiten, einen fonft au»fid)t»lofcit
Progefe gegen ihre Arbeitgeber anguftdlen. 4 ) SRit berartigen pro»
geffen, melche ftet» bie Ausnahme bilbeit rnerben, rnerben aber aud)
bie orbentlicfjen ©eridjte behelligt. ©» ntufe baher mit aller ©nt*
fd)iebenheit betont rnerben, ba& e» nicht eine ©igenthümlid)feit
gerabe ber ©emerbegeridjte ift, tocitn aud) bei ihnen frioole Klagen
ängebradjt rnerben.
Um bie Haltlofigfeit ber beleibigenbcn Bcrbäd)tigungeit ber
„Xeutfdjen oolf»mirtljfchaftlid)en ^orrefponbeng" im fldrften ßid)te
u geigen, nehmen mir Beranlaffung, auf ben Bermaltung»bcricht
e» Berliner ©emerbegericht» näher cingugehen:
Bon ben im ©efdjäftsjabre 1. April 1897 bi» 31. SRarg 1898 gur
Acdjtfprechuug gelangten 12 827 Klagen mürben erlebigt:
a) burch Berglcich.
6 723
72,3
°/0;
b) * Beriid)t im Sinne bc» §. 277 ber
Gioilprogefjorbnung.
2 \
, *)i „
o) burch ^urii cf nähme.
2 734 j
1 _ J,3
d) * Anerfenntnihurtheil.
31 \
► = 8/4
e) * Berfämnnihurtheil.
1 042 S
f) * anbere Gnburthcüe:
a) mit Bemeioaufnahme . . 1227
ft) ohne Bemci»aufna()mc . . -781
1814
=-- 14,1
") nnerlebigt blieben am Sdjluh be» Be*
rid)t»jal)re».
4SI
= 4
12 827
= 100
Xie Xhatfache, bah 52 3 /j 0 % ber gefamntten oon ben Arbeit»
nehmern eingereichtcu Klagen burch Bergleich (innerhalb ein bi»
brei Süthen) foftenlo» beteiligt morben finb, mühte felbft ben un»
oerföhulid)ften ©egnern ber ©emcrbegeridjte ba» Befenntnih ab*
ringen, bah hier fdjuell, billig iutb fachgemäh Stecht ge*
fdjaffen ift. Senn e» aber ferner angängig mar, bie Urheber oon
2734 = 21 3 /io °/o ber eingelaufenen Klagen gur ©infidjt ber Hi» s
fälligfeit berfelbeit gu bringen unb gur 3»riicfnahme gu bemegen, fo
hat ba» ©emerbegericht hierburch foroohl ergieherifd) al» au^ in»*
befonbere im gntereife ber ©erechtigfeit gemirft. Angeftchl»
biefer Xhatfachen ift e» faum gu glauben, bah fi^h bie breifie Be*
hauptung oon ber Parteinahme be» ©emerbegericht» überhaupt
heroormagen fann.
Xiejenigcn 1073 = 8, 4 o / 0 progehfäüe al»bamt, melche burd)
Anerfenntnih* begm. Berfäumnihurtheilc beenbet mürben, legen an
ben Xag, bah bie oerflagten Arbeitgeber ben gered)ten Klagen
mohl au»nahm»lo» begrünbete Ginroeitbungen cntgegenguftelleu
nid)t in ber Sage maren.
Unter ben 1814 = 14,i o / 0 burch ©nburtheil erlebigten Klagen
befanben fich nur 686 = 40 %, melche gu ©unften ber Arbeit¬
nehmer entfliehen mürben. Hi^rnu» erhellt, bah rnnb 60 % biefer
Klagen gu ©unften ber Arbeitgeber ausfielen. Xiefe» ©rgebnih
fpr*id)t mahrlich nicht für ein parteiifchc» ©emerbegericht.
Senn auherbetn oon ben 12827 angrftcütcu progeffen am Schluffe be»
Berichtsjahre» nur 481 = 4% nicht erlebigt roaren, fo bebeutet
bie», bah bie unparteiifd)e Ste^tfpred)ung be» ©emerbegericht» gu»
gleich auch eine fchnellc ift.
Sa» nun bie oon ber $orrefponbcitg fjeroorgehobene geringe
; 3 Q lü ber Silagen ber Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer anlangt, fo
1 muh wor allen Xingen barau erinnert rnerben, bah ** a ll er Orten,
! alfo aud) in Berlin, mehr Arbeiter al» Arbeitgeber giebt; im
i Allgemeinen ftellt fid) ba» Berf)ältnih mie 9:1. gerner barf nicht
j anher Betracht bleiben, bah rin Arbeitgeber feiten unb nur ungern
i 4 ) 3id)e liiiTÜbel* gaftroio a. a. £. 3. ‘>'>4.
Sogiale prajlS. Eentralblati für Sogtaipolttü. Kr. 12.
826
826
eilten progefe wegen einiger KJarf Scbabeuerfafe anftrengt, weil
feine 3^it ihm mehr gilt. Itmgefcbrt ifi ber Arbeiter Bei feiner
gumeift ungiinftigen BermöcjenSlage gegmiutgen, wegen unberechtigter
Sobnabgüge ober wegen feines ©Habens aus uitrechtmäfeiger Ent«
laffung fein Ke<ht oor bem ©ewerbegericht gu finden. Jaftrow
weift aufeerbem barauf |itt, bafe bie Arbeitgeber im Bcgc ber
ßobncinbe^altung ftch aufeergerichtlidje §ülfe febaffen fönnen unb
auch fdtjaffen. SBenn man fid; barauf berufe, ba§ im Bcrglctdf) gu
ben gasreichen Klagen ber Arbeiter gegen Unternehmer bie' lefeteren
baS ©ewerbegericht als Kläger nur wenig in Anfpruch nehmen,
bafe fte alfo im Allgemeinen gu bem ©ewerbegericht fein rechtes
Vertrauen gu haben fdheinen, fo treffe biefe Sctjlufefolgerung nicht
gu. Söo loFale ©rünbe eine ftärFere Snatifpruchnahme bes ©e«
roerbegeridhts burd) bie Unternehmer erforberlirf) machten, erhielten
fie auch mit höheren 3iffertt. So !ämen in flauen auf
412 flagenbe Arbeiter nicht weniger als 311 flagenbe Unternehmer
(alfo 57, 0 unb 43, 0 %). $ie Bettufeung ber ©ewerbegeridhte burcf)
bie Unternehmer fönne nicht als beweis bafür angeführt werben,
bafe fie nicht auch auf Seiten ber Unternehmer Bertraneit geniefeen. 5 )
Aus bem Artifel ber Korrefponbeng lieft man überhaupt unfdjwer
heraus, bafe mit ben hinfälligen Angriffen auf bie Kechtfpredhung
beS ©ewerbegeridhts weniger biefeS als bie fogialbemofratifche
Partei gu treffen begwecFt wirb.
3um Scfelufe foU oon uns noch erwähnt werben, bafe bie
©oangelifchen Arbeiteroereine ftch für bie ^hötigfeit ber ©ewerbe«
« erwärmt hn^^n. 6 ) Auch bie 48. ©eneraloerfammlung
tbolifcn DeutfdhlanbS hot am 21. Auguft b. 3. bie bisherige
Arbeit ber ©ewerbegeridhte gur frieblichen Schlichtung oon Streitig«
feiten aus bem Arbeitsoerhältnife, unb bie BirffamFeü ber ©erichte
als Einigungsämter ooH anerfannt. 7 ) BefonberS bemerfenSwerth
ift jeboch für uns, bafe ber DÜnifter für §>anbel unb ©ewerbe
nach feiner Umfrage bei ben Aelteften ber berliner Kaufmannfchaft
unb bei ben ^anoelsfammern über bie Errichtung oon Schiebs*
gerichten für Streitigfeiten gwifchen Sfaufleuten unb ihren An«
gefteÖten eoentuell auch felbftänbige Faufmännifche SchiebSgerichte
eittgufefeen im Auge hat. 8 ) danach ftnb bei ber hödf)ften AuffichtS«
inftang ber ©emerbegerichte oermuthlich biefe bo<h beffer beleumbet,
als es bie SSiberfadtjer ber ©ewerbegerichte wünfefeen mochten.
Bei biefer Sachlage werben bie ©ewerbegeridhte über bie Un*
gnabe ber „Deutfdjen BolfSwirthfchaftlichcn Korrefponbeng" unb
ähnlich gefinnter Blätter ftch gu tröffen wiffen.
Berlin. _9)2. oon Schulg.
EtmgnngSamt im eugtifhen Kohlenbergbau. Die früher oer«
tagte Berjamnilung ber Bertreter ber ©rubenbeftfeer unb Arbeiter
in ben oereinigten Begirfen ift jefet am 14. Degentber abgehalten
worben. Die Srage, wer ben Borftfe führen foHe, ift gu beiber«
feitiger Befriebigung geloft worben. Kach ber Bereinbarung füllte,
wie man ftch erinnern wirb, bei einem Mangel an Uebereinfümmung
innerhalb beS Amtes, ber Borftfeenbe oom „Sprecher" beS Unter«
haufeS ernannt werben. Dagu brauchte es inbeffett nicht gu
fommen, fonbern bie Bertreter beiber Parteien einigten ftch, unb
einmüthig würbe ßorb SamcS oon ^ereforb auf biefen wichtigen
Boften in ber Belt gewerblicher Einigung berufen. Bermuthlich
wirb inbeffen bie Saft feiner Pflichten nicht aUgu fchwer fein, ba
feine Anwefenheit bei ben Sifeungeit lebiglidh bann erforbert wirb,
wenn bie Delegirten ftch nicht felbft einigen rönnen, was nach bem guten
Anfang hoffentlich feiten ber galt fein wirb. 9J?an fc|retbt uns
gu biefem bebeutfamen Borgange aus Sonbon: „Englanb bebarf
gerate jefet recht bringenb eines fchlagenben BeweifeS für ben Er«
folg gewerblicher Diplomatie, unb auf biefe Beife würbe auch fo«
gar bas Pringip gewerblicher Einigung eine gröfecre Berbreituitg
unb Anerfennung finben."
Ablehnung eines SfhiebSgeridjtS gtoifchen $ycbent unb Seeleuten
am Ettybe. Dte in Sp. 255 erwähnte Bewegung unter ben eng«
iifchen Seeleuten gegen baS Spftem ber Federation ticket hölt
noch an, ohne jeboch an AuSbehnung gu gewinnen. Der „©ewerF*
8 ) Jaftrow a. a. C. 0. 372 ff. unb baS „©eioerbcgericht" oom
3. September 1896, 92r. 6 Sp. 75.
6 ) Eingabe betr. EtntgungSämter unb SchiebSgerichte oom 22. £f=
tober 1897 beS Auspuffes bes ©efammtoerbanbcS ber Eoangelifchen
Arbeiteroereine DeutfchlanbS an bett Reichstag.
7 ) Siebe baS „©ewerbegericht" oom 1. September 1898 Kr. 12
Sp. 144.
8 ) Siebe bas „©eioerbcgericht" oom 4. Koocmbcr 1897 Kr. 2 Sp. 23
unb 24.
oereiit ber Seeleute unb Jfcuerleutc" hat fog .s^aitbelS« unb ©c-
werbentinifterium erfuchi, einen Unterfudtjer gu befteHen, um bic
Streitpunfte gwifchen ihnen unb ber Shipping Federation aufgu«
Flären unb einen SchiebSfpruch J^crbci^ufüören. Darauf h a * ba$
Btnifterium ein Sd)reiben an bie Hnterttehmerocreinigung gerietet,
ob eS biefem Begehren ber Arbeiter ebenfalls guftimme. Die
Antwort war ein runbeS Kein. Die Unternehmer ftnb ber Anfufit,
ihr Streit falle nicht unter baS BerföhnungSgefefe oon 1896, unb
fte wollen Feilte Bermittelung oon irgenb einer Sette, mag fte auch
noch fo gut gemeint fein.
föefornt ber frangbftfehen ©emerbegerichte. Dem frangöftfdhen
Parlamente Ifegt ein Antrag, betreffenb oie Keforrn ber Conseils de
Prud’hommes oor, ber einer SpegialFommtfftott gur Beratung
unb Berichterftattung gugewtefett würbe. Der AngelpunFt ber be«
autragtert Keforrn liegt tn ber Sicherung einer einheitlichen Kecfjt*
fpredtjung, nadhbem bte Erfahrung gelehrt hat, bafe in ben 50 000
Streitfällen, bie alljährlich gur Entfcheibiutg oor bie Prud’hommes
gelangen, an oerfchiebenen Orten überaus üerfthiri> c ü c Enburtheile
gefällt werben.
Cttentrlfi^e Änjcigto.
B2iinchencr BolfSwirthfchaftliche Stubien. §erausgegeben oott
2ujo Brentano mib BalterSofe. 27. bis. 29. Stücf: 3 ur ®eneftS
ber heutigen agrarifdfiett Sbcen in Preufeen. Bon Alcjmnber
Üeim). 141 S. Breis 3 ut . — 2)as Sd{)laffteUenwefen in
ben beutfcheit ©roßftäbten unb feine Keform mit befonberer Be«
rücfftcbtigung ber Stabt SKintchen. Bon Dr. Ernft Eahn. 121 S.
preis 3 M. — Die £age ber beutfhen SRüfjleninbuftrie
unter bem Eiupufe ber ^anbelspoliti! 1879—1897. Bon 2ubwig
§oHänber. 98 S. Preis 2,40 Uf. Berlag ber 3- ©• Eotta’fch en
Bnchhanblung Kachfolgcr in Stuttgart.
I/Humanite Nouvelle. Revue internationale. 2® Annee. Octobre
1898. Paria, Librairie .0. Reinwald; Brüssel, Librairie Spineux,
# Prix du Numero: France et Belgique 1 fr. 25, Etranger 1 fr. 50.
Bitten. §auShaltS*Etat ber Stabtgemeinbe Bitten pro 1897/98 nebft
Bericht über bie Berwaltung unb ben Stanb ber ©emciitbe«
Angelegenheiten pro 1. April 1896/97.
ata ft er ber im Königreich Prcufeen oorhaitbenen eingetragenen ©e«
noffenfhaften. Unterlagen gur ®enoffenfchaftS|tatiftif. Be«
arbeitet oon ber preufeifdfjen Eentral * ©enoffeitfchaftS«Kaffe.
Berlin 1898, Earl ^epmattns Berlag. 649 S.
I. Kachtrag, 192 S.
Statistiscli Jaarboek der Gemeente Amsterdam, uitgegeven
door het Bureau yan Statistiek der Gemeente. 2® Jahrgang 1896.
3« Deel: Grondgebied, Hygiene. Prijs f. 0,50. — 4® Deel: Open-
baar en bijzonder onderwijs te Amsterdam. Prijs f. 0,30 —
5® Deel: Gemeentelijke Financien. Prijs f. 0,20.
Biittheilungeu ber Preufeifhen Eentral«EenoffenfhaftS«
Kaffe, .^eft I. Statiftifclje Ergebniffe beS KatafterS ber im
Königreich Preufeett oorhatibenen eingetragenen ©enoffenfehaften.
Berlin 1898, Earl ^eijmcntns Berlag. 85 S.
Bergeichnife ber BetriebS*(5abrifS*)Kranfenfaffen beS beutfhen
KeicheS. B?it Benufeung amtlicher Cuellen gulammengeftellt.
Kebft einem alphabetifhen Kegifter ber Drtfqjaften unb ber
^abrUationSgwcige. Berlin 1898, Berlag ber Arbeiteroerforguug
(A. Drofhel). 184 S. Preis 6 M.
Bericht über bie Berwaltung ber ^noatibitäts* unb AlterSoer«
ficherungSanftalt 0djleSwigǤoiftein pro 1897.
Eonrab, Prof. Dr. ©runbrife gum Stubium ber poiitifdfjen Cefo«
nomie. 3ajriter &heil: BolfSwirthfhaftSpolitiF. 2. erweiterte Auf«
Auflage. Sena 1898, ©uftao ^ifher. 144 S. Preis M 2,80.
Kogge, Ehriftian, Dhomas Earltjle. Ein ©ebenFblattgurhunbertften
Bieberfehr feines ©eburtstages. ©öttingen, BanbenhofcF & Kup»
recht. 1Ö0 S. preis geh- M 1,20.
Eine aus warmer Berehruitg entfprungene biographifhe SFigge beS
großen SKanneS, bie bringenb jum Stubium feiner Schriften auf«
forbert.
Jahresbericht bes Berbanbes gur Sörbcrung bes ArbeitSnach«
weifeS im Kegierungsbegirf Düffelborf pro 1897/98.
Augsburg, Berwaltungsbericht beS Stabtmagiftrats Augsburg pro
1897.
Das Armen recht, insbefonbere bas KeichSgefefe oom 6. Juni 1870
über ben UnterftüfenngSwohnftfe in feiner Bebeutuitg für bie pri*
oatwohltbätigfeitS«Bereine unb Anftalten. Bit einem Anhänge
über bie öffentliche Armenpflege in Bayern, .jperausgegeben oon
einer Komrntffion bes EharitaSoerbanbeS für bas fatholifhe
Dcutfchlanb (Eharitas«S(hriften. 1. £>eft). /vreiburg i. B. 1898,
Berlag bcS EharitaSoerbanbeS für bas Fntbolifchc Dcutfchlanb.
91 S.
SkrantiDoitUd) für bic ^cbnfitou: Dr. CSvuft ^raliefe in Berlin W, »agreutrjcrflvaftc 2H.
828
327 Sojiale $ra£tS. Eentralblatt für <So$ialpolitif. Hr. 12.
® ie "Sroitaic ctjd^eint ait jebem Xomictttag unD ift Durd) alle Hucbbaitblungen unD 4>oftäiuter (^oftjoitungSnuiiiiner 6729) 311 bc^ieljen. Xer ^rciö
für Hierteliahr ift SW. 2,50. 3ebe Stummer foftet 30 Hf- Xct SlttaeigenpreiS ift 60 ißf. für bie breigefpaltene ^etit^eile.
Otto Liebmann, Verlagsbuchhandlung, Berlin W. 35.
Vergleichende Darstellung des Bürgerlichen
Gesetzbuches und der Landesrechte.
Das Gemeine Recht. v» D Dr. «. v. ituchkn,
Leg.-Rat u. Direktor im Aasw. Amt, ehemalig. Obcrlandes-Ger.-Rat u. Mitgl. d.
Ueicbstagskoinmission. Zwoite, verbeaierte Aufl. Eleg. geh. M. 9,—.
Die erste, sehr starke Aufl. war nach 6 Monaten vergriffen.
Der Code civil. v» n it. Förtsch, R«ichs«Mcb.sr.t. ».
Eleg. geh. M. 7,—.
Das Preuss. Allg. Landrecht. v on Dr. F. Licske,
Geh. Justiz- u. vortr. Rat im Preuss. Justizminist. Erscheint in Lieferungen.
Bisher erschienen Lieferung 1 und 2. M. 5,70. Preis kompl. ca. M. 14,—.
Die in erster Linie für die Praxis bestimmten Werke sollen darch
eine vergleichende systematische Gegenüberstellung der geltenden Kechtssysteme
und des BGB. die Einführung des BGB. erleichtern.
Jeder Band — völlig- in sich abgeschlossen — ist apart käuflich.
Soeben und noch rechtzeitig zu den Verhandlungen des Reichs¬
tages erschien:
Zur Erneuerung des deutschen Bankgesetzes.
Von
Dr. Karl Helfferieli.
Preis 3 Mark. <
Der Eintritt des Zeitpunktes, zu welchem die Reichsregierung berechtigt
ist, die Privilegien der Notenbanken aufzukündigen, stellt die deutsche
Gesetzgebung nicht nur vor die Frage, ob diese Privilegien verlängert
werden sollen oder nicht. Die Gesetzgebung ist in der Lage, die be¬
stehenden Notenrechte unter veränderten Bedingungen zu erneuern, und
sie muss diese Gelegenheit zu zeitgemässen Aenderungen des
Bankgesetzes um so sorgfältiger benutzen, als während der Gültig¬
keitsdauer der Privilegien einschneidende Aenderungen ohne die Zu¬
stimmung der einzelnen Notenbanken kaum vorgenoramen werden konnten.
Deshalb werden gelegentlich des bevorstehenden Kündigungstermins
nicht nur Umgestaltungen der üruudzüge unserer Bankverfassung, sondern
auch Aenderungen innerhalb des Rahmens der bestehenden Bank-
verfassung einer eingehenden Erörterung unterzogen._
lieber bie ffijrodicn Jcr «eueren (ficftl|itl|te.
Son
feopolb uon flanke.
Verlag von Gustav Fischer in Jena
Soeben erschien:
Die Entstehung
t>on 21 1 f r c fc o t» r.
3 weiter Sonberabbrucf ber „Verträge", fünfte Auflage.
150 Seiten Hot)aI 8°. SßrciS 3 Hfarf 60 sßfg., in Seinumnbbanb 4 Htarf 60 ^fg.
Xer erfte Sonberabbrucf btefer Hanfefdien Sdjrift ift oergriffen. Xie Herlagsfwitblitug
oerauftaltete einen ^weiten, in größerem Format nnb jit luefeiitlid) billigerem greife. Xtcfe
Vorträge Hanfes, bie er felbft als „eine Hhapfobie ber Unioerfalhiftorie" beseidmetc, enthalten
in ber fnappften gönn bie ftauptfumme feiner tfiebltngsibeen nnb feine ?lit[id)ten oom 3 ll f«muten«
bange ber uüdjtigften H$cltbegebenl)citen.
und die
ökonomischen Grundsätze
der
Chartistenbewegung
von
Dr. John Tildsley
—-— Preis: 3 Mark 50 Pfennig -
2 )er „ 97ei djSbote" fd^reibt in feiner 97r. 267 uom
27. Oftober:
3n bem großen Sammelioerf ftaats« unb fociaPiuißenfrfiaftUdjer
^orfdiungen, berattSgegcben non ©uftau Sd)tnoller, ift foebeit als
2 . £>eft beS 16. Hanbes folgenbes 2Bcrf erfdjienen: Statiftifchc Stubicn
^ur (9ntto\dcU\nü*ücf(t)\d)tc ber berliner ^nbuftric oon 1720
bi$ 1800 . ®on Otto S&iebfclbt. l'eipjig. Verlag uon Xuncfer
& .fpumblot. ^rcis 9 2tfarf 60 Sfifg. 3» biefer müheooden unb fleißigen
Arbeit gtebt ber Herfaffer an ber &anb ftatiftifeber 3ot)len einen außer«
orbentlidi intereffanten Ueberbltcf über bie Entioicfelung ber ©enterbe
in Berlin im Verlauf ber lepteit 200 ^apre — oont Enbc bes
80jährigen Krieges bis in bie ©egentuart, b. I). bis junt Csafjrc 1890,
nttb jmar in cingebenber Xarfteüung ber Entioicfelung ber einzelnen
©enterbe. Xiefc Arbeit ift um fo banfenStoerfer, meil fte mof)I bie erfte
ift, roeldje in biefer ©riinblichfeit bie ©enterbcentioicfelitng eines fo
beftinunt umgreifen ©ebiets, tote bie Stabt Berlin, barlegt, nnb gerabe
barin liegt if)r großer HScrt unb ifjre lüiffenfdiaftlidje Hebeutung. ES
ift fe^r anerfenncnS« unb banfeitsroert, baß bie Hationalöfonomic fidj
foldjer gri'mbltdier ^iftorifc^er Stubien beflcifjigt, um fic jur ©ritnblage
für ben Söeiterbau ber SBiffenfc^aft 3 U machen, ftatt, tote es bisher oiel«
fad) gefchaf), mit allgemeinen Theorien 31 t arbeiten unb fie bett praf«
tifdjeit Herbältniffen als ein 3 odj. aufjitlegeu, toobnrd) fo oiel Htipgriffe
gentadjt unb bie Entiotcflung itt falfd)e tabuen gebrängt toorbett ift,
bis bie bitteren Erfahrungen sunt ?lufgebctt ber Xh c orieu nötigten, an
beren Stelle aber bann oft anberc nicht mtnber bebeitfliite gefept umrbcit.
Möchte cS ben 9?attonalöfonomen eingegeben feilt, aus bett tbatfädilidien
Lepren ber gefdiiditlidicn Gntioirfelung überall richtige Äonfequenjen 31 t
3 tehen. ES ift baS befonbere Serbien ft SditnoüerS, ber aud) 3 U biefer
Arbeit 5^icbfelbtS bie Anregung gegeben h^h btefc hiflorifche SRid)tung
in ber 9?ationaIöfonontte geförbert 31 t h^ben. ?lud) er felbft h^t foebett
in betufelben Verlage oott Xuncfer & .^umblot 311 ^eip 3 ig ein neues
bebeutenbes hiftorifd;eS iföerf btefer ?lrt crfdieincn laffctt: Üinriffe unb
Uutcvfurf)itugeu jur ^crfaffung<<= f ^cviunltnugs unb fSbivt-
fchaftSgcfchifhtc befonber^ bc<5 pvcnbifäen Staates im 17 . unb
18 . ^abthunbert. 'llou <9uftat> Schmoll er. ^?rcts 13 2)?arf. —
Sd)ittoüer legt itt biefer intereffanten, auf itmfaffenbett hiftorifchen Stubieit
beruhettben Arbeit bie große 3?cbeittung ber Eitttoicflung ber toirtfebaft«
lidiett Verholtttiffe im preußifdjen Staate bar unb 3 cigt inSbefonbere auch
bie intenfioen unb umfaffenben Arbeiten, toeldje bie preitßifdje Regierung
unb fpe 3 iell bas prcußifchc Monigtum itt biefer s ^c 3 tehung entfaltet h«t.
Er fdjilbert 3 uerft bas ^erfautilfpftem in feiner hiftorifchen ^ebeutung,
inSbefonbere bie ftäbtifebe, territoriale unb ftaatliche Söirtfd;aftspolitif int
17. nttb 18. oahrbunbert, bie ^anbelsfperre 3 iuifd)en ^ranbeubttrg unb
Sommern, bett ftänbifdjen lerritorialftaat, ben Neubau bes pmtßifdjen
aerautmortlid) für bie innjeigen: ^eDinutl) (Setbel, ficljijlg. — »erlag uou
Staates bitrd) ben (Großen ähtrfitrften, behanbelt bie ^cbeutung ^vifbrid)
SBühelmS I. als ginau3mann, unb fdplbcrt bann in ausführlicher Söeifc
bas loirtfdiaftlidje SBirfcit griebridjS bes ©roßen unb fdjließt mit
einem intereffanten Uebcrblid über bie ©etreibehnnbelSpoliiif, inSbe*
foubere im 19. 3ftbrhu»bert.
$5ie „^ölnifd^e ßeitung" 97r. 1051 (uom 8. 97oücnibcr
1898) fdhreibt:
Xer frühere ^räßbent bes 9ieid)S=^crßd)erungSamtcs Dr. ^DÖbifcr
bat im Verlage oon Xuncter & ^untblot in ^?eip 3 ig eilte flciuc Sdirift
über „bie SWcichSOcrfichcrungögcfcUgcbmtg^ (1 SDtarf 60 $fg.)
erfcheinen Iaffen, bie für bie nädifteu Aufgaben beS 9ieid)Stages auf
bem ©ebiete ber 2 lrbeiteroerficheruug toie ber ^riuatoerfidjernng oon
befonberer 'JBebeutuug ift. ftiir bie Uttfalloerfidjerung regt er eine
jReihe oott fünften an, biemnter 'Jlufrediterhaltung ber jepigett großen
$Bor 3 itgc ber 9ictd)Sgefcpgebung imftattbe finb, nennenStoerte s l>er«
befferungett herbei 3 uführcn. ^ür bie Slrbeiteroerficherung toicbcr«
holt er biejenigen S>ereinfachitngsüorfd)läge, toclche er ittt 9?ooember 1895
ber Beratung oon Sacbuerftänbigett unterbreitet h^h^ bamalS itt
bas 9icid)Santt beS Innern cinberufeu toaren. Xen .Stent biefer Hör«
fd)Iägc bilbct bie Hefeitigung ber Htarfc als 5onu ber HeitragS«
erhebuttg bei ber 3noalibitätS« uttb 2(ItcrSüerrtd;erung. Xaneben ftrebt
er eine grnnbfäplidjc Hercinigung ber Unfall«, ^noalibitäts« unb Alters«
oerficheruugS«Crgantfatiott itt Henoaltitng unb Siedjtfprechuttg au. gür
bie ^rioatoerfidjentug betont er bie Hottoenbigfeit ber balbigeu Regelung
bitrd) bas Heid); bie 311 t 3 e d beftehenbe Hcd)tS 3 erfplittermtg auf biefem
©ebictc ift für bie Olefellfchaften ebenfo brücfenb toie für bie Staats«
auf|icht lähmettb. 3luf feinem anbertt Hcdjtsgebicte ift baS Xttrdi«
einanber in Xcutfd)Iaub fo groft tote auf biefem, fdjott feit 1861 ift
baS Hebitrfttis nad) einer einheitlichen Hegelung bes HerficherungSred)ts
für gatt 3 Xcittfchlatib 311 m 2lusbrttcf gefotmnen. Xer Herfaffer h^t ”tt
^aljrc 1882 als Heferent für baS ©eioerbeioefett im HeidjSamte bes
Ämtern eilten hierauf bc 3 üglicheu ©efepentiourf nebft Hegriinbung aus«
gearbeitet. Er ocröffentlidit jept bie ©rmib 3 itgc biefeS Entwurfes, bie
barauf ab^icleit, einen billigen 21 ttsgleid) 3 toifd)cn ben ^idereffen ber
Hcrfid)erungSgefeHfd)aftett, tote beneit ber SBcrfirfjcrtcn nttb ber Staats-
aufftdjt 31 t finben, unb er begriinbet bie cinseltteu Horfdjlägc in ein«
gepenber 33eife. Hei ben gropen Erfahrungen unb Stenn tu iffen, bie
.frerrtt Höbifer auf bem gati 3 ett (Gebiete ber Hctd)Soeriid)erungsgefcp«
gebitng 3 ttr Seite ftehen, uttb bei ber innigen gühlmtg, bie er ftetS mit
•£>atibel uttb ©ctoerbc XeutfdjlaitbS gehabt b<U, oerbienen bie Horfdiläge
ber Schrift bie aufmerffatitfte Heachtiutg nuferer gefepgebenbett Störper«
fdjaften. Hiögc bei ihnen ber Same, bett er hier aitSgeftreut bett,- guten
Hoben fittbcit.
Sünder & i>utublül, VJeiviifl. — ©cbiurtt bei Suliuö SlUcnfelb, »crll:i.
vm. galftpijg.
©erlin, bcn 29. 2>egetnber 1898
itomnwr 13.
Soziale ptajis.
@enftrafl>faff für ^ogiafpofifiß
mit ber BtonatSbellage:
Das < 5 ewctt>c 0 cridjt,
Organ bes Perbanbes beutfdjer (Betcerbegcridjte.
Beue golge ber „glätter für fokale ©rayü^ unb bei „Soaialpoltttfdjen EenfcralblattS*.
Orföcitti an jebem %mun Ra«» $eraU§gcBer: ©retb toterteWrllH 2 «. 60 ©f.
SRebaftlom Berttn W., Bapreutljerftrafee 29. ÖP. Ctttß £tÜU&t* ©erlag bon Dunder & ©umblot. Selbig.
äuljalL
©ie Sbätigfeit bet lanbroittb*
fcbaftlidjeitSpnbifateingranf»
teicb auf fojialem Öebietc. ffion
Dr. £>. Söiebfelbt, ©rebben. . 329
«Nnutai Cutab ksI «Mitif #®fi§*
»rttttf.333
Sniernationaleb Strbeiterfdjufeamt
Äoften beb StmteS föt Strbcitöftntiftif
in Defterreid).
©ie amerifanifdjeit ©e»er!fd&oftcn
gegen bie SlnnejionbpoliW bet ©er*
einigten ©taaten.
•sitele &uftäit»e i . . . 335
Äinberatbcit in gabrifen unb in bet
#aubinbuitrie ©eutfcblanbb.
«d)tftunbentag im föifenbaljmoefen
©aprnb.
3Wifeitanbe im ©raget ©aefergemerbe.
SSmetifaniftbe ©ifenbabnatbeiter*Sta*
tiftif.
tfrbeitgeberbevbänbe.338
Herein beutfdiet Sapetenfabrifanten.
©tei$« unb l f obnbeteinbarung in bet
ölabinbuftrie Storbböljmenb.
tUtrtterbetoeflnn«.339
Änbfperning unb ©treif bet ©eiben«
»ebet in ittefelb.
©au non ©emerficbaftafjihifern.
6ttid)tung bon SIrbeitetfefretariaten.
©togtamm ber £rabe UnionS für bie
:iltbeit$gefebgebung.
©et ©onberfongtefc bet britifdjen
©emerffebaften.
Bewegung bet ^anblungSgebülfen in
©arid.
«Mctterf*«*.341
Äonfetenjen bet preu&iföen ©emetbe«
aufficbtSbeomten.
©et 91d)tubt!abenfd)tufi unb bie ftlein«
faufieute.
£anbe£poli$eilid)e ©erorbnung jum
©cpu& ber Bauarbeiter in Slnbalt.
©ifenbal)narbeiterfd)ub in £)efterrei<b.
ftUfccitertoerftrfimittg. ®parfaffe» 342
©etriebb« (gabtif») Äranfenlaffen beb
©eutiepen 3ftcid>eö.
©taatli^e ©erfieperung ber ©eeleute
in DefterTeicb.
©ab©erfid)erung8roerf in ber ©djroeij.
©ntfcpcibungen übet ben Umfang beb
Arbeiter * UnfaQentftböbigungbgefepeb
in (Snglonb.
tUteiiSnaftwei*.344
©et ©ctbanb jut görbenmg beb
«irbeitbnacbroeifeb im Uiegierungb*
©ejirf ©uffelborf.
©ie 2irbeitboermittIungbfteHe bet
©tabt Dbnabrficf.
©emeinblicbet Slrbeitbnacpweib in
©öttingen.
ftto^nnngStaefen.345
©ie SBopnungbfrage InSonbon.
©ou g. 29. ©alton, Sonbon.
ÜJtietpen unb ttrbeitermobnungfinotb.
görberung oon ®rbeiter«2Bobnungen
bntcb bie ©etficbetungbanftalt ©d)leb«
roig^olftein.
3ur ©efeitigung bet SBobnungbnotfj
in ©rebben.
•nteftnna nnb ©Ubnag.349
©ie 3 u BÖTeTf(baft ber ©olfbtpfim*
lieben .s^ocbfdjulfurfe in Berlin.
©etoerbefleviebte. Cinifaiiitämter.
©«bieMgertdiie ..349
(Srinigungbamter bei englifeben ^>an*
belbfatnmern.
SUtirartfOc ttntctgen.350
Qbbtud fömmtlidjer Slrtifel ift ßeitungen unb 3<Uf<Btiften geftattet, ieboeb nut
mit dotier Quellenangabe.
Bie Stätigkeit der iankniittt)rd)aRUit|en Sgobibate
in ^rankreid) auf fo|ialeui ©ebiete.
3 « ben lebten fahren hat fi<h in granfreidj aiemlidj geräufd)*
los eme Bewegung entroicfclt: bie Drganifation ber Baueritfdjaft
in lanbroirthfchaftlidjen Spnöifaten. 21 ls baS ©efefc über bie gach*
oercine (Spnbifate) 1884 in jroeiter Sefung Beratfjen mürbe, foH
bei ber 2?erlefung be^ §. 3:
,,©ie ©pnbifate babeit aiiJ&fd^Iie^Iicfj jum ©egenftanb baö ©tubium
unb bie ©Jaljrung ber mirtf)|d)aftUd)en gutereffert be^ ©emerbeb mtb
bes .^anbelb"
ber $lbgeorbnete Dubet plöfolitb baamiftbengerufen b^ben: „Söarum
nic^t auch ber ßanbroirtbfdjaft?" 6 o ronrbe bie§ SBort mit bin*
eingeftieft, ohne bafe man bei ber Abneigung ber fransöfifd)en
l?anbbenötferung gegen jebe genoffenfd)aftlid)c ferganifation biefer
^rroeiterung befonbere praftifebe 33ebeutung beima|. 3naroifcbcn
finb aber bie tanbroirtbfd^öftlidjcn 3fatb ocreinc au f “ber 1700 mit
mehr als 700 000 TOtgliebern bew«geroacb)en, bie in 10 grofeen
Serbänben jufammengefcbloffen einer mirffamen unb macbtooÜen
Sutereffenoertretung ber franaönfcbcn Öanbmirtbfcbaft aeroorben
ftnb. S)iefe Sacboereine haben fidb junäebit als GiitfaufSoereini»
gungen für lanbroirtbfcböfi ^ 6 Sutter«* unb Düngemittel betbätigt,
unb ihre (Sentralftetten (Cooperatives Agricoles) b“ben bereits
einen geroiffen ^influfe auf bcn §anbel in biefen ?lrtifeln erlangt.
@ie babeit fid) ferner gemeinfebaftheb Drefcbmafd)inen, 3Ääbntafcbinen
u. f. ro. befcf)afft ober Drainagen, 23eroäj|erungSanlagen u. f. m.
auSgefübrt. Sie bnben 3“d)tgenoffenf(baften, Sßolfereien, Eäfereien,
Säciereien, 9Rütlereien, Äonferoenfabrifen u. f. ro. errichtet unb ben
Slbfafc ihrer lanbroirtbfd)aftlicben ^ßrobufte in einzelnen 3 roc * 9 cn
Bereits mit ©liicf felbft in bie .§anb genommen.
$od) intereffanter als biefe großen roirtbfcbaftlicbcn Erfolge ift
bie Dbätigfeit ber Spnbifate unb Spnbifatsoerbänbe auf fokalem
©ebiete, bie aunäcbft abficbtslos aus ihren roirtbf<baftlid)en 3 roerfen
berauSgeroacbfeit ift, bie aber nun mit beraubter SCbftcbt in be*
ftimmten ^Richtungen*) oerfolgt roirb.
9luf ber ©renxe jroifeben roirtbfebaftlicber unb fojialer 2 öirf*
famfeit liegen bie ©erfuebe ber lanbroirtbfcbaftlicben Spnbifate, mit
ben $onfumoereinigungen ®efd)äftsbeaiebnngen ju pflegen unb
überhaupt mit ihnen m SSerbinbung ju treten, roie bieS auf
mehreren Äongreffen, 3 . 1896 in $anS, als erftrebenSroertheS
3iel ht“ 9 ^i^ttt ift. 3n Deutfchlanb oerfolgt oon allen lanbroirth*
fchaftUchen ^Bereinigungen unb ©enoffenfihaftSoerbänben nur ber
SSerbanb 9th e t“P reu 6tröer lanbroirthfd)aftlicher ©enoffen|d)aften mit
9£ad)brucf bas gleiche 3 i e f- 3 “ Sranfreid) geht man folgerichtig
noch einen Schritt roeiier, inbem bie lanbroirthfchaftlidjen Spnbifate
ober Spnbifatsoerbänbe felbft berartige iionfumöereinigungen
grünben. So in la SRocheHe, Spon, Dijon, §loignon, Xornelle
u. f. ro. hierher gehört aud) bie Errichtung oon ©enoifenfehaften,
roie Schlächtereien/ Müllereien, 33äcfereien, bie halb lanbroirthfchaft*
liehe ^robuftiogenoffenfdjaften unb halb $onfumoereine finb. Der^
artige, in Deutfchlanb nod) feltene ianbroirthfdjafttichc Bereinigungen
fmb in öranfreid) feljr zahlreich. @0 jählt ber ©raf be SRocguignp
3 . B. in einem ber 86 Departements, in Gharente*3nferieure, 130
Bäcfereigenoffenfchaften. Bei allen biefen Btafcnahnten ift neben
ber Schaffung eines fnheren unb oortbeilbafteu MfafceS burch 51ns*
fcheibung ber oertheuernben 3 ro ifih en flationen fietS bas Btotio
mafegebenb: „ben fleinen Bauer unb ben Ianbroirtbfchaftlid)en
Arbeiter in ber Befchaffuug ber ßebenSnothburft feiner Samilie 511
unterftüfeen unb ihm bie Sparfamfeit jn erleichtern."
Unter bie halb roirthfchaftlid)e unb halb fogiale Dhätigfeit fallen
nod) bie Beftrebungen, roelche barauf gerichtet finb, einzelne 3“=
buftriearoeige auf bemfianbe ein 3 ubiirgern. Es hanbelt [ich hierbei
*) Äuf bent britten nationalen Ätongrcfj ber fran^öfifdicn latib*
roirthfdjaftlidjen Spnbifate, ber am 5., 6. unb 7. $ t 'ai lsi>7 in Criean*
[tattfanb, hielt ber ©raf be 9tocquigni), einer ber geiftigen giiljrer ber
fran^öfifcfjen ©nnbifate, einen ©ortrag über ,.Le moavemeut symiical
dans l'Agriculture (Paris, Guillaumin et Cie. 181)71, in toeldjnn er bie
fokalen i'eiftimgen mit befonberer 9Iits[iilirlidifeit belmnbcltc.
831
©ogtale $ra£i*. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Sir. 13.
332
nicht nur um SNolfereien, SJtüllereien, Väcfercien, Wurftfabrifen,
fonbern auch um Koitfcroenfabrifen, 0tärfe*, Nubelfabrifen u. f. m.,
fo bafj alfo in gewiffetu Umfange eine l'ofalifation ber 3itbuftrie
foweit fic mit ber i?anbmirtf<haft eng gufanuncnhängt, angeftrebt mirb.
Dabei ift nod) git bcadjten, baß in oielen biefer Jabrifen, mie in
gaf)lreid)en 0t)itbifaten bie Veatnten unb Arbeiter nicht bloö gegen
£ot)n, fonbern au cf) mit (Gcminnbetheiligung angcftcüt finb.
(Sin weiteres Veftreben ber 0i)iibifate gel)t ba^in, Krebitge*
noffenfdjaf tcn ins £cbcn 31 t rufen, alfo ber länblidjcn Veoölferung
bie Vorteile beS Vaitfgcfd)äftS gugäitglid) gu machen unb bierburd)
fomol)I einer NuSmucherung ber fleincn Vefißcr unb Arbeiter burch
Bewährung billiger Vorfd)iiffc gu fteuern, mie ihnen bequeme unb
gute 0pargeIegenbeiteu gu bieten, hiermit in Verbittbung fteht
bie Xhätigfcit ber 0 t)itbifate gur Verbreitung non Verfi gerungen
aller Nrt, inbem fie tl)ci(S, mie bei Jeuer* unb nagcloerfidjerungen,
bie Agenten ber großen 6 )efeHfd)aften erfeßen, theils, mie bei ber
Vieh* unb Unfalloerfid)erung, felbft große Verfid)erungSgefellfd)aften
gebilbct haben, Die Vieh* unb £ebenSoerfid)enutg ift namentlich
für bie Kleinbauern unb bie lanbmirtbfchaftlid)en Arbeiter mistig,
aber mcift nur bann für fie burchführbar, meun fie burdr SJiit*
liebfdjaft bei einer Krebitgenoffenfchaft ober berglcidjen bie (Garantie
abett, ihre Prämien, eoentued burch ®arlehn, red)fgeitig gahlen
gu fönnen.
3um VerficherungSwefen gehört noch bas (Gebiet berjeuigen
Verfid)erungen, bie iit Deutfchlanb ber prioaten Xhätigfeit entgegen
unb burd) ftaatlidje 3roangSoerficherungen erfeßt finb. 3n ben
Statuten ber meiften Spnbifate ift bie 0cßaffung oon UnterftüßungS*
unb Verfid)cruitgSfaffen mit als ein 3icl begeichnet. Einige 30
bis 40 0i)itbifate haben befonbere ©enoffenfehaften gur gegeitfeitigen
ttnterftüßung begrünbet; fie gewähren gewöhnlich freie tirgttidje
Vehanblnng unb freie Ntebifamente unb außerbent wäßrenb ber
KranfheitSbauer noch ein Nrbcitslofengelb; bei DobeSfäüen über*
nehmen fie meiftenS einen Xijcii ober bie gangen Vegräbnifgfoften.
(SS malten hierbei bie oerfchiebenften formen ob. 0o hat baS
0pnbifat in Eaftelnaubart) bie Jornt ber beftätigten (GefeIIfd)aft
gemählt (SociStS approuvee), um bie 0taatSunterftüßung gu ge*
niejgen. Wer mit 25 fahren eintritt, gai)It g. V. iäßrlid) 5 3rcS.
Das Spnbifat gahlt jährlich bie gleidje 0umme hingu, fo baß ber
Vetreffenbe burd) Hingufommen beS 0taatSgufdjujfeS mit 65 3ahren
eine Venfion oon 264 *$«$., mit 70 Saßren eine ^ßcnfioit non
800 Jrcs. begieht. Wirb ber Verficßerte fdjon früher gnoalibe, fo
mirb bie Sßenfion fd)on oor bem 65. Sabre gafjlbar. Diefe Nrten
ber Verfid)erung mit 3nftf)Uß feitenS beS 0pnbifats merben oielfad)
als ein geeignetes Mittel begeicfjnet, um ber broheubeit Entoölferung
beS platten Vanbes burd) ben Jyortgug ber Arbeiter nach ber 0tabt
etwas oorgubeugeu. (Singeine 0nnbifate finb nod) meiter gegangen
unb gablen, mie Bellevilie-sur-Saöne, ben Wittwen unb Waifen
begm. bereit Vortitünbern eine fßenfion aus ber 0i)ttbifatSfaffe.
Einem berartigen 0 i)nbifatSgufd)uj 3 , ber aus gegenteilig geleiteten
Dienften ber Viitglieber herftammt, fehlt natiirud) baS erniebrigettbe
unb befchämenbe (Gefühl ber Nrmcnunterftiißung. 3 U ber NuS*
fiihrung biefer Aufgaben benöthigen bie ©gnbifate eines gemiffen
JvonbS, mie ihn gum Veifpiel baS eben genannte 0i)itbi!at für
biefeit 3wecf in Hößc oon 10 000 $rcS. aufgeworfen hat. Da
auf bem ßaube oielfacß felbft bie gemöf)niid)fteu ÜKebifamente
fehlen, fo haben mehrere 0 t)nbifate fantonale Dispenfiranftalten
errichtet, bie 001 t 0 d)meftern oerfeßen unb periobifd) non Nergten
renibirt merben.
Ilm beit häuftgeti ^rogeffen ber länblidjen Venölferung nor*
gubeugeu, bie nielfad) nur aus unriditiger 9luffaffung ber 0 ad)lage
berriihreu, haben nielc 0 nnbifatc 3ühn* unb 0 d)iebsgeeichte
eingeführt. Söenn allerbings einige ben 0 d)iebsfprud) bei 0 treitig*
feiten in länblid)en Angelegenheiten für iljre Vfitglicbcr obligatortfd)
unb binbertb machen wollen, fo erfcheint bics bebenflid). 2 >ie
meiften gehen and) uid)t fo weit, fonbern begnügen fid) mit ber
Abgabe ihres llrtheils ober ber Herbeiführung einer ^lusföhnung.
3o fonnte bas fdioit genannte 0 t)tibifat Vellenillc auf feiner
©eiteralnerfammlnng am 25. Cftober 1896 ftolg baranf hiuracifen,
baß es in ben lepten brei bis oier fahren 171 0d)iebSfprüd)c bei
0treitigfeiteu gmifrijen Weingartnern, Vcfiberu unb ^achter 11 ab*
gegeben hatte, bie oon ben Vetheiligten fämmtlid) anerfanut mürben,
lliitunter finb bie 0 d)iebsgerid)te gu mirflidjeit Volfsfefrctariaten
erweitert worben, bie ben Spnbifatsmitglieberu in allen 9icd)tS*
fragen ^lusfunft ertheileu unb ihnen für alle ihre outereffeu ihren
Vaih gewähren, g. V. bei fteuerlidjcn ober fonftigen fisfalifd)en
llcbcrgriffeu, gegenüber ben 0 ransportgcfelIfd)aften 11 . f. m.
^Das (^efe(j oon 1881 hatte ben 0i)itbifatcn bas bKed)t ge*
geben, Arbeit Saus fu nftS*VureaiiS eingnrid)teu. ^Die meiften
0 i)nbifate famtneln nur bie Angebote unb bie Nachfragen unb oer*
öffentlichen fic bann regelmäßig in ihren Vlättern unter ber Nubrif
„ 2 Jrbcits* 3 eitung". Slnbere, mie bie ©ärtner * 0 t)tibifate, haben
ooÜftänbigc VurcauS gefd)affen, in benen bie 5(rbeitSoermittelung
unentgeltlid) beforgt mirb. 0chon mirb in ben 0t)nbifatSuerbänben
ber 6 )cbanfe erwogen, gwifdjcn ben eingelnen 0 i)ubifaten bie
SIrbeitSangebote unb Nad)fragen auSgutaufchen, um fo bas 0)leid)*
gewicht in ben Slrbeitsfräften unter beit eingelnen V l ‘ DlJ ingen h cr,?
guftellen, unb um gleichgcitig im national*politifd)en 311 tereffe bie
Kottfurreng auSlätibifd)er Arbeiter ferugnhalteit. (Siugelitc 0onbifate
gewähren übrigens ben Ianbroirthfd)aftlid)cn Arbeitern bei Ntangel
an Arbeit Slrbeitslofenunterftühung, Ncifeentfchäbiguug u. f. m.
Slnbererfeits haben roieber einige 0 t)iibifate, fo gu fageit eine ©egen*
feitigfeitSoerfid)erung bafiir gefchloffeti, baß bie ^elbarbeiten
ber Sititglieber gur richtigen 3 e it "ansgeführt merben, and) wenn
ber Vetreffenbe etroa burd) K rauf heit ober fonft an ihrer 21ttS*
führung behinbert ift. ^Dicfe eigenartige Einrichtung fiubet fich
oorroiegenb in ben Weinbau * ©egeitben mit 3roergwirth|cbaft, ba
bie Arbeiten in Weingärten nur unter großem 0 chaben über bie
3eit f)iaauSgegögert werben fönnen, unb ba bie fleinen üöefißer gu
unoerntögenb finb, als baß fie fid) aus eigenen Mitteln Erfaß*
fräfte befchaffen fönnen. Hier greift baS 0pnbifat ein,
inbem entroeber bie anberett ©enoffeit bie Arbeit mitntad)cn,
ober iitbcnt fie burch Arbeiter ausgeführt mirb, bie 00 m Spnbifat
angenommen unb begahlt merben.
0 d)oit an fid) finb bie lanbroirtl)fd)aftli<hen 0 t)nbifatc unb
baS Arbeiten in ihnen für bie üüfitglteber eine anSgegeichnete
04ule, wie bieS auch in 2?eutfd)lanb bei ben Iänblidjeit ©e*
noffcufd)aften ber 3 aü ift. §lbcr bie fraitgofifcheit 0 onbifate gehen
noch weiter unb fud)en bie gewöhnliche SDorffchule burd) theoretifch
praftifche ÖanbmirthfchaftSfurfe gu ergängeit. ®ic bretoiüfd)en
0pnbifate, in erfter ßinie baS 0pnbifat ber ^anbtoirthe unb
©ärtner, b’Stte & SBilaine, haben in'biefer Vegiel)ung bie 3nitia s
tioe ergriffen unb oieleS geleiftet. 0ie haben mit Hülfe ber „Vrüber
oon Samennais" bei fämmtlidjen (Siementarfdjnlen Mnrfe einge*
richtet, in benen nad) beut „Ianbroirthfd)aftlid)cn Katechismus oon
Vruber 91bcl" in 42 fieftionen unb einigen Nachträgen lanbioirff}*
fchaftlicher unb gärtnerifcher Llnterrid)t ertl)eilt wirb. Nut 3al)rcS*
fchlufe wirb in ©egenmart beS 0i)nbifatS eine Prüfung abgehalten,
bei welcher V^ämteit oertheilt merben. Wer biefe Prüfung be*
ftanben hat, famt nach einigen Sahrett eine gmeite Prüfung machen,
bei welcher bann bie enbgiiltigcn Diplome gegeben werben. 3 n
gleicher Weife hat man für bie s JÜiäbd)en 0d)uleit errichtet, in benen
fturfe in ber (Slemeutar*Üanbmirthfchaft unb bem HaushaltnngS*
rnefen gegeben merben. ^Diefe Vemegung, welche bei beit l) cl *an*
road)feitben (Generationen bie iriebe unb baS Vcrftäitbniß ber Vanb*
mirtl)fd)aft gepflegt miffen miH, breitet fich oon ber Bretagne \)tx
immer weiter aus unb hat fd)on in Vourgognc, Touraine, im
0 üboften u. f. w. 3 uß gefaßt.
0 d)ließlich fei nod) erwähnt, baß einige 0 i)itbifate auf pflege
ber ©efelligfeit unter ihren Witgliebern einen großen Werth
legen. 0 ic wollen hi^rbtird) ihre oerfd)iebenen Ntitglieba: mit ein*
anber befannt machen, ihnen für einanber Sntereffe erwecfeit, bie
egenfeitigeu Vorurteile abfd)leifett „unb bie 0d)ranfeit nicberreißen,
ie fid) gemeiniglich gwifcheti bie eingelnen ^erfoiten ftelleit." 3 u
biefetn Vel)ufe finben nach ben Verfamtuluugen gemeinfchaftlitc
Ntal)lgeiten ftatt; eS beftehen fiefegirfel ober es werben Vibliotl)efS*
gintmer, wo man aud) (Srfrifdptngen befomnteit famt, uttb Nehn*
liches eingerichtet, bie fid) befonbers an beit SWarfttageu größeren
3ufpruchS erfreuen. Namentlich in ben 0i)iibifaten bes 0uboftenS
urtb im 3ura legt man herauf größeren Nadjbrucf unb betont,
bah man burd) biefe fleincn Niahnahtiten ein fel)r oiel beffereS
3ufammeitarbeiten ber 0i)nbifatSmitglieber ergiele.
Was haben nun nufere beutfehen laubioirthfd)aftlid)en (Ge*
uoffeufchaften unb Vereine biefen oielfcitigen ^eiftungeu ber fratt*
göfi)d)eit 0 i)bifate auf fogialem (Gebiet gegeuübcrgufteQen? Nid)t
eben oiel. 3 amr rid)tct f)i e ^ uitb bort eine ÜDJolferei in ihrcu
Näumeit ein Vabegimtiter ein, baS fie allen Dorfbewohnern
billig gur Verfügung ftcllt, gwar giebt im Vattbc t)W unb fyx
eine Darlef)uSgcuoffenfd)aft für allgemeinere 3wecfe einmal CGelb
her; unb bergleid)en läßt fich bei einiger s Diiil)e rtod) mancherlei
finben. Hier finb natneittlid) bie älteren (Genoffeitfdjaftcn beS
Heffifdjeu VcrbattbcS gu ermähnen, bie gum Dhcil für (Shauffee*
bauten, gur Nnftcllung 001 t Kranfeiifdjmeftcru, gur Veftreituug ber
Kranfent)auSfofteii, für 'JortbilbungSfchulcn unb berglcid)ett recht
namhafte Veträge hergeben. Nber alles bies ift wenig befannt,
fel)r ocreiitgelt unb wirb nur als ein gelegentliches Eytracrgebnifj
ber genoffcnfchaftlichen Nrbeit bchanbe.lt, mährenb es in fyranfrcich
833
Sojtale $rajts. ©entralblatt für ©ojtalpolitif. Rr. 13.
334
alg ein wichtigeg Qiü erfdjjeint. Sie ©rünbe biefer SSer f d)ic b cn § eit
liegen 3 um barin, baß bie beutfdßen ©enoffenfdhaften nach
bem 9teirf)Sgefeö eben nur wirtschaftliche 3 mecfe oerfolgen bürfen,
baß fte im Allgemeinen auch Heiner ftnb unb baher wohl in ihrem
Greife intenftoer arbeiten, aber auch weniger Mittel für große
3n>edfe gur Berfüauna haben. £>ier muffen alfo bie §auptoereine
unb bie ©enoffenfehaftgüerbänbe einfeßeit, roie fte bieg andf) jum
Sljäte tun; eg fei nur an bag Redjtgaugfunftgbureau beg £>effifchen
©enoifenfdfjaftgoerbanbeg für bie SRitglieber feiner ©enoffenfdjaften
erinnert, ferner an bie Verträge mehrerer Berbänbe, 3 . 93. Sachfen,
§effen, mitßebeng* ober Öeueroerficheruugggefellfchaften u.f.w. Aud)
bag fpricht mit, baß man in Sfranfreidh auf ben Äongreffen uno
©eneraloerfammlungen planmäßig für bie Sljätigfeit auf fogialem
©ebiete arbeitet, unb auch fonft gu beren görberung mandjjeg ge*
fdhieht, mag leiber in ®eutfd^lanb fehlt. 60 hat 3 . B. im §erbft
1897 ber ©raf be ©hambrun, ber ©riinber beg Musee social, einen
öffentlichen SBettbewerb mit ^rämiirungen für biejenigen lanbwirth*
fdjaftlicf)en Spnbifate oeranftaltet, welche auf irgenb einem Selbe beg
fo 3 iafen ©ebieteg bie beften ßeiftungen anfxuweifen bnben. ©in wich*
tiger ©runb liegt aber jebenfaüg barin, Daß oiele beütfche läitbliche
©enoffenfdhaften unb Bereine fich oor 3 uggroeife auf lanbwirthfchaft*
liehe Unternehmer, allerbingg oont großen big 3 um Heinften erftredfen,
baß aber bie fransöfifdjen Spnbifate gan 3 überwiegenb bie länb*
liehe Arbeiterfdhaft mitumfaffen; fo 3 ählt bag Spnbifat oon
©aftelnaubart) unter 1000 Btitgliebern 600 Arbeiter. |)ierburch
hat natürlich bie fo^iale Shätigfeit ber Spnbifate bei ben Spn*
bifatgmitgliebern ein gan 3 anbereg Sntereffe unb einen gang anberen
SRücfhatt. Auch ift eg gewiß nicht 3 ufäHig, baß biejenigen ©e*
n offen f cf) aften, welche in Seutfdßlanb auf fogialent ©ebiete am
meiften leiften, bie h^fOfch^n unb bie rheinpreufjifdfjen, auch relatio
bie mitglieberreidE)ften finb, alfo audh Iänbliche Arbeiter planmäßig
unb in größeren Waffen mitumfchließen. BJährenb in f 5 ^cinfreich
bie Srage, bie länblichen Arbeiter hcretn 3 U 3 iehen gerabe 3 U alg
©yiften 3 frage ber Spnbifate hingefteHt unb auf beren Äongreffen
immer oon neuem behanbelt wiro, ift fie in ®eutfchlaitb oon ben
Scf)wefter*Drganifationen !aum aufgeworfen worben. Bigßer hot
man allerbingg mit ber ©rünbung oon länblichen ©enoffenfdjaften
genug unb über genug 3 U thun gehabt, aber jeßt, wo in ber
©rünbunggbewegung ein langfamereg Xernpo ein 3 utreten fcheint,
bürfte ben beutfeßen länblichen ©enoffenfehaften eine wichtige Auf*
gäbe barin erwad^fen, baß fie ihre, oielfadj recht Heine BHtglieber*
30 hl erhöhen, inbem fie alle Bewohner beg platten Sanbeg oont
©utgbefißer big 3 um Heinen $äugler unb befißlofen Arbeiter in
fidf) 3 U oereinigen ftreben.
Sregben. Otto B&iebfelbt.
3UI gemeine gojlal- unb HHrtljfdjaftepölitih.
QntmmimmM Arbeiterfchnßamt. Sn ber lebten Sißung ber
f 03 ialwiffenf<haftlichen Bereinigung in Bern hielt Rationalrath ©urti
einen Bortrag über bag £henta: „3 ur Srage ber ©rrichtung eineg
internationalen Arbeiterfdjußamteg", über ben wir nach bent „Bunb"
Solgenbeg berichten: Seit ber Berliner Äonferen 3 oont Sahre 1890
fteht biefe Qbee gleidhfam auf ber Sagegorbnung ber öffentlichen
Meinung. Ser internationale Arbeiterfcßußfongreß in 3ürich ( 1897 )
faßte eine Refolution, gemäß welcher bie Sheilnehmer bei ihren
Regierungen unb in ber treffe ihr Btöglichfteg thun füllten, unt
bie ©rrichtung eineg internationalen Arbeiter feßußamteg 3 U förbern.
©in folcheg Bureau hätte:
1 . alle auf Arbeiterfchuß gerichteten ©rlaffe ber oerfchiebenen Staaten,
3unädhft in ^eutfeß, Srangöftfch nnb ©nglifch unb, fofern ber gefeßgeberifeße
©rlaß aug einem anberen Sprachgebiet ftammt, auch noch in ber Sprache
beg betreffenben fiaitbc* 31t veröffentlichen; 2. bie Sogialftatiftif im AU*
gemeinen 5U pflegen; 3 . alg Augfunftäburcau für ©efeßcgoorfdjlägc 311
bienen; 4 . in einem 3 ahre*beriibt Augfunft über bie ftortfehritte in ber
Arbeiterfchußgefeßgebung jn geben; 5 . bie ©runblagc für bie Abhaltung
oon internationalen Arbeiterfchußfongreffcn 3U bilbeit.
©obalb brei Staaten fich ba 3 u bereit erHären, foü bag inter*
nationale 9lmt eingerichtet werben. Big jejjt h^t noch Riemanb
bie Sache in biefetn Sinne an bie §anb genommen, bagegen haben
Belgien unb Defterreich oon fich aug bie Smtiatioe ergriffen,
^ag belgifche Slrbeitgminifterinm giebt bereitg eine Sammlung
ber wichtigften augmärtigen ©efehegbeftimntungen in Be 3 ug
auf Slrbeiterfchufc h erQ ug (oergl. „So 3 iale 93rafig" Sp. 168), aber
biefeg Sah^buch erfdheint nur tn frangöfifcher Spraye, unb bie 3 U*
gehörigen Befprechungen finb weit entfernt, erfchöpfenb 3 U fein.
4)en 9lnforberungen einer aügemeinen Slrbeiterftatiftif lann biefeg
belgifche Bureau auch nicht gerecht werben, benn ba 3 u gehört ein
internationaler Slugtaufch- Sn Oefterreich geht bie Regierung auf
Antrag beg Slbgeorbneten Dr. fieser mit bem ©ebanfen um, einen
„fogialftatiftifchen Sienft" eingurichten (oergl. „So 3 iale $rajig"
Sp. 276), weldher fich m it bem eineg 9lrbeiterfchuhamteg ungefähr
beeft. Slber eine Bluralität foldfjer nationalen Bureaug fann noch
lange nicht ben $)ienft einer internationalen ©entralfteße oerfehen,
unb überbieg wirb baburch ^ er 9 Q n 3 e Apparat ungleich fomptuirter.
55ie Arbeit einer folcfjett ©entralfteUe jewcilg ben Slrbeiterfchuh*
fonareffen 3 U überlaffen, wie bag oon oerfchiebenen Seiten angeregt
wiro, ift fchon beghalb nicht möglidh, weil eg ben Äottgreffen unb
beren permanentem Äomitö an ber nötigen Suboention fehlt.
9öag bie gemünfdf)le Saitiatioe beg fchweigerifd^en Bunbegrathg an*
belangt, fo meint ©urti, bie S<hmei 3 müffe oielleidht aug ©rünben
ber ^igfretion abwarten. $lber wenn 3 . B. ber öfterreidtjifche
§)anbef£minifter bie Anregung macht, fo wirb cg gewiß 3 U einem
internationalen tote fornmen, ba Belgien im $ßrin 3 ip fchon längft
babei ift. £)b bann bag Bureau nach Bern ober nach Brüffel
fommt, ift fdbließüch einerlei, bie ^auptfadhe ift unb bleibt, baß
überhaupt batbigft eineg eingerichtet wirb.
Soweit ber Bericht über ben Bortrag ©urtig. $>ie ^igluffton
brachte noch einige intereffante Rtomente 3 ur Sprache. Dr. Äebebgp
glaubt, man fontme am beften an£ 3 iel, wenn man, um bem 5ßiß*
trauen ber meiften Regierungen 3 U begegnen, mit einer Heinen, burdh*
aug wiffenfchaftlichen ©entralfteUe auftrete unb bie Sache fcharf oon
einer internationalen Slrbeiterfchußaefeßgebung trenne. $rofeffor
Dr. Reidjegberg will, baß oor 9lUem bie Arbeiterfdhaft für bag
Brojeft gewonnen werbe, benn wie fein anbereg ©lernent fei bag
Broletariat berufen, bie Snternatioualitätgibee 3 U oertreten, tyxo*
feffor Dr. Dncfen meint, baß man in Be 3 ug auf bie Hrbeitgfchuß*
gefeßgebung gewiß auch Äonbitiongflaufeln anbringen fönnte, wie
eg bei £>anbelgoerträgen oft gefchehe. darnach würbe bann eine
Beftimtnung erft in Äraft treten, wenn auch anbere Staaten Äon*
3 effionen mad)en würben. Rationalrath ©urti bemerft, baß fchon
Berfudje einer internationalen Sürbeitgregelung gemacht worben feien.
So habe ber St. gaHifche Sticfereioerbanb mit bem fädjfifchen einen
Rtayimalarbeitgtag unb BHnimallohn feftgefeßt. Seiber habe fich
biefer Äompromiß nicht lange halten fönneit, ba eg fich nicht um
eine ftaatliche, fonbern um eine prioate Initiative gehanbelt habe.
Äoftett beg Ämteg für Srbeitgftctttftif in Oefterreich. ?lu£ Bßieit
wirb uitg gefchriebeit: w 2)ie Angaben in Sp. 276 ber „Sojialcu
Bra^ig 1 ' über bie Äoften beg arbeitgflaiiftifchen Hmteg in Defterreich finb
311 gering gehalten: ©£ fommt bafür nicht bloß ber <3pegialfrebit oon
65 050 fl. in Betracht (ber iibrigeug felbft noch eine ?lenberung erfährt,
ba bei ihm bie mit Dftober b. eingetretene ©rhöhung ber Beamten*
befolbnngen noch nicht in Betradjt ge 3 ogen würbe), fonbern auch bie
im Bubget oorgenommene Bermehruug beg Äou 3 eptg — (recht»* unb
ftaatgwiffeufdjaftlicb oorgebilbeten) B cr f° tta lg beg ^>anbelgminifteriumg
um oier Berfonett, welche uid^t bei bem ^pegialfrebite 3 um ^lugbrude
fommt. ?lud) fmb nid)t 3 wei, fonbern fünf Redjuunggbeamte bewilligt."
^bie amerifanifchen ©ewerffchaften gegen bie Slnnejiongpolitif
ber Bereinigten Staaten. Ser „American ^eberationift", bag
©entralorgan ber ©ewerff«haften in ben Bereinigten Staaten,
brachte 3 wei intereffante Slrttfel, bie fich 9 e 9 en bie Slnneftirung ber
bisher in fpanifdhem Befiße befinblidhen Snfeln augfpradhen. Ser
Söiberfprud) wirb oon öfonomifdhen unb moralifd)en ©efic|tgpunften
aug begrünbet. ©g wirb barauf hiagewiefen, baß ber bre^ehnte
Radhtrag 311 ber Berfaffung ber Bereinigten Staaten folgen ber*
maßen lautet:
„Äcine ©Hauerei noch unfreiwillige Sicnftleiftung, auggenomnten
alg Strafe für Berbredjen, beren bie Bartei orbnunggntäßig überführt
ift, foll innerhalb ber Bereinigten Staaten ober an Orten, weldje beren
©cridjtgbarfeit unterworfen fmb, beftehen."
2luf ben anneftirten Snfeln befiehl aber noch SHaoerei ober
biefer nahe fommenbe Äontraftarbeit. ©g wirb in ben Strtifeln
hierüber in Be ( 3 ug auf $amai gefagt, baß oon ben weniger alg
100 000 ©inwohnern £>awaig 50 000 ÄoutraHarbeiter unb that*
fächlid) SHaoenarbeiter finb, baß hi erüon SO % ©hinefen unb
Sapaner unb ungefähr 20 % B° r lugiefen (oon ben ^oreu) unb
Sübfee*3nfulaner finb; baß bie Sauer ber Äontrafte ftebeit Qahre
ift; baß bie Slrbeiter fein Redßt haben, ihren Slrbeitgeber 311
wechfeln ober ihre Beifügung aufsugeben; baß ber Slrbeitä^
fontraft in allen Sheilen gefeßlnh er 3 wungen wirb unb baß ber
00 m Äomgreß angenommene Befdf)luß befonberg erHärt, baß bie
©efeße oon £>aroai in Äraft bleiben füllen, big bie neue Regierung»*
form angenommen ift; baß 311 irgenb einer 3 e it Arbeiter ing
©efängniß gefteeft werben fann, wenn er feine Rrbeit oerläßt, ift
bem Äontraft auf lebenslängliche Slrbcit beigefügt; baß bie Arbeiter
in Abteilungen oon 12 big 16 SDtonn 3 ujammengetl)aii finb; baß
385
©ogtole BrojtS. ©entralblait für ©ogtalpoltttf. Nr. 13.
386
jebe Abteilung einen berittenen Auffeßer hat, welcßer eine ^eitfc^e
führt, womit er ben gFIcife gur Arbeit ergingt; baß bie größte
3aßl ber fontraftlicßen ©flaoenarbeiter in ßawai in ber 3udfer*
inbuftrie befcßäftigt wirb, unb baß bie Arbeitgeber erflären, bie
3ucferinbuftrie fönne ni<ßt mit Erfolg betrieben werben oßne biefe
Art oon fontraftUdßer ©flaoenarbeit.
Söc^iiglid^ ber ^Philippinen wirb gefagt, baß baS Bolf bort
halb barbarifch fei unb auf ber untersten ©tufe ber Bilbung flehe.
©S wäre nicßt, wie bei ber Ausrottung ber Snbianer, baran ju
benfen, bie Beoölferung biefer ^nfelgruppe (fieben bis acht Nhl*
Iionen) bur<h atnerifanifcße Bürger gu erfeßen, weil baS ÄTima
foIcheS mcßt ermöglicht. $>ie Arbeiter auf ben Bßilippinen würben
au<ß fernerhin als ©flauen oon einer fleinen ©ruppe Amerifaner
auSgebeutet werben, troß ber entgegenfteßenben BerfaffungS*
beftimmung ber bereinigten ©taaten. &ie golge ßieroon würbe
fein, baß bie ©ewalt, welche man ben Arbeitern biefer Snfeln
gegenüber anwenbet, auch au f &i c Arbeiter beS bisherigen LanbeS
angewanbt werbe.
„SBte lange wirb es roäfjren, baß unter folchen Verßältniffen bie
obenanftehenben Älaffen biefeS LanbeS eher ben (Gebrauch ber (Gewalt,
als ben SBiHen ber SRcßrheit gur Verfolgung tßrer ^läne angeroenbet
fe^en möchten? Wirb es nicht leicht fein, bie oerädjtlicße (Gleichgültig*
feit gegen bie natürlichen Necßte unb Wiinfcße ber buufelßäuttgeu Sohn*
arbeiter ber BßiliPPi ncn in gleicher Weife auf bie §anbarbeiter oon
unferem Blute unb in unferent Lanbe gu übertragen? können bie
©runblagen unferer Regierung: (Glcußßeit ber Necßte, feine ©teuer ober
Regierung ohne Vertretung unb bergleicßen in fcßamloferer Weife oer*
fpottet werben? $>ie gange fittlichc Wirfuug beS ©rmerbeS ber Vßi*
iippinen mit ihrer ßafbroilben Veoölferung wirb bie fein, baß Alles
umgefioßen wirb, was bureß Drganifation unb ©rgießung in gefeflfcßaft*
lidher, wirthfchaftlidher, politifchcr unb fittlicßer ftinfießt 51 t ©tanbe ge*
bracht würbe, befonberS bie Hebung ber LebenSucrßältniffe ber Arbeiter
ber Vereinigten ©taaten. ©ie wiro bagu führen, Verachtung für ben
$anbarbeiter gu ergeugen unb wirb bie nichtSwürbige Anfidjt er*
muthigen, bah öer ©tarfe ben ©chwachen rechtmäßig auSbeuten barf
unb biefer bagu gebraucht werben fann, um ben LujuS für bie ^errfdjaft
Weniger gu liefern."
S)aß bie Befürchtungen feineSwegS ungutreffen b finb, wirb fo*
bann an einigen neueren Borfomntniffen erwiefen. Auf ben Bßi ß
Iippinen ftnb bie ber Nahrungsmittel in golge beS Krieges
enorm geftiegen. (Einige ©ifenbaßnangefteMe forderten beShalb
©nbe ©eptember eine unbebeutenbe Lohnerhöhung unb ftcllten bie
Arbeit ein. ©ie würben mit bern Bajonett gur Wieberaufnaßme
ber Arbeit gezwungen. Wer ber ©ewalt nicht weichen wollte,
würbe niebergeftochen ober ins ©efängniß geworfen. Auf £>awai
ift nach ber Annexion ber erfte gau, in welchem ein Äontraft*
arbeiter burch ©ewalt gur gnneßaltung beS ÄontrafteS gezwungen
würbe, gleichfalls gu oergeießnen. $)ie Honolulu 3wfer ©ompanp
erhob Älage gegen einen Arbeiter, welcher feinen Äontraft ge*
brodhen hatte. $)ic Bertheibigung machte geltenb, baß ber Äontraft
im Wiberfprucße mit ber ©efeßaebung Der Bereinigten ©taaten
flehe. $)er Angeflagte würbe troßbem oerurtheilt, bie Arbeit wieber
aufguneßmen. ©r oerweigerte bies unb würbe barauf oerhaftet.
hierauf würbe an ben oberften ©ericßtsßof appeHirt. Sn golge
beffen fann ein Befdjluß ber ©erießte über bie ©ülügfeit beS
.fiawaifeßen ÄontraftarbeitSgefeßeS unb feiner Beftimmungen hin*
fußtlicß ber greißeitsberaubung beS Angeflagten in Bälbe erwartet
werben.
$)ie Artifel wenben fieß mit aller ©ntfcßiebenßeit gegen ben
Berfucß, bie SNacßt ber Bereinigten ©taaten auf folonialem ©ebiete
auSgubeßnen unb gegen baS Beftreben, bureß ©cßaffung eines
fteßenben feeres bie Nepublif gu einem SRilitärftaat gu machen.
©S wirb bargetßan, baß leßteres bie fießere AuSficßt eröffnet, baß
bie Arbeiterflaffe meßr als biSßer ber Ausbeutung bitrcß eine fleine
Sßinberßeü überliefert würbe. ©S wirb gum ©eßluß gefagt, baß
nie ein Bolf waßrßaft groß werben fann, beffen ©yifteng auf ent*
würbigenber Arbeit berußt, ober bei bem bie SRenfcßenwürbe beS
Arbeiters bebroßt wirb: „©ine Nation, welche ben Weltmarft be*
ßerrfeßen will, muß ber Arbeiterfcßaft Sreißeit gewähren unb muß
ißr bie 2öege ebnen, bie ßöcßfte ©tufe ber Lebenshaltung unb ber
geiftigen ©ntwidfelung gu erreichen. Nur baS Bolf, in welchem
©olcßes gefeßießt, wirb auf bem Bklhnarftc entfeßeibenb fein unb
bie ©efcßicfe ber SSelt leiten."
Sojtale Juflältbc.
Äiuberarhrit in §abrifett unb in ber ^auSinbnfitrie. Nacß ben
„Amtlichen NMttßeilungen aus ben SaßreSbericßten ber ©ewerbe*
aufficßtsbeamten im ©eutfeßen Neicße" für 1897 ßat bie Äinber*
arbeit in ben Öabrifen gegen baS Borjaßr wieber um etwas gu*
genommen, naeßbem burch baS Arbeiterfcßußgefeß im Saßre 1891
eine ftarfe Berminberung ber in Sabrifen arbeitenben Äinber ein*
getreten war. ©S würben in Sabrifbetrieben befcßäftigt:
Änaben
SWäbcßen
gufamnteit
1886 .
. 13 529
7 514
21053
1888 .
. 14 738
8175
22 913
1890 .
. 17 254
10 231
27 485
1892 .
. 7 315
3 897
11212
1893 .
. 3 730
2 181
5 911
1S94 .
. 2 682
1 577
4 259
1896 .
. 3 343
1 969
5312
1897 .
. . 3 770
2 381
6 151
Sn fedfjs AufficßtSbegirfen würben 1897 überhaupt feine Äinber
in gabrifen befcßäftigt, in breien nur oereingelt, in 13 Begirfeit
fanb eine Abnahme ftatt, in 9 Begirfen blieb bie 3^ßl gleich unb
in 30 Begirfen trat eine 3unaßme ein. Als ©runb für bie ftärfere
§erangießung ber Äinber gur gfabrifarbeit geben meßrere AufficßtS*
beamte ben Auffcßwung ber Snbuftrie unb ben Mangel an ArbeitS*
fräften an. i>ie Befcßäftigung ber Äinber finbet ßauptfäcßlich in
fleineren Betrieben ftatt, bie bureß bie billige Äinberfraft fuß ber
Äonfurreng ber größeren Sabrifen gegenüber wettbewerbsfähig gu
erßalten fueßen. 2)er AufficßtSbeamte für Dftpreußen ßebt ßcroor,
baß in allen gällen, in benen Äinber in Sabrifen angetroffen
würben, auch ^erftöße gegen bie gefeßlicßen Beftimmungen feft*
geftellt werben fonnten. Sn feinem SaÖe ließen fieß bie Betriebs*
Unternehmer an ber gefeßlicßen fecßsftünbigen BefcßäftigungSbauer
genügen, oielmeßr würben bie Äinber in ben für jugenblicße Arbeiter
oon 14 bis 16 Saßren ftattßaften ©rengen befcßäftigt.
2)ie ^erangießung ber Äinber gur gabrifarbeit ift inbeffen
oßne Belang gegenüber ber großen Snanfprucßnaßnie jugenblicßer
ArbeitSfräfte in fleingewerblicßen unb ßauSinbuftrieHen Betrieben.
®er ©ewerbeinfpeftor in Ntüßlßaufen i/^ß. beflogt wicberßolt bie
auSgebeßnte Berwenbung oon Äinbern gum ©arnfpulen in ber
^auSinbuftrie beS ©icßSfelbeS unb wiinfeßt, baß biefe Befcßäftigung
ber Snfpeftion ber ©ewerbeauffießtsbeamten unterftellt werbe. 2)er
ArnSberger ©ewerberatß ßebt ßeroor, baß in Sf^loßn 514 Äinber
mit bem Anfcßnüren oon Näbnabeln befcßäftigt würben. Aucß in
Neßeiin, Lübenfcßeib unb ÄreiS VJittgcnftcin würbe bie Äinber*
befcßäftigung, um bem aefeßlicßen Verbot gu begegnen, aus ben
gabrifen in bie £>auSinouftrie oerlegt. ^)er Aacßener Bericßt
nimmt an, baß 4000 bis 5000 Äinber beS BegirfS in ber $auS*
inbuftrie tßätig finb. Sni Begirf Döbeln gingen ©igarrenarbeiter
unb «Arbeiterinnen oielfacß oon ber £ßätigfeit in ber gabrif gur
£>anSinbuftrie über, um bei ber leßteren gaßlreicße Äinber als
„Abripper" gu befcßäftigen. Sn ben Lofalblättern würben nament*
ließ gur Dftergeit Äinber für biefe Arbeiten häufig gefueßt. Aucß
ber AufficßtSbeamte für Lippe fcßließt aus ber niebrigett 3 a ßl & cr
jugenblicßen Arbeiter in ben ©igarrenfabrifen auf eine ftarfe Be*
fcßäftigung jugenblicßer Arbeiter unb Äinber in ber ©igarrenßauS*
inbuftrie. Sn Neuß j. L. würbe nacß wie oor bie Wahrnehmung
gemaeßt, baß bie Befcßäftigung oon Äinbern bei ben im geringen
Umfange betriebenen §auSmbuftrien eher gu* als abgenommen ßat.
SDer AufficßtSbeamte berießtet u. A. über bie im reußifeßen Ober*
lanb betriebene Blattfticßnäßerei golgenbeS: S)ie eigentliche leitenbe
ginna befinbet fieß in Binnen i/B., oon ßier aus werben bie Ar*
beiten bureß gaftorinnen in bie eingelnen Lanborte oertßeilt. $ier
überneßmen wieberum gegen 40 gerftreut woßnenbe ältere grauen
unb Ntäbcßen bie Ausgabe ber Arbeiten an gamilien unb ertßeilen
aleid)geitig bie nötßige Anleitung, ©rftaunlicß fod ßierbei bie ©e*
feßief ließ feit unb ber gleiß ber Äinber fein, welcße, angefpornt bureß
einen ftünblicßen Berbienft oon 10 4, bis ßerab gum Alter oon
5 unb 6 Saßren gu biefen Arbeiten gaßlreicß mit ßeraugegogen
werben. Ob unter biefer SOßritigfeit ber Äinber ber ©djulnnterricßt
leibet, ßat ber Beridjterftattcr nießt in ©rfaßrung bringen fönnen,
es erfeßeint ißm aber im Sotereffe ber förperlnßen ©ntwicfelung
ber Äinber geboten, eine allgemein guläffige niebrigfte AlterSgrenge
für bie ßauSinbuftrieEe Arbeit feftguftcHen.
Aus biefen unb anberen Ntittßeilungen in ben Berichten ber
©cmcrbeauffid)tsbcamten geßt ungweifelßaft ßeroor, baß bie Äinber*
arbeit in ben meiften Sabuftriebcgirfen noeß in einem Umfange be*
fteßt, ber aus ergießlicßen unb gefunbßeitlicßen Nucfficßten bean*
ftanbet werben muß. — Weiteres Lid)t über biefe 3 u ftäube wirb
bie ßoffeuthcß halb erfolgenbe Veröffentlichung ber bekannten ©r*
gebniffe ber NeicßSenquete über bie gewerbliche Äinberarbeit oer*
Breiten.
Acßtfhinbetttag im ©ifeubahmoefeit BaperoS. Wie Ntüncßener
Blätter mittßeilen, ift am 15. $>egember im Naugirbienft ('JRafcßmen*
337
©ogiale fragte. EentralBIatt für ©ogialpoltttf. Ar. 13.
338
perfonal) — Beim Stredenbienft fott bie gleite 5Jtofjnahme folgen
— ein neuer SurnuS oorgefc^rieBen roorbeit, ber ben ^ebienfteten
ben Achtftunbentag gebraut |at. ES roirb batin für 18 Sage
Sienftanfang unb Stenftenbe in folgenber Beife feftgefefct:
Sag
| $>ienftan fang |
©ienftenbe j
Angahl
Stunben
3 rüf)
Bittag
AbenbS
grüh
Bittag
AbenbS
1.
400
12oo
8
2.
400
—
—
—
12oo
—
8
3 .
—
—
—
12oo
—
6
•
—
—
800
400
—
—
8
4 .
—
—
800
400
—
—
8
6.
6.
7 .
—
—
800
400
—
—
8
_
1200
_
_
_
800
8
8.
—
12oo
—
—
800
8
9 .
—
2oo
—
—
—
600
4
10.
400
—
—
—
12oo
I —
8
11.
400
—
—
—
12oo
—
8
12.
—
12oo
—
—
—
800
8
13 .
— i
—
8*o
400
—
1
8
14 .
—
—
800
400
—
8
15 .
12<x)
—
—
—
! 8 r °
8
16 .
—
12uo
—
—
—
800
8
17 .
—
12oo
—
—
_
800
8
18 .
400
—
—
—
l2oo
—
8
fRec^net man täglich gu ber effeftioen ArbeitSgeit noch eine
Stunbe Binju, bie baS Peinigen 2 C. ber 9Kafd)ine erforbert, fo ent*
faßen auf 18 Arbeitstage (Umfang beS SurnuS) 153 Stunben ober
8 l /2 Stunben pro Sag. 3u roünfrfjen märe noch, ba& Efjpaufen
oorgefefjen mürben. Beim bieS gefchähe, fo f)aben — roie bie
fogialbemofratifche „üRündjener foft" Betont — „bie Betreffenben
Abteilungen Urfache, mit ber Sienfteintheilung gufrieben gu fein."
üilftünbe im fraget Sätferaefterbe* Sie Aufhebung ber
Aadjtarbeit unb Einführung eines StagimalarbeitStageS oerlangen
bie Sacferarbeiter fragS in einem Bemoranbum, baS bent
2JHitifferium unb bem AeichSrath überreizt tourbe. Sie ftüfcen
i^re gorberung mit ©rünben ber Arbeiterhpgiene unb beren ©in«*
flufj auf bie Ergeugniffe unb bie fonfuntirenben Eiaffen, So mürbe
Bebörblid) feftgeftettt, ba& im gahre 1897 in frag unb Umgebung
oon 241 Berfftätten 75 in Eellerräumen untcrgebrad)t maren. Aon
ben Berfftätten maren 83 feud)t unb Xid^t, 72 feucht unb bunfel.
3n 29 Berfftätten hatten Bie Arbeiter bunfle unb feuchte Sd)laf*
ftätten, in 18 gälten [^liefen bie Arbeiter in ben Berfftätten.
Beiter mirb angeführt, bafj fich bei ber nächtlichen Ergcugung beS
©ebäcfS in ben gumeift fd)led)t oentilirten Aadftuben fanitäts*
mibrige ©afe entmicfeln unb ber oon ber langen unb fcbmeren
SageS* unb fRadjtarbeit erfcböpfte Arbeiter feine 3eit hat, feinem
Eörper bie nötige Aeinlichfeit angebeiben gu laffen. Sie üblen
folgen biefer Sanitätsroibrigfeiten haben baS fonfumirenbe f ubli*
fum unb bie Arbeiter gu tragen. gut gahre 1897 gählte man
unter 746 Aäcferarbeitererfranfungen in frag 119 gnfeftions*
franfbeitsfätte mit 2772 Eranfentagen unb 7 SobeSfätten. An
Eranfheiten ber AthmungSroerfgeuge unb ber ßunge gählte man
219 gätte mit 3328 Eranfentagen unb 2 SobeSfäuen, an $aut*
franfljeiten gählte man 64 gatte mit 859 Eranfentagen. Auf
Eranfbeiten, bie einen üblen Einfluß auf bie ©ebäcfSergeugmtg
haben fönnen, entfallen alfo 64%.
Amerifanifdje (Sifenbabnarbeiter - ©tatiftif. Ser Eljef BeS
Aero*?)orfer AureauS für Arbeitsftatiftif, Bm. StainSbp, fagt in
feinem gahresbericht, ba& bie 23ahnen im Staate Aero*?Jorf 31 OOO
AnaefteHte haben, unb folgenbe ßöfjne im lebten gisfaljahre be*
zahlten:
^ennfploauia .
3ahl ber
Aiigeftellten
. . 12 353
Löhne
$
7 025 961,87
gerfei) Eentral .
. . 5 804
3 488 422,33
BorriS & Effej
. . 5 440
2 875 747,62
Erie . . . .
. . . 2 785
1 718 263,5s
Leljigh fallet) .
. . . 22 154
1 132 503,98
SuSgitehanna . .
. . . 1 168
533 402,33
Acabing . . .
. . . 1058
534 797 04
Sagu fommen noch 959 gähre* unb 23ahnbrücfen*23ebieitftele.
Sie Surcbfcbnittslöbne betragen 564 ,06 $. Aahegu bie jpälftc er*
halten burdjfchnittlich 40 bis 50$ monatlich, über 90<>/ 0 28 bis
55,58 $ monatlid). Sn ben einzelnen Branchen erhalten bie An*
gefteflten folgenbe ßöhne:
Anjabl Löhne
ber per Bonat
Aiigeftellten $
äugfuljrer.
... 89
89,68
Eonbufteurc ....
. . . 561
74,89
feiger.
. . . 81
66,10
Bafdjiniften ....
. . . 411
56,88
3imnterleute ....
. . . 817
49,13
StationSagenten . . .
Stredenauffeher . . .
... 420
47,36
... 243
47,26
93ahnarbeiter ....
. . . 2867
28,90
Sotal. 6 942
ÄrbettgebcmerbSttiie.
Streit! beutfdjer Sapetenfabrifanteu. Ser „Aorroärts" oer*
öffentlich* AuSgüge aus bem Statut biefeS bie meiften größeren
beutfchen Sapetenfabrifen umfaffenben Spnbifats. Sn ben Safcunaen
fd)reibt biefeS nicht nur feinen eigenen SRitgliebem oor, melche
freife fte Beim Aerfauf ihrer Baaren an bie #änbler nehmen
müffen, fonbern auch ben Sapetenhänbient, melche frogentfäpe Tie
auf biefe gabrifpreife im Setailhanbel gum roenigften auffblagen
müffen, — unb groar beträgt baS Minimum biefeS AuffdjlagS bei
geringmerthigen Sapeten burchfchnittlich 90—100%, bei befferen
über 100%, bei Sapetenborben nicht unter 275 o/ 0 . £änbler, bie
gegen feine Sorfchriften h.anbeln, Bebroht ber Serein mit bem
Sonfott, b. h- mit ber ©infteHung ber ßieferungett. So mirb
g. 23. in §. 27 ben £änblern, melche noch Sapeten gn ben früheren
niebrigeren f reifen gefauft haben unb nun bie ingroifd)en oor ber
Lieferung erhöhten freife nicht gahlen ober fid) ben jefeigen S3er-
faufsbebuigungen nicht fügen motten, angebroht:
^änbler, melche megcn Einführung ber neuen 33efd)lüffc für ben
Serfauf im Setailgcfchäft DrbreS annutttren, merben gefperrt.
Ebenfo mirb ben ^änblern oerboten für ben Export beftimmte
Baaren aufgitfaufen, ba nämlich Bie beutfchen Sapetenfabrifanten
nach Bern Auslaube oiclfadj billiger oerfaufen, roie im Snlanbe:
Ber beutfehe Baaren, melche angeblich für baS AuSlanb gefauft,
in Seutjdjlanb übernimmt, mirb gefperrt.
ferner mirb, um ber Eonfurreng ber Baarenhäufer unb Ser*
fanbgefchäftc gu begegnen, ben gum Serbanb gehörenben Sabrifen
ber f erlauf an berartige ©roftgefhafte unterfagt.
§. 29. Ser Serfauf oon Tapeten, Sorben 2 c. an £>anbroerferoer*
einigitngen, fomte an Baarenhäufer, Sagare unb Scrfanbgefchäfte
größeren Stils ift für $)eutfd)laub unb Sugemburg oerboten.
§. 30. .gänbler unb ^abrifauten, melche Tapeten unb 23orben
bireft ober inbireft oerauftioniren laffen, merben gefperrt ober beftraft.
Sie Sabrifanten, bie fi<h bem 23erbanb nicht anfchliefeen motten,
fotten burch folgenbe 23eftimmungen mürbe gemacht merben:
§. 35. SebcS 3Wüglieb bes Vereins oerpflichtet ftch, mit feinem
$änbler gu arbeiten, ber oon beutfchen gabrifanten fauft, melche nicht
gum herein gehören.
§. 36. ®ie SKitglieber uufereS Vereins finb bei Eonoentionalftrafe
oerpflichtet, nur oon folgen gabrifanten (Rapier*, garben*, ßeim* 2 c.,
3eichnern, gormftedjcrn) refp. Lieferanten, Agenten unb 3KitteISpcrfonen
gu faufen, meldje ausfchliehlich nur an unfere 23ereinSmitglieber liefern,
alfo au iapetenfabrifanten, meldje nidjt unferem Vereine angehören,
jebmebc Lieferung cinfteHen.
Sen beutfchen jmnblern mirb beS Beitem oerboten, oon aus»
roärtigen Sabrifanten billiger eingufaufen als oon beutfchen:
$er Einfauf oon auSlänbifchen gabrifaten muh im gleichen ©eure
minbeftenS gu unferen HKinimalpreifen erfolgen. ^)er 23erfauf im Detail»
gefchäft muh bei auSlänbifchen gabrifaten bei gleichem ©eure minbeftenS
gu benfelben greifen unb Aabattfä^en erfolgen, mie beutfehe gabrifate
im gleid)cu ©eure.
Aeben ber Sperre fennt baS Statut ©elbftrafen. 23ei ben
gabrifanten betragen biefe je nach ßnneffen beS 23orftanbeS 300
bis 3000 JL Ebenfo nimmt fiöh ber Struft baS Aedjt, auch
,f)änbler, bie oon ihm faufen, je nach ©utbünfen mit 30 bis
1000 c /IC gu beftrafen. ©egen bie oom 23orftanbe feftgefefeten
Strafen fte§t ben gutn SSerbanbe gehörenben gabrifen eine ^e»
rufitng an bie ©eneraloerfammlung gu; feiteuS ber ^änbler ba*
gegen ift nad) Art. VII „ein Biberfprud) auSgefchloffen". Qm
Sicherung beS Eingangs ber oerljängten Strafen hat jeber beutfdje
Sapetcnljänbler unb jeber bem SSerein ungehörige gabrifant einen
Solaroed)fel bei bem SSorftanbc gu hiaterlegen, „ber 23orftanb ift
ermächtigt, biefett Bed)fel (ober einen £heil beS in mehreren Ab*
fdjnitten hinterlegten 23ctragS) in Umlauf gu fefceit, menn ber Aus*
839
©ogtale $xajt3. Eentralblatt für ©ogialpoltttf. Nr. 13.
340
ftedcr gegen bic unter ©träfe qeftedten Vefdjlüffe nachweisbar oer*
ftoßen bat". (Vgl. §. 152 Abf. 2 ber ©ewerbeorbnnng: „Sebent
Dßeilneßmer ftcßt ber Nücftritt non foId>cn Vereinigungen unb
Verabrebungen frei unb es finbet aus legieren weber Klage noch
Eiurebe ftatt.") Außerbem üerpflicfjtet ficb jebeS „angeflagte"
NUtglicb, bcm Vorftanbe auf Verlangen baS Necßt einguräumen,
Einficßt in bie Vücßer unb bie Korrefponbeng gu nehmen unb eine
Vernehmung beS Sßerfonals gu geftatten. Aucß ift ber Vorftaub
weiter berechtigt, in VerbacßtS* ober 3 rae if e ifäß en unangemelbet
einen oereibigten Vücßerreoifor gu bem betreffenben dßitglicb gur
Unterfucbung gu fenbcn. Den Arbeitern gegenüber feßreibt ber
Verbanb im §. 40 „feßwarge Liften" oor:
Erfolgt bei einem Niitglicbe beS Vereins ein ©trei! ber Arbeiter,
roogu eine fomplottmäßigc, wenn audj fonft orbnungsmäßtge Ki'mbigung
gur Ergmiitgung böserer Üö^nc ober Abjcbaffitng mißliebiger Einridj*
tmiaen mitgeredmet wirb, fo barf fein bem herein angeßorenber College,
naepbem bie Angelegenheit oom Vorftanbe geprüft unb gur Kenntuiß
ber SRitglicber gebracht ift, einem ©treifenben innerhalb ber erften brei
SRonatc Vcfcßäftiguug geben.
Es ift jept fooiel oom Arbeiter*DerroriSmuS bie Nebe —
welches wäre benn bie paffeitbe Vegeicßnung für biefeS mit allen
Mitteln ber ©perre, beS Verrufs, ber ©trafen unb Kontrolen, fo*
wie ber „feßmargen Liften" auSgerüftete ©tatut eines Unternehmer*
oerbanbeS?
$reiS" unb Loßnberetnbaruttg in ber (MaSinbnftrte Norb-
Böhmen#. Aus Dannwalb wirb berichtet, baß eine ?ßreis* unb
Loßnfonoention ber Krpftaderiebrancßc beS ®ablong*Dannwalber
VegirfeS abgefchloffen worben ift. Durcß biefe Konoention oer*
pflichten fieß bie Ergeuger oon KrtptadglaSwaaren auf bie Dauer
oon brei Qahren für bie in ber Lifte oom 15. 3mti 1890 ange*
gebenen Artifet bie bort feftgefepten NHnimallößne gu begabten
unb nur gu beftimmten, am 31. Dftobcr t. 3. feftgefepten Verlaufs*
preifen SBaaren gu liefern. Öür ben 5afl ber Nichteinhaltung
eines fünftes ber Konoention würben ©trafen ocreinbart. Die
VHrffamfeit ber Konoention hat mit bem 20. Degember begonnen.
^rbetterbettiegtmg.
AuSfperrung unb Streif ber ©etbentoeber in Ärefelb finb
jept burd) gütliche Vereinbarung oöHig beigelcgt worben. 3mar
ift bie ^Bewegung nicht gang fo rafcß gmn ©tidftanb gefommen,
wie es naeß Den bet ©eßluß ber Iepten Nummer unfereS
VlatteS oorliegenben Nacßridjten fchien, ba ficb Arbeiter einer
girma weigerten, bem Abfotnmen beigutreten. ®och gelang eS
auch in biefem Sade nach mehrtägigen Verßanblungett bie Diffe*
rengen gu befeitigen, inbem oon ben Arbeitgebern eine Loßnerßößung,
anbererfeits eine ©elbftrafe für Kontraftbrucß oon ben Arbeitern
gugeftanben würbe. Der Sriebe ift aderbingS nur auf brei Nio*
nate gefcßloffen, hoch fotl eine gemifeßte Kontmiffion, aus Sabri*
lauten unb Vßebern befteßenb, nicht nur über bie innerhalb biefer
3 eit entftehenben ©treitigfeiten entfeßeiben, fottbern auch für bie
3u!unft Vereinbarungen treffen. Daß eine berartige „gewerbliche
Diplomatie" unmöglich wäre oßne bie 0rganifation ber Unter*
neßmer unb ber Arbeiter, ßaben wir feßon in ooriger Nummer
betont. Die „©ermaitia" fagt treffenb ßiergu:
And) ßier bietet bie ©cmerffdmftsbewcgung wieber ben VeweiS,
baß nur fic es ift, bic eine einheitliche 3afamntenfaffung ennögüdjt unb
eine nuplofe Vcrgcnbitng ber St reifte uerßinbert. SBeitn bie beiben
leitenben Aaftoren fuß gcgcnübciiteßnt unb einer für Saufenbe oer*
banbelu farm, nur bann ift ein gebeißlidjes Verbanbeln utöglid). Die
ungelenfe Nicngc wirb nie oicl gu ©tanbe bringen, weil oiclc Stopfe
oiele ©imte gumeift über baS erfirebte 3*U hinaus wollen unb leiber
oft gu gefügige $Berfgcuge in ber .^anb oon Agitatoren finb. £em ift
aber in biefent Tyallc oorgebengt. SKir b f 9 f n ben innigften SBunfdi,
baß bie Negierung cnblidj iitne werben möge, baß bie Verufooereinc
nur oon bauembem ©egen für unfer arbcitenbeS Volf fein fönneit.
San trän ©ctoerffchaftShaufcrm 3n Nürnberg unb fjürtß ift
ber Vau oon VolfS* ober ©ewerffdjaftshäufern nach belgifcßem
unb ffanbinaoifeßem SNufter im ©angc. ^er Vau in Nürnberg
wirb eine Aiigaßl großer VerfamntlungSfäle erßalten. ^ie Moften
füllen bureß Ausgabe oon Antheilfcßeinen aufgebracht werben, ben
Neft fofl eine Vrauerei liefern. 3» Sfürtß ßat ber Vau bereits
begonnen. Slucß in Verlin ift ber Vau eines OteroerffdjaftSbaufeS
im ©ange. ©S wirb im ©iiboften, in ber Näße beS Nticßaelfird)*
plapes am Gngelufer errießtet.
©rrichtuttg Dmt Arbeiterfefretariatew. £ic (Jrridjtung eiueö Arbeiter*
fefretariats ift in Alten bürg auf Antrag beS ÖcwerffdjaftjsfartcHs be*
fdiloffen worben, giir bas ©efretariat würben 1300 JC. pcrfoulicßc unb
150 JC. fachliche toften pro 3aßr ausgeworfen. Altenburg hat gegen*
wärtig 22 gewerffdiaftlicße VcrufSorgauifationeu mit 2400 Ntttglieberu.
— SSie uns aus Veutßen gefdirieben wirb, ift bort am 1. Noucntber
bie ©ritnbung eines obcrfdjlepfcßen ArbeiterfefretariatS erfolgt; ©cfrctär
ift Dr. A. hinter. — And) in £ ar mft ab t ift bie (Srricßtung eines Ar*
beiterfefretariats in AuSficßt genommen.
Programm ber £rabe UuiottS für bie $rbeit$gefehgebiti!g.
£)er ©efretär beS parlamentarifcßen ftomiteS beS £rabe Union*
ftongreffeS, Abgeorbneter ©. 3Boob, ßat an ade ©ewerfoereine im
Verfolg eines VefcßluffeS beS Vriftoler StongreffeS ein Nmtbfdjreiben
gerichtet, baS bie 3eftftetlung eines Programms für bie ArbeitS*
gefepgebung begweeft. 3 e ß n Stagen werben ben ©ewerFpereincn
oorgelegt. ©ie betreffen bie Erweiterung beS ^BaßlrecßtS, bie ooUe
Vefteuerung beS VobenS, ben Arbeiterfd)up in gefäßrlicßen ©e*
werben, inSbefonbere gegen Vlei* unb Vßo^Pßa^ergiftung, bie
AuSbeßnitng beS ©cfepeS über bie Unfallentfcßäbigung, bie
Durchführung ber „©ereeßteu SoßnHaufel" unb NUnimallößne oon
21 ©ß. in ©taatsbetrieben, ben gefeplicßen Acßtftunbentag im
Vergbau, bie ^effelinfpeftion ^en ©cßup ber fteffelarbeiter, bie
AlterSoerficßerung für alle Arbeiter, bic AuSbeßnung ber
$artifularS!laufel auf alle 3nbuftrien mit ©tücfarbeit, enblicß bie
Verforaung ber SBittwen unb SSaifen oon Arbeitern in
©taatsbetrieben. Vtenn bie Antworten hierauf oon ben ©e*
werfoereinen eingelaufen ftnb, wirb baS Programm gufammen*
aeftedt; bieS wirb ben ÜRiniftern übergeben unb bei jeber
^arlamentSwaßl bem ilanbibaten oorgelegt, ber fid) barauf oer*
pflicßten muß, wenn er bie ©timrnen ber organifirten Arbeiter
erßalten wid.
Der ©onberfougreß ber britifcßett ©cwerffchaften, ber fuß mit
bem alten, bis in bie breißiger 3aßre gurücfreicßenben $lan eines
3ufammenfcßIufieS ber ©ewerffeßaften gu einem großen ©cßup* unb
Drupoerbanb erneut befcßäftigen fod, ift gurn 24. Sanuar n. 3-
naeß SRandjefter einberufen worben. Auf bem Iepten 3aßreSFoitgreß
ber ©ewerffeßaften in Virmiitgßam würbe befanntlidß ein ^omite
eiugefept, baS ein ©tatut für ben adgemeinen ©ewerffcßaftsbunb
ausarbeiten fodte. DiefeS ©tatut fod nun bem Kongreß in 9Ran*
eßefter unterbreitet werben. 0b es angenommen wirb, fteßt baßin.
3ebenfadS bürfte bie feßon begonnene Errichtung oon ©ewerf*
oereinSoerbänben naeß 3nbuftrien eine görberung erfahren, wie
folcße in ber Derfilinbuftrie unb im Vergbau bereits befteßen.
(3n Dänemarf finb bic gaeßoereine bereits gu einem großen ©e*
werffcßaftSbunb oereinigt. & en ftßwebifdßen, norwegifeßen
unb bänifeßen gacßoereiiten befteßt eine ffanbinaoifeße ©ewerf*
fcßaftSunion.)
Vewegnng ber $attb(ttngSgeßülfett in $ari$. Der Mangel an
gefcplicßem ©cßupe ßat bie ^anblungSgeßülfen in granfreid) unb
befonberS in $ariS in gientlicße Abßängigfeit oon ben Unter*
neßmern gebracht, bie nießt feiten in gang bebauerlid)e 3 u f^änbe
auSartet. 3 roar einige ber großen VerfaitfSmagagine, wie
g. V. ber Bon Marche, in ber gürjorge für ißre Angeftellten feßr
weit gegangen. Docß ßaben fie bamit fcßließlicß weiter nießts ge*
tßan, als bie alten, ßalbpatriarcßalifcßen Verßältniffe, unter benen
ber Vebienftete in bie gamilie beS VceifterS aufgenommen würbe,
äußerlich moberttiftrt, einfach weil bie waeßfenoe 3 ö ßl 23 e *
bienfteten biefe Aenberungen nötßig rnadjte. Vei Heineren ©e*
fcßäften ergeugt biefe 0rganifation felbftoerftänbiicß eine [eßr be*
briiefte Lage ber ©eßülfen. Der ©elöloßn ift gering, bie Ver*
pflegung unb befonberS bie ©djlafräutne finb oft armfelig, bie
ArbeitSgeit eine ungewößnlicß lange. Verfcßlimmert werben bie
Arbeitsoerßältniffe bureß bie oodftänbige Abwefenßeit gefepUcßer
©onntagSrnße. — Die ^anbtungSgeßülfen oon $aris arbeiten
feßon jahrelang an ber Verbefferung ißrer Lage unb gwar ßaupt*
fäcßlid) bureß tßre Korporation, ben 5<ußüerein her faufmänuifeßen
Angeftedten beS ©einebepartements. ^ßäßrenb ber Iepten 9Sod)en
ßat ber Verein eine lebhafte Agitation unter ben ©eßülfen ber
Kolonialwaarenbrancße entfaltet, bie fieß bis jept noeß wenig ge*
rührt unb fieß nur in geringer 3 a ^ & er Vereinigung ange*
fcßloffen hatten. Durcß Veranftaltnng oon Verfautmlungen in
oerfeßiebenen ©tabttßeilen feßeint es feßr rafcß gelungen gu fein, bie
Nt affe ber 3nterefftrten in Vewegung gu bringen, namentlich bie
Angeftedten oon gwei großen 3'innen, bie mit ißren gaßlreicßen
Filialen in ber gangen ©tabt ben Don im ©emerbe angeben, für
bie ©aeße gu gewinnen. 3n einem fürglicß an bie Unternehmer
oerfanbten Eirfitlar ßaben bie ©eßülfen ißre 3orberungen prägifirt
unb folgenbcS NJinimalprogramm anfgeftedt: 1. 3mölfftiinbiger
Arbeitstag mit gwei einftiiitbigen Raufen für bie 9J?aßlgeiten, ©e*
fd)äftsfcßluß an ©onntagen um 12 Ußr NJittagS. 2. 3 roe i
gaßlte Nußctage pro Nlonat, wooon einer ein ©onntag. 3. Ab*
341
Sogiale Brayts. Eentralblati für ©ogtalpolittf. Är. 13.
342
fcßaffung aller Strafgelber, unter welcßer Sonn fie immer erfeßeinen
mögen. 4. Anerfennung beS SfltßüereinS als Vertreter ber (Ge*
hülfen bei ben Unternehmern. Heber biefeS Minimalprogramm
hinaus, für meines man unmittelbar (Gewährung forbert, fteHt
bas ^ßerfonal nocß bas Verlangen 1. einer genauen SReglemen*
tation beS 1'eßrlingSwefenS; 2. ber Abfcßaffung ber Befestigung
unb ßoairung im £aufe Patrons unb 3. Der Aufteilung mit
fiyem Monatsgehalt. — SRatßbem bie Unternehmer bieS Ultimatum
ber forporirten (Geßülfen unbeantmortet gelaffen hatten, erflärten
biefe auf einer ©eneraloerfammlung ben fofortigen allgemeinen
AuSftanb, ba bie rege BerfaufSperiobe um ben 3a^reörDecf)fcI bie
befte (Gelegenheit biete, einen erfolgreichen Drucf auSgitüben. Dele*
girte ber (Geflügel* unb ber Sdjußbrancße hotten ben Anfcßlnß ihrer
Berufe an ben Streif ber epiciers in AuSficht gefteÜt. Die Sn*
gaben über bie 3of>l ber AuSftänbigen feßwanfen gwifeßen 3000
unb 5000. SRocß ehe aber bie oom großen Sauerem ber £mnbels*
anaefteHten beS Seinebepartements angeregte Bewegung in ber
Kolonialwaarenbrancße ihren £>ößepunK erreicht hatte, maren Ber*
futhe gu ihrer Abfcßwäcßung gemalt roorben. Die bebeutenbfte
Sirma ber Branche feßte ben (GefcßäftSfdßluß oon 9 Uhr auf 8 Uhr
AbenbS herab. Ein anbereS Mittel gum gleichen 3roe#e mar bie
3erfplitterung ber Bewegung burdß (Grünoung eines Konfurreng*
oerbanbes eines fpegießen gachoereinS ber (Geßülfen ber kolonial*
roaarengefchäfte, ber oom gangen Programm ber Streifer nur bie
Abfcßaffung beS ©trafgelbes beibehielt unb fi(ß gegen bie Unter*
nehmet einer fehr loyalen Spaltung befleißigt. Biele ber Keinen
(Gefchäfte haben fidb bereits mit bem AuSftanbSfomitö oerftänbigt,
äße Sorberungen Der AngefteHten gugefagt, um bie AuSftänbigen
gum fofortigen Wieberantritt ber Arbeit gu oeranlaffen. Snt 3nter*
effe ber (Gefammtßeit hat bie Streifleitung jeboeß bieS 3ageftänbniß
oerfagt. Bon einem Siege fann aber erft bie 9tebe fein, wenn
bie beiben größten Sarnen, Botin unb Damoiji, ben Sorberungen
beS B er f°nalS entgegenfommen, maS fehr fraglich ift, ba bei ihnen
ber AuSftanb fich bis jeßt nur wenig fühlbar gemacht hat.
3Ubettetfd)u|.
Koufereugett preußifdjer ©etoerbeaufftdjtSbeamteit. 3m ©inblic!
auf eine Mittheilung in 0p. 175 ber „Sogialen B^ajiS" über
SaßreSfonferengen ber baperifeßen Sabrifinfpeftoren werben wir
barauf aufmerffam gemacht, baß bie preußifrfjen (GemerbeaiifficßtS*
beamten fdßon feit 1893 begießungSweifc 1894 alljährlich gu Be*
fpreeßungen gufammentreten, um in gegenfeitigem MeinungSauS*
taufch Süßlung mit einanber gu gewinnen unb eine (Gemein|amfeit
beS Arbeitsplanes ßergufteffen. Stießt nur pflegen alljährlich im
Märg bie 26 StegierungS* unb (Gemerberäthe beS ßanbeS gu
mehrtägigen Konferengen nach Berlin berufen gu werben, auch bie
<Gemerbe*3nfpeftoren unb Affiftenten treten in jebem 3aßre gweimal
unter bem Borfiß beS guftänbigen BegicrungS* unb (GewerberatßeS
gu amtlichen, ben Dienftbetriebbeßanbclnben 3wfammenfünfteu gu*
fantmen.
Der Adjtiihrfabettfchlttß ititb bie Klemfaufleute. Bon ben
Befämpfern beS einheitlichen AcßtuhrlabenfcßluffeS ift ftets als
fmupteinwanb angeführt worben, baß biefe Maßregel ben Buin
oeS KleinßanbelS bebeuten würbe. BefonberS lebhaft würbe biefer
Einwanb erhoben oon bem Bereut Berliner Kaufleute unb 3nbu*
ftrieHer, einer Drganifation, ber oorgugSmeife (Großfaufleute unb
(GroßinbuftrieHe angehören, unb bie halb nach bem Befanntwerben
ber Borfchläge ber BeicßSfommiffion für Arbeiterftatiftif eine
heftige Agitation gegen beren BerwirKidjung entfaltete. „Die
Wirfung fann nur bie fein, baß bie oielen Keinen (Gefchäfte
eyiftengunfähig gemacht werben unb immer mehr in bem (Groß*
betrieb aufgehen, baß ber nüßlicße Kleinbetrieb oerbrängt wirb,"
fo führte Direftor BogtS in einer oott bem genannten Berein ein*
berufenen Broteftoerfammlung aus. Scßon bamals würbe mit
Stecht ausgefüßrt, baß gar fein (Gruttb oorliege, eine berartige
Wirfung biefer Maßregel angunehnten, unb in ber erwähnten Ber*
fammlung erflärte eine Angaßl Kleinfaufleute felbft, baß fie ben
Adjtußrlabcnfd)luß ebenfo ßerbeimünfeßen wie bie Angestellten. Daß
bamit bie Meinung eines großen DßeilS ber beutfeßen Kleintauf*
leute wiebergegeben war, haben nachher bie gasreichen Bcftrebungen
ber felbftänbigen Kaufleute, einen einheitlichen fiabettfdjluß bur<h
freiwillige Bereinbarung herbeiguführett, gegeigt. 3eßt, wo es be*
fannt geworben ift, baß bem Reichstage ein (Gefeßentwurf gugeßen
fod, ber oon ber Einführung beS einheitlichen l ? abenfdjluffeS „nidjt
gang Abftanb nimmt," mehren fich bie Stimmen ber Kleinfauf*
leute unb ihrer Organe, bie bie Regierung aufforbern, ben Sicht*
ußrlabenfcßluß entfprechenb ben Borfcßlägen ber AekßSfommiffion
in baS (Gefeß gum Schüße ber £>aublungSgeßüIfen aufgunehmen.
So begleitet bie „Dcutfdje §anbels*3eitung, DffigieHeS Organ beS
BereinS Berliner Kaufleute ber Kolonialwaarenbrancße unb bes
BereinS Berliner Kolonialwaarenhänbler" bie Artfünbigung beS
SchußgefeßeS mit folgenbem Kommentar:
„danach tft in bem in Attsfidjt fteßenben Ecfeße thatfächlich eine
SRinintalrubegeit für bie Slitgefielltcn oorgefeßen; aüerbingS foH aud)
ein obligatorifd^er $lbenbfd)luß ber Ecfchäftc nießt gang ad acta gelegt
fein. $a heißt es nun für bie, benen an ber leßten gorm beS SdjußeS
gelegen ift, jitß rühren, bamit fie eintrete. Sir meinen, ein
obligatorifcßer Slbenbfdiluß ift-oorgugtehen: bann hat and)
ber Bringipal etwas oon bem „Sdjuß", ben er unter Um*
ftänben mehr braudjt als bie Slngeftellten."
SRoch weiter geht ber Barmer £abenbefißeroerein. Er befdjloß
in feiner leßten Sißung, an ben Beicßstag eine Eingabe gu rießten
mit ber Bitte, ben fiaoenfcßluß um 8 Ußr SlbenbS gefeßlicß gu
regeln, ba eine freiwillige Bereinbarung, bie (Gefchäfte um 9 Ußr
gu ffließen, troß großer Müße unb oieler Kofteit an bem Eigen*
willen einiger (GefcßäftSinhnber gefeßeitert ift.
ganbeSpottgeUidje Berorbnung gum Scbuß ber Bauarbeiter tu
Stußalt. Eine anerfennenSwerthe Maßnahme gum Sdjuße ber
Bauarbeiter hat bie anhaltifcße Regierung getroffen. Sluf (Grunb
beS ©efeßeS über bie Boligeioermaltung ift am 12. 3)egember
folgenbe lanbeSpoligeilidje Berorbmtng erlaffen worben:
Bei bem inneren SlnSbau oon Webäuben, inSbefonbere bei 9?eu*
bauten, Dürfen währenb Des Winterhalbjahres länger anbauernbe Ar¬
beiten nidjt oorgenommen werben, wenn nicht bie 2 ßür* unb ^enfter*
Öffnungen fo oerfeßt ober gefdjloffen ftnb, baß bureß biefelben ein 2uft*
gug nidjt ftattfinbet. 3» Räumen, in benen offene Kofsfeuer ohne ooll*
ftänbige Ableitung ber eutftehenben Eafe brennen, Darf nidjt gearbeitet
werben. Soldie Räume finb gegen anbere Stäurne, in benen gearbeitet
wirb, bießt abgufdjließen unb Dürfen nur oorübergeßenb oon beit bie
KofSförbe beauffidjtigcnben B cr f° nen betreten werben. 3Rit ber Er*
rießtung oon Wohnßaufern unb anberen größeren Bauwerfen im &ocß*
unb Tiefbau Darf niemals früher begonnen werben, als bis eine ge*
fcßloffcne Bebürfnißanftalt möglicßft abgelegen oon ber 3traße auf bem
Bauplaß errießtet ift. ;3 u ^i^ r hanblungeu gegen biefe Borfdjrifteu
werben mit 6)elbftrafe bis gu 30 JC ober mit £mft bis git 14 lagen
beftraft.
©ifenbaßnarbeiterfihtth tu Oefterreiiß» 3nt öfterreidjifeßen
Abgeorbueteußaufe fam bei Erörterung beS ßofalbaßngefeßeS bie
Stage bes EifenbahuarbeiterfcßußeS gu eingeßenber ^isfuffion.
5)er Eifeitbaßuminifter Dr. Söittef erflärte in biefer Begießung, bei
ber Aufteilung ber Bcbingnißßefte, natß welchen bie Bauten an
bie Unternehmer oergeben werben, fei in ber auSgiebigften Weife
für ben Scßuß ber Arbeiter Borforge getroffen, unb bie Be*
bingnißßefte feien in biefer Begießung wirKicß mustergültig. ®iefe
Bebingniffe, bie immer rnieber reotbirt würben, gelangten aus*
naßmslos gur Anwenbuitg bei ben Bauten, bie mit Staatsgarantie
erfolgen. Aud) bie ÖanbeSeifenbaßnämter hätten fieß biefe Sormen
angeeignet. 3n ber Kontrole fei baS Eifenbaßnminifterium autonom
gefteOt. 2)er ©cwerbe*3nfpeftor bei ben Wiener Bcrfeßrsanlagen
fei aber gewiffemtaßen als Kern einer gu bilbenben Abtßeilung ber
(Generalinfpeftion gu betrachten, tiefer (Gemerbe*3nfpcftor fei ber*
geit bannt befdjäftigt, bie (Grunblagen gu feßaffen für bie Ein*
rießtung einer fpegiellen $>ienftabtßeilung ber ©eneralinfpeftion,
welcße oie Aufgabe haben wirb, genau fo wie bie (Gewerbe * 3n*
fpeftiott gegenüber ben ^ßriuatfabrifen unb BrioatetabliffementS bei
ben Eifeitbaßnen gu interoeniren. — Anfnüpfenb an biefe Er*
Käruna würben feitenS ber Sogialbemofraten fonfrete Anträge gur
Aufnahme in bie Bebingnißßefte geftetlt, bie fieß auf bie £oßn*
gaßlung, ArbeitSgeit, Sonntagsruhe, Srucfunwefen, Subfontrafte
u. f. w. begießen. Die Anträge fanbeit beifällige Aufnahme unb
würben einem AuSfcßuffe gur Begutachtung unb Berichterstattung
binnen aeßt Wocßen gugewiefen.
3^rbeltcnJerftd)cnmg. äpaebafftn.
Betriebs* (gfabrif*) ftrattfettfafjett beS Deutfdjen 9tetißeS. 3m Au*
fdiluß an bas tut Borjaßr ocröffcutltcfjtc Bcrgeidjniß Der Crtsfiaufni-
faßen Des Deutfcßcn Acidjes hat Der Bcriag Der ArbeiteroiTforgung
(A. Irofcßel)*) Die BctricboFranfcnfaffen bec^ Xeutfdicn Striches muh Dem
*) Bcrgeidjniß Der Betriebs* (Jvabvif*) Sl raufen taffen bes Icutidieu
Aeidies. Mit Benußung amtlidjer Citeüen gufammengeftelU. Aebß
einem alphabctifdjen iHegifter ber Ortnhaften unb ber Aabrifatioits#
gweige. Berlin lsns. Berlag ber Arbeitcroeriorgung. A. Irbfctiel.
((Mr. 8° 184 Seiten.)
343
©ojiale $rajid. Sentralblatt für Sojialpolttü. Br. 13.
344
Material bed Haiferlichen Statifüßhen Amtes zufammeugcftcllt, btc an
3af)l bic Drtdfranfenfaffcn erheblich überragen. Bir haben und bic
genommen, auszuzäf/len, mic weit biefe gorm ber gefe^lic^cit
ttranfenuerftcfjerung in beit einzelnen gabrifationdzweigen vertreten ift.
Xa fcfjie^t ben Bogel ab bie Bcberei 2 c. mit nicht meniger ald 1139
foldjcr Waffen unter indgefammt 16 584 auf geführten. git meitem Ab*
l'tanbe folgert bic Spinnerei (502), bie (lifeninbnftrie (491) unb bic
SDiafcbincnfabrifcn (417). Xic Abtbeilungen Stcinbrüdjc, Bergbau :c.
haben 388, bie 3uderfabrifcti 324, bic ^apicrinbnftrie 262, bie Xljon*
iitbuftrie 260, Bauuntcrncbntungcn unb jioljinbuftric je 253, bie Xabaf*
inbuftric 222, bie djemifche gnbufiric l 89 / 3* c 9 c l^ 182 / ©lasinbuftrie
156, Mctaüinbuftrie 154, Färbereien 124, 2ano= unb gorftmirthfehaft
124, Seber, Schuhe, .panbfehube 110, Stricferei, Seilerei 101, CSrifenbahn*
bau unb betrieb 99 folcher ,Haffen. Bun ftnfen bic gahleit rafcb, fte
betragen für Brennereien 74, graphifdjc Anftalteu 72, Bnbrungsmittcl*
inbitftrie 55, gnftrumente, Uhren 50, Schiffsbau, Schifffahrt 43, ©ad*
unb Baff eran galten 40, ^oftfranfenfaffeu 39, ^ofamentenfabrifen 39,
Ocl* unb Seifeniitbuftric 36, Steinnuß* 2 c. gubuftric, Huopffabrifeu 32,
Sprcngftofffabrifcn 31, Xrausportgefcflftfmften 23 u. f. m. Xic Hon*
feftion tnic bie Spiclwaarcn, Bijouterie haben nur je 7, bie galwrab*
fabrifeit gar nur 6 Haffen unb barunter fehlen bie befannteften gabrifen;
ebenfo ift es beim Bianofortcbau, ber 7 Haffen aufweift. Auch brei
.£>cilanftalteu fmb nertreten. Xas Begiftcr foll burd) jährliche Nachträge
nollftäubig gehalten inerben.
Staatluhe Berfufjerittig ber Seeleute tu Defterreidj. Fn Defier*
reich h a * im Beidßdrath ^ er H an ö c teminifter eine Snterpeüation
über bie Berforgung ber Hinterbliebenen oon oerunglücften See*
leuten unb bie Hranfen* unb llnfattoerficherung ber Seeleute, ber
befanntlid) ^djiffa^trtöbetriebe, bie ben Seegefefcen unterliegen, nicht
unterworfen finb, bahin beantwortet, baß ein ©efefcentwurf, burdt)
welchen bie Unfattoerficherung auf Seefdjiffahrtdbetriebe audgebehnt
werben foll, unb ber baher auch bie Besorgung ber Hinterbliebenen
oon oerunglücften Seeleuten put ©egenftanb ljabc, oorbereitet
werbe, Sd erübrigten nur noch bie abßhließenben Berbanbluttgen
mit ben betheiligten Sentralftellen. — Bährertb bei und bie Sozial*
betnofraten f. 3* gegen Arbeiterocrfiehernngdgefeße geftimmt
haben, agitireit bie öfterreid)ifchen Sojialbemofraten feit langem für
ben Ausbau ber bortigen Hranfen* unb Unfalloerficherung, fowie
für (Einführung ber Fnoalibitätd* unb Alterdoerficherung nach beut*
.fehern Mufler.
Xad Berficheruugdfterf tu ber Sdjtoetz. X>ie Berftcherungd*
gefefee für Hranfßeit unb Unfall finb in ber Hauptfache abgefchloffcn,
ed fehlt, abgefehett oon ben Schluß* unb Uebergangdbeftimmuitgen,
im Bkfentlid)en nur noch &ie rebaftioneHe Fertig)tellung. Xroß*
betn hai ber Bationalratl) befchloffeit, bie Srlebiguitg p oerfchiebett
unb feine Frühjahr^feffion ju biefent 3mecle abphalten. X>er
©runb liegt in ben Fiuanjett: Man fteht im Augeitblicf nicht, wie
bie erforberlichen acht Millionen für bie Berfidjerung p befchaffett
finb. (Sitten gangbaren 28eg böte bie (Einführung bed Xabaf*
monopold, aber ba taudjen mancherlei Bebenfen auf. ©leiößwohl
giebt eine Bebe bed Batioualratßd Forrer bie in ben Siögenöffißhett
Bäthen herrfdjenbe Stimmung richtig wieber: 2Bir — fo erflärte
er — haben nicht nur für ben Boben unb für bad Bieh, fonbern
auch für ben Menßhen p forgen. Mit ber Berficherung werben
wir bad menfchliche Slenb, foweit beffeit Befätnpfung in unferer
Macht fteht, aud bem Selbe fragen. Bichtd barf und baoon
prücffjalten, an ber Schwelle bed neuen Fahrhunbertd biefe große
fojialpolitifdhe Xhat ju oollbringen. Mit ber gleichen Spanne trat
bei jenem Anlaß ber franpfif^e Berichterftatter ber Hommiffion,
Herr Somteffe, für bie Borlage ein. Ed ift eine erfreuliche (Er*
fdjeinung, baß bad SBerf in ber beutfehen wie in ber welfdjen
Sdjweiz feine begeifterten Borfämpfer hat, bie barin gerabep eine
gebieterifche Forderung erblicfen. Haf^n^ifh läfet bie finanzielle
Funbirung nicht allzulange mehr auf fich warten.
(Entfchetbungett über beu Umfang bed Srbetter'Uufattentfchäbi^
anngdgcfched in (Englaub. 3n>ei wichtige Fälle finb jiingft oont SlppeH*
hofe ent|d)ieben worben. 4»a fie ein Sicht auf einige fünfte ber BHr*
fungen bed am 1. Fuli 1898 in Hraft getretenen ©efefced (oergl.
„Soziale B ra ji^" ^P- 201) werfen, theilen wir ^ier^u folgenbe
3u|chrift eitied unferer Mitarbeiter mit: Ter erfie Fall betraf ein
an Borb eined Schiffed in ben Sonboner SDocfd oorgefommeued
llngliicf mit töbtlichem ?ludgang. (Ein beim (Entlabeu eined Sdjiffcd
angeftellter Sd)auermanu würbe burd) bie (Srplofion einer mit Ba*
tronen aiigefüüten .Stifte getöbtet. X)ie Sd)iffdeigenthümer weigerten
fich, bie (Ent|cf)äbiguug an bie Hinterbliebenen zu zahlen, ba ber
Unfall auf einem Schiffe oorgetommen fei utib Sdjiffe uid)t bem
0)efepe unterftäuben. X^ad 03raffd)aftdgerid)t hatte gleicf)wol)l gegen
fie entfd)ieben, ba bad @efe(j fid) auf alle Arbeiten Ded habend unb
(Entlabend in „Xsocfd, s Berften, Cuaid unb Baarenhäufern" er*
ftreefen. X)ad 0bergerid)t trat biefern Urteil bei unb fo erhielt
bie BUtme eine (Entfd)äbigung oon 5 400 ,K- Sluch im Zeiten
Fall fchlofe fich bie obere Snftanz bem Spruch Untergerichtd
an, aber ba hanbelte ed fich um eine (Einfdjränfung bed ©eltungd*
bereiche« bed ©efefeed. Sin Bauarbeiter, ber an einem Beubau
arbeitete, würbe burch bad H e ™bfallen eined 3 i c 9 e Utcine« oerlefet.
3ur 3^ü bed Unfalled aber war bad ©ebäube no«h niefjt 30 Fu&
hoch, obwohl ed nach feiner BoHenbung biefe Häh e überleiten
foKte. X)ad ©efeh jeboch betrifft nur Unfälle auf Bauten, wenn
biefe höher ald 30 Fnfe finb. SDer oerlehte Arbeiter hatte nach
2lnficht ber ©erichte bemgemäfj feinen Slnfpruch auf Sntfchäbigung.
3UbtttsroadjttJ*te.
2>er Berbanb pr Förberung bed ^IrbeitdttaAmeifed tm 9fe^
gierungdbezirf 2)üffelborf, ber im 9lpril 1897 ind ßeben trat, theilt
m feinem erften Fahredbericht 1897/98*) feine Sntftchung unb bie
X } lrt feiner Arbeiten mit. Sein Sentralbureau in £)üffelborf ftellt
bie 5lrbeitdgefuche unb Stellenangebote, bie oon ben einzelnen
Bachweifen ald oon ihnen nicht zn erlebigenbe wöchentlich ange*
melbet werben, znfammen unb überfenbet bie 3nfammenftellungen
ben angefchloffencn Bachwcifeftellcn, giebt biefen auf Anfrage Hud*
funft unb regt bie (Errichtung neuer Slrbeitdnachweifeftelleu an.
Sine birefte 5lrbeitdoermitteIung übt ed nicht aud. Seit Booember
1897 werben neben beu offenen Stellen noeft bie unerlebigt ge*
bliebenen Slrbeitergefuche in bie 3nfammenfteuung aufgenommeit.
Mit welchen Schwierigfeiten biefe felbft oon ber bortigen Bcgierung
warm unterftiihten Beftrebungen (ogl. Br. 3, Sp. 75) zn fämpfen
haben, ergiebt fid) z* aud ben Säfeen: „Sine bent Berbanbe
anaehörige Slnftalt erblicft in bem Befanntgeben ihrer überfchüffigen
Hrbeitdfräfte für fich f°9 a r einen Bachtheit, weil fie befürchtet, oafe
burch Fnanfpruchnahme ber ortdanfäffigen Arbeiter burch aud*
wärtige Arbeitgeber bereu Beftanb unangenehm oerminbert werbe.
Bon biefer Anftalt laufen felbftoerftänblich feine Angaben über
Arbeiterangebote ein." £>ad ift ein Stanbpunft, ber im Fntereffc
ber Arbeitnehmer fid)er nicht z u billigen ift. X)ie angefchloffeneit
Stellen oennittclu für ben Arbeitnehmer unentgeltlich, fmb im
Uebrigen aber oerfchiebeu organifirt. X)ie größeren Orte, wie
Xmffelborf, M.*©labbad) unb Sffen, erftreben eine unmittelbare Ber»
binbung mit beu umliegenben ©emeinben ber ßaubfreife an, fo*
weit biefe noch nicht hergefteHt ift. 2)ie günftige S)efd)äftdlage hat
bie interlofale Arbeitdoennittelung fid) noch nid)t erheblid) entmicfeln
laffen. An ber ©efammtzahl oon 16 853 offenen Stellen bed
erften Fatjred (ogl. Br. 3) waren bie Anftalten, welche ziemlich rcgel*
mäßige Angaben machten, betheilijt: £>iiffelborf mit 3804,
M.*©labbadb mit 3056, Sffen mit 2491, Hrefelb mit 1926, Bhepbt
mit 1695, X)uidburg mit 874 Stellen.
$ie ArbeitdPenuittlungdftelle ber Stabt Dditabrüdf, errichtet
am 1. September 1896, hat buchmäßig 1. April 1897/98 1051
männlid)e unb 476 weibliche Stellen, znfammen 1527 beferen
föunen. Unberiicffid)tigt finb 226 Männer unb 227 Frauen ge*
blieben. Auch hier fehlt noch bie aügemeine Anteilnahme. Fm
Berwaltungdberid)t ber Stabt 1897/98 heißt ed barüber:
„Xic Sinridüung muß noch immer mehr Boben gewinnen, befon*
bers baburd), baß aud) an anbereu benachbarten Orten gleiche Arbeite*
oermittclung^ftcllcu eingerichtet werben unb eine Berbinbiing uieler her*
geftellt wirb, wie biefed in Sübbeutfd)lanb znr Ausgleichung oon
Arbeitsangebot unb »Badjfragc au oerfdjiebencn Orten bereits oorgefchen
ift. — Bir bebiirfen briugeub ber Anzeige freier Stellen fettend aller
Arbeitgeber, befonbers ber großen Berte, um ben Arbcitfudjenben fdjitell
Arbeit unb Berbicuft ocrfdjäffcn z« fönnen. ©crabe im Hiublicf barauf,
baß wir feine Stelle undjwcifcn fönnen, wenn feine freien Stellen au*
gezeicit finb, haben wir aud) für bic Arbeitgeber foftenfreic Benußuug
feftgefebt, um alle Sdiwierigfeiten aus bem Begc zu räumen unb bas
Aumclbcn ben Arbeitgebern fo lcid)t als möglid) zu machen."
©etneiitblidjer Arbeitditöchmefd itt ©ötttitgen. Xic ftäbtifd)en
Hollegien haben für bie Errichtung einer ArbeitSnachweisftelle einen an*
gemeffeiieit Betrag bewilligt. Xas Badiweisbureau foK nad) bem Mufter
bed für Erfurt ervid)tetcn, mit Erfolg wirffameu glcid)eu Fuftitutd
organifirt unb am 1. Januar eröffnet werben. Um bett Futereffenten
oon vornherein bie Bemtßuug zu erleiditern, will man im Mittelpmtftc
ber Stabt in einem leidit zugänglichen ^rioathanfe einem fachfuubigeu
Einwohner bie Berwaltuug übertragen. Xic Auffid)t über bad Bureau
i läßt ber Sßagifirat burd) eine Hommiffion führen.
| :: ) Xiiffelborf l s 9^. Xrucf oon E. Ffßughaud.
345
Sojtalt Brasil. «entroIBIah für Sojialpollttf. Rr. 18.
346
HtoijumissnJejeji.
$ie SöopnungSfrage in Bonbon.
ßonbon ftept im Seginn einer neuen Aera öffentlicher Se*
ftrebungen, gefunbe unb bequeme SSopnungen für bie Armen 31 t
fepaffen. SiSper patte ber ßonboner ©raffcpaftSratp feine Arbeiten
auf ©runb beS 1890 erlaffenen ©efepeS über baS SSopneit ber
arbeitenben klaffen barauf befdjränlt, ungefunbe 2 £opnbe 3 irfe 311
fäubern. Auf biefen ©ebieten ober auf anftopenbem ©runb unb
Soben hat ber ©raffdjaftSratp bann SBopngelegenpeiten für eine
Diel geringere Slngahl oon ^ßerfonen gebaut, als er bislocirt patte.
Qn ber £pat ift baS, mag bislang gefepepen ift, nicht SBopnungen
fepaffen, fonbern SSopnungen oerntdjtcn geroefen, ba bie 3 apl oer
in ben neuert Sepaufungen untergebradjten Snfaffen in feinem
fjalle erheblich über bie £)älfte ber früher auf bemfelben ©ebiete
S&opnenben betragen pat. SJit anberen ^Sorten, bis auf biefen £ag
toar baS rpirfliche 3icl all ber ©opnungSpläne in ßonbon nicht
bie 33efchaffung oon Stopnungen für bie Unbemittelten, fonbern
bie Sefeitigung ungefmtber Spelunfen, bie eine ©efapr für bie
gan 3 e ©emeinbe barfteHten.
S&acp Xpeil 3 beS ©efepes pat inbeffen ber ©raffcpaftSratp
ftetS bie Sefugnip gehabt, fianb 3 U faufen unb Käufer für bie
Arbeiter in jebem beliebigen Umfange 3 U errieten. £)ocp pat ber
SRatp oon Siefer Sefugnip, bie einige anbere ©emeinbebepörben
in Englanb eifrig benupt paben, niemals ©ebraudj gemadjt. $)er
©runMür biefe Serfäutnnip liegt gewip nicht im Mangel beS Se*
bürfniffeS in fionbon. SHr paben hier 3 aplreidje Sßerfonen, bie
ungefunbe unb überfüllte 3Bopnungen 3 U fiepen geswungen finb,
weil jebe anbere SSopngelegenpeit in erträglicher Entfernung oon
iprer ArbeitSftätte fehlt. $>ie 3öplung oon 1891 beifpielSweife
3 eigte, bap 829 765 ^erfonen in überfüllten Sepaufungen oon
oier unb roeniger Räumen wopnten, wobei 2—12 Serfonen
auf einen SKaum fameit, wäprenb nicht roeniger als 214 843 in
S$opnungen mit nur einer Stube lebten. So fattn leiber fein
3roeifel hefteten, bap eine belfere SSopnungSfürforge in Sonbon
bringenb notptput, obroopl bie Aufgabe jo ungeheuer grop ift,
bap bie Stabtbepörben bisher ihr hüiflos gegenüber ftanben.
3efct aber pat ber S>opnungSauSfcpup beS ©raffcpaftSratpeS
baS Problem in Erwägung gesogen. 3*oei Skge 3 um 3iel paben
fleh ihnt bargeftellt: 3 n erfter ßinie ber $lan, unbebautes ßaitb
außerhalb beS ftäbtifepen SßeicpbilbeS in ben nod) freien Speilen
einzelner Sorftäbte auf 3 ufaufen unb bort Slrbeiter^Ein^elhäufer 311
errichten. 3ebocp pat ber AuSfcpnp bieS ^rojeft fallen laffen, ba
es fuh als unnöthig erroeift. Schon jept firtb nämlich bie JDrt*
fchaften runb um fiottbon mit Arbeitcrpäufern, bie bie $rioat*
fpefnlation gebaut hat, bebeeft. $n ben lepten Sapreit finb grope
Stäbie auf jeher Seite oon fionbon entftanben, roo früher nur
Acferlaub roar. $)em AuSfcpup fchien es baher nicht oortpeilpaft,
mit feinem Einfluß nod) eine Bewegung 3 u unterftüpen, bie ohne*
hin rafch genug anroächft. 3 n SBirflicpfeit fönnen alle Arbeiter,
beren Sefcpäftigung ihnen in ben Sororten 3 U roohnen geftattet,
gefunbe Wohnungen 3 U mäßigen greifen bort finben.
Auf ber anbern Seite ift gerabe im Qnnern oon Conbon bie
Nachfrage nach Arbeiterwopnungen grop, weil bort neuerbhtgS ein
oöfligeS Stocfen beS SauenS oon folgen burch ©enoffenfepaften
unb ©efeHfcpaften eingetreten ift. $)ieS ift 3 um £peil bettt fehr
fchneflen Steigen ber greife für Saumaterialien unb Arbeitslöhne
3 U 3 ufchreiben, tpeilweife auch ber enormen 3nnahme ber Soben*
preife. 3n Anbetracht biefer Umftänbe empfahl ber AuSfcpup bem
Plenum 3 roei Anträge: Einmal fei jept naep Artifel 3 beS ©efepeS
mit bem 3 eitroeiligen Erroerb freien l?anbeS innerhalb Bonbons
unb bem Sau oon Arbeiterhäufern 31 t beginnen; fobann fülle bet
allen fünftigen SKapnabrnen jur Sefeittgung ungefunber Sejirfe
ber ©raffcpaftSrath nid)t bloß feine gefeplicpen Serpflid)tungeit er*
füllen, etwa 50% ber 2)iSlocirten mit neuen Wohnungen 31 t oer*
fepen, fonbern Sehaitfungen für minbeftenS ebcnfomel Snfaffen
fepaffen, wie oor ber Santrung in bem Se 3 irfe gewohnt haben.
3 nt ©raffcpaftSratp aber entftanben beträchtliche 3 njcifel, ob
bie oorgefcplagene ißolitif roirflicp ange^eigt fei. Bonbon -- fo
würbe betont — ift baS größte SerfeprScentrum ber 3Selt; in
Solge beffett perrfept eine ungeheure ilonfurreng um ©runbftücfe
für ©cfcpäftSsroecfe. 5Die SJirfung pieroon ift bie fortwäprenbe
Sergröperung beS bem Serfepr unb bem ©efepäft geroibtneten
Areals auf Soften ber SSopnbejirfe ber inneren Staot. $>tefe
wieberum oergröpern fiep iprerfeits auf Soften ber länblicpen Um¬
gebung. $aS ©acpStpum gefcpäftlicper Anlagen eqeugt auep eine
Nachfrage naep billigen SSopuungen in iprer unmittelbaren 9?acpbar*
fepaft für alle Arbeiter, beren Sefcpäftigung ein Söopnen in ber
9?äpe ber ArbeitSftätte oerlangt. 4>aper fommt es, bap oiele jept
oon ben ärmften SHaffen bewohnten Se 3 irfe urfprünglicp oornepme
SBopnquartiere waren. $>er Sormarfcp ber Sobuftric pat bie
früheren 3nfaffen oertrieben unb bie Nachfrage naep Arbeit 3 wingt
bie Arbeiter fiep, fo gut es eben geht, in ben gropen S3opnpäufern
ein 3 uricpten. derartige ©runbftücfe werben nteift in 3 aplrcicpc
Ein 3 el* s Bopnungen 3 erlegt, roäprenb in beu Wintergärten nod)
Keine WÄ u f er gebaut werben. So fommt es, bap bie Aermften
auf bem wertpoollften ©runb unb Soben wopnen, unb niept nur,
bap ein ungebüprlicp groper £peil ipreS EinfommenS oon ber
UKietpe oerfdplungen wirb, ntup biefe auep noep in gan 3 erheb*
licpem 9Kape für bett Sobenwertp auffommen. 2)arum fteüt man
bie ©ebäube fo billig wie möglich per, fo bap fie itt ein paar
Qapren gefunbpeitSgefäprlicpe Spelmtfcn finb.
9?un fragt eS fiep, ob ber ©raffcpaftSratp es wirfltep oer*
fuepen fann, biefe 3aftänbe burep Sornapme eigener Sauten 31 t
oerbeffern. An erfter Stelle wirb empfohlen, bap freigeroorbene
©runbftücfe in ßonbon erworben unb 3 um Sau oott Arbeiter¬
häufern oerroenbet werben foKen. Aber man barf mit Öug Pc*
3 weifcln; ob gegenwärtig noep freie Saupläpe roirflicp für foltpe
3wecfe paffenb unb auSreicpenb 3 U paben finb. Unb wenn ber $lan
niept in enormen SKapen 3 ur Ausführung gelangt, wirb baS Ergebnip
praftifcp gleicp 9?ull fein. UeberbieS fd^emt au^ eine©efapr barin
31 t liegen, bap man bei einer Serwenbung freier Saupläpe allein
für biefen 3 ^^ Söacp&tpum oon |>anbel unb 3 aPaftrie in
ber Stabt ernftpafte Wiuberniffe bereiten würbe. S?eue gabrifeu,
SJaarenpäufer unb £äoen müffen oon 3 ^it 3 U 3 c ü errieptet werben,
um ben fteigenben Sebürfniffen ber ^onfumenten 3 U genügen, unb
wenn bie freien Saupläpe für anbere Sprite beftimmt werben, fo
würbe baS ©efepäft fttp entweber naep anbereu Stäbten hiu 3 u*
3 iepen ober neue SSohnquartiere würben ^erftört werben, um 9laum
für ©efdpäftsbauten 3 U maepeu. Sknn anbererfeits ber ©raf*
fcpaftSratp bemüpt wäre, niept freie ©runbftücfe, fonbern bereits
bebaute für SBopi^roecfe 3 U erwerben in ber Abfiept, bie Qualität
ber Söopnungen 3 U oerbeffern, fo ift 311 beforgeit, bap bamit im
Allgemeinen niept eine Sermeprung ber Quantität an Stopngelegcn*
heit erreicht würbe.
©aprfcpeinlicp ift auep, bap roeber biefer noep irgenb ein
anberer $lan, Arbeiterwopnungen in Sonbon 30 bauen, bei ben
jepigen enormen Sobenpreifen unb popen Saufoften fiep rentiren
wirb. 5)ie ^rojefte, bie ber ©raffcpaftSratp gegenwärtig unter¬
nommen pat, rentiren fiep 3 war in bem Sinne, bap bie Soften
ber Sauten unb beS piequ oermenbeten SobenS gebeeft werben,
aber pe fommen feineSwegS auf für bie Aufwenbungen, bie für
bie SanirungSarbeiten unb bie Auslegung oon freien ^ßläpeu
nötpig ftitb. SDaS finb $)inge, bie bie Seporben im Sntereffe ber
©efunbpeit ber gansen Staot aus öffentlichen Mitteln beftreiten
mögen. Aber ber gall liegt anberS, wenn man fiep mit ^läncn
trägt, ^eute unter 3 ubringen, bie gegenwärtig niept in gefunbpeits-
gefäprlicpen Se 3 irfen wopnen. ^)aS gept barauf aus, bie gan 3 e
©emeinbe 3 U ©unften ber Wenigen 3 U bclaften, bie fid) ein Unter*
fommen in ben neuen ©ebäuben ftpaffen fönnen. Selbft bieS
aber liepe fiep reeptfertigen, wenn man bamit bauerub baS 5Rioeau
ber ©efunbpeit unb beS SepagenS ber Sofaffen erpöpen würbe,
aber wir paben feine ©ewäpr, bap bieS baS Ergebnip fein würbe,
^ie Sefcpaffung oon ^opnungen für einen Keinen £peil ber
Arbeiter 3 U einem SRietpefap, ber für bie gemachten Auslagen
nicht auffommt, fönnte leiept 3 U einem 3 uf(pup 3 u ben Ööpnen
werben, unb fcplieplicp würbe fiep ergeben, bap bie Unternehmer bie
Sortpeile eines folcpen SorgepenS ernten würben in ber Sonn
niebrigerer ßöpne für ipre Arbeiter
i)aS finb in ftür 3 e bie Argumente, bie im ©raffcpaftSratp
3 ur Spracpe gebraept worben finb. ®aS Ergebnip war bie 3a*
rücfoerweifung ber Anträge an ben AuSfcpup 3 U weiterer Er¬
wägung. Sermaq alfo ber 9tatp in biefer Angelegenheit nidjts 311
tpun? S» erfter Sinie follte er — unb oermutplicp wirb baS aud)
gefepepen — Söopngelegenpeit befepaffen für alle, bie burep Ser-
befferungSpläne biSlocirt worben finb. ^aS ift ein fo oernünf-
tiger Sorfcplag unb ber etwaige Serluft fann fo oötlig mit 9ied)t
auf baS Stonto ber Serbefferung felbft gefept werben, bap bagegeu
wenig Qppofition im 9tatpe gemad)t würbe. Auep palte icp es
für fepr waprfcpeinlid), bap ber SRatp eoentucH fiep für ben Ser*
fuep entfepeiben wirb, einige freie ©runbftücfe in Soitbon 1111311 -
faufen unb bort Arbeiterwopnungen 31 t erbauen, gan^ unabhängig
oon allen Serbefferungsprojefteu. 8 oId)e Wohnungen müffen fid)
aber rentiren. Es ifi un^uläffig, bap eine begiiuftigte Arbeiter-
Kaffe entftept, bie wegen iprer Sfietpcrfparniffc 31 t uiebrigeren
347
©ojiale ?rajig. Eentralblott für Sogtalpoltttf. 91 t. 13.
34S
Söhnen mit bcn weniger glücflicken Arbeitern fonfurriren fönnen.
dag 3^ in biefem Satte rnufe fein, nicht für bie Slerotften, fon*
bern für bie Ijotfjftefjenben Arbeiter 'Bohnungen gu fchaffen, bamit
burch bie Slnfiebelung in ihnen ber druef unb ber Bettbewerb in
ben billigeren unb überfüllten Quartieren erleichtert werben. dag
wäre inbireft eine Bohlthat für alle diejenigen, bie innerhalb
Sonbong gu wohnen gezwungen finb. Enblid) ift eine wichtige
Stufgabe für ben Bath, ein bebeutfanter Beitrag gur Söfung ber
Schmierigfeiten, für billige unb fdjnelle Berfehrggelegenheiten non
unb nach allen feilen Sonbong unb feiner Umgebung gu forgen.
Sonbott ift gur $t\t mahrfdjeinlid) bie tbjeuerfie unb unbequemfte
Stabt ber Belt, mag ben Berfehr anbelangt, darum finben oiele
Unbemittelte, bie gern in ben Bororten leben würben, bieg un*
möglich, weil eg fie gu niel 3eit unb ©elb foften würbe, non ihrer
Bohnung nach öer Slrbeitgftätte gu gelangen, unb fie rnüffen beg*
halb höhere Biethen für fchledjtere Bohnungen im Eentrum ber
Stabt, begahlen. der ©raffdjaftgrath ift bereitg Eigentümer eineg
dheilg ber Sonbotier drambaljnen. Anfang 3uni 1899 wirb er
Befifeer eineg noch größeren dheilg. Bag gefchehen fann, um ben
Betrieb biefeg Berfehrgmittelg gu befchleunigen, gu nerbeffern unb
gu oerbilligen, foflte ohne Bergug getfjan werben.
durch Sörberung all berjenigen Arbeiter, bie eg nur irgenb
nermögen, in ben Bororien gu wohnen, burch Befchaffung non
Bohnung für alle biejenigen, bie non 3 e ^ S u 3eit burch Sani*
rung non Stabtoierteln oobathlog werben unb burch Errichtung
non Bauten auf freien ©runbftücfen innerhalb beg Benhbilbeg non
ßonbon, wenn bie prioate Bautljätigfeit nicht augreid)t — burch
biefe Bafenahmen !ann ber druef ber Ueberoölferung in ber Stabt
mefentlid) erleichtert werben. 3 U einer folgen ^olitif fcheint ber
©raffdjaftgrath nun enbgültig fidj bemnächft entfdjliefeen gu wollen,
unb alg Ergebnis bürfen wir auf eine beträchtliche Abnahme ber
Bohnunggnoth in Bonbon hoffen.
fionbon. 3- 2Ö- ©alton.
Bietljen ttttb Ärbeitertoohnnnggnotf?. die Bohnunggnoth ber
unbemittelten klaffen, ingbefonbere ber Arbeiter, ift ein Sd)lagmort
eworben, beffen Berechtigung non ber einen (Seite ebenfo nach*
rücflich behauptet, wie fie non ber anberen Seite, befonberg ben
§augbefihern, beftritten wirb, diefe Battei pflegt auf bie größere
ober Heinere Slniahl leerfteljenber Bohnungen hinguweifen unb
glaubt fith burch biefe dhatfadje gegen weitere fogialpolirtfcfee Sin*
forberungen gebeeft. dabei wirb aber nielfach bag Slngieljcn ber
greife in ben ©rofeftäbten unberücffichtigt gelaffen, bie ben Un*
bemittelten gmingen, einen ftetig fteigenben dheil feineg Einfommeng
auf bie Befriebigung beg Bohnbebürfniffeg gu oerwertben ober
aber bieg Bebiirfnife auf bag geringste Bafe gu befchneiben. die
Brei^unterfchiebe, bie in ben nerfchiebenen Stäbten beftehen, fallen
für bie befdjränften §>augl)alte ber Slrbeitcrfamilien unb fonftigen
fleinen fieute ferner ing ©ewicht. Strafebnrg*) hat u. Sl. bie
Bohnunggpreife in 28 größeren Stäbten Enbe 1897 unb Anfang
1898 gufammengefteHt, eg finb Slawen, Slltona, Sluggburg, Barmen,
Breglau, Eaffel, Ebemnib, Erefelb, dangig, dortmunb, dregben,
düffelborf, Elberfelb, Sranffurt a. B., £aHe a. 6., ftannooer,
Karlgruhe, Köln a. Bfe-, Bagbeburg, Baing, Bannhetm, Befe,
Biilhaufen, Bünden, Nürnberg, Strafeburg, Stuttgart, Biegbaben.
Berlin unb bie .fmnfajtäbtc fehlen. SUg durchfchmttgpreig für bie
gweigimmerige Bohnung unb Küche ergiebt fich ba 193 big 280 dt,
für bie breigimmerige 286 big 350 dl. Unter biefem durdjfdjnitt
flehen Befe (100/120 begw. 140/160 di), Sluggburg (100/130 begw.
180/200), Bagbeburg (113/205 begw. 187/336), weiter §>atte a. S.,
Nürnberg unb Strafeburg, wo alg Binbeftpreig 135 begw. 210,
150 begw. 200 unb 112 begw 192 dt angegeben werben, /pofee
Binbeftpreife geigen Köln (300 begw. 360 dt ), Breglau (227
begw. 488 dl), Stuttgart (280 begw. 420), Stanffurt a. B.
(burchfehnitttich 280 begw. 449 di ), Baing (250 begw. 350 dl),
Bannheim (240 begw. 360) unb Biilhaufen (240 begw. 300).
dag finb fchon greife, bie ben Arbeiter an breigimmerige Boh s
nungen fannt benfen Ia[fen — oon Breglau wirb bag augbriicflich
angegeben —, ja, bie eine gweigimmerige Bohnung fdjon für oiele
nnerfdjminglich machen unb bie bringenb eine Berbifligung er*
beifefeen, etwa burch Befchränfung jeglichen Bauaufwanbeg, ber
über bie rein gcfunbheitlichen Slnforberungen hinauggeht.
der Bangel an geeigneten Strbeitermohnungen [teilt ftd) aller*
ortg feeraug. den früheren SKegiftrirungen in biefeu Blättern fügen
*) Ueberfidjt über bic Vobnoerl)ältuiffc ber ftäbtifcfjcii Slrbetter, fo*
wie über bie Bobmiugs* unb x.'cücn$imltclprci|c in beu gröberen Stabten
deutftfjlanbg. Strafeliurg 189s. (Sllg Banuffript gebrueft.)
wir einige neue hi n S u - Stäbten hat neuerbingg Bül*
häufen t. E. ben Bau oon Slrbeiterwohnungen unb bie Aufnahme
einer Anleihe oon 200 000 t f( gu biefem $ roe cf befchloffen. der
©ewerberath dritting gu dangig fteHt in feinen wefiprtufeifchen
Sabrifinfpeftiongberichten feit mehreren Sahren biefen Bangel an
Srbeiterwohnungen feft unb fteh* barin eine Erfchwerung ber Sln-
fiebelung neuer Snöuftriegweige. Sluf Betreiben oon drilling ift
bie ©rünbung oon Baugenoffenfcbaften begonnen. 3n Qftpreufeen
befafet fich fa* 1893 e f ne ^ommlffion oon höhnen Beamten mit
ber Sinberung ber Slrbeiterwofmunggnoth. 3n Elbing fcheiterte
bie ©rünbung einer Baugenoffenfdjaft, bie im Üftooember oon Arbeit*
gebern unb *nehmern befprochen würbe, oorläufig hauptfächlich in
Solge ber Slugfühtungen beg Qberbürgenneifterg Elbitt, bafe feine
Bohnunggnoth befiele. 3n dangig erfannte felbft ber $aug*
befifeeroerein ben Bangel an fleinen Bohnungen (Stube unb Küche)
an. — Sluf Anregung beg Bürgermeifter» droje in Einbecf würbe
am 13. degember bie ©rünbung einer ©enoffenfdjaft für ben Bau
oon Slrbeiterwohnhäufern in bie Bege geleitet, der Bangel an
fleinen Bohnungen in ©örlifc hat gur ©rünbung eineg ©örlifcer
Bau* unb Sparoereing in einer Berfammluna unter Leitung beg
Stabtoerorbneteuoorfteherg Bethe geführt, in oer nameng ber cor*
bereitenben tfommiffion diafonug 9iithacf*Stahn über bie thatfäch*
lieh fchlechten Bohnunggoerhältniffe berichtete. Ebenfo ift in $eu-
ftabt i. b. $falg eine Baugenoffenfchaft errichtet. — Erfreulich ift
ber Sortgang ber Sütforge, bie manche Sabrifen ber Unterbringung
ber ärbetter wibmen. die Schucfertfchen Eleftrigitätgmerfe in 5Rürn*
bera wollen einen dheil beg fürglid; für gwei Billionen Barf er-
fauften ©elänbeg gum Bau weiterer Slrbeiterbäufer oerwenben. die
Begrünber ber 3 e i&ftiftung in 3tna (oergl. Sahtg. VI Sp. 660),
Brofeffor Slbbe unb Dr. Schott, haben ber Baugenoffenfchaft für
fleine Bohnungen 20 000 dt gefchenft unb 20 000 dt auf 15 3ahre
unfünbbar gu 3% geliehen.
dag Sluglanb ift auf biefem ©ebiete nicht untätig, eg geht
fogar über bie Qklt hiaaug, bie unfere Erbauer oon Slrbetter-
Wohnungen fid| meift fteefen. dänemarf leiftet auf biefem ©ebiete
Slufeerorbentlicheg. 3« Kopenhagen fenb jefet 3 806 Bohnftätten
oon gwei ober brei 3iotmern mit Küche unb SUfooen, wel^e ber
Staat, ©efeüfd^aften ober prioate unter gang befonberg günftigen
Bebingungeit für Arbeiter eingerichtet haben, der Bietfjpreig be¬
trägt monatlich gwifdfeen 6 big 10 Kronen (bie Krone = 1,12 dt),
nach jehnjähriger Bieth^geü tritt Ermäfeigung ein, nach 20jähriger
Biethggeit wohnt ber Arbeiter meift gänglich frei, derartige Boh¬
nungen errichtet x. B. ber Berein Foreningen for Alderdomsboliger.
der 1865 gegriinoete Slrbeiterbauoerein (Arbejdernes Byggeferening)
fteflt Ein* unb 3roeifamilienhäufer her, bie unter bcn Bitgliebern
oerloft werben, die Königlichen Berften haben Sreiwohnunaen
für ihre Arbeiter, die „Classenske Boliger“ finb auf Koften beg
Elaffenfchen Siöeifominife errid)tete Slrbeiterhäuferanlagen, bie billige
Bohnungen für 1600 Benfdjen bieten, die „^eimftätten beg
Slergteoereing" finb fchon im Efeolerajahre 1853 für arme Arbeiter
geftiftet. dagu fommen bie Slfple für inoalibe Arbeiter unb Arbeiter»
wittwen. die Stiftung Alderströst (droft beg Sllterg) giebt feinen
448 Bewohnern freie Bohnung, Neigung, Sicht, freien Slrgt, freie
Stpotfeefe u. f. w. unb jährlich 50 Kronen baar. Eine ähnliche
Stiftung befiehl für alte Kleinhanbwerfer. Sür bie ber Slrmen*
pflege anheimgefallenen Sßerfonen beftehen natürlich baneben gleich* 8
fallg Slfple, .fwfpitäler 2 c.
Sörberung Oou Slrbeitertoohttnngeu burch bie Berjtdjenmgg*
anfitalt Schlegwig • £olftein. der Borftanb ber 3aoalibitätg* unb
Slliergoerficherungganftalt Sdjlegwig * .s^olftein hat allgemeine
©runbfäfee über bie ©ewäbrung oon dariehen gur Sörberung
gemeinnüfeiger, auf bie .fSerftettung geeigneter Slrbeiterwohnungen
unb Slrbeiter-Bohlfahrtgeinrichtungen gerichteter Beftrebungen aug-
gearbeitet (ogl. ben Berwaltunggoericht 1897, VII. 3ahrg., Kiel,
druef ber „Worb*Qftfee*3eituug" 1898). danach werben eingelnen
Slrbeitgebern unb Slrbeitnehmern, fowie prioaten Unternehmern
feine dariehen gewährt, fonbent nur ©emeinben, Korporationen,
ntilbeit Stiftungen mit Kouporationgrechten, gemeinnüfeigen Bau*
gefcltfdjaften, fowie öffentlichen Sparfaffen beg Begirfg unb gwar
auch nur, wenn bie Ergietung pefuniären 9?cbengcwinneg augae*
fchloffen ift unb bie Einrichtung in erfter Beihe bem Bohle
beg oerficherunggpflichtigen ober *bcrechtigten Slrbeiterftanbeg
bient, die gu erricfjtenbe Bohnung ntufe, um bei heranwachfenben
Kinbern bie ang fittlicfeen ©riiubcn gebotene drennung ber ©e*
fchlccfeter oornehmen gu fönnen, aufeer gwei Stuben oon aug-
reichenber ©röfee, minbefteng noch e ^ ne mit einem Senfter
oerfeheue Kammer mit gut oerfchalter unb oerpufeter
dad)feite enthalten. Stuf bie Beräufecruttg ber beliehenen
849
Soziale ^rajis. Eentralblatt für Sozialpolitif. 9lr. 18.
350
EJrunbftücfe unb bie §öf)e ber SJUet^Sprcifc behält fid) bic 3lnftalt
eine Einroirfung oor. Die BeleihungSgrenze ift auf 2 /a be3 Sau«
unb $lahmerthe3, für ©etnetnben unter Uniftänbeu auf 3 /4 bemeffen.
Die Berzinfung ift in ber Siegel 3% jährlidj, bie 91morh|irung
41 / 2 % (einfchltefzlid) ber 3% Stofen), jebod) finb I)öf)ere Beträge
geftattet. Der Sicherung ber Slnftalt bienen nod) SSorf^jriften über
bie Snftanbljaltung, S^reöBericf)te ber DarlehnScmpfättger u.f.m.
Befeitigmtg ber SSohmtttgönoth iit Dredben Ijat ber
3lügemeine Bciethberoohneroerein beim Stabtrath beantragt:
Befdjlemtigte geftftellmig ber Bebauungspläne unb grögtmoglidjc
Begünftignug, ttad) Befinben Erzwingung bei* alsbalbigcu Bauianb*
parjeüinuig mtb ftcrftellung ber neuen 2tränen, Befchräufimg ber
übermägigen ?ltisnubitng beS Grimb unb Bobctts. Sdjuellerc Erlebiguug
ber Baugenehmtgungsgefudje. Sh'iditocrnugcruug non ftäbtifcfjcm ober
Stiftuitgs=Arcal au bie Spefulation, otelmchr ntöglicbftc Bcrmcbntug
unb eigene Bebauung bcffclben. Bau weiterer Käufer für bie non ber
•Stabt befdiäftigtcu Arbeiter unb bie [täbtifdjcu Beamten ber unteren
Gehaltsflaffen. görbevmtg gemeinnü^iger Bauoercine bttrdi Betbctltguug
an beitfelbeit, birette Subuentton :c. 2:itrdjfüfjrung unb weiterer 3lus=
bau ber Sobuimgsorbitung; perioMfrfjc, eiugebenbe geftftclluug ber
Sobuungsuerhältniffc, insbefonberc ber Biiethpreifc ber Sobnungcu ber
unteren Bcoölferungsflaffen im Bcrgleidj 51t beut Eittfomuteit berfelbett.
Bcrmehruug uttb Berbüliguitg bes BorortucrfchrS.
(Erjietjmtg mtb fiitöitttg.
Die 3tt^drrrfc^aft ber bolfSthümlidjeu $otbf(^tilfitrfe in Berlin; (Sin
uou ^rof. Dr. 8cf)moller unb Hel). Cber=Bcgierungsrath '}> 0 ft er*
ftatteter berief)! giebt nähere BJittbcilungen über bie ^ufantmenfebnug
ber ^uf)örerfd)aft bet bem erften HurfuS ber oolfslbümlidjctt .ftodjftfjul*
oorträge in Berlin, Die ©efannntjabl ber Befudicr ber fedjö Bor*
Iragsfurfe betntg 2030; oott ihnen mürben 1686 ?lusfnnftszettel ab*
gegeben unb ^mar 1252 »ott mämtlidjen unb 434 oou mciblidjeu $u*
hörern, 344 ^rageblätter blieben unbeantmortet. 3iarf) ber erhaltenen
3fusfunft maren unter ben männlichen Befudjeru 40, * o/ 0 ^abrif=
arbeiter, Gefellen, Gehiilfen u. f. m., 17, 6 ü / 0 Banblmtgsgehülfeu,
12,6 °/o ftaatliche ober fommunale Subaltcrubeamte, 5 /7 ^riuat*
beamte, 4,8 °/ 0 ^olföfcBulIeBver unb 2,3 % felbftftänbige .Bartbtoerfer
oertreten, inSgefantmt 83,1 %. Xiefeu flehen gegenüber 9, s % ber
liberalen Berufe, 2,3 °/p felbftänbige Haufleute, 3, 2 % Gijinnafiafteu
unb Stubentcn unb je 0, ö % gabrifauteu unb Rentier», ins*
gefamntt 16, 9 %. Die Angaben ber tpeiblidten Befudjer futb oielfad)
lügenhaft unb laffen ben Beruf bes Ehemannes, bezto. bes Baters
häufig nid^t erfennen. Unter ben tueiblidtcn Sbcünehmertt haben
06,7 u /o feinen Beruf, oou ben übrigen 43, 3 % finb 13, 6 % 3lr*
beiterimten ober grauen oon Arbeitern unb ^anbmerfern, 24, < % «ehre* 1
rinnen, Sdjriftftellerinnen, Bettlerinnen mtb 5,3 "/„ Beamtinnen unb
faiifmätmifd)e Gchülfimten. — Xrci oott ben fcdjs Dozenten liegen oor
beginn bes erften BortrageS oon ihnen oerfante ^eifaben au bie .'obrer
oertheüett. Xiefelbett gaben eine fuqc Xaritclluitg beet ,pt behanbclitbcii
•Stoffes unb enthielten am Schlun ein ^cr.güdmin ber hierher gehörigen
l’ittcrntur mtb einen .'oimocis barauf, baf; bie angeführten ^iidter in
ben brei öffentlidien Ücf eh allen Berlins, in ber 3?f 0 h reit ft ra fjc 41,
^laoeiteftrafje unb 9Jeueu SdjönhauferftratV 13, cin^iifeljen feien. $>ie
Elidier ftnb, fomeit fic nicht itt bett l'cfehalleu oorhattben maren, auf
eine uottt Momitc* auvgcfprodjettc 'Sitte bercitmiQigft augefdjafft morbett.
'Mus 3Kittheilungeu, bie oon ben i'orfteberu ber ^efehallen gemadjt finb,
geht hcroor, baf; fdjott mährettb ber Xaucr ber Murfc bie betreffeubett
Bücher oerlaugt mttrbeu. 2)an bie .'obrer allgemein bas größte ^utereffe
betoiefett haben, beftäügen übereiiiftimtncnb bie '^eridjte ber Xo^cuten.
9111c SBortragenbett rühmen bie lebhafte iMntheiluahme unb bic gefpatutte
31ufmerffamfeit, bie and) bei fdjmierigerett ^etradjtuugcu uidit uadilicfj,
unb h e ücn bie Xanfbarfeit hcroor, bie oiclfad) utüiibliiheti 'Husbrucf
fattb. Sehr betoährt hat fiA bie Einrichtung bes ^ragefaftetts, moburd)
bert .sobrertt ermöglidtt muroe, Vluffläruttg ju erbitten, ohne baf; fic
öffentlich hcroor^utreten braudtteit. Xie Sdjmierigfeit, oolfsthütitlid)
oorjutragett, mürbe oott beit To^entett ttidjt unterfdjdpt, ift aber mohl
überall in ausgezeichneter 'Seife übermuubcu morbett. ^tc Vorträgen beit
felbft finb oott bem Ergebttifj ihrer Bemühungen fehl* z»trieben geftellt I
unb haben ben Einbrucf befommeti, bafj biefe Aturfe, in ber ridttigen
Seife gehalten, aufjerorbentlid) fegenSreid) toirfett fbmteu. Sir fbniteu
bem Berichte nur beiftimmen, toenn er fhreibt: „^ebenfalls erfchcint
bas Bebürfnifj für foldte .Sturfe burd) bie bisherige Erfahrung gcuügenb
ieftgcfteHt, uttb ?4;ittt)cilnngcn aus 91 rbeiterfreifet 1 laffen crmartctt, bag
ber Befndh ber ^mciteit Serie oon .Sturfen im Januar unb Februar oou
jener Seite ttod) größer fein mirb."
©eoitrbegeridjtc. (Einigungsömter. Sd)icb$gerid)tc.
®inigng0i»ifcr hei eitgltfdjett ^anMdUmmttn> 9luf Snitiatioe
beS „London Labour Conciliation and Arbitration Board“ ber
Üonboner §anbel§fammer fattb fürzlid) itt biefer .soattbelSfammer
eine SSerfatttmlung oott ©eroerfoereinS* uttb Uitteruehmcrbelegirteit
ftatt, um über Die Mittel jitr SluSbchititttg beS EittigungStoefettS
burd) bic Manbelsfatnuterit zu beratl)cn. Xer 3Sorfi(jenbe Boultott
mie3 auf bie namhaften Erfolge beS EinigungSamteS ber £onbotter
.s^artbelsfatumer hin, bas feit ad)t 3ah«n beftcht uttb ffizjirte bie
einfehlägige Elefehgebttttg, ttameutlid) in 5)leufeelanb. Xie Bcr=
fauttnlung nahm eine SRefolution an, bttreh toeldhe fomohl Ejemerf*
oeceine als .£)anbelsfammcrn aufgeforbert merbett, nach .Straften für
bie Erridjtung freimilliger Einigungsänttcr unb 8d)icbsgerid)te ein*
Zutreten; bctSglcidjen mirb bic ^ottbotter itantttier aufgeforbert, auf
einen meitereti SluSbatt ber bczüglidjett Elcfehgebmig hitt 3 iuDirfett.
Ein Antrag, bem jitfolge bie bittbeitbe llrtheiisfraft ber Schiebs*
gerichte gefeblith ftatuirt merbett möge, mttrbe mit großer Majorität
abgelehnt.
ßitcrttrtfdie ^njetgen.
I. Bücher unb Brofdjürett.
Sdjriftcn bes BcrbatibeS beutidjer 2lrbeitSuad)meife. 9ir. I.
SaS föntten bic '^IrbeitSnachmeife baju beitragen, ber 9anbmirtb*
fdtaft ^Irbeitsfräfte jn erhalten unb jujuführen? — Slrbeitsitad)*
mcisftatiftif. — Empfiehlt fid) bie Eebührenfreihcit bei ber 31 r*
beitsoermittelung? — Berhanblmtgen ber erften Berbattbs*
oerfammlmtg unb 3lrbeitSiiad)meiSfonferettj am 27. September
1898 tu aWündhett.
Sir machen barauf aufmetffam, bah bie ben obigen 2itel tragenbeu,
itt golge eines Ueberetttfommeus mit ber BerlagSbuchhanblnng beit
3lbomtcitteu ber „Sozialen ^rariö" als Gratisbeilage (zu 3tr. io Der
„Sozialen Sßraris") überfattbten ftenographifd)eu ^rotofolle ber Biiindiencr
Berbnitbluitgeu tu Earl ^epmanttS Berlag, Berlin W., SRäticr*
ftrabe 44, erfd)ienctt futb.
•Sirufe, ^rof. S. lieber beit Eittfluft bes ftäbtifcheu Gebens auf bte
Bolfsgefunbheit. Bortrag, gehalten auf bem III. Xeutfdjcu Mott*
greft für BolfS* unb 3w0enofptelc. Bonn 1898, Emil Straufj,
79 S.
-St rufe, Sßrof. S. sßl)t)ftfchc Degeneration uttb SehrfähigFcit bei eure*
päifchett Böllern. Bortrag, gehalten auf ber Baturforfd)er=
oerfammlmtg z» Diiffelborf. Bonn 1898, Emil Strang. 17 S.
9ed)lcr, s ]5attl. Dev erfte Sdjritt zur nationalen Sohuuugsrefonn.
Bortrag. Berlin 1899, Ernft .^offntatm & Eo. 28 S.
9tcumaiTit*$>ofcr, Dr. 91 b01f. Die Entioideluitg ber Sojialbemofratie
bei beit Saljlctt 51tm Deutschen Beidjstagc. Statiftifd) bargeftellt.
v 3meitc Ausgabe. Berlin 1898, Eonrab Sfopttif. 75 S.
31 ft er, Sol). Bapt. 3 ur Gefchiditc unb Statiftif ber freien 9lr^tioalil
itt Berlin. Berlin 1899, Siemeurotl) & 2rofd)d. 157 S.
5b. v>. Betters Tabellen zur fchneüen uttD i*id)tigcu Berechnung ber ^infett
aus 1 bis 50 (XM) j(. Kapital oou 1 bis 365 Jagen zu 1, 3, 3 W 2 ,
'1*1*1 -t % 4 x fz, 4 Vs, 4 3 /4, 5, 5 1 4, 5 l li, ö 3 /* uttb6°o. 3cebft
^citberedjnuitgs*, 3itis= unb 3Rüiizrebuftioiis*Dabellcn. 5. 3luflage.
Srciburg i. B., .Berber*fdje Berlagshattblung.
Der Streif uttb bte 3lusfpcrrung ber ^iunuerer Btagbeburgs lsns.
Denffdirift mit 3lnlagen uttb bie 31bred)mmgett. Berausgegcbeu
oou ber yobufomntiiflon ber Zimmerer SDlagbeburgs utto Um*
gegettb. Eh*ob=Cttcrslebcii b. Biagbebnrg 1898, griebrich Beffc.
64 S.
II. Dmcffflchett mm Berttmltuugttt, Berehien ?c.
Elrunbfähe für bie Drbnuttg ber Dieuft* unb EittfommettSoerhältuiffe
ber ftäbtifdjen 3lrbeiter in Karlsruhe i. B. ('Hrbeitcrftatutl.
Bericht bes Berbattbcs ber Genoffeufd)aftS*HraiiFeufaf fett Sietts
lammt ber Statiftif bei* Berbaubsfaffett für bas gal)r 1897.
Das fojiale Bcrfidjeruitgstoefeu im Grogherjogthum Babctt in beit
fahren 1897 unb 1898. Biitgetheilt uottt Grogh. Statiftifdjeu
9attbeSamt itt Karlsruhe.
Getuerbltd)c uttb . 3lrbcitcrorgaiiifationcu, fotoie Einrirfjtungcti für 31 r*
beitsnaihioeis im Grogl). Baben uadj beut Staub 00111 Eube
185)6. Biitgctheilt oottt Grogl). Statiftifdicn 9aubcsamt tu
Karlsruhe.
Statiftifdje Bc ouatsfdjrift. Berausgcgebctt oou ber f. f. Statiüi*
Hhett Ectttralfommiffiou. 9feue golge. III. gahrgaug. CHoher-
Beft. Stett 1898, 3llfreb Bülbcr.
Stettin, Bcrid)t über bie Berioaltnug ber Gemetubc^Hugelegettheiteu
ber Stabt Stettin pro 1. 3lpril 1897/9S.
.Hölit, Die Beoölfcruug ber Stabt Höltt. Sotiberabbrucf aus ber gefr*
fd)vift für bie .Bauptoerfammluug bes Deutfdjeit Bereut# für
öffctttlid)c Gefnnbhcitspflcgc.
—, Statiftif Der mährettb bes gahrcs 1897/98 in offener Armenpflege
Unterftüjjteii (Sotiberabbrucf aus bem Beridjt über bie Ber
maltuug bes 'Mrmemoefeits ber Stabt HölttI.
2)crantroonltd) füc bte ^tcbaflion: Dr. (Srnft 3 ra,l <fc t» Scrlüt W., öai)teutf)crftrafjc
3.M 3oktale ^rarto. Gcntralblatt für 2ogialpolitif. Kr. 13. 3.V2
■Tie ,,$otiaI« flravie“ erfdfcelnt an jebein ©omteTßtag unb ift butd) alle S8u<$battblunflcn unb gloftämter ($oft 3 citung«nummet 7072) gu beziehen. ©et $5teu'
für baß SSicrtctja^r ift 2N. 2,50. Sebe Kummet Toftet 30 $f. ©er Slnaeigenpreiß iit (>0 $f. für bie breigefpaltene Spetitjeile.
Bm ^ttfjce im Sei gtmjfot & Umnßlof in Seidig erdientn
JUtfyanblnnpen, Saat*- nnb n$Hterre 4 |Mid|e: !:
2?anb II. §eft 1: Tie 0elbftoerroaltung in politifdjer
unb juriftifrfjer SBegichung. SBon SulinS $atfd)el.
5 SK. 60 $f.
^farMi, H. Tie (Introicfeluug bc£ ArmemoefenS j
in dnglanb feit bent Qahre 1885. 1 SK. 40 $f.
| gielefrU», «Mt*, Giitc neue Ära englifd)er 0ocial* j
gefefcgebnng. 2 SK. 20
i f*rftynn0*n, flaut*- unb focialwiffenfdjaft-
lidje:
i XV. 4. Tie bou^inbuftricflen Arbeiterinnen in ber
t berliner 93lufen*, llnterrocf*, 0d)ürgen» unb Xrtcot*
< !onfc!tioit. Don Berirab Tifbrenfurtb, 2 TI. 80 ^f.
XVI 1. 3 roe i Dörfer ber babifdjen Dheinebene unter
befonbercr 93eritcfficf)tigiing ihrer Attmenboerhält*
niffe. Don ($mU SrattnageL 2 SK. 20 $f.
XVI. 2. 0tatiftifd)c 0tubicn gur (SutroitfelungSgefchichte
ber berliner Snbuftric oon 1720 bis 1890. Don
Otto SBiebfefot. 9 SK. 60 $f.
XVI. 3. Tao Diainger 0chiffergcrocrbc in ben lefeten brei
^ahrhunberten be£ fturftaateä. Don dhrtfttatt
Grfert. 3 SK 80 Df-
XVI. 4. Tie Deid)£=Derficherungogcfebgebiing. Don
, $. Döbüer. 1 Di. 60 Df-
$Ulh< {ttbtulg. Ta§ SKictredjt nach bem bürgerlichen
©efebbud) für ba§ Teutfd)c Deid). 0i)jtcmatifch bar*
gcfteflt. ©eb. in firob. 5 SK. 40 ’ißf.
gja0tiflan0c, 3llfreb, SiibbeutfdiC'? Saiternlebcn im J
'Mittelalter. ft SK. 60 $f-
fjnlU, CEtrttfl w*n, Tic Dcbentimg beo Sceoerfebro j
‘ für Tentfdjlanb. 60 Df.
geifert*. Tic Deform beS bentfdjcu @3elbmcfcii$?
nach ber (^rünbung be3 Deid)0. 2 Dbe. 22 SK.
I $*tfferi*, 3ur Erneuerung bco beutfdjen Dattf* j
gcfcbc£. 3 Di.
§nber, P-, $k Staateufucceffioii. Dölferredjtlichc unb 1
ftaatorcdüliche ^rari‘3 im 19. 3ahi'b- 7 Di. 20 Dt-
fnama-$terne00, $. «an, xmtfdie *urt=
f(haft‘5gefd)ichte. III. Daitb, erftc Hälfte. 12 Di.
gtappeintnnn, .vmnbbndi für prenfiifdje 2par*
taffen. 0)eb. in Vmb. 3 Di. 60 Df-
fUetf, piiUjclm, xic 3d)iuinbfucf)t im £id)tc ber j
0tatiftif unb 0oeialpoütif. 2 Di. 40 Sßf. 2
feffler, |. 9., £eben$* unb fiohnoerhältniffc inbuftrieOer
Arbeiterinnen in 0tocfbolm. 2 SK.
|*ttnar, D^Uipp, Tie Freiheit ber ÜöerufSmabl.
1 SK.
$tt*eraliitv 0 , ^ofa, Tie inbuftrielle ßntmicflung
Polens. 2 SK. 20 Sß\.
peietr, ®rn^ «an, |)annooerfche Serfaffungö* unb
Sermaltung^gefchichte 1680—1866. (Srfter 33anb.
11 SK. 60 $f.
(^eridjt, (Berichts^err, SSerteibigung. 80 $f.
$df«iottjer, (Onftav, lieber einige ©runbfragen ber
Socialpolitif unb ber SSotfomirtfchaftSlehre. 6 SK. 40 ^f.
$ 4 tn«Uev, «Sn^a», ilmriffe unb Unterfudhungen gur
SerfaffungS*, SSerroaltungg* unb SSirtfdbaft§gefchid)te
befonberö bee^ $reu&ifchen 0taate0 im 17. unb 18. Saljr*
hunbert. 13 SK.
$df triften Pe« Sentfd^en Herein* fnr Jlrnten-
pfle0e nnb P*^lty«ti0lteit:
34. 17. 3ab«^crfammlung in Äiel. 3 Di. 40 $f.
35. Ta3 au^länbifche Armenroefen. 1 SK. 60 $f.
36. ^rocmgötnabregeln gegen nährpflichtige Singehörige.
2 Di.
37. .Jnlfe in auBerorbentlichen Kotftänben. 1 Di. 80 $f. |
38. Tic rocchfelfeitige Unterftübung uon Sieich^* |
ungehörigen in ben eingelncn ^unbeöftaaten. 2 SK. |
39. 3 u P uc h^ftötten für roeiblidje s $erfonen. — %ifteng*
minintum in ber Armenpflege. — Anrechnung ber j
^eiftungen ber ^riuatmohlthätigfeit unb Snualiben* i
renten. 3 Di. 20 $f. !
Triften bes H^^ein« fnr farialpaiitib: !
75. ^ßcrfonaltrebit be‘3 Iänblidjen SUeingrunbbefifceä in |
Tefterreich- 8 Di. 80 $f. j
76. ©encralnerfammlung in £öln 1897. 10 S 1K. |
77. .Jaufiergemerbe in Teutfchlanb. I. 11 Di. j
78. .Jauficrgcroerbe in Teutfchlanb. II. 5 Di. 60 ^f. |
illtridj, franj, 0taat^eifenbahnen, 0taat§mafferftrahcn i
unb bie bentfehe SBirtfchaft^politif. 1 Di. I
Herntaitnn0*berid|t beo Datheo ber 0tabt ^eipgig 1
für ba* oafjr 1896. Web. 10 'JK. 1
Paenti0, Heinrid), OJeroerblidje SKittelftanbdpolitif. j
9 SK. 60 'ßf. |
Peid)*-b$lan, |riebrit^ $reil;err jn, ®ie
Srotfrage unb ifjre l'öfung. 2 Sit. 20 $f. I
S.ramiotmiid) für r^c ?ltueiflcu: €>«DmuiIi Olcibcl. Veipiin. - 2?frkg uou luiitfcr & ^imiblot, Stiiuifl. — (Sebrucft bei ^uliu« Sittcnfclb, Serlüt.
VIEL gdpgitag.
©erlitt, ben 5.3<muor 1899.
itnmmrr 14.
Soziale prayte.
{g^nhrafßfatt für ^>ogict£po£ifiü
mit ber 2Ronttt«betlage:
Vas (Bewevbegericht.
(Organ bes Perbattbes beutfdjer <Sen?«rbegericfyte.
©cuc golge bcr „Blätter für fogtale ^rayt«" unb bc« „Soglalpoltttfchen Eentralblatt«".
(Frfticiitt an jebem Somtetflat. ^)CCQU§gc6er! Aretß bicrteliiljrlidj X SR. 50 Bf.
föebaftton: Berlin W., Baljreutherftra&e 29. Dp« (Etttß <#PCtHdt£* ©erlag bon ©under & $umblot, Cetpgtg.
3 noalibitätß* unb ftranfenöct*
tietjerung. Bon Dr. jur Sfttdjatb
<yreunb, Botfifcenbem b<r3nbalibt»
tätd« unb AlteTßOeTfidjerungßanitaü
'Berlin.253
©ie beutfd&e ©oaialbcmoftntie
im 3aljre 1898. 1. 256
«Ulf «weise ©osial* unb tötetpfdjafte*
Holitif.3C0
©er Bertragflbrudj beß ©e*
finbeß. Bon Dr. S. 0rulb, Bedjtß*
anmalt, SRainj.
©er jebnte eüanflelifdj*foaiaIe Äongreft.
3nternationaIerfoaialftatiftif^er3)ienft.
Staatßunierftüfcung für bie BwbufttP*
genoftenfeftaft ber ^>o()lglaSperIen»
erjeuger in Stforbbölmten.
ßrnei ricbterlicbe ©ntfefteibungen über
Arbeiterfragen in Englanb; Be»
febränfung beß tfoalitionßredjteß unb
Stieifpoften.
ftewwsssle titofttelMIttt_363
©aß ftfibtifd&e Arbeiterfefreta*
riat in Ulm.
tfonferena foainlbemolrat. ©emeinbe*
oertreter ber B^wa Bronbenburg.
©emeinbltfbe ©oatalpolitif in §ronf*
iurt a. ÜJt.
Benfion für ftäbtifdje Arbeitet in
tfarlßrulje.
•ir*«ttecbe*«fnnfi.365
©ine ©emetff djaftßgrünbung
in Hamburg; Ätonfum*, Bau* unb
Sparoerein „Brobuftton".
©ie Sobnbemegung unter ben Söebcrn
in Ärefelb.
Bon ber Bergarbeiter*Bemegung.
©eutftber SWetallatbeiteroerbanb.
©entraloerbanb ber £anbelß», Stanß*
port* unb Ber!ebrß«Arbeiter ©eutfdj«
IanbS.
Böcferbemegung in Beilin.
©er Außftanb ber Bartfer £anbelß*
gebilfen.
tttbetterf*tt*.368
©ine autbentifebe 3«t« l P re tntion ber
iüngften 3t c fl e ^ e tüexorbnunfl.
Äonferena ber ©emcrbeauffidjtßbeamten
in Bteßlau. *
©in gletdjniäftiger unb früherer
©djluft ber fiabengeftbüfte.
3um ©<bufc ber Arbeiterinnen.
3ebn Befdjmerbebuteauß für Arbeite*
rinnen.
©er Aibtftunbentag für bie ftäbtifdften
Äanalarbeiter in Bari®*
tStoftnsnflfwefes.370
Botiaeioerorbnung über
BZietbßmobnungenunbScblaf*
ftellenmefen in einigen St&bten
SRoib »£annoöerß.
Bau oon Arbeitermob nmtgen mit
4?ilfe ber 3noalibitdtß»Berficberungß*
anftalten.
©in ©ang bur<b 3 ammeT unb 9Jotb
in Btüntben.
©egen baß Söoftnungßelenb in Straft*
bürg i. ©.
9otf1e CJtjgiene.. 373
Betriebßunfäüe im 5fterTeicbifcfjenftlein*
gemerbe.
©entralifation beß Berliner Bettungß*
mefenß.
ttftttcasctf«« ttsaetaes.374
3nbalt beß ©eroerbegeriebtß 9tr. 4.
3ttl)aU.
Beilage} „©aß ©ttojerbeflertdü" 9tr. 4.
AtiDrud fömmtlicber Artifel ift Bettungen unb S^itfc^xiften geftattet, jeboeb nut
mit ooüer ^Quellenangabe.
unb ßranknttierftdjermig.
9(1« ich auf ber Mannten 9iooentber*£onfereng int ©eid)«amt
be« Snnern bie (Einrichtung non lofalen 9lrbeiteroerfi<herung«*
ämtern in ©orfd)lag brachte, führte id) au«, 1 ) bajj bie Schaffung
einer uoHfomutenen lofalen Drganifatton für einen 3 roe i0 ber
Arbeiteroerfidjerung 31 t foftfpielig fei, bafc baher bie Arbeiter*
oerficherung«ämter al« lofale Drganifation für bie gefatnmte
Slrbeiteroerftcherung bienen müßten. 3 n«befonbere ftrebte ich bie
oöEtcje ©erfchmelgung oon 3 uoaübität 8 * unb Traufen*
oerftcherung an, ba ja gerabe bie gu fdjaffenben neuen lofalen
SHemter bie 3 uoalibität«oerfichcrung in ben Stanb fefcen, bie $)urch*
führung ber Shranfenoerficherwtg gu übernehmen. $)ie (Einbringung
ber $ooeUe gum 3noalibität«oerficherung8gcfefe fteht unmittelbar
beoor, bie 9fooeüe hat im ^rinjip bie lofale Drganifation ber
9lrbeiteroerficherung«ämter acceptirt, ba fcheint e« mir benn ge*
boten, noch einmal für bie oon mir feit 3 &h ren verlangte 23er*
fchmeljung beiber ©erücherungen einguireten unb alle biejenigen
©rünbe jufammen^uftellen, welche in geroichtigfter ©3eife für biefc
©erfd)mel 3 ung fprechen unb auf bie ich in ben oerfchiebenjten
^ublifationen hingeroiefen h^ e -
3unöd)ft bie inneren ©rünbe:
Snoalibitat«- unb Eranfenoerficherung gehören nach
innerften ^Befen untrennbar jufammen. 3 noalibität ift bcr 9lb*
fchlufe einer längeren ober fürgeren ©Tfranfung, bie Stammgäfte
ber Äranfenfaffen finb bie Slmoärter für bie 3 noalibenrente. S)ie
3 noalibität«oerficherung hot ba« größte Sntereffe an einer mög*
lichft ooHfommenen tonfenfürforge, ba« größte Sntereffe baran,
bafe jebe ^rfranfung grünblich unb ooEfommen geheilt wirb, bamit
fte nicht ben Äeim giir künftigen Snoalibiftrung legt. 5)ie« 3 nter*
effe fommt nicht minber ben ©erftcherten al« ber 3 noalibität«*
oerftcherung gu ©ute unb roa« ift ba natürlicher al« bie«
3 ntereffe in ben ©ienft ber $ranfenfürforge gu ftetten?
^)ie oorbeugenbe Ätanfenfürforge, toelche gegenwärtig oon ber
3 noalibität«oerfichening mit Energie unb ©ifer betrieben wirb,
geigt fo recht beutlich, wie uothwenbig bie ©ereiitigung beiber ©er*
ftcherungen ift. S)enn bei beut größten Xheil ber 3 ötte, welche
hier gur ©ognition ber 3 uoalibität«oerftcherung gelangen, fommt
bie oorbeugenbe Xhätigfeit gu fpät, bie .firanfheit hot fchon fo
grofee gortfehritte gemacht, bafe eine SBieberherfteHung entweber
gar nicht möglich °o cr nur mit größten Soften gu ergieien ift. gür
oie 3 uoalibität«oerficherung ift e« aber oon ©Serth, fo frühseitig
wie möglich (Einfluß auf bie $ranfenfürforge gu erhalten b. h-
alfo bei ©eginn ber (Erfraitfung, unb btefe« ©toment führt
nothgebrungen gur ©erfchmelgung betber ©erficherungen. 3 o bem
jeht oon ber 3 noalibität«uerficherung aufgenomtnenen
Äampf gegen bie Xuberfulofe fteht unb fällt ber (Er*
folg mit ber ©erfchmelgung beiber ©erficherungen. $)enn
nur ein energifche« Eingreifen in ben allererften Anfängen
ber fiungenerfranfung wirb e« möglich machen, Erfolge gu
ergieien, unb für biefe« Eingreifen ift gegenwärtig nicht bie 3n*
oalibität«oerftcherung, fonbern bic ilranfenoerftcherung guftäitbig.
3 ebe 9lu«gabe für .tranfenfürforge fommt ber 3 n=
oalibität«oerficherung gu ©ute; in bic fern 6 a hc er*
fchöpfen fich alle inneren ©rünbe für bie ©erfchmelgung.
3 n engem 3 ufatnmenhange hiermit fteht bie Höfling einer
anberen ©rage, auf bie id^ fd)on oor langer 3 clt hiugewiefen
habe: 2)ie Einführung ber geitlich unbegrengteit MraitFeii*
fürforge. 2 ) 2 )ergegenwärtige 3 uftanb,wonad)beüängcrer, ( rh*aiifl)eit«=
M Bgl. „©ie Bcrcinfadptng bcr Arbettcrocriidjerung", ©erlag oon
Hermann Saüfjcr, Berlin 1896.' 6. 6.
s ) ©gl. „Soginlc ©rari# IV, 34 unb „Armenpflege unb Arbeiter*
ocrfidjermig". Bering oon ©mufer & ^ltuiMot, Vetpgig 1^95. S. 92.
355
Soziale Brajis. Gentralblatt für Sozialpolüif. Rr. 14.
356
bauer eine Unterbrechung'in ber fozialpolitifchen fjürforge entfielt, ift
unhaltbar: Die Äranfenfürforge muß folange bauern,
als fie nach ärztlich ent Ermeffen notßroenbig unb zroeef*
mäßig ift, unb baS Enbrefultat ift entroeber tnögticßfte
©ieberßerftellung ober Snoalibifirung. 3e länger bie
Sfranfßeit bauert, befto mehr fommt bie gantilie beS erfranften
Berficßerten zurücf, befto bebürftiger roirb fie; es ift ein §oßn auf
unfere fozialpolitifcße ©efeßgebung, baß gerabe in biefer
fritifeßen 3 ei* ber Berficßerte ßülfloS bem Elenb übertaffen roirb.
Die bisherige Beftimmung, wonach bie SuoalibitätSoerficßerung
nad) 52roöcßiger SfranfßeitSbauer eintritt, ift gänzlich unzulänglich,
unb auch bie in ber RooeHe enthaltene Berbefferung, roonad) feßou
nach 26roöcßiger Dauer bie SuoalibitätSoerficßerung einzutreten
hat, roirb oöllige Abhilfe nicht fßaffen. ES barf eben überhaupt
feine Unterbrechung in ber Sfürforge eintreten, unb bieS roirb man
am ooÖfommenften bureß bie Berfcßmelzung beiber Berfißerungen
erreichen. Schon jeßt tritt bie SuoalibitätSoerficßerung in ben ge*
eigneten Säßen mit ihrer oorbeugenben gürforge nach Ablauf Der
^ranfenoerficßerungSleiftung ein; aber biefe 3roeitßeilung ber giir-
forgepflicßt ift oom Uebel, fie fchafft in Solge ber Boroerhanb-
lungen einen 3roifcßenraum unb oerhinbert ein planmäßiges
energifßeS Eingreifen ber SuüatibitätSöerficßerung oom beginn ber
^ranfßeit ab.
Die Berfcßmelzung beiber Berficßerungen ift aber auch ge*
eignet, fernere BUßftänbe in ber bisherigen Drganifation ber
$ranfenoerfißerung z u fcefeitigen. 3u ben Drganen ber
Äranfenoerficßerung oerfügen bie Arbeiter über 2 /b ber Stimmen,
bie Arbeitgeber nur über ‘/b- $üefe Bertßeilung ift fozialpolitifch
unbebingt z u oerroerfen. 8 ) Der unfern neuen fozialpolitifchen
Drganifationen z u ©ninbe liegenbe ©ebanfe, bie Beziehungen
Zroifcßen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer bureß ihre gemeinfd)aftlicf>e
Dßätigfeit bei ber Durchführung ber fozialpolitifchen Aufgaben
inniger zu geftalien, bie leiber fich oielfach feinblich gegenüber*
fteßenben ©nippen einanber näher z« bringen, ift ein burdjauS
gefunber unb richtiger. Das ungleiche Stimmenoerhältniß zroifcßen
Arbeitgebern unb Arbeitnehmern bringt aber bie oöllige Ohnmacht
ber Arbeitgeber mit fich, !?at iu beffen oielfach zu fdjroeren
^oufliften innerhalb ber Berroaltung geführt, öfters mit bem
gänzlichen Rücftritt ber Arbeitgeber oon ber Berroaltung geenbet
unb fo bie beftebenben ©egenfäße zroifchen Arbeitgeber unb Arbeit*
nehmer noch mehr oerfcßärft Eine Drganifation, in welcher
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gemeinfam erfolgreich
roirfen follert, in roelcher biefeS gemeinfame ©irfen zu*
gleich einen oerföhuenben Einfluß ausüben foll, fann
nur auf ber BafiS ber ©leicßbeit beS Stimmenoerhält*
niffeS unb beS oermittelnben BorfißeS eines Un*
parteüfdjen begrünbet roerben. Die auf biefem Brinzip be*
ruhenbe Drganifation ber ©eroerbegerießte unb ArbeitSnacß weife
hat fich benn auch ooüfommen beroährt. Es ift pfydjologifcß fo
leicht erflärlicß, baß bie Arbeiter in biefer einzigen Drganifation,
in roelcßer fie bie unbebingte Sjerrfcßaft hüben, bie Berroaltung
auch ganz iu ihrem Sinne führen unb oielfach, roenn auch iu
burchauS roohlnteinenber Abficht, aus boftrinären Erwägungen
Maßregeln zur Durchführung bringen, roelche unzroedmäßig ftnb
unb eine gebcihlicße Durchführung ber ^ranfenoerfießerung hinbern.
Borgänge wie in Remfcßcib roären bei einer paritätifeßeu Drgani-
fation uitbenfbar geroefen. ©ir flehen aber hier erft im Anfänge
ber Scßroierigfeiten, bie fich f° fteigern roerben, baß man zu einer
Aenberung in ber Drganifation nothgebrungen roirb fommen
miiffen.
Die Einführung ber paritätifcß organifirten Arbeiter*
oerficherungSämter roeift oon felbft auf bie 3uroeifung
ber ftranfenoerfießerung an bie SnoalibitätSoerficßerung.
Die Aemter, benen bie lofaie Durchführung ber Sfranfenoerfißerung
obliegen würbe, würben bann auch meßr 3ußalt befommen, mau
würbe in ber Sage fein, eine burcßauS oollfommenc Drganifation
ins £eben zu rufen. Sungirett bie ArbeiteroerficherungSämter nur
für bie SuoalibitätSoerficherung allein, fo ift bas feßon oielfach
geäußerte Bebeufen ber Eoftfpieligfeit nicht unbegrünbet; biefeS
Bebeufen feßrt fid) aber in baS gerabe ©egentbeil,
wenn mau ben Acmtern aud) bie Stranfenoerficßeritug
iibcriocift. Rtit biefer Bereinigung ift gleichzeitig bie Srage
ber Eentralifation bev Stranfenocrficßcrung in ooli*
fommen ft er ©eifc gclöft. And) nod) eine anbere Srage, bie
3 > Bgl. meiite flcirfilaittcitbe Ausführung iu ,Dtc Bercinfnißimg
brr Arbeitcrocriidienuiii** S. V.
immer brennettber roirb, nämlich bie Aerztefrage roirb herbei
ißre Döfung finben.
Es ift meine unerfcßütterlicße Ueberzeugung, baß wir zu biefer
DrganifationSreform roerben fommen müffen. ©iberftänbe finb
nur oon ben befolbeten ^affenbeamten zu erwarten, bie überfeßen,
baß fie zunt großen Dßeil unter roeit günftigeren Bebingungen
in ber neuen Drganifation roerben fortroirfen fönnen. Als icß
fürjlicß bei ©elegenßeit ber EtatSberatßung im AuSfcßuffe ber Sn-
oalibitäts* unb AlterSoerftcßerungSanftalt Berlin in öolge einer
Snterpeßation bie hier erörterte Reform befürroortete, ba fanb icß
bei Arbeitnehmern unb Arbeitgebern ungeteilte 3uftimmung.
Der Reichstag roirb nicht umhin fönnen, bei ©elegenßeit ber Be¬
ratungen über bie Sonette zuut Snoalibitäts* unb Alters*
oerficßerungSgefeß bie Srage ber Berfcßmelzung oon Suoaübitäts-
unb Iranfenoerficßerung in eingeßenbfte Erwägung z u zi c ^ cn *
ES ift bur<ßauS erroünfeßt/ baß bie Borlage, foroeit fie bie
ArbeiteroerficßerungSämter betrifft, zur Annahme gelangt; es ift
aber ebenfo erroünfeßt, baß ber $eidjStag gleichzeitig in einer
Sftefolution bie oerbünbeten Regierungen aufforbert, unoerzüglicß
eine weitere Borlage, betreffenb bie Anglieberun^ ber ^ranfen*
oerfießerung an bie neu gefeßaffenen ArbeiteroerticßerungSämter,
auszuarbeiten.
Dr. jur. Ricßarb Sreunb.
Sie ieutfdje Sojialbeniokrotie im 3oljrt 1898.
i.
gür bie Situation ber fozialbemofratifcßen Partei am Anfang
beS foeben abgefdjloffenen SaßreS waren, wie bereits in ber Artifel-
reiße „SSanblungen in ber Sozialbemofratie" 1 ) näßer bargelegt
würbe, folgenbe Dßatfacßen cßarafteriftifcß/ bie beutlicß ben llm-
feßroung in ber Beurteilung ber praftifcß-politifcßen Sragen
wie ben ©anbei ber tßeoretifcßen Anfd)auungen innerhalb ber
Partei offenbarten:
Die Srage ber Beteiligung an ben preußifeßen Sanbtags-
roaßlen roar auf bem Hamburger Parteitag troß langer Debatten
nießt zum Austrag gelangt, ba am Schluß eine ziemlich finnlofe
Refolution angenommen worben roar, über beren Auslegung er¬
neute heftige Disfuffionen entbrannten, oßne baß es ber gepriefenen
fßarteibiSziplin gelungen wäre, eine Einigung ßerzuftellen. ©eiter-
ßin hatten bie feßertfeßen Aeußernngen beS Red)tSanroaItS .fpeine,
ber eine opportuniftifeße itompenfationspolitif („Kanonen für Bolfs»
reeßte") empfohlen hatte, feßarfe Angriffe oeranlaßt, bie aber feine
Berliner ©äßler nießt ßinberten, an feiner ftanbibatur fcftzußalten.
Sn teoretifeßer §infitt hatten bie Auffäße oon E. Bernftein
unb Dr. Eonrab Scßmibt ben reoolutionären BtaryiSmuS als ge-
fcßloffeneS Spftem fo gut wie ooüftänbig aufgegeben, oßne babei
auf einmütßigen ©iberfprutß in ber s $arteipreffe zu ftoßen. Rur
wenige Drgane traten ißren Anficßten entgegen; in erfter Reiße
ftanb babei bie „Säcßfifdje Arbeiterzeitung" in DreSben unter
ißrem Eßefrebafteur BarouS, hinter welchem ^feubonpm ßd) ein
ruffifeßer Saurnalift, ber oor kurzem aus Sacßfen auSgeroicfene
Dr. §elpßonb, oerbarg.
Die bureß alle biefe Differenzen oeranlaßten Disfuffionen
ßatten im April ißren §ößepunft erreicht, z°9 cn fich aber bis in
ben Btai hinein fort, roo ißnen bie immer ftärfer roerbenbe
Agitation für bie ReicßStaaSroahlen ein Enbe machte.
Sm ©aßlfampf trat Diesmal, — barin ftimmen faft alle Be¬
obachter überein — bie Sozialbemofratie roefentließ nur als rabi*
fale Reformpartei auf. Bon einer energifeßen' ^ropaganba ber
reoolutionären Enbziele roar feine Rebe; fie rourben im ©egentßeil,
wie baS aueß in bem z u Dftern oeröffentlicßten ©ablaufruf ber
fozialbemofratifcßen ReicßStagSfraftion gefeßah, gefliffentlid) in ben
t intergnmb gebrängt. Der Ausfall ber ©aßl ift befannt. Die
ozialbemofratie blieb, roic bisßer, naeß ber 3aßl ber abgegebenen
Stimmen bie größte Partei. Sie erlangte 2107 000 Stimmen,
gleich 27,2 % aller abgegebenen Stimmen unb gleid) J 8,:, % aller
©aßlbcrecßtigten. Dieäunaßme gegen 1893 betrug 320000 Stimmen.
lleberbaupt ßat fiß bie Bartei bei ben ReicßStagSioahlcn feit
bem Sabre 1881, bas ben Diefpuuft ber fozialiftifcßen Bewegung
unter ber Einroirfnng beS SozialiftengefcßeS bezeichnet, folgenber-
maßen eutmicfelt:
Bergt „Soziale ^rariv" VII, Ar. 2 5, 2'J.
8f>7
oktale prarig. (ScntralDIatt für ©ozialpolitif. Nr. 14.
35s
© t i nt nt e it z u ro a d) g
Slbfolute
©timmenzahl.
oott Wahl
Zu Wahl
oott Wahl
Zit Wal)l
pro 3abr
abfolute
abfolute
Sahlen.
in Prozent.
3 ahlen.
1881
312 000 }
238 000
i
76,, o/o
80000
1884
550 000 l
213 100
j 38,8 *
70000
1887
763 100 !
664 200
87* »
220000
1890
1 427 300 {
120000
1893
1 786 700 /
359 400
25,i *
1898
2 107 000 }
320 300
17,!) *
!
64000
£rofc ber bebeutenben abfolutcn 3 unal & mc bat fub alfo, roic
bag ©infen bcr 3iffer bcr prozentualen Vermehrung unb oor
SMetn bcr ftarlc Nüdfgang beg burcbfcbnittlicbcn jäbrlidjen ©timmen*
auroacbfeg anzeigt, bag Sempo bcr fozialbemofratifdjen Veroegung
feit 1890 beftänbig oerlangfamt. $er burdjfdjnittlicbe jährliche
©timmenzuroachg ift zwifchen 1893 unb 1898 bcbcutcnb geringer
etoefen alg je zuoor. ©elbfi in bcr 3eit bcr ftrengen $anbbabung
cst ©ozialiftengefebe« oon 1881 big 1887 rourben jährlich mehr
SRefruten oon bcr ©ozialbemofratie geroonnen alg jefct, trofc ber
feitbem eingetretenen ftarfen SSolf^z unal & mc *
©eroifj ift eg ein ungeheurer (Erfolg ber ©ozialbemofratie,
bafe mehr als ein Viertel aller Wähler, beinah ein fünftel aller
^Wahlberechtigten ihr angehört. Slber für eine Partei, beren 3iel
bisher bie reoolutionöre llmgeftaltung ber ganzen ©efeKfchaft unb
bie Nieberroerfmtg aller bürgerlichen Parteien mar, fann biefeg
^rozentoerhältnife burchaug nicht alg fonberlich ermuthigenb gelten,
Zumal wenn fid) bamit, roie gezeigt, eine Verlangfamung beg
Sernpog ber ganzen Veroegung oerbinbet.
Noch roeniger günftig für bie Hoffnung ber ©ozialbemofratie
auf einen balbigen ©ieg hat fich ber SlugfaU ber Wahl hinfichtlith
ber Eroberung oon Wanbaten geftaltet. SlUerbingg ift bic 3 a hl
ber fozialbemofratifchen Neicbgtaggabgeorbneten oon 43 im Sah 1 ’ 6
1893 jefct auf 56 geftiegen. S5o<h befafe bie Partei fchon am (Snbe
ber oorigen öegiglaturperiobe 48 ©ifce, ba fte fünf Wanbate in
ben Nachwahlen oon 1893 big 1898 erobert hatte, jo bafj fich ber
faftifche ©eroinn ber Wablberoegung für fie nur auf acht Wanbate
{teilt. Ueberbieg hat bie ©ozialbemofratie im er{ten Wablgang
nur 32 Wanbate erobert, roährenb fie bic übrigen 24 erft in ben
©tichroahlen unb zwar, — trofc aller ihrer Slbleugnungen —
burchroeg nur mit Hülfe eineg ^heileg ber bürgerlichen Parteien
erlangt hat. 2)ie 3 a hl ib^et feften ©ifce ift alfo fet)r gering, unb
felbft biefe finb gröfttentheilg nur mit geringen Majoritäten er*
obert. Slig abfolut ficher fönnen auch oon ben im erften Wahl*
aang eroberten 32 Wablfreifen nur toenige gelten, ba bie ©ozial*
oemofratie, roie eine Sufammenftellung oon Dr. Neumann*Hofer
((Sntroicfelung ber ©ozialbemofratie ©. 60) zeigt nur in Sntei
Wablfreifen (Altona unb £eipzig*£attb) bie abfolute Mehrheit ber
Wahlberechtigten unb zwar auch nur mit 50,8 % unb 50, 3 % erk¬
langt hat. Sn oier Wablfreifen haben 45 big 50 % ber Wahl*
berechtigten fozialbemofratifch geftimmt; in 11 Wahlfreifen bagegen
bleibt bie fozialbemofratifche ©timmenzahl unter 40 % unb in
weiteren 15 unter 45 u /o ber Wahlberechtigten. S)iefe 3 a h^ en
geigen, roie felbft ber „Vorroärtg" zugiebt, beutlich genug, roie ge*
fährbet unter Umftänben fogar ein im erften Wahlgang gewonnener
Shretg noch immer fein fann.
Nun haben freilich bie liberalen Parteien noch roeniger fefte
©ifce alg bie ©ozialbemofratie. ©ie befinben fich aber bafür auch
nicht in ber Pofttioit einer reoolutionären ^Sartei, bie jeber 3eit
mit ber Wöqlicbfeit einer Koalition aller ihrer ©egner rechnen
mu&. (Sine foldje Koalition roürbe unfehlbar zufammen mit einer
weit ftärferen Wahlbetheiligung eintreten, fobalb bie fozial*
bemofratifche Veroegung einen roirflich bebrobUcben ©barafter an*
nehmen follte. (Sine fchroere Nieberlage ber Partei, ähnlich roie
1887, roäre in biefem Salle ficher. öiir bie ©ozialbemofratie ift
eg aber nicht nur wichtig, eine Koalition ihrer (Gegner zu uer*
hinbern, fie hat in noch höherem Wa&e ein Sntereffe baran, bie
pofitioe linterftüfcung roenigfteg eineg ^hcileö ber bürgerlichen
Parteien bei ben ©tichroahlen zu erhalten, ©iefe Unterftüßung ift
ihr 1898 auch faft überall z u 2 heil geworben. Unter "ben
98 ©tichmahlen, an benen bie ©ozialbemofratie betheiligt war,
biirften nur ganz wenige fein, in benen fie nicht einen Xbeil ber
bürgerlichen ©timmen erhalten hat, unb oon ihren 24 ©iegeu hat
Tie roohl feinen oollftänbig aug eigener Straft erfochten.
Vei ben Wahlen oon 1887 war bie Partei an 18 (Stichwahlen
betheiligt, oon benen fie 5 gewann, 1890 an 57, bie xi)v 15 Wan*
bäte einbrachten; 1893 enbeten oon 83 ©tichroahlen 20 unb 1898,
roie erwähnt, oon 98 ©tichroahlen 24 für fie fiegreid). 5>er Slug*
fall ber ©tichroahlen roirb immer wichtiger für bie ©tärfe ber
parlamentarifdjen Vertretung ber Partei unb bamit roirb fie immer
mehr zu $Rücffid)ten auf bie anberen Parteien gebrängt, bereit ©tid)*
roahlhülfc fie nicht entrathen fann. 2>ie Klagen ihrer rabifalen
Elemente über bie „forrumpirenben Wirfungen ber ©tidfjroablen"
Zeigen, bah fie fich über bie baburd) erreichte Verftärfung ber op*
portuniftifeben ©trömung burchaug flar fmb.
Vefonberg unangenehm ift eg für biefe rabifalen (Elemente,
bafe ber ©ozialbemofratie bei ber biegjährigen Wahl ber Nimbug
ber Unbefiegbarfeit ooUftänbig genommen roorbett ift. ©chon im
erften Wahlgang hat fie 3 ihrer bigherigen SJtanbate, ©trafeburg,
Neicbenbad)—Neurobe unb Wütroeiba, oerloren; 16 ihrer früheren
Wanbate hatte fie in ber ©ticfjroahl Z u oertheibigen, oon benen eg
ihr nur 6 zu behaupten gelang (Verlin III, Vreglau*0ft, Vraun*
fdjroeig, Halle, Seltoro—Veegforo—©barlottenburg, Walbenburg),
roährenb 10 oon biefen Streifen oerloren gingen (Verlin Ilfunb V,
Vranbenburg, 2)ortmunb, §öchft, Stiel, München J, flauen, ©o*
lingen unb (Stettin). Unter ben 13 oerlorenen Wahlfreifen be*
finben fich foldje, bie zum alten Vefifcftanbe ber Partei gehörten
unb 1893 fchon im erften Wahlgang erobert roorben roaren. Sluch
unter ben 21 neu (3 in ber §auptroahl, 18 in ben ©tichroahlen)
eroberten Wahlfreifen ftnb 7 berettg früher (zwei fogar roieberholt)
fozialbemofratifch oertreten geroefen, fobah oottftänbig neu nur
14 Wanbate geroonnen rourben, benen 13 Verlufte gegenüberftehen.
Snggefammt giebt eg 19 Wahlfreife, bie früher einmal fozialbeuto*
fratifch oertreten roaren unb eg jejjt nicht mehr fiitb; auher ben
13 fd;on genannten nod) ^)uigburg (fozialbemofratifch 1807),
Sreiberg (1867, 1874, 1878, 1881), pön-©egeberg (1874),
Cennep* s Utettmann (1867, 1893), Wainz (1890, 1893) unb Vremen
(1890). ileberbaupt einmal fozialbemofratifch oertreten waren fdjon
75 Wahlfreife (19 ü /o atter 397), oon benen bie ©ozialbemofratie
aber J /4 uicht zu behaupten oermocht hat.
5)ie fozialbemofratifche Partei hat eine fReihe burchaug inbu*
ftrieller Wahlfreife oerloren. ©elbft in ben Wittelpunften ihrer Ve*
wegung hat fie fich nicht alg unbefiegbar gezeigt. Sn 120 Wahl*
freifen ift nach $Reumann*§>ofer eine abfolute unb relatioe ,Vcr*
minberung ber fozialbemofratifchen ©timmen eingetreteu. S)ar*
unter befinben fidh 28 Wahlfreife, in benen bie ©ozialbemofratie
fchon mehr alg 20% ber Wähler hinter fich hatte. 50 Wahlfreife
fmb 1898 fogar hinter ber ©timmenzahl oon 1890 zurücfgeblicben.
2)ie Vermehrung ber für bie ©ozialbemofratie inggefammt
abgegebenen ©timmen um 320 000 ift in erfter Öinie auf bie
natürliche Veoölferunggzunahme, bie hauptfächlifh ber Snbuftrie z»
©ute gefommen ift, zuriidfzuführen. SReue größere Vefrutiruugg*
gebiete hat fich bie fozialbemofratifche Slgitation nur in Dftprenfeeu
unb in Dberfdjlefteit erfchloffen. Namentlich über bie oberfchlcfifchen
(Erfolge befehle anfänglich großer Subei; fte finb aber fpäter (in
ber „Neuen 3 6 it") non betn polttifchen ©ozialbentofraten ißloc^ocfi
fel)r oiel fühler beurteilt roorben, inbent er fte roeniger auf bie
Wirfung ber fozialiftifchen ^ßropaganba, alg auf eine momentane
Urifig im oberfchlefifchen (Eentrutn zurüefführt.
Unter biefen Umftänben ift eg nicht oerrounberlid), baff man
trojj beg offiziellen ©iegegjubelg in weiten Streifen ber Partei mit
bem Wahlaugfaü fehr unzufrieben war. Namentlich in Verliit
hatten bie Nieberlagen in ben ©tichroahlen gerabezu nieber*
fchmetternb geroirft. ©g roieberholte fich, nur nod) im bebeutenb
oerftärften Nfafee, bie ©rfcheinung, bie fd^on 1893 nach ^ en Wahlen
heroorgetreten war: 3Nan rourbe ftch immer mehr über ben tliat*
fächlichen Umfang ber fozialbemofratifchen N^acht flar. £ie
nüdjternen Wahlztffetn brachten bie bettfenbeit Stopfe ber Partei
immer mehr oon allen d^iliaftifdjeit Hoffnungen ^urücf.
3ntmer zahlreicher rourben aud& bie ©timmen, toeldje bie ©ozial*
bemofratie oor ber bigher üblichen lleberfchätuing ihrer v Diad)t, oor
einem gefährlichen ©röfeetiroahn warnten, roic er am fdiärfftcn in
ber ©ngelgfdjen Prophezeiung, baf? bie ©ozialbemofratie im Sabre
1898 fiegeu roerbe, zum Slugbrucf gefommen roar.
_ ÜJÜt ber ©rfenntnife, ba& bcr Slugbehnung ber fozialbemo*
fratifd)en Partei ©renzen gefteeft finb, bie in abfehbarer 3eit eine
reoolutionöre Umwälzung oöllig unittöglid) ntadjen, roar uatur*
g emäß eine weitere ©tärfung ber reformerifdjen Nidjtuug oer*
unben, bie anbererfeitg oon ben Vertretern ber frijärfereit Tonart
oielfad) für bett Wnblaugfall ocrantroortlid) gemadtt rourbe.
359
Soziale prariS. C5ciitratOCatt für 3 ogialp olitif. Dr. 14.
360
Wart) beit Deid)StagSroahlcn roanbte fich bie Partei roieberum
ber $ragc ber Vetheiligung an beit preufeifdjen ßanbtagS*
wählen gu. ©er Decf)tSanroalt §eine fafete alle Griinbe für bic
Vetheiligung in einer Vrofdjüre „©ählen ober Dichtroählen" gu*
fammen, bie ooit ber gegnerif<hen Seite heftig befämpft rourbe.
(Sine Ginigfeit rourbe jefet ebenforoenig roie im grühiaht ergidt.
Sluf ^Betreiben oon ßebebour erhärten fi<h bie Sogialbemofraten in
Berlin unb itmgegenb für ©ahlenthaltung, oerftinnnt über beit
Sieg beS greifinnS in ben Deid)StagSftidjroahlen. 3n anberen
Drten roar man theils für, theils gegen bie ©al)l, unb auch über
bie 2lrt ber Vetheiligung (?luffteEung eigener ©ahlmänner ober
birefteS Eintreten für ben Qreifinn) roaren bie Hnfidjten in ben
einzelnen ©ahlfreifeit getljeilt. GS ^errfcfjte eine ooEftänbige Ver*
roirrung in ber Partei, unb eS blieb gulefet bem Stuttgarter Partei*
tag nichts roeiter übrig als einfad) ben einzelnen ©ahlfreifen bie
Gntfcheibung auch formell gu überlaffen, bie fie faftifd) bod) fd)on
an fid) geriffen hatten. 3 lim erften Vtale roar & ber fogialbemo*
fratifdjen Partei bei einer großen unb wichtigen Srage nid)t ge*
hingen, ein einheitliches Vorgehen gu ergielen.
©aneben ging ber Streit über bie tljeoretifchen Grunb*
fäfee ber Partei roeiter. ©ie „Sächfifche Slrbeitergehung" fefete
ben $ampf gegen Vernftein äufeerft hifcig fort, unb ihr fefunbirte
Fräulein l)r. Sofa ßujemburg in ber „ßeipgiger VolfSgeiiung".
Vernftein liefe fnh nicht beirren, fonbern oeröffentlichte in ber
„Deuen 3 c it" einen roeiteren fritifefeen Slrtifel über „baS realiftifche
unb ibeologifche ©oment im SogialiSmuS", ber fich gegen bie
Uebertreibungen unb Giufeitigfeiten in ber ©heorie beS fogenannten
l)iftorifd;en Materialismus roenbet.
Gharafteriftifch für ben ©anbei aEer $tuf<hauungen ift auch
bie oerfefeiebene Veurtheilung, bie Sürft ViSmarcf in ben
Defrologen ber fogialbemofratifdjen SBIätter fanb. ©er „Vorwärts"
erfannte offen bie Vebeutuug ber burch ihn gefchaffenen Arbeiter*
oerftdjerung an unb erhärte, bafe ein biftorifcfeeS Urtfeeil über
ViSmarcf erft nach Sahrsetjnten möglich fein roerbe; bis bahin
fchroanfe fein Gljarafterbilb in ber Gefd)id)te, oon ber Parteien
§afe unb Guuft oerroirrt. ©aburch fanb [i<h ©ehring in ber
„Deuen 3 e it" oeranlafet, ben in ber Sogialbemofratie bisher I
üblichen abfolut feinbfeligen StanbpunFt roicber einmal mit aller \
Gntf<f)iebeuheit gum SluSbrucf gu bringen.
Anfang September h^lt ber Äaifer in 0epnhäufen bie
befannte ©ifdjrebe, bie ber Sogialbemofratie Gelegenheit gab, eine
äufeerft rührige Agitation für baS nach ihrer 2lnfi<ht bebrohte
itoalitionSrecht gu entfallen. Vei aEer fachlichen Schärfe unter*
fdjieb fich biefe Agitation in ihrem ©one hoch fetjr oon ben
Sdjimpfereien, mit benen bie Sogialbemofratie, oorait ber „Vor*
roärtS", 1895 baS ?lnbenfen ber nationalen Ghrentage oon 1870/71
gu oerunglimpfen gefudjt hohe.
Unter biefen Umftänben burfte man mit Stecht auf ben Ver*
lauf beS Stuttgarter Parteitags gefpannt fein.
©ie SSerhanblungen ftanben unter bem Ginbrucf ber beiben
roichtigen ©hatfachen beS ©aljlauSfallS unb ber Depnhäufer
Sfaiferrebe. ©aS ©ahlrefultat fanb auch auf bem Parteitage
roie oorfeer in ber preffe unb in ben Verfammlungen oerfchiebene
Veurtheilung. ©ie Gemäfeigten, Sluer, PeuS, §eine, VoEmar 2 C.,
roaren mit bem Grgebnife relatio gufrieben, ba fie oon oornherein
feine überfdjroenghchen Hoffnungen gehegt hohen. ©ie reoo*
lutionären Elemente, Stabthagen, Vebel, grau 3ethn, Sröulein
ßurentburg u. a. mufeten oon ihrem Stanbpunft aus oon bem
©ahlrefultat äufeerft enttäufd)t fein, unb fie benufeten theilroeife bie
Gelegenheit, bie Scfjulb an bem unbefriebigenben SluSgang ber
reformerifdjen Dichtung aufgubürben. Stamentlich gegen Heine unb
iBernftein rourbeu bie heftigften Singriffe gerichtet.
Sluf ber anbern Seite roaren bie ^Reformer angefidbtS ber
£et)nl)äufer ftaiferrebe in eine fchroierige ßage gerathen, bie ihnen bie
euergif<he Vertretung beS StefonngebanfenS äufeerft erfdjroerte.
©iefe Siebe mufete bie Hoffnung auf bie ©eiterführung ber Sogial*
reform oorläufig als auSfidjtslos cifdjcincn laffen; fie nahm bamit
bem Gegcnfafe groifdjen ber reoolutionären unb ber reformerifchen
Stid)tnng in ber Partei für ben Slugenblicf jebe praftifefee Vebeutung,
ja fie mufete im Gegeutheil angeficfetS ber brohenben Gefahr gur
Ginigfcit nöthigen. ©enn a6er trofebem nur in ber SteEnng*
nähme gegen bie Vebrohung beS 5toalitionSred)tS, gegen bie fich
eine cinflimmig angenommene, übrigens burdjauS auf bem Voben
ber heutigen GefeEfdjaftSorbnung ftehenbe Stefolution roaitbtc, ooEe
Ginmütljigfeit hcrrfd)te, roeuit im llebrigen ber Gegenfafe ber
beiben Strömungen in ber Partei mit bisher Faum bageroefener
Sdiärfe unb perföulidjnn Hoffe gum SluSbrncf fam, fo bcrocift I
baS, roie feht ber 9teformgebanfen an Vobeit geroonnen
haben mufe.
Vor einem näheren Gingehen auf bie Verhanblungen beS
Parteitags finb einige grunbfäfeliche Vemerfungen über bie Ve*
beutung beS GegenfafeeS ber beiben Dichtungen am plafee, ba es
biSroeilen fo bargeftellt roirb, als ob es fich lebiglich um bie
0ragc ber ©ethobe ber Agitation, um bie Örage ber ©afel*
taftif houbele, als ob fich ber gange Gegenfafe in bem Unter*
fchieb einer fchärferen unb einer müberen ©onart crfchöpfe. GS
mufe gugegebett roerben, bafe in ber ©hat für einen ©heil ber
Sogialbemofratie ber gange Gegcnfafc fi<h auf bie Örage ber
Slgitationsmethobe befchränft. 3m SlEgemeinen aber hat ber
Gegenfafe hoch eine roeit tiefere Vebeutuna, bie auch &en
flareren ilöpfen ber Partei burchauS gum Veroufetfein gefommen ift.
Gs hanbelt fich um bie pringipieEe 3frage: „©ie foff bie
fogialbemofratifche Partei ihre gange ©hätigfeit einrichten ? SoE fie
banach trachten, burch immer erneute Agitation bie 3 a ht ih r ^i'
Anhänger immer roeiter gu oermehren, um fo fdjUefelich bie
Majorität beS VolfeS gu gewinnen unb im ©ege ber Deuo*
lution bie politifche ©acht gu erobern, bie fie gur Umgeftaltung
ber gangen GefeEfd)aft bebarf? Dber foE pe ih^ Hauptaufgabe
nicht in ber Slgitation, fonbern in ber praftifchen Politif fu^en,
um ihren fthon oorhanbenen Gin flu fe in jeber ©eife im Sntereffe
unb gur H e ^ un 9 Slrbeiterflaffe auf bem ©ege ber Deformen
gu benufeen?
©er an bie ©öglichfeit eines balbigen Sieges ber Arbeiter*
flaffe glaubt, roirb allen Dachbrud auf bie VluSbehnnng bcr
Agitation unb auf bie rüdffidjtslofe Propaganba ber fogialiftifdjen
Gnbgiele legen, um bic reoolutionäre Groberung ber politifdjen
©ad^t oorgubereiten. ©er bagegen ffeptifdjer über bie 3afunftS*
ausfiefeten beS SogialiSmuS unb über bie DoEe beS Proletariats
als ©entiurgen einer neuen ©eit* unb GefeüfchaftSorbnung benft,
roirb fich prunbfäfelich für bie reformerifche ©aftif entfeheiben.
3ür ihn roirb bie Grlangung praftifdjer Grfolge gur H a uptfad)e;
er roirb fich auf GrreichbareS fongentriren unb auch bie ©ithülfe
auberer Parteien nicht oerfd)mähen. ©a er einfieht, bafe er in ab*
fehbarer 3eit ben Vobeu ber beftehenben Staats* unb GefeEfd)aftS*
l orbnuna nicht oerlaffen fann, fo roirb er fich beroufet auf biefen
Voben (teilen. Gr roirb oon ber blöbeu Degation aEeS Veftehenben
gurüdfommeit, ba fie ihm nur als h°h^ c ©eflamation, als leere
©emonftration unb fomit als nufelofe Verpuffung beS GinfluffeS
ber Slrbeiterflaffe erfcheinen mufe; er roirb gum Paftiren mit ben
gegenwärtigen ftaatlidjen unb gefeEfdjaftUchen Saftoren gebrängt
roerben, b. h- 3« einer Politif, roie fie Voflmar 1891 gang aEae*
mein unb neuerbingS H c i ne Fonfreter Slmoenbung auf bie
©ilitärfrage proflamirt |at. (Sdjlufe folgt.)
Allgemeine Sojial- unb lüirtljf^aft^politih.
©er VertragSbnuh beS GefinbeS«
©ie Hoffnung, bafe bie ßanbeSgefefegebungen fich Solge
beS SnfrafitretenS beS Vürgerlidjen Gefefebud)S oeranlafet feljen
würben, ihre burch baS GitiführungSgefefe gu biefem Giefefebud)
leiber gum gröfeten ©heil aufrecht erhaltenen Gefinbeorbnungen
einer burchgreifenben ?lenberung unter bem GefuhtSpunfte ber
heutigen DedjtSaufchauungen gu untergiehen, hat fich nicht erfüEt.
3n ben roenigften VunbeSftaaten ift baS Gefmberecht gum Geaen*
ftanb einer neuen gefefegeberifchen Vehanblung gemacht roorben,
unb unoergeihlicher Optimismus roäre es, annehmen gu rooEen,
bafe in bem 3al)r/ baS uns noch oon bem Snfrafttreten trennt,
bas Verfäumte roerbe nad)geholt roerben. ©ie wenigen Gefmbe*
gefefee, bie feit Grlafe beS Viirgerlichen GefefebudjS gu Stanbe ge*
fommen finb, fönnen auch befefeeibene fogialpolitifche Slnfprüche
nicht befriebigen, unb ber befte VetoeiS hierfür mag aus ber ©hat*
fache entnommen roerben, bafe unlängft in Hamburg eine Straf*
oorfdjrift bie 3nftimmung ber gefefegebenben Saftoren erlangt hat,
bie ben Vertragsbruch beS GefiubeS mit fcharfen ^reiheitsftrafen
bebroljt. ©ie Dücfftäubigfeit ber hanibnrgifcheu Gefefegebuug bei
aEen mit fogialpolilifchen Gebanfen gufammenhäugenbeu ^fragen
ift ja befanitt genug, unb wer fnh herüber im Unflaten befanb,
mufete burch bie Slufrechterhaltung beS äahlpfänbungSredjtS in
auSreidjenbcm ©afee belehrt roerben. ©ie Veftrafung beS Ver*
tragSbrucfeS beS GefiubeS mit längeren greiheitsftrafen bilbet hierzu
ein nnirbigcS Seitcnftücf!
©ährenb bas inoberne Dedjt bie ftrafrechtlid)e Grgroingung
I ber GrfüEuug eines 9lrbeitS* unb ©ienftoertrageS burdjauS oer*
861
Soziale Bra;ri*. ©entralblatt für Soztalpolitif. Ar. 14.
862
wirft, währen b es ber in bcm Bürgerlichen ©efefcbudh enthaltenen
Anfchauuna burchauS tüiberfpridf)t, bie Erfüllung eines folgen
Beitrags burdfj anbere als cioilred^tlid^c SRittel ^erbcx^ufü^rcn,
wirb auch nach bem beginn beS 20. Sahrhunberts in weitaus
t>ent größten ©heile beS Reichs ber BertragSbrucf} beS ©eftnbeS
ftrafrechtlich oerfolat werben, ja noch wehr, ber polizeiliche 3wang
Zur ©rfüllung wirb auch unter ber ^errfcfjaft beS neuen bürger¬
lichen Utechts oon Seiten beS ©ienftherrn angerufen werben fönnen.
^ontraftirte fchoit bisher baS ©efinberecf)t wit bew bürgerlichen
Siecht, fo wirb bieS oon 1900 an noch ungleich intenfioer ber ?fall
fein. ©S ift bereits oon anberer Seite in biefen Blättern barauf
hingewiefen worben, z» welchen praftifchen fjolgeit bie Aufrecfjt-
haltung ber Sirafbarfeit beS BertragSbruchS beS ©efinbeS führt,
wie inSbefonbere in wandten ©ebieten beS BeicheS ber ©ienftbote,
ber ben ®ienft oerläbt, weil ber ©ienftherr bie ihm burcf) § 618
beS Bürgerlichen ©efefcbuchs auferlegten fjürforgepflichten abficht-
lieh Übertritt, ber Beflrafung oerfällt.*) ©s ift gerabezu unglaublich
unb hoch wahr, bafj bie Borfchriften beS 9teid)SrechtS infoweit
hinter ben lanbeSgefefelichen ©efinbeoorfchriften zurüefftehen müffen;
wenn bie Unhaltbarfeit ber Beftrafung beS BertragSbruchS nid^t
fchon ohnehin als feftftehenb zu betrachten wäre, fo müfcte fte hier¬
aus heraorgehen.
©in Bebürfnife z u & er frimineHen BerfoIguHg beS BertragS¬
bruchS ift auch bezüglich beS ©eftnbeS mit nieten nadjzuweifen;
wenn ßänber wie Öranrreidj unb bie Bereinigten Staaten oon
Amerifa ohne bie ftrafrechtliche Bebrohung beS ©efinbeoertragS-
bruch§ auSfommen, wenn auch in ®eutfdf)Ianb Bundesgebiete be-
ftehen, in benen ber polizeiliche unb ftrafrechtliche ©rfiilliuigSzwang
beS ©efinbeoertragS unbefannt ift, ohne bafe behauptet’ werben
fönnte, bie ©efinbeoerhältniffe feien bort minber befriebigenb als
in ben ©heilen beS Reichs, in benen an ber Beftrafung beS Ber¬
tragSbruchS feftgehalten wirb, fo ift es wahrlich für bie ©efejj-
gebung fein befonbereS Söagnifc, in biefer Beziehung baS ©efinbe-
redfjt mit bcm heutigen ArbeifSrecht in Uebereinftimmung zu
bringen. ©S wäre intereffant, an ber jpanb einer ^uöcrläffigen
6tatiftif bie Sftage zu prüfen, ob im Berbältnifc ber BertragS-
brud) beS ©eftnoeS in ©lfaf$-£othringen häufiger ift als in Alt*
preuften? ©ine folche 6tatiftif bürfte zur 3eit faum oorhanben
fein, bie ©ahrfcheinlichfeit fpricht aber bafür, ba& bie oerneinenbe
Antwort bie richtige wäre.
©S fann bahin geftellt bleiben, ob überhaupt zu irgenb einer
3eit bie Bönalifirung beS ArbeitSoertragSbruchS im Allgemeinen
unb beS ©efinbeoertragSbruchS im Befonberen mit ©rünben ge¬
rechtfertigt werben fonnte, bie auch DOr bem Sorum ber heutigen
Sfritif beftehen fönnen. And) zugegeben, baf; bieS ber $aH ift, fo
fehlt es hoch heute an jeber Berechtigung, bie ©rfüllung eines
AequioalenzoertrageS mit öffentlicher Strafe zu bebroijen, nachbetu
bie SRedhtScntroicfelung bahin geführt hat bie ©rfüllung aller
©üteranStaufchoerträge als Sache beS ©ioilrecf)tS unb ber cioilrecht-
lichen ©jefution zu betrachten, ©er hiftorifdje AuSgangSpmift ber
Beftrafung beS BertragSbruchS war ber Stanbpunft beS älteren
Stedjts, wonach in biefem bie Berlefeung eines ©reuocrhältniffes
unb ber barauS entfpringenben ©ienftgewalt beS Arbeitgebers unb
in Qfolge beffen auch eine Auflehnung gegen bie Cbrigfeit unb bie
ftaatlidje Autorität m erblicfen fei. ©iefer Stanbpunft mochte
immerhin auf bcm Boben einer ©ienftbotenorganifation oertheibigt
werben fönnen, fraft beren ber ©ienftbote bie ©ewipeit befafc, bei
gutem Betragen fein ganzes £eben in bemfelben §aufe zuzubringen
unb bort and) in fchlechten ©agen oerforgt zu werben. So lange
ber BatriarchaliSmuS lebenbige Alraft befaft unb ber ©ienftbote
fich bemgemäft wirflich als mit ber Familie beS ©ienftgeberS feft
oerbunbeneS ©lieb fühlte, fonnte bie Beftrafung beS BertragS-
brucf)3 auch uon benjenigen befürwortet werben, welche einer ein-
feitigen Berücffichtigung ber Sntereffen beS ©ienftgeberS in bem
©efinberecht wiberftrebten. ©ie ehemalige Drganifation ift aber
bahin unb wirb trofc aller ©aloanifincngSoerfuche nicht wieber
auferftehen, bie früheren BorauSfefcungen ber Beftrafung beS ©c-
finbeoertragSbruchS finb bamit beseitigt uitb fo erroe’ift fich bi*
Sortbauer ber Beftrafung auch im neuen Sohrhunbert als eine jener
©inriebtungen, oon welchen Shcrina fo treffenb gefagt hat, bag
ihr le^tcr ©runb nur in bem foziafen llebergewicht zu fuchen ift,
bas eine klaffe oon ^erfonen auf Soften einer anberen klaffe er¬
langt. ©S ift wahrhaftig fein ^Ruhmestitel ber bentfcfjen ©efefe-
gebuug, bafc auch im neuen Sohrhunbert baS pofitioe Bedjt foldje
ileberfdeibfel ber juriftifchen Steinzeit fennt!
Biainz* £ it b w i g 7y n I b.
*) Bgl. oaftrow „-Soziale "prariö", Bb. VI Sp. I2r4 l‘2r,7.
©er zehnte etHmgelifch s foziale fotigfel wirb in Stiel tagen.
Als ©h em ata für biefe Sfongrefeoerfammlung werben in AuSficht
genommen: a) ©ie Stellung ber lutherifdhen Kirche zu ben allge¬
meinen fozialen Aufgaben; Referent Brofeffor Kaftan - Berlin,
b) BBanblungen beS BilbungSibealS in ihrem 3ufammenhange mit
ber fozialen ©ntwicflung; biefeS Beferat foH B^ofeffor Baulfen-
Berlin übernehmen, c) Als eoentuetteS britteS ©h e wa erflärt fich
£anbcSöfonomierath ^obbe bereit, etwa zu behanbeln: ©ie neuefte
©ntwicflung ber Sozialbemofratie. 5ür baS 3ah^ 1900 bleiben
folgenbe ©h^mata näherer Befcblufefaffung oorbehalten: 1. ©ie
©efettfehaftsorbnung nach bem 3ufammenmirfen ihrer materiellen
unb fittlichen Sfaftoren. 2. ©ie SBohuungSfrage. 3. BSelche SRittel
würben zur Befeitigung ber äufeerften fozialen 9fothftänbe erforber-
lich fein? 3u einem Auffafc ber „3Rittheilungen beS eoaugelifch-
fozialen $ongreffeS" erörterte ber Borfifeenbe §>err 9Jobbe bie Auf¬
gaben beS ftongreffeS in folgenben SBorten:
©r will ein hochrageitbeS SBahrzetchen für alle fein, bte ftch barüber
oerflänbigen wollen, wie bem zuneljmenben Abfall weiter BolfSfreifc
oon Siraje unb Staat im eoangelifd^en ©eifte unb Sinne entgegen-
gewirft werben fönne, bic es unferem Bolfe immer wieber ins ©ebädjt-
nifc rufen wollen, bafs es im lebten ©runb bod) bie Äraft eoangelifcher
©cfinnung unb Anfdjauuug gewefen fei, aus ber ber moberne Staat
mit feinen fozialen Bitten unb Aufgaben herauSgewachfen ift/ unb
bie es enblich unterer Äirdje aufs ©ewiffen legen wollen, bafe fic als
Berfünbexln beS ©laubenS an 3ffuä ben ^eilanb auch bie Bflicht habe,
wiber alle ftinberniffe unb Hemmungen biefeS ©laubenS, oor Allem
alfo wiber bie mancherlei fogiale Aotb unb Berwahrlofung ihre Stimme
ZU erheben, ber weite BoIfSfreife auSgefeht ftnb unb bie eine unerträg¬
liche Begleiterfcheinung unfereS mobemen ©rwerbslebens bilbet. Aber
nicht nur bie fozialen Aufgaben ber Sfirdbe unb ihrer Craane will ber
Jfongrefc erörtern; feine AJitglieber, bie ja grofeentheilS werftljätige
2 aien finb, wollen oielmchr alle, bie fittlidje traft unb ©efunbheit
unfereS Bolfes berührenben fozialen ©r|djeinungcn unb 3^itfragen in
ben trets ihrer Befpredjungen ziehen — nur ba& fie bas nic^t im
Sinne irgenb welcher BarteifteUung, fonbem oom StanbpunFte coangeli-
fcher, auf ben ©runbfäjjen ber Aadhftenliebe unb ber fittlichen 33erth s
fdjäpung ber ©inzelperfönlidifeit beruhenbeu ©efinnuug aus tl)un wollen.
^Jarnit entfpridjt ber tongrefj, wie er glaubt unb weih, einem Bebürf-
niffe weiter Bilbungsfreifc unferrs BolfcS unb wirb baber “feine oiel
augefeinbete, aber barum nicht minber bebeutungSootle unb aufflärenbe
2 :hätigfeit, unbeirrt um bie ©unft ober Ungunft ber oberen unb unteren
treife, forlfehen. — 9Sie fönnte er auch anbers? 3ft bod) ber fittlichen
unb fozialen Aoth in unferem Sanbe noch immer übergenug oorhanben
unb ift hoch ber tiefe Spalt, ber burd) baS gefellfdjaftlid)e, firdilidjc
unb inteüeftuelle lieben unfereS Bolfes geljt, bisher weber ausgcfüllt,
nod^ überbrüeft worben!
3fnternotiona(ev foziölftatiftifcher ©tenft ©ie auf bie ©rrichtung
eines internationalen fozialftatijtifchen ©ienftes abzielenben Be-
fhrebitngen hoben befanntlich in ©efterreich einen günftigen Boben
gefunben. BHe bie „Soziale B™fi£" bereits getnelbet hot, fanb
eine hierauf bezügliche SRefolution beS Abgeorbneten Dr. £echer im
AuSgIeid)SauSfd)uffc beS AbgeorbnetenhaufeS, nach einer bem An¬
träge fpmpathifd)eu ©rflärung beS ?)anbelSminifterS Sreiherrit
o. ©ipauli, einfiimmige Annahme. Nunmehr hot auch baS.Blenum
beS §oofeS, obwohl bie Borlagen beS AuSgleid)SauSfchuffeS noch
nicht in Berljanblung gezogen würben, ben Antrag £e<herS (oergl.
„Soziale BrafiS" Sp. 88) einftimmig einem neuen fozialpolitifcheu
Ausfchuffe zur weiteren fachlichen Behanblnng zugewiefen.
StaatSunterftü^nng für bie Brotafttadenoffenfrfjaft ber $of)U
glasperldt-©rzenger in worbböhnten. 3m öfterreichifchen Staats-
ooranfd)lag für 1899 ift unter bem ©itcl „3ur Sörberuug ber
©lasinbuftrie im ©abtonz-©annmalber Bezirf" ein Boftcn oon
12 000 fl. in baS auherorbentlicf)e ©rforbernih eingeftellt unb in
folgenber Söeife begrünbet:
2)te in ber Seit oom 2. bis r>. ^uli 189 H oon ber $anbels- unb
©ewerbefammer in Acicfjenberg abgehaltenc ©nquete über bie Ber-
Ijältniffe ber ©ablonzer Snbuftrie hat als praftifches ©rgebnig bic
©riinbung einer Brobuftiogeuoffenfdjaft ber $>oblglaSperlcn-©rzeugcr bcs?
politifdicu BezirfeS ©ablonz ergeben, ©iefc ©enoffenfdjnft ift berufen,
bem befiebenben Xrucf auf bic Breife unb iföhne in biefer Brandje ent-
gegenzuwirfen fotoie auf bic Qualität ber B?aarcn einen ©inflnf) zu
nehmen unb fonad) in biefem gegenwärtig am härteften betroffenen
Sweigc ber ©ablonzer ^nbnftrie, bei bcm etwa 1 <><h> qualifizirte unb
r>< m> anbere Arbeiter befdjäftigt finb, eine Berbeffcrung ber Vage herbei-
Zuführen, ©a bie ©enoffenfdiaft, bie bereits oou einer Ijeroorragenben
Unternehmung bcs Bczirfes ein zuitädift unoerziuslidies Darlehen oou
1(M)oou fl. erhalten hat, einer AÖrberung and) oon 3eite bes Staates
mi'trbtg ift, würbe in Ausfidjt genommen, ihr eine 2ubocntion zuuädift
für ein 3ahr im Betrage oon 12 um fl., wcldje ungefähr ber r teuer für
bas oon ben Arbeitern biefer Braudie bei ihrer Brabuftiou jährlidi
oerbraudite B^iroleum cutfpridit, zu gewähren.
©oginlc ^raria. ISentralblatt für 3ogialpolttif. Nr. 14.
864
lieber biefe Brobuftiogenoffenfdjaft ßot Dr. SW. oon ©apentßal
in Neichenberg ausführliche Nttttßeilungen in ber „Sozialen ^rcqris"
Soßrg. VIII Nr. 10 unb 11 gemacht.
3tnei richterliche Etttfdjeilmitgett über Arbeiterfragen in <$*g*
lanb; Bcfcßranfstifj beS IbalitionSredfjteS nnb ©tTctfpoftcn. Sei
einem ©ireif in ber Norb*£onboner ©traßenbaßn hatte bie ©ireftion
Arbeiter gemaßregelt, roeil fie Ntitglieber ober Beamte einer ©eroerf*
fc^aft gemefen roaren. ©ie ®ireftion beftritt bieS, ba aber ber
Bertrag bes ©rafjthaftSratßcS mit ber ©efeUfchaft auöbrncftich
unter ©elbftrafe oerbietet, baS KoalitionSretfjt ihrer Arbeiter gu
befdjränfen, nahm ber ©raffcßaftSratl) Anlaß, bie Angelegenheit
bem Corb 3onleS of §ereforb gur fchiebSgeridjtlichen Entfärbung
gu übertragen, tiefer ßot nad) Berßör aller befunben,
baß bie ©traßenbaßngcfellfchaft in fünf SäHen fc^ulbig ift, An*
gefteüte toegen Angeßörigfeit gu einer ©eroerffeßaft entlaffen gu
haben, unb fie oerurtßeilt, für jeben biefer <5äHe bem ©raffcßaftS*
ratß 50 $funb, inSgefanimt 250 ^ßfunb ©elbbuße gu gaßlen.
Eine anberc Entfcßeibung erregt großes Auffehen: ©aS Au«*
[teilen oou ©treifpoften ift nach einem Uriheil beS AppeffqericßtS
in einem beftimmten $alle für ftrafbar erflärt roorben. 3n Bonbon
hatten 1896 bie Arbeiter einer Sabrif für feine £eberroaaren bie
Arbeit eingefteHt. Es mürben ©treifpoften auSgeftellt, roie bie
©treifenben behaupten, „Iebiglidj um Nachrichten gu erhalten ober
mitgutheilen", roaS bie fiebente tlaufcl ber Conspiracy and Pro¬
tection of Property-Act oon 1875 als ertaubt feftfteÜt, roöhrenb
„Beroadjen unb Befeßen eines £>aufeS ober BlaßeS" roährenb eines
Streifes in ber Abficht, einen 3 roaT1 9 auSguüben, unter ©träfe
iteht. ©ie 'girma flagte ge^en ben Beamten beS ©erocrfoereinS
ber Vyeinleberarbeiter unb ergielte jeßt in gmei Snftangen eine Ser*
urtheilung ber Arbeiter. ©ie ©eroerffeßaften meffeit natürlich btefer
Entfdjcibung bie größte Bebeutung bei; fie haben feßon bie bis
jeßt aufgelaufenen ©eridjtsfoften oon 800 Bfunb ©terling getragen
unb molleit nun bie ©ad)e an baS §auS ber £orbS als höchftc
3»ftang bringen, beffen NecßtSfcnnmer oor einigen fahren einen
ben ©eroerffeßaften günftigeren ©pruch gefällt hot.
kommunale Sozialpolitik.
©a$ ftö&tifdje Arbeiterfefretariat in lUuu
AuS Ulm roirb uns gefchrieben: 3n bie Seihe ber noch
uid}t gerabe gabireichen ^ommunaloerroaltungen im ©eutfeßen
Seid), bie gum 3o>etf ber Beratßung ßauptfäcßlicß ber arbeitenben
Mlaffeu auf allen möglichen (Gebieten beS öffentlichen unb Sßrioat*
rechts Einrichtungen getroffen hoben, ift nun auch bie ©tabt Ulm
eingetreten. ?iir baS Arbeiterfefretariat mürbe ein oon §errn Dber*
bürgermeifter Tagner ausgearbeitetes ©tatut aufgeftellt, baS bie
einftimmige Annahme ber ftäbtifeßen BertretungSförper gefunben
hat. 3 ur Begriinbung biefer Einrichtung mürbe aiiSgefüßrt: ©o
jelbftoerftäiiblid) eS auch gu ben pflkßtmäßigen Aufgaben ber ein*
gelueit ftäbtifeben Acmter gehört, bem Bublifum in auen ihr Neffort
betreffenben fragen mit AuSfunft unb Natß an bie £>aitb gu
gehen, fo finb einerfeitS bie Aentter roegen ©efcßäftsüberßäufung
unb ans an bereit EJrünbeit nicht immer in ber Sage, bem hierauf
geridjtcteii Begehr beS BubltfumS auSreichenb gu entfprecheit. An»
bererfeits trägt oft baS Bublifutn eine eigene ©eßeu, fich bei Be*
börbeit Natß gu erholen unb babei alle möglichen prioaten, ßöuS*
lid)eit uub roirthfcßaftlicßen Berßältniffc aufgubeefen. ©agu fommt,
baß bem ^ublifum mcit mehr gebient ift, menn es feine AuSfünfte
bei einer ©teile erlangen fann.: Weiterhin ift eS bie Ausbeutung
beS Sublifums, bas fid) aus pcfmtiärcn Niicfficßten ineift an feinen
redjtsfutibigen Auroalt menben fann, burch fogenannteNecßtSagenten
unb BMnfelaboofaten, toelche bie ©djaffuitg einer oon pefuttiären
vsntereiieit nicht geleiteten, momöglich in ben §aitben ber ©emeiitbe*
ocrmaltuug ruhenbeit Einrichtung gur Beratfjung ber arbeitenben
M laßen crßcifdjt. Eublich unb nicht gmn Bktiigften ift eS an*
gezeigt, für biejenigen eilten treten, melche aus irgenb einem EI runbe
baooit abfeßen, fid) bei Beamten, fei eS ftaatlichen ober fotnmu*
italen, bei NcdjtSfiiitbigcii — ober Agenten Natß gu erholen, toeil
fie biird) berartige Außerachtlaffuug unb Preisgabe ihrer Sntereffcn
oft etnpfinblid)eit ©djabett erleibett. Serben biefe Elrüttbe in
^etradit gegogen, fo ergiebt fid) and) ber ^erfoitcitfreis, für beit
bie ©djaffuug beS ArbciierfefretariatS irtS Auge gu faßen ift.
©as ©tatut gel)t baoon aus, baß bas Arbeiterfefretariat feinen |
3 weif am Steiften burd) ÜBcrbiubung mit bem fchoit im fahret S95
gegriinbeten ftäbtifdjeu Arbeite* unb ^ohunugSuermittelungsaint |
gu erfüllen oermag. ©o mürbe lehterem baS Arbeiterfefretariat
angegliebert unb ber Beamte beS ArbeitS* k. Amts hot bemnadh
auch bie ©efchäfte beS ArbeiterfefretariatS gu beforgen.* ©)ie oielen
Arbeitgeber unb Arbeiter, SBohnuitgSinßaber unb *©uchenben, bie
fich 5 um 3roed! ber SSohuungS* uub ArbeitSoermittelung an baS
Arbeitsamt menben, roerben biefe Elelegenhcit benufcen, um über
irgenb melche fragen fich Sfoth unb Belehrung gu holen.
®ie Aufgabe beS ArbeiterfefretariatS ift nach bem ©tatut:
Sebermann, inSbefonbere Unbemittelten, Arbeitern, ©>ienftboten,
t anbroerfern, §änblern, Unternehmern, Sebienfteten 2 C. Natt) unb
uSfunft gu geroähren, namentlich in ©ad)en ber fogialpolitifchen
©efeßgebung, in ©teuer*, ©chul*, Stilitär*, UnterftiißungS*, SSor*
munbfehafts», Erbfd)aftS* u. bergl. Stagen, foroie auch ©chriftftücfe,
Eingaben 2 c. angufertigen. 3u gmeifelhaften ©atf)en mirb im All*
gemeinen feine AuSfunft unb fein Nath gegeben unb roerben auch
feine ©chriftfäße angefertigt; bagegen bleibt eS bem oernünftigen
Ermeffen beS E)efd)äftSführerS anheimgeftellt, in bagu geeigneten
hätten feine Ntitmirfung nicht gu oerfaaen.
©er £reis ber Aufgaben ift alfo feßr roeit gegogen, menn ins
Auge gefaßt mirb, melden umfangreichen ©toff allein fchon bie
fogialpolitifdjen ©efeße. in fich fchließen. AnbererfeitS erfdjeint bie
3iehung einer beftimmten ©renglinie für baS 33ethätiaungSgebiet beS
ArbeiterfefretariatS feßr gmeefmäßig. ES märe für oen betreffenben
Beamten gerabegu eine Unmöglichfeit, mit ben in ©efeßgebung,
SBermaltung, ^ßrioat* unb öffentlichem Nedjt roeit oergroei^ten ©e*
bieten gleidjermaßen oertraut unb barin heimifd) gu fein. Ein
Arbeiterfefretariat, baS auf allen ©ebieten gleichmäßig gutreffenben
Nath unb AuSfunft erteilen rooHte, müßte mit mehreren auf bem
©ebiete ber ©taatSroiffenfdjaften, beS NecßtS nnb bes ©teuerroefens
gefdjulten unb erfahrenen ^Beamten befeßt fein. 3n biefem roeit*
geßenben Ntaße ließe fid) aber unter ben bermaligen Serhältniffen
mohl foum ein Arbeiterfefretariat oermirflichen.
©amit im 3ufammenhang ift unfereS Erachtens mit oollem
Necßt bie Seftimmung aufgenommen, baß in gmeifelhaften ©adjen
feine AuSfunft unb fein Nath gegeben mirb unb auch feine ©<hrift*
fäße angefertigt roerben. SSirb in betracht gegogen, oon melch oer*
micfelter Natur auch auf bem oben bargelegten ArbeitSfelb Stagen
aller Art finb unb baß eS für benSBeamten bcS ArbeiterfefretariatS
unmögtid) ift, fich mit ber bem berufsmäßig für ein beftimmteS
Arbeitsgebiet eingefdjnlten Sachmann gu ©ebote fteßenben Eingel*
fenntniß in alle gmeifelhaften, bebenflichen Stagen einguarbeiten,
fo ift eS geroiß oerftänblidj, menn bie AuSfuuftSertheilung ihre
©rengen in obiger 5Befchränfung finbet. ©enn lieber feine als
eine nicht gutreffenbe AuSfunft. Um übrigens auch, foroeit möglich,
in groeifelhaften Sragen bem s ^ublifum Nath unb AuSfunft gu geben,
ift beftimmt, baß fich ber Beamte bes ArbeiterfefretariatS mit bem $or*
fißenbcu ber SBerroaltungSfommiffion beS ArbeitS* unb s BohnungS*
oermittelungSamtS unb beS ArbeiterfefretariatS (befteljenb aus einem
afabemifchen Beamten nnb je gmei Arbeitgebern unb *Nehmern) ins
Beneßnien gu feßen hot.
Um roirflich fegeusreich roirfen gu fönnen unb für biejenigen,
für toelche baS Arbeiterfefretariat beftimmt ift, auch jebergeit ohne
Bebenfen gugänglid) gu fein, roirb nur für ©cßriftfäße für bie ©eite
eine ©ebiißr oon 10 /i&, im Uebrigen aber für bie Beratßung unb
tniinblidjc AuSfunft Nichts erhoben, ©ie erfterc ©ebüßr fann
geroiß nicht unbillig gefunben roerben: ©ie fott einmal ein roenn
aueß mäßiges Entgelt für bie burch bie Sättigung eines ©cßrift*
faßeS an fieß gegebene längere Qnanfpruchnaßme beS Arbeiter*
fefretariats unb fobann einen Erfaß für baare Auslagen bilben.
©ie ©ebüßren fließen in bie ©tabtfaffe. ©er Beamte bes Arbeiter*
fefretariats begießt feitenS ber ©efucßfteHer feinerlei ©ebüßren.
©aS Arbeiterfefretariat ift ber Dberaufficßt ber ©emetnbe*
beßörbe (Elemeitiberath) unterfteHt, roäßrenb bie unmittelbare lieber*
roadjung nnb Leitung beS ©efcßäftsbetriebcs ber oorgenannten Ber*
roaltuugSfotnmiffion übertragen ift. Eine Einroirfuna auf bie Art
unb üöeife ber Erlebignng ber eingelnen Elefcßäfte fteßt nur bem
Borfißenben ber Mommiffion, begto. bem ©tabtoorftaub (Dberbüraer*
meifter) gu. ©iefe ©lieberung ber Auffid)t bietet ©eroäßr bafur,
baß fid) bie ©ßätigfeit beS ArbeiterfefretariatS in georbneten
Bahnen beroegt, in groeefmäßiger, gufriebenftcllenber BJeife geführt
roirb unb etroaige Niißftänbe unb Mlagen rafd) ißre Befeitigung
unb Erlebigung finben. 2Beitcrl)in roirb babureß unguläffigen Ein*
flüffen auf bie ©ßätigfeit be^ ArbeiterfefretariatS oon britter ©eite
oon oorußerein bie ©piße abgebrod)en.
©ie ©efd)äftsftunben finb fo eingetßeilt, baß es allen inter*
effirteu .Streifen möglid) ift, irgenb eine 3 ^ ooui ©ag h era o^ s
gufiitbcii, gu rocldjer fie fiel) in ißren Angelegenheiten an baS Ar*
beiterfefretariat menben fönnen. Ts-iir biejenigen, roeld)c in ber
Soziale Brnris. Eentrnlblatt für Sogtalpolitif. 9Jr. 14.
865
866
B3oche feine 3«* ober Gelegenheit haben, ift eine GefchäftSftunbe
am Sonntag eröffnet.
$ie fämmtlichen Koften beS HrbeiterfefretariatS roerben ab¬
züglich ber oben genannten (Sinnahmen oon ber Stabtfaffe getragen,
unb bieS mit SRedjt. 3n BHrflichfeit hanbelt eS ftch nur um gang
unbebeutenbe Ausgaben, welche bie Errichtung unb Xhätigfeit beS
RrbeiterfefretariatS oerurfachen roirb; fobann fommt biefe Ein«
richtung fogialpolitifcher Ratur einem erheblichen Bruchteil ber
Einroohnerf^afi ber Stabt (ben öfonomifch am roeniaften fieiftungS*
fähigen) roieber zugute. 2)ie Ueberroeifung ber Sofien auf bie
Staotfaffe erfcheint aber auch beShalb berechtigt, weil bie Ein¬
richtung nur bann ihren 3roecf erfüllen fann, wenn fte für ben
Rath unb HuSfunft Begehrenben, foroeit möglich, (einerlei Koften
oerurfacht.
$aS Slrbeiterfcfretariat hat mit betn 1. Januar 1899 feine
^hätigfeit aufgenommen. &ir roerben oielleicht fpäter Hnlafc
haben, auf feine Jnanfpruchnahme oon Seiten beS PublifumS,
bie Hrt unb ben Umfang ber ©efdjäfte unb auf feine ßeiftungen
unb Erfolge gu fprechen gu fommen.
Konferenz fogtalbemofratifdjer Gemeinbeoertretcr ber Prooing
©ranbenfmrg. 91m 27. £>egember einigten ruh in Berlin bie fogial*
bemofratifchen Gemeinbeuertreter ber Prooing Branbenburg —
46 roaren gugegen — über ein gemeittfatneS Komntunalroablpro*
gramm, baS im SSefentlichem bem berliner Programm (oergl.
m. 11, Sp. 277) entfpricht. Unter ben Schulfragen rourbe baS
Verbot jeber Erroerbsthätigfcit fchulpflichtiger Kittber fcharf in ben
Borbergrunb gefteÜt, bei ber Hrbeiterfiirforge fehlte bie 2forberung
ber Penfion roie ber §interbliebenenoerforgung nicht.
Gemeinbliche Sogialpolitif in granffntt i, 9t HuS ber SRebe,
mit ber jiingft in einer Stabtoerorbnetenfipung Dberbürgermeifter
HbicfeS ben 1899 er StabthauShalt oorlegte, erfehen bie Snhänger
ber fommuxtalen Sogialreform mit Genugtuung, bafj ber Jranf*
furter SRagiftrat entfchloffen ift, auch im neuen Sahre ben fogialen
Reformen innerhalb beS Gebietes ber Gemeinbeoerroaltung fein
Hugenmerf guguroenben. &ec SDberbürgemteifter führte nach ber
„Öranffurter 3ütung" aus, bafs bie Gemeinden in fokaler gur«
forge oiel Ieiften fönnen, namentlich roenn ber S t a a t feine fo¬
gialen Pflichten nicht fo erfüllt, roie es roünfchenSroerth roäre.
Gerabe bie Greife, bie in biefer Richtung ein SRehr oom Staate
forbern, foHten, foroeit fte EinfTufc in ber Gemeinbe haben, barauf
hinroirfen, bafe bie fommitnale fogialpoliüfche Jürforge gesteigert
roerben fann. $>er Dberbürgermeifter gog als Beifpiel geeigneter
BethätigungSfelber bie BSohnungSpolitif, bie 3?ür[orge für bie
ftäbtifcfjen Arbeiter unb bie Unterftüpung ber gemeinnützigen unb
fogialreformatorifchen Bereine heran.
Penfion für ftäbtifche Arbeiter in Karlsruhe. 2lm 21. Negern*
ber hat bie Karlsruher Stabtoerroaltung befcploffen (oergl. Rr. 9
Sp. 222), ben ftäbtifchen Arbeitern nach zehnjähriger ununter¬
brochener Befdjäfügung Hnfprucp auf bauernbe Hnftellung unb
Ruhegehalt gu oerleihen, &ie jährliche SRehrbelaftung beS Stabt«
hauSpalteS pierburch roirb einftrocilen auf burdjfcfjnittlich 25000 J(,
• angenommen.
JUbettetberaeguttg.
Eine GeroerffchaftSgrnnbttng in $atnbnrg; Konfnm-, Ban- nnb
Sparoerein „Probnftfa".
Rach ^jähriger Borberatpung haben bie Borftänbe unb
T)elegirten ber Geroerffchaften oon |>amburg*2lItona unb
Bäanbsbecf in mehreren Berfamntlungen, bie unter bem Borfip
beS ReicpStagSabgeorbneten o. Elm ftattfanbeu, eine Refolution
angenommen, in ber fie fiep mit ber Grünbung eines Konfum-,
Bau* unb SparoereinS einoerftanben erflärten, zu Gunften beS
ProjeftS eine eifrige Agitation in ben Geroerffchaften empfahlen
unb bie burch bie erfte Propaganba erroaepfenben Koften auf bie
GeroerffcpaftSfarteHe übernahmen.
3roecf beS Unternehmens, bei bem möglichft frühzeitig auf
Eigenprobuftion gefehen roerben foll, ift nach bem Statut:
1 . probuftion, Bearbeitung nnb gcmetufdjaftlidjcr Einfauf non
Gebens« unb Gcnufnnittelu u. f. ro. für £musrotrtl)fcbaft unb Gctuerbe
Zum ?lblan an bie 9??itglicbcr gegen Baarjablung.
2 . Errichtung unb Betrieb non Berfehrs* unb .ftanbels «Unter«
uehmungen unb einer Spar taffe.
8 . SlbicfjluB non Berträgeu mit Geinerbctreibeuben unb ftnuficutett
Ztnects Erlangung eines Rabatts für ben Berein, mie bav ja bei allen
Aionfumoeretnen llfns ift.
4. Errichtung unb Betrieb eines BereinS* unb EefeUfchaftShaufcs
unb einer Eentralberberge.
5. Errichtung, Erroerb unb Berroaltung gefunber, preiSroürbiger
3Sol)nungen, foroie Erroerb unb Berroaltung non ©runb unb Soben
ju biefent 3a>ecf, roie ju lanbroirthfehaftlichem Betriebe, Bttetfjung non
SBohnungen behufs SBiebernermiethung unb fßacht oon 2anb jroeefs
Beroirthfchaftung.
3)ie §öhe ber GenoffenfchaftSantheile ift auf 30 c //( feftgefept,
bie in wöchentlichen Raten roäf>renb eines 3^itraumeS oon brei 3af)«n
eingezahlt roerben biirfen. — 2luS Hamburg roirb uns baju ge«
fchrieben: „Diefer Befchlub ift nicht ber erfte Berfuch, bie h.am«
burgifchen Geroerffchaften gu nupbringenber Xhätigfeit auf roirth«
fchaftlichem Gebiete gu oeranlaffen, bodh lag es bisher im 3ntereffe
ber fosia!bemofratif(f)en Parteileitung, ben Begebungen, pofttioe
Refultate auf bem Boben ber fapitaliftifchen GefellfchaftSorbitung
ZU fchaffen, im füllen entgegenzuroirfen unb Anläufe z« r Bilbung
oon Probufüogenoffenfdjaften im Keime ga erftidfen. Rach
geringen, in ben Berfammlungen erhobenen Söiberfpruch gu ur«
theilen, ber ftch auch nicht in prinzipieller 2Seifc äußerte, fonbern
ein langfames, oorfichtigeS Borgehen unter Anlehnung an ben
Konfumoerein oon 1856, bem zahlreiche SRitglieber ber fogialbemo-
fratifchen Partei angehören, anempfahl, fcheint jept eine anbere Rn«
fcfjauungSroeife Boben gu getoinnen, bie einen Rücfhalt an ben
großen Erfolgen ber englifcpen Genoffenfchaften finbet, oon benen
ein Parteimitglieb mit unoerhohlenetn EnthitTtaSmuS fprach- s Birb
baher ber Einflnfj oon Geroerffchaftsführern, bie gleichzeitig eine
angefehene Stellung in ber fogialbemofratifchen Partei haben, gu
Gunften ber Grünbung ber „Probuftion" in bie Söaage geworfen,
fo fann fein 3 roe if c l an bem Gelingen beS Unternehmens auf«
fommen, bem Gelbmittel in hia^ichenbem Rtape gur Berfügung
ftehen, fei es burch 3 c i^ nun 9 oon ^ntheilen feitenS ber roof)l s
habenberen Arbeiter Hamburgs, fei eS burch Borfchufj oon Kapitalien
feitenS einiger reichen Genoffen, bie ftch einen Einfluß auf bie
fachliche ßeitung ber Gefchäfte ftchern wollen." — BemerfenSroerth
bleibt eS inbeffen, mit welcher Schärfe baS fogialbemofraüfche
Parteiorgan in Hamburg bie neue Grünbung oon ber Partei fort«
weift. 2>aS „Echo" fchreibt nämlich:
Bon einer neuen „fogialbemofratifchen Olntnbung" rotffen htefige
Blätter gu berichten. Es hanbelt ftth habet um ein GrimbungSprojeft
einer 9lngahl üieroerffchaftsmitgliebcr, bie einen Konfunt», Spar* unb
Bauoereiu „Probuttion" ins 2eben rufen wollen. $5ie Sogialbemo«
fratie hat felbftoerftänblich mit biefer Grünbung nicht bas Biiubefte gu
thun, was wir oon oomheretti fonftatiren wollen, um einer 2cgenben«
bilbung oorgubeugen. S)ie Grünbung oon Spar* unb Kottfumoeretnen
fann unb roirb niemals als bie Hufgabe ber Sogialbemofratic betrachtet
roerben, fonbern mufj S)enjenigen itberlaffen bleiben, bie ba glauben,
mit folgen Grünbungen bie ^atereffen ber Hrbeiter forbern gu fönueu.
^ie Sogialbemofraüe hat alfo, roie gejagt, mit ber geplanten Grünbung
gar nichts gu tl)un.
$>afe ber Bater beS planes, §err o. Elm, fogialbemofratifcher
Reich^tagSabgeorbneter ift, haben roir fchon bemerft. Er pläbirte
in feinem Referate mit großer Söärme für bie roirthfchaftliche
Selbftl)ülfe neben ber Staatshülfe. (3ür bie Errichtung einer
Konfutngenoffenfchaft hat fid>, roie bie „J5teie Preffe" mittheilt,
auch hie GeroerffdhaftSfommiffion oon Elberfelb-Barmen prin«
gipiell erflärt.) 2)ie alten Gegenfäpe groifchen Geroerffchaft unb
Partei regen ftch roieber!
2>te £ohnbetoegmtg unter ben fKtebent in Krcfelb hat oon
Steuern einen bebrohlichen Eharafter angenommen. SBährenb in
ben Stoffroebereien eine oorläufige Ruhe eingetreten ift uttb bie
eingefepte gemixte Kommiffion bie Grunblage für eine bauernbe
Bereinbarung groifchen ben ^abrifanten unb Arbeitern oorgubereiten
fucht, ift in ber Sammetbranche ein ßohnfampf ausgebrochen,
ber eine größere HuSbehnung angunehmen broht. ©ie Sammet«
fabrifanten haben auf SBunfch ber Arbeiter eine gemeinfame Sohn*
lifte unb eine für ben Arbeiter erfennbare Trennung ber Ber*
gütung für Borbereitungsarbeiten (Hnbrehen :c.) oon ben 32ebe*
föhnen aufgefept, bie am 15. Januar eingeführt roerben foll. Sie
behaupten, bamit eine Erhöhung ber Söhne $u gewähren. S£)ie
Arbeiter befchroerett fich aber barüber, ba§ in biefer £obnliftc neue
Grunblöhne eingeführt feien, bie fich burchroeg niebriger {teilten
als bie alten öohnfäpe, unb bafc ber Ausfall auch nicht burch hie
befonbere Bcrgiitung für Borbereitungsarbeiten auSgcglicfieu roerbe.
§öchftenS als Rtinimal-Sohnlifte fömtte bie neue Vohnlifte atter«
fannt roerben. ^a bie fabrifanten an ihrer Öifte fefthalten, haben
bie Arbeiter in gehn Jyabrifeit geftinbigt, bie in brei weiteren Be¬
trieben folgen wollen, fobaft am 15. Januar ein allgemeiner HuS#
ftanb erfolgt. ®ie Krefelber Ortsgruppe bcs 1500 Ptitglicber gäh*
Ienbett Rieberrheinifd)en BcrbanbeS djriftlicfjor Textilarbeiter hat in
mi
©ogiale t'rari*. (Scntralblaü für ©ogialpulitif. Ar. 14.
3^s
einer Skrfamtnluttg oom 30. Tegember eine SRefoIutioit angenommen,
in ber eS Reifet: 1. Tie ©ammetroeber beS Sheberrbeinifcbeit Ser*
banbeS cbriftlicber Textilarbeiter roünfcfjen feinen AuSftanb. 2. ©ie
fönnen aber and) bie neue öobttlifte, roie fte jeftt oorliegt, nid(jt an*
nehmen. 3. Tie ©ammetmeber beantragen, ba& etne gentifd)te
Kontntiffton in ber ©ammetbrandje gebilbet roerbe ttad) Art ber ge*
mifebten Kommtffion in ber ©toffbranebe, roclcbe eine Prüfung ber
neuen fioljnlifte oontebmen fotte. Tiefe Sefolution mürbe foroobl
ber ftäbtifeben Kommiffioit als auch beit gabrifanten überreicht.
Söäbrettb ftd) aber bie orgaitifirten d)riftlid)en Textilarbeiter gu einer
frieblidjen Beilegung beS ©treiteS bereit erflären, ffeinen baS Kre*
felber ©eroerffd)aftSfartett unb ber beulfcfje Tcxtilarbciter*Serbanb,
Filiale Krcfelb, foroie ber nieberrbeinifd)e Söeberoerbanb, giliale
Krefelb, es auf eine Kraftprobe anfommett Iaffen gu rootten. Tar*
auf beutet etn oom 30. Tegember batirter „Aufruf an alle Arbeiter
unb Arbeiterinnen Tcutfd)lanbS" I)in, in beut mitgeibeilt roirb, bafe
bie ©ammetroeber einen noef) bartnäefigeren Kampf burebgn festen
hätten als bie ©toffroeber, bafe bereite 500 ftreifteit unb ba& es in
einigen Tagen 2000—2500 fein mürben. (Ss roirb um Unter*
ftüfcung gebeten, ba bie eigenen Kräfte burd) bie oorbergegangenen
Kämpfe erfeböpft feien. — 3ft bteS ber Satt, bann märe eS boeb
roabrlicb am Sta&e, einen frieblicben AuSgleid) gu erftreben, anftatt
mit mtgulän glichen Mitteln einen AuSftanb gu beginnen, beffett
(Sttbe faum groeifelbaft fein fann. Tie fogiale Komntiffion, bereit
SHrfcn fict) bei beut ©treit in ber ©toffbranebe fo erfolgreich er*
roiefen bat, roirb geroifc aud) eine beiberfeitige Vereinbarung über
bie Sobnlifte erroirfen fönnen.
Sou ber Vergarbeittrbctoegnng. Ter Telegirtentag ber Serg*
arbeiter beS u!)rreoierS bat nach einer Sefanntmadjung bes
alten 33erg* unb £>üttenarbeiter*VerbanbeS nicht oor Söeibnacbten
ftattfinben fönnen unb bat nunmehr gu Neujahr in Socbuttt getagt.
Tie TageSorbnung lautete: 1. Unfere ßobnforberang unb bie Ant*
roort ber VergroerfSbefifcer, 2. ber innere Ausbau bcS VerbanbeS.
Tie Serfamutluttg roar oon 113 Telegirtett befebieft. Ter Vor*
fifceitbe tbeilte mit, ba& oon ben 3e£bcnoerroaltungen auch nicht eine
eiitgige auf bie Arbeiterforbcrungen geautroortet habe. Tiefe ftitt*
ftbroeigenbe Ablebnung, in ber eine 9?id)tad)tiing ber Arbeiter er*
blieft mürbe, rief eine tiefe Verftiminnng beroor. Tro^bem erflärte
ber Referent, £nie*©elfeitfird)en, unter beit gegenroärtigen Verhält*
niffett fei an einen AuSftanb nicht gu benfen; ber Vorftanb beS
VerbanbcS ratbe gattg entfd)iebeit baoon ab. (Sine einftimntig an*
genommene Vefolulion roenbet fich in fdjärfften TBorteu gegen bie
©rubenbefiper: ©otttcit in ber Solge Tiffercngett groifdjen Kapital unb
Arbeit itn Vcrgbau entfteben, bann fei bas Kapital ocrantioortlicb für
alle ©ebäben, bie nach ber ^Richtung bin ber beutfdjen VolfSioirtbfdjaft
gugefitgt roerbett. — Vegüglid) beS inneren Ausbaues bcS VerbaubeS,
ber ie(jt 25 000 Vtitglieber gäblen foll, rourbe eine Vcfdjluftfaffung
oerftboben. — lieber bie gu Vkibnacbten abgebaltetten Kongreffe
ber frangöfifeben unb belgifcbett Vergarbeiter liegen uns noch
feine erfdjöpfenben Verübte oor. Ter frangöftfdfje Kongreß, ber in
ber Arbeitsbörfe oon ©t. (Stiemte tagte unb bettt auch bie ^ar*
IamentSabgeorbneten Vaslt) unb £amenbie beiroobnten, erneuerte
bie früheren gorberungen auf Einführung ber Acbtftunbenfdpcbt
((Sin* unb Auffahrt einbegriffen) unb auf SReoifton bes (^efefee^
über bie ©rubeninfpeftion bureb Telegirte ber Arbeiter. — Ter
belgifcbe Kongreß in (Sbarleroi, ber ftcb als eine 5ortfe(jung bc§
Anfang Dftobcr o. Q. in Sramerie^ abgebaltetten ebarafterifirte,
bat xu ©atttmlungen aufgeforbert, ba roegen Serroeigerung ber
geforderten Sobnerböbung feitenS ber Koblengrubenoerroaltungen
ntöglicberroeife ein allgemeiner AuSftanb beoorftebe.
Tctttfdier SRetattarbeitemrbanb» Ter nädjfte Tag be£ grofeen
beutfdben s DtetalIarbciteroerbanbe^ roirb ficb roieber mit ber (Sin*
fübruug ber Arbeüslof eitunterftübung gu befaffett haben, ©ie
biirfte diesmal befcbloffen toerben, ba in "ber lebten 3eit innerhalb
be£ Serbanbeö eine rege Agitation für biefe Unterftiibungäform
entroicfelt toorben ift unb |id) eine SWeibe größerer Gruppen be0
Scrbaubc^, u. A. bie berliner, für bie (Siitfiibrnng erflärt haben.
— Tie Weroerffcbaftcn finb iteuerbittgS überhaupt beftrebt, burd)
Ausbau beö ilnterftübungöioefen^ ihren Erganifationeit mehr
'IBcrbefraft uitb iseftigfeit gu geben.
Ter (£etitraltierbanb ber $attbel8*, Transport- unb SerfebrS*
arbeiter Tentfiblaabd, ber trofe feines faum groeijäbrigen SeftebcnS
bereits gegen GOOO gablenbe icitglieber aufroeifen foll, bat gu
SBeibnacbten in .Staffel feine Oieneraloerfammlimg abgebalteit, bie
oon 3(5 Telegirten aus 33 Orten befmbt roar. (Ss gehören beut
Serbanbe an 2051 Mausbiener unb $acfer, 4200 Kutfd)cr, 1 22S
Kohlenfpebitiousarbciter, 328 SüiöbcltranSportarbeiter, 83 Serfebrs*
angeftellte unb 162 Sierfabrer. Ter höchfte Sohn, ber gegablt
roirb, ift 36 , //, ber niebrigfte 10 J(, pro SBocbe. Tie Arbeite*
geit ift meift lang, bis 18 ©tunben. 35on neun ©treifS rourben
fed)S geroonnett, brei oerloren. Tie ArbeitSlofenunter»
ft üfeung bat ficb gut beroäbrt, ebenfo ber SRecbtefcbufc. 3 U Aftern
fott entroeber in SBerlin ober Seipgig ein dinigungSfongrefj gur 33er*
einigung ber (Sentraliften unb Öofaliften ftattfinben. ©ib beS
(Sentraloorftanbe« ift 33erlitt.
Särferberoertung in Serlim Tie berliner Säcfergefeilen haben
befanntlid) befdjloffen, nach bem Seifpiel ber Hamburger Sädferei*
arbeiter mit folgenben Sforberungen an bie SJletfter berangutreten:
„1. Abfcbaffung oon Koft unb 2ogiS tut .fraufe beS 3)ieifterS;
a) hierfür eine (Sntfdiäbigitng pro 3)?ann unb Sodje oon 12 .//;
b) SDfinimallolm oott 21 .✓/; Segaljlitug oon gcfetiltdien Ueberftunben
a f>0 4. 2. ©trifte Turdjfühnntg ber Sunbesrathsuerorbnungeit, be*
treffenb bie Arbeitögeit. 3. Regelung bes Arbeitenachroeties auf uupar*
teiifher Glrunblagc. 4. Gteroäbrung je eines freien Tages an bett bret
holjen Afften."
Tabei fott itt erfter Öinie bie Abfcbaffung oon Koft unbßogis,
foroie (Srridjtuttg eines unparteiifd)en ArbeitSnacbroeifeS betont
roerbett. 3 ur Üeberrcid^ung biefer 5o r ^ cr n n 9 en an bie ttfieiftcr
ftnb bie ©efettenauSfd)üf}e ber beibett ^Berliner Säcfer * Snnungen
„(Germania" uttb „Konforbia" beauftragt roorben. Tie ©efellen*
auSfcbüffe haben in einer gemeinfcbaftlicben ©ifeuna befcbloffen,
gleich nach Neujahr mit ben Sorberungen an bie ttJfeifter heran*
gntreteu unb mit ihnen gu oerbanbeltt. Qngroifcben haben bie ©e*
hülfen KontrottburcauS errichtet, in betten oorläufig ©treiffonbs*
Beiträge gefammelt toerben. Anfdieittenb finb bie 9Reifter nicht
bereit, bie ^orberung ber Abfcbaffung oon Koft unb ©obnung
bet ben Stöeiftern gu berotfligen, bagegen fotten fte ftcb in bett
anberen fünften entaegenfontmenb oerbalten. ©o fotten g. 33.
beibe Innungen ein Kotnite in ber ArbeitSnadhroeiSfrage nieber*
gefegt haben. Um ber Ausbeutung ber ©efetten bur^ prtoite
ArbeitSoermittler oorgubeugen, fott oon inttuitgSroegen noch eine
3abt roeiterer „©pred)ämter" neben ben beiben bereite beftebenben
errichtet unb jeber 3nnungSmeifter oerpflichtet toerben, nur aus
folgen ©predjämtertt ©efetten gu entnehmen. Tie Olefetten fotten
auf biefe Arbeiteitacbroeife burdj bie ®efettenauSfd)üffe dinflufe baBett.
$ür ihre §auptforberung machen bie ©efetten befonberS geltenb, ba&
baS Koft* unb VogiSroefen bie ©efetten gur ©belafigfeit oerurtbeile.
Ter AuSftanb ber Steifer ^attblnngSgebäifett ift nodh nicht
beigelegt, unb noch ift nicht 3U erlernten, auf melier ©eite ber
befinitioe ©ieg bleiben roirb. Anfcbeinenb roirb er mit 3ageftänb*
niffen auf beibett ©eiten enbigen. Tie AuSftänbigen bürften
übrigens auch an 3abl launt mehr gugenomuten haben. Tie
©tretfleitung gibt ficb icboch alle erbenflichen SÜhiben, bie Unter*
nebtner aus Der ftummett Sßaffioität berauSgutreiben. ©ie hält
ficb in ber ArbeitSbörfe ftänbig gur TiSpofition, fenbet ferner
Telegatiotteit nach ben Totnigilen ber Unternehmer unb oeratt*
ftaltet in oerfebiebenen ©tabttbeilen öffentliche 9?erfammluttgeu, gu
beneit fte bie Unternehmer auSbriicflidj) einlabet. Auf biefe SBeife
rourben bis jefet über 100 ©efehäfte iitbioibuctt geioottttett. 3»
einer pringipietteit AuSfprad)e ber ©cfammtbeit ber Unternehmer
ift eS jebod) noch nicht gefomtneit. 23enterfeiiStocrtb ift, ba& bie
Korporation ber ©ebülfctt, toelcbe bie 33eroeguttg in £)äitbcn hält,
nunmehr bett Keinen ©efdjäften ibre Unterftübung gegen bie fort*
roäbrenb gunebmenbe AuSbebtiuttg ber gtoei ober Drei gro&cit
Zimten oerfpriebt, bie mit ihrem Silialfpftem bie gattge brauche
att ficb gu reifen brobert.
Ärbrtterfd)«^
©ine antbentifdje Interpretation ber jüngften 3i^(itiPerorb*
nnng finben roir in ber foeben erfcbienenett 15. Auflage ber bc*
fannten, bureb 23ott)täubigleit, ^rägiftoit unb Klarheit auSgegeicb*
uetcit Ausgabe ber ©eroerbeorbnung oott Dr. 3Mbeltni, 0)el)eimem
£berrcgierungSratb im SReidjSamt bes Innern. Ta biefe ÜSunbcS*
ratbSoerorbnung oerfebiebene Auffaffuttgen gefunbeu bat (ogl.
©p. 116 nnb 255 ber „©ogialett ^raxiS"), fo tbetlen roir biefen
als mahgebcub gu betraebtenben Kommentar hier im Wortlaute mit:
(Si'laffcn auf (»Inutb beS ij. 139a ber Gleioerbcorbnimg treten bie
uerftebciiöeii 'Beirimiiiungen oom l.gattuar 1^99 ab au bie ©teile ber
bisher gcltcubcn 'Befauntmadumg ootn 27. April lf^ (AcidjS^efe^blatt
©. 14 s).
Tie Amoeubbarfeit ber ^onriirnten auf bie (Sbauiottcfabrifen ift
mtmucbr au^briidlidj au^gcfprocljcii.
3G9
Soziale prari*. ©cutralblatt für Sozialpolitik Ar. 14.
370
3m Uebrigen haben bie Diö^ertgcn Beftimmungcn in folgcnbcn
fünften Berf djärf ungen erfahren:
1. Unter bie für Arbeiterinnen uitb gugeublicße oerboteneu Arbeiten
finb neu aufgenommeu bie ©ewinnung unb ber Transport bes ehtge*
fumpften Lehms, fowie ber Transport geformter (and; getrodneter unb
gebrannter) Steine, foweit bie (Steine in Sd)iebfarreu ober ähnlichen
Transportmitteln beförbert werben unb hierbei ein feftgelegteS ©leis
ober eine barte ebene gaßrbaßn nid^t benufet wirb. ferner ift für bie
golge bei ber §anbfornterei ber Steine mit Ausnahme oon Tacßziegelit
(Tadjpfaniten) unb oon BimSfanbfteinen (Sdjwemmftcinen) nicht nur
bie Berwenbung oon Arbeiterinnen, fonberu aud) biejenige oon gugenb*
lieben unterlagt.
2. Ten Kampagneziegeleicn ift in 3ufunft ebenfo toie ben gabrifett
oerboten, Beginn unb ©nbe ber täglichen Arbeitzeit unb ber Raufen
ohne oorberige Anzeige bei ber OrtSpoIizeibeßörbe abjuänbem. $n
golge beffen ift bie in 3iffer IH 2 ber bisherigen Beftimmuugen oor*
gefeßriebene Tabelle, in welcße ber Arbeitgeber bie ohne oorberige An¬
zeige bei ber Beßorbe oorgenotnmenen Aeubcrungen ber regelmäßigen
Arbeitszeit einzutragen hatte, in SBegfall gefontmen unb es bebält fo*
nach fein Bewenben bei ben im §. 188 Abfaß 2 ber ©ewerbeorbnung
oorgefdjrieberten Angaben über Beginn unb ©nbe ber Arbeitszeit unb
ber Raufen ber jugenblicßen Arbeiter.
3. Tem größten Tßeil ber Kampagneziegeleien ift bie ißnen bisher
gewährte Befugniß zur Befcßäftigung oon Arbeiterinnen unb gugenb*
ließen auf bie Toner oon 12 Stunben täglicß unb 66 Stunben inner*
halb einer Söocße entzogen, inbem bie loeitauS iibenoiegenbe 3aßl ber
Kampagneziegeleien Arbeiterinnen über bie gefeßließ Arbeits*
Zeit ßinauS überhaupt nicht meßr, gugenblirße aber nur eine Stunbe
länger als bie gefeßlitfj gnlaffige Arbeitszeit befcßäftigen barf.
©rjeißterungeit enthalten bie neuen Beftimmungen nur in
folgenbet .frinfießt:
J. Bon bem Berbot ber Berwenbmtg oon Arbeiterinnen unb
gugenblidjen zu Arbeiten in ben Ccfcn unb zum Befeuern ber Cefen
ift baS Süden unb ©ntleeren ber in einzelnen ©egenben beS BeidjS
oorfontmenben oben offenen Scßmaudjöfen ausgenommen worben, weil
bei biefen Cefen nidjt wie bei anberen Cefett eine ©efäßrbung ber ©e*
funbheit bureß übermäßige £uße zu befürchten ift.
2. Tie wöcßentlicße £>öcßftarbeitszeit für bie gelbbränbe unb bie*
jenigen 3i c 0 e l e im, bie als ftänbige Anlage nur einen Ofen beftßert, be*
trägt, ba bie* bie Befcßäftigung oon Arbeiterinnen unb gugenblidjen
auf bie Tauer oon 12 Stunben mit Ausnahme ber Sonnabenbe unb
Borabenbe oon gefttagen zugeiaffen ift, ftatt bisher 66, nunmehr
70 Stunben.
AOgefcben oon ber geringen 3 a ßl biefer Betriebe fommt hierbei
jeboeß in Betracßt, baß biefelben wegen ber ©infliiffe ber Witterung bie
Arbeitszeit häufig nießt auSnüßen tonnen.
Konferenz ber ©etoerbeaufftcßiSbeaintfn in BreSltn. Am
23. Dezember fanb, wie alljährlich, eine Konferenz ber ©ewerbe*
auffießtsbeamten beS SRegierungSbezirfS Breslau ftatt, toelcßer ber
SRegierungSpräfibent Dr. o. £>et)bebranb unb ber ßafa beirooßnte. ©er
SRegierungSpräfibent wies barauf ßin, toie bas feßwierige Amt
eines ©ewerbeauffießtsbeamten ganz Befonberen Taft erforbere,
wenn es zu einem für Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gleich fegenS*
reießen BHrfeit werben fode, unb roie es nießt bie Aufgabe ber
Beamten fei, bie gewerbliche Tßätigfeit zu erfeßweren, fonbern bureß
Umficßt unb richtiges Berftänbniß in ber §anbßabung ber geltenben
Beftimmungen fieß eine BertrauenSftellung in gleicher Seife bei
Arbeitgebern wie bei Arbeitnehmern zu feßaffen. ©ie Konferenzen
feien etn wichtiges Mittel, um bie forrefte unb gleichmäßige |>anb*
ßabung ber Beftimmungen ber ©ewerbeorbnung z u forbern, ben
Beamten neue ©cfid)tspunfte zu eröffnen unb fie oor Anforberungen
an bie ©ewerbetreibenben zu bewaßren, welcße unzweefmäßig finb
unb welcße ber ©efeßgeber nießt gewollt ßat. (UnfereS ©racßtenS finb
bie ©ewerbeinfpeftoren in erfter ßinie zum ©cßuß ber Arbeiter
ba, nießt aber zum ©cßuß ber Unternehmer, ©ie 9tebaftion ber
„Sozialen Praxis".) hierauf würbe in bie TageSorbnung ein*
getreten, ©ie Befprecßung galt ben ©rßebungen über bie Be*
fcßäftigung oerßeiraißeter grauen in gabrifen, ber neuen giegelei*
oerorbnung, ben AcettjIengaSanlagen, beu BleioergiftungSfällen in
ber Tßoninbuftrie, ber Befcßäftigung oon Arbeiterinnen in 3ucfer*
fabrifen.
©in gleichmäßiger nnb früherer ©cßln| ber Sabengefcßäfte
wirb abermals in oerfeßiebenen ©täbten angeftrebt, fo in maitcßen
Kreifen oon ©efcßäftsinßabern Berlins, in ©ßarlottenburg, nament*
ließ in ber Kolonialmaarenbraitcße, in Dsnabrücf, in Braunfcßweig.
SReift ßanbelt es fid) um Bereinbarungen zu gleidjmäßigem Öaben*
feßluß um 9 ilßr Abenbs. ©ie ^anbelsfammer in Braunfcßweig
unterftüßt biefe Beftrebungen fräftig unb rießtet gleichzeitig an
baS faufettbe Bublifum baS ©rfueßen, feine ©infäufe nießt noeß
über bie neunte Abenbftunbe ßinauS auSzubeßnen. —. ©iefe Be*
ftrebungen beweifen, baß aueß oon feßr oielen Briuzipulen unb
nießt nur oon ben ©eßülfen eine früßere Beeubigung ber ©e*
fcßäftSzcit bringenb gewünfd)t wirb, ©a aber bie ©rfaßrung
gezeigt ßat, baß biefe freiwilligen Bereinbarungen immer wieber
oon ©inzelnen bureßbroeßen unb babureß hinfällig werben, ift ber
allgemeine gefeßließe ßabenfeßluß z ü einer beftiminten
©tunbe zu forbern. 2Sie früßer feßon mitgetßeilt worben ift, foll
oon einer folcßen Beftimmung in ber zu erwartenben SRegierungS*
oorlage „nießt ganz Abftanb" genommen werben.
3m» Scßitß ber Arbctteritmeik grau SanitätSratß Sd)iocrin in
Berlin, bie Borftßcnbe ber Äommifßon beS BunbeS für weiblicße gabrif*
infpeftion, erfueßt bie Telegirtcn ber BunbeSoeretne, ißre 3uftimmung
ZU geben, baß bie Kommi|fioit für weiblidje ©cioerbe*3nfpeftion er*
weitert werbe z u einer Kommifjion für Arbeiterinnenfßuß. — gn ber
Begrünbung wirb ßeroorgehoben, baß nur in ber gorm für ©infüßrung
ber weiblißen ©ewerbe*gnfpeftion bis jeßt im Bunbe eine Arbeit für
ben Arbeiterinncnfcßuß befteht, wäßrenb auf biefem Arbeitsgebiete für
bie beiben Arten bes Schußes: ber SelbftßilfeCrganifatiou nnb Staats*
hilfe*©efeßgebung nocß ntdjts getßan ift.
3eßtt BefcßttierbebttreattS für Arbeiterhmeit finb zum 9teujaßr über
ganz Berlin feitcnS ber fozialbemofratifcßen Seiterinnen ber grauen*
Bewegung erridjtet. git einem Aufruf werben bie Arbeiterinnen auf*
geforbert, fämnttüiße Ücbertretungen ber Sdmßbeftimmungen für weib*
ließe Arbeitnehmer bei ben angegebenen Bertrauensperfonen anzugeben.
Ten Bcfcßwerbeführcrinncn wirb ©ehcinthaltung ber tarnen garantirt.
©er Acßtftnnbeiitag für bie ftübtifeßett äauatifationSarbeüer in
f ariS. ©er ©emeiitberatß oon BuriS ßat befcßloffett, bei ben
analifationSarbeitern ber ©tabtoerwaltung ben Acßtftunbentag
oerfucßSweife in Anwenbung zu bringen, ©ie gniatioe zu biefer
Neuerung geßt aus oon bem ©ewerfoerein ber betreffenben
Arbeiterfategorie, bie feßon feit 1893 beftänbig barum petitioniren.
Sßr Bedangen ftüßten ßauptfäcßlicß auf bie befonbere Statur
ißrer Arbeit unb beriefen fitß, ba man ißnen ftets entgcgenßielt,
man fönne für fie feine fpezicUe 9teglementation erlaffen, auf bas
$erfonal ber 0ftroi*©rßebung unb beS BolizeibienfteS, bem man
längft befonbere SReglementation unb ben A^tftunbentag gewäßrt
ßabe. ©otß war eS ßauptfäcßlicß ber Koftenpunft, welker bie
©emeinbeoerwaltung beftimmte, bie Petitionen zurüefzuweifen. SRacß
ben oorliegenben Beredjnungen würbe bei ©infüßrung aeßfftünbiger
Arbeitszeit eine äßeßrauSgabe oon 400 000 grcS. erwaeßfen. ©er
©ewerfoerein berechnet biefelbe allerbingS bloß auf ein 3*ß» te ^
biefer ©umme. Um nießt in ©efaßr zu großer finanzieller Dpfer
Zu laufen, bie um fo fießerer zu erwarten finb, als eine ftarfe Ber*
meßrung ber Arbeiterjaßl nötßig fein wirb, bewilligte ber ©emeinbe*
ratß zunäcßft nur einen ©rgänzungSfrebit oon 10 000 grcS., um
bie Bteßrfoften ber befcßloffenen oerfucßSweifen Anwenbung bes
AcßtftunbentagS z u berfen. ©ie befinitioe ©ntfeßeibung wirb fieß
auf ben Bericßt grünben, ben bie Berwaltung hierüber bis 20. ge*
bruar einzuliefern ßat. _
PoltZetoerorbtmttg über 9KiethStoohtmngeii nnb 6ißkffteÜnttoefeti
tu einigen ©täbten 9forb*$annoberS.
gn bem gaßreSbericßte für 1897 ßatte ber für bie SftegierungS*
bezirfe öilbesßeint unb fiüneburg fungirenbe erfte gabrifanfRcßtS*
beamte SRegierungS* unb ©ewerberatß ©rünewalb über bie bureß*
aus ungünftigen TöoßnungSoerßältniffe in Marburg unb in anbereu
inbuftricH fid) entwicfelnben ©täbten unb Drtfcßaften feines Be*
ZirfeS berießtet, bie einen feßr nacßtßeiligen ©influß auf bie gefunb*
Zeitlichen Berßältniffe ber Arbeiter ausüben, ©s ßeißt in bem
Bericßte:
„Abgcfeßen baoon, baß bie Öoßnbezügc im Bcrßältniß zu bei*
tßeuren Lebenshaltung in Marburg niebrig fein füllen unb fräftige
Koft nießt geftatten, üben aud) bie traurigen 9öohuungSoerhältniffc einen
nacßtheiligen ©influß aus. 9?ad) ben ©rmittelungen bes ©enterbe*
infpeftors ift in golge bes fortwährenbeit 3«ZugeS trember Arbeiter in
Marburg eine lleberfüKung ber SSoßnungen eingetreten unb es mad)t
fidj ein berartiger Biangel an geeigneten unb billigen SBoßnungen fühl 3
bar, baß ber SRagiftrat entgegen ben Beftimmungen ber bortigeu
Baupolizeiorbnung bereits in ben Ment ber ftäbtifdjen Sdjul*
gebäube ßat Arbeiterfamilien unterbringen müffen."
Aeßnlicße 3«ftänbe würben aus SRisburg, £eßrte, Lüneburg :c.
berießtet.
5Runmeßr ßat ber SReaierunaSpräfibent zu fiüneburg mit 3 ll?
ftimmung beS BezirfSauSfcßuffes fiir bie ©täbte Lüneburg, Marburg,
©ede, ßeßtte, bie ©efantmtgemeinbe SSilßelmSburg unb bic ©cuicinbe
Anberten eine Polizcioerorbtiung über 9)tietßSwoßnungen nnb
©cßlaffteHenwefen erlaffen, ©anaeß muß jebe BtietßSwoßmuig
einen eigenen, bureß feine frentben SLoßnräume fiißrenbeu oerfcßlicß*
baren gngang unb eine eigene Kocßftcüe haben: fie barf nid)t ber*
372
371 ^oAinlc "pranS. Eeutralblatt fiir ^ogialpolitif. 9fr. 14.
artig feitet fein, baß fie gefimbpeitSfchäblid) für bie 93eroopner ift,
fic barf nicpt baulich oerroaprloft fein unb rnufj fo oiel 9taum
bieten, bafe auf jebeS $inb unter 14 Saprcn roenigftenS 8 cbm
Luftraum unb 3 qm 93obenfläcf)e, auf jebe ältere ^erfoit roenigftenS
15 cbm ßuftrannt unb 6 qm 23obenflädpe fommen. Ter Sufi*
hoben ber Bohnungen mufc qebielt ober mit einem 2?elag aus
feftem, unburcpläffigem 3Jtatenal oerfepen fein. Tadproopnungen
muffen oöttig oerpupte ober mit £>olg oerfleibete Bänbe paben.
Bohnungen, beren Su&boben mepr als 50 cm unter beut um*
liegenben Terrain liegt, finb unterfagt, jebod) fönnen 2luSnaptnen
geftattet roerben, fo lange nacp Sage ber örtlichen 23erpältniffe bie
Senupung berartiger Bohnungen nocp nicpt gu entbehren ift, unb
infofern in bem betreffenben 2? a ß e folcper 23enupung erpeblicpe
gefunbpeitlidpe 23ebenfen nid)t entgegenftepen. Enblidp tnufc jeber
Bopn* unb Scplafraum minbeftenS ein ins ßfreie füprenbeS unb
ginn SDeffnen eingerichtetes genfter paben; inbeffen finb aucp pier*
non SluSnapmen guläffig, wenn gu ber betreffenben Bohnung fonft
noc§ eiitroanbfreie 9täume gehören, roeltpe ben 23eroopttern beit
erforberlicpen Luftraum geroäpren. Tie DrtSpoligeibepörben finb
befugt, bet SßietpSroopnungen, beren 5öefd>affen^eit int Biberfprud)
gtt ben gcftellten Hnforberungen ftept, bie 5XbftelIung ber betreffenben
9Jii&ftänbe oon bem 23ermietper gu oerlangen unb eoentuell bie
Räumung ber Bohnung gu oerlangen. Tie 23erorbnung über baS
SdplaffteUemoefen ift ber befannten für ben SDüffelborfer 23egirf
erlaffenen, bie fepon oielfacp als Bufter gebient bat, naepgebilbet.
Tropbem bie Serorbnung fepr titüb genannt toerbett tituft —
fte enthält g. 23. nicpt einmal eine 23orfd)rift über bie Binimalpöpe
ber Bopnräume — begegnet fie bod) lebhaftem Biberfprud) in ben
Greifen ber giauSbefiper, bie es nicht begreifen fönnen, bafe ber
23ortpcil, ben fie oon bem 23ermietpen ber SteHerroopn ungen unb
oon bettt 3 u f am menpfercbett ber Bietper in licht« unb luftlofen
Staunten in fjolge ber inbuftrieHen Entroicfelung ber lebten 3 a h rc
gehabt haben, fein bauernber bleiben fott. 3« Marburg finb
350 ßellerroopnungen mit 1500 Snfaffen oorhanben — bei jept
oielleicht 45000 Eimoopnern, alfo mehr als 3%! 23on bem
AabrifaufficptSbeamten toirb auSbrücflich feftgeftedt, bap bie
fcplecpten BohuungSoerhältniffe bie gefunbpeitlidpen 23erpältniffe fo
beeinfluffen, bap barunter auch bie ilranfenfaffen gu leiben haben.
Unb tropbem toagen bie Qntereffenten, nämlich bie £>auSbefiper in
arburg, eine grope 2lngapl oon Ausnahmen oon biefer neuen
erorbttung gu beanfprudpen; es foll mit bem Verbote ber Heller*
mohnungen fehr oorfichtig oorgegangen unb auch oon ber 23eftim*
mung, bap jeber Bopn* unb Scplafraum ein ins greie füprenbes
Senfter haben mup, füllen SluSnapmen im meiteften Umfange gu**
gelaffen roerben. 2ludj in £üneburg roerben biefelben gorberungen
geftellt, unb in beiben gälten roirb bieS bamit begrüntet, bap bie
§ausbcfipcr, roenn fie biefe alten, bie ©efunbpeit gefäprbenben unb
ben gerittgjten Slnforberuttgen ntenfchlicher ÖebenSroeife nicht ent*
fpredpenbeu Bohnungen nicht mehr oermiethen bürfeti, ihre
$>ppotpefenginfen nicht mehr begaplen fönnten unb in Vermögens*
oerfall fänten.
Soldpe 23ei*pältniff« geigen, roie bringenb nothroenbig ein
BopnungSgefep ift. 23eftänbe ein folcpes fdjon, fo hätten fich
folche peiüofen 3nftänbe nicht erft einfreffen fönnen ober roenn
oorübergefjenb SRipftanbe, bie ben 23ermietpern 23ortpeile brachten
in gorm erhöhter Bietljen, eingetreten roären, fo hätten bie 23er*
miether roenigftenS baS ©efiipl gehabt, bap es fich babei um etroaS
2$orübcrgepenbcS banbeit, roährenb fie jept bie äufrecpterpaltung
ber Bibftänbe, foroeit ihre alten fehleren Bohnungen in betracht
fommen, als ihr gutes SRedjt betrachten.
San oon ttrbeitertoopmmgen mit .fjölfe ber dfntmfibitätS*
oerfichrrnngSanflalten. ©rfreulicherroeife nimmt bie 23erroenbung
beträchtlicher Summen aus bem 2lnjtaltSoermöaen ber Snoalibitäts*
unb 2UterSoerficherung gnr Unter)tü(jung beS SüaueS oon Arbeiter*
roohnungen in neuerer 3cit immer mehr gu. So hat bie 2(nftalt
in 23reSlait befchloffeit, jährlich eine Summe bis gur $öf;e einer
halben Billion gu biefem 3^rcfe auSgufefeen, bie als 2)arlehn gu
ermäfeigtem 3i nö f u 6 angemeffener Hmortifation hergegeben
roerben foH. — (Sine SSerfauimlung iit ^3ofen befd^log bie
©riinbung einer Sau* unb Spargenoffenfdjaft gur Errichtung oon
2lrbeiterroohnungen. ES feilen guiiädjft etroa 100 fold)er Bohnungen
gerabe für bie’ ärmften ^Irbeiterflaffen (gu etroa 120 <M. 3af)reS*
iniethe) errichtet roerben, bamit roenigftenS bie fdjlimmften Äotl)**
ftäiibc befeitigt roerben fönnen. £ie ^ofencr Alters* unb Sitoa*
IibitätSoerfid)erungSanftalt roill bis gu einer halben Billion Barf
(gu 2 ! /j % } ) ^ergeben. 2lud) bie Stabtoerroaltung bringt beut
Unternehmen baS roärmfte Sntereffe entgegen. — Bie ferner mitge*
theilt roirb, hat bie 23erfid)erungSanftaft ttt Speper bem Anträge
beS StabtratheS unb ber (^emeutbcoerfammluug oon ÄaiferSlautent
behufs ©eroährung eines SlnleljenS ftattgegeben. 2)ie 23erficheruitgS*
gefellfchaft roirb 150 000 gu 3 % gur Erbauung oon Arbeiter*
roohnungen ber Stabt überlaffen.
Ein Eang bnrdh dfammer nnb 9loth in Sfiimhen« 5)a bie
oom Bagiftrat oorgefchlagene BohnuitgSenquete in Bündjen leiber
nicht gu Staube gefoutmen ift, hat fürgltd) bie fatholifche organijlrte
Slrbeiterfdhaft Erhebungen über bie Bohuoerhältniffe ber fleinen öeute
unb Arbeiter angefteflt. Es rourbett gragebogen auSgegeben nnb
überbieS burdj perfönlichen Slugenfchein bie Slntroorten fontrolirt.
2>aS Ergebnis ber Unterfuchung fott ber CeffentUchfeit übergeben
roerben. $>och roirb fchon jejjt in ber „9f. Saper. ^tg.^ ein Silb
oon ben BohuungSoerhältniffen in einem #aufe ber inneren Stabt,
nahe am 23iftualienmarft, auf Erunb ber Sufgeichnungen berBoh*
nungsfontroleure mitgetheilt. Bir entnehmen ber 6d)ilberung
folgenbe Eingelheiten:
(SS ift ein oterftödtgeS, mit bem S)achgefcho6 fünfftöcfigeS ®e*
bäube mit bunflem Treppenhaus, bunflen Eängen unb Bohnungen,
bas rotr betreten, ^n biefer BiethSfaferne roobnen 115 Benfcpen.
Behr als ber brüte Tljeil baoon, bie Ernten unb ?lerm[ten, roohnen
im Tachgefdjofj bicht gebrängt gufammen. Urfpriinglich für oicr 2Boh*
nungett berechnet, bient nun biefer abgetheilte Tadjraum 6 gamüien
mit 17 Hinbem unter 4 gapren unb 5 Stfjlafgängern, gufammen
41 ^erfonen als Bohnung. Tie erfte Bohnung hat ein lungcnfüdjtiger,
tobtfranfer Baurer mit feiner adjtfopfigen gamilie inne. Tie Bohnung
roar aufgeräumt unb reinlid); fie befiel)! aus 3 Zimmern unb X Äfücpe.
Ter erfte 45,7 cbm grobe Sftaurn bilbet baS Bohnginunpr foroie bas
Scplafgimmer für ben franfen Bann, bie Srau unb 2 tfinber unter
14 fahren. Ein 93ctt unb ein „Tioan" bilben bie Scplaffrätte für bie
23ier. TaS groeite ^ünmer mit bem 3 u gang burep ben oorgenannten
2iaum ift 13,7 cbm grob nnb an einen 3munerberrn für monatlich 5 jl
aboermiethet. 3n beut brüten glntmer, 14,2 cbm grofb fdilafeit bie
beiben Söpne, roäprenb 2 ^inber, auch noch ‘unter 14 Sohren, in ber
Äücpe, bie 12,3 cbm grob Ub näd^tigen mnffen. Tie gange 85, 9 cbm
grobe Bohnung foftet 26 JL monatl., oor 1 ‘/a fahren roar ber Bieth s
preis 18 JC Tie groeite fontrollirte Bohnung nebenan, oon einem
Sdjmiebgebülfen geuiiethct, befteht aus 3 3immern, 1 Kammer unb Äüchc.
Cbroohl bie 10 Ä^öpfe ftarfe gantilie, Eltern, 7 iitnbcr unter 14 fahren
bie Bohnung bidjt genug belegen fönnten, fo finb bod) ein ßümner, 5 i e
Kammer unb bie tfiidie au eine niedere gamüic aboermiethet. Tte Ur=
fad)e htcroon ift baS geringe Einfommett. Ter Sdjmieb oerbient näm*
lief) 75 Jt. burd)fd)nittlich int Bonat, roährenb bie grau etroa 10 M.
beibringt. Tie Bohnung allein aber foftet 40 JL\ ein gerabegu honreu*
ber ^reis, ba oben unterm Tad), ohne Bafferleitung nnb Mlofet, bei
einer Olröbe oon 125,7 cbm 2ufträum. Ter Baun aber muhte fte
nehmen, roeil man ihn mit feinen 7 ßinbern nicht leidjt anberSroo
hineinläht. Um ft<h unb bie Setnigen ernähren unb bie Biethe er*
fchroittgen gu fönnen, muh & T lc h jeboch anf ^ 3intmer befdjräitfeu.
Tiefe finb 92,e cbm groh unb bienen nicht nur ben 10, gur gamilie ge*
hörigen ^erfonen, fonbern auch n °d) - Sdjlafgängern als Boljn*,
Äod)* unb Schlafraum, gür bie 12^3erfonen finb 7 23etten, ein Sfinber*
beit mitgerechuct, oorhanben. Ein Schlafgänger fdjläft auf einem Stroh*
faef am 23oben, roährenb ber artbere ein 23ett mit einem Sftnbe theüt.
Turd) baS 2lboennicthcn beS einen T heiles ber Bohnung roerben
18 m. oerbient, roährenb bie Sdjlafgättger gufammen 9 .JC monatlich
begahlen, fo bap fich bie Bietlie auf 13 je im Bonat oerringert. —
gür fantintliche 41 $erfonen ift ein ?(bort oorhanben, 2lntheil oon
Heller, Speid)er ober BafrfihauS hat feine ber Parteien. Ter Bicth*
preis fämmtlidier Bohnungen macht 124 Jt monatlich, roährenb ber
23erbtenft ber fammtlichen Biether 392 jl beträgt. — EtroaS beffer fmb
bie 23erljältniffe im oierten Stocfe beS gleichen Kaufes. Ter Biethpreis
aber ift merfroitrbiger Bctfe für biefes Stodioerf um 4 M. billiger als
ber ber Bohnungen Mnter bem Tache. Er beträgt gufammen 120 J *. $in*
gegen ift, cntfpredjenb ber geringeren ^al)l ber 23eioohncr, ber Serbien ft
berfelbcn roeniger unb beträgt nur 321 Jl. burdifchnütlid) im Bonat.
TaS 23frl)ältnih beS Einfommens gur BohuuugSmiethe ift ht cr alfo
tiodi fd)lcd)ter. Tiefes abnorme Serhältnth hat fid) erft feit etroa
1 Vs Saliren h erai, Sflcroadjfen. Seit biefer 3cit i|t mit bem Bcdjfel beS
2?efipcrs eine fortroährenbe, bei einzelnen Bohnungen 40% betrageubc
Steigerung oor fid) gegangen. ?lud) fmb bie Bohnungen feljr oernaep*
läffigt unb pcnintergcfommcn.
@ege» baS SBohtmugSelenb in Stragbnrg t. E» geht bie oom
EJemeinberatp eingefepte, 2)Htglieber aus allen berufen unb $ar*
teien nmfaffenbe BohnungSfommiffion, über beren Tpätigfeit roir
in tiefen 23lättern roieberpolt bcrid)tet pabeit, energifcp oor. $>n
ber lepteit Sipung oom 21. Tegetnber rourbe abermals eine $eipe
oon fällen mitgetpeilt, roo auf Eittfdjreitcn ber Äomntiffioii in
gefnubheitsroibrige, überfüllte Bohnungen 2lbfiülfc ber fdplimmften
ilcipftänbe getroffen ift. Ein gerabegu fdjeufjlidjer Tyall ift folgenber:
Sn ben beiben Käufern ÜRarbwgäfjchcu 5 unb 7 roohnen 16 oer*
fdiiebcnc Parteien. 55 'perfonen bruüpcu gufammen einen ?lbort. Tie
373
oktale BrajriS. (Scntralblatt für ©ojialpulitif. Rr. 14.
374
beiben Raufer finb total verroaprloft. Der (Sigentbümer fümmert fich
um bas |>au$ niefjt im ©eringften. Die Reparaturen, roeljhe ber ©igen-
thümer auf Gängen ber Kommtffioit machen lieft, repräfentiren einen
SBcrtl) oon 60 Pf (Siitselne SLoljnungen in biefen Käufern finb burd)»
ans überfüllt. (Sin ginnner ftat fein Lid)t. Die 2ftiir ift mit einem
Btnbfaben angebunben. gn einem beroohnten gimmer befinbet fieft
alte§ ©erümpel. Das in bent Zimmer befinblidje Bett ift jur $älftc
mit alten ©ieftfannen :c. gugebeeft. 3m Meller fab es gerabeju feftauber*
baft aus. (SS finb feine 28änbe, fortbem nur Brettcrverfdjläge vor»
ftanben. Sin ben Bretteroerfd)lägen finben fid) Ripen non einer (Prüfte,
baft man mit ben $änbcn binburdjfahren fann. geber Cuabratmeter
ift ausgenüpt. Keine gamilic oerfügt über eine Küche ober einen
©peidjerantfjeil. Die beiben Käufer finb non bem ©igenthümer um
7000 JC getauft, er ftat fte für 700 Ul. an eine grau uermiethet, bie
burdj Slfterntietbe aber 2 200 M. jährlich aus bem £>aufc jieljt.
Der Eintrag bes UnterauSfcftufieS, baft bie 3Softnungeit ge*
fdjloffen tnerben follen, rourbe einftimmig angenommen. — Daft
bie Kommifftoit aber nicht bloft auf bie Räumung ober Berbeffe«
rung fcftle^ter Böohnungen, fonbern auch auf bie ©rrid)tung oon
aefunben unb billigen Bebaufungen bebaeftt ift, hoben mir ebenfalls
fefjon ermähnt, ©s finb oerfdjiebenc ^rojefte in 9fuSfid)t genommen.
Soziale 4)i)gtene.
Betriebsunfälle im df^rrreic^ifc^en Kleittgeiverbe. Der eben er«
fdjienene 93ericfjt beS BerbanbeS ber ®enoffenfd)aftSfranfenfaffen
SöienS für baS gabr 1897 beftbäftigt [ich eingebetib mit ber grage
ber Betriebsunfälle im Kleingeroerbe. ©S mirb fonftatirt, baft bie
Betriebsunfälle einen ftets machfenben Raum unter ben (Sr*
Jranfungen einnehmen. 0ie betrugen im Maffenoerbanb, in Brogenten
ber Kranfbeitsfälle:
1893 .... 5,7 %
1894 ... . 8,3%
1895 .... 8,8%
1896 .... 10,4%
1897 .... 10,8%
(Sine fpe^ieH ausgearbeitete Tabelle beS Berichtes meift bie
©efahrenqueKen auf. melcbe Betriebsunfälle im Kleingeroerbe oer«
urfachten. Der Beroanb ift feit fahren bemüht, ben Rachmeis ju
erbringen, baft es fidj oorroiegenb h^r um Gefahren hobelt, bie
ber Ratur beS £>anbroerfs entfprechen. (Ss h^ßt in bem Bericht:
Sluch int gahrc 1897 geigt fid) ein Borroiegen biefer fleingeroerb«
Iidjen ©efabrenqueßen. gn erfter Linie finben mir roieber Betriebsunfälle,
bte burdj ben OJebramh oon ^anbroerfSjeug unb einfachen ©erätben
oerurfacht roorben finb. (SS roaren bies über ein drittel aller Unfälle,
mobei ^ier eine Steigerung um 194 Unfälle eingetreten ift. Vln jroeiter
©teile folgen bie Unfälle Durch 3ufammenbrudj, £>erab» uitb Umfallen
oon ©egenftänben; fjto beträgt bie Steigerung 103 gälte. Bei 2luf»
unb Hblabett, $eben unb fragen ift eine Steigerung um 65 gäfle gu
fonftatiren.
Bon Betriebsunfällen, bie ber ©roftinbuftrie oorroiegenb eigen ftttb,
finben roir bei unferen Kaffen nur feftr roenige, inSgefammt bürften es
38, alfo etroa 1 °;o aller Betriebsunfälle im galjre 1897 geroefen fein.
Bon Betriebsunfällen biefer Slrt finb oorgefontmen bei ben Bädern 2,
bei bett Bucftbrurfern 1, bei ben Drechslern I, bei ben geinseugirfjmieben 5,
bei ben ©ieftern 1, bei ben Mteibermadjern 1, bei ben Kupfcrfdjmieben 1,
bei ben Lithographen 1, ben Bflafterem 1, ben Bofanteutirern 2, ben
©djloffern 6, ben ©eibenfärbem 6, ben ©penglern 1, ben Difcf)lern 3,
ben 3i mnier l eu ten 3 Betriebsunfälle. Slucft bet biefen Unfällen finb eS
aber nicht feiten (Srcigniffe, bie feinesroegs burdj Bekräftigungen herbei»
geführt roorben finb, roie fte nur ber ©roftinbuftrie eigentümlich finb.
Durch feuergefährliche, giftige, fjcifjc unb äpenbe Stoffe, burd) ©afe
unb Dämpfe :c. rourben bie meifien Unfälle bei ben (Wienern, ©eiben»
färbern, SScbroaarenjuriditern unb 3udcrbädern beroirft. ©oldje Unfälle
finb aber auch bei ben Bädern, Klcibermadjcru unb ©chloffern häufig
oorgefontmen. 3ufamntcnbrudj, £>erab« unb Umfallen oott ©egenftänben
bat am häufig fiten Betriebsunfälle herbeigeführt bei ben gaftbinbem,
Bflafterem unb 3immerleuten. Relatio häufig roaren fic and) noch bet
ben Dacftbedem, fmf» unb Sagenfchmieben, Lithographen, ©chloffern,
Difchlern. Durd) ben galt oon Leitern, OJeritftcn, ©tiegen, in Ber»
tiefungen 2 c. finb befonbers häufig Unfälle bei ben Dachbedem, 3iotnter=
leuten, a 6 er audi bei bett Bädern, (Sinfpämtem, gärbeni unb ©chloffern
oorgelommen. Der (Mtraudj oott ^anbroerfsjeug unb einfachen Oie«
rätben hat bie häufigftc Okfahrenqnclle bei ben meiften Äfaffcn gebilbet.
3nt Borbergrunbe ftc'hen ba bie Waffen ber Bäder, Bucftbinber, Drechsler,
geinjeugfdjmiebe, grifeure, ^uffeftmiebe, Ä^Ieibcrmacher, ©chloffer, ©eftuh 3
maefter unb Difdjler.
Die Rusbebnung ber llnfalloerficherung auf höii&roe*!smäftige
Betriebe erfcfjeitit bemgemäft als bringenbeS OJebot.
(Seutralifattim beS Berliner RettnngSmefenS. Die Berliner ©tabt«
oerorbneten bcfchloffen am 29. Dezember auf ben Bericht ber ©onber«
fomtniffton bie Uebernahme ber 'Hufficht über bas gelammte Rettung*«
roefen Berlins auf bie ©tabt. Die Deputation für bas vereinigte Ber«
liner Rcttungsrocfeu, ber biefe ?luf)id)t übertragen toirb, beftebt aus
jroei R?agiftratsmitgliebern, brei ©tnbtoerorbneteu, einem Bcrtrcter beS
Boliseipräfibiums, je jroei Deputirtcn ber ©anitätSroad)cn, ber Unfall«
ftationen unb ber RettungSgcfellfdjaft, unter Borftft eines ber BfagiftratS«
mitglieber. Die beftehenben 'Jlnftaltcn fepen ihre Dhätigfeit fori.
SBeiterc Söadjcn fönnen nur unter 3uftinunung ber ftäbtifdjen Deputa«
tion errichtet roerben. Die Deputation hat aud) bariiber 311 cntfdjeiben,
ob beftehenbe Aachen aufgelöft cocntueQ nad) anbernt ©tabtgegeuben
oerlegt roerben foüen. Die etatSiuäftigen 3uffhüffe ber ©tabt tür biefe
(Sinrid)tungcu, über beren Bertheilung bie Deputation ihr Gutachten
abgiebt, rourben zugleich oon 40 000 auf 65 000 ji erhöht.
£ttetatifd)e JUtjelgeit.
Der Oluttcntag’fchc Berlag in Berlin bringt foebcit in feiner
battblidjen ©amntlttttg Deutfdjer Rcidjsgcfc^e folgenbe $iuei
Bänbchctt jur Berfettbung:
ReichS«©eroerbcorbnung nebft SluSführmtgsbeftimmungen unter bc«
fonberer Berüdfidjtigung ber Beftimmungcn über ben Arbeiter«
fd)ttft, bie Drgaitifation bes £>attbrocrfs unb bas LehrlingSroefeu.
Bon D. Bh- Berger, gortgeführtoon Dr. 2Silhelmt, ©eh- Ober«
RegicnutgSrath. günfjehutc Auflage. (Dajchettformat, fartonniri
Breis 2,80 M.)
Der Berfaffcr, oortragenber Ratl) itn Reichsamt beS gnnern, bat
in furj 3 nfamntcugcbrängter gorm bas Btaterial in einer Bollftänbig»
feit geboten, roie cs feine sroeite Ausgabe aufsuroeifen hat. Der trip
bcS Umfanges (661 ©eiten) niebrige B™* ermöglicht bie ftnfdjaffung
jebettt ©croerbetreibenben. (Sin Budj, bas tu 15. Auflage crfchciui,
empfiehlt ftch oon felbft.
Reichsgefeft, betreffenb bie ©crocrbegeridjte. Bott L. SRugbait,
©tabtrath- Bierte vermehrte Auflage, h^ausgegebeit von (Sntto,
©tabtrath unb ftellvertret. Borftpcnber bes oieroerbegerichts in
Königsberg t. Br- B^*^ 1 /bo •//.
Diefe Ausgabe ift ein fidlerer gi'thrcr burd) bas ©efep. ^tUc in
ber 3cit oottt ©rfcheinen ber lepten Auflage erlaffeneu ©efepe, Ber«
orbnntigen unb ©ntfeheibungen haben Beachtung gefimben. Das Bänb*
dhen ift fo bearbeitet, baft es aud) nad) bem 1. Januar 1900, bem 3<ü* s
punft beS gnfrafttretens ber neuen bürgerli^en ©cfepgebutig bem
Sntereffenten ein roerthoolIcS ^aubbuch bleibt.
Btaier, ©uftao. ©osialc Berocgungcn unb Dheoricn bis 3 nr mobernen
Hrbeiterberoegung. Leipjig 1898, B. ©. Deubcr. 172 ©. B r iüs
geb. 1,15 ^
Rapports annuels de l’inspection du travail (Royaume de Belgicjue.
Ministere de l’Industrie et du Travail. Office du travail et ad-
ministration des mines). 3 e Anuee 1897 Bruxelles 1898,
J. Lebegue et Cie.
Travail du dimanche (Royaume de Belgique. Office du Travail). Vol. IV.
Consultation des conseils de Pindustrie et du travail. Euquote
dans les grands magasins. Consultation de Passociation pour le
repos du dimanche en Belgique. — Bruxelles 1898, J. Lebegue
et Cie.
^alberftabt. Bericht über bie Berroaltuitg unb bett ©taub ber ©e=
meinbeangelegeufjeiten pro 1. ?lpril 1897/98.
Düffelborf. Beridit über ben ©tanb unb bie Berroaltuitg ber ©e«
mcinbcaugelcgcnl)citeu pro 1. ?lpril 1897/98.
Barmen. Bericht ber ftäbtifchen Rnnenvcnvaltung unb bes (Seittral»
SBaifcnrathc* ju Barmen pro 1897 nebft ^lrmcn=(5lat pro 1. ?lpril
1898/99.
Die gleichseitig hiennit ausgegebene Rr. 4 ber SRonatSfchrift
„DaS <$euerbegcrtd)t" enthält:
Die Bör^i e n unb baS ®eroerbegerid)t. Bott ©tabtrath
Dr. glefch, granffurt a. 5DL — 3 lir re^tiiehen ©tcHuiig ber §cim*
arbeitet. II. Bon S DL v. ©d)ul, 3 , Borfipcitbem beS ©eroerbcgeridjts
Berlin. — Berfaffuttg uitb Berfal)ren: Bürgerlid)eS GJefcp*
bud) unb (Üeroerbeorbnung. — Auslegung bcS §. 29 bc* ('»ieroerbe«
gerichtSgefepeS. — Redhtfprechung: Riittheilungett auS beit Ontt«
feheibungen ber ®eroerbecjerichtc Berlin, Hamburg, Miel, eines Oie*
roerbegerichtS in ©übbcuffchlanb uitb ber Lanbgendjte Berlin I uitb
Miel. — (SiiugnitijSämter: Die (Srgebitiffe ber englifdjen Ber»
föhnuitgSafte; ' (Simgungsämter bei engli|M)cn Manbelsfatnmeni:
Reform ber Conseils de Prud’hommes in graitfreidi. — Literatu|r:
Dr. 21. Blöd), Das (^erocrbcgcricht. — giiljaltsaiigabe ber „©oktalen
BrariS".
Scvantroortltc^ für btc Schafs ton: Dr. (int ft grentefe tu i’evliu W., 25>u)rcutlicrüraf;c i?.i.
In Soziale (Seutralblatt für ©ogtalpolütf. 92r. 14. 376
erfdjeint an jebem 2)onnerötag unb ift burdj alle SBudjbanblungett unb SPoftämter (ipofacitungSnuinmer 7072) ju bejtefjcn. S)er iprei*
für baö Sßierteliabr ift 3tt. 2,50. Sebe SRumnter foftet 30 $Pf. $)et SKnactgenpretS ift 60 $?. für bie breigefpalteite ^etitjdle.
Im lape 18 $$ h\ Sanier & iumßlof in £ei$tg er dienen:
^b^anblungen, Öaats- ittib »älh er red) tlidje:
Söanb II. §eftl: Die ©elbftuerroaltung in politifdjer
unb juriftifcf)cr Segiehung. SSon SulinS «^atjdjet.
5 232. 60 <ßf.
3M™tt, g. Die (Snttmcfclung bcs ArntenroefenS
in ßnglanb feit bent Satyre 1885. 1 232. 40 $f.
gielefetb, ©ttu, (Eine neue Ära citglifdjcr ©ocial*
gefefegebung. 2 2)2. 20 $f.
^orfdjungen, ftnat*- unb focinln>if)rcnf^üft-
lidfe:
XV. 4. Die hauSinbuftriclIen Arbeiterinnen in ber
berliner Sölufett*, Uitterrocf*, ©d)ürgen* unb Dricot*
fonfettion. $on <3ertnib $tyJyrenf!iYt$. 2 23£. 80 $ßf-
XVI. 1. 3roei Dörfer ber babifd)en Stfjeinebene unter
befonbercr Söenuffid^tigung if>rer Allmenboerhält*
niffe. 33ott (3ml ©ramtagel. 2 232. 20 $f.
XVI. 2. ©tatiftifche ©tubien gur GhitroicfelungSgefihichte
ber berliner Slibuftrie noit 1720 bis 1890. 3$on
Otto SBicbfelbt. 9 3». 60 $f.
XVI. 3. Das 2)2aingcr ©chiffergerocrbc tn beit lefeten brei
3obrI)unberten beS MurftaateS. 2>ou Qfynjtim
(Eifert. 3 2)7 80 $f.
XVI. 4. Die 97eid)S=2krfid)eruitgSgefebgebung. SBon
S. 8öbifcr. 1 2)2. 60 <ßf.
Jfttlb, ftthtbig, Das 2)2ietred)t nadj bent ^Bürgerlichen
©efcfcbud) für baS Deutle 97ei<h. ©tiftcutatifd) bar*
geftettt. ©eb. in Srob. 5 2)2. 40 $ßf.
gjagelßange, JUfreb, i£iibbeutfd)ee Sönueritleben im
SRittelalter. 6 2R. 60 <ßf.
gjaU t, ®« ift tratt, Die 2?ebentnitg beS ©ceoerfehrS
für Deutfd)laitb. 60 $ßf.
gelferty, £., Die Reform beS beutfehen ©elbrocfenS
nad) ber ©rünbuitg beS 97eidjS. 2 2Jbe. 22 232.
geifertdr, 3ur Gnteucrung beS beutfd)en 33ant*
gefefceS. 3 237.
guter, m > Die ©taatenfucceffiou. 2$ötferred)tlid)e unb
ftaat3rcd)tlid)e ^ßraris im 19. Sahrl). 7 937. 20 $f.
|nama-$terttrgg, ft. trau, ©cutföe ssirt=
fdjaftSgefdjidjte. III. Söanb, erfte .vSälfte. 12 232.
ftappeltttantt, £anbbnd) für preuftifdjc 0par*
taffen. 0)eb. in Siub. 3 2)i. 60 $f.
|Uen, pu^dm, 0ic 2d)aitnbfud)t im l'idjte ber
©tatiftif unb ©ocialpolitit. 2 s Ut. 40 ^f. \
«efler, %. fiebenS* unb £ot)nüert)äItniffc inbuftrieller j
Arbeiterinnen iit ©tocffjolm. 2 237.
fotmar, $tytHpp, 2)ie Freiheit ber 33erufSrca^l. j
1 9».
fitietttbttrg, gefii, Die inbuftrictle Gtitroicflung |
^ßoteuS. 2 237. 20 $f.
pder, ©rng van t §annoucrfd)e 33crfaffungS* unb |
25ermaItungSgefd)i(5te 1680—1866. (Srfter Söanb.
11 2)2. 60 $f.
©eridjt, (^eridftS^err, SSerteibigung. 80 $f.
$4tttoller, ^agatt, Heber einige ©runbfragen ber j
©ocialpolitif unb ber SSolfSroirtfdjaftSte^re. 6 232. 40 $f.
^(^maller, ®«ga», Umriffe unb Unterfudjungen gur
SSerfaffungS*, SSerroaltungS* unb 2Sirtfd)aftSgefc^id)te
befonbers bcs Sßreufgifchen Staates im 17. unb 18. Scdjr*
fjunbert. 13 2)2.
§djriftnt l»ce Peutfd^en Vereins für ^rmsu-
|r|ftege unb Pal)ltl}attgkeit:
34. 17. SabreSoerfammlung in £iel. 3 232. 40 $f.
35. DaS auSlänbifd^c Armenroefen. 1 232. 60 ^ßf.
36. ^romtöäma®eln g C g en nä^rpflic^tige Angehörige.
2 232.
37. £>ilfe in aufeerorbeittlidjeit 22otftänben. 1 2)7. 80 Sßf.
38. Die roechfelfeitige Unterftüöung non 9teid)S*
aitgehörigen in ben eingelnen 23unbeSftaaten. 2 2)2.
39. 3uffad)t3ftcittcn für meibliche ^ßerfonen. — @£ifteng*
ntinimum in ber Armenpflege. — Anrechnung ber
Seiftungen ber ^ßrioatroohlthätigfeit unb Qnnaliben*
renten. 3 2)2. 20 ^f.
$dptften be« herein« für §orial|tolittb:
75. ^ßerfonalfrebit beS länblidjeit MeingrunbbcfiheS in
Oefterreid). 8 232. 80 $f.
76. ©eneralüerfammlung in ^ötn 1897. 10 232. ;
77. §>aufiergen)erbe in Deutfdjlanb. I. 11 232. |
78. §aufiergemerbe in Deutfchlanb. II. 5 2)2.60 ^ßf. j
|Urid|, frouf, ©taatSeifcnbahnen, ©taatStuafferftrafjen 1
unb bie beutfehe 28irtfchaftSpolitif. 1 2J2. |
^criuoliuugöberi^t beS 9tathcS ber ©labt Seipgig j
für bas 3al)r 1896. ®eb. 10 232. |
Paetitig, ^duridj, Olemcrblidje 232ittelftanbSpolitif. |
9 232. 60 $f. |
£rirbridj ^trei^err ju, ®ie :
Srotfrage unb ihre Söfuitg. 2 232. 20 s $f. j
Scramroortlicfi für blc l’lnjetgen: ^eümuth (Deibel, Seipjig. — Verlag oon Xunrfcr & Cmniblot, Setpjtg. - ©ebrueft bei 3uliu* eittenfelb, Serlln.
vm. ftejprgnng.
©erlitt, ben 12. Januar 1899.
Ilmnmrr 15.
Soziale ptajte.
{§enfraf 6 £att för ^ojiafpofifili
mit bcr SRonatS&etlage:
Vas ©ewerbegcricht.
©rgan bes Derbanbes beutfdjer (Betrterbegeridjte.
iReue golge bcr „Slätter für fojiale sprayt*" unb be* „Sojtalpolittfdjen Eentral&IattS".
ffrf#efi»t IM je»e* %**%&$*$, Jerau* geben *xti» *Urleli**tli<* 2 WL 50 9f.
SRebaftton: »ertin W., Sahreutherftrafje 29. Dp. Cfttft «fttttufet* Verlag toon S)uncfer & ©umbtot, ßclpitg.
3 nljalt
©ic beutfefce ©oaialbemoftatU |
im 3a^te 1898. II. (©$lu&). 377
«lgmetec©«iUl* Mb tttetWMft*
»»Itttt. 384 !
©ic Sojtalrefotm in ©eutfeb* ;
laitb im 3>aljte 1898.
©ic ©ojialreform unb bie National-
liberale Partei im JRe!dj«tage.
©efteuerung. auflünbif^et Arbeiter
in granfreicb.
©in Mus4e social in ben Stieberlanben.
ft*w«»a*le .... 387
©ie ftäbtifebe ©erficberungßfaffe gegen
Arbeitßlofigleit in jlbln unb baß
©elücrffcbaftßfattell.
©erüdfid)tigung Älcingemerbetreiben»
bei bei ftäbtifdjen ©ubmiffiotten in
granffurt a. 3R.
©tabtifäe Söerfftötten für Arbeiter*
inbaliben in PaTiß.
©täbtifdje äRißceUen.
©iabtifebe SRinbeftlöljne in Belgien.
ttrbcttgeberfcerbftiibe. 388 ,
Arbeitgeber ©etbanb Hamburg»Altona. !
©ereinbatungen ber beutfehen flamm« |
garnf pinnet.
©ojialpolitiftbe ©eftrebungen bet
parifet ©auunternehmer.
Hrbctterbcfectmtg.38^
ein allgemeiner SBeberftreif in fliefelb.
©er beutftbe ©auarbeiterfoiigrefc.
Proteft fatljolifcber Atbeitetöereine in
©erlin gegen ©erfebärfung ber ©e*
ftxafung non ©keiloergeben.
©er Plan einer f$f5beratioii ber 2rabe
Union*.
ein flongrefc ber eioilarbeiter beß
SRilitäxequippementß in gran'reicb. !
mttutmm .. 391
©ermehrang beß©ergaufficbtßperfonalß
in. Preufcen.
©ie SBabl non gabrifinfpeftoren in
grtanfreicb.
ftrbeHeckediaeni««. *|itrtaffcK 391
©er ©tanb ber Unfall« unb ber 3n«
nalibitätft« unb Altetßöerfiebening in
©eutfdjlanb 1897.
Penfionßfaffe für Arbeiter in babifdjen
Staatsbetrieben.
©aß Arbeiter-UnfaUoerfuberungßaefeb
in ©änemarf.
. 393
©tftbtifcber ArbeitSnacbftciß ju SRainj.
öabifebe Eentralanftalten für Arbeit*«
nacbroelß.
ArbeitSnacbtoeiß unb SanbbePÖlfetung
in labern.
f8»blfabrttetinrt<|tiinani ... 394
Arbeiterftiftnng ber flruppfeben SBerle.
©er ßentralnerein für ba« SGBobl ber
arbeitenben fllaffen 1898.
erfrifcbungSraume in ben Poftbienft«
lofalen.
<Bt|ieb*na unb Oilbmn.395
©ollßthüinlidje flurfe non ^Berliner
^o<bf<bullebrern.
$außbaltung*fcbulen in ©oben. i
©cbulfinber in ben ©traben non !
Sonbon. i
©0|taie $t)gienc. 396 !
Sur SBefampfung ber Suberfulofe in |
©eutfhlanb. j
öetoerbefletidjte. •intfwif*ji«t«r. !
©«leoßgertaite. 397 1
Aocbmalß ber ©todfarbeiter«Außftanb j
nor bem Einigungßamt beß ©e* 1
loeibegeridjtß ^Berlin. I
flfagftgctt. 398 |
Abbrud fämmtlicbtt Artüel tft S^ttnugen unb ßeitfduften geftattet, jeboeb nur
mit noüer Quellenangabe.
Bie ieutfitje dojlalbetnobratie int 3aljre 1898.
Xer tiefe ©egettfap jwtfchen ber rerolutionärert unb ber
reformerifdjen Stiftung, mit bem aKerbing* bie Srage ber
%itation£metf)Dbe eng jitfammen^ängt, lag aud) ben Debatten be*
Stuttgarter Parteitage* über bie S^age Der ^taftif 311 ©runbe.
3 unä(|ft fefete bie &i*fu|fion lebigli^ mit ber ^e^aublung ber
2 lgitation*frage ein, wobei Stabt^agen ben öemä&igten oorroarf,
„bie X^atfraft unb $ampfe*freubigfeit gelähmt 311
gegen proteftirte .Jeine entfliehen, roaS er mit um fo größerem
me^t fonnte, al* er allein in ben ^Berliner Stid^roa^len geroäblt
roorben mar. 3m llebrigen beljanbelte er gleichfalls bie gange
Sfrage 00 m agitatorifchen Stanbpunft au*, inbem er bie mehr
ober weniger ftarfe Betonung bes dnbgiel* für eine blo&e S^age
be* XemperamentS erflärte unb oor phrafenhafter Agitation warnte.
®ie ganje Schärfe beS uorhanbenen ©egenfape* !am erft in
ber SRebe ber grau 3 c ^ n S um SluSbrucf, ber Dr. Spontan! unb
SRofa Öuyemburg affiftirten. Sie forberten bie offene Serurtheilung
be* PoffibiliSmuS, ber Jeine’fch^n „^ompenfationSpolitif", ber
„Schacherpolitif mit bem fapitaliftifchen Staat". Sßatt bürfe nie*
mals über ba* Gnbgiel ber Eroberung ber politifchen 3)?acht einen
3weifel laffen. 9tofa Öuyemburg fühlte (ich auch oeranlafjt, bie
Parifer ©ommunarb* al* Jeroen ^u oerherrlidjen. Jierauf ertheilte
nunmehr Kollmar bem ganzen 9teoolutionari*mu* bie benfbar
fchärffte §lbfage, wobei er nd) ganj offen unter lebhafter 3»ftims
mung gegen bie in ber Sosialbemofratie bisher übliche SSerherr*
lithung ber reoolutionären Parifer (Kommune wanbte: „Schlechter
würben bie frangöfifchen Arbeiter ihrer Sache auch rtid^t gebient
haben, wenn fte bamal* gefchlafen hätten." 2ll*bann heifet e*:
jräulein Suyembnrg fdieint nuf bem Stanbpunlt 311 ftehen, bah
©ewaltftreiche ftet* einen fojialtftifchen ©horolter haben muffen. SRun,
anber* ift Dtc Äeu&erung Doch nicht 511 oerftehen: bah mir jept in einer
Seit leben, wo jeben Augenblid etwa* Unerwartete* gefchel)en fönne unb
wo bie Sojialbemofraten plöplich jur 2Rad)t fomnten fonnen unb alfo
oorbereitet fein miiffen, fte- au*juübeu. ©a* ift aber nicht eine Xheorie
ber beutfehen Sojialbemofratie, fonbern bie Anftd)t be* Slanqui*mu*
(lebhafte Suftimmung).
2Benn in ber beutfehen Sojialbemofratie je wer auf biefem 3tanb=
punlt geftanben h at , fo ift biefe 3^tt glüdlicherweife längft hinter un*.
3ch fage im (üegenfafc ju gräulein Suremburg: c* formte ber bcutfdjeu
Sojialbemofratie gamidjt* llnglücffeligere* paffirert, al* baji
wir oorjeitig in bie öage fämen, bie politifdje SRadjt ju
übernehmen, benn wir würben nicht befähigt fein, fie er*
fprichlich ju gebrauchen unb fie feftjuhalten. Jvräulein Öureitt=
bürg hat in ihren Artüeln ben Untcrfd)ieb jwifchcn „Reoolutionären"
unb „f^emäfügten" bahin befinirt: bie Steoolutionäre feien bie, welche
thätig finb im Jinblicf auf bie Ergreifung ber politifchen SRadit,
währenb bie Wemähigten thätig feien mit ber Sntentiou, bie Arbeiter*
flaffc ju heben unb bie fdjrittweifc Erweiterung ber gefellfd)aftli(hen
Kontrolle herbeijuführcit. parteigenoffen, wenn ba* nicht auf ben 3Man=
quißmn* hinau*läuft, bann ift e* nicht* al* eine Jaarfpalteret, für
welche mir febe* i*crftänbnib fehlt.
X)te ftch an Kollmar* 9tebe anfchliefeenben oorfichtigen unb
farblofen Ausführungen Jeine* oeranlafeten feine ©egner, 3 etf in,
ßuyemburg unb ben ©enoffen Parou* (Dr. Jelphonb), ben eigeut*
liehen Streitpunft nochmal* mit aller Schärfe ju präjifiren. par#
ouS erflärte:
Jeinc* Außlaffungen über bie do ut des-poütif machen ja einen
hamtlofen Einbmcf, weil in biefem Augenblirt ein Eutgegeufommeu bn
Regierung einfach unbenfbar ift unb eine fo!d)e Politif al* utopifch er*
fcfjeinen miife. ©iefe* brutale Verhalten bcr Regierung tritt aber uirfu
in jebem fapitaliftifdjen Staate ju ©agc: A>ir fehen "in Euglanb eine
anbere Xaftif, unb in bem iöiomcnh wo man and) in Xeiitidilnnb \n
ber Einfidjt fomntt, bah man bie fojialbemofrntifdic Pewegitug iiidu
mit 3 U{ hthau*mittelu berämpfen fann, baf; man e* hiermit einem pro*
buft ber öfonomifdnm Entwirfelinig jit tlmu hat, in bem AVoment wirb
Si^iale prariS. CSentralDIatt für Sogialpolitif. Dr. 15.
ü79
oS<)
bie £>eine'fdjc 2 >bcc gefährlich- Sie ©ntwicfeluug wirb bagu
führen, baf? man ein parlamcntarifd)eS SluSFomnten mit ber
3ojialbemofratie [udjt, unb bann werben bic 3 becn, bie
&einc jefct fdjürfjtern ausfpricht, prafttfdj werben.
Dofa Suyemburg erflärtc jroar bie Slnwenbuitg oon ©ewalts*
mittein 3 U oerwerfen, fuhr bann aber fort:
Älipp unb flar tnitffcn mir fagen wie ber alte (Sato: „3in Itebrigen
bin idfj ber Meinung, baf$ btefer Staat serftört werben utufe." Sic
Eroberung ber politifdjen STOacht bleibt bas ©nbgtel, unb bas Gnbjiel
bleibt bie Seele beS MampfeS.
©aburd) fab fi<h nun oudj $eine oerattlafet, runb beraub gu
crflären:
©aS td) gefagt Ijabe, ift befannt unb idi nehme nidjt* baoon
^uriief. ^dj weife, bafe eS nur gwei 9WögÜd)feiten giebt, bie SWadjt beS
Proletariats 311 begrünben. ©ntroeber man fefet ben berrfdjenben
Klaffen bie piftole beS VewilligungSrcdjteS im Parlament
auf bie 93 ruft ober — bie mirflicfec piftole. Safe mir auf ben
3 weiten ©cg ocrjidjtcu muffen, bat noch ber alte ©ngelsfurgoor
ieinem Sobe auSeinanbcrgefefet. Shnt ftimnic td) bei. SBleibt alfo
nur ber anbere ©eg. trennt ibn Scfeadjerpolitif, ober wie ^fer wollt,
aber oerlangt nicht, bafe idj ifen wegwerfe, efec ^fer einen britten gezeigt
habt. Solange bic Dichtung ber „Sädjfifdjen 9lrbciter*3ritmtg" feinen
anbern ©eg nennt, aber gegen ben ooit mir empfohlenen proteftirt, fo
lange mufe fie ftd) gefallen laffert, bafe Kollmar iljr VlanquiSmuS
oorwirft. ©eprebigt feat gräulein Sujemburg jwar bic (Gewalt ntdjt,
aber bie Sogt! Iäfet ihr feine anbere S D?öglidjfeit übrig.
Schon oorfjer featte Vebel eine ausführliche ©rflärung oon
Vernftein oerlefen, bie bie gröfete 23ead)tung oerbient, weil fte
alle feine Argumente gegen ben DeooIutionariSnuiS gufammenfafet
unb als tfjeoretifcfje ©runbleguug beS DeforutgebanfeitS angefefeen
werben tnufe. ©S feeifet barin:
3 ch bin ber Hnfdjauung entgegengetreten, bafe wir oor einem in
Salbe 311 erwartenben ^ufammenbrud; ber bürgerlichen ©efeHfdjajt ftel)en
unb bafe bie Sojialbemofratie iljre £aftif burd) bie ?(u 8 fidjt auf eine
folcbe beoorftebenbe grofee fogialc Mataftropbe beftimmen, bgro. oon ifer
abljängig machen foD. ias halte idj in oollcnt Umfange aufrecht.
Vernftein betont bann, bafe fidj bie ©ntwicfelung weber in
wirthfchaftlidjer noch in fojialer ^inficht fo geftaltet fyabt, wie eS
bie Sogialbemofratie bisher angenommen, ©egen bic auSbeute*
rifdjen Senbengen beS Kapitals f) a & e in allen oorcjefdjrittenen
Räubern eine gefeUfdjaftliche ©egenaftion etngefefet, bte Iangfame
Aortfdjritte mache. ©r fragt bann:
Reifet aber bic (Eroberung ber politifcfeen 3J2ad)t burd) baS prolc*
tartat blofe bie (Eroberung biefer D?adit burd) eine politifdjc Matafirophe?
Reifet es bie ausfdjlicfelidjc Sefifeergreifnng unb Sennfeung ber Staats*
ntadjt burd) bas Proletariat gegen bie gange nidjtproletarifdjc ©eit?
©er bieS bejahe, ber fei an bie oon ©ngels (aus militärifchen
unb oermaltungStechnifchen ©rünben) nachgewiefene Unmöglidjfeit
einer gemaltfamen SReoolution erinnert. SSer aber bie Unmöglich*
feit einer SReoolution einfefee, fönne auch
oeruüuftigerweife baran feinen Hnftofe nehmen, wenn erflärt wirb, was
bie Sojialbcmofratie itod) auf lauge hinaus 3 U tbun habe, fei, ftattauf
ben grofecn ^ufammenbrudj 31 t fpefuliren, bie ?lrbeitcrflaffc politifch 3 U
organifiren nnb 31 er $emofratie auS 3 nbilbcn, unb für alle 9tcformen
im Staate 31 c fämpfen, loeldje geeignet finb, bie Sflrbeiterflaffe 311 beben
unb bas Staatswefen im Sinne ber 2:emofratie umsugeftaltcu.
2 )emofratie aber heifet iljtn:
jebesmal fooiel $errfdjaft ber 9lrbeiterflaffc, als biefc nad) ihrer in*
telleftucüen 9teife unb beut •'pöbegrab ber wirtbfdjaftlidicn ISutjoicfluug
überhaupt aus 3 uüben fäljig ift.
'I'Jeil er eine Stoolution für unmöglich l)alte, lege er auf bic Slitf*
gaben ber ©egcitwart,
auf ben Mampf um bas politifdie 9led)t ber Arbeiter, auf bic politifdje
'■^etbätiguug ber Arbeiter in Staat unb ©emeinbe für bie ^ntereffen
ihrer 5tlaffc, fowic auf bas 9s?crf ber wirtbfdjaftlidicn Crganifation ber
Arbeiter ben allergröfeteu 9^ert.
Unb er fchliefet mit ben Porten:
Sie widitigftc Arage ber Saftif fdjeint mir bie nad) bem heften ^Beg
ber iS-rweiterung ber politifdjeit unb gewerblichen kerbte
ber beutfdjen Arbeiter 311 fein. Cbue bafe auf biefc Jvrage eine
befriebigeube Antwort gefunbeu wirb, würbe bie Betonung ber anbern
ictiliefelidj nur Seflamatiou fein.
91 11 S ber logifd) unanfechtbaren ^eruftein’fihen (Srflärung er*
bellt mit hinreiefjenber ^eutlidifeit, bafe es fidi bei bem liegenfafee
ber heiben Dichtungen in ber Partei nidit nur tun Differenzen
über bie Jvrngc ber Saftif ober gar ber blofeeit Vlgitationsmethobe,
fonbern oor 5111cm um einen prinzipiellen ©egenfafe in ben 9ln*
fifeammgen über bas ;,iel ber So 3 ialbemofratie, um bie ^rage:
Deoolutiou ober Deform baubelt. SBie fdion oorher Dofa
Vnremburg Meine gegenüber, fo gaben jefet and) Mautsfn uttb
Viebfnecfjt itt ihren Debet! gegen ^ernftein auf biefe Tvrage feine
tlate Antwort. Mautsfij betonte juuächft, bafe ^Peruftein fich ein
ganj falfcheS Söilb oott ber Partei gemacht ^aBe. ßr glaubt, bafe
wir S 3 Iaiiqnifteix finb, bie auf einen 3 ttfomwenftofe mit ber be*
waffneten Dtacht fpefuliren 2 c. 3th glaube, eS giebt feinen
Parteigenoffen, ber baran benft." 3)amt aber fefete er aus*
einattber, bafe bie Perhältniffe auf bem Kontinent anberS als in
©ugiaub lägen unb fuhr wörtlich fort:
3ch gebe 31 t, bafe ber 3Beg, ben bas englifche Proletariat gebt,
beffer ift, weniger Opfer erforbert, unb bafe wir wünfdjen müffen, ben*
felben Seg geben 31 t föttiteit; aber ber ®ang ber ©efdjidjte wirb nidjt
oon frontmen 3iJünfd)en beftimmt, fonbern oon Sbatfadjcn, unb biefc
fagen uns, bafe ber ©eg <5nglanbs für uns ungangbar ift, bafe
ber ©eg ber Semofratic nur burd) ben Sieg beS Proletariats er*
folgen fann.
QlauBt aber einer, bafe biefer Sieg möglid) ift ohne
Mataftroptjc? 3 <h wünfdje es, aber ich glaube es nicht. . . (5s ift
ein gorbifcher Mnoten, unb bafe biefer auf einem anberen ©eg gelüft
werben fann, wie jener alte, glaube id) nicht.
Unb er fdjlofe mit ber SBenterfung, bafe eS um ßeute, bie in Jolge
ber 23ernftein’fchen Hrtifel ber Sojialbemofratie ben Dücfett feferten,
nicht fchabe wäre, im ©egentheil, „wie fönnen froh fein, bafe es
fefeon jefet gefchicht, ftatt bei einer Äataftrophe, wo wir jeben
9ttann brauchen."
©benfo meinte fiiebfnecht:
Unb £eutfchlanb — wer will behaupten, bafe angefidjts ber ;jud)t*
hauSoorlagc eine frieblichc Gntwtcfclnng bei uns gepchert fei? ©er
will ba fagen, bafe bie 3 eü politifdjcr Mataftrophen, gewalt*
fanter Kämpfe oorüber ift? ©ir wollen fie nidjt, wahr*
Ijaftig nicht ... Äataftrophen werben oon uns 311 oermeiben gefucht,
aber oon nnferen geinbeu oorbereitet.
®er 9Btberfpruch in biefen Deben ift hö»hgreiflich: ÄautSftj
unb ßiebfnecht wollen feine Deoolution, glauben aber, iljre 3 ielc
nicht oljne Dcoolution erreichen 3 U fönnen. Dicfer 9Öiberfpruch,
ber fitf) überhaupt burch faft alle Deben ber Dabifalen hinburch*
gieht, ift logifd) faurn gu oerftehen; er erflärt fich aber leidjt
pftjthologifch, wenn man bebenft, bafe ocrfchiebene Antriebe, bic
trabitiouelle reoolutionäre ©efinnung einerfeits unb bie flare (5r*
fenntnife ber Unmöglichkeit ber Deoolution anbererfeitS, baS fogial*
bentofratifdjc teufen auSeinanbeqerren. s Bährenb fich ein ftets
wachfenbcr Xhcil ber Partei aus ben alten reoolutionären Debeln
gur flaren ©inficht in bie Dothweubigfeit ber Deform herausringt,
befinben fich ^i e in ben reoolutionären Slnfd^amingeu beharreitbeu
Steife in einer ooEftänbigen 93cnüirrung, bie nod) burch bie Sorge
oor angeblich geplanten Staatsftreidjen oergröfeert wirb. Qn
neroöfer llnflarheit betonen bie Dabifaleit halb ihre friebfertige,
halb ihre unentwegt reoolutionäre ©efinnung. Salb finb fie burd)
bie SBahlrefultate niebergefdjmettert, balb wieber oon phantaftifchen
Hoffnungen aufgebläht, ^urch wilbeS SlriegSgeheul fuchen fie fidj
über bie relatioe Schmäche ihrer pofition gu täufdjcn unb ben
©egner gu erfdjredfen, ohne gu bebenfen, bafe gerabe ihr unauf*
hörlicheS Spielen mit ber Deoolution leicht gur moralifdjen Decht*
fertiguna eines ©taatsftreichs werben fönnte. 9lnberer[eitS be*
greifen fie wieber nidjt, bafe baS ^Betonen ihrer friebfertigen ©e*
finnung jebenfalls nid)t geeignet ift, bie reoolutionäre ©nergie ber
HJfaffen gu entflammen.
£>ie oorljatibene Verwirrung wirb burch bie Unflarheit ber
wichtigsten ^Begriffe, mit benen man unaufhörlich operirt, noch ge*
fteiaert. 2)aS SBJort Deoolution ift feiner htftorifchen Vebeutung
entrlcibet worben unb wirb im 3>oppeIfinn einer frieblicf)en nnb einer
gewaltsamen llmwälgung gebraudjt. Statt oon ber Deoolution
fpracheu aufeerbem Üiebfuedht unb 5?autSfn ineiftenS oon beoor*
ftehenben ilataftrophen, woburch bie Streitfrage gwifchen ihnen
unb Vcrnftein and) noch in anberer Min ficht oerfchoben würbe.
Vcrnftcin Ijatte in ber „Denen 3eit" bie Diar^ßngelS'fdjc
Dufidjt gurüefgewiefen, bafe bie immanenten ©efefee ber fapitalifti*
fdjen 9i'irtf)frt)aftSorbniing (ber angebliche VJiberfprudj gwifdjen
probuftion nnb ilonfutniion) mit DotljweubigFeit auf einen 3 l|s
fammenbruch ber gangen bürgerlichen ©efcllfdjaft in einer mtge*
heuren £rifis, auf eine Mataftropbe fjinbrängten. ©S fonnte nun
3111 * Mläruug bei Dufdjauungen jebenfalls nidjt beitragen, weint
Mautsfn unb Viebfnecfjt bie in Spanien, Defteneidj, Sranfreidi :c.
angeblich bcoorjteheuben politifchen lliuwälguiigeu Mataftropbcn 311
nennen beliebten, obwohl ber 3 ufawmcul)aug bes fpanifdj*amcri*
fanifdien Miicges, ber böbmifcheii Spradjocrorbititngcn unb bes
3 )reijfuSpro 3 effes mit bem Mlaffenfampf gwifdjen Vourgeoiiie unb
Proletariat nnb ber fogialiftifdien Mrifen* unb Mataftrophcntbeorie
nidjt ohne Weiteres erfenubar ift. Vci ber T'iirftigfeit unb bem
fraffen '©ibeifpruch ber fadjlidjen Argumente wirb mau ben
momentanen ©rfolg, beu bie bleubeube Dhctorif bes alten i/ieb*
fnedit unb MautsfpS bei einem grofeen Sbeil ber Selegirteu er*
rang, nidjt foubcrlid) bodi gu ocraufdjlagen braudjeit.
882
881
Soziale Brarig. ©entralblatt für ©ogialpolitif. Sh*. 15.
Bie gering feine t^atfädjlic^e Bebeutung war, geigte ficb fd)on
beim nädfjften ©egenftanbe ber Berbanbluitgen, bem Bericht über
bie parlamentarifdje ^^ätigfeit, wo ber ©egenfaß groifeben
ber reformerifchen unb revolutionären Stiftung roieber gunt Aug*
Bruch fam. ®er Berichterstatter Burm erflärte ficb entfehieben
gegen bie §einef<he Kompeufationgpolitif unb für bag SÄiligfßftem
jowie gegen jebe Kolonialpolitif. Xer Slbgeorbnete Dr. ©chön*
lauf, ber 1895 in Breglau bie pringipien beg ©ogialignutg revi-
biren wollte, b)ielt eine fulminante Siebe, in ber eine „rüefficbtglofe,
rabifale Xaftif", ben „Kampf big gum Sleußerften gegen bie lieber*
feepolitif, gegen bie §ungerpoIitif, gegen ben Blarutigmug unb
SÄilitarigtnug" empfahl, ©r I^atte aber mit biefer oratorifefjen
Seiftung auf bem Parteitage nicht viel mehr ©lücf alg mit feinen
Xeflantationen gegen bag Slottengefe^ im Steidjgtage: Ulrich
fpottete unter großer Weiterleit unb Beifall über bie „rrrrevolu*
tionäreu Pbrafen", peug erflärte, feine Siebe für einer Bolfgoer*
fammlung angemeffen, unb Dr. Xavib warnte vor „unnötiger
Slervofität"; gerabe jefet gelte eg bie größte Slube gu bewahren,
um nicht ber Siegierung bag gewünfd)te SÄaterial gu liefern. Sluf
bie ^einefebe Kompenfationgpolitif eiitgugebn, b^lt er für ungeit*
gemäß, ba fie gegenwärtig bie reine „Xoftorfrage" fei.
Slacb Schneller ©rlebignng ber Swagen beg Koalitiongredbteg,
ber Betbeiligung an ben preußißhen Saubtaggwableit unb beg
33ergarbeitericbubcg maubten fid) bie Berbattblungen ber beutfeben
3oll* unb .^anbelgpolitif gu. Sluf bem Hamburger Partei*
tag halte ©cbippel erhärt, für ihn fönne bie Snternatioualität
nid)t fo weit geben, baß er fid) einem f<bubgöllnerifd)en Sluglanb
gegenüber, ohne Slücfficbt auf bie Sntereffen ber bentfeben Snbuftrie,
auf ben ©tanbpunft beg abfoluten greibanbelg ftefle; er ^atte
ficb babureb b c fÜ9 e Angriffe gugegogen, ba ber abfolute gfreibanbel
bigljer ein fogialbemofratifcbeg Xogma geroefeit mar. 3eßt aber
ging ©Nippel in feinem Referat bem Xogrna vom greibanbel
äußerft energifcb gu Seibe. ©r miberlegte bie alten Slnfcbauuttgen,
baß ber gretbanbel eine Slrt Bölferoerbriiberung fei, er feierte bie
revolutionäre Birfung beg ©cbußgollg, ber bigber faft ftetg
bag fortfd)rittlid)e Element im wirtbfdjaftlicben Seben ber Bölfer
bargeftellt habe. & proflamirte eineSntereffengemeinfcbaftgmifcben
Unternebmern unb Arbeitern in ben fragen ber Wanbelgpolitif,
roie fie bigber im SJlunbe eineg ©ogialbemofraten unerhört toar.
SBer ftnb benn bie Shcbtg* wie Konfumentcn? Xie Beamten, bie
heineren Seutc aug ben SJhttelftanb. — . . Xte freifinnigen ©pieß*
Bürger finb bie Äerntruppen beg greib^belg bei ung. Xie Arbeiter
aber finb nicht reine Äonfumenten, fie finb gewiffermaßen
SDlitantbeilgbaber an jeber wenn gmtäcbft auch fünftlicß beförberten
©rweiterung ber ©roßprobuftion.
Xag ©nögiel, bie höhere ©ntwicfelung unferer gnbuftrie,
ift ung Sllleg. Xag Bigd>en preigbemegung unb Preis¬
erhöhung fann für ung nidjtg bebeuten. Sllfo nicht alg Äon*
fumenten haben bie Arbeiter barüber gu urtbeilen, fonbern alg &l)eil s
nebmer an bem brotigen Probuttiongorganigmug.
©r Schließt bann mit ben Borten: „3<h hoffe 3bnen gegeigt
gu haben, baß bie grage ©cbufegoll ober greibanbel niemals
Klaffenfrage ber Arbeiter werben fann. 3e nach bem ©tanbpunft
[mb bie Arbeiter in ben eingelnen fiänbern fcbubgöllnerifcb ober
freibänblerifcb unb fie tl;un recht baran."
SDer Korreferent Äautgfp trat pringipielt für unbebingten Srei*
banbel ein, beffen ^)urd)fübrung er aber für unmöglich hielt; audf)
lie& er ficb gu ber Kougcffion an bie Prayig b e ^bei, für geroiffe
beutfehe Snbuftrien bie Siotbmenbigfeit eineg ©cbubgollg gugugeben.
3m Uebrigen befämpfte er ben ©chubgoU mefentlicb mit politifdfjen
Argumenten. 3n mirtbfchaftlicber |)inficht roanbte er gegen ihn
ein, bafe ber ©chubsod bie Kartelürung ber Snbuftrie erleichtere
unb bamit ber Slrbeiterberoegung übennächtige ©cgner febaffe.
©ing feiner roicbtiafteit Argumente mar aud) noch ber .^inroeig auf
bie ßanbtoirtbfchaFt, bie beg ©chubgollg eher benötbige alg bie
3nbuftrie; wenn man ber £anbn?irtbfcbaft feinen ©chubgoll gu*
billige, fönne man ihn auch nid)t ber 3»buftrie geben. ®ag oer*
anlaßte in ber Debatte SSolImar, gegen bie Sluffaffung gu pro*
teftiren, bafe bag ©ebeibeit ber fiaubmirtbfehaft ber ©ogialbemo*
fratie gleichgültig fein fönne; er mar umgefebrt ber Sin ficht, bafj
man bie Koufequengen beg ©djippel’fdjen ©tanbpuiifteg auch ber
Sanbroirtbfchaft gegenüber giebeu foüe, womit ficb auch ©cbippel
in feinem ©eblußroort eiuoerftanbeu erflärte.
2)ie übrigen puufte ber Xagegorbnuug, ©teffungnabmc gutn
Slbrüftunggoorfcblag beg 3areit, Proteft gegen bie gruftifigirung
beg ©enfer 93leud)clmorbeg zc., foroie bie perfönlicben 3änfereieit
unb bie gefchäftlicbeu Slngelegeiibeitcn mürben fcbnell erlebigt unb
bieten gu befonberen iöemerfungeu feine SSeraulaffung.
$>er ©tuttgarter Parteitag tnu§ alg einer ber michtigften
S)larffteine in ber ©efebiebte ber fogialbcmofratifcben Partei be¬
gegnet werben, ©tärfer alg je guoor ift auf ihm bie opportu*
niftifche unb reformerifebe Stiftung b eroor Ö € brcten, trob aller
augenblicflich auf fogialpolitifchem ©ebiet b^f^ßaben reaftionären
Xenbcngen. ©g fd^ien in ©tuttgart bereite, alg ob ficb beibcit
Shcbtunaen unter ben Xeleairten bie SBaage hielten. Xa ficb i e & c
Partei oen ©ieg gufchrieb, fo mufete ber Parteitag in beiben Sägern
eine oerfebiebene S3eurtbeilung finben; bod) trat bei ben Slabifalen
mebrfadb eine grofec llngufriebenbeit mit feinem Verlauf beroor.
lieber bie eigentlichen ©treüfragen, bie 23etbeiligung an ben
preufcifeben Sanbtaggwablen, bie Xaftif, bie Xifferengen in ben
theoretischen Slnfchauungen zc. batte ber Parteitag feine binbenbeit
23efchlüffe gefaxt. Xegbalb festen ficb bit Xigfuffionen nad) feiner
Peenbignng in ber Preffe unb in ben SSerfammlungen mit großer
©eftigfeit fort. Sin ben ilrwablen gum Sanbtag am 27. Oftober
betbeiligte ficb bie ©ogialbemofratie gum erften SÄal in einer Sleibe
von preubifcheit 9ßablfreifen, unb gwar überall mit unerwartet
günftigem ©rfolge. ^3o fie felbftänbia oorging unb eigene v Babl*
männer aufftellte, wie in Slltona, Sinben bei £>anuouer, Sranben*
bürg, ^Breglau unb .fSalle a. ©., erlangte fie refpeftable SJlinoritäten,
wo fie ooit oornberein für ben greifinn eintrat, wie in granf*
furt a. SÄ., ©örlife, §agnt zc., führte fie feinen ©ieg befrei-
SlugfaH ber ^abl gab Den Anhängern ber 33etbeiligung red)t unb
oeranlafete einen gewiffen ©tiinmunggwecbfel in ber Partei. 33ebel
oerfünbete bereite, bafe bei ber näcbfteit Sanbtaggwafjl bie gefammtc
©ogialbemofratie in Preußen wählen werbe. Slnbererfeitg würbe
natürlich bag Sief ultat von ben ©egnern ber Söablbetbeiligung alg
oöDig ungünftig bargeftellt. Xiefe Xifferengen führten gu erneuten
heftigen Slugeinanberfebungen in ben Berliner Söabloereinen, bei
benen Sluer alg Anhänger nnb Siebfnecht alg ©egner ber Betbeili*
gung in erfter Sinie ftanben.
Slutb über bie £>einefcbe Kompenfationgpolitif unb bie ©cbippel*
f<ben Sleu|erungen gur SlrtiHerieoorlage erbifeten ficb bie ©emütber
immer wieber oon Sleuem. hierbei oertrat Sluer alg gefebiefter
^Diplomat in ber Stolle beg griebenftifterg bie reformerifchen g^eeii.
©r oerböbnt bie „neue SÄobe", bie fogialbemofratifcbe Bewegung
alg „proletarifch*reoolutionäre" gu begeiebnen, unb fuebte bie Korn*
penfationgpolitif unter Berufung auf frühere ©ngelgfcbe Borfcbläge
gu rechtfertigen, wag ihm eine Sleibe heftiger Angriffe, namentlich
in ber „Seipgiger Bolfggeitung", eintrug. Xabei beruhigte er eine
Berliner Berfammlung wieber wegen ber ©efabren ber Kompen*
fationgpolitif in giemlich eigenartiger SSeife. Borläufig fei in
biefer Stiftung ni^tg gu befürchten:
benn eg tritt eöen fein Berfudjer an ung b crait - feilte ucrfudjt
man ung nur mit plöbenfee unb bem guebtbaug, unb fo lange bag
bergall ift, brauchen bie ©enoffen feine Slngft gu haben, baß ber ©ine
ober Slnbere augrutfd;t.
SJlit ber Konipenfationgpolitif b^ngt bie ©tellung ber ©ogial*
bemofratie gu ben miiitärifchen gragen überhaupt aufg ©ngfte gu*
fammen. Unb auch & ar i n bahnt ficb augenfeheiniieh ein Söanbel
an. ©djon auf bem ©tuttgarter Parteitag war ein Slntrag ange¬
nommen worben, ftatt beg SÄiligfpftemg vorläufig bie §erabfeßung
ber Xienftgeit auf ein 3^ S u forbent, wag „leichter gu begrünben"
fei. 3nt Slovember erfchien bann unter bem Xitel „Bkr griebrich
©ngelg miliggläubifch" ein Sluffaß von „3fegrim" in ben „©ogia*
liftifchen Btonatgbeften", beffen Berfaffcr nadb Slnaabe fogialbcmo*
fratifcher Blätter ein febr b^oorragenber Parteiführer fein foll,
ber bie SÄiligibee in ber benfbar frfjärfften SBeife verhöhnte:
3n ihrer allgemeinen Sluffaffung beg „SÄilttarigmug" bat bie
©ogialbemofratie noch immer febr viel Stebnlicbfeit mit jenen fonber*
baren ©djwäruiern, bie mit einem 9)lale entbedt haben, baß an ©teile
beg verrobenben gleifrfjgenuffeg bie gaßme vegetabüifdjc Breinahrung
ben SRenfd;en vercbeln ntüffe - ober bie alle mebiginifdjen ©reuel unb
©djeuel in enblog riefelubem ©affer gu erfäufen trachten. . . . £*>ici*
wie bort biefelbe oerblüffenbe Äritülofigfeit, berfelbc heilige ©ifer, halb*
wahre unb balbuerbaute ©d;lagworte gu einem ©ijftem auggubaiten,
bag alle s Babrt)cit umfäjließt, unb gegen bag nur Barbaren unb ©djmadj*
föpfe anfämpreu fönuen. . . . ©elbft ber Xon, in bem bie neue Stuf*
läge beg alten Bürgergarbiftenibealg vorn militärifdjen ^adimann fpridit,
fann gewöbnlid) faum Überboten werben burdj bie SÄifdniug-uoii gnä=
biger moralifdier $crablaffung unb oernichtenber geijtigcr lleberlegcnbeit,
mit ber ber ©affcrapojtel bag fiuftcre ©djeufal von ärgtlidjcm Aadniiaun
in bie ©oljgfdjludjt Ijtnabfdjleubert.
©r geigt bann an einer Sleibe von ©itaten, baß ©ngelg, ber
militärifd)e ©ielebrte ber ©ogialbemofratie, eine Berfiirgung ber
Xienftgeit auf Vk—2 gab^e für bag eingig SJiöglidic erflärt unb
fieß über bag iÄiligftjftem mehrfach giemlid; ffeptifd) geäußert hat.
Xer Slrtifel fdjließt mit ben 'Borten:
SWS
Sostale SprartsS. (<entraI6fatt für •«ojtafpolitif. Ar. U>.
SW4
9Wan baf; fid) Gugeln bic „Gleichung jur allgemeinen ©ehr*
bafttgfeit" gan$ aitberg bad)tc, als bic milijgläubifdjcit ©affcrbciligcn
unb HRchlbäppapoftel. Soch auch für bic Partei wirb cg fd)IieBltc^ wie
im Siegfrieb beigen:
Sort mit bem Sret — ich brauch’ Ujtt nidjt!
Aug Sappe fdjmieb’ ich feilt Schwert!
tiefer formell wie inhaltlich unerhörte Angriff auf eine ber
Ttud)tigfien fojialbemofratifdjen Sorberungen veranlage natürlich
eine Sluth ber f)eftigften Antworten. S>ah er aber überhaupt ge*
wagt werben fonnte, geigt, bah eg aud) in Setreff beg Siili^fpftemg
in ber Sojialbemofratie nicht lauter ©laubige, fonbern fchon saht*
reiche 3 roeifler giebt, an bie fid) übrigeng „ 3 fegrim" augbrüeflid)
wen bet.
Aach ber SReidjgtaggeröffnuncj präfentirten bie S 03 MI*
bemofraten, abmeid)enb oon ihrem begierigen Braud), für bie
Soften beg einen Siceprafibenten unb eineg ©djriftfiiljrerg il)re
«anbibaten, bie jebodj nicht gewählt würben. S)ie iiblidjc Ablel)*
itung beg Gtatg begriinbete Soßmar mit ber feinblicheu Stefiung
ber Regierung gegenüber ber fogialbemofratifchen Sorberung einer
(Einleitung ber Abrüfhtng bur<h öerabfefeung ber Süenftseit, mäh*
renb Bebel eine $Reif)c ooit Bcfd)merben über bie Sosiaipolitif ber
Regierung uorbrad)te unb erflärte, folange biefe 3 uftäitbe e^iftirten,
würben fte ftetg bem ©tat ein Aein entgegenftellen. Beibe s lRoti*
ointngen finb nicf)t unwichtig, wenn man bebenft, bah Bebel 1894
in Sranffurt bie Bubgetoermeigerung Soßmar gegenüber für eine
Srinjipienfrage erflärte, ba bie ©o^ialbemofratie bem „ klaffen ftaat"
bie Mittel jur Sortfüljrung feiner (Sriftenj unbebingt oerweigern
müffe.
Hinfuhtlicf) ber tf)eorctif<hen Streitfragen ift augenblicftid)
ein gewiffer Stiflftanb eingetreten. Bernftein unb £autgfp haben
bie Seröffentlid)ung ihrer Anfichten in Buchform angefünbigt.
lieber beibe Schriften wirb fpäter hier 311 berieten fein.
Ueberblicft man bie Gntmicflung ber Sogialbemofratie im oer*
floffenen 3aljr, fo fieht man, bah oer Umwanblunggprojefe ihrer
©ebanfenmelt weitere erhebliche Sortf dritte gemalt bot. Gg giebt
faum einen Sunbamentalfafe ihrer Sf) e orie, faunt eine willige
praftifdje Sorberung, bie nidjt ber fdjärfften «ritif unterworfen
worben wäre. Gg ift intereffant 311 fefjen, mit welchem Staunen
bie Partei 3 af)lreid)e Probleme neu entbecfi, bie fie längft crlebigt
glaubte, weil fie gewöhnt war, fie mit einigen Acbcngarten absu*
tt>un. S>erfclben fdjarfen, erbarmnngglofen «ritif, bie fie bisher
augfd)IieHlicb an ihren ©egnern unb ber hcrrfrfjenben Staatg* unb
©efeflfdjaftgorbnmtg geübt hat unterwirft fte jefet ihre eigenen
Theorien unb Sorberungen, rücffidjtglog bemüht, bag für falfd) Gr*
fannte eingureifsen unb aug bem ©ege 31 t räumen. Gg ift feine
«leinigfeit für eine gartet, fid) aug ben Sorfteßitngen unb Sbeen,
bic fie ein s lRenfrf)enalter biuburd) beljerrfcht haben, herau$ 3 uarbeiten
unb an ihre Stefle neue Anfdjauungen feien. S>ag ift ein Sroseh,
ber fich unuiöglid) oon heute auf morgen abfpielen fann, ber 3 U
feiner Grlebigüng 3af)re beaitfprudjt. ©er bie Gntmicflung ber
So 3 ialbemofratie feit bem $aß beg So 3 iaIiftcngefcfceg unbefangenen
Blicfeg iiberfdjaut, fann fich ber Grfeniitnih beg ungeheuren ©an*
belg, ber fid) ooÜ 3 ogen hat, nicht oerfdjliefjen, mag bie S 03 MI*
bemofratie felbft aud) immer wieber behaupten, fie fei bie alte ge*
blieben. Gin ftetg wachfenber St)eil ber Partei hot fich oug ben
früheren reoolutionären Anfdjauungen 3 ur flaren Ginfidjt in bie
^othwenbigfeit ber fogialeu Reform burchgerungen; eg ift nament*
lid) bag junge gebilbete Gleuient, bag bie reformerifcheu Qbeen
oertritt. §lber aud) bie fliigercn Möpfe unter benen, bie in ber
•Ssauptfache noch auf bem reoolutionären Soben }tel)en, hoben fid)
oon rollcnwibrigen Seiteitfprüngeu (Agrarfrage, Sanbtaggwahlcn)
nid)t freigel)fllten. Unentwegt 3 ur alten Sah llc ftanben oon be*
fannten Leuten charafteriftifd)er ©eife ftetg nur ber alte SRcoolutio*
när oon 1848, ©ill)elm ^iebfnedjt, bic früheren bemofraten
Diehring unb fiebebour unb einige boftrinäre unb fanatifd)e ©eiber,
wie bie 3 <dfin unb Üufcmburg.
ber Augfaß ber Seid)giaggwal)len unb bag immer ftärferc
.s^eroortreteu ber reformerifd)en Dichtung in ber Partei hoben ge*
geigt, bah eine ernftc rcoolutionäre ©efaljr nid)t befiel)!, ©ie man
in*ber Sosialbemofratie oon phantaftifdjeu Hoffnungen mehr
unb mehr guriicffotnmt, fo füllte man and) in ber Regierung unb
in ben biirgcrlidjeu Parteien oon pl)antaftifd)en Sefürdjtungeu
3 urürffommen. Seit aller Gntfchiebeuheit aber fei betont, bah mit bem
Sd)ioinben bee^ reoolutionären Gharafterg ber So^ialbemofratic aud)
jebe Augnahmegeiehgebuug ihre innere Scredüiguug ocrliert. (ig ift
bag Sed)t unb bie '^flidjt beg Staatg, eine rcoolutionäre Bewegung
mit aßen Siitteln 311 befämpfen. Gg fann aber uiemalg bie Auf*
gäbe ber Staatggemalt fein, einer reformerifcheu Arbeiterbewegung
entgegcu 3 utreten unb bie ungeheuren ftaatlid)eu Sfachtmittel 311
©uuften ber ©rohinbuftrießen gegen bie Arbeiter ein 3 ufehen. ©er
fich ober etwa einbilbet, eg fei ber So 3 iaIbemofratie mit ihrer Ilm*
wanblung nicht Gruft, wer glaubt, eine grofce Partei fönne eine
Solitif bemühter Heu^elei treiben, oerfennt bie elementarftcn Se*
bingungen aßeg politifd)cn l ? ebcng.
Sür bag praftifdje Verhalten ber So 3 ialbemofratie wirb
jebenfaßg bie ©eftaltung ber inneren Solitif oon entfeheibenber
Sebeutung fein. Sfit aßer nur wünfcbeugwertt)en ©eutlichfeit hot bag
ber Abgeorbnetc 0 . Soßmar am Sdjluh feiner Gtatgrebe augge*
fprodjen: „Unfer gan 3 eg politifd)eg Sorgehen liegt fef)r oiel in
Shrer £onb, un ^ roenn begwegen glauben, Aniah 3 u «lagen
3 u hoben, fo flogen Sie nicht uug, fonbern fid) felbft an." Süßte
halb, um mit Sdjmoßer 3 U reben, auf bag ©eßenthal ber fo^ial'
politifchen SReaftion ber ©eßenberg beg Sortfdjrittg folgen, fo
werben, wie bag Saroug unb Sebebour gau 3 rid)tig ooraugfehen,
bie Heinefcheu Sheen aufhören, blohc ,,^)oftorfragen" 3 U fein, unb
praftifd) werben. Db bann bie ganse fo 3 ialbemofratifd)e Partei
ben Umfchwung mitmachen, ober ob eine Spaltung eintreten wirb,
läfct fich natiirlid) noch in feiner ©eife ooraugfehen. Alg gan 3
fichcr aber barf eg unfereg Grachteng gelten, bah eine neue Aera
fo 3 ialpolitifd)er Sfefonnen nid)t biefelbe unocrföhnlidje Haltung ber
So^ialbemofratie oorfinben würbe, wie 1890, wo ihr reuolutionärer
©röhenwahn nod) in ooßer Sliithe ftanb. ^)ie bantalg oon Soß*
mar proflamirte ^olitif: „ 2 )em guten ©illen bic offene
Hanb" würbe jept ficherlich, wenn nicht in ber gan 3 eu, fo hoch in
einem fehr groben Xfjctl ber Partei beifäßige Aufnahme fiuben.
Allgemeine Sozial- und SBirtljfd)olitik.
2>ie So^ialreform in ^eutfchlanb im 3of)re 1898.
„So fteril wie im lebten Sahre ift bie beutfehe So 3 ialreform
fchon lange nicht mehr gewefen", hotte biefer Sage bie „Sraitf*
furter 3 «itong" gefd)rieben, „nicht ein ein^igeö ihrer Spezialgebiete
ift gepflegt worben, Anfang unb Auggang beg 3ol)reg fanben bie
beutfdhe So 3 ialpolitif auf bemfelben fünfte — foweit pofitioeg
Sd)affen in Betracht fommt". Sie amtlid)c „Serl. ilorrefp." will
biefen Sorwurf uid)t gelten taffen; fic jählt ein langcg Segifter
oon „Aufgaben" auf, „bie im oerflof|enen 3«hre ooi^uggweife
burch bie Arbeiten beg $Reid)gamteg beg Sonern geförbe'rt unb
thcilweife 3 uut Abfchluh gebrad)t worben finb," unb ift ber ftol^en
Üeber 3 eugunq, bamit „bie oößige §altlofigfeit" ber «ritif beg
Sranffurter Slatteg 3 U erweifen. Sehen wir ung biefe fiifte ein*
mal an:
ber üRoucfle 3111’ Snoalibcuocrfuhcniug ift eine ftattlidjc Acihc
oon fünften oorgcfcl)cn, bic unmittelbar unb wcfcntlidj bie l'age ber
Ser fid) orten künftiger gepalten. . . . Xic Abfidit, ber arbritenbcii Sc=
nölferung biejenigen Sortljeilc 3U3uwenbeii, weldie iu ber isno bem
iMeid)gtng oorgclegten, bainalg aber nidjt 311 0taitbe gefommenen Ao*
uclle 311 ben Unfaüoerfidjeruiigggefepeu in Augfidjt geuoinmeii waren,
befteljt and) beute nod). . . Xic Gube ist»? eiugeleitete Grbebnug über
bic gewerbliche Ätinberarbeit ift im oerfloffcuen 3 obr 3ur Augfiihruug
gelaugt. . . Sie mit ber Scfdjäftigung oerheiratheter Srauen in Sa=
brifen 3ufamiuenl)äugenbeu a ragen follcu einer Grörterung untcr3ogeu
werben. . . Sic Ginbringung eine* ©efel^ntwurfeg, weld/er eine Se'ffe*
rung ber Arbeitgoerbältnilfe in ber «leiber* unb ©äfdjcFbnfeftion unb
ben 0 d)iip ber Angeftellten in offenen ifnben oor Gefahren für ( 4 efuub*
beit unb Sittlidjfeit be3wecft f ftebt beoor. . . Sie umfangreid)cn Ar*
beiten 3itr Aeoifiou ber Smnaiuioorbmmg finb foweit geförbert, bah
bic Augarbeituug einer auf arbciterfrcuub'lidjeiit Soben ftcbciiben Sor*
läge uabe3ii abgcfdjloffcu ift... Gin Gntwurf 3ur ’ 9 Mil 3 branb*
befäinpfung in ber Xbierbaaviubuftrte wirb ooraugfiditlid) in aller
Miir3e 3111* Sefdjlufjfaffiuig gelangen... Gntwnrfe für Sbomagfdjlacfcii*
ntüblen unb ^infbiitten werben benmäd)[t bem Snnbcgratb 3ngeben.
Sorfdjriftcn für ©nmmifabrifen finb in Sorbercitung. . . 3 d)liehlid)
wirb nod) ber Grbebnngen ber «ontmiffion für Arbciterflatifiif über
bie Arbeitguerbältniffe in c^etreibemüblen fowic im Glafiwirtbggcwerbc
gcbad)t.
Sieg Aßeg finb So rb er ei tun gen unb glätte für bie 3u*
fitnft, an beiten im 3al)rc 1898 gearbeitet worben ift, aber 31 t
wirflid)eii Siahnahmen, 311 erfolgreichen Shateit ift big jept baoon
itid)tg gebiehen. _ 3'nfofcrn bat bag fübbeutfdie Blatt leiber Acd)t,
wenn eg bag oerfloffeue 3ol)r fteril an pofitioem Schaffen nennt.
Aßcrbiiigg bat ber Bunbegratb ein paar Scrorbnungcn auf bem ©e*
biete, beg Arbeiterfdwpeg erlaffen: bie 3i c gdeiocrorbituttg ift mit
einigen, nicht burdjweg arbciterfreunblidjeii Seräiiberungcn verlängert
worben, 3 m* Serbiitung oon Bleioergiftnugen in Affumulatoren*
fabrifen ift eine Befaniitmadjuug erfolgt. Sag ift aber and) Alleg,
Soziale ^rartS. Gcntralblatt für ©ogialpolitif. Rr. 15.
3S6
3S5
roaS oon AmtSroegen an pofitioen dßafenaljmen aufgegäfelt roirb. Unb
felbft einDptimift roirb gugeben,bafe bieS ein ungemein mageres GrgeB*
nife eines gangen langen F^hreS ift. Söenn jefet ein neuer Anlauf gur
Fortführung ber ©ogiafreform genommen roirb, fo fann man fic^
ja über bie guten 5lbficf)ten freuen. GIeidferoohl ift einige 3 ur ücf*
fealtung gerechtfertigt, benn es fommt hoch in erfter Lime auf bie
Ausführung an. Senn g. V. bie Regierung oor groei Fahren feft
geblieben roäre, fo roäre bie wichtige Rooede gur Unfadoerfidjerung
jefet feit längerer 3eit fefjon in Kraft. Der ReicfeStagroar in feiner
Mehrheit fief) über tiefen Gnirourf einig, aber bie Regierung liefe
ihn faden, roeil fie oor bem aufeerparlamentarifchen Ginflufe grofe*
inbitftrieder Fntereffen gurücfroid).
Die amtliche Lifte ber s $läne aber hat auch eine Lücfe. Ver*
aeffen finb bie Vorbereitungen für bie Aufteilung einer Streik
ftatiftif nach poligeilidfeen unb frimineden Gefid)tSpunften, oer*
geffen ift ber geheime ©treiferlafe beS ©taatSfefretärS, oer*
aeffen ift bie Ausarbeitung beS GefefeentrourfeS gum Schüfe ber
ArbeitSroidigen. Damit ift roofel inbireft gugeftanben, bafe biefe
Sßläne nicht auf arbeiterfreunblicbem Voben ftefeen unb niä)t ber
Fortführung ber ©ogialrefortn, fonbern ber Rcpreffion bienen.
Die fleinen Vorfcferiften beS ArbeiterfcfeufeeS aber, bie ber VunbeS*
rath 1898 erlaffen hat, faden fannt ins Gewicht, roeitn man ba*
gegen hält, bafe ber VunbeSrath bie Vefd)lüffe beS Reichstages gu
Gunften ber Arbeiterberufsoereine runbroeg abgelehnt hat. Unb
hoch fteeft gerabe hierin im Augenblicf ber Kernpunft ber gangen
©ogialpolittf. Dfene bie Grfüdung biefer gerechten Forberungen
roerben ade Gingelmafenahmen, mögen fie an fidf) noch fo oerbienft*
lieh unb nüfelich fein, ©tücfroerf bleiben, bas nur erfennen läfet,
roie uitenblidj oiel noch auf bem Gebiete ber ©ogialrefortn geleitet
roerben mufe. „©eines FleifeeS barf fidf) jeher rühmen," fagt
Leffing; geroife, auch baS Reichsamt beS Fnnern mag bieS tl)un.
Aber mit bem Fleife adein, mit (Erhebungen unb Gntroiirfen, mit
Vorfäfeen unb Abfichten ift in ber harten Seit ber Dhatfadfeen Blut*
wenig erreicht. Das Fahl' 1898 ift unb bleibt ein in ber ©ogial*
politif beS beutfehen Reiches mit Unfruchtbarfeit gefcblageneS. ©od
es 1899 beffer roerben, fo roerben ade Anhänger einer fräftigen
unb gefunben ©ogialreform fich barüher aufrichtig freuen. Aber
fie rooden enblicfe Dfeaten feheit, ber Sorte finb genug geroechfelt, unb
fie glauben auch nicht au beit burefegreifenben Rufeen ber fleinen
Mittel für bie Arbeiterroelt, fonbern fie oerlangen eine roirfliehe
Dfeat: Die oolle Durchführung ber Koalitionsfreiheit!
Die ©ogialreform nnb bie Rationalliberale Partei im Reichs«
tage. Fn einem 52eitarüfel ber „Dentfdfeen Fnbuftriegeitung"
(Fahrg. 18 Rr. 1) befpricht £>err §. A. Vuecf, ber Generalfefretär
beS GentraloerbanbeS beutfeher Fnbuftrieder, bie ©ogialpolitif in
ber erften Lefung beS ReicbSbauSfealtSetatS für 1899. Den mich*
tigften s $Iafe nimmt in feinen Ausführungen bie (Erörterung beS
fogialpolitifchen Programms ein, baS Abgeorbneter Vaffermann
als Rebner ber nationalliberalcit Fraftion entroicfelt hat unb baS
roir felbft in ber Rr. 12 ber „Sozialen ^ra^is" als baS Greignife
ber Vubgetbebatte begcicfjuct haben. $err Vuecf, ber befanutlid)
bis oor Kurgem ber nationalliberaleu Fraftion beS preufeifdjen
AbgeorbnetenfeaufeS angehört h fl t, erfennt ebenfalls bie grofec
Dragroeite biefer Kunbgebung au, inbetn er fdfereibi:
„gn ber nationallibcralcu fraftion bcs Acidistages
fiat fid) uiioerfenubar hinfidjtlidj ber f ogialpo litifcfecn
fragen eine ftarfe ©djrocufitng oollgogcn. Diejenigen (Elemente
ber Partei, bie burd; ihre genaue Äenntnife ber ArbciteruerijäUmffe unb
ber Grunbbcbiitgungen für bas roirthfdjaftlidjc Gcbcihcu bie graftion
bisher gu einer htafeuollcn Haftung oeranlafet hatten, jdieincu au bic
SSatib gebrütft gu fein unb aitbcre Männer bie Rührung übernommen
gu haben. (Es ift roohl augunehuicn, bafe biefe ©cferocufuug ber Partei
oon bem Smtfdic biftirt mürben ift, fiel} hinfort mel)r auf bie SDZaffen
gu fti'ifeen unb biefen bafeer, int Scttberoerb mit ben atiberen Parteien,
möglicfejt oiel gu bieten. Die nationalliberale Partei hat gemifie Grunb*
pringipiett, bie fie uidit verleugnen fann, loeuu fie fidi nidjt felbft gang*
liefe aufgeben roid. (ES crfdjetnt grocifclhnft, ob es ihr, bei Aufredjfc
erhaltuug biefer, gelingen roirb, bie ber rabifalcrcn Gejammthaltung
ftets mehr gugencigtcu Ruiffen burdj ihre rabifalc Haltung in ber ©o=
gialpolttif au fid) gu gicfeeit. Riefet gu begmcifeln biirfte cS aber fein,
bafe bic natiouaüibernle fraftion burd) biefe Haltung roeiterc .Streife
ifercr bisherigen Anhänger abftofeen roirb, biejeuigeti .Streife, bie in ber
ungeftort ’fortfdireitcnbeit Arbeit, in ber müglidift auSgebefenten unb gu*
nefemeuben 6)ntcrcrgeuguug eine ber roefentlidjficn Wruiiblagcn beS
roirthfdfeaftltdjcn C^cbcihens, bcs S^ohlergehcuS ber Arbeitnehmer roie
ber Arbeitgeber, ttub bamit unferes gefanunteu ©taatsrocfeiis erfauut
feabcu. Dodi bic Partei hat über ihr ©djirffal felbft gu oerfiigeit."
Die alfo oerroarttten Rationallibcralcn roerben biefe Venter*
fungen fdferoerlidh ftidfcfetoeigettb cinftecfen. VMr hoffen, bafe bie
Antroort ebenfo ettifefeieben toie bie Rebe beS Abgeorbueten Vaffer*
mann bahin lauten roirb, eine burdfegreifenbe ©ogialrcfortn liege
gleidfeermafeen im Rufeen beS gefammten VaterlanbeS roie im roaferett
Rufeen ber Fnbuftrie, unb bie oon £>errn Vuecf oertretene Anficfet,
bie er als ©eneralfefretär eines VerbanbeS ber ©rofeiubuftrie ja
auSfpredfeen mufe, fei eben nichts weiter als bie Verfünbiguug ein*
feitigfter Unternehmerintereffen, für bie eine bem iBofele beS ©äugen
bienenbe Partei fidf) nicht einfpannen laffen fann. Dem ©inne
nadfe fefer beutlidfe, roettn auch oerbinblidfe in ber Form, erflärt bieS
jefet fdfeon bie „Rat.*3l9-"/ wenn fte fdfereibt (Rr. 12):
Cfeae „Waffen" fann mau roofel in Unterttchnter*Verbänben Vefdjliiffe
faffen, aber uidit bei ben SSahlen (Erfolge erlangen unb bafeer auefe ntefet
auf bie ©efefegehnitg (Einflufe auSübeu. SSill bic Fnbuftrie, roill bcrjctiige
Dfeeil berfelheii, roelcfeer im (Ecutralucrbanb beutfefeer Fubuftrieder oertrctcu
tft, auf bic Vetheiliguug an ber politif Vcrgidjt (elften? Docfe roohl faunt.
sfeenttaber uidit, bann muffen bie Unternehmer ftd) flarbariiber roerb.n, bafe
eine ^olttif, roeldie ausfchliefelicfe llnternehmer*Fntereffeu,
unb roärett es bie bcredjtigtften, roahruehntcit roollte, in einem
Saitbc mit allgemeinem 0 tint nt re djt burcfeauS unmöglich roäre,
©ie muffen fid) alfo einer politif anfcfeliefecn ober, roenn fie bisher
fefeott biefe uuterftüfeten, bei einer ^oliiif ausfearrert, tocldje im Rafemcn
ber allgemeinen nationalen Fntercffen bie ungrocifelfeaft überaus roidjtigen
unb berechtigten ber(fU*ofeiubuftrie roafert... 3a beit allgemeinen nationalen
Fntereffcn aber gehört aud) bic admäligc (Einorbnuttg ber Arbeiter*
Bewegung in bas Ringen glcicfebcreditigter gaftoren auf gefefeHcfecm
©oben um bic Ausgeftaltung bei* ftaatlicfeen (Einrid)tungen . . . (Eine
berartige politif biirfte oon bem (üebaufen ausgefeen, bafe gerabe aus
einer politifefeen Auffaffuug, roeldje bie Rothroenbigfeit unb Rüfelicfefcit
ber heutigen gönnen beS (i)rofebctriebS auerfeunt unb gegen rüctfdferitt«
lid;e Veftrebungen oertritt, fid) ber Antrieb gitr Rcrbefferung ber
Lebenslage ber roeiteu Rolfsfreifc ergeben mufe, bie biefem
Orofebetrieb bienen unb ifen crntöglidjcn.
Sefleaentttg auSlünbifcher Arbeiter tu Ftettfräd). Der fran*
göftfehen Depuhrtenfammer liegen oerfdfeiebene Anträge, betreffenb
bie Vefteuerttng auSlänbifcfeer Arbeiter in Franfreich oor. Der
Antrag §oIfe forbert eine Kopffteuer oon 52 begro. 72 FrcS. im
Fahr für jeben auSlänbifcfecn Arbeiter, je uaefebem ob er in einer
©tabt oon lOOOOO (Einwohnern ober bariiber befdfeäftigt ift; bie
3afelung ber ©teuer obliegt bem Unternehmer, hoch fann fie
auf Verlangen einer Olemeinbe für ihr ©tabtgebiet zeitweilig auf*
gehoben roerben, was oorgugSroeife 'fiir bie (Erntearbeiten im Rorben
unb Dften FronfreicfeS gelten fod. — Der Antrag Rtagniaube
forbert, bafe jeher Arbeitgeber, ber AuSlänber befdjäftigt, fei es im
£>anbel, Fnbuftrie ober Öanbroirthfdfeaft ober fonftroie, pro Dag
unb Kopf ber befdfeäftigten AuSlänber 50 Centimes gu gafelen hat;
bie einlaufenben Veträge foden ber frangöfifcfeen AlterSoerforgungS*
faffe gufliefeen. — Der Antrag Vrice & GhapuiS roid bie ©teuer
ben Arbeitern felbft auferlegen unb groar in ber .frohe oon 5 FrcS.
monatlich für Riänner unb oon 2 FrcS. für Frauen, bod)
wären bie Arbeitgeber für bie Ginbringung ber ©teuer haftbar. —
Der Antrag Gontant roid ©teueriiberroälgutigen baburefe oerhüten,
bafe ber Arbeitgeber gegtoungen fein fod, bem AuSlänber ben
gleichen Lohn roie ben nationalen Arbeitern gu gaf)len unb groar auf
Ürunb ber oon ben ©tjnbifaten feftgefefeten Darifc; überbieS bürfe
fein Unternehmer mehr als 10% auslänbifche Arbeiter Befehäftigen.
Gin „Musee social“ in ben Rieberlanben. Aus Amfterbam
roirb uns gefefeneben: Die grofeartige Stiftung beS (Grafen oon
Ghambrun in VariS hal in ben Rieberlanben Radfefolge gefunben.
Rad) einem Aufruf oon Di. F- Gringarb in Delft famcit
in ber oergangenen V^odfee in Utred)t mehr als fedfegig s ^erfoneit
gufainmen, um einen Verein gu ftifteu. Gs waren Vertreter ooit
Vereinen unb Vrroatperfonen anroefenb, Riitglieber oder politi*
fchen Parteien, oom fatholifcfeen (EJeiftlicfeen bis gum ©ogial*
bemofraten. Der neue Verein roirb alfo politifcfe gang neutral
fein, ©ein Ginfommen roirb aus ben regelmäfeigett unb ben frei*
willigen Veiträgen ber Rlitglicber, foroie aus ben fronoraren für
©utadfeten fliefeen. V3ie baS „Musee social“ in $ariS h fl l ber
Verein ein breifacfeeS 3^ 1- Febern, ber Riafenafenten gur Ver*
befferung ber Lage ber Arbeiter treffen roid, unb ben Arbeitern
felbft Gutachten gu geben, bie oon bem in Amfterbam unter ber
Leitung eines Befolbeten ©efretärS gu erridfetenben Vureau, oon
bem Vorjitanb beS Vereins ober ben oon biPfetn beigegogenen
©ad)oerftänbigen ausgearbeitet roerben; 2. ©ogiale unb ö!onomifd)e
llnterfudfeungen gu oeröffentlicfeen unb 3. eine öffentliche fogial*
roiffeufchaftlicfec Vibliotfeef gu ftiften, bie noch nirgenbs iit .fSoüaub
in geuügcnber Söeife befteht. Diefe 3id e b a * bie Verfammluug in
lltrecfet bereits feftgeftedt. Um bie ©tatuteu feftgufteden, ift eine
Kommiffion ernannt, in bie aud) ein Klerifalcr unb ein ©ogial*
bemofrat geroäfelt finb. Später roirb eine groeite Verfammlnug
ftattfinben unb bann roirb ber Verein feine Arbeit beginnen.
3*7
Soziale $ra£tS- Ecntralblatt für Sozialpolitik 9?r. 15.
388
ftommmtale Sozialpolitik.
2)ie ftäbrtfdje VerftdjernngSfaffe gqjen ArbeitSfoftgfcit in Äöln
uttb ba$ (GetotrffdjaftSfartett. 3 m Aufrufe an ben ftäbtifdjert
ArbeitSnadjtueiS errichtete im 3af)re 1896 bie Stabt $öln a./Alj-
eine VerficherungSfaffe gegen Arbeüslofigfeit, roeldjer jeher Arbeiter
nach zweijährigem Aufenthalte in ber Stabt beitreten fonute. 3 U
bem (GrunbfonbS fteuerte bie Stabt $öln 25 000 ( // bei; aus
prioaien Mitteln mürbe eine ftattliche Summe aufgebracht. 2>ie
finanzielle (Grunblage biefer „ftabt*fölnifd)en VerficherungSfaffe gegen
ArbeitSlofigfeit" mar fomit gefiebert, unb bur<h ben Anfdjlug an
ben ftäbtifd)en ArbeitSnadjroeiS mürben bie Einrichtung#* unb Ver*
roaltungSfoften fehr geringe, Brögbern ftanben bie Arbeiter bis
oor kurzem biefer $affe mit SRifctrauen gegenüber, meil fie burch
bas Statut oon ber Vtitteitung ber klaffe auSgefdjloffen roarett unb
burd) bie Verquicfung ber VerficherungSfaffe mit bem ArbeitS*
nachmeiS bie Vefürdjtung h e Qten, bafe ArbeitSlofe als Streifbrecher
herangezogen merben fönnten. 2 )ie 9)2itglieberzahl blieb in Jolge
beffen in ben erften beiben (Gefihäftsjaljren eine geringe. 2>a ent*
fchlofe fich bie Stabt $öln zu einem neuen Statut, beffen leitenber
(Gebanfe ber mar, ben Arbeitern unb Vetfidjerten entgegenzufommen.
2)er Inhalt biefeS neuen Statutes, baS am 9. Vcärz 1898 oon
ber Regierung beftätigt mürbe, ift f. 3t- in ber „Sozialen VrajiS"
mitgetheilt roorben (oergl. 3al)rg. VII Sp. 658). $un befc|lof$
auch &aS (GeroerffchaftSfarteß in Üöln feinen Beitritt znr $affe.
8erürfp#flgung Äfetngefoerbtrei&enber bei ftäbtifdjen Sub*
mifftonen in JJranffurt a. 2W. Vei ben ftäbtifchen Veroingungen
in jranffnrt a.9J2. fotten fünftig burch 3^Iegung bazu geeigneter Auf*
träge, Erleichterung unb Verbilligung ber Veroerbung, jortfaß ber
Kaution bei fleineren Aufträgen, oertragSmä&ige Vetheiligung
Heiner bur<h größere Unternehmer, bie Hcinen (Geroerbetreibenben
mehr betheiligt merben. 9Kit bem (Grunbfafc beS 3 u fd)lageS an
ben ßJHnbeftforbernben fott gebrochen, bei jreihanboergebungen ein
gcroiffer Turnus ber eingefeffenen gianbrocrfer roie in einigen
anberen Stabten beliebt merben. Statt ber Sfonocntionalftrafe foß
bei Verfpätung nur ber mirfliche Schaben gebüßt merben. 3n bie
Vebingni&beftc merben Älaufelit über bie Haftung für gefchulbete
Löhne unb VerfidjerungSprämien aufgenommen. 2üe Streitigfeiten
merben fchiebSgerid)tli<h ausgetragen.
Siäbttfdje Söcrfftätteu für ArBeiteriMmliben in $ariS. 2 )er
(Generalratl) beS Seinebepartements befchloffen, in einem ar*
beiterreichen Stabtoiertel eine Sßerfftätte 311 errichten, in benen oer*
nnglücfte Arbeiter mit befd)ränfter LeiftungSfähigfeit (Gelegenheit
Zu einem ihren Kräften entfpredjenben Verbienfte finben foßen. ES
hanbelt fich herbei um ben erften Stritt znr Ausführung eines
großen planes (fiehe „Soziale $ra£iS" Wr. 1 Spalte 10 b. 3-)-
2 )er in bem zn errichtenben Etabliffement gemährte Sohn mirb im
VJinimum 1,25 3?rcS. betragen.
Stäbtifdje SRiScetteit. 2ic Amuenbuug ber (Gruubfäbc zur Sidjcr*
ftclliuig ber Veantten auf bie [täbtifdjen Arbeiter macht weitere gort*
•fdjrittc. git Stainz hat bie Sonberfonmtiffion für Ausarbeitung einer
Arbeiterfiirforgc ber Viirgermcifterei einen Entwurf unterbreitet, rooitadj
ben bei ber Stabt befd)äftigtcu ftänbigcu Arbeitern bei 2icufnmtauglid)*
feit nad) zehnjähriger Xienftzcit ein 9ted)t auf 20 % beS lebten burcbfqiiiitt*
liehen Xicufteiufominciis gemährt merben, jährlid) fteigenb um 1 %
bis zum £>ücbftbetrag non 40 %, jebod) miubefteus 240 .//. 2ie 2Gitt*
menpenfiou foü 25 u /o bes ^icufteinfcnnmcnS bes 9)?amieS, jebodj min*
bcftcnS 180 unb bas 9s5aifengelb füll 10 % bis zum uollcnbcten
16. Lebensjahre betragen. 2er SSorfdjIag ift aut 80. Xezember uon ben
3tabtuerorbnetenangenommen morben. (Sin ähnliches Statut(ugl.3p.222)
ift in S\ arlsruhc am 14.2ezember mit grofjerSliehrbeit befchloffen morben.
— in Verliit ift auch in (iharlottenburg bie Ausbehnung ber
Mranfeitucrfidierung auf bie in Zfommunalbienften befdjäftigten
^erfonen befchloffen. — 2ie Einführung ber Stabtuerorbnetenmahlen
nad) Verufsflaffen (ugl. 9?r. 11 Sp. 277) in Ehcmuip ift uon ber
fäd)fifd)cn Regierung genehmigt. — $u $renzlau ift ber praf*
tifd)e Arzt Dr.Aiemer zum ftonigtidicn CrtSfdjuüufpeftor (Sdjnlarzt)
für bie bortige fatholifchc Sdjule ernannt morben. — ^it ^-rei*
berg in Sachfen mirb uont .sireisuerein zu Xrcsben eine lanb*
mirtl)-fd)aftlid)c .^aushaltnngsfdfiile gegriinbet. Ein Xheil ber
Mittel mirb burd) eine Anleihe uon looijo Jt befdiafft. — OJcgcu bie
Einführung bcs .&aushaltungSuntcrridjts in ben E hnrlottcn*
bürg er Volts^bcäbdfeufdfulen hatten bie Sleftorcn eine Petition beim
^linifter cingercidit. Aad) einer Zeitteilung in ber Stabtucrorbnctcn*
uerfammlung uom 21. Dezember fmt aber bie Regierung bieje Vebetifen
nidjt getheiit. --- ’jnni Spielplap für Miuber hat ber SKagiftrat
bcrfclben Stabt einen Sdnilhof freigegeben. 9Kan nimmt an, bap halb
bie Freigabe meitercr geeigneter Sdiulhofc für ben gleidjen 3metf er*
folgen mirb. — 3 l, r uorläufigen Zegelnng ber ZZüllabfubr nnb .fSer=
beiführnng einer bnlbigen enbgiltigen Entfcbeibnng über bie >srage ber
SKüübefeitigung forbert ber Verltitcr SKagiftrat einen Ärebit uon
100 000 JL 2ic grage ift burch bie neuerliche SRegterungSüerfiigung
über baS Ablaben uon berliner SWitll außerhalb beS berliner 5Beich=
bilbeS brennenb getuorben. — 2ie Hamburger Vürgcrfdjaft hat eilten
Antrag auf Einführung einer Umfafcfteuer für Söaarenhäufer unb
.^onfumuereiite abgelehnt. 2ie Stabt 2re§ben miß megeti ber erhöhten
LebenSmittclprcife unb 5D2iethen ben inualibcit unb älteren ftäbtifchen
Arbeitern einen bauentben 3uf<h ,l 6 S« ber Alters* unb gnualiben*
reute zahlen. — AuS Z?ainz unb 9)2au 11 ljeint mirb baS gort*
fdjrciten ber gürforge für [täbtifdje ütualibe unb alte Arbeiter ge*
melbct. — 2ic itaffelcr Stabtuerorbueten ftimmteu am 6. gauuar ber
Erridftmtg einer ftäbtifchen ArbeitSnadhmeiSfteßc auf ftäbtifdic Äofteit zu.
— 2ic gentifdftc Momntiffion, bie tu öalle bie Errichtung eines
Eleftrizitätsmerfes uorberäth, eutfehieb fich am 31. 2czcniber ßir ben
Vau unb Vetrieb in ftäbtifcher 91egie. — 2ie iit Veuthen 6c*
frfjloffene SBaareuhauSfonberfteuer fanb bie minifterieße (Genehmigung.
— gn ZJühlhaufen i. 2h- mürbe ber Antrag auf AnfteUimg uon
Sdjulärzteu uon ben Stabtuerorbueten am 4. gannar abgclehnt.
Vei ber ftarfeit gnbuftriebeuölferung unb reidjlidjcr Miuberarbeit bafelbft
ift ber Vefdfluft hoppelt bcbaueruSmerth.
Stäbtifdje SWinbeftlühne in Belgien. 2)er Vrüffeler Elemeinbe*
rath hat für bie Vergebung ftäbtifcher Arbeiten im 3ah*e 1899
baS bereits im Vorjahre geltenbc Arbeiterfchuhreglement ange*
nommen unb bie zu z a hi en hen 9)2inbeftlöhne in gleicher £)öh e fifirt,
nachbent bagegen meber feitenS ber Unternehmer* nod) ber Arbeiter*
fpnbifate eine Weflamation beim (Gemeiuberathe eingelaufen ift. —
SDie fozialiftifche ©ruppe beS (GemeinberatheS oon ©ent hat einen
Antrag eingebracht, z^eefs Erhöhung ber ßßinbeftlöhne ber
ftäbtif^en Arbeiter, foroeit jene niebriger finb, bis auf 3 grancS
für ben 2ag unb einer lOprozentigen Steigerung ber 3 tüifcf)en 3
unb 4 Spanes fich beroegenben Sohnfähe.
^beUgebemerbanke.
SlTheitgebernerbanb $am(nrg*A(tona. ®cr 3 ahrcsbcrid)t für
1898 beginnt mit ber Vemerfung, auch 1898 fei baS Ermerbslebeu
§amburg*AltonaS nicht oon Störungen burd) Streifs ober Vop*
fottS oerfchont geblieben. Es mirb ba z un üchft bie AuSftanöS*
beroegung im |)olzgeroerbe genannt. 2>er AuSgangSpunft mar ein
oon Der "Xifcfflerimiung gefaxter Vefd)luh, prooiforifd) bie neun*
ftänbige Arbeitszeit einznfiihren. 2)er Arbcitgeberoerbanb aber
bemog bie Snnung, biefen „ruinöfen" Entfchluh micber aufzuheben.
2 )er Väderftreif mirb lebiglid) auf fozialbcmofratifche Agitation
Zuriidgeführt: „nach einigem ^ßuften unb Jauchen gelang es, bie
Jlamnte ber Unzufriebenheit ein roenig anzufa^en." 2)er Arbeit*
geberoerbanb, nach Anficht (GemerffdjaftSfarteß unb Sozial*
bemofratie zufanimengehören „mie Stic!* unb Sauerftoff in ber
£uft", trat für baS bebrohte Väcferhaubraerf ein. Vefanntlich
haben fich bei biefem AuSftanb beibe Parteien ben Sieg zugefd)ricben.
„ 3 n mehreren Jäßen" — h e ifei & meiier — „fonnten bie ohne
Anbrohung oon Streifs gefteßten Jorberungcn auf Lohnerhöhung
Zum 2heil bemilligt merben." Uebcr ben ArbeiiSnadjroeiS mirb
efagt: „2)ie oielfad) unberechtigten Strcifbemegungen beS oer*
offenen Saf^S zeigen u. A., mie begrünbet unb zeitgemäß bie Veftre*
bungen beS VcrbanbeS finb, ben ArbeitSnachmciS Den Arbeitgebern
Zu erhalten ober zu erobern unb bamit neben anberen Vortheilen
einer planooß geleiteten ArbeitSoennittelung möglichft iiberaß ein
mirffaineS Abmehrmittel gegen nnbered)tigte Streifs roie gegen ben
VUftbraud) beS ^oalitionSrechteS zu fchaffeit". V?ie man fid) er*
innert, ift bie Leipziger Arbeitsnadjmeisfonferenz auch oon .f^arn*
bürg aus angeregt roorben: „9Bahrlidj ein Ergebnis oon meiiefter
Vebeuiung," ruft ber 3ahreSbcrid)t AngcfiditS biefer Konferenz aus.
2>ie EntmicfelungSauSfichten beS VerbanbeS, bem z we i ueue Ver*
eine beigetreten finb, merben als burchauS günftig bezeichnet. —
2)ie „gefunben Hamburger gbeen", für bie ber Arbcitgeberoerbanb
roirfen miß, finb nichts meiter als bie V r °Hamirung einer geroerb*
liehen Jeubalität, bie bie gefehlte (Gleichberechtigung oon Unter*
nehmer nnb Arbeiter im ArbeitSoertragc in ber $rajiS rücfFjaltlo^
oermirft.
Vereinbarungen ber bcutf^cn ftammgarnfpinncr« 2>ie oer*
einigten ^ammgarufpinuer haben ihrer gefammteu Äunbfdjaft ein
Vunbfdireiben mitgetheilt, roonach ber fid) oerfd)lechternbc (Gefd)äftS*
gang fie beftimmt, eine Eiitfdjränfitng ber Erzeugung um 20%,
Zunädjft bis Enbc guni 1899 oorzunel)inen. Jür Abfchliiffe gelten als
! äufzerfte Abnahntcfrift, foferu eine fiirzero nid)t oereinbari mürbe,
1 fcdjS Vionatc bei rohmcifecu, smölf Monate bei bunten (Garnen.
| Jur jebcit halben Zi'onat fpätcrer als nrfpriiuglid) oereinbarler
I Abnahme mirb bem Abnehmer % % 3iufen beredniet.
380
©oginle ©raris. Gentralblatt für ©ogialpoliitf. Ar. 15.
300
SoguifywfiHfihe ©eftrebungen bet ©arifer ©auunlernehmcr.
Ter erfolgreiche AuSftanb ber Erbarbeiter im Dftober lebten gahreS
hat bic Unternehmer beS ©arifer ©augewerbeS gxir ©eranftaltung
eines Kongreßes angeregt, ber fürglich ftattfanb. Es ^errfd^te ein
unerwartet reger fogialpolitifd)er ©eift in ben ©erhatiblungeit. ©Jan
berieth außer ben oerfdjiebenen ©laßnahmen gitr Nahrung ber
gntereffen gegenüber ben Auftraggebern, namentlich ben öffentlichen
©ehörben, ^auptfädhlid) über bie ©effergcftaltung ber ©egiehungen
gu ben Arbeitern, ©o roiinfeht man, baß bie Uttternehmeroereme
©littel finben mögen, um in llebereinftimmung mit ben ©ewerf*
fdjaften bic AuSftänbe gu oermeiben. Tie grage ber ©ewinnbethei*
tigung ber Arbeiter in ©erbinbung mit ©ettfioitS* unb Kranfenfaffen
fou genauer ftnbirt werben. Tie Unternehmeroereine foHen ferner
fich beim gnfrafttreten beS neuen Unfafluerfid)eruiigSgefebe§ als
SöerufSgenoffenfchaft organifiren, in ©erbinbung mit ben ©emeinben
unb ©ewerf f(haften bie berufsmäßige AuSbilbung ber Arbeiter oer*
ooHfommnen, fich über bie allmälige Einführung ber ©onntagS*
ruße oerftänbigen, um bereu gefeßliihe Einführung überflüffig gu
machen. Ter Kongreß, ber erfte feiner Art unb nur bie ©arifer
Region umfaffenb, wirb im nächfien gahr erneuert werben unb
ft<h 1900 gu einem nationalen erweitern.
Xlrbeitarbetnesttitg.
©tu allgemeiner ©Sefrerftreif tu Krcfelb wirb in einer längeren
3ufdjrift aus Krefelb an beit „Vorwärts" für ben 16. b. ©I. fig*
nalifirt. Unter ben Arbeitern herrfche Einftimmigfeit barüber, baß
burch bie oon ben ©ammtfabrifanien ohne 3 ll S' e ^ung ber Arbeiter
aufgefteÜte einheitliche fiohnlifte bie Arbeiter, befonberS bie beffer
begabten, erhebliche &ohnetnbiißen (15—20%) erleiben würben.
Eine ©erftänbigung würbe fich 3 löac vielleicht ltod) ergielen laffen,
wenn bie gabrifanien aemeinfchaftlicb mit ben Arbeitern eine anbere
fiohnlifte aufftellen wollten; aber attfcfjeinenb fomme es ben Unter*
nehmern auf eine Kraftprobe unb auf einen ©orftoß gegen bie
mißliebigen Arbeitcrorganifationen an. ©kttn es ben Krefelber
Arbeitern nicht an ber nötigen Unterftüßnng feitenS ber gefammten
beutfd)en Arbeiterfchaft fehle, hoffen fie gu jiegen. Ta burch einen
©treif ober eine AuSfperrung ber ©ammtmeber auch anbere Ar*
beiterfategorien in ©litleibenßhaft gegogen würben, würbe bie 3ahl
ber feiemben Arbeiter in einigen s Bodf)en halb auf 7—8000 an*
wachfen. ©oit anberer ©eite, befonberS oon ben ©littelSperfonen,
bic in bem leßten Krefelber ©toffweberftreif oermittelten, wirb
weniger optimiftifch gcurtheilt. ®iefe oerweifen auf bie ben Ar*
beitem wenig günftige ©efchäftsfonjunftur unb auf bie großen
©orräthe ber gabrifanten. Tie organifirten <hriftlid) s fogialen
Textilarbeiter finb gwar auch gegen bie neue ßoßnlifie, wiinfehen
aber friebliche ^Beilegung beS ©treiteS burch eine gemifchte Korn*
miffion, gegen bie fich aber bisher bie Unternehmcrfoalition fträubt.
Am 8. b. ©I. befchloß eine oon 2000 ©erfonen, Gebern, Bürgern,
Arbeitern, bcfuchte ©crfammlung, bas ©emerbegerid)t als EinigungS*
amt in bem ßoßnftreite angurufett. Taitad) fcheint hoch noch ritt
frieblicher Ausgleich möglich-
Ter beutfehe ©auarbeiterfongreß, ben bie in Hamburg bomi*
cilirenbe Kommiffton für ©auarbeiterfd)uß einbernft, fott am 20.
unb 21. ©lärg b. gS. in Berlin ftattfinben. Tic TageSorbnung
ift wie folgt feftgefeßt: 1. Ter ©außhwinbel, baS ©ubmiffionS*
wefen, ihre Urfachen unb SBirfungen. 2. Tie Unfallgefahr unb
©lißftänbe in fanitärer ©egießung im ©augemerbe. 3. Anträge. —
Tie Kongreßbelegirten foieit in öffentlichen ©erfautmlungeu ge*
wählt werben unb gwar als Vertreter ber Angehörigen eines ©e*
rufeS ober ber gefammten ©auarbetterfdjaft eines DrteS, niemals
als Vertreter irgenb eines ©ereinS.
©rotefi fatljolifdjer Arbeitervereine tu Serlin gegen Serfdjar*
fug ber ©eftrafnug von ©treifvergeßen. Eine ©erfamntlnng ber
fatholifchen ^Berliner Arbeitervereine nahm in Anwefenheit ber
ReicßStagSabgeorbneten £>ille unb ©<hmibt *2Sarburg folgenbe
Refolutioit an:
„Tie ©erfammlung erfrört fich gegen bie in Aiisftdjt geftcllte ©er*
fdjärfung oon ©trafen für fogeuanntc ©treifoergeben. ^nsbefonbere ift
bie Anmcnbimg ber entebrenben ^uddhausftrafc entfdjicbeu gnriicfgu*
weifen, weil bäburrf) bic ftk'griifnße unter beit Arbeitern oerfdiärft unb
eines ber wid)tigften Oted)tc bcs Golfes, bic Koalitionsfreiheit, beben*
tungslos würbe. Tcsljnlb erwarten bie organifirten chriftlidjen Arbeiter
oou aßen Abgeorbneten beS Teutfdjen Aeichstages, weldie auf bem
Aobert ber djriftlidien fogialeu Acform fieben, eine entfdiiebene Ableb*
nung jeber 'Bcfdiränfnug ber beftebenbeu Aedjte bes arbeitenben Aolfe?."
Ttr ^lan einer Sföberation ber Trabe Unions, ber in einem
©pegialfongreß am 21. Januar in s Wanchefter beratheu werben foll,
begegnet in ben Greifen ber alten, großen EJemerffdjaften ftarfen
©ebenfen. Ter „Trabe Unionift" (Ar. 4) hat einige ©encralfefretäre
um ihre Anfichten befragt. Ta ift gunächft .Jierr Aobert Knight,
feit 28 Sahren Ebeneralfefretär beS mnb 44 000 Acitglieber gähien*
ben ©ereinS ber Keffeltnacher; er ift ©orfißenber beS befonberen
AuSfchuffeS für ben ©ereinigungSplan, aber er ift nicht befonberS
fanguinifch in feinen Erwartungen: „Tie befte SKethobe ber $öbe*
ratton ift bie ©erbinbung ber Arbeiter oerwanbter (bewerbe gu
einer (Gruppe," wie bieS $. ©. im ©chiffSbau unb im ©tafchinen*
bau ber 5att ift. Auch bie ©rünbung beS UntemehmeroerbanbeS
fann ihn nid)t baoon übergeugen, baß nun färnrntlidje ©ewer!*
fchaften in einer einheitlichen Aiefenorganifation gufammengefaßt
werben müffen:
„HReinc eigene Erfahrung, fo erflörtc er, geht bahin, baß bie Sftehr*
gahl ber Arbeitgeber nach Aed)t unb ©illigfeit mit ihren Arbeitern
haubein wollen. Tic ©elbftfud)t beS eingelnen Unternehmers hier unb
bort ift bie Urfachc ber weiften Reibereien, ^d) habe aber lieber mit
einem ftarfen Uuternehmcroerbanb gu thun als mit bem eingelnen Arbeit*
geber, weit in einem ©erbanb ber Egoismus bes Eingelnen feinen ^lap
Ijat. ... Tie wahren ^reimbe ber ®ewerffd)afteu wiffen, baß Atanches
oon ben SDritgliebcrn gcthait wirb, was nicht gu billigen ift. deines
Erachtens muß bas ©ewußtfciit, einer ftarfen Drganifation bes Kapitals
gegeniibergufteben, einen wohlthätigen Einfluß auf bie unoorfichtigen
©(itglieber ausüben. SKas bie Unternehmer betrifft, fo ift ber Eewintt
für fie enorm. Eine ©ereinigung fdjüßt gute Arbeitgeber gegen ©elbft*
fud)t unb Kurgfidjtigfeit ber fdiled)teu, mit Venen-ße gu fonfurriren haben,
unb bie ©Urfuttg ift eine größere ©tetigfeit im ©efdiäft. Ein Arbeit*
geber oom Tijne fagte fiirgiid; gu mir: §err Knight, wir müffen ben
Trabe Unions banfbar fein, ©ie haben uns gelehrt, wie man ftd)
organiftren muß. — Trabe UnionS finb meines EradjtenS ebenfo noth s
wenbig unb werthooß für bie Unternehmer wie für bie Arbeiter."
Ter ®eneral[efretär ber ©ereinigten ©efellfchaft ber 3i m mer*
leuie, §err 5. Ehanbler, meint, man fömie bie ©emühungen für
bie göberation füglich als ein ©flügeit im ©anbe begeidjiten. Aach
feiner ©Meinung ift baS ©erlangen nach einem nationalen ©erbanb
ein 3ei<hen beS ©Mangels wirffamer Drganifation in ben ©ewerben,
bie am fiauteften bauach riefen. Tie großen Tejtil* unb ©erg*
arbeitergewerffdjaften, bie oorgüglich organifirt finb, geigten feinerlei
Eifer. TieS wirb betätigt burch Aeußerungen oon |)emt ©3. ©trafer
oon ben AorthnuiberIanb*©crglenteu: Efje wir btc Trabe UnionS
in einem ©erbanbe oereinigen, müffen wir bie Arbeiter ber eingelnen
©ewerbe fantmeln. Tie am Ungeftümften nach ber Söbcration
oerlangen, finb bie ©d)mä<hften, weil fte feine Drganifation in
ihren eigenen Reihen haben. „Eine göberation als Kampfmacht
würbe nichts taugen; wir fönnten nie bie ©Uttel, bie Drganifation
unb bie TiSgiplin aufbringen, um ben ©kttfampf mit ber ©lacht
gu wagen, bie man gegen uns ins Treffen führen würbe." Er ift
ebenfo wie Knight ein Anhänger beS „gewerblichen griebenS", ob*
wohl, ober beffer: weil fie giihrer mad)toolIer ©ewerfoereine finb.
biefen Streifen, in beiten ber alte Trabe*UnioniStnuS fräftia lebt, ftrebt
man nach Kräftigung ber eingelnen Arbeiteroereine unb ©erbinbung
ber ©ewerffdjaften oerwanbter ©ewerbe, wie bieS unläitgft in biefen
©lättern (3al;rg. VIII ©p. 86) auch °on |>errn g. 2Ö. ©alton
nachbrüdflich oertreten worben ift, unb hält ben ©ebanfen einer
göberatiou aller Trabe UnionS für eine Utopie ober eine ©efahr.
©lau fann gefpannt fein, ob biefe Richtung ber Arbeiterbewegung
auf bem unmittelbar beoorftehenben Kongreß oon ©?ancf)efter ben
©ieg baoontragen wirb.
©itt Kongreß ber ©tvifarbetter VeS SRtHtäreqnippemetitS in
granfreid) fanb fürgliih in ©ariS ftatt. ©ertreten waren burch
24 Telegirte alle bebeutenberen ©efchäftScentrcn unb bie brei §aupt*
brauchen bcS ©ewerbeS: ©efleibnng, gußbefleibung unb ©attlerei.
Tie TagcSorbnung beS KongreffeS umfaßte folgenbe ©unfte:
1. ©Icidjtnäßigere ©erthcilung ber Aufträge an bie Eioilntanu*
fafturen; 2. ©ereinheitlichmtg ber Tarife für baS gange £anb auf
ber ©afiS bes ©linimaltarifs oon ©aris; 3. ©erbot ber ©etheili*
gung ber RcgimentSwerfftätlen an ben ©ubmiffionen; 4. ©efeiti*
gung ber ©lafcftinenarbeit in ben ©chuhmanufafturen. — ©kS bic
gleidhmäßigere ©ertheilung ber Aufträge betrifft, fo flicht man gu
erreichen, baß jebeS AnueeforpS feinen ©ebarf in feiner eigenen
Region beeft unb fo bie lofale gnbuftrie förbert. — Tie ©ercinfjeit*
lichung ber Tarife forbert man, weil unter bem beftchenbcn ©nfteuic
ber freien Konfurreitg ber Unternehmer bei beit ©ubmiffionen ber
Arbeitslohn mehr unb mehr erttiebrigt wirb. ES fei barnin uöthig,
in ben ©nbmiffionsbebinguugcu einen ©liitimalfohn fefigufeßen,
unter welchen ber fid) bewerbenbe Uittentchmer nidit herabgelieu
fömteit. — Tie Regiinentswcrfftätteit füllen, wenn nidit nbgefdiaffi,
fo bodj oon ben ©ulnnilfioiini für neue l # iefmiugeu iiiisgefdilofien
unb auf bic Reparaturarbeit bofdiräuft werben, ©ie finb es, ba
392
891 Soziale Braris. (Scntralblatt für Sosinlpolitif. Ar. 15.
ftc unter gans hefonberS giinftirjen Bedingungen fonfurriren, haupt»
fädjlid), welche bie greife unb Löhne brüefen. ©te begaben beit
in ihnen befd)äftiglen ©olbaten be£ aftioen ©tanbeS faunt 15 GtS.
pro Tag, oerfügen über auägegeidjncteS 9)?afd)tnentnaterial, nttb
oergeben iiberbieS, wenn fie suoiel Lieferungen übernommen hoben,
bie eigenen Aufträge nid)t feiten an Afteritnternebmcr, natürlich
unter meiterer ^erabbrüefung ber greife. — Tie Btafdhinenarbeit
in ber ©chuhfabrifation hot für ben Arbeiter mannigfache Bad)»
theile. (?) ©ie oergröfjcre bie ©efahr be§ BüferathenS einzelner ©tiiefe,
roeldje gans auf ben Arbeiter suriidfällt, ba er für bie Bialfa^onS
anf^ufommen hot. ©obann liefere fie nur eine ©aare, bie bei
Weitem fd>Ied)ter fei als bie honbgearbeüete unb auf bie Tauer
bem ©taate hoch theurer fomme als bie Lefctere. ©an$ abaefehen
baoort, merbeit bei ber weiteren AuSbehnung beS ©ebraudjs ber
Bfafchinen ca. 75—80% beS ArbeitSperfonalS oerbrängt. — Ter
Shmgrefe fanbte, um ber Ausführung feiner Anträge näher 511
fommen, Rapporte an bie Teputirten ber intereffirten ^e^irfe unb
bemüht [xd), bie bireften Eingriffe beS ^riegSminifteriumS ju er»
wirfen.
3lrbetttrrd)u|.
Bcrmchrttng be$ BergauffidjiSpcrfottalS in $reuf?cn. ©ie oor
längerer Jeit mitgetheilt, hot bie Regierung int oerfloffcnen
©omtner firf) eingeljenb mit ber AuSgeftaltung bcS bergpolijeilichen
AuffidjtSbienfteS befdjäftigt, ber bie ©idjerheit ber Baue, beS
Lebens unb ber ©efunbheit ber Bergarbeiter gu fontroliren hot.
9Bit biefer unmittelbaren ©taatSanfficht fittb gegenwärtig 65 Berg»
reoierbeamte betraut; biefen gebachte bie ©ewerbeoerwaltung
Beoierunterbeamte beijugeben, bie im praftifchen Tienfte erprobt
fittb. Dffijiöfer Reibung nach finb in bem nädjftjährigen ©taats»
hauShaltSetat 50 foldjer Beamtenftellen ^unt erften BRal auSge»
bracht.
Tie Söahl bon JföBrifinfpeftoreu in Jfranfreid)» Ter Kammer
liegt ein Antrag beS Teputirten 3«ooeS oor, bemjufolge bie Jobrif»
iufpeftoren oort ben Arbeitern gewählt werben foflett unb gwar auf
bie Tauer oou brei Jahren. 3ur ©äfjlbarfeit wäre bie Ablegung
einer Prüfung oor einer ©pecialfomntiffion nothwenbig, bie aus
einem Btitgliebe ber ntebijinifchen Jafultät, ber aeademie des
Sciences, einem Telegirtcn bcS ÖefuubheitSratheS, swei Beififccrn
ber ©ewerbegeridjte unb oier ®elegirtcn ber Arbeiterfpnbifatc be»
ftehen füllte. ®iefe Momtniffiou hotte gleichseitig über bie Turd)»
fiihruttg ber Arbciterfdjubgefefcc su wachen ttub (Gutachten in Jrageit
fosialpolitifcher Batur absugeben.
3lrbettcmrfldjeirmig. äpatkafteti.
Tct ©fattb ber Unfall» unb ber JiwalibttäfS» itnb AlterSoerfuherung
iu Teutfdjlaub 1897. Tie bem Beid)Stag oorgclcgtc Badjwctfuug ber
gefamntten BcdimtngS=(5rgehmffc ber BeriifSgcnoffciifdiaftcii :c. für bas
Bedpuutgsjahr 1S97 beste!)t fid) auf bic breiselfme Bcdntungsprriobe
feit bem Be ft eben ber gcfcplidjcit Unfa l lue rfi eher ung. Tie
118 Beriifsgcnoffcnfdjnftcn mit 919 ©eftioucn, 1 lM23jiitglicbcrn
ber Olcnoffcufdjajtsuorftän&c, 5 254 Bcitgliebern ber ©eftumsuor»
ftätibc, 25 458 Bcrtrauerusmämtcru, 214 augeftellten Beauftragten
(Beuifionsiitgeuicuren :t\), 1010 ©chicbsgcridjteu unb 4188 Arhcttcrucr»
treteru, haben 5 097 547 Betriebe mit 17 281 889 oerfidjerten Berfouen
umfagt. £ucrsu treten bei ben 4()4 Aitsführuugsbehörbcn mit 408 ©djicbs»
gcridjtcu unb 2 109 Arbeiteroertretern sufammen 7L7 75S Berfidjcrte, fo
bafj im Jahre 1897 bei ben Bcrufsgcuoffenfdjaftcu unb Ausführung«!*
behörbett sHfommcn 17 94 7 44 7 Berfouen gegen bie Jolgcu oou
Betriebsunfällen uerfidiert gcioefen finb. Jtt ber leiden Jal)I biirfteu
allcrbiugs au 1 Va Bcillioneu Berfouen hoppelt erfdjeiueu, bic gleich»
Seitig in gewerblichen unb in laubwirthfdjaftlidieu Betrieben bcfdjäftigt
unb uerfidjert finb. Tic i'lefammtfumme ber (5-n t f d) ä b i g u ug v- b e trä g c
(Beuten :c.j belief fidi im Jahre 1897 auf Jt* 88 978 547 ,77 (gegen
M. 57 154 897,™ int Borjahre). Tie Aus« hl ber neuen Unfälle,
für ioeld)c im Jahre 1897 (äntfd)äbigungen feftgeftellt würben, belief fidj
auf 92 828 (gegen 88 408 im Borjahre). .piernon malen Unfälle mit
töbtlidicm Ausgange 7 418 (gegen 7 lol im Borjahre), Unfälle mit
muthmafdid) baueruber wolliger’ (irmerbcamfähigfeit 1507 (gegen 1547
im Borjahre). Tie 5 > a h 1 ber oou ben getöbteten Ber Ionen hinter»
la firnen entidjäbiguugc'beredjtigtcu Berfouen beträgt 14 844 (gegen
18 958 im Borjahre). Taruuter befinbtn fidj 4 802 B2ittmeu (4 505),
9 575 Miuber (9 194) unb 287 Aijeubeutcn (254). Tie Anzahl nimmt»
lidjer sur Aumelbung gelaugten Unfälle beträgt 8s*j 807 (gegen 851 789
im Borjahre). Jm 'Allgemeinen wirb and] jetu uod) bie Jabl ber ge»
melbeteu Unfälle geringer fein, als bie o>rfammtsal]l aller Unfälle,
meldie eine Arbeitsuufähigfcit oou mehr als 8 !7agen sur Jolge hatten.
Tie Erhöhung biefer ; fahlen lägt im BJef ent lieben eine belfere ö'rfiilluug
ber Anseigepflidjt erfennen; ©d)lüffe auf Zunahme ber Unfälle überhaupt
fömtcu hieraus nid)t gesogen werben.
Tie Summe ber anrechuuugSfähegen Söhne, bic fid), wie
heroorgehoben wirb, mit ben wirflid) oerbienten Söhnen uid)t berft, ftcllt
fid) bei ben 85 gewerblidicu Berufsgenoffenfchaften auf JJ . 4 253 820 oni,.,.j
(gegen M. 3 922 998 388,5t im Borjahre), bei einer 3af)l Uün 8 042 611
oerfidjerten Berfouen (gegen 5 734 6so int Borjahre). fes entfallen alfo
auf einen Berfidierten an anredmitugsfähigent Sohn int Turdjfdjnitt
Jj. 704 gegen JC 684 im Borjahre, unb es ift bie ;JaI)l ber oerftcherten
Berfouen' um 807 938, ber Betrag ber anreehnungsfähigen Söhne um
& 330 624 215,40 geftiegen. Jitr bie laubiuirthfd)aftlidieu Bcrufsgenoffen»
fdjaften haben fid], wie and) früher, wegen bcs nbweidjenben Bered]»
nungsoerrahrens Sohnbeträge, weldjc für bie Beiiragsbercdtmmg 311
(Brmtbe gelegt werben, in bie Aadjweifuttg ttid]t aufnehmen laffen.
Tic Olefantmtausgaben beliefen fid) bei ben gewerblichen Be»
rnfSgenoffenfdjaftcn auf .//. 52 444 031,^; (gegen .//. 50 888 364,20 101
Borjahre) ttub bei ben Ianbwirtt)fd]aftlid)cn Bcrufsgcnoffenfdjaften auf
Jt. 18 182 155,sr» (gegen 18 072 388,tu int Borjahre), was auf einen
Berfidierten bei beü gewerblidjeu Bcrufsgeuoffcnfd)afteu M. 8,«w (8 ,st),
bei ben Ianbwirthfdjaftlidien M. 1,1.2 (1,44) aitsmad)t. Tie lanfenben
Bcrwaltungsfoften betragen bei ben gewerblidjeu BerufSgeuoffen»
fdjafteu M. 5 35S 747,r»o (gegen J/. 5 070 273,52 im Borjahre), bei ben
laubwirthfd)rtftlid)cn Bentfsgeuoffenfdjafteu JC. 2 058 926,u» (gegen
JL 1 944 670,55 im Borjahre). Taoon entfallen auf einen Berfidierten
bei ben gewerblichen Berufsgenofienfdjaften JL 0,s9 (0,ss), bei ben lanb»
wirthfdjaftliihcu X 0,1* (0,17). Tic .^öhe ber lanfenben Berwaltungs*
füften ift bei ben etnjclucu Beritfsgeuoffcufdjaften tefjr oerfchieben; ftc
hängt ab oon ber 3 fl lH ber oerfidierungspflichtigeu Berfouen, ber 3 fl ld
ber "Betriebe, ber größeren ober geringeren UufaUgcbühr :c. Tie Be»
ftättbe ber Aefcrocfoitbs ber Berufsgenoffenfchaften betrugen ruttb
135 l / 3 Biillionett.
B?aS nun bic Jnoalibitäts» unb AIterSocrficherttng be»
trifft, fo finb für bie fämmtlidien 31 BerftdjeritngSanftaltcu mit ins»
gefatnmt 154 Borftaubsmiigltcbcru, 36 .fäül sarbeitent ber Borftänbe
610 Aiisfdntftmitgliebcrn, 66 328 Bcrtrauensmäuncrn, 333 .Hontrol*
beamten, 495 ©diicbsgeriditeu, 9 113 befonbereu Warfetiücrfaufsftellen,
5 324 mit ber (äinsicliimg ber Beiträge betrauten .(fraufeitfaffcn unb
2 936 in gleicher Bietfe utitwirfeuben (ylemeiubcbehörben unb fonftigen
oou ber Sanbes»Gentralbehörbe brseidjneteu ©teilen, an (i-ntfd)äbi =
guuasbeträgen 16 299 831 ,<52 M. für Altersrentett u. 1 5071 560, 09 X
für Jnuaübcnreuten, sufammen 31 371 391,71 M. gesal)lt worben.
Tie JalU ber im Acdjmtugsjahr bewilligten Altersrenten betrug
21 688, bie ber Juoalibcnrcntcn 71 733. An Berwaltungsfofteu
fittb aufgewenbet worben 6 542 37^,24 „//., was für beit Üopf ber Ber»
fieberten eine Ausgabe oou etwa 0,oi M. ergiebt ober 5,4- % ber (^e=
fammteimmhüte an Beiträgen ausmadit. Tie Okfantmteinnahme aus
Beiträgen belief fid) mit (iiitfdilufr ber Beiträge für ©celeute auf
104 666 528,71 M.
Ter Atitheil ber BcrfidjcrmtgSanftalten an ben bts juin ©djluffc
bcs Jahres 1897 cubgitltig oertheilten Beuten ergiebt bei 818 798 6-tusel»
fällen au Altersrenten unb 295 544 (Siuselfällett an Juoalibenrentcu,
Sitfatumeu 614 342 (Stuaelfäflcn, einen Jahresbetrag oon 23 574 093,99 Ul.
für Altersrenten unb 19 387 572,18 ut für Jitoalibenrenteu, sufammen
42 961 666,1.7 Jf . Tiefe Beutenbelaftung ftcllt einen «apitalwerth oon
136 087 541 M für Altersrenten unb i71902 989 M für Jitoalibeit»
reuten, ^ufamtitcu 307 990 530 .U bar. Bis stmt ©djluffe bes Jahres
1897 finb 115 726 Altersrenten unb so 299 Juoalibcureuten, sttfontmen
205 025 Beuten mit einem auf bie Bcrfidjcrungsanftaltcn entfallenben
Jahresbetrage oou s 315 375,43 .tt für Altersrenten mit» 5 703 478,19 M
für Jnoalibenrenteu, sttfctiuitteu 14 018 s53,62 Ji in Wegfall gefommen;
eS oerbleiben beutnadi am ©djluffe bes Jahres ttod] 203 072 Alters»
reuten mit einem absiiglid) bes Beidjssufdjuffes fidj beredmeuben Jahres»
betrage oou 15 258 718,56 M unb 206 245 Juoalibenreuten mit einem
entfprcdjeub beredjueteu Jahresbetrage oou 13 684 093,99 M.
Ten sogelaffetien befonbereu Maffeueiurichtuugen (l5ifeithahn= unb
.Mnappfriiaftspcnfiousfaffeu) finb aus beit bis sittn ©chlufjc bes JaI)rcS
1897 oertheilten reidjsgcfrbltdien Beuten sur ifaft gelegt: 6624 Alters»
rentcuantheilc mit 654 733,49 M Jahresrente unb 20 148 Jitoalibeit»
reuteuautheile mit 1 365 510,48 .// Jahresrente. Bon biefen waren
bis Cnibe 1897 2248 Altcrsrentciiantheile mit 227 283,66 M Beute unb
6919 Jnoalibcurentenantheile mit 452 388,71 je Beute bereits wieber
in Wegfall gefommen, fo ba 15 ein Bcftaub oon 4376 Altersrenten»
anthcilen mit 427 449,88 Jl Jahresrente unb 13 229 Juoalibenrentcu»
autheilcu mit 913 121,77 .// Jahresrente oerblieben ift.
Ter Ber möge ns bcftaub ber Berf idjerun g sein ft alten ein»
frijlieülidi bes Berthes ber Jnoeutarieu belief fid) bei Ablauf bes Jahres
1897 auf 53s 964 526,71 Jl, uuwou bis bahin 53 562 668,44 JC bem
Befcroefoubs überwiefeu worben finb. Tie burdifdinittlidje Bersinfuug ber
.Kapitalanlagen erfolgt mit 3,49%, gegenüber oou 3,53 % im Borjahre.
Ter Turdifdiuittsfap ber Altersrente, meid)er für bic im Jahre
1891 begonnen 123,57 JC. betrug, hat fid) für bie im Jahre 1897 be»
ginuenbeu auf 137,ss Jl gehoben: bic Turdifdjnittshöhc ber Jnonlibcn»
reute, welche fidi für bie int Jahre 1891 beginiteubeit Beuten auf
113,39 .// belief, hat für für bic im Jahre 1897 begtitucnbcn Beuten
ben Betrag uou 127,89 JC erreicht. Au Beitragserftattuugcn
würben oou ben 31 Bcrfidieruugsaufialtcu fe ft gef ein: 99si6 i5rftattungen
in aüIIcu 001t Berbeirathuug im Betrage oou 2 (ils 472,54 JC unb
20 116 t5ntattungeu in SobcsfälJeu int Betrage oou 712 970,75 Jl.
393
«Soziale VrajiS. (EeutralE»Iatt für ^ojialpolitif. 9cr. 15. 394
Vimmt man nod) bie C^rgc&ntffc bcr K ran feit ucrfid)crung f)tn«
3 U, fo scigt fidi, baf? für bte 3 l ^erfc bcr Arbcüerucr jirfjcru ng in
Seutfd)lanb täglidj runb eine Million 3Jlarf aufgewenbet
werben, baß in £ en galjren 1885 bis 1896 im (Garden
31 486 243 ^erfonen (Entfdjäbigungcn im (Gefantmtbetrage
oon na^eju l 3 /4 3J?illarben V?ar! bezogen uitb hierbei bie
Arbeiter über % VHlIiarbe 2)?ar! mehr an (Entfdjäbigungcn
erhalten, als an Beiträgen gejault b^ben.*)
$cnfum$faffe für Arbeiter tu babtfehett Staatsbetrieben. Sieben ber
Kaffcnabtljeilung A , einer befonbertt nont VuubeSratl) anerfannten
&a|lcneinridjtung, wcld)c als Verficherungsanftalt bcr ^r. Staatsbahnen
unb bcr ^r. Salineiwcrwaltung bient, l)at bie Kaffcuabthcilung H „für
tf)re VZüglieber unb bereu ^unterbliebene burd) (Gewährung nun Stenten«
&ufchüffrn, Ausnahmereuten, Wittwen« unb Waifeugelbern, fowie non
Sterbegelb eine weitere bcfoitberc giirforgc p treffen.“ (Eiutrittsgelb ift
1,50 jtf, bie Beiträge ftitfcrt firf) ttad) 5 ^obit-Ätlaffcn unb frijwaufcn
bei beit Männern non 28 bis 76 &f t bei ben grauen noit 10 bis 28 Jf
tnödjentlid), bie hälftig non bcr Verwaltung beftritten werben. Als be«
fonbere ^lunenbung an biefe Kaffeitabtbctlung B finb bie (Erübrigungcn
ber betheiligtcn Verwaltungen an ben jur (Gewährung non llntcrftüßungcu
an nid)t ctatsmäßige Veamtc fowie au Arbeiter unb Hinterbliebene
fnlcbe bubgetmägig bewilligte Viittel (1895: 30 950 ^, 1896: 27 266 M)
uorgefchcit. tiefer Abteilung B gehörten 1895: 3028, 1896: 4065
‘2J?üglieber an, ber britte 3:1)eil ber Vtitglieber in ber Abteilung A.
Sie Vt'ebrcinnaljmcit, bie ben Stcfernefonb bilbeit, betrugen 1896 fdjon
636 462 M. Sie 3al)l ber (Empfänger non Vejügcn aus biejer (Ein«
indjtung ift nod) fleht, cs waren 1896 10 (Empfänger non faßuugs«
mäßigen Slenten, 24 non Hintcrbliebenenbc^ügcn uub 2 non Sterbcgclb.
Sa$ Arbeiter = UnfafloerfubernngSgcfc^ in Sänemarf tritt am
15. ganuar in Straft. Sic „Soziale $rajiS" hat im galjrg. VII
6 p. 509 -511 eine erfdEjöpfenbe Sarftellung biefeS (Gefeßes aus
ber geber beS (Geheimen WegierungSratheS Dr. 3 at b cr ueröffettt*
liebt, auf bie wir t)ier oerweifen. SaS (Gefeg erinnert in feinen
(Grunbaügen uielfach an bie englifdje Workmens Compensation
Bill, bte feit bent 1. guli 1898 in Straft ift.
3Ubdte»ndjttieisi.
Stabtifdjcr IrbeitSitadjtoeil $u 2W§ln$. Am 6 . Vtai 1897
trat als neuer 3weig ber ftäbtifdjen Verwaltung in Viainj baS
ftäbtiftbe Arbeitsamt in Wirffamfeit. Ser foeben veröffentlichte
erfte SabreSbcricbt fagt barüber:
„Wenn cS auch norerft non ben beiben in Vetracfjt foutmenben
gntereffenteugritppcn ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer nod) nicht bie ge«
wiinfebte allfeitige Unterftüpung fanb unb bie (ientralifatiou beS ge«
fantmten ArbeitSnachweifeS norläufig nod) Stücfmerf bleiben muß, finb
gleicbwol)l bie bis jeßt gewonnenen (Erfahrungen nur günftige ju nennen
unb ermuntern ju weiterem gortf(breiten auf ber gegebenen Val)n.
(Erwägt man namentlich, baß fold) eine neue gnfthution mit Vor«
urtbeiieu aller Art, mit ber Vtacßt ber (Gewohnheit, bie au bent Her«
gebrachten fefthält, mit Unfenntitiß unb nicht junt (Geringften mit bent oielge«
ftaltigen Wettbewerb ber bereits oorhanbeuen Aadj weife in ihren oerf chicbcneit
gormen ju fnntpfen hat, — es fei nur erinnert an bie Aachweife ber
oerfd)iebeitcn Innungen, 2J?ei|tcr« unb gabrifattteiwerbänbe, an jene ber
3 al)lreid)cn Arbeiterfachoercinc, an bie fonfeffionellen, prioaten uub Ver«
einSttad)weife — jiel)t man bteS Alles in Vetracht, fo ftub bie tro^bem
erhielten (Ergebniffe um fo f)öl)er an 3 ufd)lagen."
Ser centralifirte Arbeitsnad)weis in ber gorm beS gemeinb*
liehen Arbeitsamts, bei beffett Verwaltung Vertreter ber Arbeitgeber
unb Arbeiter in gleicher 3aljl betheiligt ftub, f )abe fiel), fo helfet c 0
weiter, im Olrofjen unb (^anjett, foweit oorerft erreid)bar, als eine
überaus ^weefmäbige (Einrichtung gur raf^eften Vefriebigung oon
Arbeitsangebot unb «Aadjfrage bewährt. Sie Aachfrage nach
ArbeitSfräften unb baS Angebot oon folgen fötttte eben auf biefe
Vkife fo paffenb unb fd>neU als möglich in Vejief)ung 51 t einanber
gefegt werben: „(Es ift ju hoffen unb 31 t wtinfehen, ba§ bent cen«
tralifirten unentgeltlichen ArbeiiSttadjweife im Sntereffe einer platt«
mäßigen Vefämpfung ber ArbeitSlofigfeit uub einer 3 wecfmä 6 igen
Ausgleichung oon Arbeitsangebot unb «Aachfrage ein immer
größeres WirftttigSfelb erfchloffen wirb, bafe fich Arbeitgeber unb
Arbeitsnehmer oertrauenSooH betn Arbeitsamte 3 umenben, bets,
lebiglidh bie ArbeitSoermittelung im Auge, über ben Parteien
*) Wir benuhen biefen Atilaf), um abermals auf ben oortrefflidjen,
oont Aeid)Soerftcherungsamt ^ufammengeftcllten „X eit fabelt 31t r Ar«
beitcroerfid)eruug beS Scutfdjcu Acidtes" l)iu3uwcifcu. (Verlag
oon A. Afher u. (io., Verliit, Vrci* Vf-) tiefes Viuhletit giebt auf
nur jwet Xrudbogett iu übcrfidjtlidjer gönn bie (yutfteliuug uub ben
wcfentlid)ett gtihalt nuferer gelammten Arbeiteroerfid)erungvgefepe —
.Uranien«, Unfall«, Snoalibitäis« unb Altrtmterfid)crimg — unb aut
einigen tafeln einen llebcrblicf über bie ftnangellen Wtrfimgen nnb bie
(irjolge biefer öefehgebung.
ftchcnb, ohne jegliche Aebeuintereffen mit oööiger llneittaeltlichfeit
waltettb, eine ibeale gorm ber ArbeitSoermittelung barftellt."
gut ®ati 3 en würben itt ber männlichen Abteilung 3636 ©efuchc
oon Arbeitgebern unb 5554 ®efud)c oon Arbeitern eingetragen, sufamtitett
9190. Ätellcnbefeputtgcn erfolgten 2026. 2;ie ©efammtjahl ber befriebigtett
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer beträgt bemttach 4052. Von ben Olcfudjeit ber
Arbeitgeber würben 55,73 °;o, oon benjenigen ber Arbeitfud)enbeit 86.43 °/o
befriebigt. Arbeilsauweifungen würben tm (^ait^eit 5364 ausgcfteHt.
Hieroott waren erfolgreich, b. I). führten 3 ur (Eiuftcllung 2026 — 37,77 °/o.
§tt ber weiblicheit Abtheilung würben 688 ©efttche oon Xienftl)err«
fd)aften unb Arbeitgebern unb 473 ©cfud)c oon ^ienftboten ttttb
Arbeiterinnen eingetragen, 3 ufaittmen 1156. 6tellenbefebungeu erfolgten
98. Vott ben ©efucheii bcr Arbeitgeber würben mithin 14,35 0 /<», oon
benjenigen ber Arbcitfuchenben 20 , 73 % befriebigt. ArbeitSanweifungcn
würben tut Hansen 417 ausgcftellt. Hieroon toarert erfolgrcid), b. h-
führten 3 ur (Einftellung 98 = 23 , 50 %. ^te föefammtsahl ber tnt Veridjts«
jat)vc eingetragenen VerntittelungSgcfudjc beträgt hi crn 6ch 10 846.
Aufcerbent haben noch eine große Ait3al)I oon Xurdjreifcnbcn, weldie
beS fursen Aufenthaltes wegen feinen Acgiftcreiutrag oerlaugteu, bas
Amt in Aufprudj genommen.
Vabtfche ^eittralauftalte» für ÄrteitSwaihtoeiS. 2)aS ftatiftifdjc gal)r«
bud) für bas Olrohberaogthum Vabeit, 29. gahrg. (1897/98) bringt
wie iu früheren fahren (oergl. „ 603 . gahrg- VII, 3p. 364) u. A.
eine Ueberfid)t über bie ^hätigfeit unb finanziellen Verhältniffc ber
(Eentralanftatten für ArbeitsnadnoeiS unb bteS Vtal für bie gal)re 1895
uub 1896. Von biefen Anftalten, bie in Karlsruhe, greiburg, Vcanu«
heim, 3d)opfl)eim, Vö^lietm, ^obr, lüörradj, Mouftau 3 , Offenburg,
Heibelberg uub Walbsljut ihren Siß habeir, finb neben Jcialir and)
Offenburg unb Hribclberg (^emeinbecinnd)tuugen, alle werben oon 0)c=
mcinbeu unb Streifen fulwentiouirt, unb mit Ausnahme oon Walbsljut,
ber bisherigen gilialc oon gretburg, gehören fir alle bent „Verbanb
ber Anftalten für Arbeitsnachweis tut ©roBh f *7>ogthuut Vabeit" an, für
beit 1896 unb 1897 je 10 000 M ftaatlicfjcr gufdjüffe etatifirt waren.
93^it ber greiburger uub Sfonftaitser Auftalt ftub Viag beherbergen ocr«
Imitbcn, tu biefer fuditen 71, in jener 1895: 572, 1896: 838 Viabd)cu
Unterfunjt unb 3 d)ufc. 3d)opfheim unterhält eine Aaturaloerpflegungs«
ftation armer Wanbercr. 2)ic ftäbtifdjen ArbeitSnachweisauftalteu i?ahr
unb Offcnburg weifen and) Wohnungen unb ftoftftcllen für unoer«
heiratl)ete Arbeiter unb Arbeiterinnen nad). S)ic Uttetttgeltlichheit ber
Veitubung hat ebenfalls gortfdjritte gemacht. 5:er gefantmte Arbeits«
nadjweis erfolgt uuentgcltlid), außer in greiburg, wo nur bie Arbeiter
biefe Vergünftiguitg genießen uub iu Monftau 3 , wo bie Arbeitgeber für
iicnftboteu nod) eine (Gebühr im Vcridjtjaljr 189$ zahlten. Tic mit«
getheilten 3 a hl en über bie Vermittlungsthätigfeit ergeben fein richtiges
Vilb, weil bei ber Viehr^aljl ber Anftalten bie ©efudje 11 m Arbeit nur
batttt eingetragen würben, wenn fofort Arbeit nachgewiefen werben
fonnte, ober bcr (Eintrag aitSbriicflid) oerlattgt würbe.
$(rbettSnad)lociS uub BaubhePdlfcruug itt Valent. Sas
VHuifterium beS Qnnern hat an bie ÄreiSregierungcn einen (Erlaß
gerichtet, in bent u. A. auSgefü^rt wirb, bafe bie ßaiibgemeitibe«
behörben fegr ungeniigenb, theilweife gar nicht an ben Arbeits*
nachweis, wie er burd) (Eentralifirung ber Arbeitsämter gewähr«
leiftet wirb, mitwirfen; fie foKen bal)er 3 ur 9Kitwirhtng Deranlafet
werben. Wach wie oor foll auf bie Vcbürfniffe ber Sanbwirthfdjaft
beim ArbeitSuad;weiS Wüdficht genommen, ber 3»S»9 non Arbeitern
nad) ben grofjeu 6 täbten über ben Vebarf eingefdjränft, oon ber
(Einteilung auswärtiger ArbeitSfräfte am 6 ifee ber Arbeitsämter
in bcr Wegei abgefeljen unb bie auswärts wohneitbeti Arbeiter
meift wieber an auswärtigen Orten untergebrad)t werben. Sen
betheiligten 6 tabtoerwaltungen ift burch befonbere <$utfcf)liefeimg
auempfohlen worben, thunlichft ber fianbwirtl)fchaft geeignete Kräfte
3 U 3 uweifen uub baoon bem OaubwirthfdjaftSratf) nnb ben lanb«
wirthfd)aftlid)eu ^rciSauSfd)üffen 3 U geeigneter SWitwirfung ft'enntitiß
31 t geben.
Äoljlfaljrt^einrldjtungen.
Arbciterftiftung bcr &rupp’fd)ett 9Serfe. 5- A. Slrupp h^t für
bie 1897 aus Aulafe beS * hunbertjät)rigen (Geburtstages Etaifer
Wilhelms mit 1 000 000 J{, begriinbete Qnoalibenftiftung, welche
bie Unterftüfcung bei (ErwerbSnnfähigfeit in Solge Alters unb 3n*
oalibität in benjenigen gälten be 3 wecft, in beiten eine (Ergänzung
ber ftaatlichen gürforge für ben einzelnen Arbeiter uub bcffeit
gamilie nothwenbig ift, ein weiteres .Kapital oon 500 000 ^ft . aus«
gefept, fo ba& baS gefamtttle Kapital ber gnoalibcuftiftung nun«
mehr 1 500 0(X) t //L beträgt. 3 u 9totf) er heftimmt, baß bas
6 tiftungSfapital in baS (Eigentt)um ber Krupp’fchen Arbciterftiftung
übergeführt wirb.
(EeittralHereitt für bctS Woljl bcr nrbcitcnbcii Klaffen 1898. gn hii iom
alt oft en ber für bte Wo!) (tan ber Arbeiter wirfeubeu Vereine jgecrriiiibei
ls 44 ) erftattete am 9 . re^entber ber Vonipenbe ^taa^e-ie!;e’air a. T.
Dr. Herzog ben gabre^beriiht ls98. Sauadi gel)orten beit 1 <>71
396
39.) Sugiale SßrajiS. Eentralblatt für Sogtalpoltiif. Ar. 15.
glicbertt 213 Beworben, Hörperfdiaften, Söcrciuc :c., 175 Aftieit* ttttb
attbcre ©cfcllfdiaftcn imb 688 pcrföitlidic AHtglieber. £as BerciitS*
organ, bei* „Arbeitcrfrcuub" trat in feinen 25. gaüi*gang unter bei*
AcbaFtion bes ©et). Aeg. Aat ^rof. Dr. Böhmcrt in Treiben. $ic
Beftrebungen für bic Berebcluttg bcs? Btlbungs* unb Erholungsbebürf*
nijjeS ber weniger bemittelten BeoölfcrungsFlaffert würben burdj ©c*
Währung ooit Beihilfen gur Einrichtung non gwecfcntjprcdjeubcn Ber*
anftaltiutgcn mtb Unterftüßungcn an bereite befteljenbc gwccfbieulicbc
Eiuridttungcn geförbert. (Sin befonberer Ausfdjuß batte bic Entwicfluug
unb ben Fortgang ber Einführung beS Haushaltuugsdlnterridjts in bic
Bolfsfchule 51 t bcobad)tcn. 2de Antworten auf (Eingaben au bic Acffort*
ntiniftcr geigen, baß im 25?cfcntlirf;cii nur nodj fdiultcd)nifd)c Sdjwierig*
feiten gur aUgemeinen Einführung bes Hausl)altung3*Uutcrrid)tS gu
übcrmtubcit finb. Um ber Hräftcgerfplittcrung auf beut Berciitsgcbiete
bei* BSoblthntigFcit entgegen arbeiten, trat ber Ectttralucrcin bent im
Söfai gcfdjlofjencn Bcrhnnbe beutfdjer BJohlfahrtsocrcine bei unb unter*
ftiißte mit feinen Bütteln bic Beftanbsaufnahinc ber gcmcinnüßtgcu mtb
BSohlfahrtsucrciuc in ben ^rootngett unb' gwat* giiuächft ber ^rouittg
Hau noucr.
ErfrifdjimgSräiime in ben ^oftbienftlofafen. $aS Aeid)S*Boftaint
bat beftimmt, baß bei BcrfehrSäintcrn mit atiftrengcnbcnt Aarf)tbicnft
ben Beamten ttttb lluterbcamtcn ©elcgenfjeit gegeben werbe, fidj währenb
bei* Aachtbicnftgeit in ben ^oftbienfiräumeu an geeigneter 'Stelle warme
©eträitfe felbft ^u^ubcreitcu. &ic erforberlidteu Eiuridjtuugcn fallen für
Acrfjuuug ber ^oftfaffe getroffen werben.
Clrjieliutig tmHi fiilbung.
Surfe bim Berliner Hodjfdjttlleljrern. gut S^nuar
unb Februar fittbet bie zweite Serie uon 6 BortragSFurfcit ftatt; jeber
Hurfus wirb wieber fcdjö Abettbe oon je 1 '/sftüubtger Sauer uutfaffen.
Sic Burträge beginnen um 8 l /a Ubr abenbs unb finb für SKäituer unb
grauen gugänglitf). Programm: 1. Btontags: $rof. Dr. Marburg,
„über ansgewählte Älapitel ber SBännelehrc " 1 im ^bpfifalifc^en gnftitut,
Aeid)Stagö Ufer 7/8, beginnt am 16. ganuar. 2. Montags: Dr. gifdjer,
„über .Hupfer, ^ütf unb attberc tecfinijrf) wichtige Metalle" in ber Lanb*
wirtbfdjaftlidjen .^odjfc^ule, gnualtbcnftraßc 42, beginnt am 16. ganuar.
3. dienstags: $rof. Dr. Earl SD?iiHer, „über nufere pflanzlichen Aah*
rungsmitiel mit befonberer Üöerücffidjtigung beS täglichen Brotes" in
ber Lanbwtrthfchaftltdjen Hadjfdjule, gnoalibenffraße 42, beginnt am
17. gattuar. 4. BJittwodjS: $rof. Dr. E. grei), „über Aapfjael unb
B?id)elangelo" im £>örfaal 26 bei* 5fgl. Unioerfitat, beginnt an 18. ga*
uuar. 5. Sonnentags: ^rof. Dr. gretherr non Sobcn, „über ^alä*
ftina unb feine ©ejchichtc" in ber Aula beS grtebrid) Berberfdjen ©pm*
uafiunts, Sorothecnftraße 13/14, beginnt am 19. gattuar, unb 6 . Sonn*
abenbs: $rof. Dr. 2£. Söebbing „Einführung itt bie (S-ledjtrotcdjnif
mit Experimenten" im $örfaal 141 ber $cdjmfd)en §od)ftbule in Eljar*
lottenburg, hat bereits am 7. ganuar begonnen.
itt Baben. Sas ftatiftifd^e gahrbudj für bas
©roßhergogthmu Baben (XXIX. gahrgang 1897 unb 1898. Karlsruhe.
9)fadflofnd)e Srurferei 1898; 558 S. gr. 8 °) giebt einen Uebcrbliif über
bie rcidje ©elegenbeit für babifd>e SPicibdjen, fid) in ben notbwenbigften
Zweigen bes Haushaltes ju oeroollfommucn. N 2 lbgefehen oon ben jur
9luSbilbung ber nötigen Lehrerinnen beftiunnten adjt Malsruher ?lnftalten
mit 74 Lehrerinnen, 20 Lehrern unb 1997 Sdjülerinnen fowie bett 24
fonftigeu SHuftaltcn beftanben oon lieranftaltuugen öffentlichen ober
gemeiunübigeu (SharafterS 10 grauenarbeitsfdtulen, 7 §ausbaltungg=
fdjulen, eine gabrifabenbfdntle mit glirffurfus, 2 Schulen für wciblid^e
Sicnftboten, eine ÄHnbcrlchrertnnenanftalt, aber oor allem: Hochfurfc
itt 35 (^euteitibeu, bireft für gabrifarbeiterinnen beftimmt, in 33ounborf,
greiburg, Honftattj, 3)iainj, ferner ein Hodj= unb ^iigelfurfus für ga=
brifarbeiteriunen in Lörradt, Hoch 3 unb HauShaltuugSfurfc in 2)tiill*
heim, in 59 ©emeiuben glieffurfe unb 4lbettbe unb jwar in ber
Hauptfadjc für gabrifarbeiterinnen in ©mmeubingen, Haufen i. S&.,
.Vtirdjheim, Äouftaujj, äRüljlburg, Sdtopfheitn, Stocfad); in 14 ©emeinben
gltrf* unb 9iä()furfe. Sa^tt fotmucu ttodi Spitmfurfe, 9fäh=, lUigel*,
Sticf*, Hanbarbcits*, gnbuftric* unb H ail!? h a Üugsfurfe, Mrbeitsabenbe
in etwa 30 (Memeirtben, fowie Cbftbau* unb Olartcubau*, iUeuen^udit»,
Samariter* unb Atraufenpflegcrinuetifurfe. 3Lie fdjon aus ben “^ejeidj*
mtngen hft'üorgeht, legen bie Sfehrjahl biefer babifdtett ^erauftaltungen
fein ©ewidit barauf, perfefte Sdjnciberiutten unb .Hödjiuneu anSsnbilbeu,
fonbent bas Siotmenbige für ben fleiiteu Haushalt 31 t lehren. Sem
oweef bienen auch bie Sföanberfochlehrerinnen, oott ben im ^Berichtsjahr
fünf ausgebübet würben.
Schulfinber in ben ^tragen bon Sonbon* Söas ^onboncr
Schulamt f)at an bie ^oli^ci* unb ©emeittbebchörbe eine ©tngabe
gerichtet, in ber auf ben Uebelftanb bingemiefeit wirb, bah ftd)
Kinbcr mcif)renb bei* Schulzeit oft in ben Stragett h^umtreiben.
S)ie Äiitber werben oft non ber SJ^oligei aufgegriffen unb währenb
ber fchmebenbeu llnterfuchitngeii ins Arbeitshaus gebracht. SaS
Schulamt ift ber Anfidjt, bag bie ^oli^ei bie Auffidht ber Schul*
beljörbe wirffamer unterftügcu fönnte, falls fic ihre Organe ba^u
nerljalten würbe, bie Aamett folchcr Minber, bie fie währenb ber
Schulzeit in ben Stragen finbeu, nufsiifdjreibcit unb regelmäßig
ber Schulbehörbe gur ^enntnife 311 bringen, wie es in ben $rooiiß*
ftäbten gumeift geübt wirb. ®ie Schulbehörbe regt bie (Einberufung
einer Sämfereng in biefer Srage an.
$D}iaie 4)i)gtm.
©efän^fung ber Suberfulofe in Sn Gegen¬
wart ber Äaiferin hielt am 9. Sanuar bas S)eutfche (Eentralfomite
gur (Erricfttung oon .^cilftätten für SungenfranFe im Calais beS
SReich^FanglerS gu Berlin feine britte Generaloerfammlung ab.
S)ent. Gef^äftSbericht, ben ber GeneralfeFretär, Stabsargt
Dr. ^Jannwih, oorlegte, ift gu entnehmen, bafc fich gur 3*ü in
S)eutfchlanb mit bent betrieb ober ber Einrichtung oon ßungen*
heilftätteu 33 Bereinigungen befchäftiaen, währenb an brei weiteren
Orten neue Anfäbe gur BereinSbitbung oorhanben finb. Acht
biefer Bereine, barunter ber BoIfSheiIftätten*Berein uom Dothen
£reu 3 in Berlin, h a &en eigene Anftalten in Betrieb. &en Bau
berartiger Anftalten werben oorauSfid)tlich int Öaufe beS Sah^eS
1899 fertig ftellett 10 Bereine, barunter ber Berlin-Branben*
burgifche §eilftätten*Bereiu; 12 Bereine finb mit ber Sammlung
oon Gelbmitteln unb ber B r oieFtirung oon Heilftättcn befafet. 3ur
Aufnahme oon SungenFranFett gu einem billigen XageSpflegefafo
flehen gur 3 eit in S)eutfchlanb einfd^lie^licfj eingelncr B^nntanftalten
bereits 20 Heilftätten bereit. Heroorragenb mitgetoirFt hnben auf
bem Gebiete ber Heilftättenbemegung bie SnoalibitätS* unb Alters*
oerficherungsanftalten, bie bereits brei eigene Anftalten in Betrieb
unb brei weitere in Bau hohen. ^rojeFttrt finb gmei weitere ber*
artige §>cilftätten oott BerfidjerungSanftalten. SDie Grofeirtbuftric
ift allerorts ebenfalls ftchtbar bemüht, ber Sache ber planmäßigen
SchminbfudjtSbeFämpfung bie BJege gu ebnen. Auch öie Beifpiele,
baß bie Gcmeinbett bireft ber Errichtung oon §)eilftätten näher*
treten, haben fich i * 1 erfreulicher SBeife oennehrt. “Sie Anftalt beS
^reiS*^ommunaloerbanbeS Altena ift bereits ihrer Beftimmung
übergeben, bie BFündjener Anftalt faft ooflenbet. Stettin hat ein
rößercS £egat für Heilftättengwecfe beftimmt, ber ÜreiS Saar*
rüden unb bie Stabt Aachen haben fich Präger Bezüglicher
Unternehmungen gemacht, £öln hat entfprechenbe Berhanblungen
eingeleitet; atibere Greife unb Stäbte haben fich S u beftimmten
haften oerpflichtet ober burch unentgeltliche H er 9 a be paffenber
Terrains ihr Sutereffe beFunbet. Au^ ber Staat hat mehrfach
biefeS Sutereffe betätigt. 3n Preußen ift bieS fowoßl feitenS ber
lanbwirthfdjaftlichen unb ber BFebiginaloermaltung, wie auch
nainentlid^ feitenS beS £riegSminifteriumS aefchehen, baS bie 9le*
FonoaleScentenhäufer, bie in ben AnneeForpS bereits befteßen
ober in ber Einrichtung begriffen finb, bem Bebarf enlfprechenb
auch m tt befonberett Stationen für bie hw^ifdi * biätetifche Be*
haitblung SuberFulofer oerfeßen hat. Ein gweiteS Arbeitsgebiet war
bie Sorge für bie Angehörigen ber Heilftättcnpfleglinge. §eroor*
ragenb pat fich auf biefem Gebiete bie £)amengruppe beS BolFs*
heilftättenoereinS uom 9totl)en Üreug bethätigt. Auch bie Ber*
ficherungSanftalten finb gur Bewilligung mäßiger Beiträge für
biefen 3 l0CC t bereit gewefen. ^)ie britte ArbeitSrichtung bei ber
Heilftättenfiirforge, bte ArbeüSoermittelung für H^ilftättenentlaffene,
beßnbet ftd) nod) in ben Anfängen. 8 h r erfolgreicher Ausbau
hängt oon ber wohlroollenben BtitwirFung ber Arbeitgeber ab.
Aud) ber Befchäftigung ber fteilftättenpfleglinge in ben Anftalten
felbft wirb immer größere Sorgfalt gemibtnet. — $)etn Ecntral*
Fomite finb bie Bertreter oon 45 Stäbten neu beigetreten. ®ie
Gefammtgahl ber Btitglieber hat fich auf 466 erhöht. SDer Ber*
mögcnSftaub betrug am Schluß beS Saljre# 1898 runb 250 000
9Rarf, bisher finb bereits 224 500 Jt. an 3ufd)tiffen für $eil*
ftättcnunterncf)mungen bewilligt, 70 000 dt finb an folcßen Qu*
fd)üffen in Ausfid)t gefleÜt.
$)er Bräfibent beS 9teichS*BcrfidjerungSamtS Gäbel berichtete
fobann über bie Abänberung ber Statuten, mit beren Annahme
fich bie £hätigFeit beS EeutralfomiteS infofern erweitern wirb, als
nunmehr auch alle an ber Errid)tung oott ßungenljeilftätten an*
fd)ließenbeit Maßnahmen Gcgenftaub ber 3:hätigfeit fein follen.
§. 1 ber Saßungen lautet jept wie folgt:
,,^as bcutfdjc Ecnlralfomitö gur Erndjtuitg 0011 $»cilftättcti für
Lungcnfranfc ocrfolgt beit gtoeef, im Gebiete bcs Aeidjs bie für bie
BcFäutpitutg bei* Üubcrfulofc al# BolfSFvanfbeit geeigneten Aiaßnaltmett
nuguregen unb gu förbcnt, insbefoubere auf bie Errichtung oott Heil*
ftätten für unbemittelte unb miuberbemitteltc LungenFranfc liiuguwtrfeu
unb erforberlid)eufalls bie Erridttuug fold)er Heiiüntteu burd) ©ewäl)=
ruug oon ;gufdjüffcti gu ben Haften bei* Begrünbutig gu unterftüpeu.
3 » ben Höften ber Unterhaltung ber Heilftätteu werben ^ufdjüffc tu ber
397
Soziale ^raris. Cfentralblatt für Sozialpolttif. 9fr. 15.
39s
Hegel nicht gemährt; vielmehr ift es erforbcrlidj, baß btc hierzu notfj*
roeitbigen Soften in anbercr Söcifc (burdj Lofaloereine, Vereine oont
Hotljen Kreuz, Kommunaloerbänbe, BerficherungSanftalten, Armenoer*
bättbe, Erhebung oon billigen BcrpflcgungSgelbern) gebeeft roerben.
XaS Ecntralfomite roirb es fidj angelegen fein laffen, bie non iljm
unterftüfctcn .'pcilftättcn im Kriegsfälle zur unentgeltlidjcn Aufnahme
litngcitfranfer Militärperfonen, foroeit möglich, jugänglicf) jn machen.
XaS Eentralfomite bat feinen Stfe in Berlin."
Qk neuaufgeftettten Safcungcn fanben einftimmige Aunahme.
Hläbann nahm ber .^ergog non SRatibor baS fBort, utn auf ben
unter feinem Borfifc für bie ^fingftroocfje nach Berlin einberufenen
Kongreß ^in^uroeifen, ber bas Sßefen ber £uberhi!ofe, ihre ©e*
fahren unb bie gur 3*ü oorljanbenen EKtttel z” ihrer Befämpfung
roeiteften Greifen tror Augen führen fott. EDJan motte babei zugleich
@inheitlid)feit in bie Beftrebungen bringen. Auch bas AuSlanb
fotte zu biefem Kongreß eingelaben roerben, unb man hoffe, bap
ber Einlabung gern £?oIge geleiftet roerben roerbe, ba man aller*
ortS bie führenbe Stellung 3>eutfchIanbS auf biefem ©ebiet an*
erfenne. Heber bie fpe$ietten Aufgaben beS ÄongreffeS oerbreitete
fi(h ber ©eheinte Statt) ^rofeffor Dr. oon fiepbeit. Er roieS babei
zugleich auf bie Erfolge ber ,f>eilftättenbehanblung hin. SDer Äon*
grefc felbft roerbe fünf fragen behanbeltt unb J)abt für jebe biefer
§ragen eine befonbere Abteilung mit groei SBorfifcenben eingefebt.
Xcr lebte Eßunft ber XageSorbnung lautete: „3Bte ftetten fidj bie
©emeinben jur £>eilftättenfrage?" $er erfte Referent, Dberbürger*
nteifter oon Borfcbt=i>cünchen, be^eirfjnete es für bie nächfte 3 u ^nft
als eine ber roidfjtigften Hufgaben ber ©emeinben, burd) Errichtung
oon §eilftätten mit einzutreten in ben energifeben Kampf gegen bie
Zungen fdjroinbfudjt. 2)er Korreferent, fianbrath 93afe*3aarbriicfen,
oerbreüete fich zum Schluß über bie Stellung ber Heineren Stabt*
unh ßanbgemeinben, bie fich in biefer Örage in ber §anptfad)e
auf bie Äreife gu ftüben haben roerben.
Gkroerbegeridjte. fciuigunosftmtcr. #d)tel>£gcrtd)te.
HodjittalS ber 0todarbetter*AiiSflattb oor bem EinigtragSanst beS
©etoerbegeruhtö Berlin. gn ber „Soz* $rayis" 9fr. 11 Sp. 293 fjnt
.EScrr £. Steigert einen Bericht über bie Beilegung eines Streifs oor
bem ©crocrbcgeridft Berlin als Eiiiiguugsamt veröffentlicht, Bon £>erru
&. Ebcling gebt uns hierzu eine (Entgegnung ju, bie foroobl bie Nichtig*
feit ber erfte” I'arftellung als bie Berechtigung ber oon fterm Steigert
gegen biegübrer in jenem Streif unb bie Leiter bes ©eioerffchaftsfartellS
erhobenen Borroürfe beftreitet. ^unädßt roirb ber Ausbruch bes Streifs
folgeuberntaßcu gefdjilbert: Ja bem 6. Lubioig’fdjeu Betrieb mären in j
einem Haum fünf Auffcßer befdjäfttgi, roooou bie Arbeiter Deubel unb I
giftet fidj ben übrigen gegenüber unfottegialifd) oerhielten, jebes B$ort I
bcmEhef Ijiuterbrachten unb baburch eine feiubfcligc Stimmung heroor*
riefen. SDfitte Cftober hörte Deubel auf. $rci 2Lod)eu nachher rourbe
grä&borf mitgetheilt, bah er roegen Arbeitsntaugcl eutlaffen roerben
müßte, dagegen rourbe B^enbel roieber eingeftellt. 2Bcil nun grähborf
bisher beftreht geroefen bie ncunftüubige Arbeitszeit einjuhaltcu unb
Lohnabzüge abjuwehren, erblicften bie auberu Kollegen itt fträftborfS
Gntlaffuug eine Maßregelung, legten bie Hrbeit nieber unb [teilten bie
Aorberuug: B^enbcl z” eutlaffen unb gräßborf roieber einjuftellen. j
hierauf rourbe oon Seiten ber Crganifation oerfu^t bie Angelegenheit |
mit ben Herren A. Lubroig & (So. z” regeln. Sie roiefeit aber jebe |
(Einigung zuriief. tiefes briisfc Berhalten hatte jur ^olgc, bafj aud) bie
Arbeiter oon Hidjarb Lubroig (^roifdienmeifter oon Ä. Lubroig) bie
Arbeit einftcQten. (Ein nochmaliger UnterhanbIungS s Berfudj rourbe
roieber abgeleljut. Später aber roaubten fidj bod) bie §crrcn A. Lubroig
cL (So. an ben Berbanb ber Sdhinninbuftrierieu unb fdjließttd) an
bas (finigungsamtS bes Berliner Wetoerbegcridüs, bei beut ber Streif
betgelegt rourbe. — Ses Breiteren roirb bie Mittheilung bes .fternt B?eigert,
baß bie SdjnapSflafchc bcftänbtg roähretib ber Arbeit gefreift habe, ent*
fdiiebcn jurüefgetoiefen; nur einmal fei cs oorgefontmen, baß ber Arbeiter
B>eubel einen' als nüdjtemeu Mcnfcheti befannten .Stoliegen jur .Htteipc
geführt unb betrunfeu gentadtt habe, roas bie (Entlaffung bes Lcbtereu
Zur Jyolgc gehabt habe. — (Gegenüber ben oott .'oerru BJcigert gegen bie '
Rührer im Streif erhobenen Borroürfe oerroeift Cierr (Ebelittg auf bie
BJorte bes ©eroerbegcricfttsoorfibenben an bie Herren A. Lnbroig & (Eo.: !
„3h”f” f a 9 c id), bah Sie einen großen £beil Sdntlb haben; es möge
ohnen eine Lehre fein, baß Sic es roegen einer fo geringfügigen 3ad)c
nicht roieber zu foldtem Streif fontmen laffen." ^um Schluß ber ; ) ) it= !
fdjrift erflart .^err (Ebelittg, fie mürben and) ferner ihren Arbeitsgenoffen {
„in ihren Kämpfen mit Hath unb 2hat Z"^ «fitf ftchen." - BMr j
hielten uns für oerpfliditet, and) biete Anfiriit Z” BJort fotitttten Z” htffnt,
um fo mehr als mir felbft nidtt im Staube finb ]u etitfdtcibcu, roeldtc
T a rite litt 11 g beS Falles ben Jhatfftdieu entfpridjt. Auf (Erfuubiguug att
Zuftänbiger Stelle erfahren mir allerbittgs, baß bie Auffaffung ber Ar*
beiter oott ber (Eittftehung bes Streifs nicht burdjrocg in ben Berhaub=
inugen oor bem (9eroerbegericht als |tttreffeub betuiefen roorbett ift.
Uttetutifdi* 3Lttjcigeo.
I. ttnb Brofdjürett.
Jahrbuch für ©efehgehung, Berroaltuitg unb BolfSrotrth =
fchaft int ^eutfehen 9teich- 23. 3”h r 9- -fc>erauSgegeben oott
Euftao Schmoller. ErfteS ^>eft. Leipzig 1899, 2)uncfer& .^umblot.
Unter ben größeren Auffähen biefes fehr reichhaltigen unb
roerthoollen ^efteS fteljt an erfter Stelle eine Stubic oon Brof. Sdimoiler
über bie Urgefchichie ber Familie, Mutterrecht unb ©eutiloerfaffung.
E. Münfterberg fc^t feine auS bem 9tadjlaffe bes ftrcifjerrn o. Heihenftein
BerauSgegebenen unb ergänzten Beiträge z”*-’ ©efchichte unb Theorie
6e0 ArmenroefettS fort. Freiherr 0 . Bklcf veröffentlicht einen Auffah
über baS gabriffdntlroefen im Königreich Sachfen. o. Jvranfenberg
erörtert bie rcidjsgeicfclidjc ^amilicnoerfidjerung. Banfbircftor Ströll
hat bie erfte Hälfte eines AuffaheS über bas bcutfdhc Eelbrocfett im
Kriegsfälle beigeftcuert. Ueber bie Heorganifation ber franjopf^en
ffonbsbörfen äufjert fidj A. Sapous. K. Bretjfig führt ben Lefer in
eine Sdjilberung oon Staat unb Stäuben in ^ranfreich toähreub bes
^ahrhunberts ber Bürgerfriegc (1550—1660). Ein intereffantes $ro*
blem, baS Berhältniß bes BerbraudjeS ber Maffen z” bem Kottfunt ber
SBohlhabenben, befpriefjt K. E. Map; er fornntt auf GJrunb feiner
ftatiftifchen Beredjnungen zu Sdjlüffett, bie ber Maryiftifdjen Xoftritt
roiberfpredjen. St. Hiebt giebt eine Darlegung ber gabrifgefehgebung
in Hcu*SeeIanb. Ö. o. SSihlebcn tritt an bie Borfdjläge Z”r Heform
beS Snoaübengefefces heran. Literarifdje Anzeigen machen ben Befchlufc
beS ^efteS.
Hehbadh, Dr. Anton, $ie §anbroerfer unb bie Krebitgenoffeufdjaften.
Ein Beitrag z”r $anbroerferorganifation (Stubien aus (EoIIegium
Sapientiae zu greiburg i. Br. 2. Bb.). greiburg i. Br. 1899,
gn Komntiffion ber ©cfchäftsftelle bes „(EharitaSoerbanbes für
baS fatljol. ^cutfchlanb^. 132 S.
Blanc, Louis, Drgauifation ber Arbeit. Hach ber neunten um*
gearbeiteten unb burd) ein Kapitel oermehrten Ausgabe bes
Originals, überfefct oon Hobert Präger. Berlin 1899, H. L. Brager.
328 S. SßreiS brofeh- 2 Jt.
HeicheSberg, $rof. Dr. jur. H., $ic Soziologie, bie foziale grage
unb ber fogenannte HechtSfozialiSmuS. Eine AuScinanberfepung
mit ®erm ^rof. Dr. Lubro. Stein, Berfaffcr beS BudheS „X\c
foziale grage im Lid)te ber ^hilofophie*. Bern 1899, Steigeret Eo.
129 S.
^ie beutfehe $anbe iS* Stati ft if nach ihren gegenroartigeu Ein*
ridjtungen unb Leitungen. (9am*Eiitfuhr unb »Ausfuhr in ben
gahrett 1889 bis 1897. Ergänzungsheft Z” ben Bicrteljahrs*
heften zur Statifti! bes £eutfdjen Heichs, Jahrgang 1898, §eft IV.
$erauSgegeben oont Kaiferl. Statiftifdjen Amt. Berlin 189s.
Buttfammer & Mühlbredjt. s Preis 1 Jt.
.hagcnbach s Burdharbt, $rof. Dr. E. 2)ie Krippen unb ihre
bugienifebe Bebeutung. geua 1899, Ohtftau gifdjer. 35 3 .
^reiS 75 &f.
Ser Bäcfcrftreif oon Hamburg * Altona * SLattbsbef. Bleiche
Lehre zieht*” roir aus biefem Kampfe? Hamburg 1898, £.
mann. 63 S. ^reis 20 ?{.
II. ^rmffmhen oott Berttmlhtttgett, Beremett 2c.
StatiftifdjeS galjrbudj ber Stabt Berlin. 23. galjrg. Statiftif bes
galjres 1896 nebft ben weiteren Ergebniffett ber beibeit Bolfs*
Zählungen ootrt Jahre 1895. Jm Aufträge bes Magiftrats
herausgegeben oon H. Böcff), ^ireftor beS Statiftifchen Amts
ber Stabt Berlin. Berlin 1898, Stanfieroicz.
2 )a§ überaus reichhaltige Buch ift int Laufe ber Jahre ein itncut*
behrlicheS gülfsmittcl getoorbett für geben, ber ftd) mit bett Berhältuiffen
Berlins eiugehenb bcfdjäftigcn roill.
Bericht über bie Berbaitblutigen ber Arbcitsuachroeis*Konfercn|
Zu Leipzig 00 m 5. September 1898. $>erauSgegebeit oom Ar*
beitgeber=Berbaub .&amlmrg*Altona. Hamburg 1898, Berlags*
anftalt unb Xruiferci A.=01. (oorntals J- g. Hidjter). 107 S.'
Statistisch Jaarboek der Gemeente Amsterdam, uitgegeven door het Bureau
van Statistiek der Gemeente. 2. Jahrgang 1896. 6. Deel: Geblieke
Diensten, handel en scheepvaart. Prijs f. 0,35.
9Bicshaben. Beridjt über bie Berioaltung ber ©emeinbcangclegciihciteu
pro 1897/98.
©örlijj- Bericht über bie Berioaltung unb beit Staub ber Glcmeinbr*
angclegeuheiteu ber Stabt (ilörliß pro ls97 9 s.
- Jaljresabidilttß ber Stabt=.v>aiipttaffe zu (')örlip pro 1 s97,9h.
Statiftifdjes Jahrbud) für bas ('Iroßlierzogtbmit Baben. 29. Jahrgang
1897 unb 1898. Karlsruher Marflot'idic Xrueferci.
Mainz. Berioaltuitgs^ Hedienfdiaft ber ('»rof;b. Bürgermciuerri bir
Bvoo.-vauptftabt Mainz pro 1. April 1^97 9^.
— Hedtcnfdiafts = Beridtt bes Sräbtiidieu ^uisuß'-rtes zu Main', pro
1S 97 '9s.
— B er to a 11 ut t g s=9i e di ei 1 i cha i t ber Stübliüöen Armni-Teputatioit nitb
ber StäMiidteit voipizien * Teputatiott Z” Mainz pro 1. 'Aon!
1 S 97 / 9 S.
i ? cranl»DovtIld) für btc Sicbaftinn: Dr. (intft grauetc tu Öerlitt W v ^ai}ieiithciffraf;i
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©ujo Brentano unb palUjer <©o$.
21 d] t u ii b 3 m a u 3 i g ft c $ 5 1 ii cf:
fas §d)lnfftrllriuucfen
in kn bentfdjcn frojpMcn
unb feint |efnrnt
mit btfonberrr ^rrü^fu^tigiing brr §labt fflöndien.
Son
©mit C* a b tt,
$reiß gelj. 3 9)farf.
©ie ftrage beß ©cßlaffteHenroefenß mirb Ijter
jum erftcmnal of)nc ©lerbinbung mit affen anberen
©eilen ber 'Bofjmtngßfragc beljanbelt. ©ie
fonalen unb mirtfdjaftlidjen ^uftänbe
unb ©Sirfungen, foioie bie jur Reform beß
©djlafftellenmefcns uorgenominenen $Jaß* 1
nannten non Seiten beß Staate, ber ©efell* 1
fdfjaft unb ber Arbeitgeber im ©eutfefjen j
Jteidjc unb im Außlanbe merben cinge^enb be*
fprodjcu unb Anregung jur weiteren pofitiuen
©bätigfeit bctyufß SBefeitiguug ber 3>?iß =
ftäitbe be* ©djlafftettenmefeuß gegeben.
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Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel, Berlin W.
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Serlin, ben 19. Januar 1899.
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3nl)alt
Ungleiches ©tafe! Con Dr. ©rnft
Stande, ©erlin.401
«MoemetneCoataf« uub Wtrtpfftaf«*»
pofMI.405
Berein für (soafalpolttif.
S)ie preufclfcpe Spronrebe.
Annahme ber 3nbaltbitäiSoerfic|e*
lungS.Aodefle im ©unbeäraip.
©efepentwutf betreffenb bie ein»
getragenen ©erufSdereine.
2)1e ©etoegung im beutfepen ©mp*
btuef gern erbe.
ftomntal« .... 407
Arbelterfürforge in Köln.
Hinflug ber ArbeiterderflcpeTung auf
bie ßffenttiepe Armenpflege in OS»
nabrfid.
Keine ArbeiterauSfcpüffe für ftÖbtifcpc
Arbeiter in ßelpaig.
ArbeiiSIofenffitforge in ©ern.
fitielf ßnftänbe ;.408
Sopnberpältniffe unb 3n*
datibenoerfiepetung. ©on $.
£oin f ©erlin.
©eue J&auSinbuftrie als grauen«
ermeTb.
Kinberarbeit in ©nglanb.
©ie ölaSpfitte bon Albi.
©er Acptftunbentag in ben ©larine»
. betrieben in Amertfa.
AfNttecOcluctsuf.411
©om jtoeiten beutfepen ©ee*
mannSfongxep in Hamburg,
©in atlgemeinet beutlet ©ewerf*
fcpaftöfongrep.
©er Krefelber Söeberftreif.
©rganifation ber Arbeitet in ftübti»
fepen ©etrieben.
©emerfoerein cprfftUcper ©ergarbeiter
SDeutfdjlanbS.
©treifS in Qeutfcplanb toSprenb beS
©esemberS.
8mashing Trade Unionisro.
©er Kongreß englifcper ©ergarbeiter.
©et nationale Kongtejj bet fran»
gbfiftpen ©ergarbeiter.
©et AuSftanb bet JpanblungSgepfilfen
ber Kolonialmaarenbrancpe in ©ariS.
AuS ber ametilanifcpen ©ewerfflpaftS*
betoegung.
ttrtrf*#na<*toeil.418
©entraloerein für Arbeitsnachweis in
Serlin; Organifation bon paritü»
ttfepen gacp»Ärbeitßnacptoeifen.
ArbeitSnacpweiS*Antrag im ©etcpStag.
fflereiitS.ArbeiiSnacbtoeiS in ßeipjig.
©ermeprung ber gemeinblitpen ArbetiS»
naepmeife in ©apern.
©aS ftfibtif(be Arbeitsamt ©tündjen
1898.
ArbeitSmarft im ©ejember 1898.
©ie ArbeitSbermittelung in Defter*
teicb.
f9ob*MUfl#»cfe*.420
©obenpreife in ©rftffel. ©on
K. b. ©iangolbi.
©orarbeiten für ein SRelcpSwopngefep.
SBopnungSderp<niffe ber ©ifen»
bapnet in ©apem.
SBopnungScnquete in ©öttingen.
©rfinbung eines gemeinnüpigen ©au»
bereinS in ©ocp.
©au bon Arbeiterwopnungen in
©reSben.
©er ßübeefet ©auoerein.
©au» unb ©parberein in ©uSfircpen.
©o*Uie ©tigiene.422
Offene ©erpflegungSftatlonen für
Sungenfranfe.
©ie Söurmfranfpeit unter ben ©erg»
leuten beS ftuprgebietS.
Krippen.
©etoerbeflertebte. ©inienitaSämier.
6dliet#qerid)te.423
©in ©eitrag aur Kompetena«
ermeiternng ber ©emerbe»
geriebte. ©on 3Jt. b. 6cpula,
©orfipenbem beS ©emerbegericptS
©erlin.
Petitionen ber ©emerfdereine um
©erbefferung beS ©eroerbegericptS»
gefepeS.
©ine ©ntgegnung.
Ütttrrorlfdie tto§g*g*8.430
Abbrucf fflmmtlicper Artttel ift ßeitungen unb ßettfcprtften geftattet, Jebocp nur
mit boUer {Quellenangabe.
UnqUU)t$ Ma$l
S)ic beutfd^e Gefefegebung über bie Regelung ber gewerblichen
Arbeit#oerhältniffe ruht auf bem Grunbfafc ber Freiheit oe#
ArbeiiSoertrage#. Dabei wirb bie ©Iei<f)bere(§tigung ber beiben
SSertragf^Iiefeenben, ber Unternehmer unb ber Arbeiter, oorauS*
gefegt: 4)er ^ontraft !ommt gu ©tanbe, menn beibe Sheile au#
freiem (Sntfdjluffe fid) über bie ßeiftnng unb ©egenleiftung einigen,
unb er bleibt fo lange in Straft, bi# Stünbiguna erfolgt; Sbänbe*
rungen be# Verträge# fönnen roährenb feine# ©efteben# nur mit
beiberfeitiger dintniHigung getroffen roerben, eine einfeitige 9)tobi*
fifation bebeutet einen ©ertrag#bruif). 3)a# ift geltenbe# ©emerbe*
recht. 3« Söirflicbfeit aber beftebt an ftd) roeber bie Freiheit noch
bie ©leicbberecbtigung be# Arbeiter# beim ©ertrag#fcblu( 3 . (Sr ift
arm unb bie Arbeit ift ba# einzige Mittel, ihn unb bie 6einen
ju ernähren, folglich ift er in oer Siegel gegroungen, bie ©e*
oingungen angunehmen, bie ber Unternehmer aufftellt. Unb bie
Arbeit ift untrennbar mit feiner ^erfönlidjfeit oerfnüpft, bamit er*
langt ber Arbeitgeber ein ^errfchaft#oerhältniB über ihn. ^Srin-
gipieU erfennt auch ^efehgebung bie 9toth* unb 3*oöng#lage
be# Arbeiter# an. S)er Arbeiterfchufe unb bie Arbeiteroerficherung
finb biefer ©rfenntnife entfprungen. ©or Allem aber h&t ^ c r
6 taat bie Koalitionsfreiheit gugeftanben, fo bafe bie Arbeiter felbft
burch Bereinigung unb Drganifation bie ihnen geioährleifteten
Rechte bei Abfchlufj unb Durchführung be# Arbeit#oertrage# in
©irflichfeit umfefeen fönnen.
Dreifeig Qafere befteht nun biefe gefehlte Regelung be#
Arbeit#oerhältniffe# im ©eroerbe. Aber mir finb weit baoon ent*
fernt, gegentoärtig meiter al# jemal# toährenb biefer 3«t, bafe alle
Organe be# 6taateS, bie Sötehrgahl ber Unternehmer unb weite
Kretfe oon „Befife unb Bilbuna" biefe gefefclichen Anfprüche ber
gewerblichen Arbeiter auf Gleichberechtigung im ArbeitSoerljältniffe
auch praftifch anerfennen. Der 0taat felbft ift e# gewefen, ber bie
anberen BerufSftänbe organifirt h^t: £>anbel#fammern oertreten bie
Sntereffen ber Kaufleute unb ber Snbuftriellen, in Qnnungen, Ge*
werbe* unb§anbmerf#fammern finbet fich ba# Kleingewerbegufammen,
bie ßanbwirthe hoben ebenfall# ihre Kammern. Die Arbeiter al#
folche hoben feinerlei ftaatiieh organifirte ©ertretung. 3So fxe fich
aber gu freien ©ereinen gur SBahrung ihrer Berufsangelegenheiten
xufammenfchliefeen, ba ftofeen fie an allen Gcfen unb Kanten an
bie Beftimmungen be# ©erein#* unb ©erfammlung#recht#.*) Söieber»
holt ift ber ©eid)#tag für eine Befeitigung biefer 6chranfen ein*
getreten, ber Bunbc#rath aber hot e# bi# jefet ftet# abgelehnt,
biefen Befchlüffen Sfolge gu leiften. Ungehinbert jeboch mehren fidp
uub wachfen bie Unternehmeroerbänbe; Kartelle, Druft#, 6pnbifate
gehen auf Haltung Iohnenber ©reife, grofee ©ereilte treten gur
Erörterung wirthfchaftlicher unb fontmergieller Angelegenheiten oon
eminenter politifcher Tragweite gufammen, Arbeitaeberoerbänbe
faffen Befchlüffe gu 0(hufe unb Drufe. Keine ©erwaftung#behörbe
ftört fie in ihrem Beginnen. Ueber bie Arbeiierberufsoereiite aber
wacht bie^oligei mit taufenb Augen. Sfere Beftrebungen gelten felbft
bann oft al# politifcfe, wenn fie nur Bernfsintereffert ber Arbeiter
oertreten, ba# ©erbinbung#oerbot für ©ereilte ift feit 3af;ren nur
auf fie angewanbt worben, bie gewerffchaftlichen Blätter wiffen
genug oon ben 0{f)wierigfeiten gu berichten, bie ben ©erfatnitt*
hingen bereitet werben.
*) ©ergl. „Sogtalc ^rari#" VII Ar. s bnt Artifd: Paragraph s
be# preufetfehett ©ercin#gcfepe# uttb bie' Arbcitcr o ©cruf#üereine.
403
Sogialc ^rariS. ©entrnlDlatt für Sogtalpolilif. Ar. 16.
404
®ic Arbeiterbewegung aber wirb audj oor bem Rid)ter mit
anberem 9J?ape geme)fen, als bie Vertretung ber Unternehmer*
intereffen. ©in im Dienfte eines mäcptigen BubuftrieoerbanbeS
ftepenbeS Drgan pat bieS unlängft burep ben Hinweis auf ben
acfeplicpen Sinn ber Arbeitgeber beftritten, ber eben ben ©ericpten
feinen Anlap gitm ©inf<preiten gebe. Die amtliche Statiftif rebet
auf bem ©ebiete ber Verfehlungen gegen bie ©ewerbeorbnung
inbeffen eine anbere Sprache. 3n ber jüngften Veröffentlichung
(4. VierteljaprSpeft gur Siat. b. Deutfcpen Reiches) finben mir auf*
gegäplt für 1897 an Beftrafunaen aus §. 146 ber ©ewerbeorbnung
(Vorfdjriften über Söpnung ber Arbeiter) 99, ebenfalls §. 146
(Vorfdjriften über Befestigung non Arbeiterinnen unb Bugenb*
licken) 944, §. 146 a (SonntagSrupe) 7823, unb §. 147 (M'ongeffionS*
Pflicht unb Anorbnungen über SicperpeitSoorricptungen in gewerb*
liehen Anlagen) 10585 Bäde. 3nß e 9cben, bap hierunter recht oiele
rein formale ober geringfügige uno läplicpe 3i ll ^i^rhanblungen
finb, fo geht auf ber anberen Seite bocp aus ben SapreSbcricpten
ber ©eroerbeauffiehtsbeamten immer roieber umoiberleglid) peroor,
bap auch fcpwere Vergehen, bie ©efunbheit, ßeben uno Sittlicpfeit
ber Arbeiter bebrohen, oor ©ericht gumeift einer fepr milben Be*
urtpeilung begegnen. Auch bie lepten Bericpte*) finb ood fokper
Beftftedungen: Vfandje Arbeitgeber, Uagt ber Beamte für baS
Dberelfap, fegen auch ben befepeibenften Anfpriicpen im ^titereffe
ber Arbeiter SBiberftanb entgegen. AuS aBeftpreupeit wirb mit*
etpeilt, Pap für Vergehen gegen bie Arbeiterfcpupbeftimmungen
ie ©eriehte in ber Regel fo niebrige Strafen oerhängen, bap'fie
nicht als aitgemeffene Sühne angefepen werben fönnen. DaS
©leiche melben Branffurt a/D. unb Arnsberg, ebenfo Gaffel. Die
„unmenfcplicpe AuSnupung jugendlicher Arbeiter in einer Mabel*
fabrif" pat iui Duisburger ^tuffiifjtsbe^irf eine fo ntilbe Strafe
erfahren, bop fie „wenig geeignet erfcheint, gewiffenlofe Unternehmer
oor ber Vegehung gleich fernerer ©efepeSoerlepungen gurücf*
guf cp reden". Der ©ewerbeinfpeftor für Saarbrücfen erflärt: „So
lange bie gerichtlichen Strafen für Uebertretungen ber Arbeiter*
fepupgefepe fo niebrig bleiben, ift wenig AuSficpt oorhanben, Pap
biefe ©efepe überall genau befolgt werben." Auf Bericpt beS Auf*
fieptsbeamten in Düffelborf pat ber bortige RegierungSpräfibent
bie ©rften Staatsanwälte erfudjt, bie AmtSanwäUe bahin angu*
weifen, ,,bap fie bei Verhängung adgu niebriger ©elbftrafen feitenS
ber Schöffengerichte in jebem Bade Berufung einlegen". Dies be*
weift hoch Har bie $äufigfeit geringfügiger Strafen für 3uwiber*
hanblungen gegen ben Arbeiterfcpup.
Unb mit biefer milben $rafis ber ©eriehte gegen biejenigen
Unternehmer, bie im ©egeufap gu ber gropen Rfeprgapl ihrer
Pflicht* unb gefepeStreuen Bodegen aus ©igennup unb ©ewinn*
fuept bie ©ewerbeorbnung übertreten, oergletcpe man bie Urtpeile
gegen Arbeiter, bie fid^ bei AnSftänben Vergehen**) gu Scpulben
fonimcn laffen! 2Sir greifen aufs ©craberoopl ein paar Bäde aus
unferem Material perauS: 3 roe i Monate ©efängnip erhielt ein
Arbeiter in ßübeef, weil er bei einem Streif einen anberen Arbeiter
mit Drohungen cingefcpücptert hatte. Vier ©oipen ©efängnip
würben oom ©eriept in Vtüncpen oerhängt, weil ein Schuhmacher
burep Befcpimpfungen einen ArbeitSfodegen gur Dpeilnapme an
einem AuSftanbe gu bejtimmen fuepte. Das Itanbgericpt 'I Berlin
pat gmei Viaurer, bie gwei anbere Vfaurer burch Drohungen
nötigen wodten, SBocpenbeiträge gur Streiffaffe gu gaplen, wegen
©rpreffung gu 4 konnten begw. 2 SSocpen ©efängnip oerurtpeilt,
ba fie in ber Abfiept gepanbeit hätten, einem Dritten einen redjts*
wibrigen VermögenSoortpeil gu oerfepaffen. SBegen £>auSfriebeuS*
brueps unb Bebropung erpielt ein itfaurer in VotSDam einen Sßonat
©efängnip, weil er wäprenb eines Streifs auf einen Bau gefommen
war unb einem Arbeiter gugefept patte, in benAuSftanb gu treten.
SBegen Rötpigung finb gwei 3iaunergefeden in Stettin gu 4 Mo¬
naten ©efängnip oerurtpeilt worben; fie patten oon einem gu*
gereiften Mollegen unter Drohungen oerlangt, er fode Vereins*
mitglieb werben. Das £anbgericpt BlenSburg oerurtpeilte einen
3immermann, ber oom Schöffengericht freigefproepen war, gu gwei
Rtouaten ©efängnip, weil er Arbeitswilligen gefagt patte: „Ceute,
pier ift Streif, BP* feib noep jung unb wipt nid)t, was Bpr tput,
aber piitet (5ucp!" Die ^oligei patte auSbrütflicp bie „rupige unb
befonnene s Beife" beS VJanneS begeugt. ©in Vlaurer erpielt oom
fianbgeriept Berlin II einen Vtonat ©efängnip gubiftirt — wegen
oerfuepter 9fötpigung — weil er einem Bodegen gefagt patte:
*) Amtlicpe Sttittbeilungert aus ben BaprcSberichteit ber (bewerbe*
auffiditsbeaniteh für 1897 S. 15, 52, 53, 108.
**) 2)tc Stntiftif weift für ^uwibcrhanMungcii gegen $. 153 ber
©ciocrbcorbnung im Bahre 1897: 254 Be [traf urigen auf.
„2Benn Du nidjt in ben Verbanb cintrittft, bann giebt’S was
raus". Drei Vtaurcr in §>ade a/S- erhielten 9 refp. 7 Vlmtate
©efängnip wegen Vergehen gegen §. 153 ber ©ewerbeorbnung,
Beleibigung unb Slörperoerlepung. Das Sanbgericpt ©rfurt pat
wegen Befcpimpfungen unb Dpätlicpfeiten gegen einen ArbeitS*
willigen einen Arbeiter gu einem Bapr ©efängnip oerurtpeilt.
SBegen ©rpreffung oerpängte baS Sanbgericpt DreSben 6 Vtonate
©efängnip unb 3 Bapre ©proerluft über einen Arbeiter, ber
bei ßopnbifferengen betn Unternehmer gebropt patte, er würbe bafür
forgen, bap bie näcpften oier SSocpen fein Vtaurer auf ben Bau
fornmen fode.
DaS Bilb wäre inbeffen unoodftänbig, wenn wir gu erwähnen
oergäpen, bap auep Unternehmer wegen VtipbraucpS beS £oalitionS*
rechts gur gerichtlichen Verantwortung gegoaen werben. AderbincjS
fmb uns nur ein paar Bäde befannt. 3u Vfüncpen feprieb ein
Vfeifter wäprenb eines Döpferftreifs einem abtrünnig geworbenen
Bodegen einen Brief ood gröbfter Befcpimpfungen wegen feiner
„Bubastpat", bie er nur burep Beitritt gum Arbeitgeberoerbanb
wieber gut maepen fönne; baS Schöffengericht fpraep ipn frei. 3u
©ifena^ bagegen finb Vorfipenber unb Sdjriftfüprer ber Vlaurer*
unb 3immererinnung 5« 1 ©cfängnip oerurtpeilt worben,
weil fie einen Vlaurermeifter, ber bie Bor& er un 9 cn feiner Arbeiter
bewidigt patte, mit $enngeid)nung feiner ^erfönlicpfeit unb §anb*
lungSweife oor ber Deffentlicpfeit bebropten. DaS ift AdeS! Dap
aber auep auf ber Unternehmer feite reept häufig DerroriSmuS geübt
unb manep ArbeitSwidiger an ber Arbeit oerpinbert wirb, bafür
geben bie Statuten mancher Arbeitgeber* unb Babrifantenoerbänbe
ben Beweis. Strafen, ftpwarge Giften, BopfottS unb AuSfperrungen
fmb an ber DageSorbnung. VHr paben jüngft pier Vhttpeilungen
aus ben Sapungeit beS DapetenfabrifantenoereinS gemacht, bie
ade Vegifter ber Scprecf* unb Strafmittel giepen; Arbeiter, bie gwar
orbnungSmäpig, aber gemeinfam fünbigten, foden minbeftenS brei
Vtonate lang bei feinem VerbanbSmitglieb Arbeit erhalten. Btt
Duttlingen ift biefer Dage in einer Scpupfabrif eine Arbeiterin
wegen UngeporfamS entlaffen worben; brei Söfonate lang bleibt fie
nad) bem Statut beS Vereins bei aden VereinSmitgliebern aus*
gefperrt. $acp ber ArbeitSorbnung ber „Adgemeinen Acetylen*
gefedfepaft B^metpeuS" in Seipgig ift.©runb gu fofortiger ©nt*
Iaffung bie Vfitgtiebfcpaft beim s Dtetadarbeiteroerbanbe unb bie An»
wefenpeit in einer feiner Verfammlungen. Der Bu^nHnfpeftor für
Vpein* unb Oberpeffen berichtet 1897, bap ein groper Dpeil ber
Unternehmer jeben Arbeiter entläpt, oon bem fie oermutpen, bap er
IRitglieb einer Drganifation geworben ift. Derartige gärten finb
niept bie Vegel, aber fie finb leiber auep niept feltene AuSnapmen.
Viag fein, bap fie naep bem ©efep niept ftrafbar fmb, aber ipre
fittlnpen, fogialen unb materieden VHrfmtgen fmb unfereS ©racptenS
minbeftenS ebenfo gefäprlicp als bie AuSfcpreitungen oon Streifen*
ben gegen Arbeitswillige.
©S liegt uns fepr fern, wegen beS ungleichen dJlapeS in ber
Bepanblung oon Unternehmern unb Arbeitern bei Blagen beS
ArbeitSoerpältniffeS unferen Vicpterftanb ber bewupten ^arteilicpfeit
u geipen. Das Uebel liegt im ©eift ber $ät\ ©S entfpringt ber*
eiben Auffaffung, bie päufig genug ben Streif als einen Aft ber
„Unbotmäpigfeit" auffapt, bie es gar niept begreifen fann, bap
Arbeiter ebenfo wie Arbeitgeber bie ^onjunftur gur Verbefferung
iprer ßage benupen. Bft nid^t begeiepnenb, bap ber Bunb ber
BaugewerfSinnungen, ber auf härtere Beftrafung ber ÄoalitionS*
oergepen pinbrängt, gleicpgeitig eine SDlilberung ber eoentued bie
Baumeifter bebropenben Beftimmungen anftrebt, bie ben burep
Baprläffigfeit bewirften Dob eines Vtenfcpen beftrafen? 3öir fepen
oft genug, bap offenfunbige Regierungsblätter gang naio Partei*
funbgebungen ber Unternehmer als ipre eigene Sacpe oertreten,
aber bap bie “ißoligei* unb VermaltungSbepörben bei einem Aus*
ftanb mit ipren Sgmpatpieen ober gar mit iprer £>ülfe auf
Seite ber Arbeiter ftänben, ift uns, abgefepen oon ber Bewegung
ber ÄonfeftionSarbeiter im 3&P*e 1896, niept befannt, wopl aber
eflatante Bäde oom ©egentpeil (o. ^uttfamerfeper Streiferlap).
©S wäre nur menfcplicp, wenn auep bie Ricpter oon biefer 3 e il*
ftrömung erfapt werben. Dpatfacpe ift es jebenfads, bap feit B^P*
unb Dag, feit ben Maiferreben in Bielefelb unb De^npaufcn baS
gange feparfe unb umfangrekpe Rüftgeug beS StrafgefepbucpS gegen
Streifoerbrecper in Bewegung gefept unb ader Sdjarffinn, ade
Den tu ngSfunft ber 3»nften auf geboten ift, um bie Sünber gu
faffen, fofern fie Arbeiter finb, wogegen B^u DpemiS bei Unter*
nepmern in Sacpen beS gewerblichen ArbeitSoerpältniffeS meift nur
mit bem Biuger bropt. $raftifcp ftedt peutgutage ber §. 153 ber
*) „Sogiale ^raris VILI 3p. 33s.
40o
Soziale ^rariS. (Sentralbfatt für Sogialpolitif. Rr. 16.
406
©eroerbeorbnung lebiglicfe ein AuSnafemegefefe gegen Arbeiter
bar. Unb trofebem roiH man feine Veftiminungen no<fe oerfefeärfen!
greilicfe mirb ja aucfe gur Verufeigung gemelbet, bie Unternehmer
moHe man ebenfalls treffen. Aber wer oerbürgt, felbft wenn Bier
ßüden ausgefüllt merben fällten, bafe bann aucB banaefe gefeanbelt
mirb? S)ie Recfetfpreifeung ber lefeten QaBre geroife nicBt, unb
bann mürbe baS Rtofe, mit bem Arbeiter unb llnterneBmer gemeffen
werben, noefe ungleicher. ©ine tiefe Äluft reifet biefeS „ungleiche
SJtofe" in unfer Volf, unb bie grofee Aufgabe, „ben Staat im
VolfSberoufetfein gu oollenben", mie2>afelmann fagt, fefeeint unfern
Staatsmännern, Beamten, Ricfetern, gefefemeige benn ben „oberen
Sefentaufenb" feBr fent 311 liegen.
Rein! Riefet nur Strafbefttmmungen ftnb es, bie notB tBun. Uns
ift fein gall befannt, mo ein TO&brautfe beS ÄoalitionSrecfets — ift
bieS boefe fefeon ein feBr beutungSfäBiger 23eariff! — bei Arbeitern
unbeftraft geblieben märe. $>as Regifter ber Paragraphen beS
StrafgefefebucfeS, baS ber Ricfeter gur Verfügung Bat unb oft mit
fcBier beängftigenber Shmft Banbfeabt, ift feBr grofe, unb roenn es
Süden Batte, fo mürbe ber oielberufene „©robe Unfug" aucB auf
Streifpoften, Vopfotte unb Söarnungen oor Sagug angemenbet.
Rotfemenbig ift bagegen gleirfjeS 9)?afe unb aleicfeeS ©eroiefet bei
allen Urteilen in Sacfeen beS gewerblichen ArbeitSocrfeältniffeS.
2 >er filrbeiter, ber bei einer Vertretung feiner Sntereffen mit bem
©efefee in $onf!ift fommt, foH niefet Bärter faBren als ber Unter*
neBmer, ber biefelben Vkge roanbclt. Unb mie baS Kapital bie
oofie ftoalitionSfreifeeit in umfaffenbfter SSeife für feine Ve*
ftrebungen auSnufet, fo mufe aucB bi* Arbeit aleidje Sifecfjte erhalten.
$)arum fort mit ben Scferanfen, bie bie VeroegungSfreifeeit ber
ArbeüerberufSoereine in iBrer legitimen Sphäre etticngen! Starfe
UnterneBmerorganifationen liegen im 3 u $ e ber 3eit, aber ftarfe
Arbeiterorganifationen ftnb bie notBmenbige ©rgängung. Veiben
mufe ber Staat, bie Vermaltung mie bie 3uftig, mit ooHer Un*
parteilicfefeit unb Unabfeängigfeit gegenüberfteBen. Sn ©nglanb ift
Dies jefet unoerbrücfelicfeer ©runbfafe, ber nacB Bartem Gingen fieg*
reicB burefegebrungen ift. Au<fe mir müffen betreiben Vteg geben.
Um uns aber Kämpfe gu erfparen, müffen ArbeiteraiiSKfeüffe, ©e*
merbegeriefete, ©inigungS* unb Scfeiebsämter, Arbeiterfamntern in
ben SDienft beS fneblicfeen Ausgleichs bei ArbeitSftreitigfeiten ge*
ftellt werben. ©iefe Snftitutionen fittb fämmtlicB Vterfe ber fogialen
©erecfeügfeit. SBenn ber ©eneralfefretär eines mächtigen Unter*
neBmeroerbanbeS im September 1890 auSrief: Niemals merben
beutfefee Arbeitgeber ftch bereit finben, mit Vertretern oon Arbeiter*
organifaiionen auf bem gu&e ber ©Ieicfeberecfetigung gu oerBan*
bem,*) fo Balten mir iBm baS ftaifermort 00 m 4. Februar 1890
entgegen: „güt bie pflege beS griebenS groifefeen Arbeitgebern unb
Arbeitnehmern finb gefefelicfee Veftimmnngen über bie Sonnen in
AuSficfet gu neBmen, in benen bie Arbeiter burefe Vertreter, melche
iBr Vertrauen befifeen, an ber Regelung gemeinfamer Angelegen*
Beiten unb gur SBafernefemung iBrer Sntereffen bei Verfeanblungen
mit ben Arbeitgebern unb ben Drganen meiner Regierung befähigt
merben!" '
Verlin. ©.grau de.
äUgettteine Sojial- traft Äirtfjfdjaftspolitih.
Verein für Sogialpolitif. $>er AuSfchufe beS Vereins für
Sogialpolitif Bat nebft mehreren feiner UnterauSfcfeüffe am 2 . unb
3. Sanuar in Verlin getagt. ©S murbe fcftgcftellt, bafe oon ben
im ©ange befinblichen Arbeiten beS Vereins 1 . bie Vättbe 3, 4
unb 6 über baS £>aufirergemerbe bis 1. April, bie Vänbe 5
unb 7 bis 1. Auguft; 2. bie Vänbe über bie JpauSinbuftrie
ebenfalls bis bahin fertig merben, roährenb bie Unterfucfeungen
über bie beutfehen VSafferftrafeen niefet oor etroa groei Saferen
geliefert merben fönnen, biejenigen über bie Arbeiter ber Ver*
feferSgeroerbe gunäefeft megen ber ablefenenben Spaltung ber
preufeiftfeen ©ifenbafenbefeörbe oertagt mürben.
$)ie ©eneraloerfammlung beS Vereins foH ©nbe Sep*
tember in VreSlau mit folgeitber £ageSorbnung ftattfinben:
1. bie .£>auSinbuftrie, ifere gegenroärtige fiage unb bie Sdjufe*
gefefegebung für ifere Arbeiter; 2. baS ^aufirergemerbe unb
bie ©ntmidelungStenbengen im SHeinfeanbei (Vagare, ^onfum*
oereine 2 c.), mobei über bie gtoei ©lieber biefeS XfeemaS je ge*
fonbert für ftefe oerfeattbelt merben foü. 2 )ie Referenten ftnb noefe
nicht befinitio beftimmt.
*) Scferiften beS Vereins für Sogialpolitif Vb. 47 3. 11.
8 ür eine fünftige Verfeanblung, betreffenb bie SSofenungS*
frage, mürbe befcfeloffen, in einem Sammelbanb baS gefammte
oorfeanbene beffriptioe unb legiSlatorifcfee Material burefe eine
Reifee oon Referenten furg unb gufammenfaffenb befeanbeln gu
laffen.
®it prcitfeifdje ^feronrebf, mit ber am 16. Saniiar er ft e
Seffton beS fianbtages naefe ben Reumafelen gum Abgeorbneten*
feaufe eröffnet roorben ift, fünbigt auf fogialpolitifcfeem ©ebiete bie
Reuregelung ber ©eBaltSoerfeältniffe eingelner klaffen oott Unter*
beamten an, fomie bie anbermeite Drbnung ber SBittmen* unb
SBaifenoerforgung ber VolfSfchuIleferer. Aucfe mirb bie gefefelicfee
Regelung ber Verfeältniffe ber itomtnunalbeamien für notfemenbig
ertlärt. Auf bem ©ebiete beS ©emeinbe-SSafelrechtS mirb ein Aus¬
gleich gegen bie oon ber Steuerreform oeranlafeten Verfcfeiebungen
oerfeeifeett. Aucfe ein ©efefeentmurf über bie fommunale Vefteue*
rung ber grofeen Söaarenfeäufer ift in AuSficfet genommen. ®icfe
gefefegeberifefeen Aftioncn roaren bereits befannt. dagegen entfeält
bie ^ferotirebe fein üöort über bie f)erangiefeung oon praftifefe er*
probten ^ülfsbeamten gur Vergroerhnfpeftion, ote oermutfelicfe im
©tatSgefefee geforbert mirb. ©benfomettig erfährt man über bie
Abfidjten ber Regierung bezüglich beS VereinSgefefeeS. ®a ber
Antrag, bitrcfe ReicfeSgefefe baS lattbeSgefehlicfee Verbot beS Sn*
oerbiubunatretcnS poliiifcfeer Vereine aiifgufeebcn, mieber im Reicfes*
tage eingebraefet ift, fo mirb man möglicfeermeife bei biefem Anlafe
autfeentifefee AuSfunft erfealten. ^)ie Xferonrebe fcfeliefet mit folgen*
ben 2 öorten:
$>te toirthichaftlicBen unb politifcfeen ©egenfäbe, oon benen unfere
3rit erfüllt ift, legen ber Verwaltung unb ©efefegebung in befonberem
äftafee bie VfKdjt auf unbeirrt oon bem Streite beS 2agcS, bie ftaat*
Iicfeen ©iurichtungen im pinlcreffc aller klaffen ber Veoölferung gu
fidjern unb auSgübauen. 2)ic ©ruitblagen unfereS Staats- unb
VolfslebenS finb gefunb unb feftgefügt. ernftem Streben
mirb an ber ©ntfaltung ber geiftigeu unb fittlidjen Äräfte beS Volfes
gearbeitet. Auf mirthfcfeaftlicfecm ©ebiete geigt ficfe gefteigerte Schaffens*
freubigfeit unb ftetige ©ntmicfelung; ber SBofelftanb beS Sanbes ift
ficfetHch im S^acfefen. SDUt 3aoerfid)t blide id; beSfealb in
bie 3ufunft.
2 )ie in fo feierlicher Sonn fonftatirten, ebenfo erfreulichen
mie unbefireitbaren Sfeatfacfeen enthalten inbireft eine berebte Siir*
fpraefee, ja gerabegu eine Aufforberung, fräftige Sogialpolitif itn
Sntereffe ber fcfemäcfeercn klaffen gu treiben.
Attnafeme ber SnnalibenberflihernngS-Robelle im VunbeSratfe»
Sn feiner ^ßlenarfifeung ootn 16. San. feat ber VunbeSratfe bem
©ntrourf einer Abänberuna beS SnonlibitätS* unb AlterSoerfid)crnngS*
©efefees naefe ben AuSIcfeufebericfeten feine 3 u ffanmung ertfeeilt.
Sicfeer mirb bie Vorlage nun ungefäutnt an ben Reichstag ge*
langen.
©efeferntwurf betreffenb bie eingetragenen VernfSberetne. Snt
Reichstage ift ber in ooriger Saifoit niefet erlebigte ©efefeentmurf,
betreffenb bie eingetragenen VerufSoereine, oon ber freifinnigen unb
[übbeutfefeen Volfspartei aufs Reue eingebraefet morben. §. I be*
ftimmt: „©in Verein, melcfeer bie V3aferung unb görberung ber
VerufSintereffen unb bie Ünterftüfeung feiner Rtitglieber begmeeft,
ermirbt bie Red)te eines „eingetragenen VerufsocreinS" nad^ 9Äafe*
gäbe biefeS ©efefeeS." ^)ie RecfetSfäfeigfeit erlangt ein folcfeer
Verein burefe ©intraaung in baS VereittSregifter beS guftänbigen
Amtsgerichts. Söer 3*o c£ f c ineS VerufsocreinS fann insbefonbere
burefe folgenbe ©inriefetungeu erftrebt merben: 1 Vkfernefemung
unb Vertretung ber Reefete unb Sntereffen ber Riitglicbcr, mit
©infefelufe ber ©inroirfung auf bie ©efefegebung unb Vermaltung,
©rörterung unb Vefcfelufefaffung über alle ben Veruf ber Rtit*
glieber betreffenben Angelegenheiten; 2 . ©rriefetung oon Scfeicbs*
unb ©inigungSämtern; 3. Drganifatioit beS ArbeitSnacferoeifeS;
4. ©emäferung oon llntcrftüfeungen bei Reifen, ArbeitSlofigfeit,
ArbeitSauSftänben, ArbeitSauSfd)lüffen, fomie in gälten ber Rotfe;
5. ©rriefetung oon UnterftiipungS*, Äranfcn* unb VerfidjerungS*
faffen: 6 . AuSbilbung ber Riitglieber burefe Vorträge unb Unter*
riefetsfurfe, insbefonbere görberung ber förperlidfeen, teefertifefeen,
geiftigen unb fittlic^en AuSbilbung ber ßeferlinge unb jugcnblidjen
Arbeiter. SDie Unterftüfeungen unb ©iuriefetungen fönnen auf bie
gamitienangefeörigen ber RUtglieber auSgebefent merben. Rtitglieber
eines VerufSoereinS fönnen aucfe grauen fein.
$ie Vetoegitttg tm beutfefeen Vucfebruifgewerbe. ^as oereintc
Vorgehen ber Vringipale unb ©efeülfen ift niefet ofene erfreuliriie
V^irfungen geblieben. 5)aS ^arifamt ber Vucfebrucfcr ^eutfcfelanbs
feat ein Vergeicfenife berjenigen Vud)brucferfirmen gufammengeftellt,
bie am Scfeluffc beS Safei'c^ 1898 ben allgemeinen Vucfebrncfer*
407
Soziale $rct£iS. EcntralBIatt für Sozialpolitif. Rr. 16.
40S
tarif anerFannten unb ihre Geholfen banadf) entlohnten. AuS bem
Rerzeicbniffe qef)t heroor, baß im oergangenen 3alp fidf) nod) eine
große 3 af)l girmen entfdiloffen haben, beit £arif anjnerlennen.
Rom Rtoi bis jum Schluffe bes oerfloffenen 3al)reS flieg bie 3al)l
ber ben Xarif anerfennettben Sinnen in Seutfd)(anb oon 2030 auf
2674, bie fid) auf 647 beziehentlich 871 Drte oertheilten unb
22 468 beziehentlich 25 132 Gehiilfen befchäftigten. Sa 539 Sinnen
bie ©ehülfenzahl nicht angegeben haben, fo ift anzunehmen, baß
bie 3ahl ber z u tarifmäßigen Rebingungeit arbeitenben Geljülfen
noch um einige Saufenb höher S u bemeffen ift unb brei Viertel
aller Gehülfen bei oöflig tarifmäßiger Bezahlung unb Arbeitszeit
befchäftigt fein roerben. Am 28. 3anuar foQ abermals eine Seit*
ftellung ber Sarifoerljältniffe im BudjbrucFgewerbe in ganz $>eutfch*
lanb mittels gragebogen fiattfinben.
fionttmtttnlr öojialpoiitib.
ArBetterförfom in Solu. Ra<h bem Kölner BermaltunaS*
bericht 1897 beftehen neben ben oon einigen (Großbetrieben für
ihre Arbeiter errichteten UnterftüpungSFaffen 2 C. für bie Unter*
ftüpung ber ftäbtifdjen ftänbigen Arbeiter bei SienftunfäpigFeit
folgenbe Grunbfäpe: Eine llnteirftüpung toirb bei Arbeitern erft
nach 20 jähriger Sienftzeit unb zwar in Höh e oon 0,35 bis zum
$öchftbetrage oon 0 ,,; 5 beS burchfd)nittlichen 3ah*eSlohneS. $>ie ge*
fammte Snoaübitäts* unb Altersrente toirb abgezogen. Sei Saifon*
arbeitern gilt nur bie Hälfte beS SahoeSlohneS. Sie BerfidtjerungS*
faffe gegen ArbeitSlofigfeit im Sinter zeigte bisher geringe Er*
folge, toohl wegen ber BFilbe beS Sinters. Bon 324 Serficherungen
blieben bezugsberechtigt 236 (73 0 / 0 ), 151 baoon (= 64o/ 0 ) melbeten
fich als arbeitslos, 43 baoon erhielten burch bie Allgemeine
ArbeitSnadjweiSanftalt bauernbe Befestigung. Sen übrigen 108
mit 4843 arbcitslofen SerFtagen mürbe oorübergeljenb für 2646
Sage Befthaftiaung zugewiefen. Es Famen fonach für 2197 Sage
3485 <ji(. zur Auszahlung, mährenb bie Berfidjerten 2213 „// bet*
getragen Ratten, immerhin ift gegen bas Borjapr ein Fleiner
Sortfd^ritt oorhanben. Siefelbe Erfdjeinung roeift bie Allgemeine
ArbeitSnachmeiSanftalt auf, bie bei 17 898 gefuchten unb 19111
offenen Stellen 14 080 beferen Fonnte. — Um bie Befferung ber
SohnungSoerhältniffe mühten fich einige Großinbuftrielle für ihr
eigenes Rerfonal unb mehrere Bereine, roie bie zwei 3 ahoe alte
Rippefer Sau* unb Spargettoffenfchaft bereits 22 3weifamilien*
Häufer errichtete; biefe gehen allmählich in ben Befip ber Au*
miether über. Sie Stabt erließ bie StraßenbauFoften (20000 dt).
Sie ArbeitSnachmeiSanftalt, oon ber Stabt fnboentionirt, roieS audj
Sohnungen nach- SaS ift banFenSmerth, benn bie SohnungS*
bichtigFeit h at zugenommen oon 3,is Haushaltungen unb 14 ,03
Bewohnern 1890 auf 3, 4 g Haushaltungen unb 14,r 0 Bewohnern
1897 (bei Ausfluß ber Anftalten unb Hotels). Um ben Arbeitern
unb Arbeiterinnen ohne gamilienanfd)luß Foftenfreie (Gelegenheit
Zit belehrenber unb unterhaltenber ShätigFeit zu geben, finb zwei
Bereine weiblicher Angeftedten gegrünbet, ift bie ftäbtifche BolFS*
Iefehalle oon 3 bis 8 Uhr Sonntags, 6 bis 9 Uhr Alltags ge*
öffnet, Ebenfo finb bie ftäbtifchen Bhifeett an Sonntag*Rach*
ntittagen z u befichtigen. — SJFan fteht, es ift in $öln fchon ein
hübfcher Anfang in ber Arbeiterfürforge gemacht, ber ausbaufähige
Meinte enthält.
Ginfluf? ber ArBeikrberfifhermtg auf bie öffentliche Artneu*
pflege in DSnaBrücf. Ser BerwaltungSberidjt ber Stabt DSnabrücf
für 1897/98 berichtet hierüber SolgenbeS:
Sie Äranfenuerftcherung ift infofern oon nicht unerheblicher ©in*
roirfung auf bic Armenpflege geroefeit, als manchen Rerfonen aus Traufen*
taffen Unterftüpung z u 2heil geioorbcn ift, melche ohne baS ÄranFen*
oerficherungsgefep ber Armenpflege anheimgefaflen mären, bann auch,
meil bic Armenpflege häufig nur ergänzenb einzutreten braudjte.
git golge ber Unfalloerfichcrung ift nur in bcfdiränftent R?aße
eine ©ntlaftung beS Haushaltsplanes ber Armenoermaltung eingetreten.
dahingegen ift ber Einfluß ber Alters* unb gnoaltbenoer»
fidjerung auf bie Höhe ber öffentlichen Annenlaft ein fortbauemb
fteigenber. So befanben fiel] feit bem 1. Januar 1890, bem Sage bes
gnfrafttrctenS bes ©efepe*, 50 unter ben 403 Rentenempfängern in
hiefiger Stabt, meldic aus öffentlidieu Armenmitteln unterftüpt mürben.
Ron biefen tonnten nad) unb nach als fie in ben Genuß ber Reute
traten, aus ber Armenpflege entlaffeu merben. gu ben 30 übrigen
VväQrii braud)te bie Anneupflege nur ergänzenb einzutreten, itibetit bie
Rente zur Bestreitung bes notproenbigen Lebensunterhalts für ben ©m*
pfänger unb beffen gamilieuangchörigen nicht Ijinreidjtc.
Auf bie Bermtnberung ber 3 fl hl ber Armen gegen baS Rorjahr
bürfte jept auch mieber bie Arbeiteroerficherung z«m Speil oon Einfluß
gemefen fein.
die Armenpflege brauchte in nur menigen gällcn oorläußg, an
Stelle ber Arbeiteroerfuherung, einzutreten. tfranfe, melche nach Ae»
enbiguna ber tfranfenfürforge ber ranFenfaffen nod) nicht geheilt waren,
mußten oeS Cet'tercn in Armenpflege übernommen roerben.
^n hdußgen gälten ßelen Angehörige oon ©rfranFten, bie in An¬
ftalten oerpflegt mürben, ber Armenpflege anheim, inbem bie ben ga*
müien-Angehörigen znftehenbe Hälfte beS Traufen gelbes zum Unterhalte
berfelbcn nicht genügte. Audj Famen oerfdpebene gälte oor, baß ©m*
pfänger oon Un|all*, Alters» ober ^nonlibenrenten außerbent aus öffent¬
lichen Armenmitteln uuterftüpt mürben, meil ber Retrag ber Rente auch
hier zur Reftreitung beS Unterhalts für biefelben unb beren gantilien*
angehörigett nicht auSreidjte. die Armenpflege mürbe oor Rcginn eines
Rentcitbezugeö unb gegen fpätere ©rftattung ber Äoften Seitens ber
RerufSgenoffenfdjafteu unb RerftcherungS*Anftalten nur in oereinzelten
gällen in Anfpruch genommen.
^eine ArBeiterauSfdhüffe für ftäbtifche Arbeiter in Leipzig.
Ser Aath ber Stabt Leipzig hat befdjloffen, oon Einführung oon
ArbeiterauSfchüffen für ftäbtifdje betriebe abzufehen. 3ur Segrün*
bung roirb barauf htugeroiefen, baß für bie Einführung berartiger
Ausfdjüffe nur fabriFmäßiae Retriebe in Retracf)t Fommeit. Ron
ben ftäbtifchen Schrieben fallen herunter nur ein Stcinbruch unb
bie (GaSanftalten. Eine SRothwenbigFeit z ur Errichtung eines
ArbeiterauSfchuffeS liege nicht oor. Surdh bie beputirten SlathS*
mitglieber fei ben in biefen Retrieben befchäftigten Arbeitern hiu*
reidhenb Gelegenheit gegeben, ihre ©ünfdje gegebenen gaUeS un*
mittelbar zu Gehör oeS AatheS zu bringen.
ArBeitSiofenfürforge in öertt. Sie RerwaltungsFommiffion ber
RerfidheruitgsFaffe gegen ArbeitsloftgFeit oeranftaltete am 9. Sanuar
eine Rerfammlung jur Refprechung oon SWaßnahmen gegen bie
ArbeitslofigFeit. Sie Rerfammlung befd)loß, fich mit anberen
ftäbtifdhen unb gemeinnüpigen Snftituten in Rerbinbung zu fepen
unb biefe zur £f)eilnabme an einer größeren Rerfammlung eingu*
laben, in ber bie weiteren RorFebrungen (Sammlung oon HauS
Zu Haus, Erhöhung beS GemeinbebeitragS oon 7000 auf 10 000
grancS 2 c.) beraten werben folleit. Stabtpräftbent ßinbt erFlärte,
baß z^ar Feine außerorbentlichen Rauarbeiten auf bem Rubget
ftehen, baß es aber möglich fein werbe, eine befchränFte Anjahl
oon Arbeitslofen mit ^ieSauShub, Straßenreinigen, Straßenarbeiten,
Erb* unb Rahnarbeiten z u befcf)äftigen. Gegenwärtig fmb noch
350 RFann mit über 600 Angehörigen, bie ber tfaffe angehören,
unbefchäftigt. Ser ArbeitSlofenFaffe ftanbeit für biefen Söinter
14 418 grcS. zur Rerfügung; baoon finb inbeffen bereits 8387 grcS.
oerbraudjt. Sie freiwilligen Reiträge haben oon galjr zu Sahr
abgenommen; für biefeS 3ah^ finb bloß noch 618 grcS. einge*
gangen. „Es ift fomit bringenb geboten, einerfeits fo oiel als
möglich ben fieuten für Refdjäfttgung z u forgen, anbererfeits
weitere Gelbmittel aufzubringen," bemerFt bazu ber „Runb". Am
12 . Sanuar fanb bann eine größere öffentliche Rerfammlung ftatt,
in ber befdjloffen würbe, alle Arbeitslofen, ohne AüdFficht auf bic
3ugebörigFeit zur ArbeitSlofenFaffe zu unterftüpen.
Soziale 3u(tänbe.
üohnPerhältitiffe unb 3u^alibenPerftcherung.
3u oerfthiebenen früheren ArtiFeln habe ich fd^on barauf hin*
lewiefen, baß man aus ben 9?achweifungen ber SuoalibitätS* unb
teerSocrficherungSanftalten über bie gezahlten ©odjenbeiträge einen
ewiffen Schluß barauf ziehen Fönne, ob bie Söhne geftiegen finb,
eziehungSweife ob bie Arbeitsgelegenheit fich oermehrt hat; benn
ber oermehrten 3 a hl non RJodjenbeiträgen Fann man es nicht ohne
SßeitereS anfehen, ob baran eine größere ober geringere 3aht oon
Arbeitern Sßcil hatte. 2öenn man bie beiben erften 3ab*e ber
Snoalibenoerficheruna außer Rechnung läßt — unb baS ift bei
Rcrgleichen nothwenoig, weil in ben beiben 3al)ren noch mancherlei
gehigriffe in ber Remeffnng ber Reiträge u.f.w. oorFamen — unb
baS 3ah^ 1893, in welchem auch oiele RerficherungSanftalten mit
ihren ^ontrolmaßregeln nachbrücflich einfepten, als erfteS normales
3 ahr betrachtet, bann ergiebt fich, abgefehen oon ben befonberen
Maiieneinrid)tungen, für Die 31 SanbeSoerficherungSanftalteii im
3ahre 1894 eine Steigerung ber RBodjeitbciträge gegen 1893 um
3,to 0 . Hv e i ne Steigerung ber Gelbeinnahmen um 3,m 0 . H-i
babei hätten aber einzelne Anftalten, namentlich brei oon ben acht
409
Soziale $ra£is. ©entralblatt für Sogialpolitif. 9tr. 16.
410
BagerifcBen SHnbereinnaBmen oon 5*/2 Bis 10 o. fr. gu uer**
geid)nen.
3m 3a*) rc 1895 ftieg im SerBältnifj gurn 3<*Bre 1894 bie
3afjl ber SkcBenbeiträge um 2,56 o. fr., bcr Setrag ber ©elbein*
nahmen um 2,83 £>•; barauS folgt, ba& au<B tBeilroeife eine Ser*
roenbung oon Starfen ber Beeren Seitragsflaffe ftattgefunben
Baben mufc. 2ln bem SReBr ftnb alle SerfidjerungSanftalten mit
Ausnahme ber oon Skftpreußen, S°romern, S°fen unb ber DBer*
pfalg Beteiligt, oon benen bie lebten Beiben eine Sttinbereinnafjme
oon 4,18 BegieBitngSroeife 4,77 0 . fr. geigten.
©ine gang allgemeine «Steigerung ergab fidE) im guBre 1896;
gegenüber 1895 ftieg bie & er 2Bod)enbeiträge um 5 , 80 0 . §>.,
bie Summe ber Baaren ©innaBmen um 6 , 5 g 0 . fr. in golge einer
ftärferen Serroenbuna ber ÜDtarfen britter unb oierter ßoBnHaffe
unter SlbnaBme ber Serroenbung ber Starfcn ber Beiben unterften
SoBnflaffcn. 2ln ben SJteBreinnaBmen finb fämmtlicBe SerfidjerungS*
anftalten BetBeüigt, felBft Sofen mit einem 2ReBr oon l,u 0 . fr.,
obgleicB es bamit nod) nid^i ben Stanb oon 1894 roieber erreichte,
ben es übrigens au(B 1897 nocB nid)t roieber erreicht Bat. 3m
UeBrigen Betrug bie Steigerung ber ©innaBmen oon 1,49 0 . fr. (in
SRecHenburg) BtS 11 ,46 v. fr. (m Skftfalen) unb groar groifcBen Bis
5 0 . fr. in Dftpreufjen, ©eftpreufcen, SdjIeSroig - £>olftein, lieber*
Bauern unb ben §anfaftäbten, groifcBen 5 unb 6 0 . fr. in Sranben*
Burg, Sommern, ScBlefien, $rooing SacBfen, DBerpfalg, DBer*
fraufen, Unterfranfcn unb SraunfcBroeig, groifcBen 6 unb 7 0 . fr.
in £>annooer, groifcBen 7 unb 8 0 . fr. in §effen*SRaffau, SBeinlanb,
DBerbapern, $Mg, Hönigreidf) «SacBfen, Württemberg, Saben,
@rof$BergogtBum Reffen, DBüringen, DIbenBurg unb ©Ifaß*
SotBringen, über 8 0 . fr. in Serlin ( 8 , S i o. §>.), SRittelfranfen
(10,io o. fr.), ScBroaBen (10 ,30 0 . fr.) unb Wefifalen ( 11 , 4Ö o. fr.).
Der roirtBfdjaftlidje 21ufftBroung B<*t aud) im Qaljre 1897 nodj
angeBalten, fo bafc im ©angen für alle SerficfjerungSanftalten nocB
ein 9ReBr an WocBenbeiträgen unb an ©elb ficB ergeben roirb,
tro^bem in eingelnen Segirfen ficB f<Bon ein Heiner SRücfaang Be*
merfbar gemacht B a *- @3 liegen mir bie SericBte aus Sdjlefien,
Srooiitg SacBfen, &effen*$Raffau, ÜRieberbapern, ScBroaben, Äönig*
reich SacBfen unb Württemberg nocB nicBt oor. Wenn in biefen
Segirfen ber Stanb oon 1896 aufrecBt erBalten ift — in ben
metften roirb er aber üBcrtroffen fein — bann ergicbt ficB für alle
31 SerficBernngSanftalten eine 5ReBreinnaBme um etroa 4 Bis4 l /4 o.|).
Sei einigermaßen günftigem Ausfall in ben nod) unbefannten Se*
girfen fann bie Steigerung ficB fogar Bis auf 7 o. fr. Belaufen.
®ie 31BnaBme ift, foroeit ber ©elbBetrag in SetracBt fommt, nur
eine feBr geringe: in Dftpreufjen 1,06, in 9RecflenBurg 0 , 52 , in Weft*
preufcen 0, 23 , in <ßofen nur 0,o6 0 . fr.) etroaS großer ift bie 21B*
naBme in ben Betreffenben Segirfeit Begüglid) ber SRarfengaljl,
nämlid) in Dftpreu&en 1, 83 0 . fr., in Weftpreufcen 0,79 0 . fr., ein
Seroeis, bajg bie Abnahme bie unterften SoBuHaffeu trifft. Die
3aBreSberid)te ber Serfid)erungSauftalten Sofen unb 5Recflenburg
enthalten feine Eingaben über bic 3 a Bl Ber ocrfauftcn SeitragS*
rnarfcn, fonbern oergeicBncu nur ben oereinnaBmtcn ©elbBetrag.
Die 3nnaBnte an (SinnaBmen ftcüt ficB Bei ben 24 Anftalten,
bereit Senate mir oorliegen, oon 0, 3 > 0 . fr. in DIbenBurg Bis auf
6,85 ü- in Stittelfranfen; fie Beträgt in ben £>anfeftäoten 6 ,? 8 ,
in Dberbatjeru 6 , 42 , in DBerfranfeit 5 /ß o, in Sabeit 5, 24 , in (51)oft*
fiotBringen 5, 0 i, in SRBeinlanb 4, 83 , in Unlerfranfen 4 ,73, in Serlin
3,92 nno in Weftfalen 3,79 0 . fr. gegenüber bem Stanb oon 1896,
ber ein feBr hoher roar.
Scbauerlid) ift, ba& bie Seridjte nicBt alle gleid)mäj$ig ge*
arbeitet finb, baft fie gutn großen 2 Beile nur allgemeine 3 a Blen
geben, nicBt aber bie Serfjältniffe in ben eingelnen llntcrbegirfen
barftellen. s Bo folcBe 2)arftelluug ber ©ingeloerBältniffc, rocmt aucB
nur im geringen Umfange oorBanbcn ift, ba geigen fid) oft über*
rafcBenbe ßrgebniffe, bie man bei ber s Jteuorbnung ber 3noaliben*
oerficBerung rooBl BcacBten foKte (5s ergiebt ficB s S- für bie
SerfidjerungSanftalt Sommern, bafr im ('langen 1897 gegen 1896
nocB eine ÜJteBreinnaBmc Än l,r,7 0. fr. crgielt roorben ift, bafe
aber im SHcgiernngsbegirf Hö^lin bie (SinnaBmen einen abfolutcn
9tücfgang gegeigt Baben, ber nur burd) bie (SinnaBmeftcigcrung in
ben Beiben SttegieruugSbegirfcu Stettin unb Stralfnnb ausgeglicBen
roirb. 3n SSeftpreufeen geigt es fid), bafj bie meiftcn üanbfreife
im 3oB re 1897 crBeblid) roenigcr au Beiträgen aufgcbradjt' fmben,
als ber Hapitalroertl) ber in biefen Hreifen BeioiHigten Leuten
auSmad)t; nur bie Ä'cBreinnaBmen aus beit ftäbtifcijen Segtrfen
Rangig, ©Ibing, SBont 2 c. fteflen baS ('Heid)geroid)t roieber Bcr.
Sefoitbers intereffant ift bie Serfdiicbenartigfeit ber SerBäU*
niffe, bie in S>eftfalen fid) feftfteHen läßt, roobei bie Seraarbeiter
als gur HitappfcBaftSfaffe gehörig, gar nicBt in SetracBt fotnmen.
5)er gange SRegierungSbegirf fünfter mit SluSnaBme beS HreifeS
SRecflingSBaufen, ber gange SRegierungSbegirf ÜRinben, mit SluS*
naBme beS Stabt* unb £anbfreifeS Sielefelb B^ben burdjauS einen
rein IanbroirtBfd|aftIic§en ©B a rafter; eS überroiegen in allen Hreifen,
aufeer ben genannten, bie erfte unb groeüe CoBnHaffe, roie etroa in
Sommern unb SranbenBurg. SluS bem feBr ftarf inbuftriellen
9iegierungSBegirf Arnsberg geBören gu ben lanbroirtBfcBaftlicBen
Segirfcit nocB Bie Hreife Srilon, ßippftabt, 9RefcBebe, Soeft unb
Sßittgenftein. 3n SocBum unb ©ortmunb entfallen auf bie Bödjfte
ßoBnflaffe 55 BegieBungSroeife 61 0 . fr. aller Seiträge, roäBrenb
in ben Greifen Secfum, Skrenborf, fiübbecfe, SBarBurg no^ nicBt
2 0 . fr. aller Seitrage in bie oierte fioBnflaffe fallen. $ie Ser*
fcBiebenartigfeit geigt ficB i n folgenber UeberficBt nocB gang beutlicB-
©S entfielen 1897 auf bie
SRünfter .... 18,32 v. fr. 45,09 0 . fr. 29,37 u. fr. 6,42 u.
Sfttnben .... 17,56 w 52,03 w 22 ,06 „ 8,35 „
HmSberg .... 2,41 „ 26,44 „ 40 ,71 „ 20,44 „
$rooinj SBeftjalen . 8,82 „ 35,63 „ 34,3» „ 21,is ^
STucB bie SericBte oon SSürttemBerg — ber für 1897 ift nocB
nicBt erfdjienen, ber 00 m 3aB*e 1896 ift aber eine roaBre Qfunb*
grübe gur ©rforfcBung oon ©ingelBeiten unb um fo roertBooüer,
als er überall einen SergleicB mit ben anbern SerfuBerungSanftalten
ermöglicBt —, Saben, fjeffen, SRBeinlanb, ScBleSroig*feolftem, Serlin,
ber BanfeatifcBen $Inftalt Bieten mancBen roertBoouen Seitrag gur
Statiftif ber SnoalibenoerficBerung, bagegen finb bie Bapenfdjett
Serid)te burcBauS mangelBaft, unb aucB bie SericBte aus Sofen,
Dftprenfeen unb DIbenBurg fönnten oottftänbiger fein.
SielleicBt legt man Bei ber Seratßung Der SRooeHe gur 3n*
oalibenoerfi^erung im SReicBStage ben ßanbeSregierungen es ans
£>erj, ba& fie bie eingelnen SerftcBerungSanftalten gur emgeBenberen
Seridjterftattung anBalten.
Serlin. fr. frovn.
SReite #attStnbttftric als fyraaeucrtoerB. S)er Serliner „£ette*
Serein" BeabruBügt, 00 m 3TpriI an UnterricBt in ben SecBnifen
beS ScBicBt* unb SilbroebenS gu eröffnen, roie fie in ÜRorroegen
geübt roerben. 2>er UnterricBt ift nicBt für Dilettanten Beftimmt,
fonbern foll einen neuen ©rroerbSgroeig, ber in erfter Öinie als
©auSinbuftrie für grauen geeignet ift, ins Seben rufen. Der
£ette*Serein B«t 3 U biefem 3mccfe mit ber „$orbif<Ben Hunft*
roeberei, ©. m. B. fr“ ein Slbfommen getroffen, roonacB fi<B Biefe
oertraglicB oerpflic|tet, bie ScBülerinnen nacB Ablauf ber fecBs*
monatlicBen ÖeBrgeit roäBrenb eines 3<*BreS in Slfforb gu Be*
fd)äftigen unb BefoitberS Befähigte ScBülerinnen in ber Hunft*
roebfcBule gu Beftf)äftigen. S3äl)renb ber gleicBen 3eit barf bie
Sd)iilerin Bei einer Honoentionalftrafe oon 150 dt- für feinen
anberen ©eroerbebetrieb gleite Arbeiten anfertigen. Das fieBrgelb
foll 100 c M. Betragen, für einen 2BeBftul)l finb 50 Jt gu entricBten,
25 J/. Haution finb für in ber fieBrgeit gu oerbraucBenbeS
Material gu entricBten. Der anfänglicBe DageSoerbienft Bei einer
ungefäBr acBtftiinbigen SlrbeitSgeit roirb auf 2 Bis 3 di BerecBnet,
ber ficB Bei guneBmenber ScBnelligfeit aufeerorbentlicB fteigere. 3 ur
SBiebereinfüBrung ber fünftlerifc^en §)anbroebtecBnif fmb m Sfan*
binaoien unb aucB Bereits in DeutfcBlanb gacBfcBulen erricBtet.
hoffentlich Bleibt bie neue |muSinbuftrie oon ben ^luSroücBfen
oerfcBont, bie ficB fonft Ieicfjt Bei £>auSinbuftrien eimüften.
HittberarBeit iit ©ttglattb* Der HuSbeutung ber Hinberarbeit
in ©nglanb ift nacB ber bort BefteBenben gaBrifSgefefegeBung ein
recBt roeiter Spielraum gelaffen. Dürfen bocB Hnaben oon über
groölf gtiB^en in ©rgbergroerfen Bis gu 54 Stunben pro SSodje
Befd)äftigt roerben unb in gabrifen unb SSerfftätten bürfen bie
,.Half-Timers l< (.Jalbgeitler), fo genannt, roeil fie entroeber nur am
Sormittag ober am &ad)mittag Befdjäftigt roerben bürfen, fogar
fd)on oon elf SoB^en an BefcBäfhgt roerben. gür oerfcBiebcne ©eroerbe
(g. S. bie Säcferei) finb nocB StuSnaBmebeftimmungen getroffen.
Die fogialiftifcf)en ©ruppen, oor allem bie „SogialbemofratifcBc
göberation", einige ©eroerfoereine unb bie organifirten Sd)ulIeBrcr,
fämpfcn fcBon lange gegen baS §albgeitlerfi)ftem. 3n nädjfter 3eit
roirb, roie bie „Justice 4 * mittBeilt, in s DZand)cfter baS ..Half Time-
Comite“ gufammentreten, um über baS fernere Sorgel)en gu Bc*
rat()en; iBm gel)ören aud) eine 2lngal)l gabrifanten an. ©S füll
eine fofortige .perauffetjnng beS Filters auf groölf g^Brc uub iu
brei gaBren auf 13 gab re für bie 3i*toiiuii8 oon ,.Half-Timers‘*
erftrebt roerben. Der ©Bef s gabnfeiiifpettor fprid)t fid) iu feinem
leßten Serid)t in entfd)iebeuer Steife gegen bie Hinberarbeit aus.
Son ben 120 000 „Half-Timers a , bie in ©nglanb uub SkleS je(>t
411
Soziale ^raytS. ©entralblatt für Sozialpolitif. Rr. 16.
412
befcßäftigt werben, fielen etwa 65 OOO außerhalb ber gabrtfSgefcße,
ber Reft unter ber gabrifStnfpeftion. ® er größte beiber
Kategorien wirb in ber Sejtilinbuftrie oon ßancafßire befdßäftigt.
3m 3afae 1893 betrug bie 3°^ ber in Sabrifen bcfdjäftigten
Kinber mxß 173 000; bis baßm war e£ fogar geftattet, Kinber
fcßoit oom geinten Sebenöja^re an als „Hall-Timer“ zu befdjäftigeit.
Tie ®fa$(jtttte öon Aftö, baS bcfannte fojialiftifdje Aftienunter*
neunten, bas anfänglidj wegen ber an feine ©riinbung qcfmipftcn Hoff*
nungen linb nachher bureß feine finanziellen Berlegenheiten, bic bis! ju
ftarfen Soßnrücfßaltungen führten, oon fieß reben machte, ftfjcint nun*
mcßr etwa« beffcre ©cfdjäftc ju madjen. ©enigftcns bat fidj ber lange
Iagembe Borratß fertiger ^robufte nad) beu Berichten ber in Arbeiter*
{reifen gebilbeten „Bcrteibigungsliga" ftarf oerminbcrt. gmmerhin muß
beamtet werben, baß bic ©laößütte noch fortwäbrenb Untcrftüßungen
nötig hat unb auch wirflid) in bcträrfjtlid^cin SRaßftabe aus Arbeiter*
foKcften begießt. Kürzlich hat fie fogar ein ©efdjcnf aus öffentlichen
Mitteln erbalten. Tie oon bem fogialiftifchcn ©eweinberat oon Albi
bewilligten 12 (XX) grcS. aus ber ©emeiubefaffe erhielten jnnt großen
Scßrecfen liberaler ^olitifer bie ©eneßmigung ber Staateregierung.
Scßon im Vorjahre hatte bie ©emeinbeoerwaltung 25 000 grcS. für ben
nämlicben 3wecf ootirt; boeb oerfagte baS Damalige SRinifterium BZeline
feine guftimmung. Tie ©lasßütte oon Albi fann fid) fo über gouocr*
nementaleS ©ohlwoflen faitnt beflagen. Scßon bei ihrer ©riittbung
geflattcte baS K abinet Bourgeois zur Aufbringung ber ©elbmittel bie
AuSfcßrcibung einer Sottcrie, welche bem ©efeße nach in granfreid) nur
für ©oßltßätigfeitezwecfc erlaubt finb.
Ter Atfjtfhmbeutög in ben SRartaebetriebett in Slmerifa. (Sine
Kommiffion ber „American gfeberation of £abor" würbe Anfang
Rooember 1898 bei bem SDtarinefefretär oorftcllig unb erfudjte
biefen, einen Befeßl zu erlaffen, wonach bie Arbeitsftunben, bie
über ben Arbeitstag oon acht 6 tunben ßinauSgeßcrt, mit bem ein*
etnßalbfacßen Betrage be§ geroößnlicßett StunbcnloßneS entfcßäbigt
werben fotten. Ter Bfarinefefretär fagte zu, biefen Bhtnfcß 311 be*
rücfficßtigen unb fanbte bem ^räftbenten beS ArbeiteroerbanbeS auf
beffen Anfrage folgenbeS Schreiben:
„gn Beantwortung gßres Schreibens oom 12 . Rooemher, worin
Sie um eine Abfcßrift beS angefünbigten Befehle in Betreff ber Arbeite*
jeit in ben KricgShäfen erfudjen, ift es mir ein Bcrgitügen, gßncit baS
golgenbe 31 t fenben:
Artifel 1574, §. 2 , Abtheilung A, lautet wie folgt:
gür Arbeit, welche aus bringenben ©rünben zwifeßen 6 Uhr
Borgens unb 8 Uhr AbcnbS über bie acßtftünbige Arbeitszeit oer*
richtet würbe, fott berfelbe fioßnfaß wie bei ber achtftüubigen Arbeite*
3 eit zugeftanben werben.
Abtheilung C lautet:
Arbeiter welche ben Tag über befcfiäftigt waren unb welche aite
bringenben ©rünben angewiefen weroen, über acht Stunbcn zu
arbeiten, füllen für foIch e befonbere Arbeit, welche na<ß 8 Uhr Abcnbs
unb oor 6 Uhr SRorgcnS oerrießtet würbe, nad) bcmfclben Sohufaße
bie Stnnbe bezahlt werben, wie für Tagesarbeit mit einem 3ufdjlagc
oon 2 M
geh habe ein Runbfcßreibcn mit folgenben Abänberungeit erlaffen:
Artifel 1574, §. 2 . Tie Abtheilungen A unb C ftnb zu ftreidjen
unb für Abtheilung 0 tritt folgenbe ©rgätizuug in straft:
A. gür Arbeit, welche aus außergewöhnlichen ©rünben
über acht Stunbcn täglich »errichtet wirb, füll ber gewöbulidje
ÜJohiifajj mit einem 3 ufd)lagc oon 2 M zugeftanben werben."
^tbeiterbctuegirag.
Bom 2. beutfehen SeematmSfmtgreg Itt Hamburg»
Am 9., 10 . u. 11. Januar tagte in Hamburg ber 2 . beutfehe See*
mannsfongreß. Bertrcten waren bic Secftäbte Hamburg, Bremen,
Bremerhafen, glctteburg, Kiel, S^übecf unb Stettin bnrd) 14 2)clegirtc.
Außerbcm hatten bie .Hafenarbeiter, btc Sdnitezintmcrcr, bie Biafdjiniften
unb Heizer Aborbnungen cutfanbt. Bott Seite ber fozialbemofratifrßen
9teid)tagsfraftion waren zwei Bütglicber, für bie Wencralfommiffton ber
Ok'werffihaften eines crfdjicncn. And) einige ©äße waren ber ©inlabung
gefolgt. Tie Jagesorbuung beS Kongreßes war folgenbe: 1. Tie ü?age
ber Seeleute au Borb unb am Vaub. 2 . Tie Semannsorbnuug.
Tas KoalitiouSredjt. 4. Ter Arbeitsnadjweis ber Seeleute. 5. Ter
©crichteftnub ber Seeleute. (J. Tie Arbeiterfdiußgefeßc. 7. Tas Ber*
langen ber Sdiiffsleute nad) einer reidjSgefcplidien Kontrolle bes Sd)ißs*
baues unb ber Schiffe. 8 . Tie Bemannung ber Sdßffe. 9. Tic guter*
uationalität ber Seeleute. - lieber bic Bcrhanbluugen unb Befdßüffe
bes Kongreßes wirb uns oon einem Ihcilnehmcr folgcuber Bericht
gefaubt:
Tie Umwälzung, bie fid) in ben Icßteu 20 gaßren im SchiffSwefen
ooflzogeu hat, bat and) ben Beruf ber Seeleute ftarf getroffen. Au Stelle
bes Segclfihiffes tritt immer mehr bas Tampffdßff. 3i?ähreub früher burd)*
weg nur bic KüftcuOeoölferuug fid) bem Scebieuß wibmete, werben jept
oieie teilte aus bem gnlanbc berangezogen. gaft jeber Tampfer hat
bei Antritt einer neuen Bcifc, eine Anzahl unbefahrener teilte au Borb.
Hieraus refultirt, wie fdjon oft bewiefen, baß im gatte ber Stfotß bie
Rettungsboote nicht genügenb mit bootsfunbigen Seuten bemannt
werben fönnen. Speziell bei bem SWafchinenperfonai wirb fein 2Berth
barauf gelegt, baß fie ben Bootsbienfi fennen. SSelcße Oiefaßr hifrburch
namentlich für große ^affagierfdjiße h^aufbefchworen wirb, ift ein*
leudjtenb. Welcher BeßanMung ferner bie unteren B?annfd)aften oft
auSgefeßt ftnb, wirb bureß zahlreiche ©erichteoerßanbluugen, fowie bureß
bie oielen Selbßmorbe auf See, befonbers unter bem Hcizcrpfrional, be*
wiefen. Auch mit ben Rotßarbciten an Borb, felbft im Hafen, wirb
oft ein wahrer Unfug getrieben. Ter § 31 ber Seemannsorbnunq be*
ftintmt für im Hafen liegenbe Schiße eine zehnftünbige tägliche Arbeits¬
zeit. Tod) wirb biefe oft nidjt innegeßalten, ba ber SBacßtDienft nießt
als Arbeitszeit gered^net wirb. TaS ftnb SKißftänbc, bie fieß leicßt
bureß eine gut bureßgefüßrte Kontrolle befeitigen ließen. 3TOit biefer
Kontrolle liegt es aber feßr im argen. Racfi bem § 47 ber Seemanns*
orbttung ift im AuSlanbe ber Konful mit Der Unterfucßung oon Bfiß*
ftänben z« beauftragen, gn maneßen gatten ift ber Konful aber gleich*
Zeitig Agent ber Rßeberei bes zu unterfudjenben Sdjißes. @S müßte
ßier bic Beftimmuug getroßen werben, baß auch einige oon ber ScßißS»
mannfdjaft bei ber Unterfucßung herangezogen werben. Leiter müßte
in ber Seernannsorbnung feftgelegt werben, wie groß bie 3 a ßl ber
unbefahrenen teilte auf einem Sd)iß fein barf. B5ie ja bei bem
feemännifeßen Beruf fel 6 ftoerftänblicß ift, ift eine Scßißsmannfchaft
oft aus ben oerfditebcnftcn Rationen z u fammengefept. Hifr müßte
bie Bcftimmung getroßen werben, baß geber bie gegebenen Kom*
maubos üerfteßen muß. 3 ar Sicherheit im Scßißsbctricbc finb ftrenge
Borfdiriften nöthig. Senn ein Schiß beit Hafen oerläßt, muß
auf Seetüd)tigfcit, Bclabung, ©üte bcS BfOffantS, beS Saffers u. f. w.
eine ftrenge Kontrolle auSgeübt werben. (Sbenfo muß bic TiSziplinar*
gcwalt ber Sdjißsfüßrer oon ©runb aus reformirt werben. Tas
Sijftem ber Strafgelber muß befeitigt werben, ba eS oft zu Ungerecßtig*
feiten füßrt. Tic Rotßwcnbigfeit einer Reoifion ber Seemanns*
orbnnng ift oon allen Seiten anerfamtt, unb ber Kongreß bcfcßloß,
bie Regierung zu erfueßen, „bem ReidjStage noch wäßrenb ber gegen*
wärtigeu Tagung eine hierauf bezüglidje Borlage z» unterbreiten".
TcS Weiteren würbe fowoßl tut gntereffe ber Seeleute wie ber ge*
famntten Sdjißfaßrt geforbert: „ 1 . Tie beutfdjen Rßebereien werben
nad) einer burd) bie Reid)Sregierung zu beftimmenben BemanuungS*
Sfala oerpflidjtet, ihre Sdjißc zu bemannen. 2 . Tic ‘Seemannsämter
werben burd) ein Rcicßsgcfep angewiefen, biejettigen Auslänber oon ber
Anntufterung guritef zu weifen, welche ber beutfdjen Sprache nießt foweit
mäd)tig finb, baß fte bie gegebenen KomtnanboS pünftlicß ausfüßren
fönnen."
3ur grage beS KoalitionSrecßtcS würbe naeß einem Referat
bes Rciihstagsabg. o. ©Im eine Refolution angenommen, bie „bie nach*
träglußc ©infiigung ber in ber Seernannsorbnung 3 . 3- uitßl aus*
briütlid) benannten Sidjerftellung beS KoalitionSrccßte" forbert. Außer*
bem würbe gegen eine Berfd)led)terung bes KoalitionSrecßtS proteftirt unb
oiclmehr bepeu Ausbau oerlangt, „mit ben Arbeitern bic 9)iögltd)feit zu
gewähren, ihre fulturnothwenbigen Beftrebungen zur fitllicßen, getftigen
unb wirthfdjaftlicßcn Hebung ber oielen Taufenbe bes Seemannsberufes
erfüllen z u fönnen."
3u oielen Bcfcßwerben gab ber „©ericßtsftanb ber Seeleute"
Beraulaffitng. Bei allen gäüen, bie oor bem Seemannsamt zur ©nt*
feßeibung fomnten, befteßt baS ©erid)t aus einer $erfott, bem SSaßer»
fdjout. Tagegen befteßt bei ben Seeleuten ein tiefes unb großen TßeilS
bered)tigtes Biißtraucn. Blirb ein Seemann wegen eines BcrgeßenS in
baS Sci)ißjournal eingetragen, fo ift bie golge, baß er bei ber Ab*
mufterung oor ben BSafferfcßout zitirt unb oon biefem beftraft wirb.
Siegt bic Sadje aber umgefeßrt, baß ber Seemann Beftßmerbe gegen
Borgcfeßtc füßrt, fo wirb er in ben meiften gätlcu auf beu 2Bcg gerießt*
lidjer Klage oer wiefen. Ter § 29 ber Seernannsorbnung oerpflidjtet nur
beu Seemann, aber uidjt ben Rßebcr ober Scßiffer. Ten ©eg ber ©ioil*
flage zu bcfdjreiten, unterläßt ber Seemann aber meift, ba bic Sacße zu
langwierig wirb unb er babureß in feinem ©rtoerb beeinträchtigt wirb.
Tie ©iinfdjc ber Seeleute in biefem Bmift formulirte ber Kongreß in
ber Refolution: Ter Reichstag möge bei ber Beratßung einer neuen
Scmannsorbnung „ben Anträgen auf reidjsgefeplidje ©infüßruitg oon,
aus einem jnrifiifrficn Borfißenben, unb aus beu Kreifen ber Seeleute
gewählten Beifißern (analog b. ©cwerbcgeridjtcn) zufarnmengefeßten
2 ecfdjöffetigeridjteit unb auf Scßaßung eines CbcrfcemanttSamteS feine
3 uftimmuug geben."
Tie Arbcitsoermittclung ßat in beu lejjtcn gaßren wiebcrßolt
bic treffe befdjäftigt. Aber obgleich bie^ft feßr fraffeu 2Äißftänbe oor
aller Ceffeutlicßfeit flar gelegt werben, hat fieß in bem ©efen ber
Arbeitsocrmittelung bei ben Seeleuten nur wenig geäubert. gn Haut*
bürg haben einige ©roßrljebereien Hcuerbureaus ins Nebelt gerufen.
Aneij eriftirt ein joldjcs oott Seiten bes „Bereites Hamburger Rßcber",
bod) entfprechen and) biefe beu Auforberuugeu nicht. Tic Bcrwaltung
ift nämlid) eine oÖIlig einteilige; bie Seeleute haben „uir to ieggen".
grüher gab es in bett fleincrcu Hafenpläpen feine Bcrmittcluug ber
Arbeit burd) einen Tritten; ber Seemann ging au Borb, um fid) mit
bem Kapitän perfönlüh in Bcrbinbung 311 feßen. geßt aber hat in
golge bes Umidjwungcs in bei* Schifffahrt jeber Hafenort einen ober
mehrere Heuerbaafe, biefen ift ber Seemann auf ©nabe unb llugnabe
preisgcgcbcti, ba er nur bureß ihre Bcrmittcluug augeheuert werben
famt.' ©s würben auf bem Kongreß eine große’ Anzahl Bcmcife für
413
©oktale PtaftS. ©cntralblatt für Sogialpolitif. Br. 16.
414
bic Ungercdjtigfett biefeS SpftemS erbra<ßt. $a$ emsige Mittel, hierin
Abßülfe su fdjaffeit, fießt ber Kongreß barin, baß ,f>euerbureauS burrfj
^cirf;ßgefe^ eingefiißrt unb unter gleichmäßige Berwaltuug non Arbeit¬
gebern nnb Arbeitnehmern geftcllt werben.
? n J )cl * Erfüllung biefer gorberung liegt ein Stücf Arbcttcrfdjnß
für bie Seeleute, bie oßneßin irn Allgemeinen bei ben Arbeiterfehuß-
gefe^en su fürs gefonmtert finb. Aber and) bei ber Arbeiteroerficberung
fjat fteß ein Mißftanb für fie ergeben, nämltcß bei ber Stentenberctfjnung
für Unfälle. Bei einem Reiser fontmen 50 M, bei einem Matrofen
45 .✓/ 2oßit pro Monat in Anrechnung. #iergu werben noeß 18 M
für Befähigung in Anredjnung gebraut, BeibeS jeborf? nur für neun
2Konate. Sie Bollrente würbe bentnacß für einen feiger 408 M , für
einen Matrofen 378 .M pro gaßr betragen, Ser Kongreß forberte ba-
ber, baf? „bei ber geftlegung ber Unterlagen sur Bentcnberecßnung bie
in 2SirfIid)feit oerbiente £>euer, etnfdjließlid) Äoftgclb nnb Uebcrftunben-
gelb, s»r Anrechnung fommen" [oU. gern er füllen fdjärfere unb prägifere
UnfallocrbütungSoorfcßriften oon ber Beidjsregierung erlaffen unb oon
Beidßsinfpcftoren fontrolirt werben. Aucß bie Mißftänbc in ber tfranfen-
fürforge würben in ber Debatte geftreift.
Betreffs ber „gnternationalität ber Seeleute" befd)loß ber
Äfongrefj, bie internationalen Begießungen gu pflegen unb weiter aus*
gubauen. $ie Bßeber Ratten fid) international organifirt, um il)re
Sutereffen gu wafjren, biefem Beifpiel würben bie Seeleute folgen, fo
lautete bic Motiotrung biefeS BcßßluffeS.
allgemeiner ßnttfdjer ©etorrffcßoftSfongref? foff itn 3ttai
biefeS Saftes in granffurt a. 2R. ftattfinben. Ser Sag foH fich
n. A. mit ber gegenfeitigen Unterftüßung ber ©ewerffeßaften be-
fdßäftigen.
Ser fhrcfelber Böeberftreif ift nun bodß in ooHetn Umfange ent¬
brannt. Sn fämmtlidßen medßanifchen ©ammetroebereien, auch in
benen mit eintägiger EünbigungSfrift, ift bic Eiinbigung erfolgt.
Auch bie Söeber oeS nieberrheinifeßen BerbanbeS cßriftlicßer Textil¬
arbeiter haben befdßloffen, troß ber ißnen oon ben Borfteßent oor-
efteHten AuSficßtSlofigfeit beS AuSftanbeS unb troß ber mangeln-
en (Selber gur Unterftüßung, bennoeß in ben AuSftanb eingutreten
unb lieber oorläufia auf Unterftübungen gu oergießten. Sie neue
ßoßnlifte, fo fagen fie, enthalte, namentlich für bie Sßeber einiger
bebeutenberen gabrifen, gu große Bad)tßeile. Badß ber „ßölnifdßen
Botfsgeitung" ift in einer Berfammlung ber dßriftlicßen Tejtil-
arbeiter auch ber SBorfc^lag eines giißrerS, bie neue ßoßnlifte
probeweife angutteßmen, ingwifdjen weiter gu oerßanbeln unb ben
fioßnoerluft aus ber BerbanbSfaffe gu oergüten, abgelehnt worben.
Sn ben gewerffihaftlid)en Greifen SeutfcßlanbS wirb ingroifeßett für
bie Slrefelber AuSftänbigen, beren 3 a W fl n 2000 beträgt, ge-
fammeit. Ser ©ewerfoerein d^riftlicfjer Bergleute im Bußrreoier
hat 1000 J(. gur Verfügung geftefft. Anfcßeinenb benfen bie
gabnfattten oorläufig nicht ans Badßgeben. Ser Erfolg ber
©treifenben bürfte oon Umfang unb Sauer ber Unterftüßung
feitenS ber gefammten Arbeiterfdßaft abhängen, ba fte felbft über
feine Mittel oerfügen. (Ss wirb auch barauf anfommen, ob ber
Slusftanb allgemetn wirb unb auch auf anbere Ortfchaften über¬
greift. — UnfereS Trachtens liegt ber 5aÜ gerabegu tppifch für ein
©inigungSoerfahren; beibe Parteien ftreiten fich über bie üohnlifte,
wer Stecpt hui, baS ift nur im 2öege ber SSerhanblung burd) einen
unparteiifdjen Sritten feftgufteHen. SSefanntlid) hu^^n bie Arbeiter
ruf) an bas ©ewerbegericht gewenbet, aber bie Arbeitgeber hüben
es abgelehnt, ben gleichen ©chritt gu thun.
Orgauifatiouen ber Arbeiter in ftäbtifdjen betrieben. Sem
SahreSbericht beS SSerbanbeS ber Arbeiter in OJaSanftalten unb in
allen anberen ftäbtifchen ^Betrieben für baS C^efchäftSjahr 1897/98
ift gu entnehmen, ba& am @nbe beS ©efd)äftSjahreS 21 Filialen
mit 1601 SDtitgliebern oorhanben waren, gegen 10 Silialen mit
924 2ftitgliebern im oorhergehenben ©efchäftsjahr. Siefe gort-
fchritte feien um fo bemerfenSmerther, als bie Bewegung unter Ma߬
regelungen unb (Shifunen gu leiben hübe. Surchgängig fehe man
es fehr ungern, wenn ©emetnbearbeiter fich organifirten. 5ÖefonberS
bie unteren ober mittleren Beamten wollten bie SSeretnigung ber
Arbeiter nicht bulben, überfd)ritten nicht feiten ihre Diadjtbcfugiüffe
unb bie oerantwortlidjen ©emeinbebehörben fäl)en biefem Sreiben
oft mit großer ©chabenfreube gu. hätten bann bie Sifferengen
einen ernften Gharafter angenommen, bann erfläre man fdjließlid),
bie Uebergriffe ber unteren Drgane nicht billigen gu fönnen unb
fd^affe mtbermißig 9iemebur. Ser ®efd)äftsbericht führt weiter
$lage, baß bie Bewegung ber ftäbtifchen Arbeiter, oon ocreingelten
Ausnahmen abgefcheit, oon ben örtlichen 03ewerffd)aftSfarieIlen in
Berfeununa ber Bebeutung einer folgen Bewegung fo gut wie gar
nicht unterftüßt werbe. Srofcbem gehe es oorwärts, namentlich in
Berlin, wofelbft feßt gilialen ber ©aS* uub ÄanalifationSarbeiter,
SöafferwerfSarbeiter, SeSinfeftionS- unb 3Rarfthuffcnarbeiter, ber
Saternenangünber unb beS 6<hlad)t- unb BiehhofeS beftänben.
Slußerbem feien in ben Berliner Bororten Segel, griebrid)Shagen
unb £icf)tenberg, wo fich befanntlich Berliner Sßafferwerfe befinben,
neue BerwaltungSftellen gegrünbet worben, ©äntmilichen gilialen
haben ftch bureßgängig bie Mehrheit ber BerufSgenoffen anae-
fcßloffen; in einigen feien 75 bis 80% oon ißnen organifirt. @3
feien auch bie Berliner Arbeiter ber ^analifation unb BSafferwerfe,
ber Btarfthallen unb beS ©cßlacht- unb BießhofeS fowie bie
Satemenangünber in eine noch nießt abaefchloffene Öohnbewegung
eingetreten. Sie Arbeiter forberten Erhöhung ber ^ößne, Ber-
fürgung ber SlrbeitSgeit, SlrbeiterauSfd)üffe, SlrbeitSorbnungen :c.
Sen ÄanalifationSarbeitern feien auch bereits einige 3u9eftänbniffe
gemacht worben, was auch bei ben anberen Arbeitern gu erwarten
fei. — 2ln Umfang unb Bebeutung fann fieß bie Drganifation ber
beutfeßen ftäötifcßen Arbeiter mit ber ber englifcßen auch nießt ent¬
fernt oergleicßen; immerhin oerbient bie junge Bewegung in
Seutfdjlanb Beacßtung, gumal in ftäbtifchen ©emeinmefen meift
reicßlicßere Mittel gur Surcßfüßrung einer oerfößnenben Hrbeiter-
politif oorßanben finb als bei Brioatunterneßmern. ©3 fann gar
nicht feßaben, wenn bie Sfommunen auch oon unten ßer oeranlaßt
werben, meßr ©ogialreform gu treiben.
©ewerfuerein cßriplicßer Bergarbeiter Seutfcßlaubs. Sie am
8. b. 9J?tS. in ©ffen abgeßaltene oierte ©eneraloerfammlung beS
©ewerfoereinS dhriftlicßer Bergarbeiter SeutfcßlanbS ßat folgenbe
Befcßlüffe gefaßt:
„1. Sa bie eigentlidjen §auerlößne troß ber Steigerung ber leßtcn
Sabre noeß nießt bie auf unferem Sclegirtentage gu Bocßum oom Sußre
1897 geforberte ®öße erreicht ßaben, erwarten bie Bergleute eine weitere
Slufbefferuitg ber Öößnc, weldje bie Sage bei? ÄioßlenmarfteS un-
gweifelßaft geftnttet; 2. bie Bergleute forbeni weiterhin eine Bef je re
Bertßeilung berSößne gang BejouberS baßin, baß bie 9ieparatur-
ßauer unb aubere ältere gelernte Bergleute, welcße im ©cßidßtloßn ar¬
beiten, befjer als bisßer gelößnt werben; 3. Befanntgebung ber Soßn-
ftatiftifen nießt nur für gange Begirfe, fonbertt aud) für bic eingclncn
gecßcit; 4. wünfd)eit wir gur Siegelung ter ©ebingc unb ©d)idjtIoßn*
feiße Äommiffionen, befteßenb aus Slrbeitgebern unb Slrbcitneßmern;
5. bie ©eneraloerfammlung fprießt aud) ißre Mißbilligung aus über
bas bei oielcu Bergleuten übließe feiern am Montag unb wünfd)t, baß
ben feiemben Slrbeitern feine Ueberfcßidjten meßr geftattet werben.
Begüglicß ber öerangießung ber Arbeiter gur ©ruben-Sitfpeftion
würbe golgenbeS oefcßloffen:
„Sie ©eneraloerfammlung fteßt nadß wie oor auf bem ©tanbpunft,
baß bie Bergwcrfsinfpeftion unter Mitßülfe frei gewählter Slroeiter*
bclegirten ausgefüßrt werben foHte, bie ißre gunftionen im Siebenanttc
auSgttüben hätten, unb fprießt ißr Bebauern barüber aus, baß bic
Beforat ber BergwerfSinfpeftionen ßeute nodß nießt in biefem ©inne
ßerbeigefiißrt ift."
Ser ©entraloorftanb foH biefe BBünfcße in einer ©ingabe bem
Berein für bergbauliche Sntereffen im DberbergamtSbegirf Sort-
munb übermitteln. Ser ©eniraloorftanb würbe außerbem beauf¬
tragt, tßuniicßft halb bureß Petitionen an bie gefeßgebenben gaf-
toren gu erftreben:
1. bie ©rweiteruna ber ftompeteng ber ©ewerbegerießte als
©inijjungsämter unb ^nlaffung oon ?lrbeiteroertretern als Beeßts»
beiftanbe an ben ©ewerbegeridjten; 2. bie Slbänberung beS Unfall-
ocrfid)erungsgefeßes im Sinne ber im Saßrc 1897 an ben BeicßS-
tag gerichteten Petition beS ©ewerfoereinS, insbefonbere ©rßößung ber
Renten; 3. bic Sfbänberung beS preußifeßen SerggefcßeS im
Sinne ber oorjäßrigen Petition bes BorftanbeS an ben preußifeßen
Sanbtag; 4. ein ©efeß, betr. bic eingefdjricbenen Arbeiter-Berufs-
oereine unb Bcrleißung oon ÄorporationSrecßten an leßtere; 5. ein
©efeß, betr. bie (Srrießtung oon Arbeiterfammern.
Badß bem 9tecßenf<ßaft3beri<ßt beträgt bie Biitgliebergaßl jeßt
27 983 unb ber Ä'affenbeftanb 16 771 , //. Ser monatliche Beitrag
fott fünftig 20 4 betragen (bisher ^Jahresbeitrag nur 1 di.). Sas
BereinSorgan fofi oom 1. April er. ab wöchentlich, ftatt wie bisher
oiergeßntägig, erfdßeinen. 3n Betreff ber geplanten föranfengelb-
gufdßußfaffe würbe mitgetljeilt, baß bie Statuten bereits Anfang
Auguft 1897 eingereießt worben feien, baß aber bis jeßt baS 9JH-
nifterium beS gnnern fte weber genehmigt nodß überhaupt einen
Befdßeib barüber erteilt habe, lieber bie Bergögeruttg würbe
lebhaft geflaqt, unb ber Borftanb beauftragt, beim Ütiiiifterium
fofort oorfteilig gu werben, gerner würbe befcßloffen, alsbalb
eine Spar- unb ©terbefaffe beS ©ewerfoereinS eingurießten.
Streifs tu Seutfcßlanb toäßrenb beS ^cgemberS gäßlt ber „Arbeits-
ntarft" als neu begonnen nur 19 auf, wäßreitb im Aooembcr 40 oer-
geid)itct würben. 2>ie größte 3aßl batte bieöiital bic Metallinbuftrie (6),
oaim folgt bic 2cytiliubuftric (H), bas Baugewerbe bat nur einen
cingigcn Streif. Sde Ausfiänbe finb fänimtlid) oon geringem Umfange,
nur ber Öoßufatnpf ber Hrefclbcr B5cber ift oon großer Bebeutung.
415
Sogiale $ra£t£. ©entralölatt für Sogialpolitif. 9?r. 16.
416
Smashing Trade Unionism? Sie „Bailroat) SReoiero", baS
Crgan ber „bereinigten ©efeßfcpaft ber ©ifenbapuer", inacpt einige
angeblich aus gnoerläffiger Cueße gefepöpfte 9Rittpeilungen über einen
in ber Bilbung begriffenen großen englifdjen Unternepmeroerbanb,
ber fiep hinter ber BtaSfe beS „barlamentarifdjen Unternehmers
ftomiteS" oerbergen foß. (Seit einigen üRonaten fepon pabe btt
291 Firmen umfafienbe Biafcßinenbau*Unternepmeroerbanb bieS
brojeft ins 2Serf gefegt, bamit afle ©eroerbe, roelcße mit „hjrannifdjen
Srabe*UnionS" Sdjioierigfeiten haben, bie ©runbfäpe bes Btafcpinen*
bau*UnternepmeroerbanbeS annehmen unb eine bie Unternehmer
aßer ©eroerbe umfaffenbe Föberation gebilbet roerbe, mit bem
3roecf, bie Srabe UnionS gu gertrümmern. ©inftroeilen habe man
groar nur ben „^arlantentarifthen UnternepmerauSfcßuß" eingefept,
aber man roarte nur auf bas ©rgebniß beS Srabe Union4longreffeS
in SRancßefier, ber am 24. Qanuar beginnt, um bett großen
Unternehmeroerbanb ins Leben gu rufen. (Sine große Firma, bie
Kriegsmaterial fabrigire (Slrmftrong), habe bereits 35 000 Sßfunb
für bie ^ropaganba gegeichnet. (Sogar bie Statuten roeiß baS
©ifenbapner*Blatt fchon mitgutheilen, danach roill ber Berbanb
„abfolute Freiheit beS KontraftcS groifeßen Unternehmer unb
Arbeiter" unter Slbroeifung jeber ©inmifd)ung oon ©eroerfoercitten.
Bei einem Streif erhält baS BerbanbSmitglieb oolle ©ntfcßäbigung
für feine Berlufte. Keine 3irma barf in einem Streite fclbftftänbig
mit Srabe UnionS unterhanbeln, bieS SRecßt hat nur ber Berbanb.
— 2Sir begnügen uns einftroeileit mit biefem furgen fnnroeis, weil
mir trop aßer Berficßerungen ihrer 3uoerläffigfeit ben Btittpeilungen
ber „SRailroat) SReoiero" mit großem S^eifel gegeniiberftepen. Be*
fonberS macht uns bie Behauptung nüßtrauifcp, baß ber Unter*
nehmeroerbanb bann inS Leben treten foße, mentt bie Srabe Union*
fonfereng in SRancßefter eine Bereinigung ber ©eroerffeßaften nid)t
befeßließen follte. Logifcp märe eigentlich baS ©egentpeil. SSir
fönnen uns ber Bermutpung nicht ermehren, baß bie BMbung ein
SRanöoer ber rabifalen Anhänger ber ©eroerffcßaftsföberation ift,
baS nage ^rofefte eingelner Unternehmer als Sd>recfmittel für bie
Sagung in SRancßefter benupen miß 2Bir haben mieberholt (ogl.
Sp. 389) barauf pingeroiefen, baß bie alten großen Srabe UnionS
bem ^Blatt eines allgemeinen BerbattbeS fehr fühl gegenüberftehen
ober ihn offen befämpfen.
$er Hmtgreß ber ettglifcpett Bergarbeiter, melier am 10. Sanuar
in ©binburg eröffnet mürbe, führte gur Einigung ber malififchen
unb englijeßen Bergarbeiter in bem aßgemeinen Bergarbeiterbunbe.
©S maren oertreten: South 2BaleS unb Btonmoutpfpire, £)orffpire,
Lancafßire, bie fchottifche Feberation, Serbtjfpire, iRottingparnfpire,
bie Bttblanb geberation, SRortp 28aIeS, ©leoelanb, ©umberlanb,
Leicefterfpire, Briftol, Somerfet, South Serbijfpire, im ©angen
408 651 Bergarbeiter burch 55 Selegirte. ©rfter ©egenftanb ber
Sagesorbnung mar bie Slufnaptne ber malifer Bergleute in ben
großen Berbanb. Sie JDrganifation in BkleS umfaßt jept oon
100 000 Arbeitern etroa 60 000; eine bem ©binburger Kongreß
oorhergegangene Berfammlung in ©arbiff hatte befdjloffen, in allen
fünften mit ber ÜRinerS’ Seberation gu gehen, ausgenommen in
Lopnfragen. ©ine längere 2lnfpracße beS Bräfibenten Bicfarb roieS
mit großer ©enugtpuung auf bie Erfolge bes BerbanbeS hin unb
betonte namentlich bie Bebeutung ber unlängft erfolgten gütlichen
Bereinbarung groifeßen ©rubenbefipern unb Bergleuten, bie bis
1901 in Kraft bleiben foll. Srop ber geftiegenen Lößne ber
Arbeiter fei bie Lage beS englifdjen KoplenmarfteS fehr günftig.
Biifarb befürraortete aufs SReue bie Agitation für ben gefehlten
Slcßtftunbentag im Bergbau. Sehr fcf>arf fritifirte er baS Unfaß*
©ntfdjäbigungSgefep. Bon einer Bereinigung aßer Srabe UnionS
miß er oorläufig nichts miffeit. Öiir bie SSaplen betonte er bie
SRotproenbigfeit eines felbftftänbigen BorgehenS; man roerbe bie
liberalen nur bann unterftüfeen, menn fie Bemeife ihrer Arbeiter*
freu n blich feit burch entliehene Steßungnahme für bie noth*
menbigen fogialen Dtefonncn gegeben. — SDer Eongrefe befchloh
eine Befolution, melche bie ?luSbehnung ber Unfaß*(!ntfd)äbigung
auf aße ©emerbe unb Befeitigung oerfchiebener BUßftänbe, natnent*
lieh beS fogenannten Contracting out, forbert. SRadj Berid)ten aus
aßen ^'triften befteht baS Berlangett nad) einer Lohnerhöhung
oon 7V 2 %; ber Sefretär bes BergarbeiteroerbanbeS foll fief) beS*
halb mit bem Sefretär beS ©rubenbefiperoerbanbes ins Benehmen
fefcen, bamit gemeinfame Berhanblungeit über biefe gorbernng ein*
geleitet roerben.
$er nationale Kongreß ber frangöfifd)en Bergarbeiter taub, mie
fdjon furg gemelbet, oom 22.-24. (Tegember in St. (Sticmie im
Loire*Baffin ftatt. 9luS Baris mirb uns bartiber jept bes Näheren
gefchrieben: BtangelS einer feiten baS gange Laub uuifaffenben
Drganifation, läpt bie Befcpidfung ber ^ongreffe ftets gu roünfchen
übrig. Sntmerhin finb bie ©eroerffchaften unb ©eroerffchaftSoer*
bänbe, in meldjen bie Belegfchaft ber eingeluen großen Bergbau*
reoiere regional oereinigt finb, regelmäßig oertreten. Sluch bie
Heineren ifolirten Bergbaubegirfe pflegen meiftenS 25elegirte gu
fenben. 2lm bicSjährigen Kongreß Ratten fich folgenbe Sbeparte*
mentS betheiligt, bie bei ben 3lbftimmungen mit ber beigefepteu
Stimmengahl proportional ber 3al)l if^rcr 3lrbeiterfchaft figurirten:
Slßier 10, Sloepron 11, ©arb 4, £>erault 3, 3ffrß 3, B^fo^alais
46, §aute* Loire 3, Loire 34, $orb 22, Sarn 6, SRhone 2. ^)ie
Berhanblungen begogen fich auf bie Sfrage beS ?ld)tftunbentagS,
bie B?obißfation ber ©efepe über bie BergmerfSinfpcftoren unb bie
^nappfepaftsfaffen unb Einrichtung oon BergmcrfSgerichten. 2)ie
Debatten über ben 9Icht)tunbcntag führten gu beträchtlid)en
BteinungSoerfchiebenheiten groifepen ben gemäßigteren Bertretern beS
5RorbenS unb ber extremen 5Rid)tung, bie mepr im Süben einge*
bürgert ift. £)er ®elegirte BaSlp, S)elegirter beS BaS*be*GalatS,
braute feinen fepon lange in ber 2)eputirtenfammer lagernben ©e*
fepentrourf aud) als Eintrag auf bem Kongreß ein. darnach märe
ber gefeplicpe ^ichtftunbentag nur für bie Untertagarbeit oon ©in*
bis VluSfaprt gu forbern. ©aloigune, ^eleairter beS Sarn, oer*
langte SluSbepnung beS 5lcptftnnbentageS auf aße Betriebe, bie ber
Bergaufficht unterließen, alfo auch für bk £agarbeit unb bie
Steinbrücpe. ®ie Mäßigung BaSlpS entfpringt ben ©rmägungen,
baß man ©efapr laufe, gar nidjts gu erteilen, menn man auf
einmal gu oiel forbere. ^>er Kongreß napni fcpließlich eine SRe*
folution an, bie fiep auSfpricpt für „gefeplicpe ^leglementation beS
5lcptitunbentagS oon ber ©in* bis gur SluSfaprt unb für bie affi*
milirten Arbeiten an ber Cberfläcpe". — $>ie beantragten 3Robi*
fifationen beS BergaufficptSgefepeS begießen fup auf groei
Bunfte: ©inmal auf bie SBaßl ber Slrbeiterbelegirten. Unter bem
heutigen ÜRobuS glaubt man gegen Btoßlbeeinfluffungen niept fieper
m fein. ®arum fei baS ifolirte ©aßlfabinet eingufüpren unb
oie 3^1)1 ber Unternehmerroaplfommiffare auf gmei ßerabgufepen.
5)ie meiter beantragte Btobififation beS ©iefepeS ßat gum 3ro e d e /
bem Slrbeiterbelegirten größere Selbftänbigfeit gu geben unb feine
Hompeteng etmaS gu erroeitern. Sein iHufficptSrecßt foß auf bie
über &ag Uegenben BetriebSftätten auSgebepnt roerben. Leiter
foß bie 3aßl feiner obligatorifcpen Bifitationen auf 24 im Blonat
erpöpt roerben. Bei 5lbänberungen ber SBaßlbegirfe ift ber ©in*
fluß ber Unternehmer gu eiiminiren. gerner roerben noep einige
Slbänberungen in ben Beftimmungen über bie Begüge ber Slrbeiter*
belegirten beantragt. — 2£aS bie Hbänberung beS SllterS*
rentengefepeS betrifft, fo fuept man größere materieße Borlßetle
für bie Arbeiter gu geroinnen. ^ie Beiträge ber Unternehmer
mären gu biefem 3roecfe oon 4 auf 6 % ber Löpne gu erpöpen,
unb oon biefen erpöpten B^ämien foßen 2 °/o für bie ton*
ftituirung ber BJihoenrenten benupt roerben. Breiter roünfcpt man
eine ßRinbeftrente oon 2 <5rcS. pro Sag unb Eintritt beS BeguaS*
recpiS naep 25 SDienftjapren anftatt im 55. LebenSfapre. — Dpne
roeitere Berpanblungen fpraep ftep ber tongreß für ein ipm oor*
gelegtes Brofeft gur ©rrieptung befonberer ©eroerbegeriepte
tm Bergbau aus, bie nach ^er beftepenben ©eroerbegerid)te
gu organifiren mären. — Ser näcpftiäprige toitgreß roirb in
Senain ftattßnben.
Ser tlnSftaiib ber $attblmtg$gef)älfen ber toloutalmaaren«
Braiupe in Baris, oon bem roir meprfaep berußtet paben, ift lang*
fam abgeebbt, naepbetn er einige ©rfolge ergielt patte. Bon einem
oößigen Siege fann jeboep nidjt bie SRebe fein. Sen ©cpülfen
ift es oor 3luem niept gelungen, bie Unternehmer gu einer foßef*
tioen Slftion gu oerantaffen. Sie öffentlichen Berfammlungen,
roeld)e fie gum Qn jede freier 9luSfpracße arrangirt patten, mürben
nur fpärlicp oon ben Unternehmern befudjt. ©S giebt in B ar ^
5137 tolonialroaarcngefd)äfle, oon roekpen 1337 auSfcpließlicp
Familienbetriebe barfteßen. Ser Beft oon 3S00 befdjäftigt unge*
fäpr 12 000 Llugefteßte. Bon biefen paben etroa 400 Unternehmer,
meift Heinere mit 5lrbeiterfunbfcpaft, baS Streifprogramm aner*
fannt. Sarauf rebugirt fid) ber gange ©rfofg, roenn roir baoon
abfepen, baß auep einzelne große ©efd)äfte nod) oor SluSbrucp beS
?luSftanbeS bie SlrbeitSgeit um eine Stunbe perabgefept patten.
Ser ©eroerfoerein ber $anblungSgchütfen benupt bie burep bie
Speilerfolge crgielte giinftige Stimmung, um bie Crganifation ber
©epiilfen meiter gu entroicfeln unb für gufünftige LXftionen gu
ftärfen.
2luS ber amerifamfepen ©erocrffcpaftSbetoegung* 3« fre” Ber*
einigten Staaten finb naeß bem American Federationist 4, runb
eine Biißion Arbeiter in ©eroerffepaften oereinigt. §icroon finb
417
Soziale BrariS. Eentralblatt für Sogialpolitif. 9?r. 16.
418
60 % in bcm ©efammtoerbanbe ber , American Federation of
Labor 4 , 10°/o in ben Berbänben ber ©ifenbaljnangeftellten, 10%
in totalen Bauarbeiterorganifationen unb 20% in anberen, unter
lief) Bereinigten Drgantfationen, bie gum $h e il ben Gittern ber
Arbeit (Knights of Labor) angeboren. Sn manchen ©ewerben ift
bie Drgatiifation oollftänbig ooÜgogen, in wenigen nabegu boU*
ftänbig, unb in einem (bewerbe nach bem anberen beginnen bie
©ewerffd)aften einen entfe^eibenben Einfluh *u gewinnen. Ein
großer Sb e il ber S^icf)torganifirten ift ben Berbinbungen wohl*
geneigt unb gebt bis gu einem gewiffen ©rabe mit ihnen. Sie
Art unb Bkife ber Berbinbung in ben Betriebenen bewerben
richtet ftd) nad) beit Berbältniffen, wirb aber in ber .frmuptfache Bon
bem gleichen ©runbfafce geleitet. Als eine $Trt ber Berbinbung nehme
man g. B. biejenige bes Bud)brucfergemerbeS. gn ber Union befinben
ficb mehr als 300 Berbänbe oon Schern unb ftorreftorett, in jeber
großen Stabt ein Berbanb beS ©ewerbeS. Siefe finb gu einem
internationalen Berbänbe, mit bem §auptiibe in gnbianapoliS,
Bereinigt. 9?acb biefem Bfittelpunfte fenben bie Betriebenen DrtS*
Berbänbe ifjre Berichte, unb bann taufeben fte ihre Arbeiterfarten
gegenfeitig aus, wobureb ein Arbeiter, welcher in einer Stabt wohnt,
ficb feinen Sfamcraben in einer anberen anfcblie&en fann. Sie
Biitgliebergabl biefer DrtSoerbänbe ift fehr oerf(f)ieben. Einige
haben 10 Bittglieber, einige 100, einige wenige 500 bis 1000, unb
ber Berbanb m 9iem*?)orf b a * über 5000 Biitglieber. Sie 5Jiit*
glieber ftimmen bei wichtigen fragen in ben Betriebenen SSerfftatt*
oerbänben, genannt töapeften, ab, wobureb übereilte Btahnahmen
oerhinbert werben. Sn gleicher Söeife wirb bei bem ^Internationalen
Sppographifr* n Berbänbe bie Berichterftattung unb bie Aufteilung
Bon Sorberungen gefjanbbabt, wobureb fämmtlidje Biitglieber bie
&bätigfeit beS 9£ationaIoerbanbeS fontroliren unb wichtige gragen
unb beabfichtigte BJahregeln, welche guerft allen DrtSoerbänben gur
Sefprecbung Borgelegt werben, entleiben. ®iefe Art ber Ber*
binbung, wie fie ber £t)pograpbifcbe Berbanb h<*h biente als
SSorbilb bem Eigarrenmacher*, bem Sofomotioführer* unb ßofo*
motinheigeroerbanbe unb eigentlich auch ber Diehrgahl aller National*
Berbänbe. Sie „American Federation of Labor“ ift eine Serbin*
bung, nicht eine Berfrmelgung ber meiften 9?ationalgewerffcbaften,
fowohl ber (Zentral* wie ber DrtSoerbänbe. Sie hölt eine aHge*
meine 3 n f auunen ^ ul, ff non Abgeorbneten einmal im gahre nb.
2Tuf biefer 3 u f amln enfunft werben bie eingufcblagenben Bkge unb
bie Arbeit bes BerbanbeS für bas fommenbe gahr befdjloffen unb
fte bient als Mittel, bie Bemühungen Silier in Uebereinftimmung
gu bringen. Sie meiften ©ewerffraften haben UnterftiifcungSfaffen,
unb bebeutenbe (Summen gehen bei ihnen für biefen 3mecf non
£>anb gu £anb. Auherbetn finb bie alten unb franfen Bcitglieber
Bon ber 3al)lnng Bon Beiträgen unb ©ebühren befreit, unb freie
Betten werben fiir bie Blitglieber in ben Betriebenen öofpitälern
unterhalten. Slucb bie ftapellen haben Unterftübungsfaffen. $ach
niebriger Schälung oerauSgabt ber 9£ewporfcr ippographifebe
Berbanb über 200 000 JL jährlich allein für Hnterftü(jungen unb
Beiträge. Sie örtliche unb internationale ©efammtauSgabe für
wohlthätige 3roecfe beträgt bei ben Bereinigungen ber Topographen
jährlich 1 200 000 JL bis 1 400 000 JL Ser gnternationale
Berbanb ber Gigarrenmacber gewährt Slranfenunterftüfcung oon
wöchentlich 20 ,/tl, Unterftübung bei Begräbniffen Bon 200 JL
bis 2 000 unb im gal)re 1893 gur 3^it beS allgemeinen ©efräftS*
niebergangeS BerauSgabte ber Berbanb 356 000 JL gur Unter*
ftüfcung ArbeitSlofer. Sie ©efamtntfumme für Sariehen, Beiträge,
Begräbniffe unb für Unterftühung ArbeitSlofer unb Hranfer beträgt
mehr wie 1 000 000 JL jährlich- Sie Sofomotioführer gahlten
währenb ber lebten 15 Sabre burcbfcbnittlicb jährlich 700 000 c 4t
für Unterftühung bei Todesfällen, unb bie feiger 600 000 <K.. jähr*
lieb- Siefe Bier Berbänbe, welche wahrscheinlich 120 000 BUtglieber
gählert, geben jährlich ben Betrag Bon 4 000 000 JC ben Bebürf*
tigen. Bei ben mittclloferen Berbänben ift ber Betrag ungewiß,
aber ber Bericht ber Behörbe für Slrbeiterftatiftif beS Staates
SRemporf für 1894 geigt, bah &i e ncrfdjiebenen Berbänbe beS
Staates in biefem Sabre 2 044 000 JL für gegenfeitige Unter*
ftühung auSgaben. 9tad) biefem Sa^e würben bte jährlich in biefer
Sßeife non ber BHllion organifirter Arbeiter ausgegebenen Beträge
gwifchen 12 bis 16 BUHionen BJarf ausmachen, ^en Oiewerf*
febaften ift es gu banfen, bah bie Behörbe für Mrbeiterftatiftif unb
bie für Sabrifinfpeftoren, fomie auch bie SchiebSgerichte geraffen
würben. Biel ift uon ihnen für bie Berbcfferung ber Bierfitätten
unb gur Unterbrücfung ber Kinberarbeit getrau. Sie (^efepe ginn
Schuhe ber Arbeiter unb bie famtaren (iinridjtungcn ber Betriebe
finb in ben Begirfen weit beffer, in welchen bie Arbeiter organifirt
finb, als in beneit, wo es an Drganifation mangelt. SaS 2ld)t*
ffunbencjefeb für bei ber Regierung befd)äftigte ^erfonen, u. ?l.
für Briefträaer, baS ©efeh über wöd)entli<he fiohngahlung, bie
Slbfchaffung ber (Üefängniharbeit als ^ottfurreug ber freien Arbeit,
ber geregelte Arbeitstag unb halbe geiertag am Sonnabenb finb
in erfter Üinie ber Shätigfeit ber Oiewerffdjaften gu Berbanfen. Sie
92ewporfer Behörbe für Arbeiterftatiftif fagte in ben Berichten für
bie Sahre 1885 bis 1893, bah währenb biefer 3eit mehr wie
17 000 AuSitäube, betreffenb 24 567 Betriebe, Bon Grfolg waren,
5707 waren ohne Erfolg unb 1860 waren theilweife erfolgreich
ober es fanb eine Berftänbigung ftatt. Sie Sftationalarbeiterbehörbe
führte Statiftif über bie Angahl ber Arbeiter, welche oon 1881 bis
einfchliehlich 1894 an AuSftänben betheiligt waren, unb fteüte bie
3ahl uon 3 700 000 feft. Bon biefen hatten bei ben AuSftänben
oon 1881 bis 1887 47 % unb Bon 1888 bis 1894 41 % Bollen
Erfolg. Biele ber AuSftänbe waren nicht organifirt. SBürben
nur bie organifirten berechnet werben, fo bürfte ftch ergeben, bah
girfa 75o/ 0 biefer AuSftänbe erfolgreich waren. Sie Berichte
fteHen feft, bah &ic 3 a hl ^er AuSftänbe fid) oerringert. Sie Ber*
minbert fich mit ber wachfenbeit Stärfe ber ©emer ff «haften. An*
genommen, biefe haben in ben Sahren ihres Beftehens bahin ge*
wirft, bah kie Söhne ber BiiHion organifirter Arbeiter um 8
wöchentlich gewachfen finb, fo hätten bamit biefe Arbeiter fich jähr*
lieh 400 000 000 Jt mehr non bem ©efammtertrage ber Arbeit
gefiebert. — So baS amerifanifche ©ewerffd)aftsblatt.
(SentralPereitt für ArbettSncuhmeiS in ^erlitt; Organifation
Po« paritättfehen i|a^arbettSnachtorifen. Ser ©efammtoorftanb
hielt unlängft eine fehr bebentfame Si^ung ab. 3 un äd)ft berichtete
ber Borfi(jenbe Dr. greunb über bie BetriebSrefultate bes ArbeitS*
nachweifeS im Sahre 1898. hiernach melbeten fnh 38 000 ArbeitS*
lofe, oon benen 24 000 in Stellungen gebracht würben; bie 3ah*
ber Bon Arbeitgebern Berlangten betrug 25 000. Als eingiger
©egenftanb ftanb auf ber SageSorbnung bie wichtige grage ber
Drganifirung Bon paritätifchen gacharbeitSnachweifeit.
Sie anwefenben Bertreter ber Arbeitnehmer gaben auf bie Auf*
forberung bes Borfipenben, ihren Stanbpunft in biefer grage flar
bargulegen, fotgenbe für bie dntwicfelung ber Arbeitsnachweisfrage
in Berlin — ja man fann fagen pringipiell für gang Seutfchlanb
— h°<hu)i<htige ©rflärung ab: Surd) ihren Eintritt in ben
Borftanb beS ©entralnereinS für Arbeitsnachweis, über beffen gort*
gang fie fich non nornherein flar gewefen feien, hätten bie Arbeiter
bereits ihre Stellungnahme in biefer grage feftgelegt. Sie Arbeiter
ftänben auf bem Boben ber Beftrebungen beS (SentraloereinS,
welche auf bie Drganifirung non paritätifchen gad)*
arbeitSnachweifen hingielen. Sie Arbeiter feien fofort
bereit, gu ©unften biefer ArbeitSnachweife ihre eigenen
ArbeitSnachweife aufgulöfen, BorauSgefefet natürlich,
bah bie Arbeitgeber auch gur Auflöfung ihrer ArbeitS*
nadjweife bereit finb. Ser Borftanb nahm hierauf einftimmig
folgenbe Befolution an:
,,^er ©efammtoorftanb beS SentraloereinS für Arbeitsnachweis ift
ber Üebergeugung, bah gacharbeitsnadjweife unter gleichseitiger 3)Ut=
wirfung uon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern unter bem Borfipc eines
Unparteilichen bie eingige berechtigte unb erfirebenswerthe ^orm in
ber Crganifation ber jad^arbeitsnachwcifc barftcflen unb befdjlicht, mit
aller Energie auf bie Errichtung berartiger gad)arbcüsnachweife I;in=
gu wirten.''
$achbent noch ber Borftheitbe feftftellen fonnte, bah man in
weiten Greifen ber Arbeitgeber biefen Beftrebungen beS BeretnS
fehr fpmpathifch gegenüberftünbe, würbe gunächft eine fiebengüebrige
Sfomntiffton gur Ausarbeitung eines S^ormalftatuts für gach*
arbeitsnachweife eingefe(jt. SaS $ormalftatut foH Iebiglich bie
©runblage bilben für bie Ausarbeitung oon Spegialftatuten, bie
ben Berljältniffen ber eingelnen ©ewerbe angepaht unb oon ben
ben betreffenben ©ewerben angchörigen Bertretern ber Arbeit*
geber unb Arbeitnehmer in jebent eingelnen galle befchloffcu
werben müffen.
ArbettS«achtoeiS*A«tirag im MetehStag. Ser gnitiatiuautrag $arfi*
nicfe=91öftde, ber bcfanntlich bie gefepliche Errichtung uou ArbeitC'iind)#
weifen uerlangt, au bereit Berwaltung Arbeitgeber unb Arbeitnehmer
glciiherweiie betheiligt fein follen, hat aus ber uationallibernlcu ^raftiou
*20 Unterfdjriftcn gefunben Tic Abgeorbneteu, bie bem Anträge aus
eigener oititiattue fich augeidiloiieu haben, iiub Batfermauu, Bert,
Boeruer, Bolg, Büfitig, Bring 3diöuaidi = t5arclatb, Teiuharb, Tn rmiteit,
Jvrangius, Wrahmauu, lieber, .gilbet, u. .Kaufmann, Mettner, .straemer,
Btauier, Biiiller, Dr. Baai'dje, Cueutin, Aintpau.
419
Soziale PrajiS. dentralDIait für Sogialpolitit. 5Jh\ 16.
420
Verein3*&rbeü3nadj[ftct$ tu Seipgtg. Die ©emeinnüpige ©efefl*
fc^aft plant unter VHtwirfung beS Stolpes bcr Stabt öeipgig einen
Arbeitsnachweis mit unparteiifdjer Leitung unb §erangiehung oon
Unternehmern unb Arbeitern gu grünben. Dabei foll es fid) gu*
nädjft um bie ArbeitSoermittelung fiir ungelernte Arbeiter, Dienft*
Boten, Miner unb §anblungSgchiilfen h^ibeln.
Sermefomg ber geindnblidjetf ArbeitSnachtoetfc in labern. Das
in ooriger mtmrner erwähnte Vuitbfchreiben beS VHnifteriumS beS
Snnern an bie ad)t ÄreiSregicrungen fonftatirt, baß bie nach ber
Vtinifterialentfd)Heßung oom 1. Vtai 1898 („Soziale präzis" VII
6 p. 956) „organifirte Eentralifirung beS Arbeit3nad)weifeS fich
gut Bewährt hat unb baß gu einer Aenberuttg feinerlei Anlaß Be*
fteht". Es folat bann Die auSgugSweife Bereite mitgetheilte
( 6 p. 394) Aufforderung, baß bie länblichen ©emeinben beu ArbeitS*
nacpweiS wirffanter unterftüpen. „ÜSieberbolt (heißt eS gum Schluß)
ift fchon Darauf hi n 9 e «>iefen morben, mie bie ArbeitSoermitttung
immer erfolgreidjer unb erfprießlicher fid) geftalten wirb, wenn bie
3ahl ber Arbeitsämter iitSbefonbere in ben größeren inbuftrie*
unb gern erbereichen Stäbten wächft unb gwifdjen biefen unb ben
Zentralen ein intenfioer Vertehr fich herauSbilbet. Es ift baher
neuerbingS bie Errichtung oon gemeinblichen ArbeitS*
ämtern an hi er 3 u geeigneten Drten nadjbrücflichft unb
unter Hinweis auf bie hohe oolf3wirthfd)öftIiä)e Ve*
Deutung einer gut organifirten ArbeitSoermittlung an*
guregen."
Da3 ftabttfdje Arbeitsamt 2Wündjett 1898. 3*n aBgelaufenen
3ahre hat DaS Amt eine immer fteigenbe Zunahme ber ©efdjäftS*
thätigfeit foroohl Bei ben 6 tellcnaugeBoten unb Stellenaefucben,
als auch Bei ben Befefcten Stellen gu oergeidjnen. Es mürben oon
Arbeitgebern unb Dienftberrfchaften 23 393 männliche unb 15 598
weibliche, im ©angen 38 991 6 tcüen angeBoten (im 3ah*e 1897:
20 572 männliche, 13 880 weibliche, gufammen 34 452). Von
Arbeitfuchenben würben ©efudje um 3aweifung oon Arbeit einge*
fchriebeit : in ber männlichen Abteilung: 36151, in ber weiblichen
18 843, im ©angen 54 994 (im 3ah*e 1897: 25 540 männliche,
15 462 weibliche, gufammen 41002). SteUen würben befept:
20 439 männliche, 11 897 weibliche, im ©angen 32 336. (3m
3ahre 1897: 18 186 männliche, 10 669 wetbliche, gufammen
28 855; — im 3öh re 1896: 15 653 männliche, 9933 weibliche,
gufammen 25 585.) 3m interlofalen (auswärtigen) Verfehr h at
fich Bie Srequeng im 3ahre 1898 gegenüber ben Vorjahren in
Solge ber ftaatlicf) organifirten Eentralifirung beS ArbeitSnad)*
weifeS in Vapern fehr Bebeutenb gehoben. Von auswärts
wohnenben Arbeitgebern unb Dienftberrfchaften würben 3597
männliche, 1494 weibliche, gufammen 5091 Arbeitskräfte gefucht
(im 3at)re 1897: 2623 männliche, 1047 weibliche, gufammen 3670;
— im 3&b re 1896: 1926 männliche, 910 weibliche, gufammen
2836). Auswärtige (Steden würben befeßt i 2889 männliche, 980
weibliche, im ©angen 3869. (3nt 3afwe 1897: 2245 männliche,
641 weibliche, 2886 gufammen; im 3afjre 1896: 1715 männliche,
546 weibliche, gufammen 2261.)
Der ArbeitSmarft im Degember 1898. Es bleibt für bie
Elprafteriftif beS ArbeitSmarMeS im 3ah^e 1898 bemerfenSwertb,
baß ber leßte Vfonat beS 3ab re 3 weit günftiger abfcfjließt als ber
cntfprechenbe Viortat beS l 3ah^eS 1897, wiewohl Angcicpen finlenber
©linft nidjt fehlen. Der „ArbeitSmarft" berichtet barüber: Von
67 ArbeitSnacpweifen, bereu Veridüc red)tgeitig bei uns eingegangen,
geigen 55 oergleichbare Daten. Von biefen weifen im Vergleid)
g::m Degember 1897 34 (-b 1 auslänbifcpcr) eine Abnahme unb
18 (+ 2 auSlänbifd)e) eine 3unabme beS AnbrangeS auf. $a<b
Vkglaffutig ber auSlänbifcben bleiben gur Vergleichung ber Summen*
gahlen 52 Orte be$ Deutfcpen Reiches übrig, aus beiten im Degember
oergleichbare ®aten gemelbet würben, unb gwar inSgefammt:
Safir
Offene Stellen
männl.j wetblJ guf.
Slrbettfiichenbe
männlJ wetbl. | guf.
Sluf 10
tarnen
männl.
0 offene Stellen
Slrbeitfuchcnbe
weibl. 1 guf.
1897
1898
11048 4 967 16 015
14 102| 5 673 19 775
19 736 4 820^ 24 556
21 822 5 257j 27 079
178,6
154,9
97,2
92,7
16 3,3
143,0
SDemgegenüber ift e§ unerheblich, bafj im Vergleich gum uu*
mittelbar oorangegangeiien s Jlionat ber Tegcmber eine Meine 3 lls
nähme beS Slnbrangcs geigte, tiefer hat an 28 (-f 2 ait»=
länbifd)en) Orten gugcitommen unb an 26 (f 3 auslänbifdjeu)
Orten abgenommen.
$ie ^IrbeitSOermittelung iu Deftcrreidj. 3” ber $lenarfipung
bes SfrbeitSbeiratheS oom 14. 9?0Dember 1898 (oergl. „Oogiale
^rafiS" 6 p. 189) würbe ein SluSfchuft mit ber Veftimmung ein*
gefept, ben oom Slrbeitsftatiftifchen 2 lmt ausgearbeiteten ©efeh*
entwurf über bie Slrbeitsoennittlung fowie bie gur Organifirung
einer fortlaufenben SlrbeitSocrmittlung unb SlrbeitSmarftftatiftif oon
beut genannten 5lmt oorgefchlagenen SKafenahmen einer Vor*
Beratung gu untergiehen. tiefer SluSfchuö hat bie Aufgabe in
feinen 6 i(jungen am 3. unb 4. b. nahegu gelöft. Vtan acceptirte
im OTgemeinen bie ©runbpringipien Des Entwurfs, Denen gufolge
bte prioaten SDienft* unb 6 teüenoermittlungSbureauy bie Äon*
geffionspflicht, bie Veftimmungen ber ©ewerbeorbnung über bie
genoffen|d)aftliche SlrbeitSoermittlung Durch Äreirung eigener Orga*
nifationSformen reicheren 3ahalt erhalten, bie Vereine, weld^e bie
Slrbeitsoermittlung nicht gewerbsmäßig pflegen, oon ber Äon*
geffionspflicht ausgenommen unb enblid; bie ©emeinben, wenn auch
gunäd)ft bloß in beftimmter Slngahl, oon ©efefeeSwegen oerpflichtet
werben foden, eigene Slnftalten gur SlrbeüSoermittlung gu grünben.
&ie oorgefchlagene Organifation biefer fommunalen Slnftalten
charafterifirt fich oor eitlem baburch, baß ihre Oeitung unb Veauf*
fichtigung einer VerwalturtgSfomntiffion mit paritätifeper Vertretung
ber Unternehmer unb Slrbeiterfreife überlaffen wirb, Die inSbefonbere
auch in ÖäQen oon 6 treÜS unb Slusfperrungen über Sortfe^ung
ober Einteilung ber VermittlungSthätigfeit ber Slnftalten gu ent*
feßeiben hätte. 3)ie Veififeer aus ber llnternehmerfurie foHen oon
ben fianbels* unb ©ewerbefammern, unb gwar je gur §älfte aus
ben ©roßinbuftriellen unb ben Äleingewerbetreibenben ernannt, bie
Veififeer ber Sürbeiterfurie hingegen oon ben Slrbeiterbeififcern Der
©ewerbegeridl)te gewählt werben. Sieben ber rein fommunalen
SlrbeitSoermittlung wirb weiter noch e * ne f°^ c Ber Vegirfe ge*
plant, wobei Das gange 6 t)ftem oon öffentlidhen SlrbeitSoermitt*
IungSanftalten beS äteicheS feinen Oberbau in einer §Reid)Scentrale
in Söien finben foll. .J)infichtlich ber Organifirung einer fort*
Iaufenben SlrbeitSoermittlungS* unb SlrbeitSmarftftatiftif würbe bie
Durchführung einer E^pcrtife oon ben hier in Vetrad)t fommenbeit
Saftoren, als ©enoffenfehaften, ©ewerffchaften unb anberen Ver*
einen, SiaturaloerpflegungSftationen, fommunalen SlrbeitSoermitt*
lungs* unb anberen gemeinnüfoigen VermittlungSanftalten, fowie
enbiieh oon Vertretern ber fongeffionirten Dienftoermittler einge*
leitet. 3am Verichterftatter beS SluSfchuffeS für baS Plenum beS
SlrbeitSbeiratheS würbe ^ßrofeffor Dr. Viifchler (©rag) befteEt.
ttoi^nung^iuefen.
Vobenpreife in Vrüffel.
Es ift fchon oft Darauf hingewiefen worben, baß baS Meine
§auS bie greife für ftäbtifcfieS Vaulanb niebrig hält, währenb bie
Vtiethfaferne fie fteigert. Vobenpreife in ber S>äh e / wie fie fich
nuferen großen unb mittleren 6 täbten entwicfelt haben, ftnb eben
nicht eine SJaturnothwenbigfeit, wie oft oon intereffirter ober nicht
einfichtiger Seite behauptet wirb, fonbern baS Ergeugniß beftimmter,
mehr ober ntinber abänberungSfähigen fogialer Verhälhtiffe, unter
Denen baS ViiethSfafemenfpfteni eine henwrragenbe Stoße fpielt.
Einen neuen Veleg für biefe 2lnfthauung liefern uns bie Voben*
preife, wie wir fie in Vrüffel beobachten fönnen. Vrüffel bilbet
mit feinen, oerwaltungSredjtlich aHerbingS felbftftänbigen Vorftäbten
ein eng gufammenbängenbes ©angeS oon etwa 5—600 000 Ein*
wohnern, befipt alfo gewiß eine ©röße, bei ber man nach unferen
Verhältniffen auf fef)r i)oi)t Vobenpreife fchließen Dürfte.
Demgegenüber finben wir in Dem lepten, aus Dem 3ah*e ^898
batirenben Sah>rcSberid)te einer gemeinnüpigen Vaugefe£l[chaft in
ber Vorftabt Etterbecf in Vrüffel folgenbe Angaben über bie greife,
bie bei Slnfäufen oon ©ebänben gegaplt wuroen. 3tn 3ah« 1897
würben Vaupläpe an oerfchiebenen Steden gur Erbauung oon
23 Käufern, inSgefammt 2918 qw, mit Durchfdjnittlich nur 8,9 8 ?rc 0 .
pro Cuabratmeter be^a^lt. Der höchfte $reis war 26, s 3rcS., ber
niebrigftc 2,5 3*cS. p r o £uabratmeter. Dabei liegen bie VaufteHen
gwar an ber Peripherie ber 6 tabt, aber feineSwegS abgelegen, gum
Dpeil Dem eigeutlidjen 6 tabtferne fogar giemlich nahe, ferner
foftete nach bemfelben 3ah*eSberid)te bei ben 2lnfäufen im 3ah*e
1892 ein Cuabratmeter burdjfchnittlich 5, s 3rcS., 1893 5 , 8 3rcS.,
1894 5,o 3rcS., 1895 7 , 2 3rcS., 1896 6,7 3rcS. ES mag allerbingS
fein, baß bei biefen 3ahlen eine Slttgahl in ben Vororten außerhalb
beS eigentlichen 6 tabtbereicheS belegene ©ebäubeftücfe miteinbegogen
finb, wäprenb biefe bei ben 3ahlcn für 1897 auSgefchieben würben,
^lußcrbcut finb bie hier angeführten Preife nod) ohne bie Äoften
für bie .'ocrftellung Der Straße, ber kanalifation u. bgl. gu oer*
flehen, wäßrenb wahrfcheinlich bie Äoften für baS gur 6 traße er*
forberlidje Öanb bereits mit in ben preifen enthalten finb.
421
©ogiale $ra£tö. Öentralblatt für ©ogialp olitiF. 9?r. 16.
422
SemerlenSwerth firtb ferner bie Sfcittbeilungen, bie in einer
©emeinberathSfifeung ber Srüffeler Sorftaot ©djaerbecF im leßten
$pril ein §err oan ben Sßutte machte. ©r feilte bie ©elänbepreife
mit, bie in ben leßten 3 Sauren Bei Verläufen in ©dßaerbeef erhielt
worben feien. 2 hi<h biefe greife fmb, roie e£ fdßeint, gu oerftehen
ohne bie £erfteHungSFoften ber ©traße, jeboch mit ben ®runb**
erroerbsfoften beS ©traßenlanbeS; inbeS ift ba$ nicht gang Har.
©ie überfteigen, mit gwei Ausnahmen, 14,^ 3rcS. für ben Duabrat*
meter nid>t unb bewegen fid) für ba$ innerhalb ober in unmittel«*
barem SUnfchluß an bie feßon bebauten ^^eile Iieaenbe ©ebäube
etwa oon 3 bis 4 für ben Duabratmeter, für baö etwas
weiter außen gelegene meift unterhalb 3 grcS. bis herunter gu
O .70 SrcS. für ben 0uabratmeter. Unb babei bilbet ©cßaerbedf mit
Ärüffet ein äußerlich nic^t gu unterfcßeibenbeS ©angeS! Unter
biefen Umftänben ift es oerftänblicß, wenn fterr oan ben $utte
weiter wörtlich in ber ©ißung fagte: „Die|e 3nßfen beweifen
3 ßn*n, baß es nicht nöthig ift, ftd) fehr weit oon ben bewohnten
3RitteIpunften gu entfernen, um ©ebaube gu paffenben greifen gu
finben. 3nnt greife oon 10 grcS. für ben Duabratmeter finben
wir ©ebäube in einer auSgegeicßneten £aae unb in ber $äße ber
jefeigen VeoöIferungSanfantmlung, welche fuß, wie ©ie wiffen, febeS
3ahr fehr fchneU auSbeßnt."
®iefe greife ftehen gewaltig ab oon ben um baS brei*, oier*
ober gehnfa^e höheren greifen für entfpredßenb gelegenes Saulanb
in unferen großen ©täbten. Vton wirb aber barin feinen 3 u fall
erblicfen bürfeit, fonbern ben ©influß ber gang anberen Srüffeler
Sauweife. Sn Trüffel henrfdßt mit geringen Ausnahmen baS Heine
? ?auS mit parterre unb 1 bis 2 ©tagen oor, großenteils baS ©in*
amilienhauS, unb barauf oor allem wirb man wohl bie fo oiel
billigeren Sobenpreife gurüefführen muffen. ©S ift bort eben nicht
möglich, aus einem ©tücf ßanb fo oiel flftiethsertrag wie bet
unferen 3KiethSfafernen herauSgugtehen nnb in jFolge beffen ift auch
ber Kaufpreis weit geringer. — UebrigenS finb biefe niebrigen
Sobenpreife unter bem ©influß beS überhaupt in Selgien herr*
fchenben Heilten Kaufes offenbar nicht auf Srüffel befchränft. 3 um
Seweife biene eine ©teile aus bem Sranbtsfchen Sluffaße über bie
neueren Seftrebungen in ber Wohnungsfrage in Selgien unb
Sranfreich, wo eS in Segua auf Setgien heißt: „©elbft in ben
©täbten foftet ein SlrbeiterhauS burtfehnittlich nur 2500 3?rcS.
Der ©runb unb Soben ift erheblich billiger als in unferen
©täbten. Sn ©ent foftet g. S. ber Cuabratmeter Saugrunb für
ein SlrbeiterhauS nicht mehr wie 4—5 Frrcfc."
$. o. Wangolbt.
Vorarbeiten für ein föeühStowbngefeb. Sorftanb unb Slrbeits**
auSfchuß beS SereinS „SHeichSwohnungSgefeß" hatten fürglich in
Sranffurt a. 3R. eine Vefprecßung über bte im Sntereffe ber ©adße
beim SunbeSrath unb im Reichstag bemnächft gu uniernehtnenben
©chritte. Son einer Slngahl einaelabener VeichstagSnbgeorbneten
hatten Saffermann** Mannheim, Vlan!enhorn*Vfüflheim (Saben),
©ahenSlpsßimburg, Löffel«*SuchSweiler, ßeinemeber**Virmafens,
9Jhiller*$ürnberg, SWüIIer^SuIba, DrioIa**SübeSheim, 9iiff*©traß*
bürg, ©chmibt**granffurt unb ©cbmitt*2)taing teils ihren Seitritt
gum Serein, teils ihre wärrnften ©pmpathien erflärt. Reichs*
tagSabg. ßucfe^aterShaufen begrüßte bei ber Vefpredßung bie
SereinSbeftrebungen als ein ÜKittel, bem gur 3^it fdßwerften fogialen
Uebelftanb, ber Wohnungsnot, in burchgreifenber Weife abgu*
helfen, unb äußerte fuß ferner bahin, baß, neben weiterer Ser**
tretung ber SereinSgiele bur<ß ©triften unb greife, jeßt bei ben
SReicßSämtem, bei SunbeStag unb VeicßStag, bie gur Durchführung
geeignetften ©<ßritte unoergüglicß gu tun feien. 3 ßni guftimmenb,
einigte man fieß naeß ber „Sranff. 3 * 9 -" baßin, baß perfönlicße
^üeffpraeße unb birefte Serhanblungen beS SorftanbeS mit ben
genannten förperfeßaften ben ßutfe feßen Sorfcßlägen am meiften
entfpreeßen würben.
WoßnmtfiSUerhiittitiffe ber ötfetibößtter in Saßem Der banrifchc
öifenbaßneroerbanb bat bcfanntlicß örßebimgcit über bic Wohnung**
frage unter feinen SUtgliebern oeranftaltct Das örgebniß btefer (Sr*
ßebungen fofl in einer DcnFfcßrift bem Öanbtag unterbreitet werben.
Sei ber Önqucte würben oon 13 <XK) ausgegebenen Fragebogen nur
4056 auSgefüüt bem SerbanbsfcFretär übermittelt. Son biefen 4056 öifen*
baßnern fmb 544 Scftßer eines eigenen ^äuScßenS, 8 Sefißer einer
Verberge, 349 fmb im Öen uff e einer 'Dicnftwoßmmg, 2638 wohnen bei
ben £>ausbefißern in SDlietße, 25 fmb ^Iftermietber, 227 finb ginnner*
ßerren, 265 wohnen bei ben (Sltcrn ober Öcfdjwifteru. Der „(Stfcu*
baßner" o er ö ff entließ tc in einer Steiße oon Summern bie Crrgebniffc ber
Unterfitcßimg unb fornmt gu bem ©djlufie: ein Siertel ber befragten
öifenbaßner lebt in guten Serßältniffen, ein weiteres Siertel in ge*
uügeuben, gwei Siertel leben in äußer ft gefunbßeitsfdjäblidien uüb
ftttengefäßrbenben Serßältniffen. Hm ?lbßülic gu feßaffen, wirb oerlangt,
baß ©ummen gum Sau oon Dienft* unb ?lrbehcrmoßnungen einen
[tänbigen Sßoften im Subget hüben. Daneben fönten bie (Sifenbaßner
oen Weg ber ©elbftßülfe benußen, inbem fie Saugenoffenfcßaften grünben,
benen bie SlrbeiterpenfionSlaffe ber batjrifcßen ©taatsbaßnen Darleßen
gu niebrigem 3 in!g f lJ ß gewähren foHte.
WoßnungSeitquSte ttt ©öttmgeu. SlngeftcßtS ber Dßatfadße/ baß in
Ööttingen ?lrbeiterwoßnungen in ungenügenber 3aßl unb gum Dßeil in
feßr fcßlecßtem ^uftanbe oorßanben fmb, ßaben bie ftäbtifeßen Seßörben
befcßloffen, eine önquete gu oeranftalten. Das fo gewonnene Statcrial
foä als s ^luSgangSpunft für Sfaßnaßmen gur Serbefferung ber WoßnungS*
oerßältniffe ber Arbeiter bienen.
©rüitbmtfl eines gemeinnüßtgen SamiereittS in ©od). HuS Öocß,
9. S^nuar wirb uns gefeßrteben: §eute fanb ßier unter bemSorßßbeS
SürgermeifterS Wagner eine feßr gaßlreicß befudßte Serfammlung gur
Öriinbung eines gemeiunüßigen SauoereinS ftatt. Der ÖefcßäftSfitßrer
beS Stßeinifcßen SereinS gur görberuttg beS ^IrbeiterwoßnungSwefenS,
Öreßfdjel aus Diiffelborf, ßielt einen Sortrag über bie Wohnungsfrage
unb bie Stittel gur Sefferung ber WoßnungSoerßältniffe. 3 n ber DiS*
fufßon würbe faft allfeitig bie Öriinbung einer gemeinnitßigen Sau*
genoffenfeßaft befürwortet unb barauf ßingewiefen, baß es nur einer foldßen
möglich fei, fo billigen ftrebit gu erßalteu, baß babureß eine Serbilligung
ber Siietßen ergielt werben fönne. Die Slbftimmung ergab eine große
Stajorität für Örünbung ber Öenoffenfcßaft, es würbe barauf fofort baS
©tatut beratßen unb in ber gaffuttg beS oom Stßeinifdßen Serein gur
görberung beS SlrbeiterwoßnungSwefenS ßerausgegebenen StufterftatutS
angenommen, öine Slngaßl ber Hnwefeitben erflärten ißren fofortigen
Sntritt.
Die WoßnungSoerßältniffe in öoeß fmb allerbingS feineSmegS
giinftig unb eine gefeßUcß leiber noeß nießt mögliche planmäßige Woß*
nungSinfpeftion würbe gweifelloS gaßlreicße Stißftänbe gu Dage förbern.
öS leßrt bieS feßon ein ©ang burd) bte alten ©traßen; bort giebt eS
eine Slngaßl Käufer, bie weber SMler noeß §of ßaben, ja in meßreren
ift nießt einmal ein $bort oorßanben. Dabei finb bie Woßnungen
feueßt unb bumpf unb beSßalb ber ©efunbßeit feßr nacßtßeilig. Das
Seftreben beS SürgermeifterS Wagner unb einiger anberen Herren, ßierin
Wanbel gu feßaffen, oerbient beSßalb oolle Hnerfennuug.
Sau tum Srbeitertooßiiimgett in DreSbeu. 3 11 « 1 336U billiger Woß*
nungen für ftäbtefeße Arbeiter will bie ©tabt DrcSben aus ben lieber*
feßüffen ber ©parfaffc 100 000 ^ oerwenben.
Der fiübetfer Sauberetir, ber in ben gcßn ^aßren feines SefteßenS
bisßer noeß ßcrglicß wenig erreidjt ßat, fonntc unter feinem neuen Sor*
fißenben, öß. öoleman, im leßten ßalben Saßrc eine reeßt fegenSreieße
Dßätigfeit entfalten. öS gelangten meßrere Käufer gur Örbauung, in
benen ben Stitgliebern beS SauoereinS für billige Stietße feßöne, gefunbe
9täunte als Woßnungen geboten werben, öolcman ßat jeßt ein großes
Kreal läufli^ erworben, auf weldjem ©infamüienßäufer erbaut werben
foHen, bie bie SDlitglieber fäufließ erwerben föntten.
Sau* imb ©paroerem itt ©ttSHrißett. Der im »prü 1898 ge-
grünbete Serein ßat jeßt feßon 14 Slrbciterßäufer erbaut. &uf örunb
beS ißm oon ber Serficßerungsanftalt 9tßeinprooing eröffneten förebits
ßofft er, baS nä^fte Fahr feine Dßätigfeit noeß erweitern gu fönnen.
Die Hrbeiterwoßnungsoerßältniffe ber Fnbuftrieftabt öuSfireßen werben
als feßr fdjleeßt ge|cßilbert. Die F^cßwerfßüttcn ßerrfeßen oor. Da
fantt man Woßngimmer oon 1,75 m £>öße, in benen man faunt aufreeßt
fteßen Fann, unb Woßugimmerfenftcr oon 55 : 72cm antreffen; bie'3immer*
ßöße oon Fnapp 2 m ift etwas ÖewößnließcS. ©eßlafgimmer mit 6 bis
7 cbm fiuft für jeben örwaeßfenen, bie noeß burdi bie barinfteßenben
Setten oerminberi wirb, finb nießt feiten. Son UnterFellcrung ift nir*
genbS eine ©pur gu entbeefen. Die Folgen foleßer 3uftänbe, wie Sleidß*
fudjt, DuberFulofc, »tßeumatiSmuS, bleiben nießt aus. Unb bei allebem
müffen bie Scietßprcije oon burcßfcßnittlid) 9 M. im Stonat als feßr
ßod) bcgeidjnet werben, wenn man ben Dureßfdinittsloßn oon 2 M. für
ben Dag berücfficßtigt. Derartige örmittelungcn laßen erlernten, wie
notßwenbig eine beßörblidje WoßnungSinfpeltion ift.
Siojiale §i)gienc.
OfFene ^erpfle^itttgSftationen für fiitttgettfrattfe. Die Snoalibi*
tätS* unb SHterSoertichcruugSanftalt ©cßleSwig*§i)lftein*) ßat gtoci
gwei offene SerpflegungSftationen an ber $orbfee, ©t. ^eter für
Stänner) unb Süfum (für Stauen) ins £eben gerufen. Die
Uranien werben bort in je einem für fie gemieteten £)aufe unter*
gebracht unb burch bie Sefißer (©aftwirtße) gegen einen tägließen
SerpflegungSfaß oon 2, 2 o Jf, begw. 2 < (L oerpflegt unb finb
eigentlid) nur an bie Seobacßtnng einer oon ber 3lnftalt erlaffeiten
£muSorbnung gebunben. SluSgewä'hlt würben für biefe Stationen
ftetS nießt bettlägerige STranFe, oon benen ooranSgefeßt werben Fonntc,
baß fie offne tägliche ärgttieße ?litffid)t bei guter fräfliger Verpflegung
*) Sgl. bett Serwaltintgsbcrißt für bas Faßr lsi>7. Mid. Drmf
ber „9?orti*Dftfce*3eitiuig" 1 sus.
423
Sogtale Prajtö. Eentralblatt für Sogialpoütif. Br. 16.
4 24
unb guter fiuft ihre ©efunbheit fräffigen roürben. Das Sohanuiter»
hoSpttal in Plön hat für biefe Pfleglinge oielfach als Durchgangs*
ftation gebient. Auch ber Hranfenljäufer roirb in biefem 3ufammen*
hang Iobenb gebaut. Bach bem BerroaltungSbericht finb ntit ben
Ergebniffen ber offenen BerpflegungSftationen bie Anftalt roie bie
Berficherten gufrieben. Es roirb mitgetheilt,
«bah baS Vertrauen, roepes bie Anftalt in bie in Sürforge Heber*
nommenen fe^te, fte mürben aus eigenem Antriebe unb in eigenem
Sntereffe ba$ burch roenig groattg beengte unb oerfjältmhmähig freie
£eben nicht mthbraudjen, in ber altergröpen Bfehrgal)! ber gälte nicht
getäupt morben ift. Dah in etngelnen wenigen gälten bie Selbftgud)t
nicht auSrepte unb ber Einfluh ber oerftänbigen SWehrgafjl nicfjt ftarf
genug mar, um Dh or heitett gu oerhtnbern, !ann faum Söunber nehmen
bei fieuten, roeldje [p roentg ober oiellept nur in ben erften Soeben
franf fühlen, fpäter aber [ich im Vollgefühl ber roachfenben Kräfte einer
SJhifje unb greiheit gegenüber befinben, roie fte ihnen ihr arbeitsreiches
VerufSleben bisher niemals gemährt ljat. Verproiegen foll cnblich
nicht merbeu, bah in gäüen grober Verftöhe gegen bie $auSorbnung,
Ungchorfams gegen ben Leiter ber Anftalt unb bcfonberS aujrcijcnber
Hritif ber gürforgeeinrichtungen in oercingclten gälten fofortige Ent*
laffung erfolgte unb baß in feinem biefer gäüe eine nochmalige lieber»
nähme beS ^peiloerfahrenS gugelaffen mürbe. Der Verführer mar meift
leicht oon ben Verführten gu untcrfcheiben unb es mürbe in folgen bie
©elegenhcit benufct, einbringtich bargulegen, bah bie £eilfiirforge nicht
bie Pflicht, fonbern nur bas Becht ber Anftalt fei unb bah bie Auf*
faffung, bie Vcrfperten lebten für „ihr ©elb" in ben £>eilanftalteu,
falfct) fei, mit bem $inmeis, bah oietmehr bie ©cfammtheit beS beutpen
VolfeS grohe Dpfer bringe gur Durchführung ber £eiluir[orge."
Die Söurmfranfheit unter ben Bergleuten beS fHuhrgebtetS.
Der Sanitätsbericht bes Allgemeinen Hnappfd)aftSoereinS fonftatirt,
bah bie ©efafjren ber Verbreitung ber Söurmfranfheit burch Ein*
fchleppung oon ©eiten frember Arbeiter gemachfen finb:
Leiber hat ber große Arbcitermangel manche 3ed)en oeranlaht,
öherrcpip c ungaripe Bergarbeiter in großer 3af)l berangugiehen, mo=
burch bie Gefahren ber SSeiteroerbreitung ber tfranHjeit unberechenbar
oermehrt ftnb. Stuf einer 3 Cf be, melche aus Anlaß biefes ^ugugs
reoibirt mürbe, fanben fp fieben mit ber 2SurmfranU)cit behaftete, aus
£efterrep*Uitgarn gugegogene Arbeiter.Die betreffeuben ©ruben
finb nun einmal infigirt, unb es mirb beS gröhten Aufroaitbes oon
fanitären VZahuahmen bebiirfen, um fie oon ben eingefchteppten
HranHjeitSfeimen gu befreien.
ftrtppett» Ein ©runb ber hohen Hinbcrfterblidjfcit in ben rtrbei*
tenben Älaffen liegt in bem SJfangel geeigneter pflcgc*Einrid)timgeit für
bie unmünbigen Hinber, beren BHitter ber Arbeit außerhalb bes Kaufes
nachgehen muffen. (Sine biefer Einrptungcn mürbe in ben Strippen
gefehen, infiniten für Unterbringung gefunber Stinber oont erften Säug*
lingsaltcr bis etroa gum britten Sebensjahre mäfjrenb bes Dagcs. Die
erftc Strippe in Dentfchlanb mürbe gmar fdjon 1802 burch bie gürftiu
pauline oon £ippe*DctmoIb errichtet, trofybcm fant ihre 3«hl über 70
faum hinaus (15 in preuheu) unb cs mürbe ihnen noch neuerbiugS
oon ärgtlpen Autoritäten grofje Bcortalität ber Stinber nadjgcfagt. A'un
utadjt fich ber profeffor ber Stinberheilfunbc in Bafel, Dr. E. .£>agcnbach*
Burifh^’bt (Die Strippen unb ihre hijgicnipe Bebeutuug. ^cna. Ber*
lag oon Ohiftao gifdjer. 1899.) an eine Ehrenrettung ber Strippen. Er
giebt eine Ucberfpt über bie Strippenbcmeguug in ben Sfnlturlänbern
unb oermeift iufouberheit auf bie oorbüblpett frangöjipnt unb
parifer creches. An bem ihm gu (Gebote ftehenben Btateriale geigt er,
mie bie Sterblpfcit ber Strippenfinber unter bem Durdmhmtt ber
Sterblidjfeit in ber gangen Stabt geftanben hat, erfurfjt unt meiterc Bo*
obad)titugen unb fommt gu beut Schluffe, baß gut geleitete unb ein»
geridjtete, für eine flcinere Augahl oon Siinberu beftimmtc Strippen, bie
ftaatlid) beauffidjtigt merbeu, bie Biorbibität unb Bfortalität bes erften
StinbesaltcrS mefeutlid) oermiuberu. „gu großer 3a 1)1 erririjtet, hßg^ s
nifch ausgeftattet, merbeu fie als prophßlaftiidje Anftaltcn in großen
Stäbten fegensreid) gu mirfen unb bie foftfpieligcn Säuglingsfpitäler
eingitfdjränfcn im Staube fein, prophßlare ift gerabe auf nuferem We*
biete gemiß erfreutidjer unb mirffamer als notljbürftigcs glitten unb
vedjt oielc gefimbc Stinber gefuub gu erhalten, ift oon jebem Staubpunft
aus, bem hßgteuifdfeu, bem fogialeu unb bem liatioualöfouoinifehen
höher gn achten, als St raufe h^'ausgupäppelu." Born ethifdjeu
Staubpiuifte aus finb bie Strippen ähnlichen gnftituten, mo aber bie
Trennung oon SMutter unb Stiub oollftnubig ift, ober mo bie SJfutter
fiel) faimnt bem Stiubc oon ihrem .Jmusmcfcu trennen muß, uulcbingt
oorctu gu ftellcn.
(geaierbegctidjte. (Einiguugsömter. Qdjnb^geridjte.
din Beitrag ^ur ^ompeten^ertoeiteritttg ber Ekmerbegendjte*
llnlängft ift tit einer Arbeitnehmeroerfammlung gu Berlin
nad) einem hauptfächlich ber Stritif ber 9techtfpred)ung beS ©eroerbe*
geridjls btenenben Referat eines (^emerbeqcriditSbeifißerS folqeuber
Befd)Iuß gefaßt morben:
„Die Berfammlung nimmt mit Bebauern baoon Steiintniß, bafj bie
Kammer VI bes OJcmerbcgeridjts fid) bes Ccftcreu als uriguftänbig er* i
Härte in gemerblidjen Streitfällen, bie aber gum ©lücf oom Sanbgericht
forrigirt mürben. Dte Berfammlung fprpt ben SBunfd) aus, bah ba»
demerbegericht nicht ohne ©runb unb Urfadje feine 3uftänbigfeit
befdjränfe unb feine Selbftftänbigfett aufgebe buip §erangiehung oon
Entpeibungen ber orbentlidjen Öeridjte, meldje in beu meiften gällen
bem ©eifte ber ©emcrbegeridite als £aicngrrid)te miberfpretheu. Des
gerneren hofft bie Berfammlung, bah in ^ufunft bei Erlebigung ooti
Streitfällen in ber Hammer Vl ein etmns fchnellcres lentpo plah greife,
bamit gälte, roie g. B. bie Sache c/a B>.. gur llnmöglidifcit merben.
DeSgleidjen roihipcn bie Bcrfammelten, baß bie ©emerfpaften etmas
mehr Aufmerffamfeit ben oon ihnen als Beiftper gemählton StoHegen in
ber 3 u ^ un ft penfen."
*Dte SHefoIution ift bem ©enjerbegertchte oon bem Seiter ber
Berfammlung gur Sfennhtihnabme überfanbt morben. 23ir h a ^ en
oon ber theilmeife eigenartigen gönn beS BefchluffeS abgefehen
unb unS mit bemfelben befchaftigt. Das Ergebnih biefer Be*
fchäftigung rooüen mir in nadjftehenben 3 c ü en befannt geben.
BorauSgujchicfen ift, bah mir eine gefunbe unb grünbliche Hritif
rid)terlid)er dntfdheibungen für buipauS erfpriehiief) galten unb
gebmebem baS 9ted)t gugeft^h^n, etroaige Btängel biefer Ent*
fdjeibmtgen aufgubeefen. Bei ben Belehrungen ber ©eroerbe*
treibenben über ergangene Urtheile, roie fie oon 3 e i* 3 U 3 C ^ .i? 1
Arbeitnehmeroerfammlungen ftattfinben, roirb auherbem eine ^ritif
häufig unoermeiblich fein. SebenfallS muh aber oon bem Hxitifer
oerlangt roerben, bah fein Bericht, auf ben er fich ftiifct, ooU*
ftänbig unb ben Dhatfad)cn entfprechenb ift. ©oitft Hart ber Bor*
trag baS betheiliate publifum ttid)t auf unb roirb fogar pählich
roirfen, ba burc^ beitfelbcri beit 3nt)örern ein falfpeS Bilb oon
ber Bedjtfprechung beS ©eroerbegeridits entrollt roirb. Unter ben
progehfadjen muh überbicS gum Bcrid)t in Berfantmlungen oor*
fptige AuSlefe gehalten roerben. Es bürfte fdjon einem Quriften
fchroer fallen, roemt nicht gar nitmöglid) fein, bie ftreüigen fragen
über bie 3n|tänbigfeit ber ©eroerbegerichte einer größeren £aien*
ocrfammlung oerftanblich gu machen. ©aS biefem jeboef) nid)t ge*
lingt, roirb ein Beiftfcer noch roeniger fertig bringen. Die in ber
Arbeitnehmeroerfammlung gemadjten Ausfuhrungen bes BeiftprS
über bie 3 u ftänbigfeit Der ©eroerbegerichte roären baher beffer
unterblieben, gang abgefehen baoon, bah roir es an unb für fich
für bcbenflid) holten, roenn eine abfällige Hritif über bie Bed)t*
fprepußg einer beftimmten $qmmci: oon einem Beifi^er gerabe
biefer Hammer geübt roirb.
Die gegen bie geroerbegerichtliche 9?edjtfprecf)ung gerichtete
Berid)terftattung ift nur gu geeignet, baS Aufcljen bes ©eroerbe*
gerid)ts gu fchmälern unb baS Bcrtrauen in baffelbe gu erfcfjiittern.
Es ift bieS um fo mehr jn beflageu, als man fid) jefet roieber
rührt unb nach StampfeSnutteln gegen bie ©erocrbeqerid)te auf ber
Suche ift. x ) Diefc Sachlage oeranlaht uns, bie Befolution auf
ihren Söerth unb Qnhalt hin einer Prüfung gu untergichen. Auf
bie Befchroerben roegen ber Progeßfache $. c/a bie gubent als
ungerechtfertigte gu erad)ten finb, eiiigugehen, ift hier nid)t ber
Drt. Der Auffafc ift lebiglid) beftimmt, bie Angriffe auf bie
Besprechung beS ©eroerbegerichtS abguroehren itnb hierburd) gu*
gleid) Anregung gur Hompetengenoeiterung ber ©crocrbegeridjte gu
geben.
3unäd)ft bemerfen roir, bah &ie BerufungSinftang beS ©eroerbe*
gerpts bislang nur in einer eingigen Progehfache ber
Hammer VI begüglp ber S^age ber 3uftänbigfeit fi^ auf einen
anberen Staubpunft roie genannte Hammer geftcllt hat. Bon uns
finb nur nod) groei fernere Entfd)eibuugen beS £aubgerichtS I gu
Berlin ermittelt roorben, burd) bie entgegen ber oon anberen
Hämmern bes ©eroerbegerichte oertretenen" Anficht bie 3nftänbigfeit
berfelben auSaefprodjen ift. s Bir oermuthen, bah biefe beiben
lebten Entfd)eiointgen in ber Berichterstattung jenes BeifiprS nidjt
l ) Siehe hierüber 9)?. u. Sd)iilg, lieber Mc Acdjtfprcdjung bcS ©e=
merbegeridjts gu Berlin. Ar. 12 biefer % ^citfrf)rift, Sp. 322, unb bie
„Deutidic Boltsroirtlnpaftlidie EorrcfponbenV' oom 10. Januar b. o-
Abenbs. biefem Blatte roirb behauptet, baß bie „Bieinmtq ftarf oer*
breitet ift, bei ben ©eioerbeqeridi tcit mürben bie Arbeitnehmer
in einteiliger Bi eite beo orgug t." Der „Oßittmirthsqehilte'' oom
12. Januar b. geidjnet bageqen in feinem Artifcl: „Der ©eroerbc*
gcrid]tv«»VOifanus fpuft h f rnm" bas Berliner ('»emerbegeridjt als
ein gu U n g int ft eu ber Arbeitnehmer einteiliges.
Es fei übrigens glctdi hier heroorgeboben, baß ein Unheil bes
©emerbegertdits in einer Sa die, gu bereit Emtcheibiing es nidjt guftäubig
mar, uidit als Urtheil eines ©eridits airgiidint ift. (Ecciits bei ©ritdjoi
Bb. 36 S. 142>. Bei Anlningigmerbeu berieiben Sadic bei bem orbent*
lidien ©cridit märe besmegen ber Eiuioanb ber Bed)tshäugigfcit begiu.
j Aledi tC'fraft nidjt begrün bet, io baß, meint bie orbeutlidieit ©crtditc
bie Bettimmimgcii anbers aiislegnt als bie ©eroerbegerichte, uuait»
I genehme H omplifationen cutfreheii fömten.
425
Soziöle Gentralblatt für Sozialpolitik Ar. 16.
426
©rwähnung gefunben haben. dennoch fallen, bcr Bottftänbigfeit
wegen unb utn zu zeigen, baß bie Angriffe, benen baS ©ewerbe*
geriet in ber Berfaminlung' auSgefeßt war, an zweifelhafter ©üte
oen befannten Eingriffen gegen bie Unparteilichfeit ber ©ewerbe*
geriefte nicht n ad) flehen, bie Drei Urteile beS ©ewerbegeridjts unb
beS ßanbcjeruhtS fym wiebergegeben werben. 3wei non ihnen
finb überbteS noch oon befonberetn Sntereffe für größere Betriebe.
3>n ber erften Sache nmr eine Braueret-Aftiengefefffdjaft oerflagt.
Beflagte engagirte Klägerin als Äodjfrau Btitte Cftober 1897 für ihre
in ihrer Brauerei eingerichtete Kantine, in welcher ben Arbeitern ber
Brauerei Belüftigung oerabreicht wirb, gegen einen oerein barten 2J?onatS*
gebalt unb freie Äoft unb unter ber Abrebe einer otermörfjigen
Äünbigimgsfrift. Am 15. April o. 3- würbe Klägerin ohne Äünbigung
entlaffcn. Sie oerlangte Deshalb eine ben BertragSbebingungen ent*
fpredjenbe Gntfdjäbigung. Beflagte bat um Abmctfung, ittbent fie ben
Ghtwanb ber Unzuftänbigfeit beS ©ewerbeaerichts madjte. die Äantine
fei ausfchließlidj für bie Bebürfniffe ber Arbeiter beftimmt. der 3 «tritt
Zur Äantine fei in baS freie Belieben bcr Arbeiter geftefft worben.
Gitten Berbienft höbe Beflagte burdj ben Betrieb ber Äantine nicht er¬
hielt, oielmehr feien noch erhebliche Aufmenbungen ißrerfeitS für bie¬
felbe erforberlich gewefen. die Äantine fei lebiglich eine äBohlfafjrtS*
ein rieh tung.
&a 8 ©ewerbegericht hat fich für unzuftdnbig erflärt, ba nach ben
oon ber Beflagten oorgebradjten dfjatfachen ber Streit fein gewerblicher
fei. das Berufungsgericht fam in feinen ©rünben zu bem umgefehrten
Grgebniß.
SSenn bie Arbeit ber Klägerin bei ber Beflagten auch nicht technifche
Berridjtungen im Brauereigewerbe unmittelbar betraf, fo ^ätte biefe
dfjätigfeit bodj, führt baS £anbgerichi aus, im engen 3ufammenhange
mit bem Brauereibetriebe geftanben. die Äantine foffe ben in ber
Brauerei befchäftigten Arbeitern, unb zwar nur ihnen, Gelegenheit zu
guter unb bequemer Beföftigung geben. 3ufofern biene fie ben 3wecfen
beS Brauereibetriebes. Sie fei baher nicht als eine oon bem übrigen
Betriebe loSgelöfte felbftftänbige Ginrichtung zu betrachten, fonbern
muffe, als ben ©efammtbetrieb förbernb, als ein ben oerfchiebencn
©efd)Ölzweigen biefeS Betriebes gleichgeftellter dheil beffelbeu gelten,
da alfo bie Äantine ein felbftftänbiger ©ewerbebetrieb nicht fei, fo
fäme es nicht barauf an, baß biefelbe finanzielle lleberfchüffe nicht ab*
warf unb auch nicht erzielen foflte. GS genüge, baß fie bem fonftigen
Betriebe fxd) einfügte unb baß bei biefem in feiner ©efammtheit auf
Außen geregnet werbe. Gin Arbeitgeber höbe übrigens audj Bortheil,
wenn er feinen Arbeitern eine billige unb gute Nahrung ermögliche,
weil er hterburdj ihre Seiftungsfähigfeit erhöhe. Biellcidjt gelinge es
ihm ferner bur<h biefe ben Arbeitern gebotene Annehmlidjfeit ArbeitS»
fräfte unter für ihn günftigeren Bebingungen zu erlangen, als bieS
fonft ber gaff fein würbe. Schließlich wäre bur<h bie Beföftigung ber
Arbeiter an JDrt unb Stelle eine 3 eiterfparniß unb fjircburdj größere
AuSnußung ber Arbeitsfraft nicht auSgefdjloffen. Somit ftelle fich bas
oon ber Älägerin mit ber Beflagten eingegangene ArbeitSoerljältniß als
ein mit Bezug auf ben ©ewerbebetrieb Der lederen gefdjIoffeneS bar.
* *
•
2 für unfer dhewa erübrigt eS ftch, alle ©inzelßeiten ber lanb*
gerichtlichen debuftionen zu erörtern. 0b biefelben, wie baS
ßanDgertcßt in feinen ©rünben meint, ungezwungen finb, fann
füglich ebenfo bahingefteüt bleiben. Aadj bem Urtijeile beS ßanb*
geridjts würbe, für Den Sali, baß ein ©roßinbuftrieHer etwa feine
im 6ißen thätigen Arbeiter zur ©rßaltung ihrer ©efunbheit unter
ßeitung eines gegen Gntgelt angenommenen durnlefjrerS täglich
Freiübungen machen läßt, biefer Sehr er ein gewerblicher Arbeiter
beS Unternehmers fein, daffelbe träfe zu, wenn ein Arbeitgeber
für feine Arbeiter eine große Babeanftalt erbaute unb biefe einem
Babemeifter unterteilte. 1 )
BSährenb berart baS ßanbgeridjt im ©egenfaß zu feinen
früheren ©ntfeßeibungen 42 ) bemüht ift, ben Begriff beS gewerblichen
Arbeiters auSzubehnen, entzieht es wieberum Durch biefelbe ©nt*
ftheibung eine nicht geringe s JRenge oon Arbeitern ber Surisbiftion
*) Siehe auch llrtheil bes ©ewerbegerichts in Sadjen 9t. contra B.
(9t. 222 de 93 Ä 7), nach welchem ber Arbeitgeber aus Arbeitern feiner
girma einen Bläferdjor gebilbet hat unb biefen Durch einen Äöntg*
liehen SJiufifbiref tor gegen Gntgelt leiten läßt. die Arbeiter muffen
fich oerpflichten, miitbeftens 3 galjre nach Gintritt in ben Bläferdjor
forooßl bei ber girtna in Stellung zu bleiben, als auch bem Bläferdjor
anzugehören, giir ben Blasunterridjt zahlt ber Arbeiter ber girrna
100 M. unb zwar in Aaten oon wöchentlich 1 M. Xi cf er Betrag,
welcher auf ber Sparfaffe angelegt wirb, wirb nach Ablauf bcr Drei»
jährigen dienftzeit als Prämie bem Arbeiter Durch Ausbänbigung beS
Sparfaffenbucßs zurürfgemäfjrt. die Bebingungen, oon bereit Grfüllung
bie 3 ur ücfocrgütung abljängt, finb hier nicht oon gntereffe.
3 ) 3 - iu ber §eimarbeiterjrage. Siehe Bt. o. SdjulZ/ die
Stellung ber Heimarbeiter im deutfdjen ©ewerbereeßt (in Brauns Arrfjio,
Bb. X S. 721 ff.).
beS ©ewerhegerichtS. ©S ftnb bieS bie in Aeparaturwerfftätten
ber ©ifenbahnen befdjäftigten Arbeiter. Augenblicflich entfeheibet
baS Berliner ©ewcrbegericht, baß bie ©ifenbahnunternehmung
als Qnhaberin ber SReparaturwerfftätten in eintägigen Rechts*
ftreitigfeiten mit ihren Arbeitern oor bem ©ewerbegerießt stecht
ZU nehmen hat. X)enn infoweit liege ein ©ewerbebetrieb oor,
welcher mit ber Unternehmung als BerfeßrSanftalt bireft nichts
gemein habe. 2)aß ein folcher ©ewerbebetrieb') für bie ©ifen*
babnunternehmung arbeite, föune nicht in Betracht fommen.
diejenigen Sßerfonen aber, welche bei bem ©ifenbahnbetrieb
im engeren Sinne befchäftigt feien unb mit ihren Stiftungen
unmittelbar für bie BerfehrSanfialt wirfen, fönnten fich in Bezug
auf bie Regelung ihrer rechtlichen Beziehungen zu ber Arbeitgeberin
auf bie Borfdjriften ber ©emerbeorbnung nidht berufen unb ben
Apparat beS ©ewerhegerichtS nicht für ftd) in Anfpruch nehmen.
Sßnen biete ber §. 6 ber ©emerbeorbnung eine Sdjranfe. 2 )
Btnn baS ©ewerbegericht ftch ^ cr SanbgerichtSentfcheibung
jeboch anfchließen wirb, fo würben in 3nlunft auch ^ 1C in Söerf*
ftätten einer ©ifenbaßn befchäftigten Arbeiter nicht mehr als ge*
werbliche Arbeiter anzitfeßen fein. ©S ift bann ber Anficht oon
Haas 3 ) beizupflichten, welcher erflärt, baß, wenn eine ©ifenbahn*
oermaltung eine SKafchinenreparaturwerfftatt, BSaggonfabrif :c.
lebiglich fn r ^ 1C Sorberung ihres ©ifenbahnunternehmenS ein*
gerichtet habe unb betreibe, fte Damit nicht ein oon ihrem ©ifen*
bahnunternehmen getrenntes, befonbereS ©emerbe ausübe. diefe
gewerbliche Xhätigfeit trete nur oorbereitenb zu bem Betriebe ber
©ifenbahnunternehmung hiuj u / fte fteh^ immerhin in Deren dienften
unb fei nur ein dheil berfelben. das ©ewerbegericht müßte fich
banad) bei Älagen biefer Arbeiter ftets für unzuftänbig erflären.
BHr möchten erfahren, wie biefe Schwenfung beS Berliner
©ewerbegerichtS in Den betheiligten Äreifen aufgenommen werben
würbe.
Nunmehr fommen wir z« ber zweiten ©ntfdßeibung beS ©e*
werbegerichtS.
* *
*
SnljaltS ber Älage fjat Beflagte Durch bie in ihren ^abrifräumen
auShängenbe Befanntmad^ung oom 19. Auguft 1886 oerfprodjen,
für ihre Arbeiter, Deren bnrdjfdjnittlicher B?odjcnoerbicnfl bie Summe
oon 20 M. nid;t erreicht, unter gewiffen Bebingungen Sparfaffenbüdjer
anzulegen unb fortlaufenbc Spareinlagen zu machen. XieS Berfprechen
ift abgegeben worben, um, wie eS im Gtngange ber Befanntmadjung
heißt, ben treuen unb fleißigen Arbeitern eine Anerfennung z« Soßen
unb ihnen ben Beweis zu liefern, baß bem Arbeitgeber ein gutes Gin*
oemehmen mit ihnen, welches nur burdj gegenfeitige 3 ufrieoenheit er*
Zielt werben fönne, am Herren liege. Xie Spareinlagen (offen „eine
Brämic zum Arbeitslohn" bilben. Bei Arbeitern, bereu Säochenoerbienft
Die Summe oon 20 Jt. überfteigt, wie beim Äläger, ift eS bem Gr*
meffen beS Arbeitgebers burdj bie Befanntmadjung oorbeljalten worben,
fie in gleicher ober ähnlidjer 2 Beife zu betheiligen, dem Äläger finb
bie SBoljItljöten ber Befanntmadjung gewährt; für ihn ift etu Spar*
faffenbudj angelegt worben. Gr forbert, nachbem am 23. April 1898
fein ArbeitSoerljältniß in frieblicher Bkife auf gehoben worben ift, bie
Herausgabe Des feiner 3 e it noch über eine Summe oon etwa 37 ,»9 M .
Iautenben SparfaffenbudjS. Gr forbert ferner bie 3aljlung oon 423,®
weil Beflagte feit Anfang 1889 bie Ginzafjlungett eingestellt höhe unb
bie burdj bie Befanntmadjung oerfprodjcucn 3aljlungen, wenn pe erfolgt
wären, nebft SmfeSzinfen 423,® M auSntadjen würben.
XaS ©ewerbegeridjt Ijnt feine Unzuftänbigfeit angenommen, der
Anfpruch auf Herausgabe bes SparfaffenbudjS fjöbe feinen BechtSgrunb
in bem befferen Aedjt zum Befiß, nicht aber im ArbeitSoertrage. AIS-
bann fei bei foldjen Arbeitern, Deren SBochenocrbienft bie Summe oon
20 M . überfteige, bie oerfprodjettc Prämie, weil bie ©ewäljrung ber¬
felben bem Grmeffen beS Arbeitgebers 'Vorbehalten worben, nicht ein
Gntgelt für bie Arbeit, fonbern ein neben biefem bargebotenes be*
fonbercs ©efchenf. Auch lji e r Ijanbele cs fich Demnach nidjt um eine
^orberung ans bem ArbeitSoertrage, fonbern um eine folche auS bem
SdjenfungSoerfpredjen. dagegen entfdjieb baS Sanbgcridjt folgenber*
maßen:
die Sledjte unb Bflidjten aus bem ArbeitSoerljältniß würben nicht
allein aus ben mit bem einzelnen Arbeiter auSbrücflidj getroffenen Ber»
einbarungen, Dem ArbeitSoertrage im engeren Sinne, beftimmt. Biel*
ineljr fiube biefer Arbeitsoertrag feine Grgänzung burdj eine etwa be*
fteljcnbe gefeßmäßig ober freiwillig erlaffene Arbeüsorbnung ober burdj
*) 3 o ber $rozeßfadje ber Brauerei fam nicht einmal ein ge=
werblicher Betrieb in Srage, fonbern eine BSoljlföhrtSeinridjtung, wcldjc
eher entbehrlich ift.
*) Unger, Gntfdjeibungen beS Berliner ©ewerbegeridjtS S. 193ß*.
unb s Billjclmi u. gürft, Äontmentarzum ©emerbcgeridjtsgcfeß S. 2 s 3
u. 284.
3 ) Äommentar zum ©ewerbegeridjtsgefcß S.22; ogl. auch Appeli 11 s,
©emerbeorbnung S. 11. dagegen Badjrm, Äommentar z»m ©ewerbe*
gcridjtSgefeß S. 33.
<s>mtnle «rnriS. ßentralblatt für SoxialDoIitif. Ar. löf
428
eine Vefanntmadjung ber oorliegenben Art, reelle gegenüber ber ©e«
fammtbeit ber Arbeiter gu beren ©unften eine Verpflidjtung beS Arbeit*
geberS feftftelle. ®iefe werbe non bem einzelnen Arbeiter mit bem ©in*
tritt in beit Setrieb angenommen. Aus bloßer greigebigfeit mürben bie
Spareinlagen nicht oerfprocben, fonbern oielmeljr als Velolmung für
treue uub fleifeige Arbeit, foroie beShalb, weil ber Arbeitgeber ein roefent*
lidjeS ^ntereffe baran habe, fid) gufriebene unb arbeitsfrcubige Arbeiter
gu erbalten. Aacfjbcm bie Vetheilignng beS Kläger», roelcber mehr mie
20 M. 2otw empfing, erfolgt fei. fei fein Aed)tSuerl)ältmfe gu beurtbeilen
mie baSjenige ber geringer befolbeten Arbeiter. Ser Arbeiter rechne
bei Veginn ober ftortfefeuug feines ArbeitSoerhältniffeS mit ben roirth*
fdjaftlicben Vorteilen, roeldje ihm burd) 28obIfal)rtSeinrid)tungen beS
VetriebeS, in ben er ehitritt, ermadifcn. Steje Veucfigien feien eine (Sr*
aäugung gu bem auSbebungenen Stüd* uub S^lolm. (SS gebe baS
fdjon barauS heroor, bafe fie als „Vrämie gura Arbeitslohn" begeidjnet
finb. Sie (Srfüüung ber burd) bie Vefanntmacfeung beS Veflagten über»
nommenen Verpflichtung fei mithin eine „Stiftung aus bem ArbeitS*
oerbältnife", fo bafe ber Streit über biefe Seifiung nach §• 3 giffer 2
beS ©efefeeS oom 29. guli 1890 gur ^uftänbigfeit beS ©emerbegerichts
gehöre. Senn es liege fein auSreicbenber ©runb oor, unter ben Sei*
ftungen beS Arbeitgebers aus bem ArbeitSoerbältnife etma nur bie 93er*
aütung gu oerftehen, bie er unmittelbar bem Arbeiter gugefagt habe.
Ser begeidmete §. 8 fei gmar im SSefentlichen gleidjlautenb bem früheren,
bie gemerblid)en 3cfeiebSgerid)te betreffenben §. 120a ber ©emerbeorb*
nung 7 ) unb fei begüglid) beS Icfeteren in ber (Sntjd)eibung beS AeicfeS*
gericfetS Vb. 13 S. 842 bie Aothroenbigfeit einer möglidjft ftriften Suter*
pretation heroorgefeoben. Siefe Aothroenbigfeit fei aber nid)t an*
guerfennen. 8 )
3Wit bem Anträge auf Verausgabe beS SparfaffenbuchS begehre
Kläger eine Vertragserfüllung infofern, als er aus einem perfönlidjen
Scfeulboerhältnife gegenüber Dem Veflagten bas ftorberungSrecht be*
giiglid) ber Spareinlage geltenb mache. Veftebe biefeS ftorberungsrecfet,
jo erftrecfe fich ber Anfprud) auf Vertragserfüllung, alfo auf Sieiftung,
audj auf baS Sparfaffenbud), benn baS Sparfaffenbud) fei fein Inhaber*
papier, fonbern ein fogenanntes Segitimationspapier; 9 ) eS fei ein $u*
behör ber ^orberung.* 0 ) Kläger mürbe, menn fein oertragSmäfeigeS
ftorberungSredjt begiiglich ber Spareinlage feftgefteKt märe, gugleidj bie
Verausgabe beS SparfaffenbuchS oerlangen fönnen. ^nforoeit umfaffe
ber perfönlidje Anfpruch auf bie oertragSmäfeige Seiftung bie Voraus*
gäbe beS SparfaffenbuchS. Ser Vegriff ber Seiftung erftrecfe fich auf
Die Vertragserfüllung im Allgemeinen. '*)
V?it bem 3al)lungsanfprud] tu Vöhe oon 428,23 M. forbere Kläger
eine ©ntfriiäbigung megeit Aicbtcrfüllung beS Vertrages. Sa biefer
Vertrag als Sheif beS ArbcitSoertrageS gu betrachten fei, fo leite fich
ber ©ntfdjäbigungsanfprud) aus bem ArbeitSoerbältnife l)er.
Vicrgn rooHen mir einigen wenigen Vemerfungen ^lafe geben:
§n ber „Vefannimachung" fino bie Sparfaffeneinlagen als
„Prämie gum Arbeitslohn" begeidhnet. Sonach erfefjeint auch bie
Auffaffung guläffig, bafe bie grämte als ehoaS neben bem ArbeitS*
lohn StehenoeS, über i§n ^>inau§Qel)enbeö fein fülle. S)ieS ift aber
neben fachlich. 38enn, mie in concreto, bie 3 u ro cn bung in tie reine
2SiHfür beS Arbeitgebers gefteHt ift, fo fann es fich nicht um einen
Arbeitslohn Begm. einen Sljeil beffelben hanbeln; es ift bann oiel*
mehr ein 0chenfungSoerfpre<hen oorhanben. S)iefeS fann aber
nicht baburch iu einem £feeil beS ArbeitSoertrageS roerben, bafe es
äußerlich bie formen eines Arbeitsoertrages annimmt ober auch
mit biefem in einen Vertrag gufammengefd)tüeifet mirb. S)er
Vertrag enthält bann eben grnei innerlich burdjauS ooit einanber
oerfchiebene Verträge, mie etroa auch eine einheitliche Urfunbe, in
ber man Semattbem 100 Jf borgt unb ihm aufeerbent für 100 M
feine Uhr abfauft, nicht ein biofeer $aufoertrag ober ein biofeer
S)arIehnSoertrag ift, fonbern fid) aus V ei bem gufammenfefet. Ve»
fteht bann für bie gmei fo' oerfchmolgenen Verträge je ein oer*
fdiiebeneS auSfchliefelidjieS gorum, fo fann biefeS nicht für ben
einen ber beiben Verträge baburch befeitigt merben, bafe für beibe
nur eine eingige Urfunbe aufgenommen ift. SkSroegen fann ein
SehenfungSoertrag roohl äufeerlich mit bem ArbeitSoertrage in
3ufammenhang gebracht merben unb ihn gur Vorausfefeung haben;
er fann aber nicht ein Sheil beS ArbeitSoertrageS fein.
VSäre Kläger auf ©runb ber „Vefamitmachuug" befugt ge*
roefen, bie Prämie gu forbern, fo läge bie Sache anberS; bann
fönnte man bie VriJmie a [g c i ne ^ ur( ^ ^ohloerhalten bebingte
£ohngulage anfeljen.
7 ) 9?ote 1 auf S. 26 OrS Kommentars oon VSilbelmi mib fjiirft.
8 ) Vgl. V?ill)elmi imb ürft a. a. 0. S. 28 >ftote 6 unO ©bertu,
©cmerbegertdjt imb ©iniguugSamt S. 34.
9 ) Vgl. ^örfter»©cc!iiS, ‘preufe. ^rioatredit, 6. Aufl. Vb. 1 S.370
Aote 11.
lü ) ©ntfefeetb. beS 9lcid)Sgerid)ts Vb. 21 S. 364.
ll ) a örftcr=©cciuS a. a. 0. Vb. I S. 380 $. 65.
S)ur<h bie Ausführungen beS SanbgerichtS ift oielleicht bas
©eroerbegericht in ber ©rage beS SparfaffenbucheS miberlegt, aber
auch ba nur infomeit, als baS Sparfaffenbuch nid^t anberS be*
hanbelt roerben barf als bie übrigen petita ber $lage.
* *
*
V3ir reihen hier ben britten ^rogefe als 0<hlufe an:
3n biefem mar eine ©ntfdjäbigung eingeflagt roegett Ver*
gögerung ber AuShänbtgung eines gehörigen 3eugniffeS. Sas ©emerbe*
geriet hat nicht materiell erfannt, meil es nur für einen ©nifdiäbtgungs*
anfprud) aus bem eigentlichen ArbeitSocrhältiiiffe guftänbig fei. Ab*
meichenb oon bem Urtheil hat baS yanbgeridjt bie ^itftänbigfett beS
©emerbegerichts für ben ©ntfd)äbigungSanfprud) toegen Voreuthaltung
eines fachgemäßen ^eugnt||cs auf ©runb beS §. 3 Abfafe 2 beS ©emerbe*
gerichtsgefcfces angenommen, ba bie ©ntfehäbigung aus bem ArbeitS*
oerhältnife oerlangt roerbe uub biefer Anfpruch in feinem ©ntftehungS*
grunbe in bem Arbeitsuerbältnife murgele.
VBir führen bemgegenüber an, bafe baS ©eroerbegericht in lefeter
3eit, abgefehen oon einigen Ausnahmen, ftets ft<h für ©treitigfeiten
über ©ntfchäbigungSanfprüche roegen oergögerter (begro. oerroei*
gerter) AuShänbigung beS 3 eu 9 nt ff e ^ f“ r unguftänbig erflärt hat.
©rünbe: §. 3 9ßr. 1 beS ©eroerbegerichtSaefebeS überroeift ber 3u*
ftänbigfeit ber ©eroerbegerichte auSfdhliefelich bie ©treitigfeiten über
bie AuShänbigung unb ben Qnhalt beS 3^ugniffeS, nicht auch ü& er
bie ©ntfd)äbigungSanfprüche, bie aus ber Voreuthaltung beS
niffeS fid) ergeben. AIS ein ©ntfchäbigungSanfpruch aus bem
ArbeitSoerhältnife im Sinne ber $r. 2 beS §. 3 fann ein berartiger
Anfpruch aber nicht erflärt roerben, roeil bie Pflicht gur 3 eu 9 m & 5 ll
ertheilitng im ©efefe fclbft (§. 113 ©.0).), nicht im ArbeitSoertrage
ihre Ved)tSgrunblage hat unb roeil biefe Pflicht ihrer Statur nach
erft nach Veenbigung beS ArbeitSoerbältniffeS gu erfüllen
ift. $>ementfprechenb hanbelt es fich barum, einen erft nach biefem
3eitpunfte entftehenben Schaben auSgugleichen. 12 )
* *
*
AuS ben brei oon uns gegebenen UrtheilSprobeti erhettt, bafe
baS ©eroerbegericht es fich ^och nicht fo leicht mit ber ©ntfefeeibung
über feine Unguftänbigfeit roerben läfet, roie ber Veiftfeer gu benfen
fcheint. 3u ermitteln, ob baS ßanbgericht mit feinen „glüdflichen
^orrefturen" ftänbig bgS Nichtige getroffen hat, bürfte auf Schwierig*
feiten ftofeen. ©S ift baher mehr roie geroagt, gu behaupten, bafe
baS ©eroerbegericht „ohne ©runb unb Urfadje feine 3 u ftänbigfeit
befchränfe". 2öir finb im 3meifel, ob man fich beroufet geworben
ift, bafe bie bem ©eroerbegericht gu Unrecht natfjgefaate VanblungS*
roeife eine grobe ^ßflichtroibrigfeit roäre. 2)er Vefchlufe ber Ver*
fammlung belegt baS ©eroerbegericht mit bem beleibigenben Vor*
rourfe ber fdjranfenlofcn SSiüfür unb bamit ber Ved)tSoerIefeung.
©igenthümlid) berührt eS, bafe mit biefem Vorrourfc gugleich bie
Aufforberung an bie ©eroerffhaften ergeht, „etwas mehr Aufmerf*
famfeit ben oon ihnen als Veififeer gewählten Kollegen in 3 u ^nnft
ju fhenfen". S)er 23unfh fhimmert fidfetlich hi cr burch,
oafe bie Veififeer gufünftig nicht nach ber burch bie Verathung ge*
roonnenen Uebergeugung, fonbern nach e i ncr i& ncn bereits oorper
ertheilten Snftruftion urteilen foüen. 13 ) Söir rooüen an biefer
Stelle roieberholen, roaS ©|uno 14 ) 1895, als bamalS eine Angabi
Arbeitgeber bie Unparteilichfeit ber ©eroerbegerichte in Sfrage fteüte,
fhrieb: „28er will überhaupt AngefichtS ber mangelhaften juriftifch*
teefenifhen SJurchbilbung ber auf ben geroerblichen ArbeitSoertrag
begüglidfeen gefefelidjen Veftimmungen unb ber ftiefmiitterlicben Ve*
hanblung biefeS SRed)tSgebietes in ber Sßiffenfhaft fid) erfübnen,
autoritatio gu entfheiben, ob ein Urtheil eine $Hecht£oerlefeung bar*
fteHe? $ie Arbeitgeber bürften hoch nicht bie geeignete Snftang für
biefe ©ntfheibung fein. S)ie ftreng juriftifhe Auslegung mancher
Veftimmungen ber ©eroerbeorbnung führt gu Sfefultaten, bie balb
bie Arbeitgeber, balb bie Arbeitnehmer nicht beliebigen fönnen,
roeil fie bem praftifdjen Vebürfnife nid)t angupaffen finb."
ia ) Unger a. a. 0. S. 233 Ar. 201 unb Anmcrfung bafelbft.
Siehe aud) bas „©eroerbegeridjt" oorn 3. Sftärg o. JS. Sp. 63, ^aftroro,
bie ©rfahrungen in beu bcuti'djen 01eroerbcgerid)ten, in ben ^aHrbiichern
für Aationalöfonomien uub Statiftif, britte ftolge Vb. XIV (LX1X)
3. 343, enblidi Urtheil bcs Verliner ©eioerbegerid)ts in 3ad)cn
I. contra 2. 989,98 ll.
7
,s ) ^u oerfhiebeueu Arbeituehmeroerfammlungcn ift jebe Vecin*
fluffung ber Veififerr in ihrer rid)terlid)cu Jljätigfeit als eine oerroerf*
Iidje ftreng oerpönt toorbeu. Vgl. ©eroerbegericht oom 3. XII. 1896;
3p. 25 u. 26, oom 3. II. 1898 3p. 51 unb 6. X. 1898 3p. 3 u. 4;
cublid) 3 a ftr o ro a. a. 0 . 3. 365 ff.
14 ) ^sn beit Vlätteru für fogtalc Gravis Ar. 115 oom 14. Vlärg 1895
3p. 206.
429
Soziale fragte. (SentralDIatt für Sogialpolitif. S?r. 16.
460
Vegüglitp beg (5)eiücrbegcrid>t^gcfebcö mup bag ©efagte gleirf;**
fallg gelten. Unter biefen llmftänben pat bie Agitation gegen bag
©ewerbegeriept gunädpft nur ben drfolg, bap bett ©egitern ber ©e«
werbegertepte $reube bereitet wirb über bag Verhalten berjenigen,
roelcpe in erfter ßinie berufen ftnb, bie ©ewerbegeridpte oor Sin«
feinbungen gu bewahren. SBir wollen aßerbingg nicht oerfennen,
bap unter ber üblen §üüe beg Vefcpluffeg ber Arbeitnehtneroer*
fömmlung ftcf> ein gefunber flern birgt, dg ift bieg bag iitftinftioe
ftiflfcpweigenbe Verlangen natp flompetengerweiterung beg ©eroerbe*
gerieptg. Auf ©runb ber mehrjährigen geroerbegericptlichen dr*
faprungen wirb oon ung imnterbar bie oorberung auf drweite«
rang ber 3 u ftänbig!eit ber ©eroerbegeriepte vertreten. VBir haben
babei im Auge, nicht bloß dntfdjäbigungganfprüche wegen oer«
gögerter AugfteHung oon 3e»gniffen, fonbent oornebmitcb auch
€>treitigfeiten über $erauggabe oon §anbwerfggeug, Snoaltbitätg*
farte, flranfenfaffenbuef), fowie ber beim Eintritt beg lebten Arbeitg«
oerbältniffeg oom Arbeiter etwa überreichten Arbeitsbücher, früheren
3cugniffe ober fotiftigen früheren Arbeitgbefcheinigungen. dr*
ftrebengwertb hotten wir fobann bie drweiterung ber flompeteng
ber ©ewerbegeridpte auf dntfcpäbigungganfprüdpe aug falfcher Slug«
ftellung oon 3eugntffen. Vtit Stecht wunbern fiep bie Arbeiter, —
eg ift bieg ung oft auggefproeben worben — baff fie aug bem
Slrbeitgoertrage oor bem ©ewerbegeriebte Stecht gu fudpen, im
Uebrigen aber wegen ber 3 e ugniffe :c. ben Arbeitgeber oor bem
orbentlidpen Stifter in Anfprudp gu nehmen haben, drforberlicp
bürfte eg nach ben oon ung ooraetragenen Urtpeilen ferner fein,
bap alle biejenigen Sßerfonen, welche, wenn fie auch nur im lofen
3ufammenhange mit bem eigentlichen ^Betriebe bem Unternehmer
in einem arbeitgähnlidpen Verhältnis bienen, bem ©ewerbe«
geriept unterteilt werben, dg würbe ebenfo ber Sachlage ent«
fpreepen, wenn über fämtntlicpe Verträge, welche bie Arbeit»
nepmer mit Arbeitgebern fdpliepett, bie ©ewerbegeriebte gu urtheilen
in ben Stanb gefept werben. 3 U münfehen wäre eg enblicb, bap
bie Arbeiter ber difenbapnen, mögen fie auf ber Strecfe ober in
ben SBerfftätten thätig fein, ihre flogen oor bem ©ewerbegeriebte
anbringen fönnten..
$ie Verpanblungen in pnferen ©eridptäfälen geigen täglich,
— wir haben bieg in bem Verroaltunggberidjt beg ©ewerbegerichtg
pro 1897/98 befonberg betont — bap bie Stotproenbigfeit ber
Erweiterung ber f ompeteng immer fdpärfer unb groingen«
ber wirb. „3n unferem Stocpbarftaate Defterreitp ift mit bem
1. 3uli 1898 ein ©efep (oom 27. Stooember 1896) über bie ditv
füprung oon ©eroerbegeriepten unb über bie ©erieptgbarfeit in
©treitigfeiten aug bem gewerblichen Arbeitg«, £epr« unb ßopn«
uerpältniffe in flraft getreten, bag, wie in ben SHotioen peroör«
gehoben wirb, bag beutfepe ©efep gum Vorpilb * genommen unb
unfere drfaprungen fiefj gu Stupe gemadpt hat. dg hat nicht nur
gum Speil eingeführt, wag wir noch erftreben, fonbern eg ift nach
anberer Stidptung noch weit barüber pinauggegangen. 3m §. 4,
welcher bie fachliche 3uftänbigfeit orbnet, wirb nämlich augbrücflitp
beftimmt, bap bie ©ewerbegeritpte auep guftänbig finb für dnt»
febäbigungganfprüebe bei nicht rechtzeitiger Aughänbigung beg
Arbeitgbucheg, wegen Verweigerung ber oorfcpriftginäpigen din«
tragungen unb wegen unguläfftger Eintragungen unb Anmerfungen.
3)eggleidpen gehören oor bie öfterreiepifepen ©ewerbegeriebte ©trei«
tigfeiten wegen ber fünbigung, ber Stäumung unb beg SJtietpg*:
ginfeg oon SBopnungen in Arbeiternpäufern, bereu Venupung oom
Arbeitgeber bem Arbeiter mit ober ohne dntgelt gewährt wirb,
tiefer Veftimmung möchten wir dingang in unfere ©efepgebung
oerfRaffen, ba SBopn« unb ßopnfrage bei oielen Arbeitgoerpält«
ntffen oft eng oerbunben finb." Slnftatt bie Stecptfprecpung beg
©ewerbegerichtg gu bemängeln, wäre eg gewinnreicher gewefen,
wenn ber Vefcplup ber Arbeitnebmeroerfammlung ung in unferen
foeben ffiggirten Veftrebungen bureb 3aftimmung unterftüpt hätte. 15 )
hoffen wir aber, bap trop allebem ber Vefcplup ben
©efepgeber gur balbigen dntfcpliepung brängen hilft, bie f ompeteng
ber ©ewerbegerichte innerhalb ber angebeuteten ©rengen gu er«
weitern. Algbann wirb ber Steferent ber Slrbeitnehmeroerfammlung
gewürbigt werben alg „ein £peil uon jener flraft, bie — ftetg bag
©ute fepafft".
Verlin. _ SJt. o. ©chulg.
spetitüra ber ©etoerfbereine nttt iBerbeffcrnug beg ©etoerbegeridjtg«
gefepeg ®er dentralratb ber beutfeben ©ewerfoereine (^irfcb«iunc!er)
15 ) SBir behalten utts für fpäter oor, über bte f ompetengbeftim«
mungen beg ©ewerbegcricbtggeiepeg nocbmalg unb erfdjöpfenber ung
auggulaffen.
hat in Abführung beg einftiuimig gefaxten Vcfcbluffeg beg 13. Verbanbg*
tageg gu SWagbeburg, 2. ^uni 1898, bem Steidjgtag eine Petition über*
geben, in ber geforbert wirb: 1. ©ewerbegeriebte foüen für alle ©emeinben
begw. Vegirfc mit entwicfeltem ©ewerbebetrieb obligatorifäj cingefiibrt
werben; 2. bag SBablrecht unb bie SBäplbarfcit gu ben ©ewerbegerichten
füllen auf bie weiblichen Arbeitgeber unb Arbeiter erftreeft werben;
3. bie ©ewerbegerichte [ollen verpflichtet werben, auf Anrufuug auch
nur ein eg Speileg alg dinigunggamt thätig gu fein, unb bag Siecht
erhalten, auch ohne Anrufung ©djritte gur Verhütung ober Veilegung
oon Slrbeitgftreitigfciten gu tpun.
dlne dtttgegnuitg auf bie 3uf<b*ift beg §erm D. ßbeling betr. ben
„Stoctarbeite^Augftanb oor bem dinigungg-Amte beg ©ewerbegerichtg
Verlin" («palte 397) fenbet ung &err £. SB ei g er t in Siacbftebenbem:
mache meine Berichte über bie oor bem dinigungg*Atnte beg
berliner ©ewerbegerichtg ftattfinbenben Verhanblungen ftetg auf ©runb
beg amtlichen ©tenögrammg unb habe biefe Vorfidjt auch bei bem
in Siebe ftebenben Augftanb befolgt, darnach ift feftgeftellt worben,
bap ber Augftanb genau in ber oon mir gefchilberten SBeife fiep ab«
efpielt hat. ^a für bie £ eff entlieh feit nur bag ^ntereffe hat, wag oor
em ftorum beg ßinigunggamtg fiep abfpielte, fo ift bie dntgegnung
beg .&errn £. dbeling gegenftanbglog. ®a jperr 0. dbcling gegen bie
Sticptigfeit unb ^Berechtigung meiner Augfüprungen nieptg aiiguführen
oermag, wag gu bereu ßntfväftuug unb SBiberlcgung führen fönnte,
nimmt er gu bem billigen SRittel ber Verdächtigung feine ^aflucpt. ®ieg
foll miep jeboep nicht pinbern, auep in 3al»nft in unentwegter SBeife
für eine unparteiifche Prüfung ber gwifcfjen Slrbeitgebern unb beren
Arbeiter fcpwebenben ©treitigfeiten eingutreten unb biejenigen Uwi
aepörigteiten öffentlich gu rügen, bie im 2aufe ber Vcrhanblungen gu
5age treten. — SBenn icp in jiingfter ^eit, fowopl in biefem alg auep
im ©olbleiftcnarbeiter*Augftaub Veranlaffung nahm, bie ©ewerffepaftg»
leitung angugreifen, fo war unb bin icp noep heute ber Anficpt, bap in
Jfolgc meiner Stellung, bie icp jebergeit gu ©unften berechtigter ^or*
berungen ber Arbeiter eingenommen pabe, icp auep berechtigt bin,
öjrfentiirf) biejenigen Jfepler gu rügen, bie bie ffüprer in biefen Aug*
ftänben gemaept paben unb bie wopl geeignet finb, bie Arbeiter fcpwer
gu fcpäbigen. SBenn bie Beiter ber ©ewertfepaft eine in facpüdjer SBeife
geübte ftritif niept oertragen fönnen, bann beweifen pe baburep bap pe
ftep Vlöpen gegeben haben. SBenn abtr .t>err ßbeling pep gum werfe
ber Vcweigfupnwg gegen meine Slugfüpmngen, auf ben ^errn Vor*
fipenben beg ßinigunggamteg beruft unb iput bie Slcuperung an bie
Arbeitgeber in ben SWunb.legt:
„Ehrten fage id), bap Sic einen gropen Jpeil ber Sdiulb paben:
eg möge 3hnen eine Bcbre fein, bap Sie cg wegen einer fo gering«
fügigen Sacpe niept wieber gu fölcpem' Streif fommen laffen" —
bann mangelt eg mir an einem parlamentarifdjeu Augbrurfe, um
bie Vhantafic beg £errn ßbeling, bie er bei Monftruirung biefer
Aeuperung cutwirfelt hat, gu tenngeiepnen. S5ie oorftepenbe Vepauptung
beg ^errn ßbcrling ift einfach unwahr. $>er ^>err Vorppcnbc hat nadj
Scplup beg Vergleicpeg, anhtiipfenb an eine oon mir wäprenb ber Ver*
panblung gemachte Vemerfnng an bie Arbeitgeber ber augftänbigen Ar¬
beiter, lebigüd) geäupert:
„bap ber Augftanb waptfcpeinlicp oermieben worben wate, wenn
bie Arbeiter unter [laubiger Auffiept geftanben patten, unb bap feineg
ßraepteng ber Mangel einer Auffiept bie Scpulb au ben Vorgängen trage."
Alg SKitglieb beg ßinigunggamteg mup icp für miep unb meinen
Kollegen ^e-rrn Ingenieur ß Vernparb, Verwahrung bagegen einlegen,
bap burdj bie Verbreitung berartig unqualipgirter Aeuperungeu ber
burep feine Unparteilicpfeit befannte Voifipenbe beg ©ewerbegerichtg
angegriffen unb bag An [eben beg ßinigunggamteg beg ©ewerbcgeridjtg
Verlin perabgefept werbe!"
SBir fcpliepen hiermit bie Sitten über biefen ftall, beffeit Vebeutung
für bie Ceffentlicpfeit jept erfepöpft ift. Aeb. b. Sog.
eittrarifdie Änjrtgen.
Revue politique et pariementaire. ^erauggeber SKorcel 5*>urnier.
Aug bem iegemberpeft gitiren wir folgenbe Artifel fogialpolUtfcpen
^itpaltg: Yves Guyot, l’association corporative et l’association contr^c-
tuelle; Sorel, la crise du Socialisme; Spire, la vie syndicale en pro-
vince etc.
^eutfepe Sleoue. ßine SÄonatgfcprift. ©erauggegeben oon Stich,
gleifcper. 24. Jahrgang. Januar 1899. Stuttgart, ®eutfcpe
Verlagg*Anftalt. $reig oiertelj. 6 Jt.
Äöln. Veridjt über ben Stanb unb bie Verwaltung ber ©emeinbe*
Angelegenheiten ber Stabt flöht pro 1897.
Stcue SJcutfcpe Stunbfcpau. .^eft 1. 1899. X. ^oprgang. Verlin,
S. ftifeper. $reig beg .fpefteg l,so .//.
^ahrbiieper für Statioualöfonontie unb Statiftif. ©egriinbet
oon Vruno §ilbebranb. .fperauggegeben oon ^vo[. Dr. 3. ßourab
in Verbinbung mit ^rof. Dr. Boening unb Vrof. Dr. SB. Berig.
III. f^olge. 16. Vanb. 6. Joeft. ^ena 1898, (^ufiao fyifdier.
Vionatlicp erfepeint ein.'Dcft, Grefte bilbcn einen Vb. ^?reig beg
Vanbeg 15 beg eingeluen .^efteg 3 jr.
Cerattlioortlf^ für bie »rbaftion: Dr. CSrnft grantfe ln »etlin W., »mjreut^erftraöe 29.
soziale $rajri§. Sentral&Iatt für Sojialpolittf. Dtr. 16.
©ie ,,^o?taU firarie“ erfdjcint an jebem ©onnerötcig unb ift bur$ olle 23ud}banblungcn unb gJoftämtcr (ißoftaeitunfl«nummet 7072) au beaie^en. ©er $rei8
für baö SSiertelja^r ift 9Jt. 2,50. Sebe Kummet foftet 30 $f. ©et SlnjetgenpreiS ift 60 $f. für bie breigefpoltene Sßetitjeile.
Im Zusammenhänge mit den einschlägigen Verhandlungen des Reichs- | i
tages sei allen Interessenten wiederholt empfohlen: I I ®ntt0nt00, Qerla^sbui^iianblling, <P.mli.g.
| ßctlin SW.48 t «Hlljclmdr. U9/I20.
Die hausindustriellen Arbeiterinnen
in der
Berliner Blusen-, Unterroek-, Schürzen- und Trieotkonfektion.
Von
Gertrud Dylirenfiirtli.
- 1898. Preis 2 Mk. 80 Pf. —-
In Conrad» „Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik“
berichtet J. C. über das Buch:
„Die Schrift ist in den staatswissenschaftlichen Forschungen Schmollers
erschienen und kann einen ehrenvollen Platz in dieser Sammlung beanspruchen.
Die Verfasserin hat die Arbeiterverhältnisse mit ebensoviel Umsicht wie Gründ¬
lichkeit studiert. Die Verarbeitung des zum grossen Teil persönlich, sonst
durch Helferinnen eingesammelten Materials ist methodisch vortrefflich. Die
Beurteilung der Verhältnisse ist mit Kritik, Sachkenntnis und sorgfältiger Ob¬
jektivität durchgeführt. Die Darstellung ist klar und trotz des oft spröden
Stoffes fliessend und angenehm zu lesen.
Wir sind der Verfasserin besonderen Dank für die Arbeit schuldig, die
in solcher Weise nur von einer Frau durchgeführt werden konnte, und aus
welcher auch der viel Belelitung zu schöpfen vermag, der sich mit den Arbeiter¬
verhältnissen näher beschäftigt hat.
. . . Mit Recht fordert die Verfasserin die Ausdehnung der Schutz¬
gesetzgebung auf die Hausindustrie, weil die Befreiung der Beschränkungen in
einzelnen Branchen notwendig die Schädlichkeiten in diese hineintreibt. Dagegen
hält sie die Beseitigung der Heimarbeit überhaupt nicht für thunlich, da sie für
viele Häuslichkeiten zur Ausnutzung latenter Arbeitskraft sehr wünschenswert
ist. Sie macht eine Anzahl Vorschläge, wie die Gesetzgebung schützend ein-
greifen kann, die uns sehr der Beachtung wert erscheinen.
Möchte die Schrift viele Leser und die Verfasserin viele Nachfolger
auf dem weiten Forschungsgebiete finden.“ J. C.
3« uöHig neuer SBear&etiung erfdjicn:
Das Heidjsgepfe,
betreffenb bie
(Beroerßegertcike.
®om 29. Suli 1890.
Jejt=?(u3gabe mit'Änmerfungen u. @ad)regifter
Dort
Cto ülitgbnn.
Vierte Permcljrte %tif(qfle,
bearbeitet mm
(Kuno, ©tabtratlj
unb ftenocrtrcfeiibem Borfifrenben be8 ©eroerbegerlcfjt«
ju Äöniggbcrg t. Br.
(Eafdjenformat, fartonniert
- SßretS 1 2Rf. 80 $f. -
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Kais. Geb. Reg.-Rat im Reichs-Versichernngsarat.
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Jnljrliiid) für f fjrfegrkiig, JJcriunitung unb yalksnitdfd)nft
im fPoutfction lUidj.
SerauSgegcbcit nou (ttuftaU Sdjmotfer.
ileue £o!ge. XXIII. laljrgnng. üBrflesi geft. Vttis 9 £*t. 20 ?>f.
^nfjalt: ©je Urgefdjidjte ber ftamtlte, 93?utterred)t unb ©entilberfaffung. 33on
(4L «SdjmoHer. — ^Beiträge jur ©efd)id)te unb ©tieorie bcS ÜlTinenmefenS. 33on
ü. Dteityenftein u. Sfliinfterberg. II.«rtifeL —©a* ftabriffäultttefcn im %r. eueren.
93on t>. SÖelcf. — ©ie retd)8gefefclid)e (yamilienberfidjerung. 93on o. ftranfeitbtTg.
— ©ie redjtS* unb ftaatöroiffcnfchaftlic^e ftafultät. 33on 2ö. ,£>a§bad). — Ueber
baö beutfd)c ©elbmcfen im iitiegofaU. I. S3on 3Jt. @tr5H. — ©ie Dteorganifation
ber fran 3 Öfifd)cn $onb«börfen. Süon «. ©. <Sal}ou«. — ©taat u. ©tänbe ^ranfreicb«
im Satjrtmnbert ber Söurgerfriege (1550—1660). 33on St. Sörebfig. — ©aS iBer-
bältniS bcö 2ßerbraiid)eS ber DRaffen ju bemjenigen ber „fleinen Seute", ber
2Sof)U)flbenben unb Gleichen unb bie SJtarjiftifdje ©oftrin. SBon 31. ©. DJtaij. —
©ine öorgefebriitene ftabrifgefefcgebung. 58on Dt. Dtiebl. — ©ie SBorfdjläge jur
Dteform ber Snöalibität«. u. Wlterßöerfidjerung. SSonb. SBtfeleben. — filtterotur.
Berantroortlid) für bie ülnjeigcn: ^eflmutl) ©eibel, Eeipjtg. - Serlag mm »uiicfer & $mnblot, fieipiig. — ©ebrmft bet gultu« Sittenfelb, Scrltn.
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Rebaftion: ©erltn W., ©ahreutberftrafje 29.
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©tatetial jut F la fl e ber ^eran«
Siebung non Arbeitern §ur
fid&etßettdpolijeincßenöeciuf*
jicßtlgung ber ©rubenarbeit.
©on Dr. %xtjxn. öon ©erlepfcb,
©taaWmintfteT, ©cebacß .436
Mfltaartnc 0»stel* «nb ®Ötrtbfc*aft*<
polttl!..443
Arbeiter unb ©egierenbe in
Ftanfteicß. ©on F* ©cßott*
boefer, ©orig.
«#S««It a»ft*nbe .. 444
©etition um Regelung ber Landarbeit
in ber (SigaTreninbuftrie ©eutfcßlanbd.
Soßnatbeit fcßuIpjllcßHget £fstber in
©roßft übten unb Snbuftrieorten
©eiitfcßlonbd.
Äinber* unb Frauenarbeit in Franf«
reich.
©egen bie ©efteuerung frember 8lr*
beiter in Fwnfrdcß.
amfterbamer SUbeltdlofenftatiftif.
tlvbcUgebcrbcrbänbe.446
©orfeßriften bed SBaljbraßtfpnblfatä
Statutenmäßige Sludfpeming wegen
Ungeborfamd.
Unternehmer unb «rbeiterfoatition.
«c§ftterbft»ftnnfl.447
Soßn« unb ©treifbewegung ber SWe*
tatlarbeiter 1898.
®k oierte ©eneralüerfammlung bed
©ewerfüereind ber 3* e Ö Ict in Sippe,
ßut ©ergarbeiterbewegung im £5ntg*
reiche Sacßfen.
Xßäiigfeit bed ©olfdbureaud in 2Jtün*
eben.
©alijlfcßet ©etoerffcßaftdfongreß.
2>ie englifcßen ©ettetfoereine im 3<*tjw
1897.
Ärbeitdfämpfe in ©nglanb 1S98.
Seßmafcßinen unb ©ueßbtuder in
©nglanb.
Leimarbeit ber Qiamantarbetter in
amfterbam.
©in außetorbentiieber Kongreß ber
franjbfifcßen ©ifenbaßiiarbeiter.
tCYbetterf«**.451
©ermebrung ber ©emerbeauffteßtd*
beamten in ©reußen.
©ewerbeauffießt unb weibliche SWitteld*
perfonen in ©eilin.
9(nweiiung ffirbieÖemerb«.3nipcftoi«i»
in ©apern.
Schuß für ©auarbeiter in Äugdburg.
©efeßlicbe ©infübrung bed elfftünbigen
9Äajimal*9lrbeit4tagcä in Franfeeicß.
©efonberer gefeßlicßer Schuß bei
tfellner in Fmnfreich
Krbeitfr»frn«mtnf. ©»«rfaffc« 453
örtdfranlenfaffen, Äaffenoor*
ftönbe unbScßiebdgericßte. ©on
©ß. L«*8*®UU8 ( Fa^t^ant in
Franffurt a. 3J?.
Unfalloerbütung in Qefterreicß.
©opfottixung oon 9(potbe!en bureb
Arbeiterfranfenfaffen in fßien.
9tr*ettdna*t»cid.455
Der Ärbeitdnacßweid ber
©rauereien in ©erlin unb
feine ©efeßießte.
«ntehsn« «n» 8iiS in<-.456
lieber ©olfdßaudßaltunnd«
faulen, ©on F*<m ©ebeimratl)
Sötte Sßinbfcßetb, Scipgig.
®ad F™ ue nf1ubium int Sieicßfltage.
«OtUi* hSflieitr .459
Stäbtifdjed Seben unb ©olfdgef unb beit.
®ad erftc ©enefungdbeim in Saben.
©ewerbeaevifhte. Öinl nadämter.
«Ate. «qertdttc.460
3t»bredbericht bed ©ereind bet Vlrbeit»
gebet * ©eifißer bed ©ewerbegerießtd
©etlin 1898.
&aufmönnifcßed ©ebiebdgeriebt in
Ddnabrücf.
©ie ©infübrung obligatorifcßer ©inl«
gungdämter in F r <mfreicß.
SltterartfAc Onset«e».461
$mcffeßler*©erlcbtlgttng.462
«bbruef fämmtUcßer Ortifel ift gettuitgen unb gdtfeßrifien geftaitet, feboch nur
mit öottet Quellenangabe.
künftige 3Cnjeid)en?
Schon bei ber erften Ccfung beS 9teicböf)aii0baÜöetat3 ift
bic 0o,^ialpolitif im SSorbergrunb geftanben. s Bir Baben bamalö
ben ©iitbnuf ber Debatte tur^ babin aufaminengefcifti, ba& im
9?eicb^tag eine große 3Jtebrf)eit für bie entfdjloffene Fortführung
ber ©ojialteform, nicht aber für eine BiepreffionSpolitif oorbanbeit
fei. tiefer ©inbruef ift burd) bie Skrbanbtungen ber lebten Xage
beftätigt unb oertieft roorben. ©eroobnbcitgmäbig ift ja ber ©tat
be3 SReicb^amt be8 3anern ber Drt, too eine grunbfä&licBe 2lu8*
einanberfefeung jmiftBen ben Parteien unb ber Regierung gehalten
roirb. Slber über aüe ©rioartungen Biaauö ging in biefem 3aB^
bie ©ntfcBiebenBeit, mit ber alle reformfreunblicBen Parteien gum
23ormarf(B brängten, unb hinter allen ©rioartungen jurücf blieb nach
Umfang unb $raft ber Biberftanb ber SRepreffion^fanatifcr. 3m
9teirf)$tag roenioiten« ünb bic» STnhänper ber ©o^ialreform mit
fliegenben Sahnen unb flingenbem <8piet oorgerüeft, bie ©egner
aber ftehen in ber $>efen[toe. @elbft ein ©latt, wie bie „Smnffurter
3eitung", bie bie „Soziale $rayi^" noch jüngft beS grunblofen 0ptt-
miömuö gieh, weil mir in ben Debatten ber erften ©ubgetlefung
ÜÄorgenluft gu fpürett meinten, fchreibt jefet: ^©jd fcheint nun
roirfhd) fo, bafe ein neuer, langentbehrter 3 U 9 in bie
Sache fommt!"
©in Bochcnblatt oermag nicht, ein in allen ©ingelbeiten er*
febopfenbeg ©ilb lang auögefponnener fReich^tagdoerhanblungen
gu geben; gubeni ift auch in bem Slugenblicfe, too bie ,,@ogiaIe
©rag-iö" in bie ©reffe geht, bieS)ebatte noch gar nicht abgefchloffen.
Bir müffen un8 baper barauf befchränfen, bie begeichnenbften
Momente gu betonen. 21 üe bie gasreichen Sorberungen, bie feit
bem 18. 3anuar, too über bie ©etoerbegerichte gefprochen mürbe,
erörtert roorben finb, foHen ja ohnehin noch einmal eingeltt gur
©erhanblung unb ©efchlufefaffuttg fomnten. |)ier unb heute gilt e8
baher nur, ben allgemeinen 3nfammenhang, bie Dichtung be^ par*
lamentarifchen Billen« fomie bie Haltung ber Regierung gu unter-
fucheit. Unb ba fcl)en mir im 4)iittelpunft ber gangen Debatten
bie Maiferlichen Äunbaebungen oout 4. gebrnar 1890!
©« gab eine 3eit — unb fie liegt nicht roeit gurücf —, ba mürbe
in leicht oerftänblidjer Hbficht bie ©otfdjaft taifer Bilhelm« l. oout
17. 9?oücmber 1881 oorgefchoben, um bie gleichmerthigen unb er*
gängenben Slrbeitererlaffe be« regierenbeit Staifer« gu oerbunfeln.
0o fehr mir in ber ©erfid)erung«gefehgebung eine Shihmefcthat ber
beutfehen Sogialpolitif erblicfen, fo thut un« heute hoch oor allen
Gingen bie Slnerfennung ber 6ogialreform auf bem ©oben ber
ftabinetdorbre« 00 m 4. gebruar 1890 noth- Unb ba« ift im
9teich«tag jefet mieber gefthehen. 2We bürgerlichen Parteien unb
ebenfo btc ©ertretung ber oerbünbeten Regierungen haben fleh auf«
Reue gu biefem Programm befannt. 3a, fogar burch bie Reben
ber Sogialbetnofraten Hingt e« leife unb hoch oernehmlich, bafe fte
gur Rtitarbeit oießeicht bereit finb.
2lber freilich liegen gmifchen ben Slnfcfjauungen im ©ingelnen
mahre 2lbgrünbe oon ©erfchiebenheiten! Freiherr oon 6tumm ift
2(nl)änger ber ©rlaffe, roeil er fie für audgeführt unb crlebigt
hält; jeber Schritt meiter ift ihm ein ©reuel, ber unmittelbar in«
©erberben führt. Seine platonifdje £iebe für bie ©rlaffe finbet
ihr Seitenftücf in ber Sogialbemofratie, bie gegen aüe arbeiter*
freunblichett ©efefee gefthmnt hat, meil fie ihr nid^t ba« ©Minimum
be« Rothmcnbigen gu bieten fdiciueu, bie aber gleichmolü aT«
cifrigfte .f>iiteriu ber erlaffencit Sdjuhbcftimmungen auftrilt. Reit
großem Rachbrncf ccrlangcn 2(u«bau unb gorlführung bcr Sojial*
refornt ba« ©entrinn, bie Rationalliberalen unb bie liberale Sinfe
435
©ogiale Braute. (Eentralblatt für ©ogialpolitif. 9h*. 17.
436
$ie Debatte würbe eröffnet burt eine oortrefflite Bebe beg Ab*
georbneten Boeftcfe, ber mit großer ©ärme unb weitem, burd) bie
Brayig geftärftem SBIicf auf bie Ungleitbeü ber Beurteilung
non Arbeitgebern unb Arbeitern f)imoie§; er ftlofe mit ben frönen
©orten, „oafe eg fidj nitt banbeln barf lebiglit um bie gorber*
ungen ber Sntereffen unb Vorteile ber oberen 3tntaufenb, fonbern
aller Beoölferunggflaffen unb inSbefonbere um ben ©tufe ber
©troaten! 3 U biefen © troaten unb ©troätften rechne id) aut
beute not bie arbeitenben klaffen, unb befebalb ift eg bie Bflit*
ber Regierung unb beg Beit^tagg, auf biefem ©ebiete gu einer
Befferung ber Berbältniffe beigutragen, foroeit bieg nur immer
möglich ift!"
©rofeen (Einbrucf matte eg, bafe ber nationalliberale Ab*
georbnete greiberr $egl oon Herngbeim, ebenfo roie $err Boefidfe
ein ^eroorragenber Unternehmer, mit ooller (Entfdjiebenbeit bag
fogialpolitifte Programm, bag Abgeorbneter Baffermann in ber
erften (Etatglefuna oertreten batte, für feine Partei in Anfprut
nahm unb ftarf bie Angriffe beg ©eneralfefretärg beg (Zentral*
oerbanbeg beutfter SnbuftrieDer, bie bag ftärffte Büfefallen ber
graftion erregt batten, abtoieg. (Eg ift biefer ^altung gegenüber
oon geringerem Gelang, bafe ein anberer nationalliberaler Ab*
georbneter einfeitig für ben ©tufe ber Unternebmerintereffen
pläbirte. gär bag Zentrum fprat Abgeorbneter |)ifee mit ber
alten ©arme unb Uebergeugunggtreue, bie biefen erprobten Kämpfer
für bie Fortführung einer arbeiterfreunbliten Bolitif auggeüfenet;
er forberte namentlit bie gefefelite Oraanifation ber Arbeiter.
(Energifter alg roobl fonft traten aut bie ©ortfübrer ber frei*
finnigen Bereinigung unb ber Bolfgpartei für Beformmaferegeln ein.
All biefe Parteien betonen, bafe bie Kaifererlaffe oom
4. gebruar 1890 not feinegroegg gur Augfübrung unb BoHenbung
aefommen feien. (Eg ift oiel über bie richtige Auglegung biefer
Kabinetgorbreg geftritten roorben; Abgeorbneter Boeficfe bat fofort
einige gang oerfebrte Behauptungen beg greiberrn oon Stumm
über ben früheren $>anbe[$mtniftcr greiberrn von Bcrlepft gu*
treffenb toiberlegt. Unfereg (Eracfeteng mufe man an fogialpolitifcfeer
^Iinbbctt leiben, wenn man leugnet, ba& groar Bieleg ing ©erf gefegt
iborben ift, mag jeneg Programm oerbeifet, bafe aber nod) febr grofee
Aufgaben ber Erfüllung harren. $>ag erfennen aut bie oerbün*
beten Begierungen offen an. $)er ©taatgfefretär beg gnnerit bat
aufg Beue febr natbrüeflit betont, in einem Kulturftaate fönne bie
©ogialreform gar nitt ftifle fteben: „©ir roerben in ber Arbeit
gum Beften ber arbeitenben klaffen nicht ruhen!" rief er aug. (Er
bat auf bie bem ^aufe angefünbigten Borlagen, auf bie bereite
im ©ange befinbliten Borarbeiten unb auf weitere BJafenafemen,
namentlit gegen geioerblite Augbeutung ber ©tulfinber unb
gegen Büfeftänbe in ber Hauginbuftrie, bingeroiefen. Aber er bat
aut DOr Ueberftürgung, oor neroöfem ^ilettantigmug geroamt, ber
am grünen Xift Probleme augflügle, roäferenb bie Begierung fit
an bie grafte beg ßebeng halten müffe. ©ifeen — fo fragen mir
bagegen — bie ©rofeinbuftriellen Boeficfe unb Freiherr o. .^cpl, bie
Saufenbe oon Arbeitern beftäftigen, am grünen $ift? ©inb fie
nitt gerabe bie Braftifer? Bteift futt man bot ben grünen
£ift gang roo anberg, g. B. in ben Bureaug, roo bem gleife ber
Beamten bie ©tubierlampe leuttet. Ober ift man nur bann ^raftifer,
roenn man bem ©tiflftanb ober bem ©tneefentempo bag ©ort
rebet, unb Dilettant, roenn man Anträge auf (Errittung eineg
Beitgarbeitgamteg foroie oon ©emeinbe* unb paritätifefeen Arbeitg*
natroeifen, auf gortf übrung beg Arbeiterft ufeeg unb Kontrolle ber
Sauginbuftrie fteüt? 3)inge, bie in anberen ßänbern befteben unb
befriebigenb funftioniren.
gnbeffen über Btofe unb ©angart ber ©ogialreform fann man
aüerbingg oerfefeiebener Bteinung fein. Unbeftreitbar ift aber, bafe
im Beitrag bie arbeiterfreunbhte ©timmung im ©atfefen ift unb
bafe in immer weiteren Greifen bie llebergeugung gum SDurcfebrut
fommt, nat ©tumm’ft en Begepten laffe fit in SDeutfcfelanb nitt
regieren! Aut am Bunbegratbgtift e ft e *nt biefe (Empfinbitna im
(Srftarfen gu fein. Bielleitt gefeilt fid) bagu aud) biefe (Einficbt in
bag ©efen ber Arbeiterbewegung, bafj man fie nidjt unterbriiefen fann,
fonbern nu^bar maten mufe für bie Aufgaben beg ©taateg. (Eg giebt
feinen anberen roirffamen ©djufe gegen ben 2:errorigmug fogialbemo*
fratifter Drgauifationen alg bie Unterftüfeuna ber nittfogial*
bemofratiften Arbeiter ibrerfeitg burt Drganifation in Berufg*
oereinen. (Eg giebt fein ftärfereg Kampfmittel gegen reoolutionäre
Umfturggeliifte alg bie Befeitigung oon Btifeftänben unb bie An*
erfennung geretter Befdjioerben unb Sorberungen. (Eg giebt fein
Heilmittel roiber bie ©taatgoerbroffenbeit alg bie ^Durchführung
ber ooDen gefe^liten ©leitbcredjtiguug aut in ber $rapg. 5\ig
ift bag A unb D aller ©ogialreform, roäbrenb bie eingelnen ©afc*
nahmen nat ib^ r 3mecfmä6igfeit gu beurteilen finb.
2>ie „©ogiale Brayig" wirb fit »on biefem ©tanbpunft burt
Angriffe, oon weiter ©eite fie aut fomrnen mögen, nitt ab*
brängen laffen. (Ein offigiöfeg Blatt bat ung biefer £age in
einem Artifel beftulbigt, „©affenträger ber ©ogialbemofratie" gu
fein, ©enn ber roeltfrembe Berfaffer jeneg Auffafceg eine Ahnung
baoon hätte, roie bie leitenben Kreife ber ©ogialbemofratie über bie
,,©og. ^rayig" benfen, hätte er fit jener tböritien Behauptung roobl
geftämt. Auf eine ©Verlegung brauten roir nitt eingugeben,
ba ber Artifel nur ftroülftige Bebengarten, aber feine Beroeife
bringt. Bur (Eineg wollen roir bemerfen: Bitt biejenigen tragen
ben Ungufriebenen ©affen gu, bie auf BJifeftänbe bmmeifen, um
gur Befeitigung mitgubelfen, fonbern bag ©intern ber Unterbrücfuna
unb Bertuftung nährt bie Bti&ftimmung unb bie Berbitterung!
©er nitt oom grünen £ift ober burt bk Brille beg Borurtbeilg
bie biftorifte ^ntroitfeluna betrattet, fann b^e flar nitt mehr
im 3meifel fein, bafe bie biofeen Angeiten, eine neue 3^t kräftiger
©ogialreform fönne anbreten, jefet fton ihre ©irfung üben.
Biemalg roar bie Haltung ber fogialbemofratiften graftion in
Parlament unb ^reffe, trofe alleg i?ärmeng, matter alg im Augen*
blkfe, roo eigentlich nur not S^b- o. ©tumm unb bag Häuflein
ber ©einen mit ben ftumpfen ©affen ber ©eroalipolitif ben
gortftritt ber ©ogialreform leibenfdjaftiit unb oerftoeft befämpfen.
Bot mirb mant b e i6cr ©treit auggefoebten roerben müffen, aber
roenn alle greunbe ber Beförm tapfer augbalten, fo wirb ung
ftliefelit ber ©ieg bot gufatten! (S. g.
ülaterial jur rfroge ber fjerattjiefyung oon Är-
britern }itr fid)rrl)eit$pi>li|eUid)en Oeouffidjtigung
ber Grubenarbeit.
Batbem ber H erc ©inifter für Hanbel unb ©eroerbe in ber
©ifeung beg preufeiften Abgeorbnetenbaufeg oom 24. gebruar
o. 3^. anerfannt bat, „bafe fid) für bie im 3ntereffe ber ©iterbeit
beg fiebeng unb ber ©efunbbeit ber Bergarbeiter gu oerlangenbe
häufigere Beoifion ber Bergroerfgbetriebe bie ©taffung eineg Unter¬
baueg oon Auffittgorganen empfiehlt, burt ba jefeige Apparat
ber Bergpoligei erweitert unb ihre Augfübrung erleittert wirb", 1 )
natbem er ber b^r geäufeerten Abfitt weitere golgen gegeben
bat in einem an bie Oberbergämter geröteten (Erlafe oom 5. BJärg
o. 3g., 2 ) in bem eine Aeufeerung über bie Auggeftaltung einer
(Einritlung erforbert roirb, roelte Biirgftaft für erhöhte ©iter*
beit ber Bergarbeiter leiftet, fei eg burt Anftellung einer gröfeeren
3abl oon Unterbeamten alg Affiftenten ber Beoierbeamten, fei eg
burt Uebertragung bebörblid^er gunftionen unter Auffett ber
Beoierbeamten an auggeroäblte Arbeiter, natbem er enblit eine
Kommiffton fatoerftänbiger Bergbeamten in biejenigen fremben
©taaten geftieft bat, bie burt ihre ©efefegebung bie guiefet an¬
geführte EBaferegel ober äbnlite eingefübrt haben, um an Ort unb
©teile beren ©irfungen gu ftubiren, geben nunmehr bem ßanbtage
Borftläge ber Begierung gu, bie eine Berftärfung ber poliget*
liten Auffid;t in ben Bergroerfen gum 3me(f haben.
I.
Unter biefen Umftänben bürfte eg nitt überflüfftg fein, einigeg
Biaterial gur Beurteilung ber ftmierigen grage beigubringen,
namentlit aug granfreid) unb Belgien. 2)ie engliften (Einrit*
tungen bürften für ung weniger in grage fommen. SDag englifte
©efefe (coal mioes regulation Act 1887) oerleibt ben Arbeitern
einer ©rube bag Bett, groei ober mehrere Berfonen aug ihrer
Bütte gu beauftragen, bie ©rube auf ihre eigenen Koften gu in*
fpigiren, bie roenigfteng einmal im Btonat alle Stbeile ber ©rube
befuten bürfen. 3)en Beritt über bie oorgenommene BeritlißwoQ
tragen fie in ein But ein, roelteg auf ber ©rube gu halten ift.
Konftatirt bie ©trift bag Borljanbenfein einer ©efabr, fo bat bie
©rubenoerroaltuna eine genaue Abftrift baoon bem fönigüten
Snfpeftor beg 2)iftriftg eingufenben. (Eg fteint, bafe bie ©ruben*
arbeiter nur febr tbeilroeife oon biefer Befugnife ©ebraut gematt
haben.
l ) 3tcn. Bericht «• ^63, 934.
3 ) Abgebrudt in ber ^eitfdjrift „Hanbel unb Werocrbe" Br. 32 oon
1898 3. 456 ff.
437
Sogiale $ra£t$. ©entralblatt für Sogialpolttit Br. 17.
438
3n ÖranFreid) wirb bie ftaatlidje Beaufpdjtigung bcr ©ruben
oon 15 ingenieurs öd chef, 34 ingenieurs ordinaires unb 117 con¬
troleurs auSgeübt. 8 ) ©rftere haben bie Ausführung ber ©efepe
unb BerwaltungSoorphriften gu überwachen, ihre ©pätigFeit djaraF*
terifirt pd) aber, was ben Arbeiterphup anlangt, mehr als eine
Dberauffidjt über ber ©pätigfeit ber Ingenieure, bie fte burcp 3n*
fpeFtionSreifen auSüben. ©ie eigentliche unb laufenbe Beaufpcp*
tigung ber ©rubenarbeit liegt bei ben ingenieurs ordinaires,
poperen Bergbeamten unb ihren ©ebülfen, ben controleurs, bie
aus Beamten unb Dberfteigern non ©ruben, BSerFmeiftern non
gabrifen unb Schülern non Bergfchulen auSgefucht inerben. Sefetere
müffen eine Prüfung beftanben haben uub bürfen nicht weniger
als 21 unb nicht mehr als 30 3apre alt fein. 3 4 ) ©iefe gufamtnen
151 Aufpd)tSbeamten haben runb 140 200 Bergleute über unb
unter Stage in 294 SFoplenbergwerFen, unb 12 000 Bergleute in
anberen BergwerFen gu überwachen, 5 ) wobei gu bemerFen ift, bap
ihnen auper ihrer bergpoligeilicpcn ©pätigFeit auch bie Beoifion
ber ®ampffeffcl, mit Ausnahme ber Sd)tßSbampfFeffel unb ber
©ifenbapn-ßoFomotioFeffel, obliegt, ©ine erhebliche 3apt in "
enieurs ordinaires unb controleurs ift auperbem mit Aufgaben
er Beaufficptigung ber ©ifenbapnbetriebe betraut.
3ur BerftärFuna ber AufficptSorgane unb gur ©rpöhung ber
(Sicherheit ber Bergbaubetriebe ift nun in granFreidp bas ©efep
nom 8. 3uli 1890 sur les delegues ä la securite des ouvriers
mineurs erlaffen. ©er wefenthehe 3npalt biefeS ©efepeS ift
folgenber:
©ie ®elegirten haben bie Aufgabe, bie unterirbifchen Arbeiten
in ben ©ruben gu infpigiren, gu bem auSphliepHcpen 3 roc rf/ bie
(Sicherheit ber Arbeiter gu prüfen unb bie Urfadpen gu unterfuchen,
welche einen UnglüdfSfaß herBeigeführt haben.
©er unterirbifche 3nfpeFtionSbegirF jebeS ©elegirten unb feines
(Stellvertreters wirb burd) Befcplup beS Bräfeften feftgefteßt nach
Anhörung beS Unternehmers, ©ine Anweifung beS SRinifterS
giebt bie allgemeinen Regeln hierfür, wie für bie ben ©elegirten
gu gewährenbe ©ntppäbigung.
©in SnfpeFtionSbegirF umfapt fo viel oon bemfelben Unter*
nehrner betriebene Schächte, Stredfen unb Arbeitspläne, als in
fechS ©aaen infpigirt werben Fönnen. ©röpere Söerfe gerfaüen in
mehrere SnfpeFtionSbegirFe. ©er BräfeFt Fann, wenn Aenberunaen
in bem Betriebe eingetreten ftnb, bie Begirfe nach Anhörung beS
Unternehmers anberS abgrengen. (Art. 1.)
Seber ©elegirte hat monatlich gweimal jeben Schacht, Strecfe
unb ArbeitSftätte fowie bie ©inrieptungen, welche gum Transport
ber Bergleute bienen, gu infpigiren. Sobalb ein ©reignip oor*
geFotnmen ift, welches ben ©ob ober fchwere Berlepungen oon Ar*
beitern herbeigeführt hat ober bie Sicherheit ber Arbeiter gefährben
Fann, hat er ben betreffenben Drt fofort gu befid)tigen. ©er Unter*
nehmet hat ihm oon jebem folgen UnglüdSfaß fofort Bachricht
gu geben.
Bei feinen Betätigungen hat er barauf gu achten, ob alle
gur Nahrung ber Drbnung unb Sicherheit ber Arbeit getroffenen
Beftimmungen eingehalten werben. (Art. 2.)
©ie Bewertungen, bie er gu machen hat, trägt er in ein oont
Unternehmer gu paltenbeS Begifter am ©age beS Befudjä ober am
folgenben ein. ©aS Begifter liegt gur ©inficht burd) bie Arbeiter
offen, ©er ©elegirte oermerFt ui bem Begifter Anfangs* unb
©nbpunFt feiner Befi cp tigung fowie ben Bkg, ben er genommen
hat. ©er Unternehmer ift befugt, feine Bewertungen gu benen beS
©elegirten in bem Begifter gu machen. Beibe fino alsbalb an ben
BräfeFten gu fdpiefen, ber fie bem Bergreoierbeamten mittheilt,
©eigentlich ihrer ©rubenbefaprungen, bei benen fie fich oon bem
©elegirten begleiten laffen Fönnen, follen Ingenieure unb $on*
troleure baS Begifter einfehen. (Art. 3.)
©ie ©elegirten unb ihre Steßoertreter werben nach bem ßifien*
SFrutinium gewählt. (Art. 4.)
Wählbar finb bie Arbeiter unter ©age, welche
1. Qrangofen pnb unb beren politifcpe Bedjte haben;
2. auf ber lepten ßopnlifte beS SnfpeFtionSbegirFs oergeiepnet
pnb, welche oor bem bie 3nfammenrufung ber fcäpler
beftimmenben Befcplup aufgefteilt würbe. (Art. 5.)
Wählbar ftnb in jebem SnfpeFtionSbegirF, bie ßefenS unb
Schreibens Funbigen, nicht wegen BergepenS gegen bie bergpoligei*
liehen ©efepe beftraften,
3 ) Annuaire du Ministere des travaux publics 1898.
4 j 9R. Blorf, Dictionnaire de 1’administration franyaise 1898. S. 1 '»72.
5 ) ©ie BergwerFS- unb .^ütteninbuitrie ftranfreid)3 unb Algiers im
Jahre 1896. 3eitf^rift für Berg*, Jütten* unb Salinenwefeit.
1. oorbegeichneten SBähler, bie 25 Qahr alt ftnb unb wenig*
ftenS feit fünf fahren im SufpeFtionSbegirF ober in einem
benachbarten, oon bemfelben Unternehmer abhängenben
SnfpeFtionSbegirF arbeiten;
2. alten Arbeiter, bie in ben ©emeinben wohnen, unter
beren ©rengen ftd) ber 3nfpeFtionSbegirF auSbebnt, bie
u 1. erwähnten Bebingungen erfüllt haben unb feit nicht
änger als gehn fahren aufgehört haben, im 3tofpeFtionS*
begirF ober im benachbarten als Arbeiter unter ©age ober
als ©elegirter ober als Steßoertreter thätig gu fein. Sie
Fönnen nur in einem SnfpeFtionSbegirF gewählt werben.
(Art. 6.)
©ie ©ählerlifte wirb oom Unternehmer aufgefteßt unb in
brei ©jemplaren bem Borfteher jeber ©emeittbe gugefanbt, unter
beren ©rengen fich ber SnfpeFtionSbegirF erftreeft; ber ©emeinbe*
oorfteljer fchlägt fie öffentlich an. ©ie ©infpru<h$frift währt fünf
©age. Ueber erhobene ©infprüche entfeheibet ber SriebenSrichter
enbgültig. (Art. 7.)
©ie Wähler werben burdh Befchlup beS $räfeFten 14 ©age
oorher gur SSahl eingelaben, bie ftetS Sonntags ftattfinbet. (Art. 8.)
©aS Bkhlbureau befiehl aus bem ©emeinbeoorfte|er als
Borph^nben, bem älteften unb bem jüngften ber bei Beginn ber
ÜSaht anwefenben SBähler als Beipfcern.
Seber Wähler fefet xwei Barnen auf ben 28ahlg*ttel, je einen
für ben ©elegirten unb oen Steßoertreter. 3 ur SBahl ifi abfolute
Majorität ber ©ählenben erforberlich unb minbeftenS ein Biertel
ber Stimmen ber eingetragenen Wähler.
Beim gmeiten Bkthlganae genügt relatioe SRajorität. (Art. 9.)
Art. 10 beftimmt Strafen für bie Beeinfluffung ber Söahlen.
©ie ©ahlen erfolgen auf brei 3ah^- (Art. 13.)
3n ben oom ©efefc beftimmten gaßen, inSbefonbere wegen
grober BacpläffigFeit ober ÜRipbraud) feines Amtes Fann ber ©eie*
airte auf liöchftenS brei Btonate oom ^räfeFten fuSpenbirt werben,
©er begiigliche Befcplup ift innerhalb 14 ©agen bem SRinifter ber
öffentlichen Arbeiten oorgulegen, welcher bie ©uSpenpon aufheben
ober einfchränFen unb, wenn bie Umfiänbe banach liegen, bie Ab*
fepung beS ©elegirten auSfprechen Fann. ©ie abgefehten ©elegirten
Fönnen nicht oor Ablauf oon brei Saften wiebergewählt werben.
(Art. 15.)
©ie oom ©efefe oorgefchriebenen Bepchtigungen werben oom
Staat als Arbeitstage begahlt. 3tn ©egember jeben 3abi*8. fefet
ber B^äfeFt für bas folgenbe Saht wub für jeben 3nfpeFtionS*
begirF bie SRafimalgahl oer BepchtigunaStage unb bie für jeben
©ag gu gewährenbe ©ntfehäbigung feft. ÄeinenfaßS Fann bie
monatliche ©ntfdjäbigung weniger betragen als ber ßohn oon gehn
Arbeitstagen.
©ie oom Staat oorgefchoffenen foften werben oom Unter*
nehrner erftattet. (Art. 16.)
3u bem ©efefe pnb AuSführungSoerorbnungen ergangen: 3 ur
Bilbung ber 3nfpeFtionSbegirFe uno 2feftfehung ber ©runblagen
für bie an bie ©elegirten ber Arbeiter gu gablenben ©ntfd)äbigungen
oom 9. 3uli 1890, Circulaire Br. 17; gur Söahlhanblung oom
19. 3«H 1890, Circulaire Br. 18; gur Amtsführung ber ©elegirten
oom 19. Auguft 1890, Circulaire Br. 23; gur Begelung beS Ber*
hältniffeS gwifchen ben Bergreoierbeamten unb £ontroleuren einer*
feits, ben ©elegirten ber Arbeiter anbererfeitS oom 17. gdbruar
1891, fämmtlich abgebrudt im Amtsblatt beS 9RinifteriumS ber
ößentlichen Arbeiten.
©ie beiben Iefcteren bürften \)itt aßein oon Sntereffe fein.
Bach bem Circulaire oom 19. Auguft 1890 hat pch ber ©elegirte
lebiglid) mit ben technifchen, bie Sicherheit ber Arbeiter betreffenben
fragen gu befd)äftigen. ©S ift ihm nicht geftattet, bireFte Bor*
fteßungeu an bie Arbeiter ober bie Beamten ber ©rube gu richten,
©r hat nicht baS Bedjt, einen Arbeiter oon feiner ArbeitSfteße ab*
gurufen, um ihn bei feinen 3nfpeFtionen gu begleiten, er Fann aber
jeber 3 c 'i ®an bem Unternehmer ober feinem Bertreter bie Beglei*
tung eines Beamten oerlangen. Bei feinen SnfpeFtionen hat er
fich an aße Borphriften gu halten, bie gur Aufrechterhaltung ber
Drbnung unb ber Sicherheit erlaffen pnb. ©r mup biefe Bor*
fchriften Fennen.
©er ©hefingenieur beS BegirFs prüft, ob bie in baS Begifter
eingetragenen BemerFungen beS ©elegirten unb bie ©egenbemer*
Fungen beS Unternehmers Anlap gu weiteren ßRapregeln geben.
3n bem Circulaire oom 17. J^bruar 1891 wirb bcfonberS
heroorgepoben, bap bie ©elegirten ber Arbeiter nid>t öffentliche
Beamte pnb, bap pe nicht ben ftaatlid)en Bergbeamten unterfteßt
unb gehalten pnb, oon biefen JnftruFtionen für bie Ausübung
ihres ©ienfteS eioguholeu. 3h re Aufgabe ift lebiglicp eine be*
489
Sogtale ^rajris. Eentralblatl für Sogialpolittf. $r. 17.
440
obacßtenbe, bie Befultate ißrer Beobachtung haben fie in baS Be*
B *"tr eingutragen, fic finb nur „visiteurs-mpporteurs“, unb eS
t im Ermejfen bcr StaatSoermaltung, aus bicfcn Eintragungen
gu machen, was ftc für angegeigt hält, ohne baß bic ftaatlicßen
Beamten genötßigt finb, ßieroon bem ©elegirten Bftttßeilung gu
machen. Anbererfeits follen bic Bergbeamten gwar bei ihren Sn*
fpeftionen (Gelegenheit nehmen, fidj bei bem ©elegirten über alle,
bie Sicherheit ber Arbeit berührenben ©hatfaeßen gu unterrichten,
ihm auch nützliche Slufflarunaen geben, ftc haben aber nach feiner
Dichtung baS Specht, bem ©elegirten Anorbnungen für bie Aus*
Übung feines ©ienfteS gu geben. Sie haben fi<h auf baS ©e*
roiffenhaftefte jeber Slrt beS BerfefjrS mit ben ©eleairten, welche
biefe glauben machen fönnte, fie feien Untergebene ber Beamten,
gu enthalten. ©irefter fcßriftlicßer Berfeßr finbet groifchen ihnen
nicht ftatt, biefer geht nur burch bie §>anb beS ^räfeften.
* *
*
Sn Belgien ift bie Drganifation beS ftaatlichen AufficßtS*
bienfteS über bie ©ruben burch einen fönigl. Erlaß oom 21. Sep*
tember 1894 neu georbnet roorben. ©aS ^ßerfonal biefer Beßörben
befteht banach auS 1 directeur general, 2 inspecteurs genßraux.
8 inuenieurs en chef directeurs, 10 ingenieurs principaux unb
29 ingenieurs, ihm liegt ob, barüber gu machen, baß bie ©efeße
unb BermaltungSoorfcßriften in ben Bergwerfeit auSgefüßrt werben,
außerbem ber wefentlichfte ©ßeil ber ©ampffeffelreoifionen. ©ie
regelmäßige Beaufficßtigung ber ©ruben wirb nur oon ben 29 ©i*
ftriftSingenieuren geführt, bie im Sabre 1897 bnrcbfchnittlich je
65 ©rubenbefaßrungen nornahmen. 3m Sabre 1896 würben im
©angen im belgifchen Steinfohlenbergbau runb 120 000 Arbeiter
befchäftigt in 262 Sörberanlagen. ©er fonftige Bergbau, Erg*
bergbau, ift unerheblich- 6 )
©aS ©efeß, welches in Belgien ©elegirte ber Arbeiter gur
Beaufficßtigung ber ©ruben einfü^rte (loi instituant des delegues
ä l’inspection des mines), batirt oom 11. April 1897. ES enthält
im Söefentlicßen folgenbe Beftimmungen:
Sille brei Sabre fragen bie Seftionen ber Snbuftrie* unb
SlrbeitSfammern, welche bie Snbuftrie ber Kohlengruben oertreten,
bem SJlinifter Kanbibaten für baS Slmt oon ©elegirten ber Arbeiter
für bie Snfpeftion ber Arbeiten unter ©age in ben Kohlengruben
oor. (Art. I.) 7 )
©ie 3abt, bie AuSbefjnuna unb bie ©rengen ber Begirfe,
innerhalb beren bie ©elegirten ihr Slmt auSüben, werben alle brei
Sabre oom Könige feftgefeßt. (Art. 2.)
3für jebeS Slmt eines ©elegirten finb wenigftenS gmei Kanbi*
baten oorgufcßlageit.
Seber Kanbibat wirb in geheimer Slbftimmung gewählt, ©ie
SSaßl ift nur gültig, wenn wenigftenS bie Hälfte ber SRitglieber
ber Seftion an ihr tbeilgcnommen hat unb Der Kanbibat bie ab*
folute Mehrheit ber Stimmen auf ftdj oereinigt. (Slrt. 5.)
Söählbar ift jeber Belgier, welcher 30 Sabre alt ift, feit
wenigftenS gehn Sahren als Slrbeiter ober Sluffeher in bem 3n*
fpeftionSbegirf ober in benachbarten unter ©age eine SIrbeit oer*
richtet hat, welche eine ßeßrgeit erforbert, lefen, fchreiben unb
rechnen fann, einen ©rubenplan gu lefen oerfteßt, unbefcßolten unb
unbeftraft ift. (Slrt. 6.) 8 )
©er 9Rinifter ernennt einen ber oorgefcßlagenen Kanbibaten
gutn ©elegirten. Sinb nicht wenigftenS gwei gültige Borfchläge
erfolgt, fo fann ber SRinifter ben ©elegirten aus ber 3ahl ber
Slrbeiter beS BegirfS ernennen, weld)e bie gefehlten Erforberniffe
gur ©ültigfeit ber Söaßl erfüllen. (Slrt. 7.)
©ie ©elegirten werben für brei Sah« ernannt. (Slrt. 8.)
©ie ©elegirten haben bie Slufgabe:
1. bie ©cfunbheit unb Sicherheit ber SIrbeit unter ©age gu
prüfen;
6 ) 3eitfch«ft für Berg*, Jütten* unb Snlineuwcfm. XLV.
1 ) Snbuftrie* unb SlrbeitSfammern finb nach bem belgifchen ©efeß
oom 16. Auguft 1887 (loi instituant Ie conseil de l’industrie et du travail)
an affen Crtcn errichtet, wo ein Bebürfniß bagu befteht. Sie haben
bie Slufgabe, über bie gemeinfanten Sntereffcn ber Slrbeitgcber unb Sir*
beiter gu beratbeit, Streitig feiten gwifrfjen ihnen oorgubeugeti unb ein*
tretenben JyaüS fie ausuiglcicheu. Sie gerfaffen in fooicl Seftionen, als?
an bem betreffenben Crt ocrfdjicbcne Subuftricn gu oertreten finb. Jebe
Seftion befteht aus einer gleidjen gabt oon Slrbeitgcbern unb Arbeitern,
unb gäfjlt wenigftenS fccijS,' hodjftenS ’iuölf Sßiiglicbcr. Ein fönigl.
Erlaß oom 10. 3Rarg 1898 regelt bie Auc-uibrung beS ©cfrßcv.
8 ) Bor ihrer Stnftcffung haben bie kanbibaten gimt Slmte eines?
©elegirten ein Eramett gu beftehen.
2. bei ber geflftellung ber UnglüdtefäHe unb ihrer Urfachcn
mitguwirfen;
3. Berftöße gegen* bie bie SIrbeit unter ©age regelnbeit
©efeße unb Borfcßriften, beren Ausführung bie ©iftriftS*
ingenieure gu überwachen haben, angugeigen,
Bei Ausübung ihres Amtes haben fie fleh an bie ihnen oon
ben Ießteren gegebenen Borfchriften gu halten. (Art. 10.)
Seber ©elegirte hat in feinem Begirf monatlich wenigftenS
18 Snfpeftionen ber Slrbeiten unter ©age oorgunehmen.
Bei ber Ausfahrt trägt er in ein oon ber ftaatlichen Ber*
maltung geliefertes, gur Einficht ber ©rubenbireftion unb ber Ar*
beiter offen liegenbes Begifter ein:
1. baS ©atum ber Snfpeftion;
2. bie Stunben, innerhalb beren fie ftattgefunben hat;
3. ben oerfolgten Bteg;
4. bie oon ihm bemerken wefentlichen ©hatfachen.
©er © ruben bireftor hat baS Becßt, in baffelbe Begifter ©egen*
bemerfungen gu machen.
©er ©elegirte fenbet ohne Bergug Abfchrift ber Bemerfungen
unb ©egenbemerfungen an ben Sngenteur. (Art. 11.)
©ie ©elegirten fönnen einen Begleiter bei ihren Snfpeftionen
unter ©age forbern. Sie bftrfen einen Begleiter nicht ablehnen,
fönnen aber oerlangen, baß biefer fich geitmeife oon ihnen entfernt,
bamit Arbeiter ftch nngeftört mit ihnen unterhalten fönnen. Sie
haben fich an bie bergpoligeilichen Borfchriften gu halten. (Art. 12.)
©er 3Rinifter hat baS Becht, ©elegirte, welche ihren ©ienft
nicht mehr oerrichten fönnen, fowie foId)e, welche fid) einer fdjweren
©ienftoerleßung fchulbig machen ober nicht mehr unbefcholten unb
unbeftraft finb, abguberufen. (Art. 13.)
SBeber bie ©elegirten, noch ih« Eltern unb nahen Berwanbten,
welche mit ihnen gufantmen wohnen, bürfeit ein ©efchäft betreiben.
(Art. 15.)
©ie ©elegirten erhalten auf Koften beS Staates eine jährliche
Entfchäbigung unb Beifefoften, welche burch fönigl. ©efret feit*
geftellt werben. (Slrt. 16.)
3ur SluSführung beS ©efeßeS, inSbefonbere beS Art. 2 beS*
felben, ift bann burd) fönigl. ©efret oom 18. SRooember 1897 bie
3aßl ber Snfpeftionsbegirfe auf 38 feftgefteUt. Ein fönigl. ©efret
oom 12. ©egember 1897 feßt bie ben ©elegirten gu gemäß*
renbe Entf^äoigung auf jährlich 1800 grS. = 1440 JL fe|t unb
beftimmt bie §öhe ber Beifefoften*Entfchäbigung.
Bon befonberer Bebeutung für bie £>anbhabung unb baS Ber*
ftänbniß beS ©efeßeS ift ein Eirfular beS ffRinifterS für Snbuftrie
unb Arbeit an bie Ehefingenieure oom 24. gebruar 1898. 3^
laffe einige bebeutfame Steilen beffelben in wörtlicher Ueberfeßung
folgen:
,,©aS ©efeß oom 11. April 1897 hat wefentlicß eine Ber*
ftärfung ber Beaufüchtigung bcr Kohlengruben gum ©egenftanbe.
©egenüber ben ber Arbeit unter ©age eigentümlichen ©efaßren
unb gegenüber ber einer oerhältnißmäßtg geringen 3 a hl m>n
Snaenieuren, bie noch öagu häufig burd) anberc BPi^ten iit
Slnfpruch genommen ftnb, entftehenben Scßwierigfeit für eine
ßinreießenbe, wieberßoite Snfpeftion ber ©ruben unb ArbeitS*
punfte, erfeßien es wünfcßenSwertß, eine gewiffe 3aßl oon Ar*
beitern unter ©age gur ffRitmirfung bei Der Snfpeftion heran*
gugießen. 3Ran ging babei oon ber BorauSfeßung aus, baß bie
tn einer langen BrayiS gewonnene Erfahrung ber Arbeiter ben
ftaatlichen Beamten eine erfolgreiche $ülfe gewähren würbe.
Bon ben ©elegirten barf meber ein auSbrücflicßer Befehl,
noeß c in Auftrag an bie Beamten ber ©rubenbireftion ober an
bie Arbeiter gerichtet werben."
Sn Begug auf bie ©ßätigfeit ber ©elegirten bei ©ruben*
Unfällen wirb ben Eßefingenieuren gur Sßflicßt gemacht, bie Unter*
neßmer aufguforbem, oon jebem ©rubenunfall Dem ©elegirten gur
gleichen 3«it/ wie bem Sngenieur, Kenntniß gu geben.
„Sie (bie Eßefiitgenieure) werben biefe Aufforberung mit
bem Umftanb begriinben, baß fraft beS ©efeßeS, wie baS weiter
unten auSeinanbergefeßt werben wirb, ber ©elegirte ^ülfSbeamte
beS SngenieurS ift.
©er fo auf bas Scßleunigfte benachrichtigte ©elegirte wirb
feine ilttterfud)itng fofort unb oßne bie Anfunft beS SngenieurS
abguwarten beginnen fönnen. Er wirb ben örtlichen.^©ßat*
beftanb aufnehmen, bic erften Erflärungen ber Dpf^r fammein 2 C.
Slber feine Aufgabe geßt nießt barüber hinaus, ©er ©ireftor
ber ©rube unb bann ber Sngenieur finb allein guftänbig, ein*
441
442
^ogialc ^raris. ©entralblat
tretenben SattS bie AettungSarBeiten 311 leiten unb bie s D?afu*egelu I
gu ergreifen, bie geeignet finb neuen ©efaßren oorgubeugen."
gn Begug auf bie Pflicht ber £>elegirten, Berftöße gegen
Arbeiterfcßußgefeße unb Borfcßriften bei ben gngenicuien gur An«
^eige gu bringen, wirb auSbrütflicß betont:
„gu feinem Satte ift eS ben ®elegirfen geftattet, in biefen
Angelegenheiten bie ©ericßte bireft ln Anfprucß gu nehmen." j
Unb begüglid) ihrer Stellung im.Allgemeinen wirb gejagt: |
„Bei Erfüllung ihrer Aufgabe haben fie [ich an bie gn« 1
ftruftionen gu halten, welche ihnen bie Ingenieure geben roerben. ]
$)iefe Borfcßrift hat ben %md, bie ©inßeitlidjfett ber ab* j
miniftratioen £ßätigfeit gu fiebern. ©S mürbe nicht genügen, I
baß bie Ingenieure jeber 3 e i* bie Biilroirfung ber 3)elegirten !
oerlangen fönnen. SDiefe werben an ber Beauffidjtigung ber
©ruben nur bann in einer wirflicß nüßlicßen unb praftifdjen
BSetfe mitarbeiten fönnen, wenn fie fid) bei ber ©rfüttuttg ihrer
Aufgabe an bie oon ber Verwaltung feftgefeßten Regeln unb an
bie gnftruftionen ber Ingenieure hatten.
2)aS ©efeß macht bie ^etegirten gu wirflicßen £mlfs«
beamten ber Verwaltung; fte fotten finge Beobachter unb gc«
wiffenhafter Berichterftatter fein."
* *
* !
Aus oorftehenber $>arftettung ergiebt fid), baß in granfreich j
wie in Belgien bie Arbeiterbetegirten feinerlei Bedjt gu eigener ;
gnitiattoe, gum ©infeßreiten gegen wahrgenommene Biißftänbe
haben. Sie finb in beiben ßänbern nur gnfpigieuteu unb Bericht«
erftatter, fie fotten mit offenen Augen feheit unb gewiffenhaft über
baS BBaßrgenommene berichten, gm Uebrigen beftehen gwifchen
beiben ©tnridjtungen mefentücße Unterfeßiebe, oor Aüem in ber j
Art ihrer Beftettung unb in ihrer Stellung gur Staatsbcßörbe. j
gn granfreieß wirb ber $>elegirte oon ber Arbeitcrfcßaft beS Be« !
girfS gewählt, in Belgien oon bem Dttnifter auf Borfcßlag beS |
conseil de l’industrie et du travail ernannt, einer unpaiteiifcßen 1
©teile, bie in gleicher 3ahl tnit Unternehmern unb Arbeitern befeßt !
ift. gn granfreich fönnen auch ehemalige Arbeiter gewählt werben
ohne Sttücfficßt barauf, welches ©ewerbe fie betreiben, ob fie 3. B.
Scßanfwirtße ober Jlleinßänblcr finb, ber Nachweis einer befonberen
Befähigung über fiefen unb Schreiben hinaus wirb oon ihnen
nidjt oerlangt; in Belgien fönnen nur aftioe Bergarbeiter unter
Sage oorgefcßlagen werben, bie weber felbft, noch burch ihre An«
gehörigen ein ©efdjäft betreiben bürfen; fie miiffen nicht nur ©le«
mentar«Schulfenntniffe haben, fonbern auch bit gum Berftänbntß
eines ©rubenplaneS nöthigen elementaren Mennhülfe befißen, worüber
fie fich burch ein oor ber BerwaltungSbeßörbe abgulcgenbeS ©ganten
auSguweifen haben. Sie frangöfifeße (Einrichtung legt ©ewießt
barauf, baß bie Selegirten oöttig unabhängig oon ben Staats«
beamten finb; fie finb nicht gehalten, gnflruftionen oon biefen ein«
guholen, wie bie Staatsbeamten nicht baS Aecßt haben, ißnen foldje
gu erteilen, ja erftere werben barauf ßingewtefen, fid) auf baS
©ewiffenhaftefte jeber Art beS BerfehrS mit ben Selegirten gu ent«
halten, welche btefe glauben machen fönnte, fie feien Untergebene
ber Beamten. 3m ©egenfaß ßiergu nrirb in Belgien ber Selegirte
als ^ülfsbeamter beS Staatsbeamten begeidjnet, er hat fich an bie j
oon biefem gu ertheilenben gnftruftionen gu halten, fie fotten Beibe j
in engem unb fortgefeßten Berfeßr ftehen. Btan fielet, ber Unter« j
feßieb ift bebeutenb. ©S gewinnt ben Anfd)ein, als habe man in j
granfreich bei ©rlaß beS ©efeßeS oom 8. guli 1890 mehr bie ©r«
füttung eines BBunfcßeS ber Arbeiterschaft im Auge gehabt, als bie
größere Sicherheit beS Betriebes, mährenb man in Belgien ficht«
lieh bemüht aewefen ift, nur BJaßregeln gu ergreifen, metd)c einen
erhöhten Schuh ber Arbeiter oor ben ©efaßren ihres Berufs
herbeiführen fönnen; bie beim Bergbau fo befonberS wichtige ©in«
ßeitlicßfeit bebörblicßer Anorbnungen fott gegen birefte unb in«
birefte ©inflüfje ge[icßert werben.
* *
*
SBirft man nun bie grage auf, wie biefe beiben fo ocrfd)ic«
benen ©inrießtungen gewirft haben, fo ift es ferner, für Belgien
überhaupt wohl noch nicht möglich, eine guoerläffige Antwort gu
geben. 2)aS belgifcße ©c»eß ift oom 11. April 1897 batirt unb
erft fed)S Bionate nach feiner Veröffentlichung in Straft getreten,
oon ©rfaßrungen wirb man alfo nid)t oiel reben fönnen, nur fann
feftgeftettt werben, baß nad) ber Anficht beS oberften belgifdjen
Bergbeamten baS Verhältnis gwifchen ben Staatsbergbeanitcn unb
ben $)elegirten ber Arbeiter fid) günftig gcftaltct hat unb baß
plagen ber Unternehmer über festere nicht laut geworben finb.
für Sügialpolttif. Ar. IT.
lieber bie BMrffamfeit ber fraitgöfifcßen ©iurießtung, bie ja
fd)on eine 9feiße oon gaßren in ©eltung ift, wirb man ein flares
Bilb nur gewinnen fönnen, wenn man fie an Drt unb Stelle
ftubirt. 3)aS ift feitenS ber oon bem $errn ^anbelSminifter nach
granfreich entfanbten Äommiffare gesehen, ihr Bericht, beffen
gnhalt hoffentlich halb befannt werben wirb, fann alfo Auffcßluß
geben. BefonberS wirb es barauf anfommen, gu erfahren, wie
fich kaS Verhältnis ber 2)elegirten gu ben ftaatlichen Beamten, gu
ber ©rubenoermaltung unb beren Beamten unb gu ben Arbeitern
geftaltet, ob fie fich als nach allen Seiten unabhängig, weber oom
patrou, noch oon ^arteirüeffießten beeinflußt unb als facßfunbtg
unb gewiffenhaft gegeigt haben. 3n leßterer Begießung wirb gu
beachten fein, welker Art bie Bemerfungen finb, bie fie nach oor«
genommener Qttfpeftion in bas Aegifter eintragen, in wieoiel
gätten benfelben feitenS ber Bergbeßörben golge gegeben würbe.
Auch bie Statiftif ber UnglücfSfätte in ©ruben oor unb nach ©in«
fiißrung ber ®elegirten wirb einigen Auffcßluß barüber geben, ob
bie ©inrießtung günftig gewirft ßat, wenn fie forgfältig ftubirt
unb gefießtet wirb. ßefctereS wirb feßon beSßalb notßwenbig, weil
ein eingigeS größeres ©rubenunglücf baS ©efammtbilb oöttig oer«
feßieben fann.
©ine offizielle Aeußerung ber frangöfifeßen Regierung ober
maßgebenber Beßörben über bie Söirffamfeit ber delegues mineurs
habe id) nießt ermitteln fönnen. SDie gaßreSbericßte ber ingenieurs
en chef des mines, bie oom Btinifterium in ben rapports sur
l’application pendant l’annee 1896 des lois reglementaut le travail
oeröffentlicß finb, enthalten feine Bemerfungen über jene, fßrioate
BZittßeilungen, bie mir mäßrenb eines Aufenthalts in SßariS münb«
ließ gemaeßt finb, laffen barauf fcßließeti, baß man in ben Streifen
ber ßößeren Beamten ber ©entralftette über ben BlobuS ber SBaßl
ber Arbeiterbelegirten fein giinftigeS Urtßeil ßat.
Seebad). Dr. grß. oon Berlepfcß.
(Scf>lu6 folgt.)
* *
*
^)er Boranfcßlag beS preußifeßen Staatshaushaltes, ber in«
gwijdjen befannt geworben ift, bringt im ©tat ber Berg«, .fnitten«
unb Salinen«Berwaltung bie erfte ©rtoeiterung ber Aufficßts«
organifation. ©S werben 50 Stetten oon Beoier*Auf|lchtSbeamteii
in ber Ülaffe ber oberen Bkrfbeamten unb gwar 33 erfter Hlaffe
mit 2000 bis 3400 c /!(. unb 17 gweiter Älaffe mit 1800 bis
2800 c u ©eßalt neu gefeßaffen. ®iefe untern Aufficßtsbcamten
fotten ben Veoierbeamten in ben Steinfoßlenbegirfen gn bem 3*oecfe
beigegeben werben, um fortgefeßt bie eingelneu tßatfäcßlichen Ber«
hältniffe, inSbefonbere ben SicßerßeitSguftanb ber ©ruben gu er«
funben unb feftguftetten, unb bamit gugteieß bie Beoicrbeamten in
ihrem oerantwortungSreicßen Amte mirfjam gu unterftiißen unb gu
entlüften. Bon biefen 50 Aeoier«Auffid)tSbeamteu finb 11 für ben
Breslauer, 34 für ben ^)ortmunber unb 5 für ben Bonner Dber«
BergamtSbegirf beftimmt. ginangminifter Dr. 0. Dfiquel gab ba«
gu in feiner ©tatSrebe folgenbe ©rläuterung:
00teine Herren, es ift erwogen worben, ob gegenüber ben Klagen,
bag ber Bcrgwerfsbetrieb iteuerbings mehr Ungliidsfälle oernrfaeßte als
früher — was aber int wcfentlidien an bem gefteigerten unb oermehrten
Bcrgwerfsbetricbc wohl and) liegen wirb —, cs nidjt gcratßen fei, eine
fdjärferc Auffid)t über ben ^uftanb ber Bergwerfe gu üben als bisher,
©s finb ba gwei B*cgc oorgefdilagen: ©iufeßung oon Arbeiter=Ans«
jdjiiffen, weldje biefe itontrole felbftänbig führen fotten, wie folcße in
©uglaub, /vranfreid), Belgien eingeridjtct finb, ober bie fdntrfere Auf«
fießt burd) gang objcftiuc, mibetheiligte Staatsbeamte. ©S hat ber .{icit
•I paiibelsminifter in biefer Begichung in ©nglaitb, vranfreid] unb Belgien
genaue ©rmiltelungcn auftcUeu taffen über bie Sirffamfeit ber Arbeiter«
Ausfdniffe, unb ber SJiinifter hat barauS bie Anfüßt geidiöpft, baß im
grogen (Maugen fie fid) in biefen Sänbern nidjt bewährt haben. Ami
wollten wir ftatt beren gu biefem Beßitfe, fo wenig fnmpathifdj bie
ftäubig iortgehenbe Bermchrung ber Beamten ift, ben Aeoierbeamtcu
foldjc ^ilfsbcamtc geben, bie nun ftäubig unb eingchenb bie Bergwerfe
foutroliren unb ihren Borgefeßten berichten, bie ihrerfeits eben niefjt
bie 3eit haben, in fo furgen 3 c dperiobeu bie Beräuberungeu, bic buch
in foldjcn Bergbetrieben ftets oorfommen, geiiiigenb gu beobadjteu. Tie
Herren werben ja über bas ^ringip, weidjes biefer gangen Ara ge gu
(Mruube Hegt, unb über bie jwecfuiäßigtcit ber Borfdiläge bemnädift
eingeheub bcratßen fönnen.
Bian wirb erwarten bürfen, baß biefen furgen Aubeiituugeu
uod) weitere Ausführungen beS .vSerrn .sJanbelSuiiuifters folgen.
443
444
Soziale VrnriS. Contra Iblatt fitr Sozialpolitif. Ar. IT.
Allgemeine öojtal- null RltrtljfdjflftspoUtlU. j
Arbeiter unb fKegierenbe in JJ-ranfreich.
Unter ber ileberfcßrift „(Geroerfoereine unb Minifter in (Snglaub"
brachte bie „Soziale $rajriS" in Ar. 12, mit HinroeiS auf bie 3«*
ftänbe in S'eutfcßlaub, einen 53eric^t über bie zuoorfommenbe Art,
mit roelcßer engltfcße SJlinifter einige petitionirenbe Arbeiter*
belegationen empfangen haben. GS ift nidfjt ferner, in pfranfreieß
ähnliche Veifpiele $u finben. $)ie bemofratifeße Verfaffung beS j
ßanbeS, bie Abhängigfeit ber Regierung non ber öffentlichen j
Meinung läfet aHerbingS einen bireften Vergleich mit ben bciitfd>en I
Verßältniffen nur bebittgt 31 t. V$aS in Verlin freier Gntfcßiuß
bi£ljer unerfeßütterter (Geroalten ift, fönnte bei ben Machthabern in
SßariS nur politifchc Methobe madjiaoeüiftifdjen Stempeln fein,
obroohl ber bemofratifeße Staatsmann mit bemfelben Accßte roie
ber monareßiftifeße bie Anerfennung feines guten (Glaubens forbern
barf. 3n Vezug auf bie Arbeiterpolitif allein rebujirt fid) ber
Unterfchieb in ben Verfaffungeit ber beiben i'änöer jeboeß auf ein
kleines. 3 n bem fleiitbürgerlicßen, norroiegenb agrartfdjcn 3 ra uf=
reich ift bie Arbeiterpartei faum ftürfer an bireftem Ginfluß,
namentlich bei gemäßigten Kabinetten, als bei uns. GS finb gerabe
bie Minifterien mit auSgefprochen arttireoolutionärem Programm,
bie am längfteit leben. Aicßtsbeftoroeniger finben mir in ben
Greifen beS hohen BeamtenthumS bie größte £iebenSroürbigfeit,
mo fie in perförtliche Berührung mit Arbeitern fotnmen. Sic
merben mit Arbeitcrbelegationen nie anberS als im Sone oölliger
Gbenbürtigfeit oerhanbeltt. Um nur einige Veifpiele aus ber un¬
mittelbaren Vergangenheit ju ermähnen:
Vor bem Ansbruch mißglücken Gifenbabnarbeiterftreifs
hatte ber auSgefprochen reoohitionär-fozialiftifdje (GeroerffcßaftS-
oerbanb fich an ben Minifter ber öffentlidjen Arbeiten gemanbt, ber
ben SDireftor ber StautSeifcnbahncn fofort ben potenten ( ^ur $is-
pofition ftellte, um über ihre Vefcßroerbcn facßlid) zu fouferiren.
Söährenb beS AuSftanbeS ber ^arifer Grbarbeiter im Dftober leßten
Jahres empfingen ber Miniftcrpräfibent unb ber vmubelSminifter
Aborbnungert Der Streifenben, meldje ein (Eingreifen ber Staats-
gemalt zu ißren (fünften forberten. 2)ie Arbeiter forberten 31 t oiel,
mehr als fie bered)tigt marett. &roßbem Ratten bie beiben Minifter
feine runbe Abfage für fie. Sie bisfntirten mit ben 2>elegirten,
legten ihnen bie Motioe ihres Verhaltens bar, oerfprad)en ihren
Veiftanb, fomeit bas (Gefeß ihnen baju Aaiim gäbe, pit feiner
Vkife mirften fie mit bem bloßen (Getuidjte ihrer Autorität. pier
mag auch baran erinnert merben, mic feßr bie Stabtoerroaltnng
oon $ariS, einfcßließlicß beS Seinepräfeften, fich mäßrenb biefes
AuSftanbeS ber Sache ber Grbarbeiter roibmete, fomeit fie be-
reeßtigt mar.
Vknn Arbeiterbelegationen ber StaatSmanufafturen zur Vcr-
tretung unb Vtoßrung ihrer rein roirthfdjaftlicßcn 3ntereffen, alfo
ohne jeglichen politifd)eu pintergrunb ntib mit ganz genau
formulirten Anträgen in ben Aitbienjfälen erfcheinen, ift ihnen
großes Gntgegcnfomnten ficher. GS laßen fid) Veifpielc anführen,
in beneit ben geteilten Anträgen in rafeßefter V3eife ßolgc gegeben
mürbe. V5o es nicht gefd)ieht, ba fällt bie Sd)ulb oielleidjt mehr
auf ben „(Gel)cimratl)" ViSmarcfS, auf bie Schmerfällig feit beS
bureaufratifcßeit Apparates, ohne ben ber Minifter uid)ts oermag.
-Die Urbanität beS hohen VeamtenthnmS äußert fid) auch in Aften
oon prin 3 ipiellcr Vebcutung. 2>ie zahlreichen fozialiftifd) bureß-
hauchten Munizipalitäten, beren fid) öranfreid) erfreut, geben ihnen
reichlich (Gelegenheit bazn. £ic oon ihnen feßr gerne bereinigten
Streifunterftüßungen aitS (Gemeiiibemittcht erhalten in ber Siegel
bie (Genehmigung ber Aegienmg. ^od) molleit mir bie giirtftige
paltung ber Verroaltungsbehörbe in folgen Säfleu uid)t zu hoqj
anfchlagen; biefe Streifuuterftüßungen merben erft nad) Veenbigung
beS AuSftanbeS oert()eilt unb gelten fo in geroiffem Sinne als
AotßftanbSalniofcn. Viel wichtiger erfcheinen bie Vereinigungen
oon munizipalen (Gelbem für reine (Gemcrffdjaftszroecfc, mie für
Vefitcß unb Veranftaltung oon Kongreßen :c\, bie fid) unter bem
mohlmoüenben Auge ber Aegierung mehr unb mehr cinbürgcrn.
Vor Kurzem erlebten mir fogar, baß ein fo gemäßigt gefinnter
Minifter beS Innern mic ber gegenmärtige einer (Gemeinbc erlaubt,
ganz käftig ein prioateS Unternehmen, bie (Glashütte oon Albi,
Zu unterftüßen, melcße bas reoolutionärßozialifttfiße Proletariat als
ein eigenstes V5crf proflamirt unb mit beträdjtlidien Cpfern oor
bem finanziellen ^ufammenbriitf) bemahrt.
Man bleibt in biefer Aicßtung, in bie man ebeufo Ieidjt bloß
aus einem feinen (Gefühle oon pöflid)feit cinlcnfeu formte, itidjt
bei ben äußern formen ober einzelnen panblungett ließen, bie mit
Verfonen nnb Situationen med)feln. $ie (Gefinnung ber Aegierenbcn
felbft mirb bemofratifd), nicht nur bie UntgattgSfornt. Man fießt
int tüchtigen Arbeiter ben Gbenbürtigen, beffen Sd)roielen an ben
pänbeit ben Vkrtß feiner Sntelligcnz nießt beeinträchtigen. Sn
biefer oorurtßeilslofen Anerfennung unb Aii(jbarmacßung ber
Arbeiterintelligenz, bie mir in granfreid) beobachten, liegt ein
enormer pfortßßntt. $)er obeijte ArbeitSratß, eine aus Öacßfreifen
ernannte Konfultatiobehörbe, ^Aitfaßt unter feinen MUgliebern eine
ganze Anzahl Arbeiter unb zur Seit fpielt einer oon ihnen eine
heroorragetibe Sfofle in ben Verßanblungen ber Körperfcßaft. Sm
Arbeitsamt fißt ein Vcamter, ber in fientfd)lanb Minifterialrath
titulirt mürbe, ber felbft §anbarbeiter mar. ^in meiteres Veifpiel
ber gleichen (Gebanfcnricßtung giebt ber gegenmärtige ^räfibent ber
Abgeorbnetenfammer, ®cfcßancl, ein gemäßigter liberaler.
Veiläufig fei bemerft, baß baS Kammerpräfibium neben ber
Präfibentfcfjaft ber SHepubüf, beS MinifteriumS unb beS Senats
eine ber ßöcßften unb eßrenoolliten $ofitionen ift, melcße graitfreicß
heute zu oergeben hat. ^er augenblicflicßc Snßaber biefeS Amtes
pflegt zaßkeieße Dejeuners zu geben, bei bcneti er alle parlamen-
tarifeßen unb außcrparlamentarifcßen (Größen, AitSlänbcr nid)t aus*
gefcßloffen, oereiuigt. Gr beginnt nun, auch bie (Elite ber Arbeiter-
feßaft zu biefen Gelegenheiten heranzuziehen. So hatte er fürzlicß,
an einem Sonntag, bie Vcrfönlicßfeiten eingelaben, bie fuß in ben
(Genoffenfdjaften ausgezeid)nct haben, z u gleicher Seit mit bem
Minifterpräfibenten, namhaften Sozialpolitifern, Afabemifern k.
3iSie es feßeint, ift baS Grperiment ermuthigenb ausgefallen.
^er SSertß berartiger Vermifd)ung oerfchiebeitartiger Glementc
foll getoiß nid)t ü&crfdjäßt merben. Söcnit barin rceiter nießts
läge als eine halb platouifdie, z» nid)ts oerpflicßtcnbe Anerfennung
oon mirflicßen Vcrbienften, fo märe cs genug. Vielleicht ift auch ber
größere Außen auf Seiten ber geiftig .fmberfteßenben z u fueßen,
auf Seiten ber Acgiercnbeu, bie bie Regierten fo aus uäd)fter
Aäße fennen lernen nnb oon bereu Sadjfcnntniß in Ginzelfragen
profitiren. Aber ganz fießer ergeben fieß oon biefem Sailen aller
Sdiranfeit auch nad) unten ßin auSglcicßenbc Sirfungcn. GS märe
fd)on Lohnes ejeuug, meint aus biefen häufigen Verüßrungen eine
größere Vemcgungsfidierßeit unb Selbftoertrauen, oielleidjt aueß
Vertrauen z 11 ben füßrenben Sdiicßtcn naeß ben unteren ßin ab-
ficferteii. Sduoerer miegcitb erfcßeiut, baß babureß aueß bie
Arbciterintelligcnz att bie richtigen Stellen geleitet mirb unb zu
Giufluß foinnit. Aur mo fie alle Vkge oerfdjloffen finbet, ftautfie fuß
Zur reoolutiouäreit Slutß. Gs ßanbelt fid) babei geroiß nießt um
bas maßllofe Sulaffen ber großen Maßen, fonbentumbie mirflicßen
Sntelligenzen, bie fich burtß $ldß unb Talent über baS Aioeau
erheben, um „Vilbung unb Arbeit", roentt biefes Analogon z u
„Vilbung unb Vcfiß" erlaubt ift.
$aris. J. Scßottßoefer.
Sojiale 3u|lönbc.
Petition um Regelung ber ^auSavbeit in ber Gigarreninbufiric.
®ie §anbelsfamnier zu Minben in V^eftfalen ßat an ben Staats-
fefretär beS Snnerii bie Vitte gerichtet, Grßebungen über bie ae*
famtnte Gigarreninbuftrie im Aeicße zu oerfügen unb barauf oie
Hausarbeit in biefer Snbuftrie einheitlich rcicßsgefeßlich zu regeln.
§n ben Kreifen Minben, Üübbecfe, .perforb finb zur 3 e k etroa
25 OOO Verfonen in ber Gigarreninbuftrie befdjäftigt; bie Gigarren¬
inbuftrie ift an bie Stelle ber ßeinenroeberei getreten. £>ie H au ^ s
arbeit ßat ficß feßr halb eiugefüßrt, meil fie für bie Unternehmer
roie für ben Arbeiter oortßeilßaft unb bequem ift. Aueß baS Ver-
j bot ber Kinbcrarbeit in Sabrifcn (1891) ßat, ba bie Gigarren-
arbeitet z u allerlei .piilfsleiftungen gern Kinber oerroenben, bazu
| beigetragen, bie pausinbuftric mit Kinberarbeit zu förbern. ßeiber
finb bie' hngieuifcßeii Verßältniffe ber Aäume, über bie bie Arbeiter
oerfügen, nid)t bie roünicßeuSroertbcn, aud) entzieht ficß bie pauS-
! arbeit ber Kontrole beS Arbeitgebers, oerleitet ben Arbeiter zu Ver-
j nntreunugen, oeranlaßt miuberjährige ^erfonen, fid) felbftftänbig
Zu maeßeu, unb bergleicßen mehr. £ic Miubener Vorfdjläge geßen
nun im Vkfentlkßen baßin: Selbftftäubige pauSarbeit foH nur
j oon großjährigen pci'fonen ausgeiibt merben; ^erfoneti mit an-
| C5in man Seputirteu Xntreii; in ber Kammer riugebratßtcr
! Antrag gebt babin, fülle im .'oaiibelsmtnifteriiim ein eigenes llnter=
I fetvetarial für Arbeitsangelegenbeiteu eingeridjtet merben, ba ber Conseil
j Supt’n.ur du Travail ber drleb'giuig feiner Agenben nidit mehr gc=
unußfeti erfeßeine. Sie Arbciterjipibifatc haben fid) bereits öfters itt
I biefem Sinne geäußert.
445
Soziale $r<t£i$. ©entralblatt für Sozialpolitik Ar. 17.
446
ftetfenben Ehranfheiten u. f. ro. ßinb auSgefthloßen; bcr ArbeitSrautn
muft oom BJohnraum getrennt fein, BentiIationSeinrid)tung muft
oor|anben fein u. bgl. m ; befonberer Trocfenraum nid)t erforber*
lieh, Trocfnen über bem Dfen oerboten; bie §auSarbeiter bebiirfen
polizeilicher ©enehmignng unb merben bcr ©croerbe *3nfpeftion
unterteilt; für bereits beftehenbe §auSbetriebe fott eine UebergangS*
jeit uon fünf Sauren gelten.
Lohnarbeit fdjulpfHdjtiger EUnber in ©roftfitäbtrit nnb ^nbnftrie«
orten Tcuifd)laiibS. Ter Berliner Örauenoerein befeftäftigte fief) am
14. 3anuar mit biefer Frage an ber §>anb eired lehrreichen Bor«*
trageS beS um bie ©rforfchung biefer Aachtfciten nnfereS BolfS*
lebenS ftothoerbienten Lehrers Agaf)b*Aijborf. Auf ©runb ber
(Erhebungen oon beutfehen Lehrern theilte ber Bortrageube mit,
baß eS ber beutfehen Arbeitergefeftgebung nicht gelungen fei, bie
Lohnarbeit erheblich Z n bekrönten, ©eitn auch bie 3 a hl ber * n
Fabrifen befdjäftigten Etinber feit bem Snfrafttreten beS ©efefteS
nicht erheblich angeroachfen ift, fo fei hoch eine große üon
Etinbern in bie $au$inbuftrie gebrängt morben, in ber ihnen jeber
Schuft fehlt. 3n Tentfcftlanb feien etroa 50001)0 Etinber mit Lohn«
arbeit befchäftigt, roaS um fo mehr zu beflogen fei, als nad) ber lebten
©eroerbezählung h un berttanfenbe erroad^ene Btänner arbeitslos
roaren. TaS feien höchft bebaucrlidje Büftftänbe, unb man müffe
2Bege z ur Befeitignng ber Lohnarbeit ber Etinber fuchen, ba biefe
mit gefunbbeitlidjen, fittlichen unb intelleftiiellen ©efahren für bie
Äinber oerbunben fei. Born oolfSroirtbfchaftlichen unb päbagogt*
fthen Stanbpunft fei eS oetroerflich, raenn Etinber zur Aadjtzeit auf
ber Strafte ihren Befdjäftigungen nadjgehen, toenn fie oor bem
Schulunterricht achtzig bis tfunbert kreppen fteigen muffen, um
Frühßücf ober 3 ei iuncjen auszutragen, ober menn fie nach ber
Schule oiele Stunben im .fmnfe mit Llnfeitiguttg oon Ghriftbaum*
fehmuef unb begleichen befeftäftigt merben. 3 a hlreiche Etinber
merben burch Betätigung in Tingel*Tangeht, (Eirfußen, Etegel*
bahnen 2C. fittlich unb förperlich getdjäbigt. BemerfenSruerth ift,
baft §>err A. feftgeftellt hat, baft bie Etinber oon ben fremben
Arbeitgebern mehr auSgenuftt merben als oon ben (Eltern. Lille
EUaffen unb Parteien füllten mitmirfen, um auf biefem (Gebiete
Hbhülfe zu feftaffen unb bem Etinbe bie Etinbheit zu erhalten. TaS
laffe fich nur burch Berbot bcr Lohnarbeit oon Etinbern erreichen.
Ter ergreifenbe Bortrag rief eine lebhafte (Erörterung heroor. TaS
(Ergebnift mar bie Einnahme einer Aefolution, bie fid) auf ben
Boben ber Be[chlüffe ber Breslauer Lehreroerfammlung ftcllt. Sie
tritt im Prinzip für bie oollftänbige Befeitigung ber Lohnarbeit
fdjulpflichtiaer Etinber ein. So lange bie fozialen Bcrhältniße
eine Turchführnng biefeS BrinzipS unmöglich machen, foll roenig*
ftenS eine energifche (5infd)ränfung ber Etinberarbeit angeftrebt
merben. (Es mürbe ferner befdßoßen, einen Antrag au ben Stabte*
tag zu richten unb biefen zur Beratung beS Themas aufzuforbern.
(Enblid) mürbe eine Et'ommiffion aus ben Bütgliebern beS BereinS
gemählt, roelche bie Frage ber Lohnarbeit oon EUnbern meiter
Hären unb oerarbeiten foll.
ftinber" unb Frauenarbeit in Tie Commission
superieure du Travail hat eben ihren Bericht über bie Anroenbung
beS ©efefteS oom 2. Aooember 1892, betr. bie Bcfcftäftigung oon
Etinbern unb Frauen in Fabrifen, für 1897 erftattet. Tetn ©c=
fefte unterftanben 290 305 Betriebe mit 2 591 288 Arbeitern, barunter
223 285 Knaben oon roeniger als 18 Sohlen, 210 182 Diäbdjeit
oon roeniger als 18 3al)ren, 600 408 minberjährige s JJtöbd)en unb
Fraueu unb 1 557 313 Biänner oon über IS Fahren. Tie Oie*
roerbe*3nfpeHoren haben 125 775 (EtabliffementS befucht. Ber*
hältniftmäftig am ftärfften ift bie Befchäftigung oon Etinbern unb
jugendlichen Berfonen in ben TepartcmentS, roo bie Seibeninbnftrie
betrieben mirb; in ben TepartcmentS ber Scoennen, Arbedje,
£>aute*Loire unb ©arb beträgt ber Bi'o^cntfaö über 50%, bod)
beträgt er auch ™ anberen TepartementS manchmal mehr als
300/^ Folge beS ©efefteS oon 1892 hat, bem Beridjte zufolge,
bie tägliche Arbeitszeit faft überall eine Aebuftion erfahren, bie in
manchen Fnbuftriezmeigen zwei Stunben beträgt; im Allgemeinen
mirb berichtet, fdjeint fich ber (Elfftuubentag überall einzubürgern,
ohne baft bie ArbeitSleiftung babureft oerringert morben ift: „3u
AmienS, Aoubaif, Tourcoing haben bie Fubnftriellen ben Fti*
fpeftoren erflärt, baft bie Brobuftion bcr Fabrifen feineSmegS
Zurücfgegatigen ift."
©egen bie Beteuerung frember Arbeiter in F™nfreith,
fie oon ftarf fchuftzöHtierijcheu unb nationaliftifdj*antifemitifchen
Teputirten angeregt mürbe (fiefte „Soziale B^is" biefes 3ah^ s
gangS Sp. 249 unb Sp. 386), menbet fid) ein Antrag ber
fozialiftifchen Abgeorbnetengruppc. Dh Iie bie Abfid)ten bcr ('•legen*
anträge bisfrebitiren zu moKen, erlenn^n bie fozialiftifchen Antrag*
fteHer in ber einfachen B r °hibition burch erhebliche Steuern einen
nur ungenügenben Schuft ber heimifch^u Arbeiter unb ein Ber*
fennen ber Sachlage. 2öaS ben fremben Arbeiter bem Unternehmer
in Franfreicft fo roerthooll mache, baS fei ber niebrige Lohn, ben
er forbert, ber auch ben Lohn für bie gefammte Arbeiterfcftafl
nieberhält. T)aS Bemebium liege barum im gefeftlicften Berbot,
I ben fremben Arbeiter billiger zu eitgagiren als ben einheimifeften.
Als EDtaftftab follen bie ortsüblichen Tagelöhne unb bie oon ben
©eroerffdjaften anerfannten Tarife genommen merben. Um aber
mit biefer gefeftlid)en ©arantie eines fyöfytrtn BtinbeftlohncS ben
fremben 3uzug nicht noch z u oerftärfen unb fo baS Uebel zu oer*
gröfterit, müffe ber B r °zentfaft ber fremben Arbeiter, bie jeber
Unternehmer engagiren barf, auf 10 limitirt merben. 3n ihrem
eiugereid)ten ©e|eftentmurfe fehen bie fozialiftifchen Abgeorbneten
©elbbuften oon 200 bis 1000 FrcS. oor.
Amfterbamer ArbcitSlofenftatiftil. 2Bie im 3ahrgang VII ber
„Sozialen BrayiS", 9?r. 26, Sp. 677, mitgetheilt ift, enthalten
bie ftatiftifchen Btonatshefte ber Stabt Amfterbam feit Anfang 1898
eine Arbcitslofenftatiftif ber 3i mtn erleute, ber Topographen, ber
Tiamantarbeiter unb ber Schiffsbauer. 3eftt oeroffentlidit bas
ftatiftifd)e Amt eine 3ahreSüberfid)t über bie ArbcitSlofigteit in
jeber Eßodie, mit einer Tabelle über bie SSirffamfeit ber ArbeitS*
börfe. Tie Statijtif bezieht fid) nur auf bie orgauifirten Arbeiter;
Anfangs mürben auch bie unorganifirten 3iuimerleute unb Tppo*
graphen bead)tet (bie Drganifation ber Tiamantarbeiter umfaftt
90% aller anroefenben), aber bei einer genauen Kontrolle im 3uni
ergab fich, baft oiele arbcitslofe 3inimerleute fich nicht bem Bor*
ftanb beS ArbeiteroereinS gemelbet hatten unb anbererfeitS, baft
oiele, bie nicht mehr arbeitslos maren, bieS ebenfalls zu melben
unterlaßen hatten, ©ine regelmäßige Beobachtung ber ArbeitS*
Iofigfeit unorganifirier Arbeiter hat fich alfo mieber einmal als
unthunlid) erroiefen.
Tie oerößen tlichten 3 a h^u betreffen etma 1000 3'uimerleute,
160 Sd)ißsbauer, runb 7500 Tiamantarbeiter unb 1750 Tppo*
graphen, zufammen 10 400 Arbeiter. Am geringften mar bie
ArbcitSlofigteit bei ben Topographen, beren Btayimum auf
ben 17. September ßel. Tie ArbcitSlofigteit bei ben 3iunnerleuten
fd)manftc zmifeften 1,<» % im Aoocmber unb 19,7 °/o am 19. Februar,
mobei zu bemerfen ift, baft oom 25. 3uni bis zum 13. Auguft ein
qrofter Streif ftattgefunben unb baft bie ElrönungSfeier aud) einen
©influft auSgeübt hat. TaS Btafimum ber ArbeitSlofigfeit bei ben
Schiffsbauern mar am 8. 3anuar (17,5%); am 2. 3uli gab es
gar feinen ArbeitSlofen in biefem ©emerbc. Tie ArbeitSlofigfeit
ber Tiamantarbeiter, beren Betrieb feftr unregelmäßig ift, erreichte
im Bfai ih^eit .?>öhepunft (18, s %), roaS mit beni fpanifch*
amerifanifcheu Elrieg in Bcrbinbuug fteht, am geringften mar fie
am 12. Aooember (1,3%). 3^u Allgemeinen ift alfo baS 3aft*
1898 nicht ungünftig gemefen. Außer ben 3i m merleuten haben
bie ArbeitSlofen oon ben Arbcitsbörfen nur fel)r geringen ©ebraueft
gemacht.
2Crlicilgrbcrticcbäii2ic.
Borfdjriften beS aBalzbrafjtfftnbifatS. Tie „Elölnifche BolfS*
Zeitung" macht aus bem Statut biefeS UntcrnehmeroerbanbeS
einige Btittheilungcn, bie bemeifen, mit meldjen Bütteln bie Käufer
oom Sijnbifate in Botmäftigfcit gehalten merben. So mirb u. A.
FolgenbcS uorgefihriebcn:
,,3)fit einem .Häuf uerpflidjten Sie fid;, im v 'siilaubc gezogene
Trähte nid)t unter einem greife ju oerfaufen, ber für Trakte oon
0,8 mm unb biefer minbefteus K) JL bie Jonuc Höher ift als ber jemeüige
5r 4 alzbral)tprei?. Tie Feftitcllung oon lleberpreifen für bünncrc Träl)tc
bleibt einem Sijnbifat für gezogene Trabte oorbeftalteu, beßen ;ßiftaube*
fommen mir mit allen niiv zu Wcbote [tebenbeu Bütteln fbrbcrn merben.
Sie übernehmen meiter bie Berpflidjtung, ben in ber Beilage genannten
Firmen, bie fid) mcigern, bem Berbanbe bcutfdjcr Trabtitiftfabrifeu bei*
zutreten, meber mittelbar uodj unmittelbar Trabt ober Trabtmaaren zu
liefern, unb mollen Sie uns obre auvbriirflidje Fuftiuimuug hierzu ge=
fälügft zugehen laßen. Für jebc Berleimug biefer Berpfliditung haben
Sie eine Bertragsfirafc oon lo J(, auf jebc Tonne bcr Abfdjliifjmenge
Zu zahlen; aufterbem geht uns für biefen Fall bas Aerfit zu, meitere
Lieferungen gdnzlidi einzuftelleu, alfo ben Aiiefftanb ans ben mit obucu
abgefdiloßeneu Lieferungsoerbinblidifeiten zu ftreidien."
Tein Stiftenfpnbifat gegenüber ift aber ber Mäufer ocrpflid)tet,
Trahtitifte nur oon B>crfcn zu beziehen, bie bem Berbanbe beutfd)er
Trahtftiftfabrifanten angehören. Bei Bezug oon Trabtftiftcu oon
Aidjtöcrbattbömerfcu hat bei* Abnehmer für bas auf ben laufenben
Soziale $rari$. Gentralblatt für Sojialpolitif. Ar. 17.
448
447
Abfcßluß Bezogene Duantujn eine Konoentionalftrafe von 3 . // .
für je 100 k# ju jaulen. 3)em Verbanbe fteßt eS frei, ben oer*
bleibenben Scßlußreft zu annuüiren. Aucß bjierburd^ wirb roitber
bargetßan, baß Säße oorfommen, wo bie Arbeiter nicßt arbeiten
fönnen, meil ißrern Arbeitgeber ber SRo^ftoff üorentßalten roirb,
roenn er nicßt bem 3u>uuge ft<ß fügen miß, einem Verbanbe beizu*
treten, beffen Vebingungen er nicßt fic^ unterroerfen gu fönnen glaubt.
@iatatcmnäf|ige AnSfpcrrung toegen ttttgefjorfamS AuS XuiU
fingen roirb berichtet: (Sine Arbeiterin erhielt biefer £age ibre
Entlaffung, unb bie übrigen Scßußfabrifanten erhielten zu gleicher
3eit nacßfolgenbe „Anzeige":
Anzeige, od) tßeile bierbureß höflicßft mit, baß bic.wegen
Wcborfamsomoctgernng cntlaffen roerben mußte unb bemnadj <> ltub 7
nuferer Soßungen ifjr gegenüber in Kraft treten.
9)?ecfjaiüfdjc Schuhfabrif.
■ ^ie §§. 6 unb 7 lauten, baß bie betroffene Arbeiterin roäbrenb
breier Monate oon feinem Sabrifanten beS AiugS meßr befefjäftigt
toerben barf.
Unternehmer nnb Arbeitcrfoalition. 2öie bie „Leipziger VolfS*
Zeitung" mittßeilt, bat bie „Aßgenteine Acett)len*©efeßfcßaft Vro*
metßeuS, ©efeflfcßaft mit befrfjr. Haftung" zu Leipzig in ihrer
ArbeitSorbnung, bie oom Aatß ber Stabt Leipzig gepnift unb für
Zuläffig befunben mürbe, unter §. 10 folgenbe Veftiinmung:
„Außer ben gefeßlicß uorgcftfjnebenen Entlaffuugsgrüubeu tft für
iuts§ itorf) ©runb jur fofortigen Entlaffung: Sie Mitglicbfcfjaft beim
Mctaflarbeiterocrbanbe unb bie Veiroohnung einer Versammlung t>eö=
felben."
S)iefe ArbeitSorbnung ift mit bem 1. Aooember 1898 in Straft
getreten. $)aß bie angeführte Veftiinmung oom Aatße ber Stabt
Leipzig genehmigt roerben fonnte, bemeift nur auf* Aeue fdjlagenb,
mit meid) ungleichemMaßeUnternehmer unb Arbeiter gemeffen merben.
^rbriterbrrorgung.
Loßn- nnb Streifbctoegiutg ber ÜRetaffarbciter 1898 . giir bie i
Metallarbeiter ift baS oerfloffeite 3aßr ein Kampfjaßr gemefett, ba !
nicht roeniger benn 183 Kouflifte mit Unternehmern oorfamen, |
barunter 59 Streite, 28 Lobnbcroeguitgcn, 10 Aitsfpernittgeu,
12 Sperren k. (Sin in bem Crgait bes Metaßarbeiter-Verbanbos,
ber „i)cutfcßen Metaßarbeiter*3citung", üeröffentlicßter Bericht führt
bie gegen baS Vorjahr zahlreicheren Konflifie auf bie fortbauentbe 1
Prosperität zurüdf. S>ie Arbeiter gingen in einer foldjen 3 C ^
häufiger in eigener Qnitiatioe oor unb mehrten fich außerbem auf
ber ganzen Linie gegen VerfcßledjterungSgelüfte ber Unternehmer,
vsn 25 Säßen ßabe es fich um Loßnrebuftionen, in 31 Süllen um
Maßregelung organifirter Arbeiter, in ben übrigen Süllen um
Lohnerhöhung, ArbeitSzeituerfürzung, Abfcßaffung Der Afforbarbeit
2C. geßaubelt. VcfoitberS benierfenSroertß finbet bet* Bericht bie
häufigen Loßnrebuftionen. Senn bas beim jeßigen giinitigen ©e*
fcßäftsgang paffire, roaS folle bann beim Ausbrud; einer ©efdjäfts*
frifiS ge|d)ehen? beinahe bie £mlftc ber Konflifte fei burd) Unter*
nehmet heroorgerufeu morben. Mandje Sortfdjritte in Vezug auf
ArbeitSzeitoerfiirzung unb Lohnerhöhung feien erzielt, in mandjen
Süßen fei bie 10*, 9 l J^ unb 9ftünbige Arbeitszeit erreicht morben.
Vei ben Konfliften feien faft aße Sfheile SDeutfcßlanbS betheiligt
gemefen.
Sie feierte ©eneralfeerfammlung be$ ©emerffeeremö ber Bicflkr
in Lippe tagte am 12. Qanuar in Setmolb. Anrocfenb mären
außer über 200 Mitgliebern mit berntßcnber Stimme 52 gcmähÜe
ftimmberechtigte Vertreter oon 30 üöezirfsoereinen (33 aus Lippe,
je einer aus ©eftfalen, ^rouinz .^aitnooer, Thüringen), (is
nahmen an ben üBerhanblungen Sl)cil ber lippifd)e Staatsminifler
o. Miefitfchccf, iliegierungsrath 43öhmer*Setntolb als Steßocrtrcter ber
fürftlidt)en Regierung, Sfegicrungs* nnb ülemerberath Stüther aus
Minben, Olemerbeinfpeftor Müller aus Linbcu. 3ü’glcr (fßerfaiup
aus Lage, ®efd)äftsfiihrer beS ©croerfoereinS, führte ben 3>orfiß
unb cröffnetc bie ^erfammluug mit einem §od) auf Maifer unb
Slegent. Sem 3>ereinsberid)t ift SolgenbeS z u entnehmen: Sic
3al;l ber Mitglieber flieg oon 2023 auf 3210, bie ber '^ezirfs*
oereine oon 71 auf 78. Sin Oiebiet ber Unterelbe ift bie oom
herein erreichte >5erab|efeung ber täglidien Arbeitszeit oon täglid)
IG Stuuben lohne bie Raufen) auf 11 Stuuben in biefer Oam =
pagne nidjt nur aufredit erhalten, fonberit es mirb für bie uddiite
(Campagne eine meitere .'oerabfcpnng burd) Verlängerung ber
Mittagspaufe um eine halbe Stunöe unter (Erhöhung ber Accorb*
preife um G % mit oorausfidjtlidjem (Srfolg angeftrebt. (Großen
Erfolg hat ber oom Verein gemährte StechtSfchuß gehabt bei Ve*
feßmerben, Älagefadjeit u. bgl. 41 iöe|d)merben megeit ungenügenber
9BohuungSoerhältniffe mürben faft bnreßgeheubs mit Erfolg ben
93el)örben übermittelt. Veflagt mirb, baß bie oon ber lippifchen
Regierung befürmorteten Anträge an ben VunbeSrath um meitere
Ansbehnung beS ArbeiterfchußeS für jugenbliche unb
Srauenarbett auf 3icgeleien bei ©rlaß ber neuen VunbeS*
rathSoerorbnung nur rcemg Üöeriicffidjtigung gefunben hätten. AuS
! ben Verhanblungen ift nad) bem „tjann. (fonr." SolgenbeS her*
| oorzuheben: 9?ad> eingeßenben Referaten über nothmenbige Ver*
befferungen in Vezug auf bie Arbeitsbebingungen mürben für bie
! oerfdjiebenen 3iegeleigcbiete Slommiffionen oon Vertrauensmännern
1 eingefeßt mit folgenben Vefugniffeu: Acßthabung auf Snneßaltung
| ber Arbeiterfd)ußgefeße, 3ufammetifchluß ber Meijter znr Erreichung
künftiger Siontraftabfcßlüffe für bie Eampagne, Vefämpfung un*
lauterer, bas ganze Okmerbe fdiäbigenber äoufurrenz bei Vemcrbung
um bie Meifterfteßen, roobureß am meiften ber Loßn gebrüeft roirb;
insbefonbere foßen bie für Stßeinlanb eingefeßten ^ommiffionett
Scßritte tßun, baß bie überaß zahlreichen, ja faft allgemeinen
Uebertretungen ber Arbeiterfd)ußgefeße in Vezug auf
Sonntagsruhe, Sraueit* unb ^inberarbeit u. bgl. feitenS ber
bortigeu hoßänbifcßen unb belgifdjen Segler zur Anzeige gebracht
roerben, meil bie aßgemein iibfidje Sßuorirung ber (Sefeße feitenS
ber ftoflänber unb Vclgier bie beutfdjcn 3j c ß^ er gurfiefbrängt. Ve*
j merfeuSmcrtß ift and) bie Annahme beS folgenben VefcßluffeS: „Sn
J Anbetracht beffen, baß ber VunbcSratb ber Petition beS Oleroerf*
oereins um ein Verbot ber zu ben fdjroerftcn, fittlicßen Vebcnfen Anlaß
gebenben meiblißen V3anbcrarbeit auf 3tegeleien bei Erlaß ber neuen
Verordnung nid)t cittfprod)en hat, befdjlicßt ber Olcmerfoereiit, baß
bie bem Verein angeßörenben Mciftcr im Sntereffc ber Sittlicßfeit
9Banberarbcitcrinncn fortan nicht befdjäftigen. 2)ie roid)tigften
Verßanblungen betrafen bie Errid)tung eines ArbeitSnacß*
meifeS, morüber Vaftor 3 c ife aus Sißmalenberg baS Referat
hielt. Sür baS 3i r n^rgemerbe ift bie Siegelung ber Steßenoer*
mittelung unb beS ÄrbeitsnacßroeifeS nod) bringenber als für anbere
Snbuftrien, meil Arbeitgeber unb Arbeitnehmer ortlid] oon ein*
auber getrennt fmb: bie jeßige Vermittelung ber Meifterfteßen bureß
Agenten giebt oiclfacß zu fißroeren Mißftäuben unb Klagen Anlaß;
Vcfißcr unb Arbeiter leiben unter bem Mangel eines geordneten
Aideitsnadnoeifes; feßr z» bebauern fei, baß ber Verfucß beS ©e*
merfocreins, ein 3ufammengcßen ber Drganifation ber 3tfgdei s
befißer nrib berjenigen ber 3ieglcr z u oeranlaffen, oorläufig ge-
feßeitert ift. Es mürbe bie Errichtung eines ÄrbeitsnacßroeifeS
mit ber Eentralfteße in Lippe unb Silialeit in Lippe, Reffen u. f. m.
befcßloffcn, aueß ein Statutenentrourf für ben 9iacßmeiS angenommen
unb eine Äommiffioit eingefeßt mit ber Vefugniß, ben ArbeitSnacß*
meiS noeß ux biefem hinter zu eröffnen.
3«r Vergarbetterbcmegung im Königreiche Shdifen. Am
15. Januar fanb in 3n3icfa’u eine große Versammlung beS 3toicfauer
SReoierS ftatt, in ber ber güßrer ber Vergarbeiter, SietchStagS-
abgeorbneter Hermann Sadjfe, über baS Xßema referirte: „S)ie
Lobnbcioegitng in ben Stoßlenreoieren, unb mie fteflen fieß bie
ßiefigen Vergiente bazu?" Eßarafteriftifd) für biefe Verfammlung
unb bie Stellung ber giißrcr mar oor Aßem, mie uns gefd)riebcn
mirb, bie Ablehnung jebeS ©ebanfenS an einen Streif;
bazu fei bie Crganifation nnb bie Kaffe oiel zu feßmaeß. Man
muffe besßalb llnbefonncnheiten zu oerhiiten fueßen: ,,^)ie §iß!öpfe
tooflen mir ganz gehörig bei ben Dßrcn neßmen, roenn fte über
ben Strang fcßlagen rnoßeit." 3m 3ufatnmcnßange bamit ftanb
eine feßarfe Verurthcilung beS VergarbeiterftreifS oom Sommer 1898.
3» biefent Sinne fprad) fid) uid)t nur ber SRefercnt, fonbern aße
Vebncr ohne Ausnahme aus. Vidjtsbeftomenigcr ßat man einige
Tvorberungeu formulirt, bie man auf frieblidjem VJcge zu erreichen
hofft; eine Lohnerhöhung oon minbeftenS 10% int Sd)id)tloßn
mie im ©ebingc, |ehiiftünbige Arbeitszeit (bie 3ioiifauer Verglcute
arbeiten troß bes 1889er Streifs aße mieber ^tuölf Stunben),
ßortfaß aller lleberftuubeu mtb SonntagSfd)idjten, mo fie nießt
liubebiitgt erforberlid) finb, Einführung oon Vabecinricßtungeit
(troßbem bas Köuiglidie Dberbergamt bie Einridjtuug folcßer feßon
oor längerer 3°it empfohlen ßat, befteljen fie nuferes VJiffeuS nur
bei einem Vierte im Veuier). Eine brcigliebrigc Mommiffion foß
biefe mudernngen zur Kcuutniß ber Unternehmer unb bes König*
lieben Cberbergamtes bringen.
^Ijättflfcit bcS Volfsburcnuö in Mmtd)C». Sav uou ben fatßolifcijeit
Arbciteroercinen gegnmbete Vollsbnreau, ber „Amoalt bes fleinen
-Viannes" in Mündjeu, hat im nerfloffenen V \alive 11 s:‘»3 münblidje unb
14 14 fdiriftlidje Ausfiinfte erthcilt, zaiammen al|o 13 277 Ausfünfte
gegen s 3sn im Vorjahre, ein ^»cidien, baß immer meitere .streife oon ben
449
Soziale $raji$. ©entral6Iatt für Sogialpolitif. 9h*. 17.
450
Vortfjeilen biefcr ©inrtrfjtung ©ebraud) machen. ©tngaben, Vittgefuche,
Veichroerben unb fonfttge Schriftftücfe rourben 2793 gefertigt, 3Bie be*
fannt, ertbcilt baS VolfSbureait Auffdjlüffe nur an SWitglieber, borf) ift
ber jährliche $?itglieb$beitrag fo gering angefe&t (auf 50 4, bie fidj
jeboch bei Vereinen, bie in corpore beitreten, je nach ber STOitgliebergaljl
biö auf 10 4 pro 3öb* unb SKitglieb ermäßigen), ba& auch ber 3J?inbeft-
bemittelte biefen Beitrag noch Ieiften fann.
©aligifcher ©ctoerffchnftSfongrcfi. Sn ber erften Sönuarroodje
tagte in Krafau eine Konfereng ber’gaiigifchen ©eroerffchöften, auf
bent ein näherer Anfchlufe an bie öfterreichifche Arbeiterorganifation
befchloffen rourbe. Me ©eroerffchaften finb banad) oerpflichtet,
binnen fürgefter $dt ben gefammtöfterreichifchen Verbättben bei*
gutreten, um ben Vtitgliebern eine Äeife* uttb ArbeitSlofen4lnter*
ftüfcung gu geroähren. $)ie Adgemeinen ©eroerffchaftsoereiue finb
gehalten, ihre Vtitglieber in ben betreffenbeit Verbäitben gu oer*
fithern. 3« (stamSlau, ^rgempöl, Semberg, Krafau roerben ßofal*
oerbänbe gebilbet. Sn allen Drtfchaften finb Vertrauensmänner gu
beftimmen. $ie ©entral * ©eroerffchaftsfommiffion in VMen roirb
aufgeforbert, im ©innernehmen mit ber £anbeSfommiffion ©alijienS '
unb Schlefiens ein monatliches ©eroertfchaftsblatt in polntfcher
«Sprache h^öuSgugeben. ro | r ^ obligatorift^ non allen
©eroerffchaften für alle SRitglieber abonnirt.
$ic cnglifchen ©ctuerfDereine im Saljre 1897. $aS ArbeitS*
amt beS Board cf Trade oeröffcntli^t einen Verist über bie
©eroerfoereine im Söhre 1897.*) Vkr geglaubt höt, bafe bie
mannigfachen VHberroärtigfeiten, bie ben ;£rabe UnionS in ben
lebten Söhren gugefto&en finb, einen Aücfqang ber Veroegung gur
3 folge höben roüroe, |öt ftch getäufcht. &ie amtliche ^ublifation
geigt nielmehr, ba& ein gorifchritt auf ber gangen Sinie ftattge*
funben §at. AflerbingS hat bie 3 a hl ber ©eroerfoereine, bie ©nbe
1897 mit 1787 angegeben roirb, ftch um 21 int Söhre 1897 ner*
minbert, hoch ift Die Urfache hieroon in ben meiften Säßen bie
Verfchmelgung groeier ober mehrerer Vereine gu einem, dagegen
ift bie 3ahl ber Vfitglieber im Saufe beS SöhreS DOn 1491007
auf 1609 909 geftiegen; baoon roarett 1 490 134 (93 °/ 0 ) Vtänner
unb 119 775 (7°,n) Srauen, biefe lefcteren gehören faft ansfd)ließ*
lieh ber Vaumrooflinbuftrie an. Aa<h einem UeDerfcfjlag gehören
etroa 7 000 000 erroachfette Arbeiter unb 1000 000 erroacfjfene
Arbeiterinnen ben ©eroerbett an, aus benen fich bas ©eroerfoereinS*
roefen refrutirt. $aoon ftnb 24o/ 0 ber männlichen unb 12 % ber
weiblichen Arbeiter organifirt in ©eroerfoereinen. Vebenft man
aber, bafe babei über 1 000 000 lanbroirtfjfchaftlicher Arbeiter unb
Sifther, oon benen nur 0,3 o / 0 organifirt finb, eingerechnet finb, [0
ftettt ftch für bie inbuftrieue Arbeiterbeoölferung baS Verhältnis
noch günftiger, nämlich bafe ein oolleS Vtertel ber mäitnlichen
Arbeiter ben Strabe UnionS angehört. $as SBachSthum ber ©e»
roerfoereine ift am ftärfften in ber ©ruppe ber Vtafchinen* uttb
Schiffsbauer*— alfo gerabe ber Snbuftrie mit bem fchärfften
Kampfe — im Vaugeroerbe unb bei beit ©ifenbahnern. Von ben
$)ocfarbeitern roerben 81000, allgemeine Arbeiter 200 000 als
©eroerfoereinler aufgeführt, dagegen finb bie organifirten lanb*
roirthfchaftlichen Arbeiter oon 37 000 im Söhre 1892 auf 4000
©nbe 1897 gefunfen. Ungefähr 693 000 Vtttgliebcr ber £rabe
UnionS gehören ,,©eroerbe*Verbänben" (Trade Councils) an; biefe
Drganifationett, beren es 151 giebt, finb aus Sofaloereinen unb
Vrandjengruppen gebilbet, ihr Sife finb tneift bie großen Stäbte
unb Snbuftnecentren. dagegen gehören 781 719 Vtitglieber gleich* j
falls gu ben 124 Verbänben oott ©eroerfoereinen, bie faft aue erft
feit 1888 entflanben ftnb. 5 mtf 58erbänbe ejiftiren ferner, bie
aus oerfchiebenen „©eroerbe*Verbänben" beftehen. ®ie ©ntroicfelung
geigt, bajj bie Sühlung ber eingelnen £rabe UnionS mit cinanber,
bie Longentration ber Kräfte immer roeitere gortfehritte machte. —
©ine Ueberfidjt ber ginangett aller ©eroerfoereine roirb nicht mit*
geteilt, roohl aber genaue Angaben über ©infommen, Ausgaben
unb Vermögen bei 100 ber größten, bie gufammen über eine
5Kiflion dRitglieber gählen. $>ie folgenbe fleitte Tabelle giebt über
bie finangielle Vofition biefer 100 $rabe UnionS oon 1892 1897
AuffdjluS.
3ahr
©itt nahmen
£
Ausgaben
£
Ver»tögeii*}tnnb
£
.IVitglieberg
1892 .
. 1 455 885
1 418 311
1 61S 790
. 1 1 -
903 9*1
1893 .
. 1 614 379
1 848 159
1 3*5 01 0
910 119
1S94 .
. 1 629 550
1 433 S67
1 5*0 693
924 5*4
1*95 .
1 557 667
1 390 717
1 747 643
914 76tl
1896 .
. 1 673 571
1 233 494
2 1*7 720
961 026
1897 .
. 1 981 971
1 SU6 072
2 273 619
1 059 609
*) Report on Trade Unions in 1897. wit 1» compurutive slutislics
ior 1892. Vrcis? 1 sh 4 1 /-* d.
2öaS bie Ausgaben betrifft, fo trifft baoon nur ein oerljältuiiV
mäfcig fleiner Sheil auf Streiffoften. SßeitauS bie grobe Viaffe
ber ätittel roirb für UitterftühungSgroede, für franfe, oerlebtc,
arbeitslofe, alte Vtitglieber, für Vegräbttibgelber, für VHttroen*
unb ©aifenhülfe oerroenbet. Natürlich erforbert auch ber grobe
VerroaltungSapparat oiele iloften. Sn roelcher SBeife fich biefe
brei Voftcn oertheilen, erhellt aus folgenben Angaben über jene
100 £rabe UnionS, bie fich öuf bie 6 Söh« oon 1892—1897
begiehen:
Ausgaben: oirfamnttbetrag in T: ^rogemual.
Stretfgeloei* . . . . 2 171 271 23 1 (S
llnterftüjjungen. . . 5 46C 903 5‘) '/•_>
Verroaltmtgsfüften. . 1 582 446 17
9 220 620 100
Von ben 9 V 4 VUHionen Vfunb finb alfo roäbrenb ber fed)|
Sahre, bie groei ber geroaltigften Streifs ($ohlenarbeiter 1893 unb
Viafchinenbauer 1897) gebracht höben, runb ö 1 /^ VUfliottcn
(= 110 Vtiüionen Vtarf) für Unterftüfcung ber VUtglieber auS=
gegeben toorben. V3er bie ^rabe UnionS „ÄichtS=alSsStreifoereine"
nennt, beroeift alfo nur, bab er roenig oon ihnen roeib- S)ie3Kit*
liebSbeüräae ber eingelneu ©eroerfoereine finb febr oerfd}iebcn,
er ^urchfepnitt beträgt im Söhf 32 < (f, baS Vermögen pro Mopf
43 , 1f. — Seit 1897 h fl t bie ©eroerffchaftsberoegung roeitere
Sortfchritte gemacht, fo bab ber Vtitglieberftanb heute, nach Auf*
nähme ber SBalifer Vergleute in bie Miners’ Federation, runb
1% SKißionen betragen mag. — So fteßt bie Drganifatioit ber
Arbeiter in ©nglanb heute eine V?a<ht bar, bie in ihrer ©efatnmte
heit nicht mehr gu erfchiittern ift.
Arbeitöfämpfe in ©nglanb 1898. iBie bie fiage 1897 burd)
ben groben Vfafthmenbauerfampf beherrf^t rourbe, fo im Söhre
1898 burch ben langen AuSftanb im SBalifer Kohlenbergbau. Von
ben 674 neuen Arbeitsftreitigfeiten mit 246 540 Arbeitern unb
14 564 000 oerlorenen Sagrocrfen roar im Sönuar 1898 noch ber
Vtafchinenbauerftreif in Vetracht gu giehen, ber burch ben ^riebens*
fchlufe 00 m 28. Sönuar beenbet rourbe. Sfebruar unb Vtärg roaren
oerhältnibmäbia ruhig, aber geitig im April begann ber Streif
oon 100 000 ^Bergleuten in Süb*V3aleS unb Vtonmouthfhire, ber
bis gum September bauerte. Auf ihn allein fotnmen 10 900 0:40
Sagroerf an oerlorener ArbeitSlciftung, breimal fo oiel als auf
alle anberen Streifs unb AuSfperrungen gufammen. Aur groei
AuSftänbe finb aufjer ihm noch bemerfenSroerth, ber oon 24 000
Vergleuten in Sdjottlanb unb ber oon 6100 Vauinrooßarbeitern
in 4)erbpfhire, beibe aber bauerten nur je brei Sage. Von beit
übrigen 671 Arbeitsfämpfen betrafen nicht roeniger als 434 roeniger
als je 100 Arbeiter. „Sonach erheflt — fo bemerft ber amtliche
Vericht beS .g»atibels* unb ©croerbeminifteriuntS — bafe bie große
Aiehrgahl ber ArbeitSfämpfe im 3öh r ^ 1898, roie gewöhnlich, fehr
geringfügig roar." ^)ie 3obl ber im ^?aufe beS Söh^S in ArbeitS*
fämpfe oerflochtenen V c ^fonen betrug roeniger als 5 % ber ge*
fammten in ben betreffen ben 3»buftriert bcfchäftiijtcu Arbeiter.
AderbingS ftieg im Kohlenbergbau ber ^rogeutfab bis auf 21, im
Vaugeroerbe, in ber Vietall* unb ber Xertilinbuftrie roar er bagegen
nur 2 %, in ber VefleibungS*, £>olg*, ©las*, Ühoit* uttb djemifcheu
Snbuftrie fanf er auf V 2 0 /o- 553 öS bie Urfadjen ber Streifs be=
trifft, fo roaren es in 87 gälten unter je 100 Sohnfragen, nid)t
gang 3 famett auf bie Arbeitsgeit. Aad) ber 3°hl ber Sä Ile be=
rechnet, roar ber AuSgang in gleich oiel fällen bett Arbeitgebern
roie ben Arbeitern güuftig, nach ber 3 a h)I ber Streifenben aber
unterlagen bie Arbeiter mit 56, r> % unb fiegten nur mit 24 /} () o
Vergleiche rourben itt 30, 0 % aller ^äde gefchloffen, fie betrafen
15,8% öder ftreifenben Arbeiter.
Schmafthiuen itnb Vmhbrucfer in ©nglanb. Sn Angelegenheit
ber ©infiihruttg oon Sebutafdiinen höben bie organifirten Vnri)=
bruefer in ©ttglanb einen entfd)icbcnen ©rfolg errungen. Sm Xc=
gentber fattt auf einer gu Vtoucftefter abgchaltcnen Konfcreitg gtoifdiett
ber „Linotype Users’ Association of Great Britain u uttb ber
.,Tvpoprapliical Association“ folgenbe auf ©nglanb uttb Sd)OtU
lanb fich begiehenbe Abmadjuug guftaitbc: Arbeiter an ber Seßi
ntafcfjtne erhalten 12 1 /-j °/ n höhere als bie itt ber bctrcüenben Stabt
geltcnben Sejjerlöhue. L Sie Arbeitsgeit ber Viafdiinenfeocr beträgt
48 Stunben in ber Viodje bei 2ages=, 11 Stunbeu bei Aad)tarbeit.
An Sebmafchtncn biirfett ausfd)licßlid) Aiitglieber ber Vudibriufer*
organifation bcfdjäftigt roerben. Lehrlinge foüert nidtt länger als
brei Vionate bei ben Sepmafdjiitcit befdiäftigt roerben, bod) lies
gu ben geroöhnlid)cn ^otnifäpeu: bagegeit barf immer mir ein
Lehrling auf brei Viafdiinen entfallen ober 100 nur eine 2 er,
mcifd)iite ftcl)t, barf ber Vcbrliug bloß ben britten Shell ber Au
beitsgeit bei* Viafdjittc biefe bebietteu.
451
Soziale VrariS. dentralblatt für So 3 talpolittf. Br. 17.
452
Heimarbeit ber $iauiautarbeitcr in Arofterbam. Bton febreibt
un§: Schon feit langer 3eit bemüht fief) ber ‘Siamantarbeiteroerein
in Atnfteibam ber Heimarbeit, bie befonbers non ben Stein*
febneibern, barunter nieten jungen Bcäbdjen, getrieben mirb, ein
dnbe 311 machen, benn bie Heimarbeiter, bie fidi jeber SfrmtroÜirung
ber ArbcitSgeit eutgieben, finb eben biejenigen, roeldje nicht Btit*
glieber beS 90% ber ^iamantarbeiter itmfaffcnben BereinS roerben
motten, binberit aud) bie Ausführung bes oon bem Diamant*
arbeiterfongreffc gefaßten BcfcbluffcS, bie Lehrlinge aus bem Be*
triebe gu entfernen (ogt. „Soziale ^rayis", 3af)rg. VII, Sp. 148).
^ie Arbeitgeber geben ben Biäbcbcn gern Arbeit, ba fie fid) oon
ihren Keinen Brübertt unb Sdimefteru tjelfen taffen unb einen
nichtigeren Lohn oertangen, als bie anberen Arbeiter, fomic außer*
bem bie 3 a ^. kr Arbeiter unoerbältnißmäßig ocrmetjren burd) baS
Herangehen ihrer Familie. SDer Arbeiterocrein oertangt baber,
baß bie Arbeitgeber bie Steine nur in Sßerfftätten fcfjneibcn taffen
unb mar mit ihnen barüber in Berbanblungen getreten. 2 >er
Arbeitgeberoerein t)at jebod) jeßt einftimmig fcefd)töffen, bie Auf*
tjebung ber H c .iniarbeit nid)t förbern 311 motten, unb fo ftebt
mieber ein Streit in ber $>iamantinbuftrie 311 ermarten.
din außerorbentlirfjer Kongreß frangöfffdjer difcnbafjnarkitcr
fanb am 20 . unb 21 . Fanuar in Baris ftatt. BMe befannt, trat
biefe Tagung oon 2)elegirten bcS großen ©eroerffdjaftSocrbanbeS
-Syndicat National des travailleurs des chemins de fer de France
et des Colonies 1 * nur gufammen, um über bie burd) ben miß*
lungenen AuSftanbSoerfud) 00 m Oftober 0 . geraffene Situation
3 U beratben. 2)er bisherige BcrroaItungSauSfd)uß unb ber ©eneral*
fefretär, bie auf bem testen regelmäßigen Föbresfongrcß im April
0 . 3- bie Bollmacbt erbalten bitten, ben Streif 3 U organifiren,
batten nad) feinem Feb 4 <hfogen ihre dntlaffung eingereidjt. ^cr
Kongreß gab inbeffen mit allen gegen 3 Stimmen ber bisherigen
BerbanbSldtinig ein Bertranensootum unb mät)tte, um ben difen*
babngefetlfcbaften eines ber H^uptargumente für ihre Berroeigerung
jcglidjer lluterbanblung mit bem ©eroerffcbaftSucrbanb 3 U nehmen,
nur Angehörige beS mirflidjen ^ienfteS in beit BermaltuiigSauS*
fchußjoie in bie Slontrolfommiffion. Aus bem oötligen Biißerfolg
bes StreifoerfucbeS mar eine innere drfebütterung beS BerbanbeS
gurücfgcbltekit. Bam entlieh bie ^etegirteu oon ben Staatseifen*
bahnen fuebten fitf) eine 00 m deutralocrbanbe unabhängige AftionS*
fpbäre 311 fidjern, um fclbftänbig unb unmittelbar mit ber Sircftion
ber Staatsbabneu oerbanbeln 311 fönnen. tiefem Bedangen gegen*
über fpracb fid) ber Kongreß jebod) für eine Aufredjtedjaltung' ber !
alten Organifation aus. 3 u feiner Sdjlußrefolution betonte ber
Kongreß, baß bie dreigniffe ber jüngften Vergangenheit bie Sage I
bcS ©erocrffdjaftSocrbanbeS nid)t oeränbern fonnten unb beauftragte
ben neuen AuSfdjuß, fid) in erftcr Linie mit ber Lohnerhöhung
ber fteinen Bebienfteten unb ber BenfionSfrage 311 kräftigen.
^rbnterfrijub.
Vermehrung ber ©ftoerkauffidjtSkamten in Brcußeiu And)
bem dtat ber HanbelS* unb ©eroerkoerroaltung für 1899 füllen
bie (^emerbe*3nfpeftorft_etten um fieben oermebrt merben. Sed)S
baoon finb _ beftimmt für bisher nur auftragSmcife befd)äftigte
©eroerk*3nfpeftoren unb eine für einen bem Begierungs* unb
^eroerberathe in Berlin bci 3 ugebenben befonberen gemerbetedjnifchen
HülfSarbeiter. £er Fon Ns sur Bemuncrirmig ber nidjt feft ange*
ftettteu Beamten ber ©crocrk*3ufpeftiou ift tim 36 000,// erhöbt
morben. 3% ben Begienuigskgideit Bksbam, Breslau, Licgriip,
HilbeSheim, Stabe, Bfinbcu unb Jrier fotl je eine neue onipeftion
eingerichtet, im ^öe^irf Arnsberg bie Fntpdlionokgide 3ferlobn,
Hagen 1111 b Bodjum h je 3 mei Jnfpeftioneu gcrlegt merben. Sie
t')erocrbe*3nfpeftion Stettin II folt einem befonberen 3ufpeftor
nnterftcllt merben.
©ctterkaufftrfjt unb toet&Hdje 9JbittcISperfoncn in ©erlin. lieber
bieSl)ätigfeit ber Berliner Biittelsperfonen groifdjeii Arbeiterinnen unb
Sabrifinfpeftion bringt bie Arbeiterinnen*3eituug „Sie OHeidibeit"
einen bie 3 eit oon Vcitte OJt'ai bis (fnbe Sepenibel 0 . 3 - umfaßen*
ben Veridjjt. Sie ^öiittetsperfouen, ad)t an ber ,1a 1)1, fnngiren feit
Atittc OJtai 1898 (nidjt feit 1. v sanuar b. 3^- erit, mie es fiii^Iid)
irrtbümlid) in biefen Vlättern f)i°H) in ben ocrfd)icbeueu Stabt*
ttjcilen VedinS. Sie liaben eigene Spredjftuubcn emgerid)tet, in
benen ebcnfo^ mie im (kmerffdjaftsbnrean ber berliner (>lemerf*
fdjaftsfouunifiion Vefcbmcrben ber Arbeiterinnen entgegen genommen
unb ber 7yabrifi 11 fp»efti 011 übermittelt merben. S'ie Viftänbigen Oie*
merbe* 3 n|peftoreu haben fid) bereit erflärt, über jebe oon Mittels*
perfonen ihnen übergebene ©efchmerbe Unterfu^ungen an^uftetlen
unb, fooiel in ihren Htäften liegt, bie Uebelftänbe befeitigen 3 U
helfen, dagegen lehnen fie es ab, ber Hebermittterin ber ©e*
fchmerbe AuSfunft über bie ftattgebabte SReoifion 3 U geben, ba eine
fotche s jDiittbeiIuncj über ihre Vefugniffe hinauSgelje. 2)ie Mittels*
perfonen miiffen tid) atfo megen ber Abtjülfe feibft erfunbigen. 3n
bem oben angegebenen 3 e itraum finb bei ben 3)titteISperfonen im
Olafen 31 Vefcbmerben, gumeift über fcbled)te fanitäre Vefchaffen*
heit ber Arbeitsräume, angebracht morben. dS mirb in bem Vericht
heroorgeboben, ba| bie Arbeiterinnen über ihre SRedjte faft gar
nicht unterrichtet feien unb bafe fie aus furcht oor dntlaffnng Ve*
fdjrocrben fdjeuten. Um bie Arbeiterinnen über bie ihnen aus ben
Arbeiterfdjubgefeßen 3 uilehenben SRechte auf 3 uflären, mollen bie
3JfitteIsperfonen Flugblätter ertaffen. — SDie „feuggtg." (9?r. 36)
erflärt, bas dntgegenfornmen ber ©emerbeaufüd)tsbeamten liege
groeifelloS mit in ihrer Aufgabe. ÜRur fei 3 U bebauern, bafe biefer
VermittcIungSbicnft in bie Haube ber Sogialbemofratie falle: „ds
märe 311 münfehen, bafe man auch ' m bürgerlichen Greifen fid) in
ähnlicher SBeife ber Arbeiterinnen annäbnte unb ficb beren Vcr*
trauen 311 ermerben fudfjte. O^ncbicö ift bie dinfefcung meiblicher
©emerbe*Auffid)tSbeamten bereits angeregt unb in Siibbeutfchlanb
fchon oerein 3 elt eingefübrt; eS fönnte alfo garnid[)tS fchaben, menn
fid) auf biefe Vkife ein freimilliger meiblicher Auffichtsbienft heraus*
bilbete."
Attmrtfung für bie ©etocrbeinfpeftorcit in ©at| ct1l ‘
nifterium hat ben £reiSreaierungen eine dntfchliefeung gugehen
laffen, roonach bie $hätigfeit ber ©emerbeaufficht auf folgenbe
fünfte gelenft mirb: ^er SBerfehr ber Beamten mit Arbeitgebern
unb Arbeitern ift roeiter 311 pflegen, namentlid) foU auch ben Ar*
beiterinnen ©elegenheit gegeben merben, ©üttfehe unb Vefdjioerben
ben rceiblichen Hülfobcamten ber ©emerbcaufficht Dorgutragen. ^ie
jährliche SReoifion bat minbeftcnS bie Hälfte ber fabrifmäßigen unb
ber über 5 Arbeiter befdjäftigenben banbmerfmäßigen betriebe 311
umfaßen: in ben Aufficbtsbegirfen mit aufeergemöhnlid) gablreichen
banbmerfmäßigen betrieben ift jährlich minbeftcnS bie Hälfte ber
mit ÜRotoren arbeitenben gu oifitiren. $)ie beibeit roeiblichen
HülfSbeamten, benen als Hauptaufgabe bie SReoifion ber betriebe
mit auSfdjlicßlicb ober oormiegenb meiblicher Arbeiterfd)aft gu*
gemiefen ift, merben fiinftig and) 3 ur ^eoiiton anberer betriebe,
in benen Arbeiterinnen in geringerer 3 a hl unb jugenblidje Arbeiter
befdjäftigt merben, unb gur Beobachtung unb drhebung ber Ber*
öältniffc in ber HauSinbuftrie herangegogen, foroie bei ben im
lanfcnbcn 3abre oorguneljmenben drmittclungen über bie Befcbäfti*
gung ber Frauen in ansgebebntem Btaße oerroenbet. 2)er lieber*
madjimg ber Bcfcbäftigung oon Stinbcrn unb ber Bcfeitigung ber
fid) hierbei geigenbeu IRißftänbe ift fortgefefcte Aufmerffamfcit gu*
gumenben, namentlich ift auf bie italienifcbcn jugenblid)eu Arbeiter
in 3iegeleieit befonbcreS Augenmerf gu ridjten. Für bas 3al) r 1899
finb bie Spegiafcrfjebungen für baS Sibmiebebanbroerf gu pflegen.
Für eine mirffamere Haitbljabung ber Sdjußoorfdjriften im Bau*
geroerbe ift Sorge gu tragen. Alle auf Bcfchaffung groerfmäßiger
unb biüiger Arbeitermobnnugen gerichteten Befircbuitgen füllen
auf’s ilräftigfte nuterftiißt merben.
Schuh für Bauarbeiter in Augsburg. 3)er Augsburger
IRagiftrat ift oon ber ^Regierung oon Sdjmabeu auf Reifung bcS
bai)erifd)en BtinifteriumS bes 3unern I)iit aufgeforbert morben,
ortspoligeilidje Borfdiriften gu erlaffen, gum 3 l uecf ber Unfall*
oerhütuug bei Bauten unter Bcfeitigung oon Btißftänbcn im Bau*
geroerbe, ©cforbert mürben Borfcbriften barüber, baß bei AuS*
fübruiig oon Arbeiten im 3ancrn eines AcubaueS gur SiuterSgeit
2:büren unb Fcnfteröffiuiugen menigfteuS prooiforifch oerfd)loffeit
merben miiffeu, ferner, baß in Siämncn, in benen offene Roljlcn*
ober doafsfeuer flohen, nidjt gearbeitet merben bürfe, baß fotefte
Bäume oon anberen Bäumen, in benen gearbeitet mirb, abge*
fdjloffen fein nuiffeu unb nur oon perfonen, bie bie Finnig
bebicucn, betreten merben biirfen: fdjließlid) mirb geforbert, baß bet
Bauten Aborte für beibe ©efdjleditcr unb lluterfunftSräume an*
gebradjt merben. £cr Bia g ift rat bat inbeffen biefer Aufforberung
bes BiiiiifteriumS nirf)t in oollem Umfange entfprodien.
©cfcülidjc Einführung beS elfftünbigeu SWajimal-ArbeitStageS
in Jyrnnfreich mirb burd) einen Antrag ber 2)eputirten Loper unb
Bogeg ©egenftanb parlamcutarifdjer Berbanbliiugett merben. Qi e
Antragfteller erflären fid) im ^ringip für baS 3 ’ebnftünbtge gefeb*
lidjc Biarimum unb befürmorteu baS elfftüubigc nur als lieber*
gangsmaßregel. _^er erftrebte gcfeßlidie Sd)iiß foU allen Arbeitern,
| and) beit ermadifenen mätinlidien, 311 Ibcil merben. Bcmerft mag
i merben, baß ein Xefret ber prooiforifdjen Begicrnng oon 1848,
4r>:>
baS meßr als 3 wölfftünbige Befcßäftigung oerbietet, nodj in
Geltung fteßt.
Befonbercr gefeßfitßer Stßuß ber icKner itt SJrattfretd) wirb
bur<ß eineft oon fogialiftifdjen 2 lbgeorbneten geteilten Antrag in
ber ‘beputirtcnfammer angeftrebt. S)er Antrag ftellt ficf> bar als
ein birefteS Ergebniß ber Bewegung unter ben ^Sartfer HeHnern,
oon ber wir in „ 0 O 3 iale BraftS" 9fr. 7 Sp. 173 b. 33. berichtet
l)aben. $>er Antrag, ber übrigens auch in ber Ießten Degislatur-
periobe einen Vorgänger batte, ©erbietet einfad^ jebe Abgabe ber
Kellner an ben Unternebmer, unter welchem Xitel unb welcher Be-
grünbung fie in ben ArbeitSocrtrag eingefüßrt werben mag ober
tonnte, unb fefet 0trafen bis 311 200 3rcS. auf Hontraoentionen.
^rbcUcmrrndjernng. öpathaflen.
OrtSfranfeufaffcn, ftaffettOorffönbc unb SdpebSgericßtf*
2 Bir erhalten aus Sranffurt a. Bf. oon einem angefeßeneu
Sabrifanten, $)errn BÖ- $er 3 - s DfillS, Borftanb ber fyranffurter
Scßuhfabrif 21-©. norm. Otto §er^ & (So., eine 3ufcßrift, ber wir
mit ber Erflärung Baum geben, baß unfer ÜBIatt auch einer Er*
mibernng offen ftebt. $>er Einfenber, ber feit 2 l /2 Sabren beut
Borftanbe ber Allgemeinen DrtSfranfenfaffe angebört, fchreibt uns
golgenbeS:
$ie Ausführungen beS Borfißenben ber Snoalibitäts- unb
AlterSoerficberungSanftalt Berlin über bie Berfcßme^ung oon
Hranfen- unb SaoalibitätSoerficßerung (ogl. 9fr. 14 ber „Sozialen
BnpriS") haben in allen beteiligten Greifen berechtigtes Auffeßeit
ßeroorgerufen. $er Xabel, ber barin über bie feitberige Drgani-
fation ber Hranfenfaffen auSgcfprochen wirb, ift allerbings oon
einer großen politifcßen 3 e ü un 9 (ber „Öranffnrter 3 e üung") miß*
billigt worben.*) 3a ber ^auptfaeße ftüßt fich aber ber Artifel
biefeS Blattes auf bie lofalen Berhältniffe, fo baß ein Unein¬
geweihter bie Qfranffurter DrtSfranfenfaffe als leuchtenbes Beifpiel
ber Drganifation biafteKen fönnte. (iS bürfte baber intereffant
fein, barauf biasuweifen, baß bie Qranffurter DrtSfranfenfaffe
feßwere Kämpfe bureßgemaeßt bat, ehe fie 31 t ihrer gegenwärtigen
Entroicfelnng gelangt ift. 0o lange bie organifirten Arbeiter ber
DrtSfranfenfaffe unfputpathifcß gegeniiberftanben, war bie Ber-
waltung 1)kt eine nabe 3 U rein perfönlicße, unb 3 war beS Bor¬
fißenben. $)ie übrigen BorftanbSmitglieber, gleichviel ob Arbeit¬
geber ober Arbeitnehmer, fcßloffen fich m ©roßen unb ©an^en ben
Borfcßlägen beS Borfißenben an, ber 3 war mit großem-<5leißc unb
mit Dpferwilligftit, jeboeß Ieiber ohne finanzielle (Erfolge bie ©e-
febäfte leitete. 3m 3<*h rc 1895 farn auch bei ber Sranffurter DrtS¬
franfenfaffe bie „Sturm- unb $)rang 3 eit". $aS fozialbemofratifche
©ewerffcßaftSfartell, unterftüßt burch bie außerordentlich ungünftige
ginan 3 lage ber Haffe, unternahm einen regelrechten Anlauf gegen
bie Berwaltung unb erlangte bie Bfajorität im Borftanb burch
gwölf Haffemnitglieber, bie alle ber fo 3 ialbcmofratifcßsgerocrffd)aft-
Iicßen Drganifation angebörten, wäbrenb bie fed)S 2lrbeitgeber unter
ben fchwterigften Bcrbältniffen ihres Amtes walteten.
Als im $erbfte 1896 gelegentlich ber Stabtocrorbnctenwaßl
eine 9 foti 3 burch bie Blätter ging, wonach bie Einführung ber
freien A^iwaßl unb anbere organifatorifche Berbefferungen mit
bem Hinweis auf ben ausschließlich fo 3 ialbemofratifcßen
Eßarafter ber Berwaltung fommentirt würben, entftanb unter ben
Arbeitgebermitgliebern teS BorftaubeS eine berechtigte Entrüftnng,
bie nach vielen unb heftigen Erörterungen 3 um enbgültigen 21 us-
feßeiben ber Arbeitgeber aus bem Borftanb bergranf-
furter DrtSfra nfenf affe führte. Sed)S BJocßen laig bauerte
biefer 3 uftanb. 3)a oerfammelten fich abermals bie Arbeitgeber,
unb es gelang ihnen, feeßs Betbeiligte 3 U oeranlaffen, in bem Bor-
ftanbe ber DrtSfranfenfaffe Blaß 3 U nehmen. Es fann nun allerbings
nid)t beftritten werben, baß bie 2 lrbeitgeber wäbrenb eines 3 eit-
raumS oon 2 l /-2 3ab ren troß ihrer Minorität einen maß-
gebenben Einfluß auf bie Haffengefcßäfte gehabt haben,
unb eine Bfajorifirung burch bie gewerffd)aftlid) organifirten
Haffenmitglieber nid)t oorgefommen ift. Beibc Xf)eile haben es
oeritanben, burch gegenfeitigeS BSoßlwoIIeu praftifche Erfolge 311
erzielen. 00 oerbanfen wir biefer BerwaltungSperiobc neben ber
Abschaffung beS HlebefpftemS bie 2luSbebnung ber Hranfenunter-
ftüöung auf 60% beS burchfchnittlichcn XageSoerbietifteS wäbrenb
*) Dr. ^rcunb hat in ber ran filtrier äeitung" 9?r. 17 eine Etü
wibernng oeröffentlichh bie feine früher in ben „^renfvtfrfjen ^ahr*
büdhern" unb jept in ber „Skalen ^raris" publi^irten Anlichten nodj-
malö furz jufammenfaht unb erläutert. 2ic Acbaftioji.
ir.l
26 Blochen, bie Berminberung ber Harer^eit oon 3 auf 2 Sage,
bie Ermäßigung ber Beiträge oon 3 1 /-.» auf 3 74 %, ein obligatori-
fcbeS Sterbegelb für grauen unb Hinber beS Berficherten, unb
enblich bie Einführung beS proportionalen BkihlfpftemS für bie
EleneraloerfammlungSoertreter.
Aus biefem oereinselten BerwaltungSfall jeboch allgemeine
Schlußfolgerungen 3 U 3 tehen, bürfte nicht angehen; im ©ro|en unb
©an 3 en ift bie feitberige Drganifation ber Mranfenfaffe
(% 2lrbeitnehmer, V 3 Arbeitgeber) unbebingt fozialpolitifch
311 oerwerfen. 3roar werben bie Arbeiter felbft bis aufs Aeußerfte
fämpfen unb gerne ben hoppelten Antheil an ber Hranfenoerfiche-
rung tragen, nur um bie Btajorität in ber Berwaltung 5 U behalten.
AnbererfeitS bürften geliube barüber entitehen, ob bie
Arbeitgeber ohne Breiteres in eine gleiche Steilung ber Beiträge
willigen fönnten, ba an unb für fich gerabe bie Hranfenoerficherung
bie erheblichften Saften für bie Unternehmer unb eine auf Rarität
ber Beiträge berußenbe Erhöhung berfelben bei oielen 3nbuftrieen
immerhin eine ©efährbung ber Monfurrenjfähigteit gegen¬
über bem 2luSlanb mit fich bringt. Bei ber Hranfenoerficherung
hat ber Unternehmer einen mehrfachen Schaben; er jahlt bem ge-
funben 2 lrbetter einen Xh^ü ber Berfidjcrung, oerltert aber bei
eintreteuber Hranfheit oftmals eine geübte unb leistungsfähige
Hraft unb muß folcße bei längerer HranfheitSbauer burch eine un-
gefdjulte ArbeitSfraft erfeßen, bie ihm abermals einen Beitrag sur
Hranfenoerfichernng foftet; im 3noalibitätSfade hingegen fteht bent
Unternehmer bie 2lrbeitSfraft fo wie fo nicht 3 ur Berfügung, unb
er hat mithin weber mit einem 2lusfall noch mit einem Erfaß ber
betreffenben 2lrbeitSfraft 3 U redhnen.
4)er ©ebanfe, ben Borfiß ber Berwaltung burch eine un-
pa_rteiifd)e $crfott befeßen 3 U laffen, bürfte in ben Greifen ber
Haffenmitglieber befonberS unfpmpathifch berühren, ©egenwärtig
ift es Sacße ber 2luffichtSbehörbe, ben jeweiligen Sißungen beS
BorftaubeS an 3 uwof)nen unb etwaigen Ungefeßlichfeiten in ben Be-
fcßlüffen entgegen 3 uwir!en; im Uebrigen aber bleibt bie Selbft-
oerwaltung unb barnit auch ArbeitSfreubc ber Haffenoorftänbe
beftehen.
Bun aber haben bie SRemfd^eiber Borgänge gezeigt, baß es
3 wifd)eu Aer 3 ten unb ben Haffenoorftänbcn 3 U Monfhften fommeu
faitn, welche bie Auffid;tsbehörbe mangels geeigneter gefeßlidjer
Bestimmungen nicht 3 U fdjlicßten oermag. Es bleibe bapingeftellt,
ob bie Bemfd)eiber Aeqte bureß if>re SolibaritätSerflärung unb
ben Streif ihrem Stanbe eine befonbere SSohltßat erwies'en haben,
ba fcßließlid) biefes Borgehen recht wohl mit einem Streif gewerb¬
licher Arbeiter oerglichen werben fann. Smtnerßin ift es ißflicßt
ber ©efeßgebung, bie flergte gegen unoerbiente Bfaßregelung
ber Haffeitoorftänbe 3 U fü)üßen. s Dtan mag erwibern, baß ein
Haffenoorftanb nicht leichten §er 3 enS einen berufenen Berlreter ber
2Siffenfchaft auSftößt; allein bie Bebenfen, welche bie 9temfcheiber
Borgärtgc in allen betheiligten Streifen, wie aud) jüngft bei bem
königlich Säihfifdjen Bteb^inalfollegium h e raorgerufen haben,
müffen über fui ‘3 ober lang boeß 3 u einer S^eoifloit beS Hranfen-
oerfidjcruugSgefeßeS führen. Ee* ließe fid) fyin oielleicßt auf bem
B5cge eines Scßiebsgerichts, welches paritätifcß aus Haffcnmit-
gliebern, Arbeitgebern unb Aerzten 3 ufammengcfeßt ift unb oon
einem dichter präfibirt ift, eine ernfte Streitfrage in gleicher BJeife
löfen, wie bieS bei Xifferenzen 3 wifchen gewerblichen Arbeitern unb
Unternehmern gefeßieht.
Aud) bie Beamten erstreben eine größere Unabhängigfeit oon
ben Majoritäten ber Haffenoorftänbe. ^er Beweis bürfte nidht
feßwer 3 U erbringen Sein, baß gerabe bie Beamten am meisten unter
ben gegenwärtigen BerwaltungSoerhältniffen 3 U leiben haben, ob¬
wohl aueß bas Seitherige Spftem geniigenb Bcifpiele aufweift, um
mand)e Bebenfen ber .siaffeubcamten 311 wiberlegen. So ift 3 . B.
bei ber Jvranffurter Crtsfranfcnfaffe Borfcßrift, baß fein Beamter
mit einer längeren HiinbigungSfrift als brei Bfonate angeftettt
wirb, unb boeß ßat fuß auf biefe Bkife ber Bureauoorfteher troß
ber oielen Btetamorpßofen ber Berwaltung bas Bertrauen ber
f äm m 11id) en feit 13 Salden amtirenben St a f f e n o 0 r ftä n b e 311
erhalten oerftanben. 3 mmerßin aber lehrt bie i^rapis, baß für bie
'Beamten ber Drtsfranfenfaffen gleichfalls gcfeßlidie Bestimmungen
notmenbig werben, bie bei ernsteren Monfliften eine frieblicße Üöfiuig
ber Differenzen herbei 3 iifüßren oermögen. Aucß bafxir mag ber
©ebanfe eines ScßiebSgcricßts in Erwägung 311 ziehen fein.
Aranffurt a. Bf. B b. v» e r 3 - Bi i 11 *.
Unfattüerßütnitß in Dcfterreicß. 3Me öiterreidiifdje Regierung
ßat eine fpe 3 tellc Unfallocrhütungs-Moinmifiiou gefcßaffcii, in ber
nidjt bloß BerwaltungSbeamte unb Xedjnifcr, fouberu aud) ilnter-
riv>iale Braris. Eentmlülatt fiir r o.üalpolitif. 2fr. 17.
4'.:» Soginle $vayi$. deiifralhlatt fiir Soginlpolitif. Ar. 17. 4T.r»
nehnter unb Arbeiter Siß unb Stimme erhalten füllen. Siefe
Kommiffion foll namentlich bei ber in Vorbereitung befinblicßen
Reform beS llnfaEfoerficßerungSgefeßcS gur Mitarbeiterfcßaft heran*
gegogeit roerbcit, inbem bie bei ber llnfaHoerhütung gemalten dr*
faßrungen fobifigirt roerbeu füllen.
Vopfottirong toan Apotßcfer tmrd> Arbeitcrfranfenfaffen. Seit
langer ^eit bereite führen bie Miener Traufenfaffen Klage über bie
hülfen greife, bie fie ben Apotßefen für Mebifamente gaßlen muffen.
Sa aber nunmehr bie Apotßefen bie ben Staffen gewährten Ve*
güuftigungcn gum Sßeil nod; eingefeßränft fabelt, ift ber Verbanb
ber gcno|fenfdhaftlid)eu tfranfenfaffen mit einer Vopfottirung ber
betreffenben Apotßefen — eS finb bieS meßr als bie Hälfte ber
in Mien beftchcuben 105 Apotßefen — oorgegangen. liefen Apo*
tßefen ging feiteuS beS VerbanbeS bie Verftänbigung 311 , baß auf
Vedjtiung beS VerbanbeS gelieferte Mebifamente üon ber VerbanbS*
faffc nid)t meßr ßonorirt merben.
^rbcitsnadjniete.
Ser ArbeitSttacßroeiS ber Vrauereien in Berlin unb feine ©efcßidjte.
dine Verfammlung beS berliner VraugeroerbeS, roie fie in ber
©efcßidjte ber Arbeiterberoegung eingig bafteßt, fanb am 15. Sannau
in bem großen Saale ber Vrauerei ßriebricßsßain ftatt. Saufenbe oon
Vrauereiarbeitern ftanben Kopf an Kopf gebrängt, mährenb am
VorftanbStifcße Vertreter ber oerfeßiebenen Vrauereien Vlaß ge*
nommen Ratten. ds ßanbeltc fid) «m Vefcßlußfaffung über
Aenberung beS Statuts beS ArbeitSnacßroeifeS, roelcßer befanntlidj
beim Abfcßluß beS großen VierfrtegeS dnbe 1894 begrünbet mürbe.
Sen Vorfiß in ber Verfammlung führte ber Dbmaun bes Kura*
toriumS Dr. jur. 5' re unb. dr erläuterte bie Aenberungen ber
Saßnngen, roelcße 3 ur Vefeitignng ein 3 elner Mißftänbe beitragen
unb bie bisher bureß ben auf gleichmäßiger ©runblage
organifirten ArbeitSnacßmeiS gefeftigten guten Ve*
Ziehungen groifeßen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer noch
meiter ftärfen mürben. 9?adj fur^er Vefprechung erfolgte bie
Annahme fämmtlicßer Aenberungen in Vaufcß unb Vogen unter
lautem Veifatl. hierauf erhob fich Kornmergienratß Aoeficfe unb
brüefte feine Vefriebigung über ben Verlauf ber Verfammlung aus;
bie Aenberungen gereichten ben Arbeitern gum Vortheil, aber auch
ben Arbeitgebern nidjt jum Vacßtßeil. Auf beiben Seiten fei mau
fich entgegengefommen, unb nur burd) folcßeS dntgegenfomuien
fönnten Kämpfe oermieben merben. So merbe ber ArbeitS*
nadjroeis ein £>ort beS griebens fein. 3 u *n Schluß banfte
Herr Aoeficfe bem Dbntann, H errn Dr. Sreunb, für feine laug*
jährige ßingebungSooüe Sßätigfeit unb forberte bie Verfammlung
auf, fich 311 m 3 c id) en bcS SanfeS oort ben Päßen S u erheben.
Ser Verlauf ber Verfammlung gab ein glän^ettbeS 3eugniß oon
ben mohlthätigen Mirfungen beS 3”f^^enarbeitcuS oon Arbeit*
gebern uitb Arbeitnehmern in ben parüätifcß organifirten ArbeitS*
nachroeifen.
So ein Vcricht in ber SageSpreffe, hoffen Vicßtigfeit uns gu*
ftänbigerfeits betätigt mirb. Ser ohnehin bebeutfame Vorgang
erhält aber noch ein befonbcreS ©epräge, menn mir bie Vor*
gefcßidjte betrad)ten. Schon feit 1890 hat ein ähnlicher Arbeite
uadjroeis für baS Verliner Vraugeroerbe beftanbeit. 9?ach 23 e*
enbigung beS bamaligcn Streifs unb Vopfotts mar unter
AocfirfeS Leitung ein entfprecßenbeS Statut mit ben Arbeitern oer*
einbart rcorben,* baS unmittelbar barauf in Kraft trat, aber an
bem Mangel litt, baß an ber Spiße beS ben ArbeitSnacßmeiS
iibermachenbcn Kuratoriums fein Unparteiifcßer ftanb. Sie
Kämpfe um ben Vorfiß unb bie über baS berechtigte 9Jtaß hinaus*
gehenben Jorberungcn unb Srohungen ber Arbeiter oeranlaßten
ben Verein ber Vrauereien im 3^h re 1892, baS Statut felbftänbig
ab. 3 uänbern unb für fieß nidjt nur ben Vorfiß, fonbern auch beffen
Stcfloertretung in Atifprud) 3 U nehmen. Vci Veginn beS großen
Vopfotte im S^hve 1894 (15. Viai) mürbe biefer bis baßin be*
ftanbene, immerhin nod) auf paritätifeßer (9runbtage infofern
bernbenbe Arbeitsnacßrocis, als ebenfooici Arbeiter roie Arbeitgeber
im Kuratorium faßen, aufgelöft, 11 m eine Viaffe in bem begonnenen
Kampf itt Rauben 31 t haben. Als itad) fiebenmonatlidjer Sauer
biefes Kampfes auf beiben Seiten baS Vebiirfniß nad) ^rieben fid)
gcltenb maeßte, nercinbarte ber Verein ber Vrauereien mit Selegirteu
beS nidjtfo^ialbemofratifdieit Verliner Vrauergcfellen*VereiuS ein
neues ArbeitSnacßroeiSftatut, melcßeS als (Kruublage fiir bie benor*
ftebenben m*iebenSoerhanblungen benußt merben füllte. Veoor
biefe ihren Anfang nahmen, oerfidjerten fid) bie Vertreter ber
Arbeitgeber beS VeiftanbeS beS Dr. Sreunb, ber auf Anfrage fid)
bereit erflärte, als unparteiifcher Dbmann beS Kuratoriums 3 U
fungiren. Am 24. Se 3 ember 1894 fam ber griebenSfcßluß gu
Staube; ber erfte ißunft ber Vereinbarung betraf be« ArbeitS*
naeßroeis, ber feßon am 1. Sanuar inS Seben treten foHte. Aber
es beburfte tnaneßer biplomatifcßer Vlittel, um bie beiben Parteien
gur 9tatißfation beS neuen Statuts gu bemegen. Sie Arbeitgeber
ftanben bem ArbeitSnacßmeiS in feiner neuen ©eftalt mit Veforgniß
gegenüber, roeil fie ein SRacßtmittel aus ber £>anb gu geben
füreßteten. Sie Arbeiter ßatten ißn groar guoor angeftrebt, hielten
ißn aber jeßt für ungenügenb unb ißnen abträglicß. Auf beiben
Seiten gelang es nur mit Vtüße, baS Mißtrauen foroeit gu be*
fiegen, oaß ber ArbeitSnacßmeiS auf ber neuen ©runblage —
paritätifcß mit unparteiifeßem Dbmann — ins Seben trat.
Unb nun oergleicße man mit biefen Vorgängen bie obige
Scßitberung! Dßne dinmirfung oon Außen ßaben jeßt bie Arbeit*
geber mit allen gegen eine Stimme bie Aenberungen beS Statuts
bemilligt, mit £>urraß haben bie Arbeiter gugeftimmt. Ser Scßlüffel
ßiergu liegt in ber Sßatfacße, baß eben beibe Sßeile in ben oer*
floffenen oier Saßren an fieß erfahren ßaben, mie gut fie fieß bei
biefer dinrießtung fteßen. Sic ©ef^id^te beS ArbeitSnacßroeifeS
für baS Vraugemerbe in Verlin beroeift unroiberleglicß, baß gerabe
bie Snftitution beS ArbeitSnacßroeifeS fieß immer oon feuern als
ein gmeifcßneibigeS Kampf* unb Machtmittel, aber gualeicß aueß als
ein fegenSreicßeS 2öer!geug für ben fogialen grieben_ be*
roäßren fann — je naeßbem ber ArbeitSnacßmeiS auSgeftaltet
unb geßanbßabt mirb. öoffentlicß ßnben biefe Vorgänge im
AeicßStag bei Veratßung beS Antrages auf gefeßlicße drrießtung
gemeinbfießer ArbeiiSnacßroeife bei ben Abgeorbneten unb am
VunbeSratßStifcß bie gebüßrenbe Veacßtung.
€tjicl)ung trab ßtlbtrag.
Hebet VolfSßanSßaltntigSffßnlen.
diner ber roießtigften ßortfeßritte auf bem ©ebiete ber Önmen*
ergießung ift bie drrießtung oon |>auSßaltungSfcßulen für bie
$öd)ter ber ärmeren Klaffen. AHermärtS in Seutfcßlanb ßat fieß
bie llebergeugung Vaßn gebroeßen, baß eS nießt nur ein Vebürfniß,
fonbern eine groingenbe ^otßroenbigfeit geroorben ift, ßauSmirtß*
fcßaftlicßen Unterricht gu ertßeilen: man miü beffere Hausfrauen,
tücßtigere Sienftboten babureß ftßaffen. Vor allen Singen miü
man aber bie ßäuSlicßen Verßältniffe ber Arbeiter oerbeffern, inbem
ißnen Hausfrauen ergogen merben, bie mit befeßränften Mitteln
gute unb fräftige Aaßrung bereiten !önnen, bie gelernt ßaben mit
©elb unb ©ut fparfam umgugeßen! bie ißre Hausfrauenarbeit gern
oerrießten, roeil fie fie oerfteßen unb bem Manne AbenbS, menn er
mübe oon ber Arbeit ßeimlommt, ein freunblicßeS ©efießt geigen
merben, nid)t niebergebrüeft oon einer ArbeitSlaft, ber fie fieß nießt
aeroaeßfen fiißlen. Sie merben, menn fie für ißren Veruf auSge*
bilbet finb, im Haufe gern eine geroiffe Veßaglicßfeit oerbreiten, bie
eine 5rau, aueß in flemen Verßältniiieu, ergielen !ann bureß Sorg-
famfeit unb Verftänbitiß für bie drforberniffe beS HauSßaltS. dS
unterliegt feinem 3 rce if c ^ ^ a ß ein ßößerer Öoßn bie Sage ber Ar*
beiter nur bann gu heben oermag, meint ini H fl ufe baS einge*
nommene ©elb aueß richtig oermertßet mirb. Seiber ift bieS aber,
roie Seber meiß, ber fieß mit Armenangelegenßeiten befcßäftiat ßat,
nießt ßäufig ber 3faH; meiftenS feßlt ber 3rau oollftänbig bie lieber*
fid)t über $reis unb ©iite ber ÜBaare, aueß bie Kenntniß beS
AäßrmertßeS ber Speifen. Sie folgt ber alten Srabition: baS gu
bereiten, maS am bequemften ift, roie Kartoffeln, H er iug, Kaffee,
Vutterbrob. Mer bie Kontrole über eine HauSßaltungSfcßule gu
füßren ßat, meiß gang genau, mit raelcß altoäterifcßen Anfcßauunaen
bie Mäbcßen gur Änftalt fommen, roie feßmierig eS ift, ißre Ve*
riffe über bie Micßtigfeit ber drnäßruna gu Hären. Unb boeß ift
aS förperlicße ©ebeißen oon Mann uno Kinb in bie Hanb ber
grau gelegt; bem 3uföü bleibt eS meift überlaffen, ob fie biefen
Artfprücßen genügt.
Soll ba »©anbei gefeßaffen merben, fo miiffen bie Mäbcßen
frjftematifcßen Unterricht in ber MirtßfcßaftSfüßrung erßalten. dine
Aeiße oon Seßrfurfen finb in Seutfdßlanb gu biefem 3 roe ^ e iu s
gerichtet morben; aber über ißre befte AuSgeftaitung, über bie
möglidjft praftifeße drreid)ung beS oorgefeßten 3^ e§ / 9 ?ßen bie
Meinuiigcu naeß oerfdiiebeneit Seiten auSeinanber. Mäßrenb bie
Anhänger ber einen Änficßt ben rcirtßfcßaftlid)en Unterricht in bie
Volfsfcßulc oerlegcn rooüeu, feßen bie Vertreter ber anberen Mei*
nung ben eingig richtigen Meg in ber drrießtung folcßer felbft*
ftäubiger HauShaltungSfcßulen, melcße bie Mäbcßen naeß abge*
457
@osiale ^rajte. ©entralblatt für ©ogialpolitif. Nr. 1".
458
laufener ©tulgeit aufnehmen, fic bafür aber in aßen 3meigen ber
Haushaltung unterweift. ©eben wir gu, weite non beiben ©in*
rid)tungen baS 3 ^ tüchtige Räbchen auSgubilben, am grünblid)ften
erreicht, unb bei weiter auch ber ibeefle duften eines ergiebigen
©influffeS auf Äopf unb £>erg am ftärfften ift.
Vielfach finb bie Neftoren ber Bolfsfdjulen um ihre Slnfitt
in biefer ©adje befragt worben; bie Berftiebenheit ihres Urteils
hat wohl ihren ©runb barin, bah fie niej^t bie guftänbige Autorität
gur Beantwortung ber Srage finb: ob bie ©rwerbung wirthftaft*
lieber Äenntniffe einmal wöchentlich, oerbunben mit praftifter
Uebung, oon ©tulfinbern geleiftet werben fann. ®iefe fragen
fönnen hoch nur tüchtige Hausfrauen beantworten, welche eine er**
fahrungSmäfcige lleberficht über bie Äenntniffe auf hau^roirthfc^aft*
tichem ©ebiete haben, eine Ueberfitt, welche ben SNännern ooß*
ftänbig fremb ift. S)ie Neftoren fönnen hoch nur im ©tanbe
fein gu beurteilen, welche UnterrichtSgegenftänbe eingufchränfen
finb gu ©unften ber $otftnle, benn felbft bie Beauffittigung ber
Sehrerinnen ift für fie eine Unmöglichfeit.
$)er hauSwirlhftaftlite Unterricht ber ©djulftnber ift natur*
gernäfi ein an 3eit unb Sehrftoff befchränfter, er wirb entweber
(wie in Gaffel, ©hemnifc) wöchentlich einmal Vormittags, unter
Äürgung beS 3eitnen* unb §>anbarbettöunterridhts, ober an gmei
ftulfreien Nachmittagen (Karlsruhe, 3micfau) einer Slngahl oon
©chiilerinnen ertheilt. $>aS einzige, ihm gefteefte Sehrgiel ift baS
Wochen, oerbunben mit theorettfdjer Unterweifung; S)ie ©dhul*
finber lernen währenb eines 3ahreS, in 40—80 ©tulftunben,
©uppen, wie auch einfache ©emüfe mitgleifch foten; fiebefommen
©inficht in bie theoretifchen Sfenntniffe unb in bie Bereitung unb ben
Nährwerth ber ©peifen: aber fie lernen weber baS Söafihen
noch baS Vlatten ber B$äfte, noch baS fo wichtige SluSbeffern
gebrauchter BSäfte unb Kleiber, ebenfowenig werben fie im Neinigen
ber 3immer unterwiefen. 3n aßen biefen Sehrgegenftänben ift
weber 3 e it noch auSreithenbe ftörperfraft ber ©cfiulfinber oor*
hanben, fie ftehen in ben beiben oberften klaffen ber BolfSftule
in bem wichtigsten ©tabium ihrer geiftigen unb förperliten ©nt*
wicflung, in bem naturgemäß ihre Seiftungsfähigfeit h^abgefe^t
wirb, oft bis gur ©chlatfheit. Slufierbem finb fie burch ben fton*
firmationSunterricht ftarf in Slnfpruch genommen unb baS mit
ooßem Nett: benn er foß ihnen für bas gange Seben eine Sorbe*
rung ihrer HergenSbilbung unb ifireS religiöfen ©inneS geben.
©efien wir uns nun ben Unterricht in einer, nur für ftul*
entlaffene 9Räbtf)en eingerichteten HauShaltungSfchule an, wie fie
u. a. in Seipgig befteht. 2>ie Ntäbten finb bort fünf £age in ber
SBoche täglich oier bis fünf ©tunben beschäftigt; fie lernen ungefähr
60 einfache ©eriefite fochen, beren Bereitungsweife fie in ein Buch
eintragen nebft Angabe ber ftoften für bie 3nthaten. ©ie müffen
ferner ©peifegettel für mehrere SBochen anfertigen, wobei baS aus*
jugebenbe ©elb nicht überfchritten werben barf; fie lernen alfo nach
ben Berhältniffen fich einrichten, lernen berechnen, wie bie theurern
©peifen fich am ©nbe ber 28ote mit ben bißigeren auSgleiten.
©ie lernen, oont Seuermaten an, aße ©eftäfte, welche bie Be*
forgung ber Stüte mit fit bringt unb werben gur größten ©auber*
feit im Neinhalten ber ©efäße unb beS gußbobenS angehalten.
Sußerbetn müffen fie waften, plätten (aut ©lärfwäfte, wie ©ar*
binen unb Borfiembten) unb bie 3imraer ber Sehrerinnen reinigen.
©S wirb ferner großes ©ewitt gelegt auf bie im Haushalt fo
wittige föenntniß beS ©rßaltenS oon Btöfte unb ÄleibungSftücfen;
bie SRäbten lernen beshalb grünblit baS ©topfen unb ^liefen
an alten, gebrautten ©tüdfen, wie baS gu einer fparfamen HauS*
frau gehört.
BSenn wir nun nat biefer Xarfteßung ber beiben ©pfteme
beS bauSwirtbftaftlit cn Unterritts eine Hausfrau fragen, oon
weiter ©attung oon ©tülerinnen fie einen $)ienftboten entnehmen
mötte: auS bem BoIfSftulunterricht, in bem bie ÄHnber an gwei
Natmittagen wötentlit, unb nur im $fr>ten unterrittet werben,
ober aus Der Sehranftalt für ftulentlaffene NRäbten, bie währenb
eines halben SahreS in fünf ©tunben täglit, mit aßen 3meicjen
ber HauSwirthftaft befannt unb oertraut gemacht würben unb ihr
ganges Sntereffe unoerfürgt burt anbere Slnfprüte bem Unterritt
ooß guwenben fonnten? ©S wirb wohl Niemaub zweifelhaft fein,
wie bie Antwort ber Hausfrau auf biefe Stage ausfaßen wirb;
fie wirb baS beffer ausgebilbete Ntäbten oorgiehen.
©in praftifteS Nefultat hat alfo bie Verlegung bes roirth*
ftaftliten Unterritts in bie BolfSftule nitt gu oergeitnen, benn es
wirb baburt ber 3me<f nitt erreicht, bie Götter für ben H a uS*
frauenberuf oollfommen ausgubilbeu. — B$ie fiefit es nun mit bem
ibeeßen ©rfolg auS, bem ergiehlit en ©influß, ben jebe S»genb*
bilbung aufweifen muß, aut menn fie praftifihen ^^ielen bient?
Söährenb in ber ©tulgeit ber öinfiufi auf bie Äinber burt ben
wirthftaftlit^u Sehrftoff feine Steigerung erfahren wirb, ift ber*
felbe in ber Slnftalt ein fehr ftarfer. ®enn bie SBirthftaftSftuIe
ergieht ihre 3äglinge burt bie praftifte Xhätigfeit gur Vfiitl^cue
aut im kleinen, ba jebe Unattfamfeit unb Natläffigfeit fofort
fit burt üble ^folgen rätt- tiefer ©influfi wirft um fo nat*
haltiger, als er burt bie Sehrerinnen täglich ausgeübt wirb unb
in einem Sllter, in bem bie SNäbten not f c h r cinbruefsfähig unb
bot feine $inber mehr finb.
$)er einzige Nu|en beS Unterritts in ber BolfSftule liegt
barin, baft er obligatorift ift unb baburt oielen gu ©ute fommt.
^Iber aut biefer Bortheil ift nur ein fteinbarer; ober foßte eS
mirflit ein Borgug fein, oielen SUnbern eine ungureitenbe 2luS*
bilbung gu geben, weil bie 3eit für eine grünblite nitt auSreitt?
Söir meinen, nein! baS oerführt gur Halbheit bes SBiffenS unb gur
©elbftüberftäfcung: bie ftinber glauben, fertige Sttenftboten ju fein
unb in einen $)ienft treten gu fönnen; babei werben ©efinbe unb
Herrftaften aeftabigt. ©0 ift bie Trennung oon ©tulunterritt
unb Berufsbildung bei ben Ntäbten, wie bei ben Knaben, bot ^°S
Nittige. 2)enn wenn bie 3ahl ber ©tunben für ben wirthftaft*
Uten Sehrftoff eine auSreitenbe fein foß, mufi ber wiffenftaftliche
Unterritt ftarf oerfürgt werben; es ift aber ein grofieS Unrett,
ben armen SNäbcben ihre fargen BilbungSqueßen not W be*
ftränfen, während eS ihnen in ihrem fpäteren Seben faum mög*
iit ift, baS Berfäumte natguholen! 0ft fäßt ber S^tnemmter*
rid)t gum Dpfer, unb baS ift eine ungerette Berfürgung, benn er
förbert, aufier ber fehr wünftenSwerthen Sförberung ber H fl nb*
eftieflitfeit, ben ibeeßen ©influfi eines belferen BerftänbniffeS
eS ©tönen, baS oon früh an 3ebem gugänglit gematt werben
foßte. können Unterrid)tSftunben entbehrt werben, wie es nat
bem' Urteil einiger Neftoren ben Sin ft ein hat, fo gewähre man
ben $inbern lieber 3eit gu förperliten Uebungen ober gum Sefen
guter ©triften, weite aufflärenb unb erweitemb auf bie Begriffs*
weit ber töinber wirfen.
Bor aßen Gingen aber inufi baS ^ringip anerfannt werben,
bafi bie Ntäbten baffelbe Nett auf eine tütrtge BerufSbilbung
haben, wie bie £naben, unb gwar ebenfaßs nad) beenbigter ©tul*
geit. ©0 wenig eS einem Neftor ber Änabenftule in ben ©inn
fommen würbe, einen Steil beS Schrftoffes gu beftränfen, um
bafür ben Unterritt im ©tneibern unb ©tuftern an bie ©tefie
gu fefeen, foßte man aut ben ßftäbchen bie SluSnüfcung ihrer ©tul*
unb. Äinbergeit gönnen, wie fit ia iefet überaß baS Beftreben
geltenb matt, bie Sfinberarbeit gu beftränfen. ©enn bagegen ein*
gewenbet wirb, bafi ber N?ann fit für feinen Beruf oiel grünb*
fiter oorbereiten müffe, weil auf ihm fpäter bie ©rhaltung ber
gamilie lafte, fo überfieht man, bafi, wenn bie 3rau nitt gelernt
hat, bem Hausftanb gut oorguftehen, mit bem ©elbe auSjufommen,
in weifer ©parfamfeit baS ©rworbene gu erhalten, fie Den SNann
an ber gwecfmäfiigen SebenShaltung ber gamilie hmbert, ftatt ihm
gu helfen, ©in Seber oon uns, ber fit um baS BolfSmohl
fümmert, weifi, wie nur gu oft bie Unfähigfeit ber 3frau, einen
Haushalt fparfam gu führen, ben häuSliten grieben in ©efahr
bringt. Xrofe ber wichtigen ©teßung, weite bie 2frau im wirth-
ftaftliten Seben einnimmt, befteht not oielfat bei ben Ntännern
ber ©laube, ber Beruf einer Örau liege fit fo nebenher, gelegent*
lit, erwerben, fei eS als Hausfrau ober als $>ienenbe. ®aS mag
früher gegolten haben, bagu ift aber unfer heutiges Seben oiel gu
fompligirt geworben. H e nt mufi Seber, 9Rann ober grau, mit
^enntniffen wohl auSgerüftet, an feiner ©teße ftehen, ben Stampf
mit bem $)afein aufgunefimen. ©erabe biejenigen, bie fit gegen
bie oergröfierte ©rwerbsthätigfcü ber Öniuen wenben, foßten mit
aßer straft auf eine grünblite ©rgiehuna fürs H ou ^ eintreten.
Sluf aßen ©ebieten bes ©rwerbs wirb geflagt, bafi bie 0frauen bie
Vreife brüefen: fie werben aber nicht ftledfier begahlt, weil fie
§rauen finb, fonbern weil meiftentheilS ihre Arbeit minberwerthiger
ift, als bie ber ßRänner; unb fie ift minberwerthiger, weil fie in
gu furger Sehrgeit erlernt werben mufcte.
©in fernerer Natteil für bie jungen Ntäbten entfteht, wenn
ber fo wittige HauShaltungSunterritt gum Slnhängfel ber Bolfs*
ftule gemaebt wirb, baburt, bafc fie gu früh, 9^t nat ber
©tule, in baS Berufsleben eintreten; wie oiele Shnber finb aber
in biefem Sllter geiftig unb förperlit not S u nnreif, gu unent*
wicfelt, um ben Nnfprüt^n einer H err fth a ft genügen gu fönnen!
3a, fie ftäbigen fit häufig für baS gange Seben burt ftmere
Arbeit, bie in ben Safireu ©ift für ben weiblit?n Körper i|t. ©s
foßte, umgefehrt, auf bie Biütter belehrenb eiitgewirft werben, bamit
bie ©rwerbsthätigfeit ber Xotter uid)t in ein gu frühes s JUter oei^
legt wirb, wo ber Körper not Stonung oerlangt, fonbern biefe
459
460
<SostaIc prägt«. ©entralblatt für Sogialpolttif. Rr. 17.
Satyre lieber gum ßeruen oerroenbet werben, (litt Satyr, felbft ein
tyalbe« Satyr wirttyfctyaftlictyer STtyätigfeit wirb, bei guter Staft, fräf*
tigenb unb ftärfenb auf bie tyalberroattyfeneu $inber wirfen.
Ractybem wir alle bie Unguträglictyfeiten, ja, Sctyäblictyfeiten in«
Auge gefaxt tyabeu, welctye bic Verquicfung gwifctyen Sctyul* unb
Verufabtlbung in ficty trägt, eutftetyt bie grage, wo ift bie rictytige
/glätte für bie ©rltyeilung wirttyfctyaftlidjen Ünterrictyte« ? $)iefe
Stätte ift einzig itnb allein bie gortbilbungSfctyule. Sie letyrt
bic tyauptfäctylütyften ©rwerbagweige bergrau; unbegreiflictyer 2öeife
ift aber bi« jetyt ba« wirttyfdjaftlictye ©ebict, troty feiner großen
Vcbeutung unb Ausbetyuung, baoon auSgefctyloffen. 2)ie jetyigen,
mcift au« ^rioatwotylttyätigfeit gegrünbeten £>auStyaltung«fctyülen
finb nictyt au«retctyenb; fie finb nur Pioniere auf biefem gelbe ber
VolfSergietyung, um welctye ficty ba« ©nbe unfere« Satyrtyunbcrt« fo
gro&e Verbienfte erworben tyat. §offentücty fotntnen bie ©rfatyrungen,
welctye biefe prioatanftalten gefatnmelt tyaben, halb einem Unter«
riebt gu ©ute, eingefügt in ben £etyrplan ber gortbilbungSfctyule,
geleitet unb beauffictytigt oon guten ßetyrerinneit unb Hausfrauen.
Sft bann biefer llnterrictyt obligatorifcty unb bie Verbreitung wirtty*
fctyaftlictyer Kenntniffe eine allgemeine, bann.werben aHntätylicty bie
Klagen über gunetymenbe ©ntwerttyuug be« gatnilienlebenS ner*
ftutnmen; gern wirb ber Arbeiter im aut geleiteten Haufe ben
Abenb oerleben, wo aucty bie §au«frau frötyluty ift, weil fie bie
ut erlernte Arbeit leictyt unb nictyt au« Unfenntnife mütyfelig noA*
ractyt tyat.
• Stn ©inoerftänbnity mit nieten tüctyrtgen Hausfrauen wenben
wir un« be&tyalb an bie Ieitenben Greife, nor Allem an bie ftäbti*
fetyen Sctyulbctyörben unb an ben fo tyeroorrageub werfttyätigen
„Verein für ba« beutfdje gortbilbnngSfctyuImefen" mit ber bringen«
ben Vitte, biefer Seite ber VJäbctyenergietyung ityre rege Aufnterf*
famfeit gu fetyenfen, bie fie burcty ityre Söidjtigfeit im Staat«Ieben
nollauf oerbient. $)enn e« ift eine Sactye non tiefgetyenbem ©in»
flufe auf bie SRation, bafe bie gufünftigen SRütter für ityren §au««
frauenberuf burcty grünblictye Untenneifung gefetyieft aemactyt werben
unb nictyt burcty tyalbe Vtaferegetn gur g>albtyeit unb feberfläctylictyfeit
be« SBiffen« gefütyrt werben, wie ba« burcty ben faft fpielenben,
gang ungutänglictyen Unterrictyt wätyrenb ber Sctyutgeit gefctyietyt.
Rur bann werben wir ba« gamilienrootyl be« Volte« wirffam
forbern, wenn wir itym gu oerbefferten ßotynnertyältniffen aucty
$öctyter unb £>au«frauen au«bilben, bic btefen Öotyn rictytig gu ner®
werttyen wiffen.
£eipgig. grau ßottc VHitbfctyeib.
$«S granenftabimn im ReutySta|r. Vei ber gweiten ßefung
be« ©tat« tut ReictyStage fnüpften an bie Vefprectyung ber Aufgaben
be« ReictySamtS be« Snnern eine Reitye non Rebnern ber ner«
fetyiebenften ^Parteien bie grauenforberungeit an, wie bie toeiblictye
gabrifinfpeftion, wetblittye Aergte, Veffcrftellung ber Xeleptyoniftinnen
u. f. w. $)er $ofpitant ber nationalliberalen Partei, Vring H^u™*)
oon Sctyoenaicty«©aroIatty, ber ficty neben bem freifinnigen Slbgeorb«
neten Sctyraber am eingetyenbften in biefe grogen nertiefte unb
neben ber Vorbilbung ber grau für ben Veruf im Haufe burcty
ffocty*, $au«tyaltung«fctyulen :c. bie Rottywenbigfcit betonte, ben
grauen ben 3 u 9 a ng sum Stubium gu erleichtern, rief bie ©r«
flärung be« StaatSfefretärS ©rafen non PofabowSfp tyernor, bie
grage ber 3ulaffung non grauen gum ärgtlictyen, gatynärgtlictyen
unb ptyarmageutifetyen Stubium ftetye bictyt nor einer 0öfung. ©«
fei eine Vereinbarung ber oerbünbeten Regierungen auf biefem
©ebiete erfolgt, welctye mit möglictyfter Vefctyleunigung burcty einen
Vefctylufj be« Vunbe«rattye« bemnäetyft ©eftalt gewinnen werbe.
Soziale t)i)girne.
StäbtifctycS Sehen unb Volfsgefnnbtyeit. $en ©influft be«
ftäbtifctyen Öeben« auf bie Volf«gefunbtyeit unterfuctyt ber ^ßrofeffor
ber £)t)giene an ber Unioerfität Vomt*) unb fommt babei gu
folgenben für bie ©ewerbetypgiene unb Sogialpolitif wictytigen
Sctylüffen: 1. Snt Säugling«« unb $inbe«alter (bi« junt getynten
Satyre) entfctyeiben barnacty bie >;>ötye ber Sterblictyfeü weit metyr
lanbfctyaftlictye ©inflüffc al« ber ©egenfaty gwifctyen Stabt unb itanb.
^)er Cften ^reutyen« ift im ©angen genommen bem Vkften gegen«
über im Stactyttyeil. 2. 2)a« ftäbtifctye £eben ertyötyt bie Sterblicty®
■ : ) lieber ben ISiitfhin be« ftäbtifcficu Nebelt« auf bie Volf«gebuib«
beit. Vortrag, gehalten auf bem III. £entid)cu Aiongrcfj für VolK-= unb
ougenbfpiele'. Voiui, 1HU8. Separatabbrucf au« bem o'entralblatt für
allgemeine 01efuubbeit«pftege. XVII. oabrg. Verlag noit Ümtl 2traun.
feit ber erwactyfenen SRänner (nom 25. 3oty r « on) um ein 83e«
beutenbe«, aber nur bie Slrt unb SSeife ber Vefctyäftigung ift tyier
bie Urfactye. 3m Dften ^reufeen« ift bie länblictye Venölferung
gegenüber ber be« SBeften« im Vorttyeil, bie ftäbtifctye im Ractyttyeil.
3. SBeitau« am työctyften ift bie Sterblictyfeit ber Vtanrter in ben
Vegirfen ber ©ifen« unb fotyleninbuftrie. 4. $>ie Sterblictyfeit ber
grauen ift wenig oerfetyieben in Stabt unb fianb. §arte lanb«
wirttyfctyaftlictye Arbeiten, g. V. in ben SSeinbaugegenben, nermetyren
bie Sterbegefatyr. ®ie grauen be« 0ften« finb qünftiger al« bie
be« Sßeften« gefteüt. 5. SDie Sterblictyfeit«nertyältmfie tyaben ftety in
ben Iejjten Sotyrgetynten gwar gebeffert, ber ©egenfaty gwifctyen
Stabt unb fianb beftetyt aber unnenninbert weiter. 6. 2)ie etyelictye
gructytbarfeit ift in bta Stäbten geringer al« auf bem ßanbe, bocty
fallen bie Ianbfctyaftlictyen Verfctyiebentyeiten baneben ftarf in« ©e«
mictyt. 7. Von einer förperlictyen ©ntartung ber ftäbtifctyen Ve®
nölferung fann nictyt gefproctyen werben. 8. $!ie gebilbete Sugcnb
ift gwar nictyt al« forperlicty tninberwerttyig gu betractyten, ftetyt
aber aucty nictyt auf ber $ötye förperlictyer 3lu«bilbung, bie ityr
natty SJta&gabe ityrer günftigen fieben«bebitigungen gufommen müfete.
!^a« erfite ©enrfung«ty(tin in Vabett für Hugefteflte unb Arbeiter
au« .f>anbrl, gnbuftrie unb Sctyifffabrt, ba« ber Verein „Wettefung«*
fürforge" auf ber ©nntblage ber gubtläumSfpenbe für ben ©rofobergog
gu beffen 70. ©eburt«tag en”id)tete, ift in biefen Üageit eröffnet worben.
IS« liegt in einem großen ©arten unb Varf im 2)orfe Robrbacb bei
.^eibclberg nitb ift au« einem ehemaligen furpfälgifctycn Sctylöfictyen tyer*
gefteüt. Seine 2 age, bic baulictyc unb fonftige (Sinrid)tung ift berart
nnb bie bpgienifctyc ^ürforge fo getroffen, ba& man e« al« eine Vhiftcr«
anftalt begeictynen fann. Qic ftnftalt nimmt nur männlictyc
Pfleglinge auf unb ift für 30 eingerichtet. $ie ©ebütyren finb pro Jag
l,5n, 1,70 uitb 2 Jt. Jie niebrigftc ©ebübr ift für Atranfenfaffcn«
ntitglieber. 9Wan nimmt an, bab in ber Regel Atranfenfaffen, Veruf«*
genoffenfdjaften unb Atommunaloerbänbe bie Äoften tragen, unb bafj
auch bie ^nnalibität«nerfutyerung«anftalt für Pfleglinge bie (Gebühren*
gatylmtg übernimmt, aber e« ift aud) bie Vtaglidjfeit non freier Ver*
pflegmig norgefeben. 'Jer Vorftanb wiü fogar uodj gürforge für bie
gantilieu im gntereffe be« guten Verlaufe« ber pflege unb ber au«*
reictyenbeu Jauer berfelben, foweit e« in feinen Kräften ftebt, oeran*
laffen. — ®cnn ibm bie« gelingt, fo fann aucty ba« al« SWufter für
attbere 9lnftalten itnb Vereine gelten.
©ewrtbegertdjtf. (Einigungsämtec. «d)ieb?gerid}tr.
Satyre«beriftyt be« Verein« ber Arbeitgeber * Veifi«er be« ©etoerbe*
gerictyt« Verlitt 1898. Auf ber ©eneralnerfammlung be« Verein«
ber Arbeitgeber*Veifityer be« ©ewerbegeridit« Verlin würbe mitgettyeilt,
baty bie Jtyätigfcit ber Arbeitgeber * Veifiper beim ©inigungS*
amt wiebertyolt in Anfpnidi genommen worben unb baty e« tn aflen
gäüen gelungen fei, ben Au«ftaub burcty Vergleich beigulegen. SDabei
würbe gef lagt, baty nictyt alle ©eroerffctyaft«leiter al« Arbeiteroertreter
ficty be« Solibarität«gefütyI« foweit erwebren fönneu, um gu objeftioen
Urttyeilen gu fommen. 2)en ©eift ber Verfötynlictyfeit hätten bie Ver*
Ihter ©ewerffetyaften bei Au«ftänben ber ©olbleiften* unb ber Stocf-
arbeiter nenniffen laffen (ogl. Rr. 11 , 15, 16.). — Jie Reuwatyl non
70 Arbeitgebern gum ©ewerbegeridjt tyabe — gunt erften 9Kal feit Ve*
ftetyen ber ©inridjtung — gur Verbräitgung non fünf fogialbemofratifctyen
Arbeitgeber*Veifi^ern gefütyrt. ©egen gwei anbere fdjweben protefte
wegen Abgabe nieler nach Anfidjt be« Verein« nictyt gültiger Stimmen.
Rad) bem berliner Crt«ftatut nämlicty wirb gur ©intragung in bie
©ätylerlifte für Arbeitgeber gebet* gugelaffen, ber ben Radjwei« führt,
baty er ein ©ewerbc angemelbet bat ober ©emerbefteuer gatylt. J)er
Verein nertritt aber ben Stanbpunft, baty Arbeitgeber im Sinne be«
©efefce« nur ber ift, ber Arbeit giebt, b. ty. Arbeiter im Sinne be« ©e*
fefee« befd)äftigt; baty nom ©ewerbegerictyt«inablrectyt alfo aüe bie ©e*
werbetreibenben au«gufd)lietyen feien, bie faum jeuial« ©ewerbegetyülfen
befctyäftigen ober Setyrlinge au«bilbeit, wie fliegctibe Dbfttyänbler, gering«*
bänbler, Noblen* unb ©emüfebäitbler, ©infdufer non alten Afleibem,
Öumpen, Änoctyen, Papier u. f. w. $iefe ©ewerbetreibenben tyaben
weber ein eigene« gntereffe an ber ©ntfctyeibung non Streitigfeiten
gwifctyen Arbeitgebern unb *netymern, nocty eine Afeuntnity ber einfetylä*
aigeu Vcrbältniffe au« eigener ©rfabrung. J)cr Verein wiü uöttyigen
gaüe« bie grage beim 0 bernerwaItuug«gerictyt gunt Austrag bringen. —
£er Verein entfanbte in ba« Kuratorium für ben paritätifetyen
©eutral*Arbeit«uactywei« VZitglicber, uactybent beffen Sapuugen
babin abgeäubert worben waren, baf 3 biefe Arbeitgeber unb ebenfo
bie Arbeitnehmer aud) ftimmbereitytigte Vtitglieber be« Vorftartbe« fein
würben. Jic Xelcgirten ber Arbeiter batten f. 3 . erflärt, baty fie auf
bem Vobett ber Veftrebungen be« ©entvalnerein« ftänben, welctye auf bie
Drganifirung oon pnritätifdjen gacty=Arbcit«nactyweifen bingielten. 2)ie
Arbeiter feien fofort bereit, gu ©unfteu biefer Arbeit«nad)wcife ihre eiae*
neu aufgiilöfcn, norau«gefeiü uatürlid), baty bie Arbeitgeber baffelbe
tbim würben. So founte beim jiingft einftimmig in bei* Vorftanb«*
fitnuig be« ©eutraI*ArbcttSnadiwcife« ber Vefdiluty gefatyt worben, ben
bie „Sogialc prari«" in ihrer lepteii Rümmer (Sp. 418) bereit« mit*
461
462
Soziale prajis. ©entralblatt für ©ogialpoütif. Rr. 17.
geteilt — Sei ber AuSbebnurtg ber Kranfenoerficberung auf
bie .£> au Sinbuftri eilen b a * Ber Serliner SWagiftrat befanntlidj be*
fdjloffen, bie Seitrage nur oott ben unmittelbaren Arbeitgebern, ben
3mifd)enmeifteru unb ben 3wifcf)enunternef)inern (ftatt non ben Äon*
feftioüäreit unb Verlegern) gu ergeben, ©egen bie $)urrf)fübruttg biefeS
bie Rentabilität ber Krattfenfaffen gefäljrbenben Sefd)luffeS finb ein*
ftimmig VorfteHungen bei ben guftänbigen Sebörben befcbloffen.
©ine Petition an ben Reichstag mirb ausgearbeitet. — ©nblidj mürbe
befdjloffen, für bie ©rroeiterung ber 3 u f*änbig!eit ber ©e*
mcrbegertdjte, bereu obligatorifdje ©rricbtung unb bie ebenfalls obli*
gatorifcbe Anrufung ber ©inigungSätnter bei AuSftänben eingutreten.
Kattfin«imiftb*S ©ibtebSgeHdjt üt DSnabrücf. ^n ihrer ©ifcung notn
13. Januar nahm bie ,&anbelsfammer einftimmig einen Antrag an, ber
bie ©inridjtung eines ©cbiebsgerid)ts gur <Sd^Ud^tung non ©treitigf#ten
gmifeben ©efdjäftsinbabern unb AngefteHten begmedt. $5er ©ifc
oiefeS ©d)iebSgerid)tS foll bie ©tabt DSnabrüd fein, bo<b fotten ibm
eoentuell auch Streitfälle aus fonftigen Orten beS KammerbegirfS gur
©ntfdjeibung gugeroiefen merben fönnen.
$te GHufübrnttg obligatorifdjer ^inignngSämter in granfreidj
mirb burdb einen non ben liberalen Abgeorbneten Vooier-ßapierre-
gern) in ber £>eputirtenfainmer gefteuten Antrag aufs Reue in
Anregung gebracht. $>er norliegenbe Antrag ftellt nur bie ©ieber*
aufnabtne einer in ber lebten fiegislaturperiobe eingeleiteten Reform
bar, bie bamalS febon bis gur KomtnifftonSberatbung oorgef(brüten
mar unb einen günftigen Rapport ber ArbeitSfommiffion erhielt
batte. $>ie Snitiatioc gu biefer Rßobififation beS heute mirffamen
(GefefceS über ©inigungSämter unb ©chiebSgerichte oom 27. $>e*
gember 1892 mar oon ber Regierung felbft ausgegangen. 2>er
rabüale ^anbelSminifter Rtefureur h fl tte im Sanuar 1896 ein
Projeft oorgelegt, baS an ©teile beS fafultatioen ©inigungSamteS
ben obligatorifd^en ©iniaungSoerfuch mit Anroenbung oon (Gelb*
bufeen emfübrte. gn Der KommifftonSberathung fanb biefe Re*
gierungSoorlage nur geringfügige Aenberungen unb es ift genau
ber oon jener Kommiffion oorgefcblagene £e;rt, ber jefct als neuer
Antrag in bie gegenroärtige fiegislaturpcriobe eingefü^rt mirb.
danach märe baS geltenbe (Gefefc gänglicb gu befeitigen unb bureb
ein neues gu erfefcen, melcbeS jebod) baS oom alten aboptirte Ver¬
fahren beibehält. $)ie pringipielle Reuerung beftebt in bem 3mang
ur Vilbung eines ©inigungSamteS bei Ausbruch oon Kolleftiö*
treitigfeiten groifeben Unternebmern, Arbeitern unb AngefteHten.
$)a$ ©inigungSamt felbft mirb oon bem griebenSricbter präfibirt,
in beffen f>änoe auch bie Konftituirung beffelben gelegt mirb. ©o*
halb ein ©treit auSbrid^t, reicht bie reflamirenbe Partei fcbriftlicb
ihre Veftbroerben ein mtt gleichzeitiger Vegetebnung ihrer SDelegirten,
beren fünf nicht überfebreiten fann, unb ber Perfonen, mit
benen fie in $>ifferengen geratben ift. $)er griebenSrichter benadb*
riebtigt bie (Gegenpartei unb forbert fte gur Vilbung beS ©inigungS*
amteS auf. 2)er gefefelicbe 3mang bürfte nad) bem in Rebe fteben*
ben Projefte jebod) oielfacb roirfutigSloS bleiben, ba für bie
Steigerung nur (Gelbbufjen bis gum £>öd)ftbetrage oon 15 grcS.
guaelaffen merben follen. $ie (Gelbbu&en merben getragen ent*
roeoer oom Unternehmer ober, rnenn bie Kontraoenhon auf ber
©eite ber Arbeiter liegt, oon jenen Perfonen, melcbe im gegebenen
(Streitfälle irgenbmie ein Rtanbat ber Arbeiter angenommen halten,
gm Uebrigen folgt ber (Gefefcentrourf genau bem (Gefefce oon 1892
unb läfjt bie Vilbung oon ©cbiebSgericbten im gatie einer Riebt*
oerftänbiaung oor bem ©inigungSamte oöHig fafultatio. Auch
mochten oie Vefürroorter ber Reform feineSmeaS bie greibeit ber
Arbeit ober baS AuSftanbSrecbt antaften. AUeS, maS man er¬
reichen miß, ift nur ber Verfud) einer frieblicben Einigung, fei
es oor ober nach ©infteHung ber Arbeit. $)arum roünfcbt man
gefehlte Verpflichtung ber Parteien. VHe in ben Riotioen an*
gegeben mirb, ergiebt ftd) bie Rotbroenbigfeit, ben ©inigungS*
oerfueb obligatorif^ gu machen, aus ben fcbmachen ©rfolgen beS
©efeheS oon 1892. $5er freiroillige RefurS gu bem oon biefent
inftituirten ©inigungSoerfabren fano 1893 nur in 17,i 9 o/ 0f 1894
in 25,83 % unb 1895 in 20,74 °/o uUtt ©treitigfeiten ftatt.
filterorifd)* ^ttjeigen.
I. Säcbet mtb Srofdjürett.
„®ie Agrarfrage", ©ine Ueberftdht über bie Üenbengen ber mobemeit
fianbroirtbfebaft unb bie Agrarpolitif ber ©ogtalbemofratie ooit
Äarl ^autsfp. VIII unb 452 ©eiten gr. Cftao. Srofdjirt 5 M.
©tuttgart, 3. §. SJ. S)iefe Rad)f.
Aus bem 3»balt beS Sud)eS tbeilen mir bie naebftebenben Kapitel*
Ueberfcbriften mit, bie einen Ueberblid geben über bas, maS ber Autor
in feinem Sudje bebanbelt. I. 2)ie ©ntmidlung ber Sanbmirtbfchaft
in ber fapitaliftifdjen ©efeßfebaft. 5)er Sauer unb bie 3nbuftrie. —
Xie Saubroirthfdjaft ber geubalgeit. — 5)ie moberne öaubmirtbfdjaft.
— 2)er fapitaliftifdje ©barafter ber mobernen 2anbmirtbffbaft. — ©ro&*
betrieb unb Kleinbetrieb. — $>ie ©ebranfen ber fapitaliftifdjen Sanb-
mirtbfebaft. — $>ie Sroletariftrung ber Säuern. — $ic machfenben
©(hmicrigfeiten ber SBaarcn probugirenben Sanbmirtbfcbaft. — S)ie
überfecifdje SebenSmittelfonfurreng unb bie Snbuftrialifirung ber 2anb*
mirtbfebaft. — AuSblid in bie 3 u funft. II. ©ogialbemofratifcbe
Agrarpolitif. Sraudjt bie ©ogialbemofratie ein Agrarprogramm? —
$)er ©chufe beS iänblicben Proletariats. — 5)er ©ebup ber Sanbmirtb*
febaft. — 2)er ©djufc ber Sanbbeoölferung. — 2)ie fogiale Reoolution
unb bie ©ypropriirung ber ©runbbeftfcer.
Blondei, Georges. L’e.ssor industriel et commercial dupeuple
allemand. Bibliotheque du Musee Social. 2. oermebrte
Auflage, paris. Sarofe. 1899.
SBenige SRonate nach ©rfebeinen ber erften Auflage ift bereits eine
gmeite nöt$ig gemorben, unb, mie mir hören, bereitet ber Verlag febon
eine britte oor. $em beutfdjen Publifum ift ber Serfaffer febon ge*
nügenb befannt. ©eine febriftfteHerifcben Cualitäten bebürfen faum noeb
befonberer Seleuebtung. 3« ^on mie in Auffaffuna ftebt fein Sueb
meit über ber befannten englifeben ©ebrift unb über oem ©ebmob’feben
danger allemand, bie beibe benfelben ©egenftanb bebanbeln. SBährenb
eines erneuten ?lufenthalteS in $)eutfeblanb, mohht er im Aufträge beS
Musee Social gegangen mar, um SRaterialien für ein befoitbereS SBerf
über bie beujebe Arbeiterbeoölferung gu fammeln, I^atte ber Serfaffer
©elegenbeit, für biefe gmeite Auflage frifdje SRaterialien unb ©tnbrüde
m fammeln. ©ie erfeb.cint fo, burdj ein Kapitel über bie paläfüha*
Reife beS KaiferS oermehrt, bur<b gortfübrung ber ftatiftifdjen Angaben
auf bem Öaufenben gehalten unb im (Singeinen umgearbeitet, gegenüber
ber erften Auflage faft mie ein oöttig neues Sud).
Paul de Rousiers, les industries roonopolisees (trusts) aux Etats-
Unis. Bibliotheque du Musee Social. Colin & Cie. Paris 1898.
$aS oorliegenbe Such tft baS probuft einer Rltffion beS Musöe
Social oom 3ahr c l" 6 - Serfaffer, beffen früheres Vio americaiue
oon ber Afabemie preisgefrönt mürbe, ift ein h^orragenber Kenner
angelfäcbfifcben Sehens, ©r giebt gunäcbft Monographien über bie
großen £rufts in ber Petroleum*, 3o^r*f ©tahh Anthracit*, SSh^öfei)*
inbuftrie unb betrachtet bann biefe mobernen Kapitalsfongentrationen in
ihren Regierungen gum politifeben unb roirtt)fcbaftlicben fieben. 3h^e
politifebe ©efal)r fchäfet er §ö^cr als bie öfonomiftbe, unb bie öfonomifebe
eyiftirt nur ba, roo ber 2ruft auf fünftlicben unb nicht natiirlidien
©runblagen beruht. AIS fiinftlicbe ©runblagen begetebnet er bie tarif*
politifebe Mitroirfung ber ©ifetibahnen ober bas patent, ©olange bie
SruftS baS Refultat einer ©ntmicflung ber betreffenben 3nbuftrie auf
ihren natürlichen Sebingungen bilben, bleiben fie nach RoujterS feine
©ebranfe für bie freie Kon&rreng.
©timmen aus Maria-Saacb- KathoUfcbe Slätter. 3ahr8- 1899.
1. $eft. ^reiburg i. S., §erberfcbe Serlagshanblung.
Seroitt, Dr. raed., ©efunbheitSbucb für baS Sudjbrudgeroerbe. Serlin
1899, ©arl ©eqmannS Verlag. 67 ©. preis Jt. 0,eo. 25 ©jpl.
Ui 12,50, 100 ©jpl. Ui . 40.
Drthmann, Dr. med., ©. $., ©efunbheitSbucb für bie Kleineifen*3n*
buftrie mit befonberer Serüdftcbtigung ber §auSinbuftrie unb
beS ©cbleifergemerbeS. Serlin 1899, ©arl §et)tnanns Verlag.
64 ©. preis JL 0,60, 25 ©£pl. „C 12,50, 100 ©£pl. Ji. 40,oo.
Mobe, Dr. med. Alfreb, ©efunbheitSbucb für baS $anbfdjubnta<ber*
gemerbe, Serlin 1899, ©arl ^epmanns Verlag. 48 ©. preis
Jt. 0,60, 25 ©rpl. Ui. 12,50, 100 ©rpl. Ut. 40.
Kunmalb,Dr.Submig,$ie Arntengefehgebung imRieberöfterreicbifcben
Sanbtage. Riebt für ben Su%hc*nbel beftimmter ©onber-Abbrud
aus bem 12. ($egember*) $efte beS XVIII. Sahrgö. ber „$)eutfdjen
SBarte". SBien 1898, Verlag ber „$eutfd)en SBorte" (©. perner*
ftorfer). 19 ©.
II. ^>ru(ffa<^ett pott Venoalhtttgett, Vereutett jc.
©otha. 5)aS Armenmefen ber ©tabt ©otha im 3«hve 1897.
Mittbeilungen beS ©tatiftifeben Amtes ber ©tabt Mündjeu.
XV. Sanb. 1. unb 2. peft. 2. 2hetl. ©emerbegählung uttb ©r*
mittelung ber lanbmirthfcbaftlicben Setriebe oom 14. 3uiti 1895.
München 1898, 2inbauerfdje Sucbhunblung (©d)öpptng).
Samten. Sericbt über bie Vermaltung unb ben ©taub ber ©enteittbe*
angelegenbeiten pro 1897.
— ftaupt* unb ©pegial*©tats ber ©tabt Samten für 1898/99.
3n betn Auffa^e beS ^errn Dr.K. o. Maugolbt über „Sobenprcife
in Srüffel", ben mir in ber lebten Rümmer oerö ff entlieht haben, ift
ein ärgerlidjer $rucffebler, ben mir gu berichtigen bitten. Ju ©palte
420 muh eS in ber fechften 3 e ik oon unten /( ©elättbeftücfe" beiben,
nicht „©ebäubeftitefe". ©benfo auf ©palte 421 in ber 18. fomie 20. 3cile
oon oben muß eS bfißfu „©elättbe" ftatt „©cbäitbc".
eecanlnorUttp für bie Kebofilon: Dr. örnft grantfe tn öerlin W v Bagreut^erftrage 29.
Bojiale Sßra£t8. Eentralblatt fitr Bojialpoütif. Sfrr. 17.
464
©ie »»$*itaU RDraei*" erfc^eint an jebem ©onnerStag unb ift burdj alle ©ud&banblungen unb Boftämter (Boitjeitmigflnmumer 7072) ju bcjieljcn. ©er Br-’iS
fftr ba» Siateljabi ift 3R. 2,50. Jebe Kummer foftet 30 Bf- ©et önjetgenprciö ift 60 Br- für bie breigefpaltene gJetitjeife.
gering non gmuhtr & gnmblot in ^rtpjifl:
^ur (Erneuerung
bcs
bewtfcljen Sattf^efe^es.
Bon
ftavl «eifertet-
(gr. 8°, XI, 136 S.) 189». Preis 3 111.
<£rfter ©eil. ©ie Entroicfelung beS bcutfdjeu Sfrotcn*
roefenS unter bem BattfgefeO oon 1875. I. Elefdjidjte
unb Jnljalt bes beutfdjen BautgcfcfeeS ootit 14. Sfrärj 1875.
II. ©ie Etttroidehmg ber beutfepen Banfoerfaffung feit bem
Erla& bcS BanfgefefceS. III. ©ie bisherige SMrffanrfeit ber
BeidjSbanf.
3*eiter ©eit ©ie beoorftehenbe Erneuerung bes
beutfdjen BantgefefceS. I. Aenberungen in ben Ctfrunb*
lagen ber beftehenben Banfoerfaffung. II. Reformen im
bahnten ber Beftefjenben Banfoerfaffung. III. fragen ber
BattfprajiS. — Schlug.
Zu beziehen durch alle Sortimentsbuchhandlungen:
Die hausindustriellen Arbeiterinnen
in der Berliner Blusen«, Unterrock-, Schürzen-
und Tricotkonfection. Von Gertrud Dyhren-
firrtli. Preis 2 M. 8o Pfg.
$ckanntmtiftjH«g.
Seim Ijieftgen 9Dfragiftrat foH ein jttttfttfcfpe? 0ftlf$a*fcetter
(9DfragifiratS*Affeffor) angeftettt roerben.
Sin ®el)alt foH roäljrenb beS erften ^ienftjaljreS, bas als
Bro&ejaljr gilt, 3500 90fr., nom jroeiten Bis fieBenten Jahre 4800 3)1.
gemährt roerben.
©rforbernifj ift bie Dualififotion jum 9frid)teramt. Herren,
roeldje bereits im Armenroefen ober in geroerbegeridjtlichen ©achett
gearbeitet fyobtw, erhalten ben Sorpg.
Seroerbungen ftnb unter Angabe ber perfönlidjen Berhältniffe
unb Beifügung oon bi® 3«m 8. gebruar b. an bie
©tabtfaitglei etngureid)en.
ftranffurt a. 9Dfr., 26. Januar 1899.
fp*r plagijlrat
AbtcfeS.
©Uff fitfctnatnt, |trlg;shd)^«^lni$, ferlfn W. 35.
Deutsche ]uri$tcn-Zcitung.
£>erausgcgcbcit oon
Dr. iabanfc, Dr. ftengbin, Dr. $t«nb,
Brofeffor. Wel^«gfrtd)t«rat a. S>. 3uftt|rat.
Erfdjeint feit 1. Januar 1896 am 1. unb 15. jeben HfronaiS.
Sfr. 3,50 oierteljäbrlid). ©ic erfdjienencn Cuartalc a 9frf. 3,50, bie
Jahrgänge 1896/98 geB. k Sfr. 16,—.
== jlm I. Januar ei« «euer £a|rft««g. =====
Btobcnummcm foroie JnbaltSuerjcichniffe gratis u. franfo.
tBefüttttsttgeit: Bucbbanbltntgen, ^oftanftalten, Berlag.
©ie erfteu Stummem beS IV. Jahrganges roerben an größeren
Auffäfcen u. a. enthalten:
©ie neue ©iuilproje&orbnuug. Bon B*°f- Dr. fiötfn? ©atffett.
— ©ie Auslieferung roegen anar<hiftif<her ©erbrechen. Bon Broj.
Dr. Santmafd}. — AbelSrecf)t unb framenSrecfit. Bon ©eh- frofrat
Brof. Dr. Sob«t. — dichter unb 9üchteramt nach bem 1. Januar 1900.
Bon Amtsrichter Dr. ©djettbaS. — ©ie Haftung beS Erben nach
bem B©B. Bon Brof. Dr. RBlaffaf. — ©üel unb CrbettSucr*
leibungen an 9tichter. Boit Briuatboj. Dr. Attfdjäg. — -Sie neue
ftonfurSorbntmg. Bon Brof. Dr. Detter. — Begriff unb Be*
meffungsgrunblage beS gemeinen Wertes im Binne be^ prcugifchcn
ErgänjungSfteitergefepes. Bon 3enatspräftbent beS Cberoerroal-
tungsgerid)ts — ©ie StooeHe jum Jnoalibitäts» unb
Altersoerfidjennigsgefep. Bon C6eroerroaltungsgerid)tSrat ^offmairo.
— ©ie „guten Bitten" int 9ted)te. Bon Benatspräftbcnt, ehern,
öfterr. Jinanjminifter Dr. ©. BtemBa<b. — 3^r Sieform beS Ur*
hebcrredjteS. Bon Dr. A. Ofitetrietlj. — Berjährung uott Anfprücheu
nach bem B@B. roährettb ber UebergangSjeit. Bon Aeidjsgeridjts»
rat 3rörtfih* — ^ie Behanblung ber -^anbelsfadjen im Beidisgcfep
über bie freiwillige Weriditsbarfeit. Bon CBerIanbeSgertd)tSrat
Dr. ©ürmger. — AmerifanifcheS Bekleben. Bon B^of Dr. ftrcuiib.
— ^uläfftgfeit ber Berufung gegen Urteile ber (Heroerbegeridjte.
Bon BtaiUrat (SU» u. a. nt.
Staubige Stitfcifett:
Juftijrat, Juriftifche Stunbfchau. Jfrülfdjtts,
f erriite unb efelirthöften. peue Iferorbnuugctt u. bgt.
Jpredjfaal. f erfonnlUu. Jtritiken. $itteraturberid)t. Sfrit»
geteilt oon Bthulg, Br°f*/ Bibliothefar beim Bcidisgeridit. — ©ic
Beilage (3pruchpräzis) bringt Etttfdicibungcn bcs AeidjSgerichtS,
'Aeid)S=Berfid)erungSamts,^amincrgerid)ts / BreuhXbcroerroältungS*
geridits, Bat)erifd;e, Siirttembergifdie, 3äd)ii[dK/ Babifdje, §effifdjc,
Ifredlenbitrg'Bdjtueriner, Olbenburgifdje, Braunfdiroeigifche, ^>an*
fcatifdhe, Elfa^^othringifche, auslänbifchc Entfdjeibitngen, Entfd).
b. CBcrlanbcsgerithts Jena it. f. tu. Beridjterftattcr: bie BenatS»
präfibenten ^uiftiug, Elrofihuffr t>. ©taubtuger, Blomeper, bie SteichS»
gerichtiSräteBlanrf n. Btettgldtt, CberocrroaltungSgcridjisratBchttltjett*
kein, yanbgeridjtspräf. ©ebefiub, bie CBerlanbeSgeridjtSräte Bfeer,
©tänfner, Äefler, Altimte?, Bot|« ? BHttelfüeüt, ©oemlhtg, Btabtrat
b. ^rattteuberg, (s)cl). Juftijrat ©rüttctonlb, Begicruugsrat BogtS,
Stedjtsanroalt ^utbS u. f. ro.
II erfdiieneu:
Mrltd) fit §tft|ittani, Stwritwio tmb Sglf5#itffd|«ft
im ©ettifUtjen iteiUj.
.'perattSgcgeben oon
(ittßatt §d)tttffUrr.
iteue XX11I. Jahrgang, «rflr« #eft. gr. 8°. #rci* 9 p. 20 |)f.
Jnhalt: ©ic Urgefd)id)te ber Familie, 9fruttemdjt unb öentiloerfaffititg. Bon 0). Bdjmoüer.
— Beiträge jür Olcfchidite unb ©heorie bcs Arntemoefens. Bon o. Aeipenjteiit it. fünfter»
herg. II. Artifel. — ©as Aahnffdjithoefert im Möttigreid) Badjfctt. Bott o. B?eld. — ©ie
veid)sgefctUid)e Jamtlienoerfidjcrung. Bott o. ^ranfctiberg. — ©ie redjts* unb ftaats»
rotffehfd>aftlid)e Aahiltät. Bon 3B.' /pasbad). — lieber bas beutfdie Olelbtoefen im Kriegs»
fall. I. Bon 3fr. BtröII. — ©ie Aeorganifation ber franjöfifchen ^onbsbörfen. Bon
A. E. Bapoits. — 3taat unb Btätibc "^ranfrcidis im Jalirhiuibcrt ber Bürgerfriege
( 1550— 1660). Bon ft. Brenfig. — ©ns Berhältuis bcs Berbraudics ber 9fraffcu ju beut»
jeiligen ber „fleineni^eutc", ber 'Bohlhabenbcn unb Beiden unb bie Btarriftifdie ©oftriit.
Bott 9t. E. .Ifratj. — Eine uorgefchrittene Aabrifgefepgebung. Bon 91. 9IiebI. - ©ie Bor*
Idiläge jur 9leform ber Jnoalib’itäts- u. Altevsuerfidienmg. Bon u. ^tpleben. — ^itteratur.
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel in Berlin W.
Das Streitverfahren
in den
Heiehsvepsieherangsgesetzeo.
Systematisch dargestellt
von
H. Seelmann.
Preis 1.20 Mark.
Die
Reichs -VersicherengsgesetzgebHig.
Von T. BiV«liker. 1 Mk. 60 Pfg.
^crantiDortltrt) für Die »u;ciocn: öcümutl) (»cthci. Vc;wsi.i. - vcu ini'tta \ 4>a:.#ii't, ifctpji.]. - GcMucft Ict SultuD Stttfitfclb, öftlitt.
BpiofT^rtt ri> hteiVr ^?nnmr<*r ein Brnfoe ft
her Berlaasfmddianhfima fi. Flmeker. Betr. Bdiit tole,
vm. gaJjrgflug.
®etlin, beit 2. Februar 1899.
Itummec 18.
Sozial« ptrajte.
^enfrafßfaff für ^ogictlpofifiA
mit ber 2Ronat8Öellage:
Das
©rgatt i)es Derban&es beutfcfyec <5et»erbegerid)te.
9?eitc golge bcr „Blätter für fokale sprayte unb bed „©ozialpolttifdfjen (Sentralblattd*.
Grffteittt an Jcbcm $pnwerp«a. £ crau§ Q c & er: ©w« DierteliHrtl* 2 ». 50 ff.
SRebaftton: Berlin W., Bapveutherftra&e 29. Dr* /tattlfce» Berlag Don ©uncfer & ©urnblot, ßelpztg.
3ni)itlt
Material $ur grage ber ^eran*
Ziehung oon Slrbeitern aur
fid)erljeit8poli;|dlid)en©eaui*
fitfetigung ber ©tubenarbeit.
Son Dr. gr^rn. bon ©etlepftfc,
©taatSniraifter, Seebad). II. . . 465
©ad Snöalibenöetfi^etungS«
gefefe. Son Dr. jur. IRidjatb
Örreuiib, Sorfifeenbem ber Snoali*
bitätd* unb SliterdDerfidjeTungd*Sln*
ftalt ©erlin.470
fUflCHietiicCasiai* unb
>Sli«f .474
Sojialpolttifcpe Debatten im
IRetchßtage.
©ie SBofenungdfrage unb Slinifter bon
SRiquel.
©chufe ber Slngeftellten in Saben*
gefd)äften.
Ä«WR8»I«1| ©o&tolpoltttf .... 476
Breiter preufeifdjer Stäbtetag.
Stibeiteraudfd)iiffe unb Strbeitfiorbnung
in ben ftäbtifc^en ßanalifationdwerfen
in Berlin.
Stabtratp unb Slrbeiterfammer in
Sörid).
Stäbtifdje SRidceHen.
4UI(tttrb(i»<|nng.478
©er neueÖewerfDereindbunb in
©nglanb. Son ©rneft Sloed,
Sonbon.
©ad ftoalitiondrecpt ber beutfdjen
Arbeiter in ©beorie unb ©rajtd.
Bewegung im Sdjneibergewcrbc.
©er Sludftanb ber Ärefelber Sammet»
Weber.
Setein „S(rbeiterfdjufe M .
Sefeeritrcif unb ©opfott bed „Sofat*
Slnjeigcrd" in ©ertin.
©Atlicpe Sereinbarung awtfcpen Steiftet
unb ©epülfen im ©actergewerbe
©erlind.
©prung eined ©ewerloereindfelretörd
burdj Slrbeltgebit unb Slrbeitcr in
©nglanb.
S(*fccite«»rrftd)etima. ©D«rfaff tu 482
Äonferenj bon Sorftänben ber 3>n»
balibitätd<Serfid)erungdanftalten.
©rgebniffc bed gnbalibitcitß* unb
SÜterdDerficperungdgefefeed.
81 erzte* Streif bei ber DrtdfranfenTaffe
ßolmar t. (Slf.
©ie ©opfottirung ber SBienet Sipo*
tbeton.
ttrbettdnadüoet*.483
Slrdjib unb ©iblfotbef bed Serbanbed
beutfdjer Slrbeitdnadjweife in ©erlin.
Slrbeitdnacbweid für Ianbrnirtpfcfjaft*
Iicpe Slrbeiter in Hamburg.
Singemeine SIrbeitänad. Weid • Slnftalt
Äöln.
©ie Söfung ber ©reidfrage Aber bie
Strbeitdbermittelung in ber Schuh*
unb Seberinbuftrie.
©enofTcitfi5aft5t»ef(it.484
©rtrag unb ©efteuerung ber
einfommenfteuerpflicbtigen
©efellfdjaften unb ©enoffen»
fdjaften in ©reufeen. Son
Dr. ©. ^ i r f (b b e r g, ©ireft.*Slffift. am
Statut. Slmt b. Stabt ©etlin, (Spar*
I Ottenburg.
©ie ©egrunbung bed Äonfum*Bau*
unb Spar*Seretnd „©robudion",
©. ©. m. b. in Hamburg.
fBa5mtKg«»cfeit.486
Slud ber ftübtffdjen SBobnungdfom*
miffion in Strafeburg i. ©If.
Slrbeiterwobnungen in Stulbaufen i 6.
©ogiMe ©tigicnc.486
©er ©uberfnlofefongrefe.
ÜtitevartfSc Mnseifen.486
Inhalt bed ©ewerbegeriditd Sr. 5.
Beilage* »©ad ©ewetbegetidü" 9ir, S,
ilbbrurf fämmtUcber Slrtifel ift Bettungen unb ßeitftbrtften geftattet, [ebocb nur
mit Doller tuueUenangabe.
Material jur «frage ber tteranjielprag non Är-
beitern |ur ftifeerbeitapolijeUiibea 6rauffid)ttgung
ber (Grubenarbeit.
ii. 1 )
Bknn nun bie grage aufgeroorfen roirb, unb bad ift oon
fompetentefter @teHe burd) ben ßeiter bed SBergmefend in ^reufeen
‘) ©er Sluffap ift uor Seröffentlidjmtg bed preu&ifcf)en ©tatd, ber
bie Serftärhuig ber Slufftc^t in ©ergmerfeit beantragt, oerfaftt. ©.9t.
gefcBeBen, ob unb roie eine SSerftärfung ber ftaatlidjen SeauffidE)**
tigung bed Bergbaubetriebes hier beroirft nierben fott, fo mu& man
jitnäcbft oergegenroärtigen, roie jur biefe BeauffidE)tigung
beroirft roirb.
9?ad) Anlage 8 im Slnljang 3 U ben Safjredbericbten ber ^önigl.
Breufe. 9iegierungds unb ©eroerberätlje unb Bergbebörben für 1897
beträgt bie ber Bergreoiere, bie oon je einem Bergreoier*
beamten oerroaltet roerben 67; biefe hoben indgefammt 2215 be*
triebene ©erfe mit einer ©efammtbelegfcbaft oon 417 071 Stopfen
$u beaufrichtigen. ©)ie SSirffamfeit biefer an fich nicht großen 3 «^
oon Beamten in Be^ug auf bie ®id)erung bcr Arbeiter in ben
©ruben oor Unfällen roirb noch abgefthroädpt burch Slufgaben, bie
bem SReoierbeamten auf anberen Oiebieten gefteHt finb. @r ift
junädjft felbftftänbiger BerroaUer ber örtlichen Bergpoli^ei, fobann
Stommiffar bed Cberbergamted in ben beffen tompetenj unter*
ftehenben ©efchäftd^roeigen, roie Berleihung, ©runbabtretung, Huf*
fidht über bie Berroaltung ber Änappfchaftdoereine, Hnnahme oon
SRuthungen 2 C. ; er ift ferner gmlfdbeamtcr ber Staatdanroaltfchaft,
unteren Berroaltungdbehörbe unb Drtdpoli^eibehörbe in Unfall*
oerfidjcningdangelegcnbeiten, bedgleichen fiir bie unter Hufficht ber
Bergbehörbe ftehenben Betriebe jur Hudfühung bed §. 155 Hbf. 2
ber ©eroerbeorbnung, er roirb im Bcbiirfni|falle mit ber 2Bahr»
nehmung ber Hichungd* unb ®tcmpelungdgefchäfte ber im Berg*
roerfdbetriebe sur Hnroenbung fommcnben SRafee unb ÜRa&roerf*
jeuge für 3 D?ineraIprobufte beauftragt; er höt in ber Siegel bie
Unterfud)iing unb Prüfung ber ©ampffeffel in ben ber Hufficht
ber Bergbefjörben unterftehenben Betrieben gu beroirfen, er ift
oielfach Borfifeenber ober ®teHoertreter bed Borfiftenben bei ben
Berggeroerbegerichten :c. ©d leuchtet ein, ba§ ed bei größter
^Pflichttreue unb ooqüglicher Befähigung, beren fich bie &eoier*
beamten rühmen bürfen, biefen nicht möglich ift, bie zahlreichen unb
Zum ©heil fehr audgebehnten Bergroerfdbetriebe fo oft unb grünb*
lieh S u rcoibiren, roie ed an fich rounfcheitdroerth unb nothroenbig ift.
©5enn ber Bergbau gehört, road bie 3oh^ ber Unfälle anlangt,
ZU ben gefährlichsten inbuftrieHen Befchäftigungen. 2 ) 3n ©eutfd)*
lanb fotnmen bei ihm nicht nur üerhältmfemäfjig roeit mehr Itn*
fälle überhaupt, fonoern auch mehr entfchäbigungdpflichtige unb
unter biefen mehr töbtlidje Unfälle oor, ald im ©)urchfchnitt bei
fämmtlichen ©eroerbebetrieben (einfchliefelich bed Bergbaues). Beim
Bergroerfdbetriebe famen in ber B^riobe 1883—1892
oon burchfchnittlich 313 479 jährlich befchäftigten Hrbeitern 738 zu
©obe, auf je 1000 Hrbeiter 2 , 354 , barunter burch «pereinbredjen bed
©efteind 2 c. 288 unb pro 1000 Hrbeiter 0 , 919 . Huf lefctere Ber*
unglüefungen entfielen hi er uach in Brennen 39% aller töbtlidjen
Unfälle, roährenb bie burch fchlagenbe ^Setter oerurfachten ©obed*
fälle nur 0 , 3 h, pro taufenb Hrbeiter betrugen, ©ie hö^f* e Ber*
unglüefungdziffer roied ber ®teinfohlenbergbau auf; roährenb in
a ) gn biefer ©arfteöung folge id) 311111 ©heil roörtlid) beit Hn*
gaben bed SSerfed: ©eroerbehngtene ©h-Spezielle ©erocrbcbngiciie
Hbfcbn. 1; .fnjgiene ber Berg*, ©unnel* itub .^üttruarbciter oon Aluller,
BReifener unb Saeger, 1895 ; eined ©n'rfed, beffen Stubium gebem zu
empfehlen ift, ber fid) unter Hnberem über bie ^rage bcr Sdjuiunafi*
nahmen gegen bie ©cfahreu bc^ Bergroerfdbetricbcd für bie Arbeiter
un terrid) teu 10 iH.
467
Sogiale PrartS. Eentralblatt für Sogialpolittf. Ar. 18.
468
Preußen nur 67 % aller Bergarbeiter auf biefen entfielen, fo wies
er 80 o/ 0 aller töbtlidgen Unfälle beim Bergbau auf. BefonberS
beatgtenSwertg für bie oorliegenbe Qfrage ift eS aber, baß in ben
legten Sagrgegnten bie Berunglütfungen beim Steinfoglenbergbau
in Belgien, granfreieg unb ©roßbritannien ergeblidß gefunfen, in
Preußen bebeutenb geftiepen ift, wägrenb früher baS umgefegrte
Bergältniß beftanb. Ste Aufstellungen ber oon mir benußten
Cuelle 3 ) reichen nur big 1890, inbeffen fc^eint fieg auch in neuefter
3eit bieg ungünftige Bergältniß nießt geänbert zu gaben. Aadß
ben Aacgricgten über bie BergwerfS* unb §ütteninbuftric 0fran!«
reiegs unb Belgiens im 3’agre 1896 unb über bie Berunglütfungen
mit töbtlicgem AuSgange beim Bergwerfsbetriebe Preußens im Sagre
1897 famen im Steinfoglenbergbau UnplücfSfälle mit töbtlicgem
Ausgange auf 1000 Arbeiter oor in Belgien t,u, in Stonfreicg 1 , 3 ,
in Preußen 2 , 353 . 4 )
Sie llrfacgen biefer bebauerlitgen Sßatfatge merben tßeils in
allgemeinen ungünftigen natürlichen Bergältniffen unfereS Stein*
foglenbergbaueS gefuegt, tßeils barin, baß bie Steinfoßlenberp*
werfe, um ber Iebgaften Nachfrage naeg Voglen genügen unb bie
günftige ftonjunftur auSnußen gu fönnen, bie Abbauarbeiten, bei
benen bie ©efaßr beS Stein* unb EtoßlenfaHeS naturgemäß am
größten ift, gu Ungunften ber AuSricgtungS* unb BorritgtungS-
arbeiten oerftärften, baß überhaupt unfere ^oßlenförberung eine
ungewöhnlich ftarfe (Entwicfelung erfahren ßat, ergeblidß ftärfer
als in ben anberen Stoßlenbergbau treibenben Säubern, unb baß
biefe rapibe Entwicfelung bagu führte, oiele mit bem Bergbau
gänglicg unoertraute Arbeiter ßerangießen. 3<g bin ber Meinung,
baß ber legtere ©runb ber auSfdßlaggebenbe ift.
Sem fei aber, roie ißnt wolle, bie Sßatfacßen genügen jeben*
falls bie (Erfdßehtung gu erflären, baß bie Bergarbeiter laut eine
Berfcßärfung ber Auffitgt in ben ©ruben oertangen unb baß bie
Regierung bie Berechtigung biefer Qforberung anerfennt unb in (Er*
roägung nimmt, wie tgre Erfüllung am erfolgreichen, b. g. mit
bem Erfolge, baß bie ÜnglücfsfäHe beim ©rubenbetriebe auf baS
möglicgft geringe 9Jiaß gcrabgentinbert merben, 311 beroirfen ift.
Ser |>err |>anbelSmini)ter gat giergu oorläufig bie Schaffung eines
unteren AuffidßtSapparateS ins Auge gefaßt, enimeber burtg An*
ftellung ftaatlicger Unterbeamten aus bem Steiger- ober Arbeiter*
itanbe ober burtg §erangießung auSgewäßlter Arbeiteroertreter,
beren beßörblidße ^unftionen unter ber Auffid)t ber Beoierbeamten
anguoertrauen waren. Seine befinitioe Entfdjließung gat er fitg
oorbegallen bis naeg Eingang ber oon ben Dberbergämtern er*
forberten Berichte unb natg Abfcgluß ber im AuSlanbe angeorb*
neten (Ergebungen.
3nt Allgemeinen gaben bie Abficgten beS §errn BlinifterS in
ber preffe unb im Parlament 3uftimtnung gefunben. Sie Aätgft*
betgeiligten, Bergarbeiter einerfeits unb bie ßeiter unb Berwalter
ber ©ruben anbererfeits ftnb oerftgiebener Anfitgl. ©äßrenb oon
ben erfteren wogl fajt allgemein, foweit fic fug überhaupt aus*
aefproegen gaben, bie $erangießung oon Arbeitern, bie oon ben
Belepfcßaften gewäglt werben, gur Beaufficgtigung ber ©ruben*
arbeit oerlangt wirb, fpreegen fttg legtere gegen bie Stgaffung
eines unteren AufficßtsapparatcS überhaupt, inSbefonbere gegen bie
Bermenbung oon Arbeiterbclegirten aus. Bcbenfeit' finben
fieg in ber Senffcgrift gufammengefaßt, weltge ber Borftanb beS
BereinS für bie bergbaulichen Sntereffen im Dberbergamtsbegirf
Sorttnunb an ben § crrn SwnbelSminifter unter bem 8. Auguft
1898 geriegtet gat, 5 ) fic ftnb tßeils teegnifeger, tgeils politifeger
Statur. Sie legteren gier gur erörtern, erfcgeiitt mir nitgt am Blaß;
bas Blaterial, meltgcS itg gur Beurtgeilung ber $rage ber «s>ran*
gießung oon Arbeitern gur Auffitgt in ben ©ruben beibringen
möcßte, würbe_ gierbitrcg uiegt bereitgert werben, weil ber prinzipielle
©egenfaß gwiftgen benen, wclcge in ber Betrauung ber Arbeiter
mit einer obrigfcitlicßcn JJunftion in ber Betgtfpretgung ober in
ber Berwaltuitg, im ©ewerbegeriegt ober bei ber ©rubeniufpeftibn,
eine Stärfung ber Sozialbemofratie fegen, unb benen, bie 00 m
©egentgeil überzeugt finb, flar zu Sage liegt unb allgemein be*
fannt ift.
^ 3m oorliegenben 3 a ^ e göt ancg bie Staatsregierung bereits
Stellung ju ber Aragc genommen. Ser §err $anbelsminifter gat
in bem (Erlaß an bie Dbcrbergämter oom 5. 33tarz ü. 3$. ben 5Beg,
auSgewäglteu Arbeiteroertretern begörblitge 3mnftionen unter Auf*
liegt ber Beoierbeamten z^ übertragen, z ur Erörterung gefteflt, er
fantt alfo fein prinzipieller ©egner beffelben fein.
3 ) a. a. C. 2. ‘J37 unb bie labefle 2 . ‘ 26 s.
4 ) ^eitftgrift für Bcrg=, Jütten* unb Saliuenwrfeu.
5 ) Xeutfcgc ^ubuftne-^eitung, 'sabrg. XVII Ar. 16.
Bei ber (Erörterung ber tetgnifegen Bebenfen gegt bie er¬
wähnte Senffcgrift baoon aus, baß ber Bergbau burtg feinerlei
BcrmaltunaSmaßnagmen je oöllig gefahrlos gematgt werben fönne,
baß man fttg ftetS würbe barauf beftgränfen tttüffen, zu ueran-
laffen, baß alle natg 2Biffenftgaft unb Erfahrung befannten HRittel
Zur Bergütung oon Unfällen tgatfätglitg zur Anmenbmtg gelangen.
Sie ©rünbe lägen oomegmlicg in ber bem Bergbau eigentgüm*
liegen, oon jebem anberen ©roßbetriebe abmeidbenben Sorm ber
ifolirten Befcgäftigung beS Einzelnen unb in oer größeren Ab¬
gängigfeit oon elementaren ©reigttiffen. Sas fantt man als zu*
treffenb anerfennen, aueg baß eine wirtfame 3Jtaßnagme gur lln*
faÖoerminberung barin liegt, baß baS Bewußtfein ber Beantwort*
iitgfeit in jebem Arbeiter unb ©rubeitbeamten geioetft unb gefräftigt
werbe. Saß aber biefeS BerantmortlicgfeitS * Bemußtfeitt bisger
nitgt gingereitgt gat, bie UitglütfefäHe gcrabzuminbern, baß oiel*
megr trog Auwenbung beS Btittels, Arbeiter erft natg längerer
BorbereitungSzeit gu |>auerarbeitcit zugulaffen, weltgeS 3KitteI, wie
bie Senffcgrift erwägnt, im Sortmunber Begirf üblitg ift, bie
UngliicfSfäÜe nitgt ab* fonbern gugenommen gaben, beweifen bie
Sgatfatgen. 3guen gegenüber wirb man nitgt abmarten fönnen,
bis biefeS BerantwortlitgfeitSaefügl genüpettb erftarft ift, man
wirb oielmcgr oerlangen ntüffen, baß bie Beaufficgtigung ber
©rubenarbeit fo organifirt wirb, baß womöglich jebes Angeicgen
einer ©efagr bemerft unb an ber gur Abgülfe geeigneten Stelle
mitgetgeilt, baß jeber Berftoß gegen bie gur Siegerung ber Arbeiter
oor ©efagren erlaffenen Borfdjriften gur Berantwortung gezogen
wirb, ©erabe bie in ber Senfjcgrift erwägnten Eigentgümlicgfeiten
beS Bergbaus, bie ifolirte Befcgäftigung beS Einzelnen unb bie
große Abgängigfeit oon elementaren Ereigniffen tnatgen eine Auf*
fügt erforberlicg, bie weit eingegettber unb häufiger fein muß, als
bei anberen ©roßbetrieben. Saß bie 3teoierbcamten biefe Auffugt
niegt ausüben fönnen, felbft wenn igre 3 a ^/ maS itg in
mäßigen ©rengett für wünftgenSwertg gälte, oerftärft wirb, baß
aueg ber Berpflid)tung beS Staates, eine Bürgf^aft für ben
SicgergeitSguftanb ber feiner Auffitgt unterteilten Bergwerfe gu
übernehmen, niegt genügt wirb, wenn bie 3 a ^ & cr ©tuben*
beamten, beren pflichttreue unb Befähigung nad) jeber Dichtung
gin anerfannt werben foll, oermegrt wirb, bas liegt auf ber
£>aitb.
Es bleibt alfo nur eine fegr ergeblitgc Bermcgrung beS ftaat*
liegen AufficgtSperfonalS bureg llnterbeamte — etwa wie bie con-
troleurs in ^ranfreieg — ober burtg ^erangiegung oon Arbeitern
übrig. Unb bas fießtere würbe itg für baS Beffere galten, wenn
es gelingt, Äautelen bafür gu finben, baß nur faegfunbige, guoer*
läffige, unbeeinflußte perfonen gerangegogen werben. SKtr fegeint,
baß baS legtere oorgugiegen ift aus bem allgemeinen ©raube, baß
bie Arbeiterfcgaft an ben Maßregeln gur Bergütung oon ilngliitfS*
i fällen am meiften intereffirt ift, baß igre §erangiegung gu ftaat-
liegen gfunftionen eine Hebung beS ArbeiterftanbeS bebeutet, beren
anberc BerufSftänbe fug auf anberen ©ebieten erfreuen; aus bem
fpegieflen ©runbe, baß fo in größerer 3agl, als es burtg Beamten
möglitg wäre, Perfoneit gur Auffitgt gewonnen werben fönnten,
beren langjährige praftifege (Erfahrungen ein niegt goeg genug gu
fcgäßetibcS Element bilben. Saß burtg eine fohge Einrid^tung bie
Autorität ber ©rubenbeamten gefd)wäcgt würbe, baß bie Arbeiter*
belegirten Anorbnungen ergegen laffen fönnten, bie in ©egenfaß
gu benen ber ©rubenbeamten treten, wie bie Senfftgrift befürdgtet,
fann nitgt gugegeben werben, wenn baran feftgegalten wirb —
was itg unbebingt befürworten würbe — baß fie, wie in Belgien,
Iebiglid) als 3nfpigicnten unb Bericgterftatter unb unter ber
Autorität ber Sleoierbeantten fungiren. Senn bei ber ungemein
großen ©cfägrlitgfeit beS BergmerfSbetriebeS muß aderbingS jebe
3wiefpältigfeit ber Anorbnungen unbebingt oermieben werben.
Aueg baS fann nid)t gugegeben werben, baß ßdg unter ben
Arbeitern einer ©rube niegt perfonen finben würben, bie ber ignen
übertragenen Berantwortlicgfeit gewaegfen finb, bie nötgige Be*
fägigung gaben, bie ignen gu übertragenben Junftionen auSguüben.
ES ift wogt rid)tig, baß ben Arbeitern bie Efenntniß ber pggß*
faliftgen unb djemifdgen ©efeße, bie gur Prüfung ber SSetterfügrung
erforberlicg ift, feglt, baß fie bie für bie Beurtgeilung ber Be¬
wegung unb Bertgeilung ber ©etter notgwenbigeit Bleffungen unb
Berechnungen nitgt oornegmen fönnen, barauf fomtnt eS aber bei
ben ignen gu übertragenben amtlitgen Aufgaben nidgt an. Abge*
fegen baoon, ob niegt bod) aud) in ntanegen fällen praftifege Er¬
fahrung gur Erfennung einer Elefagr bureg fcglagenbe ©etter gin*
reiefjt, worüber id) als 2ak niegt urtgeilcn wtü, fo ift fie botg
gegenüber ben burtg anbere llrfacgen oeraulaßten ÜngliicfSfällen
Zweifellos oon ©ertg. llnb biefe finb bie gaglreitgeren. Beim
469
©ogtale ^ra£tS. ©entralblatt für ©ogialpolittf. Br. 18.
470
Bergwerfsbetrtebe BreußenS fanten in bcn Saßoen 1883—1892
burcßfeßnittlidß gu £obe auf je 1000 Arbeiter:
bureß $ereinbrecßen non ©cfteinS*, Äoßlen*, ©rg* :c. SK affen 0,919
jr.i__v cn_ 2 r._ />_
in ©cßäcßten unb Bremsbergen. 0,501
bureß feßlagetibe SSetter. 0,319
bei bei* Sprengarbeit. 0,ios
bei bec ©treefenförberung.0,099
bureß anbere Urfaeßen unter 2agc. 0,157
bureß Mafcßinen über ober unter Sage.0,o4i
bureß fonftige Urfaeßen über Jage. 0 , 220 .
$ie Berunglütfungen bureß ©lein* unb Koßlenfall waren
audp im 3a$ rc 1897 m Preußen, wie in anberen Säubern bei
Weitem bie gaßlreießften, fie trafen non je 1000 Arbeitern 0 , 788 ,
roäbrenb in bemfelben Sab** buriß feßlagenbe Bßetter non 1000
Arbeitern 0,154 oerunglüeften. Man foHte meinen, baß bie genaue
Kenuhtiß ber Berßältniffe einer ©rube, bie langjährige Arbeit mit
ftd) bringen muß, ein recht nüßließer Saftor gur Berßütung biefer
itnglütfsfälle, foweit fte überhaupt mögließ ift, märe.
£)te gorberung muß aKerbingS oorangefteHt werben, baß bie
gu Auffeßern auSgewäßlten Arbeiter ben ©rab ber örtlichen unb
allgemeinen ©aeßfunbe ßaben, ben ein Arbeiter überhaupt erreichen
fann, b. ß. ft* müffen in ber ©rube, für bie fte befteüt werben,
einige Sabre als |>äuer gearbeitet höben unb im ©tanbe fein, bie
gur ©ießerung ber Arbeiter erlaffenen Beftimmungen richtig gu
Iefen unb gu oerfteßen unb fachgemäße Angeigen gu erftatten.
muß ferner oerlangt werben, baß fte guoerläffig, in moralifcher
§inficßt oöUig unbefeßolten unb im ©tanbe ftnb, allen außerhalb
ber ©aeße hegenben ©inflüffen gu wiberfteßen, mögen fie oon
©eiten ber Arbeitgeber ober oon ©eiten ber Mitarbeiter fommen.
@8 ift hierbei gu beachten, baß ißre AuffießtStßätigfeit fteß nießt
nur auf ben ©ießerßeitSguftanb ber ©rube, fonbern aueß auf bie
Sßätigfeit unb baS Berßaiten ber Bergleute wirb rießten müffen
unb ßaß fie Berfiöße berfelben gegen bie ©icßerßeitSoorfeßriften,
bie fie waßmeßmen, uunacßficßtlicß gur Angeige gu bringen haben
werben, &enn ber £ßeil ber UngliiefSfäHe, ber bureß baS 33er**
fcßulben ber Arbeiter ßerbeigefüßrt wirb, ift ein reeßt erßeblicßer,
man wirb ißn mit einem Viertel nießt gu ßoeß oeranfeßlagen. 3 U
meinem Bebauern fteßt mir eine 3ufammenfteIIung ber Berfeßul*
billigen für Preußen nießt gur Verfügung, bagegen bin itß in ber
Sage, aus einer Arbeit, bie für bie belgxfeßen Kohlengruben äuge*
fertigt worben ift, folgenbe BerfeßuIbungSprogente bei ben oorge*
fontmenen UnglücfSfällen angugebeit:
Unoorfießiigfett beS Berunglüefteu.26,6%
Unoorficßtigfeit anberer Arbeiter.3,i *
©cßulb ber ©rubenleitung ober ihrer Beamten . 7,8 *
Itnoorfießtigfeit beS Berunglücften unb anberer
Arbeiter. 6,1 =
Itnoorfießtigfeit bes Berunglücften unb ©cßulb ber !
©rubeniettung ober ißrer Beamten . ... 12,5 * ■
Unoorfußtigfeit oeS Berunglüefteu unb anberer
Arbeiter unb ©cßulb ber ©rubenleitung ober
ißrer Beamten. 1,6 *
Itnoorfießtigfeit anberer Arbeiter unb ©cßulb ber
©rubeuleitung ober ißrer Beamten .... 1,6 =
3 ufaH.35,9 = i
nießt ermittelte Itrfaeßen._._7,8 = I
100 % |
®tefe Angaben laffett einen ©eßluß auf bie Berßältniffe in
beu preußifeßen Bergwerfen baßin gu, baß ber£ßeil ber UnglücfS* *
fälle, ber bureß ©cßulb ber Arbeiter ßerbeigefüßrt wirb, oerßältniß*
mäßig ber größte ift. $>er Arbeiterauffeßer wirb baßer nießt baoon
bispenftrt werben fönnen, aueß hierauf fein Augenmerf gu rießten, 1
unb ba8 feßt ein ßoßeS Maß oon Unabßängigfeit oorauS, offen® 1
bar ein ßößereS, als feine £ßätigfeit naeß anberer Bießtung er«
forbert.
Bacß oorfteßenbett Ausführungen bürfte baran feftgußalten fein,
baß ©aeßfunbe, 3 UDer löffigfeit unb Unabßängigfeit bie
©igenfeßaften finb, bereu Befiß als Borbebittgung ber Aufteilung
als Arbeiterauffeßer angufeßen ift. S<ß smeifle feinen Augenblick
baß eine große 3°ßl ÜOn Bergleuten oorßanben ift, bie biefe Bor*
bebinguitg erfüllen, bin aber ebenfo überzeugt, baß bie SSaßt bureß
bie Belegschaften allein nießt ber rießtige B3eg ift, um fie ßerauS*
gufinbeit. Namentlich auf großen ©ruben fennen ficß bie Bergleute
ber Belegt eßafteu untereinanber nießt fo, baß fie in ber Sage
wären, bie ©eeignetften gu wäßlen; perfönließe Begießungen, Biicl*
ficßt auf bie BarteifteUung, ber 3ufaE ber Majorität werben bei ber
Saßl ißre Bolle fpielen, furg, bie geßeime, freie B?aßl bureß bie
Belegfeßaft, wie fie bie an bas AbgeorbuetenßauS gerießtete Petition
bes ©ewerfoereinS cßriftlicßer Bergarbeiter ^eutfeßlanbs oorfeßlägt, j
giebt nießt bie Bürgfeßaften für bie ©igenfeßaften ber Arbeiter*
auffeßer, an benen oor Allem im Sntereffe ber ©ießerßeit
ber Arbeiter oor Unfällen feftgeßalten werben muß.
2)aS füßlt aueß ber Berein eßriftließer Bergarbeiter; er oertangte
feßr oeiftänbig, baß bie Bergbeßöroe prüft, ob ber gewählte Ar*
beiter bie nötßige Befähigung ßat, unb baß fte ißn anfteüt. Unb
bamit fommt man auf ben richtigen Sßeg, ben ber Anstellung
bureß bie ©taatsbeßörbe auf Borfeßlag ober naeß Anhörung ber
Arbeiter unb, wie ieß ßingufüge, ber Arbeitgeber. $>ie ©ereeßtig*
feit unb bie 3 roe<fmäßigfett forbert, baß biefe nießt übergangen
werben.
Borfäufig feßeint mir, baß baS belgifeße ©efeß ben rieß*
tigen, unter Mobififationen, bie anbere Berßältniffe erforbern, aueß
auf bie AuffießtSoerßältniffe ber preußifeßen Bergwerfe anwenb«
baren BSeg gewählt ßat. ®te belgifeße Negierung ßat ftdß bie
Örage geftellt: Sft ©runb oorßanben, baS SBiffen unb bie ©r*
faßrung ber ftaatließen AuffießtSbeamten bureß bie ©rfaßrungen
oon auSgewäßlten Arbeitern gu ergängen? ©ie ßat biefe S^ge
mit Sa beantwortet unb bemnäeßft oerfueßt, im ©efeß Sürforge gu
treffen, baß aueß mögließft befähigte Arbeiter als delSgues mineurs
angefteHt werben. Db unb inwieweit ißr btes gelungen ift, wirb
aus bem Berießt entnommen werben fönnen, ben bie Kommiffare
beS $errn .fianbefSminifterS erftattet ßaben unb beffen Snßalt
ßoffentließ reeßt halb befannt werben wirb. @r wirb jebenfalls
aueß ftarfen ©mfluß auf bie ©ntfeßließungen ßaben über bie Art,
wie bie Arbeiter unb Arbeitgeber bei ber AuSwaßl ber Arbeiter*
auffeßer in ^reußen gu betßeiligen ftnb.
2 )ie belgifeße Begierung war ber Anfteßt, baß bie Aufteilung
oon Arbeiterauffeßern fdßwerlicß gu einer Berminberung ber großen
llngliicfSfäHe füßren wirb, inSbefonbere nießt berer, weleße ber all*
gemeinen Anlage unb Berwaltung ber ©rube gugufeßreiben finb,
woßl aber, baß fie ber3ößl unb Bebeutung ber inbioibueden Un*
fälle würbe fteuern fönnen, aber nur unter ber BorauSfeßung, baß
bie Art ber AuSwaßl ber Arbeiter fteßere Bürgfeßaft für ißre
Säßigfeit, ©rfaßrung unb 3 uoerläffigfeit bietet unb baß eine £ßei*
lung ber Berantwortließfeit nidßt ftattfinbet. 2)aßer ber enge 3« s
fammenßang, in ben fte Arbeiter, Auffeßer unb Beoierbeamte ge*
braeßt ßat. 6 ) Aueß in biefer Begießung wirb man ißr in Preußen
folgen fönnen. S)ie Berantwortließfeit unferer Beoierbeamten für
bie ©ießerßeit ber ißnen unterteilten ©ruben barf nießt gunt Xßeil
auf anbere ©eßultem gelegt werben, bie 3 a ßl iß l ' er Snfpeftionen
barf nießt oemtinbert, fie müßte oielmeßr oermeßrt werben; follen
fie aber biefer Berantwortließfeit, fomeit bas überhaupt mögließ ift,
gereeßt werben, fo müffen ißnen fooiel .f)ülfSfräfte unterteilt werben,
Daß fie gur wirffamen Ausübung ber Auffießt ßinreitßen; fie müffen
ißren Anweifungen gu folgen ßaben unb ber Beoierbeamte muß
fitß auf fie oerlaffen fönnen.
^aS befinitioe Urtßeit über bie wichtige Öraae ber Berftärfung
ber ftöötließen Auffießt über bie Baugewerfsbetriebe unb ber §eran*
3 ießung oon Arbeitern ßiergu wirb fieß S^ber, ber fieß mit ißr be*
feßäftigt, wie aueß ieß, bis baßin oorbeßalten wollen, bis bie
Anfeßauung ber preußtfeßen Bergbeßörbe unb ißreS obersten SeiterS
fowie beren Begrünbung befannt geworben fein wirb.
©eebaeß. Dr. 3*ßr- oon Berlepfcß.
Da? 3noallbemiecfli^entitg$gefe|.
®er ©ntwurf eines SnoalibenoerfießerungSgefeßeS ift nunnteßr
bem BeießStage gur oerfaffungSmäßiaen Befeßlußfaffung gugegangen.
Bor furger 3^it ßabe ieß bereits in biefer 3^itfcßrift (oergl. „©ogtale
Sßra^is" Saßrg. VIII Br. 4) gmei wi^tige Aenberungen ber Booelle
befprotßen; naeßbem jeßt ber autßentifcße S^ert unb alle ©ingelßeiten
ber betreffenben Beftimmungen oorliegeit, erfeßeint es notßwenbig,
noeßmals auf biefe Aenberungen gurüefgufontmen.
1. Als örtließe Drgane ber BerfießerungSanftalten follen
Bentenftellen eingerießtet werben, befteßenb aus einem ftänbigen
Borfißenben unb ber gleießen Angaßl Arbeitgeber unb Berfießerter
als Beifißer. Sm ©egenfaß gu beut urfprünglidßen ©ntwurf, wie
er bem BunbeSratß gugegangen war, foll ben Bentenftellen nießt
bie ©ntfeßeibuug über bie Bentenanträge, fonbern nur bie © 11 t*
B ennaßme ber Anträge unb bie Begutaeßtung berfelben gu*
en. $)ie ©ntfebeibung über bie 3ubiHigung ber Bente bleibt
naeß wie oor bei ben Borftänben ber BerfießerungSanftalten. 3e*
6 ) Les delegues ouvriers k Tinspection des mines Bruxelles 1*65.
Berfaffer ift .^crr ©m. -^avge, ber oberftc Bergbcamtc Belgieiu'.
471
Sogiale Brajtg. Eentralblatt für Sogialpoütil. Ar. 18.
472
bodß ift bic feßr bebcutfamc Aenberung getroffen, baß bie Ab¬
lehnung non SRentenanträgen — fei eg Die gänglidße ober tßeil*
roeife — meßt, wie bigßer, im 2öege ber einfachen Verfügung
burdß bie beamteten Borftanbgmitglieber erfolgen barf, fottbern baß
hier bie bem Borftanbe angeßörigen Vertreter ber Arbeitgeber unb
Berficßerten mitwirfen muffen (Bentenfammer). Die gleite obli*
gatorifdße SRittoirfung oon Arbeitgebern unb Berficßerten finbet
unter ben gleichen Boraugfeßungen auch bei ben SRentenfieden ftatt.
Den ßanbegregierungen bleibt eg oorbeßalten, ben SRentenfteden
ißreg Begirfg aud) Die Entfcßeibung über bie SRentenanträge gu-
guweifen. Eg banbeit ficb hier offenbar um ein im Bunbegratß
gu Stanbe gefomrneneg Kompromiß gwifdßen ben Sreunben unb
(Gegnern ber SRentenfieHen. Auch in ben greifen ber Borftänbe
ber Berficßerungganftalten batte man gegen bie Uebertragung ber
Entfcßeibung an bie SRentenfteden mannigfache Bebenfen geäußert,
unb eg ift meßt gu leugnen, baß ber neue Borfcßlag geeignet ift,
biefe Bebenfen gum größten Dßeile gu befeitigen. Durch bag neue
Berfaßren roirb jebenfadg erreicht werben, baß bie Borbereitung
ber Anträge eine grünblicbere fein wirb, baß in Solge ber 2Rit*
wirfung ber Arbeitgeber unb Berficßerten im Borbereitungg* unb
Entfcßeibungg-Berfaßren bie Entfcßeibung oielfad^ eine fachgemäßere
unb für bie Berficßerten oertrauengwürbigere fein wirb, baß enblicb
aug allen biefen ©rünben eine Anfechtung ber erftinftanglicf)en Ent*
febeibung oiel feltener ftattfinben wirb alg bigßer. ®iefe leßte
Schlußfolgerung legt bie Erwägung nahe, ob bag Snftitut ber
gweiten Snftang, bie Scßiebggericßte, noch weiter auf*
recht erhalten werben foII.
Die SRotioe felbft weifen hierauf hin; wenn bie Aooede aber
troßbem bie Scßiebggericßte beibehalten will, fo erfeßeinen bie hier¬
für beigebrachten ©rünbe in feiner SBeife fticßßaltig. Der ©aupt- .
grunb ift bie (Gefahr, baß bag beamtete Borftanbgmitglieb oon
feinen beiben Beifißern, bem Arbeitgeber unb bem Berficßerten,
üb er ft im mt wirb, baß alfo gegen ben "Bitten beg Beamten bie
Bente gur geftfeßung gelangen muß. 3unäcßft ift gu benterfen,
baß bie gleiche ©efaßr auch btn Entfcßeibutigen beg Scßiebg*
gerießtg oorhanben ift. Dann glaube ich aber auf ©runb meiner
langjährigen Erfahrungen bie Uebergeugung augfprechen gu fönneu,
baß eine folcße Üeberftiuimung nur m feltenen fällen oor*
fommen wirb, baß aber in ben meiften oon biefen feltenen gälten
bie übereinftimmenbe Anficht ber Beifißer gum SRinbeften feßr gute
©rünbe haben wirb. Aber wegen biefer möglichen oereingelten
gätte eine große unb foftfpieligeDrganifation beiguoeßalteii, bafür ocr*
mag idh bie Aotßroenbigfeit nicht anguerfennen. 9Ran ergreife hoch
enblicß bie Gelegenheit, um einmal wirflid) gu oereinfaeßen!
Bill man bureßaug ben Borfißenben beg Borftanbeg bie 9Röglicß*
feit geben, in befonberg mißlichen fällen SRemebur gu fchaffen, fo
feße man bie Dßatfadje, baß bie Entfcßeibung gegen ben Bitten
beg Borfißenben gefällt ift, algSteoifionggrunb feft; ich bin
licßer, baß bie 3aßl ber hierauf fi<h ftüßenben SReoifionen nur eine
fehr geringe fein wirb.
Die feßwerften Bebenfen muß ich 9 e Qea bie gorm ber
Schaffung ber Bentenftellen unb ihre Einfügung in ben
©efammtorganigmug ber Snoalibenoerficßerung geltenb
machen.
Die Stentenftetten foden örtüdje Drgane ber 23erfiehe*
rungganftalt fein, bei ber Schaffung biefer ihrer Drgane fteht
aber ben Anftalten eine entfcßeibenbcSRitwirfung nicht gu, ingbefonbere
wirb ber leitenbe Beamte, bie wießtigfte ^ßerföiilichfeit, nießt oon
ber Anftalt, fonbern oon ber Öanbegregieruna beftedt. Damit
ift oon oornherein ber Keim gu 3wiftigfeiten gelegt,
welche geeignet fein werben, ein innigeg 3 u famtnen*
arbeiten ber Anftalt mit ben SRentenftellen wesentlich gu
erfchweren unb bamit bie fogialpolitifch günftigen Bir*
fungen ber neuen Einrichtung- wieber gu paralpfircn.
"JRit ooUftem stecht hatte ber urfprüngliche, bem Bunbegratß gu*
gegangene Entwurf bie Befiimmung getroffen, baß bie Borfißenben
ber SRenteuftcden oon ben Anftaltgoorftänben gu befteden finb.
Daß bie nunmehr bitrcß bett Bunbegratß getroffene Aenberung eine
Berfcßlecßterung bebeutet, bie ben Bertß ber gangen Sit*
ftitution in fjrage ftellt, ift nicht gu begmeifelit. Sn ben
Bunbegfiaaten, in welchen an ber Spiße ber Anftalten Staatg*
beamte flehen, mag eg nod) angeßen, baß auch Staatgbeamte an
bic Spiße ber SRentenftellen treten, ©ier fann im Bege ber Dienft*
auffießt leicßt bie erforberlicße Entente ergielt werben. Aber in
Preußen, wo burdjgängig ^rooingial- begw. ftommunalbeamte alg
Leiter ber Anftalten fungiren, würben biefe Beamten ben ftaatluß
beftedten 2Sorfißenben ber $Rentenfteden gegenüber halb in bie
fdjwierigfte Stedung fommen, unb bei Aufbietung aden ^afteo I
würbe eg unmöglich fein, bie fdfjmerften ^ifferengen gü oermeiben.
3)ie IRücfwirfung auf bie 23eßanblung ber ©efd)äfte ergiebt fieß
oon felbft. tiefer ^ßunft erfeßeint mir oon ber größten Skbeutung.
3Ran fodte boeß an ben Erfahrungen, bie mit ben Staaig-
fommiffareit gemacht worben finb unb bie man jeßt glücflicß be*
feitigt hat, lernen, ^ier werben aber bie 3 u ftänbe noeß oiel
fcßlimmer werben, wett ber S3orfißenbe ber Anftalt, ber $rooiitgial-
begm. ^ommunalbeamte, fieß gegenüber ben ftaatlicß beftedten ^or-.
fißenben ber SRentenfteden in einem iibergeorbneten S3erßältniß
befinbet. 23ei ber Drganifation ber SRentenfteden ntüffen bie S3er=
ficßerungganftalten bie weitgeßenbfte SOUtwirfung erßalten. $)ie
Anftalten mitffen gunäcßft gang felbftftänbig über bie Abgrettgung
ber 29egirfe gu entfeßeiben ßabett, ba fie ja bie in 23etrad)t
fommenben 23erßältniffe am beften fennen. Eg muß ißnen ferner
bie Ernennung ber 33orfißenben unb bie Seftfeßung ißrer 23egüge
gufteßen. ©erabe oon ber Augwaßl ber SSorRßcnben ber Stenten*
fteden, oon ißrer fogialpotitifd)en Befähigung gu biefem Amte wirb
ber gange Erfolg ber neuen Einrichtung abßängen. Söelcße Be*
ßörbe fönnte aber geeigneter fein biefe Augwaßl gu treffen, alg
ber Borftanb ber BerRcßerungganftalt felbft unb welcße ©rünbe
foQen bafür oorßanben fein, ißm biefeg Stecßt gu nehmen? $>ie
Söieberßerftedung ber urfprünglicßen Borlage an ben Bunbegratß
ift in biefem fünfte unerläßlich, bann werben bie SRentenfteden
bag werben, wag fie fein foden: ein Drgan ber Berficßerungg-
anftalt, bag in oollftcr ©armonte mit ber Eentraloer*
wattuna oßue Betonung irgenb welcßer Sottberintereffen
bag ©efeß gur Durchführung bringt.
s Dfeine grunbfäßlicße Stedung für bie Stentenfteden ift bebingt
bureß bie beftimmte Annahme, baß biefeiben ben erften Schritt
gur Eentralifirung ber gefammten Arbeiteroerficßerung
büben werben unb foIIen. Sngbefonbere ift bie oöllige Ber*
fcßmelgung ber Saoalibitätg* unb £ran!cuoerfid)erung
in ben neuen örtücßen Drgaiten, welcße icß fürglicß in biefer 3eit-
fd;rift augfüßrlicß erörtert habe,*) unoermeiblicß unb eg wäre feßr
gu wünfeßen, baß in biefer Begießung ber Steid)gtag feßon jeßt eine
beftimmte Stedung einnehmen würbe. iRan fodte aueß begwegen
bie Begeicßnung „Stenteuftedeu" oermeiben unb ftatt beffen bie oon
mir gebrauchte Begeicßnung „Arbeiteroerficßerunggämter"
wählen, um bamit bic künftige Stedung biefer Drgane im ©e*
fammtorganigmug ber Arbeiteroerficßerung gu cßarafterifiren.
II. ©caen bie iit ber 9?ooede oorgefdßlagene anberweite Ber*
tßeiluug Der Stentenlaft habe icß bereitg meinen BHberfprucß
geltenb gemaeßt, unb icß fann biefen BMberfprucß nur auf bag
Entfcßiebenfte wieberßolen.
Eine anberweite Bertßeilung ber Stentenlaft ift berechtigt, foweh
eg fidß um einen oeruünftigenAuggleicß in ber Bentenbelaftung ßanbelt,
wie fie bei eingelnen Berficßeniugganftalten burd; ißrer Einmirfung
nidßt unterliegenbe Berßältniffe gefdjaffen ift. B3id man aber barüber
ßinaug eingelnen Anftalten aufcSi ofteu ber „reichen" Anftalten ungerecht*
fertigte Bermögengoortßeile guwenben, fo ift biefe Abfidjt mit ber
größten Entfdjiebenßeit gu befämpfen. Einen oernünftigen Augaleid)
würbe icß in ber bereitg friißer oon mir ooraeftßlagenen Bertßeilung
beg ©runbbetrageg ber SRenten auf fämmtlicße Anftalten
naeß Maßgabe ber in ißren Begirfen o'orßaitbenen oer-
fidßerunggpflicßtigen Berfoneu feßen, eine ungerechtfertigte
3uwenbung oon Bermögengoortheilen feße id) in ber Borlage ber
oerbünbeten Siegierungeit. Die Bertßeilung beg ©runbbetrageg
würbe gweifetlog bie ©efunbung ber gegenwärtig notßleibenben unb
efäßrbeten Anftalten gur $olge ßaben, einen weiteren 3 roef f
arf aber unb foll bie ^Reform nicßt ßaben. 2öeun eingelnc
Anftalten große Kapitalien anfammeln, fo fteßen biefen An*
fammlungeit aueß feßr große Belüftungen gegenüber, unb erft bie
fernere 3ufunft wirb getgen, ob wirflid) ber lleberfdjnß ein über¬
mäßig ßoßer ift. Scßon früßer habe icß barauf ßingewiefeu, wie
in ben inbuftrieden Anftaltgbegirfen bie 3 a ß^ ber Snualibenrenten
fortgefeßt im Steigen ift — wäßrenb fid) in länblkßen Anftaltg¬
begirfen feßon ein Biicfgang bemerfbar mad)t —, wie in biefen
Anftaltgbegirfen friißgeitig Snoalibifirungen ftattfinben, weld)e bic
Anftalten ftarf belafteit, wie enblicß bie oorbeuaenbe Kranfenfürforge
fieß in biefen Begirfen gang befonberg notßwenbig erweift unb
enorme Auggaben oernrfaeßen wirb, ©crabc in biefem leßten Bunftc
fteßen wir erft in ben Anfängen ber Entwirfelung. Die Ber*
fidjerungganftalt Berlin giebt jeig t lö< > Ooü , ((. für Kraufenfürforge
aug, fie baut aber ©eiiitätten*Einriißtungcu für 5—6 Bfidioncn
SRarf unb wirb naeß Sertigftedung berfelben mit 500—600 000 . if,
jährlich belaftet fein! Unb biefe URaßnaßmc gefeßießt nießt beö*
■) Bergt. Sp. o.‘>3.
473
«Soziale $ra£is. Eentralblatt für Sogialpolttif. Str. 18.
474
wegen, weil bic Anftalt „beibenmäßig" oiel ©elb bat, fonbern weil
biefe gürforge für bic großftäbtifcßen Arbeiter, welche fich in ißrer
Slrbeitsfraft fcßneE abnußen unb leidet betn Siechtum anheim*
fallen, unumgänglich notßwenbig ift. Das, was ber in*
buftrielle Arbeiter in Solge feiner ungünftigen ArbeitS*
unb i'ebenSoerbältniffe weniger an Renten befommt,
foll er als ^ranfenfürforgeleiftung erhalten! Diefer
©runbfaß ift burehauS berechtigt, er wirb aber nicht in ooEern
SJtaße gur Durchführung gelangen fönnen, wenn man ben inbu*
ftriellen Anftalten ihre Einnahmequellen unterbinbet unb ihr 93er*
mögen oerringert. SJtan hat wohl nicht mit Unrecht barauf hin*
gemiefen, baß bie nothleibenben Anftalten gu einer ©efunbuna
leicht burch Erbgang ihrer Veiträge gelangen fönnten. ©ewiß
wäre es beffer, wenn eine folcße Vtaßnabme oermieben werben fönnte,
unb fie wirb oermieben, wenn man bie oben erörterte Verkeilung
bes ©runbbetrages ber Renten einführt. VHe will man es aber
rechtfertigen, wenn bie StooeEe bie |)erabfeßmtg gerabe berjenigen
Beiträge oor fieht, welche für bie nothleibenben Hn ft alten
baupifäcßlicb in betracht fommen? Die $olge baoon ift
bo<h bie, baß bie Einnahmen biefer Anftalten fich noch mehr oer*
ringern unb eine Saniruitg aus eigener Äraft gur Unmöglichfeit
wirb. (Gerabe biefe Vtaßnabme muß ju ben fchwerften
Vebenfen unb au bem ftärfften Vtißtrauen gegen bie
Vorfcßläge ber Stooelle führen.
3<h n)iü mir oerfagen, auf bie fjhweren politifchen Ve*
benfen eingugeben, welche biefer „VermögenStbeilung" entgegen*
ftehen. Vtan betritt bamit einen 38eg, welcher gu ben gefährhehften
$onfequengen führen muß. Die Sogialbemofratie müßte eigentlich
3U ber geplanten Reform mit ©enugtbuung ihre ooHfte 3uftimmung
geben, fie wirb es aber nicht thun bürfen, wenn fie fidh nicht mit
ber gefammten inbuftriellen Arbeiterfdjaft in ben ftärfften Söiber*
fprueß feßen wiE.
Die SJtaßnaßme, baß man ftaatlicß anerfannten, behörblich
organifirteit StecßtSperfönlicßfeiten einen großen Dßeil ihres Eigen*
ißums entgießt, wenn auch S ur Erfüllung oon Verpflichtungen für
bie ©efammtheit, ift ohne jeben Vorgang. 3<h warne auf baS
Dringenbfte, fji er einen ^räcebenjfall su feßaffen! 3)tan
laffe ben Anftalten ihr Eigenthum, man laffc ihnen bic freie Ver*
waltung über baffelbe unb befeßränfe fi<h barauf, einen feft be*
ftimmten ber Stente, ben ©runbbeirag, als gemeinfcßaftliche
Saft fämmtlicher oerficherungSpflicßtigen Sßerfonen feftgufeßen, fo
baß bie Stente befiehl:
a) aus einem 2heü, welchen bas Weich trägt (SteidjSguichuß oon
50 Je.)',
b) aus einem Dßeil/ welcher oon fämmtlichen oerficherungs*
pflichtigen $erfonen gemeinfchaftlich getragen wirb (Wrunb*
betrag oon 60 M.)’ t
c) aus ben Stetgerungsbeträgen, welche jebe Anftalt für fich trägt.
Durch biefe Sftaßnabme wirb ein oerniinfticjer unb wohl*
berechtigter Ausgleich in ber Stentenbelaftung gefdjaffen, welcher ge*
eignet ift, im £aufe ber 3*it eine oöEige ©efunbuna ber bebrohten
Anftalten herbeijuführen, ohne baß irgenbwelche beoenfliche Sieben*
mirfungen — ©efäßrbung ber Selbftoerwaltung, ©efährbuug einer
rationeuen fparfamen Vttrthfcßaft u. f. w. — gu befürchten finb.
hierbei möchte id) mich gleichseitig gegen bie 3orm wenben,
in welcher bie StooeEe eine Erhöhung ber Stenten oornehmen
wiE. Der Stentenerhöhung an fich ftehe id) feßr fpmpathifch gegen»
über. Abgefebeit oon ber wirtbfdjaftlicßen Stotbwenbigfeit wirb biefe
Erhöhung ber gangen 3nftitution unb bereu Durchführung fehr
gum Vortheil gereichen, fie wirb baS Sntereffe ber Arbeiter an ber
Verficßerung wefentlich fteigern unb ihr aud) in ben Streifen ber
übrigen Veoölferuna mehr öreunbe gufiibren. ^iir burcßauS oer*
fehlt erachte id) aber ben Söeg, ben bie StooeEe einfehlägt: bie
Erhöhung bes ©runbbetrages unter gleichseitiger .^erabfeßung ber
Steigerungsbeträge berart, baß bie Altersrente überhaupt nur aus
bem ©runbbetrage befteht unb bei ber Snoalibeitrente bie Stenten*
fteigerung burd) Vtarfen hinter bem ©runbbetrage ooEftänbig
gurücfbleibt. Diefe Vtafenahme fleht im engften 3ufuntmenhang
mit ber anberweiten Vertheilnng ber Stentenlaft, burch welche eben
bie alfo erhöhten ©runbbeträge genteinfame Saft fämmtlicher Au*
ftalten werben foEen. Die gemeinfame Saft wirb babureb
berart gefteigert, bafj ihr gegenüber bie Sonberlaft burch
bie Steigerungsfähe faft gar nidjt mehr in Vetrad)t
fommt. Die golge baoon ift sunächft bie, bah bie Verftd)erungS*
anftalten an einer fparfamen Stenieumirthfchaft gnr fein Öntereffe
mehr hoben, ba{j aber weiter bie Verheerten feloft jebeS Sntereffe
an ber regelmäßigen fortbauernben Verwenbung ber SJtarfen oer*
lieren. Daß bieS ber Durchführung ber Verfichtung nid^t jum
Vortheile gereiet, liegt auf ber £anb. Am gweefmäßigften wirb
baher bie Wentenerhöhung bur^ Erhöhung ber Steigerungs*
fäße erjielt; baneben fann man inbeß noch eine mäßige Erhöhung
beS ©runbbetragS eintreten laffen.
III. Das Suftitut beS StaatSfommiffarS ift befeitigt
worben; es entfpricht bieS einem oon aEen Seiten auSgefprochenen
Verlangen. Statt beffen fieht nun ber Entwurf eine ber*
artige Vefdjränfung ber Selbftoerwaltung ber VerfichermtgS*
anftalten oor, baß biefelbeit, oor bie Söahl gefteIXt, feinen Augen*
blief gögem würben, fich für bie Aufredbterhaltung beS beftehenben
3uftanbeS ju entfeheiben. Der Staatsfommiffar war mehr läftig
als gefährlich; bie neuen Veftimmungen beS Entwurfs ftnb aber
geeignet, bie Selbftoerwaltung Der Anftalten oöllig ju
oernichten. S^ach bem Entwurf wirb närnlid) baS Stecht ber An*
ftalt, ihr Vubget felbftftänbig aufjufteflen, aufgehoben unb bem
weiteren Äommunaloerbanb begw. ber SanbeScentralbehörbe baS
Stecht gegeben, ben Voranfd)lag nach ihrem Velieben feftgufeßen.
Welcher Arbeitgeber unb Arbeitnehmer wirb unter foldjen Verhält*
niffen noch Suft hoben, bei ber Verwaltung ber Anftalt mitgu*
arbeiten? 3Bie wiE man biefe SJtaßnahmen mit bem bebeutfamen
3iele unferer Sogialgefeßgebung, bie Arbeitgeber unb Arbeitnehmer
gu gemeinfamer Arbeit in ber Selbftoerwaltung ber Crganifation
gu oereinigen, in Einflang bringen? Es erfepeiut gängUch ouS*
aefchloffen, baß ber SteidjStag, welcher fich bereits bei ber Verathung
Der erften StooeEe mit EinheEigfeit unb Entfchiebeuhcit gegen jebe
Vermehrung ber Aufficht unb Vefchränfung ber Selbftoerwaltung
auSgefprochen hot, biefen Veftimmungen beS Entwurfs feine 3«*
ftimmung geben wirb. ES ift nur gii Bebauern, baß überhaupt ber*
artige Vorfcßläge gemacht werben fönnen! Aus bemfelben ©runbe
finb gwei weitere Veftimmungen gu oerwerfen: baS Stecht beS
weiteren ÄommunaloerbanbeS begw. ber ßanbeScentralbehörbe gur
VefteEung eines ÄommiffarS mit berathenber Stimme bei ben Ver*
hanblungen beS AuSf^uffeS unb baS Stecht beS Vorfißenben ber
VerftcherungSanftalt gur Veanftanbuna oon Vefchlüffen ber Draane
ber VerficherungSanftalten. Die erfte Veftimmung ift praftifch
wirfungSloS unb fdjafft nur Verftimmung, für bie gmeüe Ve*
ftimmung liegt eine Stothmenbigfeit nicht oor.
IV. Es ift nid)t auSgefcpIoffen, baß ber SteicßStag bie für
bie oerbünbeten Stegierungen wichtigften Veftimmungen ber StooeEe
ablehnt unb bamit bie gange Stooeue gum Scheitern bringt. SoEte
bieS eintreten, fo wäre es bringenb erwünfeht, baß eine große An*
gahl oon abänbernben Veftimmungen ber StooeEe, welche gur Ver*
einfachuna unb Erleichterung bei ber Durchführung beS ©efefceS
bienen, über bereit 3n>ecfmäßigfeit fein 3n)eifel obliegt, bie anberer*
feitS bie Vringipieit beS ©efeßeS in feiner 9Seife berühren, ©efeß
werben. Ein bei ber Verathung ber erften üftooeüe fidß in gleicher
Stidjtung bewegenber Antrag ber Abgeorbneten Sticfert unb Stoeftcfe
würbe oon bem bamaligen Staatsfefretär bes Snnern mit ber Ve*
merfung abgelehnt, „es wäre nicht angängig, bie Stojtnen aus bem
tuchen gu nehmen". Diefer Stanbpunft ift unhaltbar, unb ich
habe bie fefte Uebergeugung, baß ber jeßige Staatsfefretär ihn
nicht acceptiren wirb. Die Sntereffenten beS ©efeßeS, b. h- olfo bie
gefammte Veoölferung hot ein Stecht barauf, gu oer*
langen, baß biefe erleichternben Veftimmungen enblich
in traft treten, unb es ift nicht angängig, biefe Veftim*
mungen gum ©egenftanbe eines gefeßgeberifchen .fjanbels
gu machen.
Verlin. Dr. jur. SHcßarb Sreunb.
Allgemeine Sojtal- unb mtrttjfdjaft^politth.
Sogialpolittfihe Debatten im ^Reichstage*
3m Steichstag hat wie aEfäßrlid) bie Verathung beS Etats
beS Stei^SamtS Des 3nnern gu einer mehrtägigen aEgemeitien
fogialpolitifdjen Debatte geführt. An leitenber SteEe ift biefe, fo*
weit bie großen ©eficßtSpunfte in Vetracßt fommen, bereits in ber
leßten Stummer gewiirbigt worben. §ier foEen nur einige Eingel*
beiten nachgeholt werben. Die fogialbemofratifcben Abgeorbneten
traten bieStnal gang befonberS als fajarfc §üter ber Ausführung ber
Arbeiterfchußgefeße auf, obgleid) fie früher gegen faft afle biefe
©efeße geftimmt hoben. Sie geigten fich babei, was ben Vau*,
tonfeftionS*, ©IaS» unb VorgeEanarbeiterfdjuß unb ben Sd)uß ber
Seeleute betrifft, gugleich als eifrige Vtaßner unb Dränger, jvrei*
lieh fonb fieß ber fogialbemofratifche Abgeorbnete Singer and) be*
wogen, oor einer Ueberfchäßung ber „Vlaufcrung" innerhalb ber
Sogialbemofratie gu warnen. Die Sogialbemofraten betrachteten
aEe Reformen nur als „AbfcßlagSgahlungen" unb feien innerhalb
476
©ogiale SßrafiS. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Rr. 18.
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ber heutigen Wirthfchaftsorbnung überhaupt nicht gufrieben gu
fteßen.
3tn Eingelnen ift aus ben Serhanblungen gu berieten, baß
bie feit Saljrcn aitge!iinbigte neue ©eemannSorbnung, bie an
bie ©teile ber oeralteten, aus bem Anfänge ber 70 er Fahre
ftammenben treten faß, in biefer ohnehin iiberlafteten ©effton nicht
mehr oorgelegt, fonbern ber nächften ©effion oorbehalten werben
füll. An bieReoifion ber Unfalloerficherung foß erft gegangen
werben, wenn bie jefct bem Reichstage oorliegenbe umfangretdje
Rooeße gum FnoalibitätS* unb AlterSoerficherungSgefeß erlebigt
ift. Tie Bäcfereioerorbnung, gegen welche wieber gewaltig
©turnt gelaufen würbe, foß, fobalb bie Ergebniffe ber auf Anorb*
nung beS ReichSfanglerS oon ben Eingelftaaten über bie Wirffam*
feit oer Serorbnung augefteßten Erhebungen ooßftänbig oorüegen,
einer erneuten Prüfung untergogen unb eoentueß abgeänbert
werben, bod) wiß babei bas Zentrum, wie ber Abgeorbnete
Dr. .|)ifce erklärte, oon betn Waße beS bisherigen ©cßußeS ber
Arbeiter fein Sota abwei^en. Tie Äommiffion für Arbeiter*
ftatiftif, bie namentlich oon £>errn o. ©tumm wieber angefeinbet
würbe, aber oon ihren BHtaliebern, ben Abgeorbneten Dr. £>iße unb
9Mfenbuhr, gefd)icft oertbeibigt würbe, foß bemnädjft mit Er*
Ö en über bie Arbeitcroerhältniffe in ben ©laSfcßleifereien,
.d;Ieifereien, ThomaSfd)latfe*Fabrifeu unb Blei* unb 3inl*
betrieben betraut werben. Auch ber Erweiterung ber tfommiffton
gu einem Reichsarbeitsamt würbe, wenn auch nur nebenbei,
baS Wort gerebet. FnBegug auf ben Bauarbeiterfchuß würbe
oom ©taatsfefretär anerfannt, baß noch große SMßftänbe auf ben
Sauten beftänben. Tie oon ben ©ogialbemofraten oerlangte
Unterfteßung ber Sauten unter bie ©ewerbeaufftd)t fei aber unauS*
führbar. Tie Bauaufficht fönne nur burch lofale Oraane wahr*
genommen werben. Er habe Enbe 3«ni oorigen Jahres ein
Runbfdjreiben an bie oerbünbeten Regierungen erlaffen unb in
biefettt bie Rothwenbiafeit eines oermehrten ©chußeS ber Arbeiter
auf Sauten betont. Er hohe u. 21. eine Serfdjärfung ber llnfaß*
oerhütnngSoorfchriften ber Sau*BerufSgenoffenfchaften angeregt,
ebenfo befferen ©efunbheitsfd)uß ber Sauarbeiter. Er hohe auch
angeregt, baß bie Sauunternehmer ber Sßoligeibehörbe Arbeiter
präfentiren möchten, welche bie Äontrole ausübten unb, wenn ber
polier bie gefetlichen Anfprücße nidE»t erfüße, ber Boligei Renntniß
geben möchten. — |>eroorguheben wäre noch, baß ber d)riftlich*f ogiale
Abgeorbnete ©töcfer fehr warm für bie Fortführung ber ©ogial*
reform eintrat unb oor bem „3u<h*hauSgefeß" unter Hinweis auf
ben unoerfennbaren WauferungSprogeß innerhalb ber ©ogialbemo*
fratie warnte.
Sei ber Serathung bes ooit ben ©ogialbemofraten gefteßten
Eintrages auf Einführung obIigatorifd|er ©chiebSgerichte,
Aushebung berfelben auf alle Arbeiter, baS ©efutbe unb baS
faufmännifdje £>ülfsperfonal, Serleihung beS aftioen unb paffioen
Wahlrechts auch auf bie grauen unb £>erabfeßung beS Wahlrechts*
alters auf 20 Fahre, gelangte auch eine Refolution auf Ein*
führung faufmännifcher ©chiebSgerichte mit gur Se*
ratfjung. ®er ©taatsfefretär beS ReichsjuftigamteS bemerfte, baß
bie Serhanbluitgeit über bie faufmännifchen ©chiebSgerichte noch
nicht gum Abfcßluß gelangt feien. RZeinungSoerfchiebenheiten
herrfthen inSbefonbere barüber, ob bie ©chiebSgerichte ben Amts*
geridhten ober ben ©ewerbegerichten angegliebert werben foßten.
Tie ©ache werbe aber weiter eingeheno unb ernft geprüft.
Tie Refolution würbe angenommen, bagegen ber fogialbemofratifche
Eintrag abgelehnt. Tafür würbe folgenber, oom Eentrum ein*
gebrachte Antrag einer 14gliebrigen ftontmiffion gur Borberatljung
überwiefeit: Tie oerbünbeten Regierungen gu erfuchen, bem Reichs*
tage tfjunlicf)ft halb eine Rooeße gu bem ©efeß, betreffenb bie
©ewerbegerichte, oorgulegen gu bem S^ecf
a) eine georbnete Aufstellung ber Wäljlerliften wirfiamer gu sichern;
b) bie Errichtung oon ©ewerbegerirfjten obligatorifcb gu machen, foweit
nicht bie 2anbcSregierung wegen mangelnbeu Scbürfniife« Ausnahmen
gcftaltet; c) bie Stompcteng ber ©emerbcgcrichtr als EiuigungSämter
60 bes OH'fepes, betreffenb bie Weroerbcgcridite) baljiit gu erweitern,
bnß biefelben auch ohne Anrufen ber frreitenbeit Parteien für bie Sei*
legititg ber Streitigfeiten wirfeu fonnen.
Eine fehr glücfliehe Anregung gab Abgeorbneter Roeficfe*Teffau,
ber überhaupt in bett gangen Tebatten mit ebenfooiel Eifer wie
©efcfjicf beit Fortfehritt ber ©ogialreform auf aßen ©ebieten oertrat,
mit bem ©ebanfen ber Errichtung eines BtufcumS für fogiale
^ rar iS, ber bie bereitwillige 3 u fliwmung beS Eentrums, ber
Rationalliberalen, ber ©ogialbemofraten unb fogar bes Jvrei^ccrn
oon ©tumm fanb. Ter ©taatsfefretär meinte, baS fei eine fehr foft*
fpielige ©adje, was oon ©eiten mehrerer Slbgeorbneter beftritten würbe.
Tie Wohnungsfrage nnb Dlinifter oon Stignel* Es ift bc*
fannt, bah Dr. o. Riiquel feit langer fyit ber Wohnungsfrage fein
lebhaftes Sntereffe guwenbet. 2lis Dberbiirgcrmcifter oon Sranf*
furt a. hat er fogar oor gehn fahren auf bem SereinStage für
öffentliche ©efunbheitspflege ein einbritiglicheS ^laboper für ein
reichSgefehlicheS Sorgehen gur Sefeitigung beS WohnungSelenbs
gehalten. 3efct hat er feine Slntheilnaljme aufs Reue öffentlich be*
funbet. 3n ber EtatSbebatte beS preufcifchen 2lbgeorbnetenhaufes
erflärte er am 23. Qanuar nach bem „ReichS-'2lng.":
„©laubeit ©ie mir, eine gute Wohnung, eine billige
Wohnung, eine reinliche Wohnung, gute ©efellfchaft
giebt gutes Familienleben, gutes Familienleben giebt
Moralität unb oerftänbtge ©efimtung!"
TaS finb wahre unb fchöne Worte! 9Röge ber Finangminifter
bafür forgen, bafe bie Wohnungsfrage nicht nur für bie ftaatlicheit
Seamten, fonbern auch für bie Rtillionen gelöft wirb, bie je^t in
menfehenunwürbigen 3 u fßinben häufen miiffen.
©<h M h ber Augefteßten in Babengefchäften. 3 e il un 9 §na chrichten
gufolge faß in einer Rooeße gur ©ewerbeorbnung für ©efehäfts*
angefteßte eine gchnftünbige, ununterbrochene Ruhegeit unb ein*
ftünbige Tifchgeit, faßs außerhalb beS ©efehäfts gefpeift wirb, oor*
gefchrieben werben. Ausnahmen werben für Weihnachten, gur
Qnoentur 2 C. gugelaffen. Faßs gwei Trittei ber ©efehäftsinhaber
eines CrteS es beantragen, fattn oon ber ©emeinbebeijörbe ein
obligatorifcher ©efchäftsfchlu^ oon 8 Uhr AbenbS bis 6 llhr
RforgenS mit bem Rerbot beS ^aufirhanbels währenb biefer 3*ü
oerfügt werben.
ftotttmuttale
Stoeiter |»reu§if(^er ©täbtetag* Auf bem aßgemeinen preufei*
fcheit ©täbtetage, ber am 23./24. Fanuar unter bem 9$orfib beS
Dberbürgenneiftere SBecfer*^öln in Berlin tagte, waren 79 ©täbte
oon 25 000 Einwohnern unb barüber burdj 130 Abgeorbnete oer*
treten. Tie Herfammlung erflärte ihre 3uftünmung gu ber Ein*
gäbe beS hanttooerfchen ©täbtetageS an baS ©taatSminifterium,
bafe bie Ueberweifung ber gefammten Wafferbauoerwaltung an baS
lanbwirthfchaftliche TOnifterium ben Fntereffen ber ©täbte nicht
entfpred)e.
Für bie gefehliche Regelung ber RedjtSoerhältniffe ber ^om*
munalbeamten (23erid)terfiatter ©tabtrath Rtenhel*33reSlau) beharrte
ber ©täbtetag im ©rohen unb ©attgen auf ben ©runbfäfeen, bie
ber erfte preuhifche ©täbtetag oom 29. unb 30. ©eptember 1896
(ogl. Sahrg. VI ©p. 33) aufgefteßt unb bie fpäteren prooingießen
©täbtetage im Aßgemeinen gebißigt haben. Tie fefte Anfteßung
jebes ffommunalbeamten erforbert bemnach eine bie Ernennung
gunt ^ommunalbeamten enthaltcube fd)rtftlic§€, bem Seamten gu*
aefteßte Erflärung ber guftänbigeu Sehörbe. Tie lebenslängliche
Anfteßung foß oon einer fünfjährigen Ticnftgeit in ber ©emeinbe
unb bem ^)öchftalter oon 35 Fahren abhängig gemacht werben.
Tie fünbbare Anfteßung foß im ©efejj ausgesprochen werben für:
a) Seamte, beren 3*it unb Kräfte burch ihnen übertragenen
©efchäfte nur nebenbei in Anfpruch genommen werben; b) Beamte,
beren Obliegenheiten im Wefentlidjen in mechanifchen ober unter*
eorbneten Tienftleiftungen befteheu; c) Beamte, beren Obliegen*
eiten in technifchen, wiffenfchaftlidjen ober fünftlerifchen Tienft*
leiftungen beftehen; d) Beamte ber ftäbtifchen Setriebsoermaltungen.
Auch hi er ift i>ie Benad)theiligung ber „Technifer" unb „Wißen*
fchaftler" auSgefprocheu, bie fid> burd) unfere gange ©taatSoerwal*
tung gieht, unb im felben Augenblick, wo eine Reihe ©emeinbeit
baran gehen, felbft ben ftäbtifchen Arbeitern ^enfionen gu fidjern,
foßen hier Beamte für bie medjaitifchen unb untergeorbneten Tienft*
leiftungen, meift hoch gerabe bie fchwädjften Epftcngen, oon ben
Wohltpaten ber höh ere a Beamten auSgcichloffen fein. Auf baS
I Entfchiebenfte würbe bemt audj bie Beftimmung beS Regierungs*
entwurfs oermorfen, wonach bie Auffidjtsbchörbe'"ebenfo befugt wie
oerpflichtet ift, bie ©emcinben gur Bewißigung angemeffener Be*
folbungsbeträge anguljalten. Ein Eingriff in bie ©elbftoerwaltung
liegt h^r oor, baS ift nid)t gu leugnen; es wäre aber bei bem
Seriellen oieler, unb nicht ber ärmfteu ©emeinbeit gu ber Frage
ber lebenslänglichen Anfteßung ber BureauhülfSarbeiter :c. nicht
eben oerwunberlid), wenn bie Regierung an biefer Beftimmung
feftl)ielte unb bie .Silage, baburch wiirbe bie BeatntenbiSgiplin fchwer
gefährbet, unberiicffid)tigt ließe. Bei ber Bcnfioniruitg ber Beamten
woflen bie ©täbte ebenfalls freie £>anb gu befonberen Berein*
i barungett behalten, oor Aßem nicht gegwungeit fein, bei Benteffung
! ber $enfion biejenige Tienftgcit gu beritdfichtigen, welche ber
477
Sogiale BrajtS. Sentralblatt für Sogialpolitü. Rr. 18.
478
Beamte im Dienfte bes Reiches, beS ©taateS ober eine« anberen
$ommunaloerbanbeS oerbrad)t habe. Rur Bereinbarungen über
beit AuSfdjluß ber $enfton^berec^tigung Jollen ber ©enehmigung
bes BegirfSauSfdjuffeS bebürfen. Erfreulicher ift bie freubige 3«*
ftimmung gu ber geplanten gefeßlidjen Regelung ber Reliften*
oerforgung.
Bei ber Sfrage ber gleifdjoerforgung ber ©täbte fd)loß fid) bie
Mehrheit ben Erwägungen an, man Dürfe nicht bunt) Betonung
einfeitiaer ftäbti[cher ©onberintereffen einen ©egenfaß groifcheit
ftäbtifcper unb länblicher Beoölferung fd^affen, beibe feien auf ein®
anber anaeroiefeii, unb nahm unter Ablehnung ber toeitergehenben
'Anträge Des BerichterftatterS, ©tabtraths Dr. 3Leigcrt*Berlin, bie
Borfchläge ber Bütberid)terftatter Dberbiirgermeifter Delbriicf*Dangig
unb 5uß4fiel an, bie unter Anerfennung ber Rothroenbigfeit roirf*
ferner oeterinärpoligeilicher TOafgregeln unb ber einheitlichen Durch*
führung einer firengett 5lei[ct)fchau für Deutfd)lanb bie ©ernähr*
leiftung einer ausgiebigen 3leifchoerforgung ber ©täbte forberten, bie
ben minberbegüterten unb hanbarbeitenben klaffen ben Sleifdjgenuß
in einem Umfang, einer Art unb gu greifen gemährleiftet, Die ber
Lebenshaltung unb ben Löhnen biefer BeoölferungSflaffen ent*
fprecfje. Deswegen möge oon bem Einfnhroerbot nur unter
möglichfter geitlicper unb örtlicher Befchränfung unb nur gur Hb*
mehr einer unmittelbaren unb in großem Umfange bebrohlichen
©euche beS angrengenben AuSlanbeS ©ebrauch gemacht werben.
Die leßte Berhanblung brebte fich um ben ©djuß bes Sflein*
gcroerbeS gegen bie Bkarenhäufer. Bton einigte fich fchließlicf)
einftimmig auf einen Bermittelungsantrag bes ÖberbürgermeifterS
AbicfeS-granffurt a. 9R.:
1. ES !ann nicht bie Hufgabe bei: ©efeßgebmtg fein, bie fort*
fchreitenbe Entioicfelung ber $IeinhanbelS*Eroßbetricbe, foroeit fie bem
Entroicfeluitgsgange bes gefammten BürthfcbaftSlebenS entfprid)t, mit
gefeßgeberifdjen SWaßregeln gu befämpfen. 2. dagegen ift eine ber roirtf)*
fdjaftlidien Bebeutung unb ber LeiftungSfähigfeit ber .'panbelsbetriebe
cntfprerfjenbe Umgeftaltimg ber geroerblichen Befteuerung als eine Hn*
forberung ber Billigtet! unb ber ©eredjtigfeit gu begegnen. 8. Die
Seftfeßung ber EingcHjeiten einer folcbeit Befteuerung muß roegen ber
örtlichen Berhältniffc ben ©emeinben überlaffen bleiben. Dagu ift jeboch
erforberlich, baß burd) StaatSgefeß eine aitberroeitc Erunbiage ber ge*
roerblichen Befteuerung gefefjaffen roerbe. 4. Hußerbent ift es? Sadje beS
Staates, jebc fteuerliche Beoorgugung ber Eenoffenfchaftcn aufguheben
unb ber unmittelbaren unb mittelbaren 3örberung großfapitaliftifcßer
ÄleinhanbelSbetriebe — auch in ben formen ber Eenoffenfchaft — oor»
gubeugen.
HrbeiteranSfchüffe tmb HrbeitSartonmg in bett ftäbtifchen HanalifationS*
werfen gn Berlin. ,Die Arbeiter ber ftäbtifchen HanaÜfation richteten
im 9Rai beS oorigen 3afjreS an bie guftänbige Deputation ein Eefucß,
in bem ftc neben einer Erhöhung ber Löhne auch bie Einrichtung oon
HrbeiterauSfchiiffen unb bie Einführung einer HrbeitSorbnung oerlangten.
SBährenb man nun einem Sfjeile ber Arbeiter Lohngulagert geroährt
hat, ift bie Sorberung ber HrbeiterauSfchüffc unb ber HrbeitSorbnung
oon ber Deputation abaelchnt roorben. HrbeitcrauSjcbüffe foUen fceS*
halb für bie eingelnen Bumpftationen nicht burchfüßrbar fein, roeil bie
3aßl ber hier befcßäftigtcn Arbeiter gu Hein ift; für bie gefammten
11 Bumpftationeu nur einen HuSfcßuß gu errichten, roäre nad) SReinung
ber Deputation aber nidjt groeefntäßig. Die geroünfehte HrbeitSorbnung
fönne beSßalb nicht eingeführt roerben, roeil Der Betrieb gu oerfdjieben*
artig fei. — Die Arbeiter finb nicht gewillt, ftch ntit biefer Hbroeifung
gufrieben gu geben, ba fie bie angeführten ÖJrünbe feitteSroegS als ftidj*
haltig betrachten.
©tabtrath tmb ArBriterfantmer itt äürtdj. @inc lebhafte
DiSfuffion ß<ü im 3ürc^ e rifd)eit großen ©tabtrath bas ©efuch ber
Hrbeiterfammer um ein ©uboention oon 2000 ÖrcS. h^roorgerufen.
3n einer Eingabe hatte ber 3iftch l 'rif(he ©eroerbeoerein eneraifdj
gegen eine folcfje ©uboention aus ftäbtifchen Mitteln proteftirt,
roeil bie fogialiftifche Leitung ber Kammer ber N Dteifterfd)aft bie
Benufeung ber HrbeitSoermittlung burch bie Hammer unmöglich
mache; im Sfalle ber ©eroährung rourbe als ©eaenrecht eine ähn*
liehe ©uboention für bie ©tctte'noermittlungsftelle ber Bteifter be*
anfprucht. 3n ber DiSfuffion beS ©tabtraths griffen eingeltte
Stebner bie Hrbeiterfammer fdjarf an unb nannten fie ein ber
^arifer bourse de travail ähnliches BerhehungSinftitut. Dagegen
rourbe gcltenb gemacht, bafe in ber Hrbeiterfammer nur 38,7%
©ogialiften feien, unb bafe fie gur Berhiitung oon ©treifs fdjon
mehrmals gute Dienfte geleiftet habe. BenterfenSroerth ift bas
©eftänbnis eines ber ©uboention feinblich gefinnten Bauunter*
nehmerS, bafe nach feinen Erfahrungen mit organifirten
Hrbeitern roeit beffer gu unterhanbeln fei, als mit un*
organifirten. Der ©tabtrath bewilligte mit SRehrheit eine ein*
malige ©uboention oon 2000 JrcS., unb eS rourbe bie ©tabt*
behörbe eingelaben, gemeinfd)aftlich mit ben SReifter* unb Hrbeiter*
organifationen bie Örage ber Errichtung einer ftäbtifchen
HrbeitSoermittlungSftelle gu prüfen unb eine hierauf begügliche
Borlage auSguarbeiten.
©täbtifche BliScettctt. Das ftäbttfdhe HrbeüSamt in Stuttgart
hat bte HuSgahluug ber Unterftühung für bie reifenben SDHtglieber bcS
3RetaHarbciterüerbaubeS unentgeltlich übernommen. — Das ©rmeinbe*
follegtum ber batjrifdien Stabt Sürth hat ftdj mit 17 gegen 16 Stimmen
für ftufcnioeifc Einführung ber Sreigabe oon Lehrmitteln in ber Bolfs*
fchule ausgefprodien. — Sn Brifc bei Berlin ift ein Sdjulargt ange*
ftellt roorben. — Dte Sdpilfpnobe in Hamburg hat bei ber Regierung
bie fog. EinbeitSfchuIe empfohlen, bie Bürgerfcftaft ftd) für bie Ein*
führung beS fafultatioen unb unentgeltlichen Schwimmunterrichts in
bett BolfSfchuleu erflärt. — Der neue 18 00Ö Ouabratmeter große Spiel*
plah in ber 9Ragbeburger Borftabt Su bett bürg ift ber Bettufcmtg
übergeben. — S» SW an n heim roerben ebenfalls eine Heifje Spiel*
pläpe für bie Schuljugeub itn Laufe beS Sinters hergeftcOt. — Utttfab*
ftcucrtt für SLaarcnhäufer tc. roerben in Rorbljaufen unb Söiirgburg
geforbert. — Der eleftrifche Betrieb fchrettet in feinem SiegeSgug unauf*
haltfant weiter. Hus Berlin rotrb fogar gemelbet, baß bie ftäbtifdjc
Berfehrsbeputatiou befchloffett habe, bie neu auSgcfchriebenei! (ober*
irbifchett) Straßenbahnlinien itt ftäbtifdie iRegie gu nehmen. Der Blau,
bie eleftrifche $orf)bahn in eine Unterpflafterbafju überguleiteu, hat ber
3Ragiftrat nach einer SKittheilung an bie Stabtoerorbneten (ö. Januar)
auf gegeben. — Huf ber Strecfe Berlin—Brifc foll oertragSntäßig bis
fpäieftenS gum 1. DFtobcr 1900 mit bem eleftrifdjen Betrieb ber 3 c h |l=
pfenttigtarif eingeführt roerben. — Das Eemeinbefollegium Rüntberg
lehnte ben Regiebetrieb ber Straßenbahnen ab unb tritt in Unterbattb*
lungen mit einer Bmmtgefellfcbaft roegen neuer eleftrifcher Straßenbahn*
littiett. — Die Stabtoerroaltung ©öttingen oeranftaltet eine Umfrage
unter ber Bürgerfdjaft über bie Bereitroifligfeit gum Hnfdjluß an ein gu
errichtenbes ftäbtifcheS EleftrigitätSroerf. Der beS abgugebenbett
Stromes ift auf 6 ?f. pro ^eftoroattftunbe oeranichlagt. Die Brenn*
ftunbe einer 16 fertigen Elüljlampe foll bettmach nicht über 3^., bie*
jeniae einer lOfergigett Elühlantpe nicht über 2 pro Stutibe betragen.
Hu^ bie Hbgabe oon Eleftromotoren feitenS beS SBerfS ift in HuSßdjt
genommen. — HuS Erfurt unb Sonneberg i. Dh- wirb bie HuS*
führung neuer eleftrifcher 3 en tralen gemelbet. — Schöneberg bei
Berlin lehnte bie Uebernahme ber 3Rüttabfuhr tn ftäbtifdje Regie ab.
— 3n Berlin foll am 1. S^bruar ber erfte oon Büoaten betriebene
SRüüfchmelgofen eröffnet roerben, ber täglich Eentner 9RÜU be*
feitigen foll.
^rbeiterberaegung.
Der neue ©ewerfoeretnSbmtb itt EngUtib*
Der gur Berathung ber $iäne eines engen 3ufammenfchluffeS
ber ©eroerfoereine einberufene ©onberfongreß ber Drabe UnionS
hat, roie ber Kongreß tn Brtftol befchloffen hatte, oom 24.-26. Sanuar
in SRanchefter getagt. Hnroefenb waren etroa 280 Delegirte, bie runb
eine SRillion organifirter Hrbeiter oertraten, ©chon feit einigen 3ahren
hat bie SRÖglidhfeit eines allgemeinen BunbeS bie ©eroerfoereinS*
fongreffe beschäftigt, aber oiele ©chroierigfeiten traten ben Stounben
biefeS BlaneS entgegen unb fein ernftßafter ©chritt xur praftifdhen
Ausführung ift gemacht roorben, bis im oorigen Sapre in Briftol.
Die Hoffnung, einen folgen Bunb gn fdjaffen, ift aUerbingS fehr
alt. Aber eS fdheint, als ob erft ber ©egenbunö beS Kapitals ben
aenügenben Anftoß hätte geben müffen, um bie oerfdjiebenen
©eftionen ber Arbeit foroeit gu einigen, baß fie auf einen auSfülp
baren B^n eingingen. Dbroohl es nun aber nicht gu leugnen ift,
baß bie Erfahrungen im Btofchinenbauerfampf 1897/98 unb bie
Erftarfung ber Arbeitgeberoerbänbc bie EinigungSbeftrebungen ber
©eroerfoereine ftarf geforbert haben, barf man nicht glauben, baß
ber ©eift bornirter geinbfeligfeit gegen bie Unternehmer bie Be*
rathungeu ber lefcten 3Bothe in Bianchefter bel;errfcht hätte. Sin
©egentheil! Sßenn bie 3ufunft beS eben begrünbeten BunbeS ben
Hoffnungen feiner einflußreichften Anhänger entfpricht, fo roirb ber
Bunb nicht bem ©treitc, fonbern bem 3rieben bienen. Er roirb
bagu helfen, übereiltes Borgehen gu hinbem unb bie SRacht ber
weniger ihrer Berantroortung fich bewußten Beamten unb güßrer
ber ©eroerfoereine eingufchränfen. Die Errichtung ber neuen
Hörperfchaft ebnet ben 2Leg gu Berhanbluitgen bei einem ArbeitS*
ftreit, unb man barf annehmen, baß gerabe in ber Uebergeugung
oon ber Surchtbarfeit beS HampfeS bie ihrer ©tärfe fidj bewußte
Drganifation fich als Büttel gur Erhaltung bes SriebeitS erroeifen
roirb. Die Analogie ber Politiken Borgänge mit ben Snbuftrie*
oerhältniffen ift nicht gu oerfennen; auch h^ er Qitt baS: Si vis
pacero-—
©o bebeutfam nun auch ber Befchluß oon Btanchefter ift, fo
muß man ftch boch gegenwärtig hatten, baß er gur 3 c tt nur ooit
einer Berfammluna oon Delegirteit gefaßt roorben ift. Bis jeßt
hat ber neue Buno, ,.The General Federation of Trade Uuions 4 ',
noch ^ ne BÜtgliebfchaften in feinen Liften, unb roie einer ber be»
479
©ogütlc SßrajrtS. ©entralblatt für ©ojialpolttil. Br. 18.
480
fannteften ©ewerfoereinler, ber guglcid^ einer ber fünften An¬
hänger beS planes ift, gefagt haben foll: „3ßenit bie Btitglieb*
fd^aften jaulen füllen, bann werben mir fe^en, wie fiarf ber neue
Buttb toirflicß ift." £ie ©ntfcheibung, ob fie jaulen wollen, ober
mit anberen Porten, ob fie bem Bttitbe beitreten wollen, fällt felbft*
üerftänblicf) erft in ber allgemeinen Abftimmung ber Btitglieber ber
einjelnen ©ewerfoereine. $)ie Annahme wirb nid^t fehlgehen, baß
ein beträchtlicher unb wichtiger £f)eil btt großen Vereine bafür
ftimmen wirb; ebenfo ift aber auch befannt, baß anbere ©emerf*
tcßaften, g. B. oermutßlich bie Bergleute, abfeits fielen werben.
Aber ber Xon ber Debatten auf bem Kongreß unb ber ©rab ber
©iitmüthigfeit, ber oorherrfcfjte, machen eS fo gut wie fiefjer, baß
ber neue Buttb gleich beim beginn eine febr große 3aßl *on Beit*
gliebern säbleu wirb.
$)er AofattgSerfolg beS BunbeS ift in ber £ßat praftifch ge*
fijhert. $)ie wirfliche $robe aber, bie feiner h arrt unb bw uur
bie 3eit bringen fann, ift bie Art unb Bkife, in welcher, unb ber
©rab, bis gu welchem bie Bereinigung bie AftionSfreißeit feiner
eiuselnen 9Jiitgliebfd)aften befchränfen wirb. Sebermann glaubt
fein eigene^ ©efchäft am beften su fennen, unb fo glaubt auch jeber
©etuerfoerein, feine Angelegenheiten am beften su fennen. Ber*
bänbe oerwanbter ©emerbe finb bisher burchmeg gufammett*
gebrochen, wenn bie Ungebulb ber einseinen Bereine fid) g f 9 e n bie
kritif ober bie Ablehnung beS ©efammtoerbanbeS bei ihren $or*
berungen auflehntc. ®er ©rfolg einer Bereinigung hängt größten*
theilS oon gegenfettigen 3 u geftänbniffen ab. Unb auch oie 3ufunft
beS neuen ©ewerfoereittSbuttbeS wirb mehr als oon fonftigen
Gingen oon bem Umfange abhängen, in bem nach bem ^rinsipe
beS „©ebenS unb Zehntens" gehanbelt wirb, unb oon ber ©tärfe
beS allfeitigen BertrauenS in ben leitenben AuSfcßuß, in beffen
§änbe bie §auptführuug ber©ef<häfte beS BunbeS gelegt werben wirb.
hierüber fich in Bermuthungen su ergehen, ift unnötig, unb \
es würbe ebenfo unangebracht fein, bem neuen Berfucße ber £rabe
UnionS fchnellen ©cßiPntch su weisfagen, als es unangemeffen ift
SU meinen, baß ber 353eg su einer großen unb wirffamen Sfonfoli*
bation aller ArbeitSintereffen nun flar oorgegeießnet ift unb auch
ficher befchritten wirb, ©in wichtiger Schritt ift gethan worben,
aber bie 3^it feines SöirfenS ober feines Se$rfc^Iagen§ beginnt erft.
©egenmärtig fehlt bem Befcßluß noch bie fefte Unterlage, unb baS
BarlamentSfomite beS £rabe UnionS *$ongreffeS ift bie einsige
AuSführungSbehÖrbe, bie er befifet. tiefem AuSfcßuß ift eS gur
3 eit überlaffen, bie nöthigen Btaßnaßmen su ergreifen, um Der
großen, foeben in SJtancßeftcr gebilligten Organifatioit £eben unb
©eftalt su geben.
3öaS nun bie ©inselheiten betrifft, fo lauten bie Befcßlüffe,
bie meift einftimmig ober hoch mit großer Mehrheit gefaxt worben
finb, folgenbermaßen:
2)er $itel Des BunbeS ift The general Federation of Trade Unions,
©eilte 3werfe finb:
1 . £as Bcdjt ber Arbeiterorganifatioucn bodjsulmltcn; bie aflge*
meine 2age ber Arbeiter unb ihre gcfcnfdjafiltcbe Stellung in jeher
Dichtung Durch Rührung einer ^olitif 311 oerbefferti, bie ihnen bie
beacht erwirbt, bie öfoiiomifchen unb gefell)tfjaftlid)en Bebiitgungett 31 t
beftiuunen, unter beiten fie arbeiten 1111 b leben füllen; bieÄonfolibirung
ber Arbeiterflaffe als ©anges; bie Herftellung einheitlicher Aftioit für
afle 0011 t Bunb umfdiloffenen ©ewerffdiafteit.
2 . £ie ftörberung bes fokalen trieben* unb Bcrljinberuug 001 t
AuSftänben ober ArbeitSfpcrrcn gmifdjcn Arbeitern unb Unternehmern
unb ©treitigfeiten swifdjen (bewerben unb Crganifationett Durch alle
Mittel freunbfcfjaftlidhcx* 2d)lidjtitug, wie ©inigung, Bcrmitteliuig,
©diiebsfprud) ober bie ©rridjtung banernber (©d)iebs-) Acinter; im au Ile
Ausbruchs oon 2treitigfeiten 311 ihrer Beilegung Durch gerechte, auf
gleidjem Berfjt bafirtc Btethobeu 31 t wirfen. j
8 . Bilbuitg eine* AonbS behufs gegenseitiger llutcrftülmug unb j
für Xurdjführung ber oorerwähnteu 3 werfe.
3 ebe sur 3 ät beftchenbe Otcwerfidjafi, bie beut Bunbe bettritt, hat 1
für 90% ihrer Biitgliebcr pro .Stopf ein ©intrittsgclb oon 1 Benin), |
fowie einen 3 ufd)ufj sunt aufgelaufcnen Bcrmogcnsfüitbs bes Bunbcs ,
Sit sahleu, ber 50 % Dcö Antheils Des? eiuselnen Bunbeemtitgliebcs an !
biefem ftonbs eutfpridjt. Tsiir fpätcr gegrüubete Oicwerffdiaften beträgt I
Die 3ufd)ufiratc nur 25 % Des Bcrmögeiisautheils. ©er regelmäßige ■
Beitrag ber Otewerffdiaften ift $ '^eucc ober 6 ^euce bas Bicrtcljaijr
für jebes Biitglieb, unter gugfuublegnug uon 90 ° |0 bes Bfitglieber** l
beftanbes. ©i’e llnterftütunigcu betragen im eritereu Salle 2 ©djißing |
'pcnce, im Icpteren Aallc & Schilling pro SWitglieb, bas in einem, 0011 t
Veitungsfomito ancrfauutcu Mütiflift ift. Xiefe llnterftüpung, bie nur
als 3ufdjufj su ber Untcrftüpung gebadjt ift, bie btc ©ewerffdiaften aus
ihrem eigenen Aonbs ihren SKitgliebent S n hlt, tritt erft für bie sweite
Biodjc bes betreffenbeu Mimflifts in Straft. A'adi Berlauf uon acht
Biocßcn, ober früher, hat bas Öeituugsfomite bas Bedjt, su unterfudjen,
ob Die Berlätigeruttg Des Stampfes irgettb weldjen Bortheil oerfpridit.
3e nachbem hö^ e $ alsbantt Boflntadjt, Die Unterftühung fo lange
weiter auSsusahlen, als es Dies für gerechtfertigt hält, ©egen Be*
fdjlüffe bes iteitungSfomiteS fann Berufung an ben allgemeinen AuS=
fdiuß eingelegt werben, fteine ©ewerfjchaft ift unterftüiumgsbercchtigt,
Die nicht ein oolles £sal)r Beiträge an Den Bunb entrichtet hat unb itt
ber £agc ift, nadjjuwfifen, bafj ftc genug Mittel hat, an 10°/ 0 ihrer
Btitglieber währeitb ad)t SSodjett Die biefett ftatutengeiitäß suftehenbe
AuSftanbS=Untcrftühung su jahlett.
©S ift ber ©runbfafe ber ©entralfontrollc angenommen toorben.
$5ie einseinen Btitgliebfchaften unb Berbänbe behalten natürlich ihre
frühere autonome Berantmortlidjfeit; für beit ©ewerffchaftsbunb
felbft giebt eS feinerlei lofale Berantwortung. 2)ie Leitung foll in ^
erfter Snftans in bem ©eneralrath liegen, Der ans 2)elegirten ber
oerbünbeten Bereine befielt unb swar nach folgenber Berthcilung:
ein Bertreter oon Bereitten bis su 10 000 Btitgliebern; swei sinn
Bereinen swifchen 10000 unb 25 000 Biitgliebem; brei oon folgen
Swifchen 25 000 unb 50 000 Btitgliebcrn mtb oier Bertreter 001 t
noch größeren Bereinen. ^>ie £>auptgefahr biefer BaftS ber Ber*
tretnng ift baS allsu ftarfe Uebergerokht ber fleiueren Vereine. ^)ie
eigcntlidje ©jefntioe foll jebodh einem öeitungSfomite übertragen
werben, unb eS wirb oielleidjt bie wichtigfte Aufgabe be§ ©eneral*
ratheS fein, biefe leitenbe £örpcrfd)aft su ernennen. SJtan fann eS
ruhig fagen: 2>ie ganse 3ufnnft bes neuen BunbeS wirb oon
ber Auswahl ber Btitglieber biefeS 5ünfsehner*AuSfchuffeS ab*
hängen, unb wir h°ft’ e u aufridhtig, bafe in ihm ber eben je|jt
Ö etretene, h 0( hoerbiente ©eneralfefretär ber ^effelfchntiebe*
fd)aft, S>err Bobert £night, einen einflußreichen Blaß finben
wirb. Senn feine Kräfte eS Serrit ^night erlauben, wirb ber Bunb
in ihm gerabe ben 9J2aitn hoben, ber $oth thut: ©in Biann, ber
gleicher ffeeife baS Bertrauen ber Arbeiter unb ber Arbeitgeber be*
ftßt, ber ftarf, aufrichtig unb oorfichtig ift.
Öonbon. ©rneft AoeS.
2 »aS SoalitionSrccht ber beutfehen Arbeiter in Sbeorie nnb
^rajtö ift ber £itel einer ^enffchrift, bie im Aufträge ber ©eneral*
fommiffion ber ©emerffchafteit 2)eutfchlanbS oon £>errit ©. Öegieit
bearbeitet worben ift. *) $>aS über 200 ©eiten engen $5rucfeS ent*
haltenbe 23erf bringt 00 m Arbeiterftanbpunft ein febr reiches, oiel*
fad) afteitmäßigeS Material sur Beurtheilung ber brettnetibcn Orrage
in ber Abficht bei, nachsuweifcn, „baß in ®eutfd)Ianb baS ^oalitionS*
recht nur ©cheitt ift." ©S wirb sunächft auf 2Serth unb Bebeutung
ber ©ewerffd^aften hingewiefen, bann baS $oalitionSrecbt befprochen,
bie £aftif ber Arbeiter nnb ber Unternehmer im mirtbfebaftlicben
Kampfe, bie ©treifS unb ©treifoergehen, fowie bie Bergehen ber
Unternehmer nnb ihre Beftrafung erörtert. $>ie ©chlußfolgerung
beS BerfafferS geht bahiit, baß eine ©rmeiterung, nicht eine Be*
fchränfung beS koalitionSredjteS erforberlich fei. Weitaus ben
größten äßeil beS Buches nimmt baS BeweiSmaterial ein: $)ie
Behanblung ber ©ewerffchaften nach ben BereinSgcfeßen, ber Ber*
fudj, bie ©ewerffdjaften als BerficherungSanftalten ber ©taatSauf*
ficht su unterteilen, bie s 45 oIi 3 eiprajtS gegenüber beit ©ewerffchaften,
bie Unternehmeroerbänbe unb bie „fchwarsen fiiften", bie Beftim*
munaen über ©treifs in ben ©tatuten ber ©ewerffchaften, bie
©telfungnahme ber Arbeiter nnb ber Unternehmer in SDifferensen,
©treifs unb ©treifoergehen im 3ahre 1898, bie ©ewerffchaften
unb bie ©treifs oon 1891—1897 bilben bie einseinen Abfcbnitte.
©elbftoerftänblich ift baS Buch e in Bartei*BIäboper für bie Aroeiter*
fache. Aber es ift mit fo gewichtigen ©rünben geftiißt, baß es bie
aflgemeinfte Beachtung oeroient unb ficher in ben beoorftehenben
parlatnentarifchen Mämpfen auch finben wirb. 3Bir wollen h^nte
bem Buche nur bie ©tatiftif über ©treifoergehen bis s um
1. Oftober 1898 entnehmen, bie bie ©eneraloerfammlung auf*
gefteüt hat. 3m Saßre 1892 famen auf je 1000 att ©treifs be*
tßeiligte 'ißerfonen 24 ,5 wegen ©treifoergehenS Beftrafte, im Sah^e
189«: 4,i, 1894: 6 , 4 , 1895: 6 , 6 , 1896: 2, 0 , 1897: 4, 0 , 1898
(1. Sanuar bis 1 . Oftober): 3,:,. 3n*Sgefammt famen feit 1892
auf 274 001 an ©treifs beteiligte Berfonen im ©ansen 921 wegen
©treifoergehenS Beftrafte ober 3,» auf je 1000. Äann man ba im
©rnft baoon fpredjcn, baß ber ©treifterroriSmuS einen gemein*
gefährlichen Umfang angenommen habe? — ©s wirb fich noch
öfter ©elegenheit finben, auf baS Buch snriiefsufommen.
Bewegung tm ©chneibergewerbe. 3n Hamburg, Btünchen unb
-eipsig finb in leßter 3 e ^ Berfammlungen oon Arbeitern bcS
©d)neibergewerbeS abgehalten ober Slugblätter oertljeilt worben,
bie in Anfnnpfung att beit EonfeftionSarbeiterftreif gu Anfang beS
3aßreS 1896 namentlich 9 e 9 en bie Heimarbeit nnb für ©inrichtung
*) Hamburg, Bcrlag ber Wencralfomimffioit.
481
©ogiale Praxis. Eentralblait für ©ogialpolitif. Hr. 18.
482
oon Betriebgmerfftättten agitiren. Fn einer Serfammlung gu
J amburg betonte H- ©tüpmer, SRebafteur ber „Facpgeitung für
cpneiber", baß bag ©cpneibergewerbe unter allen Erwerbggweigen
alg eineg ber am traurigften beftettten geregnet werben muffe.
3äple man bie oieten 5Rißftänbe auf, fo muffe gunädpft mit her
fogenannten „Heimarbeit", ber „Hauginbitftrie", begonnen werben.
Dieg ©pftem untergrabe niept nur bag Familienleben, cg fei auch
in hpgientfcper unb fittlicper Begiepung gu oerwerfen. Der Haug*
arbeiter fei gegwungen, um bie tpeilweife porrenben HRietpefuntmen
aufgubringen, einen Tpeil feiner Stapnung unb gmar gewöhnlich
ben beften, an dritte wieber gu oermietben, wäbrenb bie fleinften
SRäurne in ber SRegel gum Btapnen unb Arbeiten gugleicb benufct
werben müffen. H lcr in erfter £inie Sl&hülfe gu fcpaffen, eine
Befeitigung ber Hauginbuftric unb eine Einführung oon gefunben,
ben 3eitoerbältniffen entfprecpenben Betriebgwerfftätten müffe ge*
forbert werben. 3 roe i $tage fielen offen, um bieg 3iel S u er*
reifen. Entweber werbe ein prioateg Hbfomnten mit ben Arbeit*
gebern getroffen, ober bie ©efeßgebung müffe gum Staple ber
©efammtpeit eingreifeit. Stalle man ben erften 9Beg einfdjlagen,
fo müffe man fiep auf bie öffentliche Meinung ftiißen fönnen. Die
Hauptfadpe fei aber, bie ©cpneiber unb ©cpneiberinnen gu bewegen,
fiep fammt unb fonberg ihrer Drganifation angufcpließeti. Fn
Hamburg fei bie 2J2itgIiebergapl, wenn man auf bie leßten Cuar*
tale gurücfbüdfe, ungefähr biefelbe geblieben, b. p. fie fei niept ge*
fliegen, wäbrenb in ben lepten 5—6 Fapren im gangen ^cpneiber*
oerbanb nur etwa 3000 SRitglicber gewonnen würben. Sei bie
Hauginbuftrie auf bie eine ober anbere Skife befeitigt, bann fönne
erft baran gebaut werben, an bie Stelle ber ©tüdflöpne einen
3cit ober ©tunbenlopn eingufüpren. — Ein in München oer*
breüeteg Flugblatt hebt in erfter Sinie bie lange Hrbeitggeit in
ber Hauginbuftrie (14 unb 16 ©tunbeu) täglich peroor, bie gumeift
burdp eine, oft jeher 33ef<hreibuna fpottenbe, fiplecpte Begaplung
berbeigefübrt werbe. Dann wiro auf bie SRotp unb bag Elenb
bei mtnbefteng 3roeibritttpeil ber Münchener ©cpneiber pitigemiefen
unb feftgeftellt, baß nach bem Bericht ber ©cptieiberfranfenfaffe im
Fahre 1897, 3. unb 4. Quartal, 66% aller ©eftorbenen ber
©cpminbfucpt erlagen. Enblicb wirb bag ©pftern beg ©ipgefeKen*
wefeng in $ürje oargelegt unb auf bie pope Hiiftecfungggefapr
burep bie in folcpen Brutftätten oon tfranfpeiteu aller Hrt, wie
Stofern, Diphtherie, ©cpminbfucpt 2 c. angefertigten Kleiber auf*
merffam gemacht, auf biegbegügüdje ärgtlicpe ©utaepten bingewiefen
unb am ©cpluffe gefagt:
„Bürger Münchens?! ©chüßt teuere fleinen Sieblinge, febüpt Eucp
felbft oor Anftecfungggefapr! Den Arbeitern aber im ©cpneibergewerbe
helft, ihre traurige Bagc 31t oerbeffern; helft ihnen 9 totf) unb Elenb gu
befeitigen. Etn Theil ber Bfeifter hat nufere Forbentng bewilligt unb
Bkrfftätten eingerichtet ober bod) iolcpe big gum 1. Btärg uerfprodjen.
Zwingt bie Uebrigen, SBerfftätten gu erridjteu, inbent Fhr bei Beftellungeu
oerlangt, baß Euere ©adjen auf ber Skrfftntte angefertigt werben, auf
Bkrfftätteu, bie ben gefunben unb fanitären Sorfcbriftcn cntfpredjen."
Dev Knlftanb ber Strefeller Sammetwebet bauert fort. Die
oon ben Arbeitern angeregte Einlabung gum ©cpiebggerid)tgoerfapren
ift befanntlid) oon ben Unternehmern abgelehnt worben. Huch bie
ftäbtifepe fogiale ilommiffion pat Eingreifen bigper nicht für
angegeigt erachtet. Hug gablreid^en Crteti oeg Fu* unb Huglanbeg
finb ben ©treifenben ©tjmpatbiefunbgebungen gu Dbeil geworben,
eg fliepen ihnen auch reichliche llnterftnpungggelber gu, itachbem
ber Eentraloorftanb beg SSerbanbeg beutfdE)er Deytilarbeiter einen
Hufruf an bie Hrbeiter Deutfchlanbg gur Unterftüpung ber ©treifen-
beit erlaffen hat unb bie ©ewerffchaften in ihren .Streifen ebenfalls
©amntlungen für bie 5trefelber oeranftalten. üRunb 5500 ^erfonen
follen jept gu nnterftüpeu fein. Der chriftlicfje SSerbanb ber Mre*
felber Textilarbeiter foll bie ihm oout ©tretffomite übermiefenen
1000 JC llnterftiipnngggelber abgelehnt hoben. Eine SSerfannnlung
ber am Hugftanb betpeiligten s l)citglieber beo nieberrheinifchen Skr*
banbeg dE)riftlid)er Textilarbeiter hat gwar ben SSorfcpIag beg SSor*
ftanbeg, oerfuepgweife bie neue, oon ben Fabrifanten einfeitig auf*
eftellte Sohnlifte augunebmen, einftimtnig abgelehnt, aber gugieidp
efcploffen, mit ben Fabrifanten in eine „Erläuterung" ber neuen
Sohnlifte unb in Skrhanblungen über bie SBebingungen gur SBiebcr*
aufnahme ber Hrbeit eingutreten. Eg fomnten hierbei etwa 800 Hr*
beiter in Frage. Der in ber SSerfamtnlung aitwefettbc Führer beg
chriftlidjen S3ergarbeiter*S>erbanbeg, 33ruft, mahnte gum Hbfdjlup
eineg SBaffenftittftanbeg. Die Bergleute erftrebten aud) eine Sohn*
erhäpung, unterließen aber oorläufig aug Klugheit ben Hugftanb.
herein Die gewerffcpaftlidje Drganifirung
ber Hrbeiter in ben öftlidjert ^rooingen Deutfchlanbg bcabfichtigt
ber berliner cbriftlicbe SSereitt „Hrbeiterfcpup" in bie H a nb gu
nehmen. Die oorbereitenben Schritte finb tpeilweife fepon gethan,
fo bap am Sonntag, ben 5. Februar, in einer Stabt ber $rooing
$ofen berehg bie erfte SSerfammlung gu biefem 3mecf abgehalteit
unb eine 3ahW e tt c beg berliner 23ereing errieptet werben foll.
3n ber jüngft abgehaltenen gweiten ©eneraloerfammlung beg
SSereing, bie im Seo*Hofpig ftattfanb unb ber u. H. SReidbgtagg*
abgeorbneter Dr. Hife e beiwohnte, würbe fonftatirt, baß oer im
oorigen Fahre mit 22 SRann gegrünbete herein jept über 700 9Rit*
glieber gäple unb in fünf ©eftionen (Sau*, Holg*, SRetaüarbeiter,
©chneiber unb ©chneiberinnen unb Schlächter) gerfaüe. Die
©eftion ber SRetaH* unb Holgarbeiter hat bie Hrbeitglofen*Unter*
ftüpung eingeführt.
Scperftreif unb Stapf oft beg „Sofalangeigerg" in Strltn. Die
^Berliner ©ogialbemofraten unb ©ewerff^aften haben über ben
„Serliner Sofalangeiger" ben Sogfott oerhängt, weil ber Seftper
beg Slatteg, Herr Huguft ©cperl, 24 bei ipm feit Fahren be*
fcpäftigte Sucpbrucfer wegen ihrer 3ugehörigfeit gum Sucpbrucfer*
oerbanb entlaßen pat. Den Entlaffenen haben fi<P auperbem
94 Ä'oliegen angefcploffen unb bie Hrbeit niebergelegt. Durcp ein
in gangSerlin oerbreiteteg Flugblatt würbe ber Berliner Sewopner*
fepaft oon ben Sefcplüffen .Stenntnip gegeben, bie eine grope Solfg*
oerfammlung in biefer ©ad)e gefapt pat. F« biefer S^erfammlung
würbe H en: ©cperl ber SSerlepung ber Befümmungen beg 152
ber ©etoerbeorbnung befcpulbigt unb an alle ©ewerffepaften unb
Hrbeiteroereine erging bie Hufforberung, gegen ben „Berliner
Sofalangeiger" Stellung gu nehmen, big bie oofie Koalitionsfreiheit
im Betriebe anerfannt worben ift. Die im „Berliner Sofalangeiger"
annoncirenben Firmen foÜen alg ©egiter ber Bolfgfacpe angefepen
werben. Dag Flugblatt fcpliept: „lieber mit bem Derrorigmug
beg H er rn Huguft ©cperl! Hinaug mit bem „Berliner Sofal*
angeiger" aug Haug unb Familie!"
©jUliipe Beveiubarung gwtftpen üetfter unb ©epüffett im
Bädfergewerbe Berftng. 3 U einem Bäcferaugftanb wirb, eg wapr*
fcpeinlicp niept fontmen, ba, wie wir fepon früher mittheilten, bie
2Reifter bereit finb, ben Forberungen ber ©efeHen wenigfteng gum
Tpeil gu entfpreepen. F» einer Berfammlung ber Bädferinnung
©ertnania tpeilte Dbermeifter Bernarb mit, bap bie Funung fiep
entfcploffeu habe, bie gegen früher wefeutlicp ermäßigten Farbe*
rungen ber ©efeHen etngepenb gu prüfen unb ihnen, fomeü eg
tpunlicp ift, entgegengufommen. Die „Hbfcpaffung oon Koft unb
Sogig beim 30?eifter" fei bie Funung mit ber Eiufcpränfung burep*
jufüpren bereit, bap oerpeiratpeten ©efellen ootte ©elbftänbigfeit
m biefer Begiepung gewäprt wirb. Die geforberte Freigabe einer
SRacpt wäprenb ber Feiertage foll gleicpfaflg bewilligt werben.
Ilm eine Serftänbigung über bie Sopnfrage gu ergielen unb über
bie Einführung eineg unparteiifepen Hrbeitgna^weifeg gu beratpenF
I follen bemnäepft oercinigte Bteifter* unb ©efellenoerfammlungen
ftattpnben.
Epmng eines ©ewerfkiereingfefretftrg b«rd Hvbcttgebev mtb Htbeiter
itt Euglanb. Der Leiter ber englifepen .teffeIfcpmiebe*llnion, Hobcrt
Ünight, ift oon feinem Sßoftcu, ben er 28 Fahre lang innc patte, in
biefen Tagen guriiefgetreten. Sllg er bie Bettung beg Serbanbeg
übernahm, gäplte biefer 94 ^weiguereine mit 7000 93iitgliebcrn unb fein
I Vermögen betrug lsu(XX) \ heute gehören bem Berbänb 40 776 3Rit*
! glieber in 258 ^weigucreineu an; bie Fonbg belaufen fid) auf über
35 Millionen 9Äarf. .t>err «night pat bie größten Berbienftc niept nur
um feinen Wewerfoercin, fonbern and) um Die pflege guter Begicpungen
gu ben Arbeitgebern. Bei feinem 9Uicftritt haben * Arbeiter unb
Unternehmer gemeinfaut ihm ein Feftmahl gegeben itnb babei ein
mrrthuoUf* Okfdicnf fowie einen Ehcd über lucxio M überreidit, um
ihm, wie e^ in ber BUbtnuug peipt, „einen Beweis gu geben oon ihrer
Adituug für feine ebleu unb erprobten Eigenfdjafteu als Crgauifator
unb Führer oon Trabe=Unioug, fowie als Diplomaten in ber Ber*
piuberung unb Beilegung oon gewerblichen ©treitigfeiten".
3lrbetterncrnd)enuig. öparbafleu.
Äonferei| oon Borftänben ber FubalibitätSberfidherungg*
auftalten. Hitfaitg näcpfter SBocpe wirb in Eifenacp eine Moufereitg
ber Sorftänbe ber Fuoalibitätgoerficperuugganftalteu ftattfinben,
bie Stellung gu ber jept bem Dteidjgtage gugegangenen 9tegientngg*
oorlage nepmen foll.
Ergeftniffe beg Fntialibitätg* unb H(tergbevfii|erungggefcbcg. And)
ber im Bcidisoerridperunggamt gefertigten ^ufammenfiellung betrug bie
JJapl ber feit bem Fufrafttreten bes Faualibitätt- itnb Alters oer*
ficherHiigggefcpcg oon ben 31 Bcrfidicriiugsauiialten unb beit 9 oor*
haubeuen «aifeneinriditimgeii bewilligten Fuoalibenreutrn bis gun
31. Degember I3 ( .)s 3SL 275; baoou finb in Folge Jobes ober Aus-
483
Sogiale $ra£t8. CientralBIatt für Sogialpolitü. Ar. 1«.
484
wanberung ber Berechtigten, SBtebererlangung ber ErwerbSfäpigfeit,
BegugS oon UnfaUrenten ober aus anberett ©rünben weggefaHen bis
put 31. $egember 1898 116 376, fo bap am 1. ganuar 1899 264 899
^noalibcnrenten liefen. $ie 3aT)l ber bewilligten Altersrenten be*
tntg bis gum 31. Xejember 1898 337 929; baoon fmb in golge £obeS
ober Atiswanberung ber berechtigten ober aus anberen ©rünbeit weg*
gefallen bis gunt 81. Xegember 1898 136 6()0, fo bap am 1. Januar
1899 201 329 Altersrenten liefen. BeitragSerffattnngen ftnb bc*
luifligt bis gum 31. &egember 1898 an weibliche Berftcperte, bie in
bie Ehe getreten ftnb, 293 374, unb an bie Hinterbliebenen oon ber*
[teerten 67 361, gufammen 360 735. $n ber3apl ber laufenben $noa*
libenrenten ift wäprenb beS gapreS l 898 loieberum eine giemlicp gleich*
mäßige, erhebliche Steigerung eingetreten, wäprenb bie 3apl ber laufen*
ben Altersrenten weiter langfant gurücf gegangen ift. $ie Beitrags*
erftattungen höben eine nicht unbeträchtliche 3unapme erfahren
&ergte*Streif bei ber DrtSfroufenfaffe Colmar i. Elf. $5te fämmlUchen
ftaffenärgte bei ber gemeinfamett Drtsfranfenfaffe Colmar im Elfap
fteüten am 24. ^auuar ipre gunftionett ein. beranlaffung gu biefem
Schritte ift, nach bem „BorwärtS", bie Steigerung beS borftanbeS ber
DrtSfranfenfaffe $olmar*2anb, mit bem borftanb beS Aergte*0pnbifat$
wegen ber Abfcpliepung oon berträgeu in berhanblungen eingutreten.
$ie Aergte ocrlangen eine Erhöhung iprer Honorare, bie oon ber
Leitung ber genannten ^affe nicht jugeftanben wirb.
$ie »opfottiriittg oon föiener Apotpefen burep Jfranfenfaffen, oon
ber wir in ber lefcten Kummer fpradjen (Sp. 455), pat mit einem Aücf*
guge ber Apotperer geenbet. (Sine Berfammlmtg beS H au PtgreoiiumS
ber Apotpefer pat am 26. ganuar befchloffen, bem berbanbe ber Oie*
uoffenfcpafiSfranfcnfaffen Stiens fowie ber Allgemeinen Arbeiterfragen*
unb Untcrftüpungsfaffe in Stien ben früheren Aacplap oon 20% für
oerabfolgte AJebifamente unb Heilmittel unb 4 % Sfonto gu bewilligen,
wenn baS frühere Berpältnip wieber pergefiellt wirb. £ie beiben ge*
nannten gnftitute finb nicht abgeneigt, biefen Antrag unter Aufrecht*
crhaltung beS UebereinfommenS oon 1. Januar 1898 gu acceptiren, unb
es bürfte bentnach in einigen STagen bie Entfcpcibnng fallen, ob bie
Aufhebung beS BopfottS erfolgt.
3lrbett£nad)niei£.
ArdjtO uttb ©ibltotpcf beS BerbanbeS bfurfeper Arbeit#*
naeptoeife tu Berlin. ®er Berbanb beutfeher Arbeitsnacpweife,
Borftpenber Dr. B. gfreunb—Berlin, oerfenbet ein für bie weitere
Entwicfelung ber Arbeiten ach weife bebeutfameS Aunbfcpreiben:
„$>er Berbanb beutfeher Arbeitsn ach weife pat ein Ardjio ein*
gerietet, in welchem bie ©efdjäftsberidjte, Statuten, gonnulare unb
fonftigen ^rucffachen ber beutfepeu ArbeitSnachweife gefämmelt werben,
beSgleichen eine Bibliotpef, in welcher bie qefammte Literatur über
Arbeitsnachweis itnb oenoanbte ©egenftänbe r)lrbcitSlofen*Berfid)ermtg,
Aotpffanbsarbeiten u. f. w.) gur Sammlung gelangt. AHt biefen ©in*
richtungen ift ein Arbeitszimmer oerbuuben, in welchem bie gntereffenten
ungeftört bem Stnbiunt beS ArchiocS unb ber Bibliotpef obliegen fönnen.
Zic neu gefcpaff'eite Einrichtung befinbet fiel) int Xicnftgebäube ber gu*
oaübitäts* unb AitersoerftcherungS=Auftalt, Berlin C., ttlofterftrape 41,
2 Zv. 3 uni Archioar ift feitens beS AuSfchuffeS beS Berbanbes ber
Borfieper L beS Bureaus beS Berliner ©ewerbegeriepts, Aftlifcp, befteüt
worben."
3um Befudp unb mt Benupuna biefer Einrichtung werben
alle Qntereffenten eingelaben, inSbefonbere bie beutfepeu kommunal*
oerbänbe. Seitens ber beutfehen ^otnmunaloerbänbe, weldhe beab*
fieptigen, einen Arbeitsnachweis einjuriepten, ergepett nämlicp fortgefept
gaplreicpe Anfragen über Organisation oon fonununaten unb ge*
meimtüpigen ArbeitSnacpweifen, über Statuten, Formulare jc. ES
erfepeint baper gwecftna&ig unb bringenb münfcpenSmertp, baff bie
Äontmunalocrbänbe einen Bertreter auf einige ^age naep Berlin
entfenben, bamit er im Arcpio baS oollftänbige Btaterial eittfepen
unb erfepöpfenbe Informationen gewinnen rann. 3n näcpfter
9iäpe beS ArcpioS befinbet fiep baS Bureau beS GentraloereinS für
Arbeitsnachweis unb baS Bureau eines oorgiigliep eingerichteten
gacp*Arbeitsna(pweifeS, beS Brauer*ArbeitSua(pweifee, fo bap ben
Bertretern ber M'ommunaloerbänbe gleichzeitig Gelegenheit geboten
ift, bert Betrieb ber ArbeitSnacpwcife aus eigener Anfcpauung
feitnen gu lernen. Es ift unleugbar, bap auf biefe Bkife bie
ftontmunalüerbänbe bie heften Unterlagen für ipre Entfcpliepung,
hetreffenb bie (iiuridjtung ooit ArbeitSnadjweifen, werben gewinnen
fönnen. — ÜDJan wirb baper in ber Einrichtung biefeS ArcpioS unb
ber AuSfunfptelle eine pöcpft banfenSwertpe Btapnaptne gur görbe*
rung be« paritätifepen ArbeitSnad;weifes erblicfeu föniteit.
ArbeitönacpuieiS für lanbtoirtpfcpaftltthe Arbeiter tu Hamburg»
£ie ^ßatriotifdje Gefellfdjaft, eine gemeiunitpige 3nfUtution, wirb
am 1. Sebruar b. Q. in Hamburg eine foldje ArbeitSnacpweiSftette
unter Leitung eines fianbwirtpeS eröffnen. SDer Arbeitsnachweis
foll beit 3u)ecf paben, in ber Stabt überfepüffige ArbeitSfräfte ber
an Arbeitermangel leibenben Sanbwirtpfcpaft gugufüpren. Es peipt
in einer Empfehlung beS Arbeitsnachweis:
2>ie Bermittlung wirb für bic Arbeiter unentgeltlich fein unb fid)
auf alle klaffen ber in ber ^aubwirtpfepaft unb ben mit ipr gufamnten*
S eriben Oiewerben befepäftigten ^erfonen erftreefen (männliches unb
lidjeS Oleftnbe, gelbarbeitcr aller Arten, £agelöpnerfamilien, Ianb=
wirtpfcpaftlidje Beamte, Äutfcper, Gärtner, Brennerei*, Ziegelei», 3ucfer=
fabrifarbeiter, Olutspaubwcrfer 2C.). gn Betradjt fommen pauptfächlidi
^erfonen, bic bereits in einem biefer Berufe tpätig gewefen finb, bodi
wirb fiep, namentlich wäprenb ber Emtegeit, aitcp für ungelernte
ftäbtifepe Arbeiter geitweife Befcpäftigung bieten, bie ipnen geftattet, über
oorübergepenbe ArbeitSloftgfcit pinweggitfommen.
Angetnetue ArbcitSnaiptoeiS-Attfhirt ftül«. gn ber jüngften BerbanbS*
ocrfammlung ber Allgemeinen ArbcitSnadjweiS*Anftalt berichtete ber Bor*
fipenbe, H^rr B. E. Howerlaenber, über beren $pätigfcit l m Söpre 1898.
^anadj würben in ber männlichen Abtpeilung 11 955 offene Stellen
gemelbet (gegen 9393 im 3oprc 1897); 16 478 männlicpe ^erfonen
melbeten fiep als Arbeitfucpenbe (1897 11 874), befept würben 10 802
Stellen (1897 8867). ®er weiblichen Abteilung würben 10112 offene
Stellen aufgegeben, barunter 7605 für Xienftmäbcpen. ES melbeten fiep
5735 weiblidjc Stellenfudjenbe, barunter 8397 Säenftmäbcpen. Befept
würben 5550 Stellen. 3n ber männlidieit unb weiblichen Abtpeilung
würben gufamnten 16 352 Stellen burdi bereu Bermittchtng befept (1897
13 419, 1896 11 405, 1895 8869). Wäprenb banaep bic gapi ber
Arbeitfucpenben bei ber männlichen Abteilung wefentlid) gröper war,
wie bie 3 a Pl ber gemelbeten offenen Stellen,' war bei ber weiblichen
Abteilung gerabe baS ©eaentpeil gu oergeiepnen; pier fehlte es an
$ienftboten, bcfonberS an Biäbcpen für alle Hausarbeit, ^ap biefe
burepaus niept ntepr auf bie gewerbsmäfüge Stellenoermittelung an*
gemiefen finb, beweifen obige 3aplen: 7605 offenen Stellen ftanben nur
3397 Sienftmäbcpcn gegenüber. 5)ie Bermittelung ber Anftalt ift für
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer foftenfrei. Aad^ Haubwerfem war auch
im oergaitgcnen ^apre wieber rege Aacpfrage, wäprenb bei ungelernten
Arbeitern, tagelöhnern, Hausfuecpten unb bergleidjen baS Angebot
wefentlidj gröper war, als bic Aacpfrage.
tie Üöfmtg ber Preisfrage über bie ArbeitSoermitteluitg iu ber
Sipttp* unb fiebertitbufftie. Auf baS oon ber 3 c üf<prift ,,©«pup unb
Seber" erlaffene BreiSauSfcpreiben (ogl. „Sogiale Brai’iS'', ^aprg. VII,
Ar. 30, Sp. 795) über bie grage: „B3ie ift bie Arbeitsoermittelung für
bie Scpup* unb yeberinbuftric gur görberung beS fogialeu griebcus
gwifepen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer am beften gu organifireu?"
waren im Gängen 30 Arbeiten eiugegangen. $aS BteiSricpter*ÄolIeguun
erfannte ben erfien s £rciS (500 M), ber mit bem iWotto: „teilt fogialeu
griebeit gilt unfer Streben, — ^n ipm erftarft fort unb fort wirtpfepaft*
lidjeS Seoen!" bcgeid)iieten Arbeit gu. ter gweite ^reiS (300 M) würbe
ber Arbeit mit bem Ai otto: „Suttner ftrebe guin Gangen unb fanuft tn
felber fein ©angeS werben, als bienenbeS ©lieb fcpliep’ an ein Ganges
tiep an!" guerfannt unb ben brüten SßreiS (200 Ji) erhielt bic Arbeit
mit bem 5Aotto: „Siepe, wie fein uttb lieblicp ift es, wenn Brübcr ein*
trächtig bei einanber wopnen." Bei ber £)effnung ber Briefuntfdjläge,
welcpe bie Aanten ber Berfaffer enthielten, würbe feftgeftellt, bap bie
erfte Arbeit oon H^’» Hermann Ecfert, Berwalter ber ftäbtifcpeu
ArbeitsuacpweiS*Anftalt greiburg i. B., bic gweite Arbeit oon grau
Henriette gürtp in granffurt a. A?. unb bie britte Arbeit oon
Herrn Aobert gapit in tföln*AippcS gefertigt worben ftnb. tie
prämiirteit Arbeiten, bic in „Sd)itp unb lieber" gur Beröffentlicpung
gelangen, treten jätnmtlidj für bie Errichtung oon unparteilichen
ftäbtifcpeu ober genteiunüpigett paritätifepen ArbeitSnacpweifen ein.
(BenofTettrdtaftettiertn.
Ertrag unb Befteuenmg ber einfommenfteuer^flt(htigen Eefeflfipaften
unb Eenoffeufcpaften in fßrenffen»
Befanntlidp unterliegen in ^reupett auep bie AfticngefeUfdjaften,
^ommanbitgefetlfcpaften auf Aftien, bie Berggemerffcpafteu, bie*
jenigen eingetragenen Genoffenfcpaften, beren GcfdjäftSbetrieb über
ben 9)2itglieberfreis pinauSgept, unb btejenigen Ä'onfmnoereine,
welcpe einen offenen fiaben unterhalten unb bie Aecpte iuriftifdper
^ßerfonen paben, ber Ginfommenfteuer.
Bcftenert wirb als Einfommen ber ElcfcpäftSgewinn im ®urd)*
fepnitt ber brei testen Sapre, unb als GcfcpäftSgewinit wirb g. B.
bei Aftiengefeüfcpafteu bic oertpeilte Xioibettbe gerechnet unter Hiu-
guredjiuntg ber Aufwenbungen für Scpulbentilgilng, Aeferoebilbuitg,
Gefd)äftSerweiternng unb unter Abrechnung oon 3 % % beS ein*
gegaplten Aftienfapitals begto. bei Elenoffcnfcpaften ber cingegapltcn
GefcpäftSantpeile, bei Berggetoerffcpaften beS GrunbfapitalS.
3n ber Borlage bcs JinangminifterS an baS Abgeorbneteu*
paus (gulept oont 2. Sanitär 1S99) über bie Einfommenfteuer*Ber=
anlaguitg befinben fid) nun Angaben über Einfommen, Steuer unb
Grunbfapital ber genannten Gefellfdjaften, weld;e wir für nadj*
ftepenbe 3ufcimmenftellung begw. Berechnungen beitupen:
485
©oktale BrajiS. ©entralblatt für Sozialpolitik Rr. 18.
48B
Aftten*
Etn*
[Rach ber ©infchäRung
gefell*
fchaften u.
Berg*
getra*
gene
Ston*
3h»
im oafirc 1895 Bi8 1897
Aftten*
gewerf*
©e*
[um*
(für 1896/97 bis 1898/99)
Äomman*
bit*@efell*
fchaften
tt offen*
fdjaf*
oereine
fatnnten
fchaften
ten
&W ©e[ed” f
haften (J»?
1353
1417
77
97
308
300
191
1 187
1 929
2 001
1 517
104
313
190
2 124
Eingegahlte Af* /
tien*begw.©runb* 1 1895
3 931 683
297 084
23 592
5 363
4 257 722
fapitalien begw.{ 1896
3 972 683
316 586
25 667
5 800
4 320 736
©efdiäftSantheile 1897
4 422 975
327 548
22 698
6 011
4 779 232
in iöCK) JC "
Steuerpflichtiges (1896
Ein fommen in { 1896
1000 JC [ 1897
256 560
8 778
2 114
2 317
269 767
291 lil
11 254
2 237!
2 922
307 525
368 213
12 245
2 373
3 394
386 224
Beranlagte (1895
Steuern in [ 1896
lfKX) M { 1897
6 301
342
56'
75
6 775
7 459
436
61
98
8 054
9 694
457
63'
113
10 327
^ie Steuern finb (1895
Brogente beS Ein* [ 1896
2,46
3,90
2,65
3,24
2,5!
2,56
3,8? !
2,73
3,35
2,63
fontmeuS {1897
2,63
3,73
2,65
8,33
2,67
$as Eüifommen [ 1SQ{ -
iftBrogent herein* j 1SQß
gezahlten $api* | lftq7
talten l
6,53
7.33
8.33
2,95
3,55
3,74 !
j
8,96
8,72
10,45
43,20
50,38
56,46
6,34
7,12
8,08
3)ie Berechnungen beS BerhältniffeS oon ©efchäftSertrag (©in*
fommen) unb ©runbfapital ergaben gunäd)ft bie intereffante tfyai*
fad)e, baR bei Sfonfmnoereinen mit offenem ßaben ber Jahresertrag
etma bie £älfte ber eingegahlten ©efchäftSantheile aus*
macht 1895: 43 %, 1896: 50 o/ 0 , 1897: 56 %. Söei ben Aftien*
gefeüfchaften mar ber ©ewinn 6 72 %, 7 73 % unb 8 7 3 % beS
eingegahlten AftienfapitalS, bei ben eingetragenen ©enoffenfehaften,
foroeit fie hier in Betragt fommen, 8,9 %, 8,7 %, 10,5 %, alfo
burdfjroeg eine Steigerung, wenigftenS im lebten jahre, au<h bei
ben hohen BrogentfäRen ber Stonfumoereine.
®ie oeranlagten Steuern waren bei ben ^onfumoereinen etma
37-2% be§ Ertrages, bei ben übrigen ©enoffenfehaften etwa 2 2 / 3 o/ 0
unb bei ben AfttengefeUfchaften 272 bis 2 2 / 3 %•
©burtottenburg. ©. i r ftf) b e r g.
Die Begrfinbmtg be8 ÄonfmmBau* tmb 6par*BereittS „Bro*
biicrtoii", ©♦ ©. m. b. in Hamburg, fanb am 24. Januar
ftatt. Befanntlid) ift bie Anregung bagu oom ©ewerffihaftsfartell
auSgegangen (ogl. „Sogiale^rajiS" Sp. 365), baS in langwierigen,
grünblichen Berhanblungen bie ßlngelcgentjeit erwog, bis es bamit
oor bie C eff entlieh feit trat. Ju ber Berfammlung betonte $Retd)S*
tagSabgcorbneter oon ©Im, ber fid) um ben $Ian bas größte
Berbienft erworben, ber zahlreiche Befuch beweifc, baR bem Bor*
haben, einen folgen ftonfumoerein gu begrünben, in ben Arbeiter*
freifen lebhafte Sympathie entgegengebracht werbe, freilich fei er
fid) wohl bewußt, baR bic guftimmung nicht eine allfehige fei,
aber alles Reue müffe fich erft Bahn brechen, ©s fei fogar mit
mancherlei Mitteln gegen bie ©rünbung gefämpft worben, bie nicht
mehr fd)ön gu nennen feien. 3Ran habe auch gefagt, es fei nicht
richtig, baR bie ©ewerffchaften bie Angelegenheit in bie £>anb
nähmen. So werbe g. 23. im „Borwärts" ber Vorwurf gemacht,
baR man in Hamburg oon ber alten bewährten Bahn abgehen
wolle, hierauf erwibere er, bie Bahn ber ©enoffenfehaften fei
bisher bte ber ^ioibenbenjägerei gewefen, wenn man baoon ab*
weiche, fo fönne er bas nur mit greube begrüRen. Auch habe
man bie Sache fo bargeftellt, als ob baS ©ewerffefjaftsfartett bie
©rünberin fei. $)ent gegenüber fei gu betonen, baR baS Kartell
ftch lebiglidh bamit befaffe, ^ropaganba für bie Sache gu machen.
$)ie Srage, ob eS gwecfmäRig fei, baR baS Kartell fo oorgehe, be*
antwortete Rebner baburch, baR er eine Reihe englifeher BieinungS*
äuRerungen über baS 3ufammenwirfen ber ©ewerffchaften mit ben
©enoffenfehaften citirt, bei benen ein 3ufammenwirfen als noth*
wenbig erachtet wirb. 2)ie ©rünbung fei ein Mittel *ur Jörberung
beS StrebenS ber Arbeiter, fich beffere ßebenSbeoingunaen gu
ft^affen. 9Rit ber ^arteipolitif habe Re nichts gu thun, fonbern Re
fei ein rein wirthfihaftlicheS Unternehmen. SBenn es gelinge, fo
RhloR ber Rebner, baS gu erreichen, baR bie Arbeiter auf $)imbenbe
Bergidjt Ieifteten, fo unterliege eS gar feinem 3meifel, baR baS
Unternehmen nicht nur gebeihe, fonbern auch üorbilblidfj für bie
gange ©enoffenfehaftsbewegung in SDentfdhlanb werbe. $>er
Statutenentwurf würbe meift ohne Debatte angenommen unb ber
prooiforifche, oon ber ©emerffcbaftSfommifRon gewählte AufRchtS*
rath unb Borftanb beftätigt. SDie ©enoffenfdjaft wirb nun in baS
Regifier eingetragen.
ÄoJjmutgsitielen.
AuS ber fföbtifdjen StahuttugSfommtfßoit in StraRburg i. ©If.
Jn ber leRten SiRung (17. Januar) würbe befannt gegeben, baR
aus ftäbtifchen StiftuugSmitteln bereits im Jrühiahr mit bem
Bau oon billigen unb gefunben ^Bohnungen begonnen werben
foll. Jfür bas laufenbe Jahr ift gunächft bie $erfteHung oon
300 BoIfSwohnungen in AuSficRt genommen. AuRerbem ift bie
©rünbung einer ©enoffenfehaft im &erfe, bie — wenn nöthig mit
Rnangieller Beihülfe ber ©emeinbe — ben Umbau alter fchledjter
unb bie Errichtung neuer SBoRnungen anftrebt.
Arbciterttnjf>mittgen iu Blülfjattfcit i. ©. 25ic Äommiffioit, bie oom
Olemcinberatl) gur Prüfung bes Antrages ber beiben fogialiftifchen BJit*
glteber Bueb unb •'otcfel, auf Bewilligung oon gwei iRtütonen SRarf
gunt Bau oon Arbeiterwobnmtgen, eittgefeRt würbe, bat befddoffen:
£te Stabt fiebt oom Bau oon Arbeiterwobnuugeu auf eigene Rechnung
ab, unterftüRt aber finanziell bic BeftRer oon fcf)led)ten unb ungefunben
Arbeiterwobnuugeu, wenn fie foldje mnbanen, ober and) biejeitigeu
Arbeiter, bie eigene Käufer bauen.
Sojiale fftjgiene.
$er SuberfttlofefoitgreR, welcher oom $eutfd)en EentralfomitS gur
Errichtung oon §eüftätten für SungeufranJc für bie Sage oom 24. bis
27. 2Wai 1«99 nach Berlin einberufen wirb, begweeft, bie Suberfulofe
als BolfSfranfbeit, ibre (Gefahren unb bte HRütel, fte gu belämpfcn, ben
weiteften .^reifen oor Augen gu führen ES foHen bie wiffenfchaftlidjen
©runblagen ber jfenntniffe oon bem 23efen ber 51ranfbeit unb ihrer
Berbreitung, fowie bie Mittel unb 23ege, welche gur geü für ihre wirf*
fame Berlnitung unb Bebaubiung gu (Gebote fteben, insbefonbere bie
Bebeutung befonberer .£>eilftättcn für ^ungenfranfe bargelegt unb einer
freien £isfuffiott unterbreitet werben. 5)a ber gtongreR retn praftifd^e
gielc oerfolgt, wirb oon ben Referenten in möglidjfter iftirge unb ^rä*
gifion baefeuige oorgefübrt werben, was gegenwärtig in ibeorie unb
BrariS als feftfteljcnb ongufeben ober bod) wenigftcnS burd; bie ^is*
fuffion fowett geförbert werben bürfte, baR eine praftifd)e Entfcheibung
gewonnen werben fami. ^ür bie Berbanblungeu finb fünf Abteilungen:
1 . Ausbreitung, 2. Actiologie, 3. Bropbplajc. 4. Therapie, 5. .peilftätten»
wefen in AuSficht genommen. RaRerc Ausfunft crtbeilt ber ©encral*
fefretär bes ÄtongreffeS, Stabsargt Dr. BamtwiR, Berlin W., ’äSiibelms*
plaR 2. _
ßitcrttrifdjc Änjdgen.
Seclntann, ^anS, ®aS Streitoerfabreit in ben ReidjS*Berficheruugx'=
gefepeu. Spftematifch bargeftellt. Berlin 1899, Bcrlag ber
Arbciter*Berforgung (A. ^rofcRel). 54 0. Breis l>2o
Effen. SabreSbericht ber .^aitbelsfamnter für ben Äreis Effeit. l^os.
2beil I.
^)ie gleichzeitig hiennit ausgegebene $lv. 5 ber 9RonatSf<hrift
#f ^aS ©ewerbegericht" enthält:
Sfaufmännifche Schiebsgerichte. Bon Dr.Ernft ^ranefe, Berlin.—
$Reid)3tagS*BerhanbIungen über Berbefferung unb Erweiterung ber
©eroerbegericRte. — Berfaffung unb Berfahrcn. Bürgerliches
©efcRbud) unb ©ewerbeorbnung. — 9lechtfprechung. Btittheilungen
aus ben ©nifcReibungen ber ©ewerbegerid)te Berlin unb SDreSben,
beS Amtsgerichts Berlin, ber ßanbgericRte Berlin, ^ortmunb unb
Bresben unb beS OberlanbeSgerichtS £amm. — Allgemeines
über ©ewerbegerichte unb ArbcitSoertrag. $)er Bericht
beS Berliner ©ewerbegeritf)ts über baS ©efchäftsjahr 1897/98;
Seefihöffengerichte. —©inigungSämter. Sdjätigfeit beS
Btündjener ©ewerbegerichts als Einigungsamt. Beziehungen bes
©ewerbegerichtS gum ©iniguitgSantt.— BerfchiebeiteS. Bcifipcr*
Bereinigungen. — BerbanbS * Angelegenheiten. Beitritt gunt
Berbartb; Eingänge oon Jahresberichten; Anträge. — Brief*
faften. Reid^nbach i- B. — JnhaltSangabe ber „0ogialen Braris".
Serantoortlid) für bte Stebaftton: Dr. CSrnft Srnntfe tn SctHn W., Smjreiit^ecftraöc ff.
487 ©öjtalc $rct£t§. Eentralblatt für So 3 taIpoIüü. Wr. 18. 488
©ie hpravt»“ etfdjeini an febem ©onnerStag unb ift burd) alle ©ud&hanblungen unb $oftfimter (BoftaeitungSnummer 7072) ju bejieBen. ©et ^tet«
für bafl ©ircteliabt ift SW. 2,50. 3ebe Wumntet foftet 30 Bf- ©et Anzeigenpreis ift 60 Bf- für bie breigefpaltene Büitaetle.
3u bejiehen burch alle Sortimentsbuchhanblungen:
Kaifev IDUfyelut I.
«o n «rh* Parrft*.
5 r i t t e, berbcffert« unh vevnteljvtt Auflage,
Brei* 5 SXf. 40 Bf-, tn feinem ßetnenbb. 7 SRf., tn fcalbfrjbb. 7 SRI 80 Bf-
3n btefer brüten Auflage ift bie gefamte aeitgenpffifdje Süteratur, alfo BiSmartfS „®ebattfen unb Erinnerungen", bie
Briefe AbefenS, auch bie beibeit Beröffentlidjungen m. BufcljS, leptere foweit fie Urfunbliches enthalten, berücfjtdjtigt. SBie SWarcfS’
Buch oon ber flritif mit feltener Einmütigfeit als bie befte Biographie Äaifer SSifljelmS I. anerfannt morben ift, enthält es in feiner
neuen ©eftalt bie eingehenbfte unb unbcfangenfte SBürbigung beS großen Staatsmannes, bie jur 3cü cjiftiert.
$oit bem
für
lief (plixi, SttMliiii nk Msiirtfduft
im Deutfäjen Heicfj,
begrünbet oon #♦ tistt ff,
fortgefefet oon $. 9*l%ettbr*rff unb gttf* gvttttfttto,
herausgegeben non
P5»ßa» j^maller
ftnb ooit ben erften 25 Jahrgängen (I—IV unb Weuc $olge I—XXI, 1871—1897), bereit
öabenpreis jufammen
■=----^ 581 marf 60
beträgt, nur itocf) wenige nollftäitbige Ejemplare norhartben, welche, memt auf
einmal bezogen, bis auf Siberruf 3 U bem fjerabgefcfcten greife oon fe
400 Warf
gegen bare Zahlung, lieferbar Seipsig, abgegeben werben.
So lange ber Borrat reicht unb bie norftebenbe, zeitweilige ^rci&hcrabfct?ung
oon uns nicht aufgehoben ift, fantt jebe befferc Sortimentsbudjbanblung ju obigen Aus*
nahntebebingungen liefern.
Eine Anf<hauung beS reifen unb mannigfachen Jnhalts ber norftebenb be*
geichneten 25 Jahrgänge gewährt bas oon Dr. Abolf oon 3B en cf ft er n bearbeitete
<$eitetafregifte*, bas als sweitc £>älfte oon §eft IV beS XXI. Jahrgangs ber neuen
golge jum greife oon 5 9K. 20 Bt- erfdhienen unb fomit in ber oorftehenb b ejeichiteteit
Serie mit enthalten ift. ES ift -- auch 3 ur Anficht — burch jebe befferc Sortiments*
buchhanblurtg ju bejiehen. Eilt bentfeiter Wecenfent begrübt biefes Stegifter im Jntereffe
ber Wationalöfonomen unb Socialpolitifer als „einen junerläffigett Begweifer burch bas
Biefengebiet beS „Jahrbuchs".
5 c i p J i g, 1899.
Duncfer & ßumblct.
U.ffiuticntag, Bftlagsh^'sMinj,
flntin SW. 48 , »llljtlmpr. 119 / 120 .
Jn oöHig neuer Bearbeitung erfchien:
Das Keidjsgefe^
betreffenb bie
<Beroerße<jenc0fe.
SBont 29. 3uli 1890.
Tejt"?(u«gal)o mit?(nmerfungen u. Sndjrcgifter
ton
Cro Jtagfcatt.
gierte oermehrte Auflage,
bearbeitet ron
Cnno, ©tabtratf)
unb fleDoertietcnbem Borfl&enben beä 0erotrbcgcrid)t$
ju ftöitigdberg t. Br.
Cafcfjenformat, fartonuirt.
- Breis 1 m. 80 Bf- -
Jletri) 5 -©emerbe-(i)riittung
»rbff ^usfährungsbefHiumnugett.
$ejt»Au8gabe mit Amnerfungen unb Sachregiftet
oon
fSIj, ®etger.
Auf Söunfj) beS £errn BerfafferS fortgeführt
oon
Dr, jur. 8 . gBityelini,
Ralferi. (geheimer Ober*9tcgterung8ratb unb oortrugeuber
Watt) im Wetti^bamt beä Innern.
^ftnfielmte, uermclirtr Auflage.
Unter befonberer ©erücffichtigung
ber Beftimmungeit über ben Arbeiterfdjufc,
bie Drganifation beS £anbtoerf8 unb
baö iiehrlingSwefen.
Safchenformat, fartonnirt. B«i« 2 W. 80 Bf-
3» beziehen barch jebe BndjhanMmtg, fomte
bireft Pott ber BcrlagSbuchhattbluttg.
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel in Berlin W.
Das Streitverfahren
bandbucl) der Deutschen Uerfassungen.
Dir frif»fliigs§tft!jt Irs ftnl^rn fridjts a. frivrtSunbrsftaateB aid) ln $rgriBittign |rfe|tsfult
bearbeitet unb tjeraubgegebeu oon
Dr. jtii* $tegi?k, Btofeffor ber Rechte in öreifSwalb.
@r. 8 °. (IX, 635 @.) 1884 .
8iS auf ttibermf ber SerUgShanblmig ift Jebe etuWanblititg in ben 6t«ub gefetji, baS ^aubluip ber
Xeutftyen eerfaffttngcit aum ermä|isten «aarpreife oon 6 jgark (ftatt bisher 12 9Rarf) abattgeben.
gluttcker Ä gjumMot, Oerlagebuthljanblung, geipiiff*
Heiehsversiehepcmgsgesetzen.
Systematiscli dargestellt
von
H. Seelmann.
- Preis 1,20 Mark. -—
Serantxoortltd) für bte Unjcigen: ^cüimitt) öeibei, teipitg. - Verlag üüu runder & immblut, ifctvjio. — ©ebrudt bet gultuss Sittenfelb, ©:clin.
CW1 Hi fflutMittoy ni)i Q3»’r-\*n^f+ hör ^novfrtnÄruirfifiai!hfnun T.oounlfl Vq ^ m tTT 1 1amhnrg . fmtr 9inn_i.
vm. golprgÄng.
®erliit, ben 9. gebruar 1899.
itmnnttc 19.
Schale prayis.
{$e«traf 8 faft för ££>ogtctrpofifiü
mit bet 2Konat«bellage:
Das <Beu>erbe$etricht.
©rgan öes Derbanbes bcutfdjer <Sea>erBegeridjte.
ftcue golge ber „©lätter für fogtale sprayt«* unb be« „©ogiatpotitifeijen ßentralblatt«".
arffteiitt m jcbm Demter#a§. |)CrOU§geBer: frei« blertetjftlrli* 2 m. 50 ff.
SRebaftton: ©erlin W., ©apreutherftrafce 29. Dr. Ctltjl £tüttlkt* ©erlag bon Duncfer & Jmmblot, ßetpgig.
©ocfcmal« £err Dr. ©eumet unb
bie engltf$en Stabe Union«,
©on Dr. bon ©Ottenburg, ©onn
489
Die ©emerbegertdjte als ©int*
ftungflämter unb bie getoerl*
fdjaftlidjen ©eretnigungen bet
beutf$en Ärbeftcr. ©on
©r. ©ocrfe$, ©etlin.494
«Mt»«*» «oaui* mb mmmmm»
folttif.496
©eblngte Segnübigmtg in Deutfcblanb.
Der ©oftetat im 8lei$«tag.
©egen bie Äu*bebnung be« SHrbeiter*
fd&ufce«.
©oaialpolitifäe ©efälüffe bet ©a*
tionaÜibetalen in ©adjfeu.
3um getterblid&en grteben in ©nglanb.
Die (btifilicb-foaiale ©etoegung in
granfretdj.
ft*mstt «U ©«sf«l»*ltitl .... 499
©tübtifd&e ©lettriaitatswerle.
Äufbebung bet ©djlatbifteuer in
©xeSlau.
©t&btifdjer ©opfoit einet ©aßanftalt.
Die Sobnberbftltniffe bet ftübtiföen
«rbeiter in ©iüneben.
Fair Wages in bet ©tobt Slberbeen.
@emeinbli(be ©tafcnabmen gegen ®r*
beüöloftgfeit in ©ent.
•e*k»U Bstlnbe ..501
Die frbeiterberbaitniffe bei ben preu*
giften ©taaifibabnen.
Die &tbeit«aeit in ©nglanb.
Da« SBerfbauSprinaip in (Snglanb.
Det intetnationale Sttrmenpflegfcbaft«*
fongrefe 1900 in ©art«.
Die 8. ©effion be« obetflen Sftbett«*
tatbe« in granfrelc&.
«*5ettetbe*etun§.502
©om Jbrefelbet SEBeberftrei!.
ßut ßobnbetoegung bet Setgatbeitet
in ©a$fen.
Äaufmönnifcbet unb gewerblicher
4>ülf8Derein füt weibliche fngefteOte
in ©etlin.
Det ©etbanb Deuifdjet ©uchbtuder.
Dritter Äongrefi bet ©etoetlf(baften
Deutfdjlanb«.
Die ©etDeilfdjaften Defterreich« im
Sabre 1898.
fcu« bem englifchen ©ewertoerein«»
leben.
«rftdiertta*.505
©unbe«tatb«berotbnung jum ©djufe
bet Arbeitet in bet Sb^rbaat»Sn«
bufttie.
Die Regelung bet flrbeit«aeit in ©e*
treibem üblen.
Die „ftommiffion füt Ärbetterinnen*
fchufc", ©etlin.
Agitation füt ben 2abenfd)lu&.
fufigeftaltung bet 5fterreichif<hen @e«
werbe-ßnfpeftion
gabriftnfpeftton in ©elgien in 1897.
Sttegelung bet SlrbeitSOerbäliniffc in
ben boüfinbiftben SWilttütbüdeteien.
KfbeHevbetlUbcmm ©mrfiiffe» 507
Äonfetena bet ©«tretet bet ©et*
fUberungSanftalten.
Die 3nbalibität«0erfi<betung8*9tooene
unb bie ©ro&inbuftriellen.
Det beutfdje Heraieberein«bunb unb
ba« ßranfenüeriicberung«gefefe.
©reufjifche ©patfaffen 1897.
©ifenbabnfpatlaffen in ©ngtanb.
ttvtettiitaftwei#.508
Der $lrbeü«nachwet« füt ©tbauetleute
in Hamburg.
©tübtifeber Ärbeit«nachwet« in ©thöne*
berg.
©teHenbermittelung im ©aftwirth«*
getoetbe au ©tuttgort.
C9#blfahrt«eitt*i4tutt«t» .... 509
Der SluSfcbufi füt Söoblfabttfipflege
auf bem Sanbe.
©euoffeufihaftttdcfeis.510
©oaialpolitif<be Seiftungen bet
beutfiben lanbwirthf djaftltchen
©enoffenfebaften. ©on Dr. ft.
Sbie§, Offenbacb a. 3tt.
©(btt»eiaetif<bet ©enoffenfchaftSbuub.
f&*9mma*»efe«.514
2Sobnung«notb unb Arbeiter*
b&ufet in SBien. ©on Heinrich
9(bler r SBien.
©efötberung be« ©aue« bon Arbeitet«
Wohnungen burch ©patfaffen.
9tb«nifcbet ©erein jur görberung be«
9rbeitern>obnung«mefen«.
2ßobnung«notb in ©tuttgart 1898.
8itte*a*tf4t Maptteu.518
ttod)itiitl? Dr. ßeuracr nttb bie englifdjen
ftraibe Union?.
^err Dr. Scumer ^at in ber $)eaember ^ Kummer 23 ber
2 $eutfdben Snbuftric^ßitun^ eine ;/ 5lbn)e^r" gegen bie ftritif ner*
öffentlidgt, roeldfie \d) in ber ^feojialen $rayi«" Sir. 7 unb 8 an feiner
Auflage gegen ben englif^en Srabe UntoniSmu« außgeübt ^atte.
SBenn id^ im Solgenben aud& biefe „2lbu>ebt" einer Äritif unter»
gielje, fo gefd^ie^t ba« lebiglid^ um be«roillen, meil mir baburt^
(Gelegenheit geboten mirb, oon feuern bie 2lrgumentaHon8toeife
be« |>erm Dr. ©eumer gu fenngeithnen. Dr. 33eumer bemängelt
gunäcf)ft bie oon mir in 23egug genommene gutachtliche ^leufeerung
be« $errn 6pcnce SSatfon. ^lieber bie guten Seiten ber £rabe
Union«", fagt^errDr. S3eumer, „hat un« oer ^edhtöanroalt Batfon
im Q[ah*e 1889, al« mir unfere ©tubienreife in fenglanb machten,
fcbafcenßroerthe Sluffchlüffe gegeben." S)ann h^ifet e« aber meiter:
„SSenn er bie @ chatten feiten oamal« nicht fehen mollte unb auch
heute noch S u fennen fdf)eint, fo erflärt bie« ber Umftanb,
ba& $err ©pence 3Satfon in erfter Gteihe rabifaler ^Solitifer ift;
biefe Sßartei ift roefentlid^ auf bie ©timmen ber befferen ftimm*
berechtigten Arbeiter, alfo ber £rabe Unioniften, angeroiefen." 3Rit
Segug auf bie englischen Arbeitgeber, melche 1889 §errn Dr. 58eumer
eine Au«funft bahin ertheilt hatten, ba& bie ©eroerfoereine gum
fogialen grieben führten, mirb in ber „Abmehr" bie SRothmenoig*
feit betont, „in eine Prüfung barüber eingutreten, ob benn nicht
manche« oon englifchen Sabrifanten über bie S^rabe Union« ge*
fungene ßob oielleid^t lebiglich auf ba« SBeftreben gurücfgu*
führen fei, auch $eutfdf)lanb mit biefer Snftitution gu beglüdfen
unb baburch in feiner ©ettbemerb«fähigfeit auf bem Söeltmarfte
gu fchroächen." $err Dr. S3eumer fpricht alfo ben SSerbacht au«,
ba& £err SSatfon unb bie betreffenben englifchen Arbeitgeber in
geroinnfüchtiger Abfidf)t burch (IntfteHung ober Unterbrüdfung
tpahrer ^hatfachen einen 3n:thum g« erregen oerfudf)t, bafe fie
fich eine« oerfuebten, menn auch ftrafrechtlich nicht oerfolgbaren
betrüge« fchulbxg gemacht haben. Auf biefe Snfmuation,
melcher auch nicht ber ©c|ein einer Segrünbung beigegeben ift,
antroortet $err Söatfon in einem 33riefe an mich oom 16. Januar
wie folgt:
„9Mn oerehrter §err!
©eit Empfang 3h r ^^ ©chreiben« bin ich fo fe^r befchäftigt
gemefen, bafe e« mir unmöglid) mar, ba«felbe früher gu beant*
morten. Sih §abe ben Artifel be« $errn Seumcr burchgelefen*)
unb bin ni^t menig überragt gemefen. 2Bir haben ein ©prüdfj*
mort: „SBefd^impfe niemal« ben Anroalt be« tläger«!" 3Kir
fcheint aber, ba& gerabe bie« ba« Verfahren ift, melchc« §err
33eumer gemählt h a h unb unter ben gegebenen Umftänben
bürfte bie« Verfahren fchroerlich al« höflich begeichnet merben
fonnen. SBäre ein folch’ perfönlidber Angriff, roie er ihn macht,
in (Smglanb gegen mich gerichtet morben, fo mürbe ich bettfelben
ficherlich nicht für einer ©eadfjtung merth gehalten haben, ©elbft
unter meinen fchärfften politifchen (Gegnern giebt e« feinen, bem
95btu<f fftmmtfUfcer Stttfel ift ßettimgcn unb ßcttfc&riften geftattet, iebo<b nur
mit Polier Duellenangabe.
‘) in cnglifchcr Ucbcrfc^uttg.
491
Sogiale ^rajig. Eeiitralblatt, für Sogtalpolitif. Br. 19.
492
eg auch nur im Traume einfaflen mürbe, etmag über mich gu
fagen, mag in einem fo lächerlichen ©rabe unroahr ift. Srabe
Uniong fielen aufjerhalb ber Ipülitif, unb i<h bin ftetg ber An*
ficht geroefen, bah man ihren Birfunggfreig unb ihre Snnftionen
nicht mit ber Sßolitif oermengen follte. Sie Sh a tfad)e, bah id)
in über 60 ernften gemerblichen Streitigfeiten in oerfdjiebenen
Xtyikn biefeg £anbeg alg alleiniger Referent gemailt morben
bin unb graar omt ben Arbeitgebern foroohl, alg oon ben
Arbeitnehmern, bie Shotfadje ferner, bah «h ftänbiger Referent
in allen gemerblichen Streitigkeiten für mehr alg einen ange*
fehenen Board of Conciliation and Arbitration bin — fie
charafterifiren gur ©enüge bie Borftettung, alg ob ich fähig
märe, irgenb einen Schritt gu thun, um bie (Stimmen oon Srabe
Unioniften gu geminnen. Fd) barf mit Stolg fagen, bag ift
nicht bie Art unb Beife, in ber bei ung politische gehben ge*
führt rcerbeu. Benn meine Erinnerung mich nicht täufdjt, fo
habe ich in meinen Briefen an Sie augbrücflidj h eröor 9 e hnben,
bafe eg in bem Srabe Unionigmug, mie in allen tnenfchlichen
Einrichtungen, gute unb fflechte Seiten cjiebt, fei eg nun, bah
man bie Arbeiter ober bie Arbeitgeber tn Betracht gieht. Sch
forbere §erm Beutner auf, in ben Bereinigten Königreichen mir
guch nur einen eingigen 9Kann gu nennen, meiner auch nur
einen eingigen Satt gegen mich oorbringen fönnte, in bem ich
ben Berfndj gemacht hätte, bie Stimmen ber Srabe Unioniften
gu geminnen baburch, bah i<h irgenbroie bie Wahrheit oerheim*
licht ober entftettt hätte.
Eg ift nicht leicht, ben erftaunlichen Berbacht ernfthoft gu
behanbeln, bem £>err Beumer Augbrucf giebt, inbem er bie
englifchen Sobrifanten angreift, oon melchen er mährenb feineg
Aufenthalt in Englanb Informationen erhalten hat- 3<h will
nicht ben Augbrua gebrauchen, ber allein bie Sbee richtig
charafterifiren mürbe, bah einige ber bem Srabe Unionigmug
cjünfiigcn Augfagen, rneldje §>err Beumer offenbar oon biefen
Fabrikanten gehört hot, auf ben Bunfd) gurücfguführen feien,
bie Bcttberoerbunggfähigfeit Seutfdjlanbg auf ben Beltmärften
gu fchmächen, inbem man eg mit ber gebauten Snftitution be*
lücft. Aber ich holte e & für fehr bebauerlich, bah ein üftann,
er in biefem Sanbe mit Dffenhergigfeit unb Höflichkeit
empfangen morben ift, ber hierher fant, um Snformationen gu
erbitten, unb ber oon ben oerfchiebenen Sßerfönlichkeiten, bie er
auffuchte, mitSreuben bie atterbeite Augfunft erhielt, bie fie geben
fonnten, bah biefer Bann fich einen fo unbegreiflich abfurben
Angriff auf biejenigen erlaubt hot, melche ihr Befteg gethan
haben, um ihn gu oerpflichten. Eine berartige §anblunggmeife
ift unebel, uttflug unb unmahr. Eg ift nicht leicht oerftänblid),
marum Semanb hierher fommt um bie Wahrheit über irgenb
etroag feftguftetten, roenti er nur bag glauben mitt, mag mit
feilten oorgefahtcn unb ohne Kenntitih ber Singe gebilbeten
Borftettungen übereinftimmt."
„Benn £>err Beumer, fcbreibt §err Batfon roeiter, roirflich
ber Anficht ift, ich hätte ihm nur über bie guten Seiten beg Srabe
Unionigmug merthootte Snformationen gegeben, fo erklärt fich bag
baraug, bah er, ba unfere Unterhaltung bouptfächfich in englifd)
geführt mürbe, nicht im Stanbe mar, bag gu oerftehen, mag ich
ihm bei ber in Begug genommenen Gelegenheit gefagt höbe, olg
er in Gemeinfchaft mit einigen anberen Herren mich befuchte unb
ootte, genaue unb beftimmte Antmorten auf alle fragen erhielt,
melche mir geftettt mürben — fo meit ich S u ber Beantmortung
berfelben im Stanbe mar. . . . Ein anbereg Bai merbe ich folgen
§erren, mag ich gu fagen höbe, fchriftlich geben."
3u biefer lebten Aeuherung erlaube ich mir Solgenbeg gu be*
merfen:
Sn meinem früheren Auffafc hotte ich gefogt, eg entgöge fich
meiner Kenntnih, ob £)err Dr. Beumer unb feine Beifegefährten bie
für bag Stubium ber englifchen Arbeitcroerhältniffe crforberlichen
Boraugfeiuingen befähen, ob fie ingbefonbere bie englifdje Sprache
oottftänbig beherrfchten. Benn £>err Dr. Beumer bag einen „per*
fönlidjen Angriff" nennt, fo bemeift bag nur, bah er meine Argu*
mentation gar nicht begriffen hot. Sie ^ßerfoit beg §errn
Dr. Beumer ift mir oötttg gleichgültig, unb bag gilt auch oon
feinen Beifegefährten. Aber um oen Berth ber Beobachtungen
feftguftetten, melche bie Herren in Englanb gemacht hoben, ift eg
aüerbingg oon Bebeutung gu miffeit, in mie fern fie für ihr
Stubium oorgebilbet mareit. Eg jjonbelt fich alfo um eine burd)*
aus fachliche Örage. SDah bie Herren bie englifdje Sprache nicht
hinrcidjenb beljerrfcht hoben, um bie ihnen oon §errn Batfon er*
theilte Soformation oottftänbig in fich oufguttehmen, ift jefet burch
bag 3eugnih beg Unteren erroiefen. Senn für mid) ift bie An*
nähme oöttig auggefd)loffen, bah bie §erren einen Sheil ber Bat*
fonfehen Snformation abfichtlid) unterbrüeft hoben füllten, um nachher
biefem $>errn ben Borrourf ber Einfeitigfeit machen gu fönnen.
|>err Dr. Beumer erklärt in feiner „Abmehr", ber Sinn feiner
Bebe im Abgeorbnetenhaufe fei im ftenographifchen Berichte in
Solge eineg oon ihm überfehenen Snterpunftiongfehlerg entftettt
morben; er höbe nid)t fagen motten, burch feine im Söhre 1889
in Englanb gefammclten Erfahrungen betrachte er eg alg feft*
geftettt, bah bie englifchen Srabe Uniong nur noch banad) ftrebten,
Herren im |>aufe gu fein, fonbern biefe golgerung höbe er aug
bem lebten Augftanb ber englifchen Bafchinenbauer gegogen. 3<h
hätte mir alfo, heihi eg in ber Abmehr meiier, meine Augfübrungen
fparen fönnen. — Bun fcheint mir gunächft bie Erroägung näher
gu liegen, bah §err Dr. Beumer fich bag lieberfehen beg 3nter*
punftiongfehlerg in bem ftenographifchen Berichte hätte fparen
fönnen. Sobeh — felbftrebeno acceptire ich biefe Aufflärung —
unb groar um fo lieber, alg fie mein Urtheil über bie Beroeig*
führung Dr. Beumerg nur beftätigt. Eg fteht banach feft, bah
§err Dr. Beumer feine Behauptung, bie Zx abe Uniong mottten
Herren im f>aufe fein, lebiglich auf bie in bem Btafchinenbauer*
ftreif gemachten Erfahrungen ftüfct. ©efefet nun, bie £rabe Union
ber Bafchinenbauer hätte rairflich Sorberungen geftettt, melche nach
ber fraglichen Bietung Ijm fonflubent mären, fo gehört hoch ein
ftarfer ©rab oon £eidjtfertigfeit bagu, um barauf hm bie gange
Snftitution beg Xx abe Unionigmug gu oerurtljeilen. Sicherlich ift
biefe Softitution feine Sßanacee, unb alg eine folche ift pe auch oon
ihren Bertheibigem niemalg beroerthet morben. Keine men gliche
Snftitution oermag eine abfolute Sicherheit gegen Srähum unb
böfen Bitten gu gemähren; aber baraug, bah fie oagu unoermögenb
ift, bah fie alfo m einem eingelnen Solle auch oerfagen fann, barf
man hoch nicht folgern, bah Tie unbrauchbar ober gar gefährlich
fei. Sngbefonbere ift ein folcher Schlufj in bem bi^ in Bebe
ftehenben Solle unerlaubt. 2)ie Blafchinenbauer befanben fich im
Krieggguftanbe; ihre fieibenfehaften maren erregt, unb biefer Sh aU
fache muhte ein jeber billig beufenbe Benfch Bechnuna tragen,
roenn er bag Bemalten ber Blafchinenbauer beurteilt. S^benfattg
barf man biefeg Berhalten in einer anormalen 3 e it nicht alg
©runblage nehmen für bie Beurteilung ber gangen Snftitution
beg Srabe Unionigmug. Bottte man bie englifchen Arbeitnehmer
nach ber Biicffichtglofigfeit einfdjäfcen, mit ber fie in bem Blafchinen*
bauerftreif oorgegangen finb, fo mürbe man gegen fie eine ebenfo
fernere Auflage fonnuliren müffen, mie ,J>err Dr. Beumer eg gegen*
über ben Arbeitnehmern thut. Snbeh — biefe Ermägungen eyiftiren
für $errn Dr. Beumer nid)t.
Beiter aber — hoben bie SJtafcbinenbauer in ber Shat Sor s
berungen auf geftettt, melche bafür fonflubent mären, ba§ fie bie
§erren im §aufe merben mottten? §err Dr. Beumer fchreibt-
„Eg fteht feft, bah bit Srabe Union ber Blafchinenbauer
1. bie Unternehmer gmingen mottte, erftflaffige HÄafchinenarbeiter
an STOafchinen gu befdjäftigen, melche ooit jüngeren Leuten
ober gemötjnliajen Arbeitern bebient merbert fönnen,
2. oerlangte, bah i^be berartige 9Kaf<bine oon einem Arbeiter
bebient merben follte, anftatt bah ein Arbeiter grnei ober brei
folcher SKafdnnen bebient,
3. oerlangte, bäh eine gleidjuiähige Soljngahlung für gute, mittel*
mäßige unb fdjled^te Arbeiter. in lebem eingelnen Snbuftrie*
gmeige ftattfinbe,
4. oerlangte, bah bie nidjt gur Jrabe Union gehörigen Arbeiter
entlaßen mürben,
5. bie Entlaffung ber SBerfmeifter, melche nicht unter ber Kontrole
ber $rabe Union fteljen, oerlangte unb
6. forberte, bah gemiffe Sftafchinen nicht big gur oollen Seiftungg*
fähigfeit in Anfpruch genommen mürben, bamit bie Sohl ber
Arbeiter oergröfjert merben fönne."
Bach biefer Augführung möchte ich faft gmeifeln, ob ich &errn
Dr. Beumer überhaupt noch ernft nehmen barf. Sag gange Bemeig*
material, melcheg er für ben entfeheibenben Bunft beibringt, ift in
ben Borten enthalten: „Eg fteht feft." Unb hoch mühte ber ihm
obliegeube Beraeig fehr leicht gu erbringen fein; eg bebürfte nur
einer Biebergabe beg Sßrotofottg über bie Sifcung, in melcher bie
Arbeitnehmer bie ermähnten Sorberungen ben Arbeitgebern nor*
ß haben fotten. — Qux Bichtigftettuna beg Shatbeftanbeg er*
ich mir, aug meinem früheren Artifel Solgenbeg gu repro*
bugiren:
Sn Birflichfeit liegt bie Sache fo, mie $err ^rofeffor Brentano
fie in ber Bummer 11 ber „Sogialen $ra£ig", Sohrg. VII, nont
16. Segeniber 1897 — alfo mehrere Bonate bcoor §err Dr. Beumer
feine Bebe im Abgeorbnetenhaufe Ij^lt — bargeftettt hot. Ser
Sührer- ber Arbeitgeber, 9Br. Sper, |ot atterbingg f. 3- bie Anklage
498
Sogtale 9*rct£iS. Eentralblatt für SogialpoBtif. Br. 19.
494
erhöhen, bie £rabe Union ber BkifchinenBauer beabfidfjtige, bic
Sßrobuftion gu befdhränfen. AIS aber bcr ©eneralfefretar ber
Biafhinenbauer, 9Br. BarneS, bieS Beftritt unb ben Söeroeiö ber
SSaBrijeit oerlangte, finb bie Arbeitgeber biefen fdfjulbig geblieben.
Später fteßte ber HanbelSminifter OTitcf)ic ein Programm Behufs
gütlicher Beilegung beS Streife auf, in bem es u. A. B^ifet: ,,©ie
©eroerfoeretne tocifen jebroebe Abftcht, fid^ in bie Betriebsleitung
fcer Arbeitgeber eingumifcBen, guriidf," unb bie Arbeitnehmer er*
Härten fidj fofort gu Berhaitblungen auf biefer ©rnnblage bereit.
Qm Booember o. Q. fpradf)en fte ficB in einer Befolutton oon
feuern nochmals baBin aus, bah fie „jebtoebe Abficht, ftch in bie
Betriebsleitung ber Arbeitgeber gu mifd)en, beftritten".
Herr Dr. Beumer ^ält mir bann oor, bie englifcBen Arbeiter
hätten fcBon früher ihren Arbeitgebern bie Einführung neuer 9Ba*
feinen unterfagt, unb er beruft ficfj bafür auf einen in ben Ber*
Ijanblungen beS BereinS für Sogialpolitif ermähnten Sali. 3<h
will gu ©unften beS §errn Dr. Beumer annehmen, ba| er aus
bem ©ebächtnifj citirt, unb bah biefeS ihn getäufdjt hat; anberS
mü|te mein Urtheil über feine BeroeiSfiihrung h^r noch ftrenger
auSfaHen. 2)enn in ben ermähnten Berhanbiungen fteht nichts,
abfolut nichts oon einer £rabe Union, fonbern nur, baf$ bie Ar*
beiter eines Betriebes einer Berbefferung oon BJafdhinen SBiber*
ftanb geleiftet hätten. 3unächft ift nicht gefagt, mie baS gefächen
ift, uno bodh ift biefer ißunft fehr entfdjeibeno. 2öenn bie Arbeiter
ftd) beifpielSmeife barauf befchränft haben, Borfteßungen gu machen,
fo liegt barin noch fein Unrecht, Sobann aber roiberfpricht es
hoch aller Billigfeit, roenn man für baS Berhalten ber Arbeiter*
fcfjaft in einem eingelnen Betriebe ohne SBeitereS bie betreffenbe
£rabe Union oerantroortlich macht.
3$ Batte behauptet, baS Bilb, baS §txt Dr. Beumer in feinem
Berichte oon ben £rabe UnionS entworfen habe, leibe an 28iber»
fprüchen. Um mich gu miberlegen, citirt Herr Dr. Beumer gmei
Sähe aus biefem Berichte. 3« bem einen h^ifet eS, bie neuefte
$Bafe beS £rabe UnioniSmuS in Englanb fei unter ber aus*
gefprocfjenen Abficf)t, bem fogialbemofratifdhen Bringip gum Siege
u oerhelfen, ins ßeben getreten S)er groeite Sah fuhrt aus, in
ent ©aSarbeiterftreif hatten fiel) bie Arbeiteroertreter bageaen ge*
mehrt, bah bem Arbeiter eine ©eroinnbetheiligung an bem Ertrage
beS ©aSmerfS guaebifligt merbe. SDarnit ift nun allerbingS bar*
gethan, bah bn Bericht beS $errn Dr. Beumer gmei Sähe enthält,
melche fich nicht roiberfprechen; in meinen Artifeln aber habe ich
nirgenbs etroaS gefagt, morauS man fchliefcen bürfte, bah i<h $errn
Dr. Beumer biefe Anerfennung oerfagte. £>err Dr. Beumer erflärt
in feinem Berichte, nach feinen eingehenben BkhrneBmungen fcheine
eine fogialbemofratifche Stenbeng bei ben £rabe UnionS bis jefct
nicht oorhanben gu fein; er fpricht baoon, „bah ber englifche Arbeiter*
ftanb fich fonfequent ben fogialbemofratifchen Aufmiegelungen oer*
fdfjliehe". $>ie Arbeitgeber unb bie Arbeiterfefretäre finb ber gleidfjen
Auffaffung. ©ann aber heiht es, §err Bumett befunbete, es gebe
Sogialbemofraten in allen £rabe UnionS; in lehteren fei fthon jeht
ein gemiffe f>ineigung gur Sogialbemofratie. 3uXe^t gefleht £>err
Dr. Beumer gu, mie bie alten £rabe UnionS fich fteuen mürben,
bleibe abgumarten. daraufhin fdjrieb ich in meinem Arlifel:
„9Ran erfieht nicht, mo bie SSahrheit liegt. Berfchliehen fich bie
Arbeiter fonfequent ben fogialbemofratifchen Aufmiegelungen? Dber
gilt baS nur für bie gelernten Arbeiter? Dber mar fchon 1889
tn allen £rabe UnionS eine gemiffe Hinneigung giir Sogialbemo*
fratie oorhanben? Dber mar bie Qrage bamalS nicht fpru^reif?
BergeBlich fucht man nach einer flaren Antroort." Sch möchte
glauben, bah biefe meine Sfritif nicht burch bie ^hatfache miber*
legt mirb, bah ber Beumerfche Beriet gmei Sähe enthält, melche
— baS geftehe idb gerne gu — fich nicht gegenfeitig aufheben.
©Barafteriftifch ift auch bie meitere Ausführung: „Es fcheint
banath," fcheibt Dr. Beumer, „für ben ©enannten" — b. f). für
mich — „nur bann ein richtiges Bilb oon ben englifchen ©emerf*
oereinen gegeben gu merben, roenn man biefelben ä la Brentano
unb Sd)ulge*©aeoerttih als gum fogialen grieben füfjrenbe Sn*
ftitute fritifloS lobt unb in ben Himmel erhebt." Alfo: Bkil ich
baS oon Herrn Dr. Beumer entmorfene Bilb beS englifchen £rabe
UnioniSmuS für miberfpruchSooK erachte, fcheine ich nur ein fritif*
los entroorfeneS Bilb als richtig angufehen. Auf ber gleichen Höhe
fteht folgenber SpßogiSmuS: „Qn ^eutfchlanb — fo fcheint es faft
nach ben Ausführungen beS Herrn Dr. oon Bottenburg — muh
man ein beutfdjer ^rofeffor ober ©eheimrath fein unb fich lange
Sahre in Englanb aufhalten, um über englifd)e Arbeiteroerhältniffe
ein Urtheil gu geminnen." Sn SSahrheit ift aus meinen AuSfül)*
rungen auch nid)t bie Spur einer Unterlage bafür gu entnehmen,
bah ich albern genug märe, um nur bie Brofefforen unb ©eheim*
räthe für fompetente Bieter gu erachten. — Bach biefen Stiftungen
beS Herrn Dr. Beumer fühle i^ felbftrebenb fein Bebürfnih, mich
gegen feine Bemängelungen meiner Sogi! gu rechfertigen.
t err Dr. Beumer erflärt baS Bilb, roeldjeS Herr SSatfon oon
rabe UnioniSmuS giebt, für roiberfprud)Süo£l; nachbem bie
Ztabt Union*Äongreffe fogialbemofratifche Befdjlüffe gefaxt hätten,
bürfte man nicht in Abrebe ftellen, bah fogialbemofratifche £en*
bengen in ihnen ejiftirten. 3Rr. Allan, ein in ber ©efchichte ber
^rabe UnionS befannter Btann, hat einmal gefagt, bie fogial*
bemofratifchen Sbcen feien SomttagS*3been, benen man mie fühen
träumen an ein beffereS Senfeits ftd) ^ingebe, roährenb man an
SSerftagen fehr opportuniftifh feine ^olitif ben gegebenen Ber*
hältniffen anpaffe. S)amit ifi meines Erachtens bie Bebeutung ber
fraglichen Äongrehbefdjlüffe richtig gefenngeichnet. ®iefe ins
^ßraftifche gu überfein liegt ben Srabe UnionS fehr fern; roenigftenS
ift baS bie h^rrfhenbe Anficht in Englanb; nur neroenfchmache
^Serfonen, mie H°rr SSatfon in feinem früheren Briefe bemerft,
finb burch bie Äongrehbefchlüffe ängftlidj gemacht morben. Snbeh
ich muh mir oorbcljalten, biefe meine Auffaffung an einem anberen
Drte näher gu begrünben. Bei meinem heutigen mie bei meinen
früheren AuSlaffunaeu oerfolge id^ nur bie Abficht, Har gu ftellen,
in melier ©eife H cn: Dr. Beumer fogialpolitifdje Probleme be*
hanbelt.
Bach bem ©efagten fühle ich berechtigt, baS Urtheil,
meines id^ in ber Br. 8 ber „Sog. Braj iS" über Herrn Dr. Beumer
gefällt habe, roefentlich $u oerfchärfen. 3h m fehlen nicht nur
©rünblidtfeit unb Dbjeftioität, fonbern ihm fehlen auch noch anbere
BorauSfefcunaen, um an ber fiöfung einer ernften fogialpolitifchen
Srage mitaroeiten gu hülfen.*)
Bonn, 24. Sanuar. Dr. oon Bottenburg.
Bie Cßeiuetbegetidite ab CEinigungsätntet:
nab bie getnerkfdjaftlidjen Bereinigungen ber
bentfd)en Arbeiter.
Paragraph 61 beS ©efefecS über bie ©erocrbegerichte befagt
befanntlicf), bah bie ©emerbegerichte in Säßen oon Streitigleiten,
bie groifchen Arbeitgebern unb Arbeitern über bie Bebiugungen ber
Sortfefcung ober feieberaufnähme beS ArbeitSoerhältniffeS ent*
ftehen, als Einigung Sa int angerufen merben fönneu.
Bon biefer Bcftimmung haben bie Arbeiter $)eutfdhlanbs in
ben erften Sahrcn ihres Beftel;enS fo gut mie gar feinen ©ebrauch
gemacht. $)iefe Sthatfache finbet ihre Erflärung baburch, bah ein*
mal in biefer 3 c it nur menige gröbere ©ifferengen gmifdjen Arbeit*
gebern unb Arbeitnehmern oorfamen unb bah anbererfeits audh
eine grohe Abneigung in ben Greifen ber gemerffhaftlidi organi*
firten Arbeiter gegen biefe Einridjtung oorhanben mar. Als Dann
1895 bie ©efchäftslage in $>eutfchlanb fich erheblich oerbefferte unb
oiele Streifs auSbrad)en, ba riefen bie Arbeiter roieberholt, mehr
ber Both als bem eigenen Triebe gehorchenb, bie ©emerbegerichte
in ihrer Eigenfchaft als Einigungsämter an.
£rofcbem mirb biefe Snftitution auch h c a^ nicht oon
Seiten ber Arbeiter genügenb geroürbigt unb groar gu ihrem
eigenen Schaben. 2>urchblättert man g. B. bie Iehhährigen Berichte
ber Berliner ©eroerffchaftS*5fommiffion, fo finbet man, bah nur in
einer gang oerfchroinbenb fleinen Angahl oon gäßen baS EinigungS*
amt angerufen mürbe. SDa nun aber oiele Streifs gu Unaunften
ber Arbeiter oerliefen, fo liegt roohl bie Srage nahe, ob nicht
*) Soeben gehen mir gmei SRittheilungen aus Englanb gu. Aus
ber einen, betreffenb ben lebten Bericht beS Henrn Bumett, Chief
Laboor Correspondent on the Board of Trade, gebt beroor, bah oon ben
9V* BZinionen M, roeldje bie huubert bebeutenbften engliidicu Irabe
llntons fett 1892 oerauSgabt haben, im ©angeit nur 23 % für bie
Xurdjführuug gemerblidjer Streitigfeiten oertoenbet morben finb, bagegen
60 % für lluterftü^ungen befdiäftigitugslofer, franfer, inualiber unb
alterSfdimacher Arbeiter unb bereu Angehörigen. £ic gmeite Biittljeilung
ift ein Bericht über baS Ausfdiciben bcs ^erru Aobert Muight, be# bc*
fannten ©eneralfefretärS ber Boilermakers’ Society. Aus betufelbeu er*
giebt fidj, bah Arbeitnehmer unb Arbeitgeber fterrn Wuight ein
Banfett gegeben unb ihn mit einem filberueu ^räfentirteller fomic mit
einem Etjed über lOOOO^f. befcXjenft haben, um ihm „einen Bcmcis gu
geben oon ihrer Ad)tuug für feine eblen uitb probehaltigcu Eigen-
fhafteit als Crganifator, AÜhrer oon 5rabe Unions unb Diplomaten
in ber Berhiuberuug unb Beilegung oon gcmcrblidjen 3trcitigleiten".
Eine Unge Dhatfadjcn, fagt ein altes cuglifdu'S 3prüd)mort, miegt mehr
als eine Donnc Theorien. o.
495
Sogiale $raji8. Eentralblatt für Sogialpoltttf. Sir. 19.
496
bureß bie Anrufung beg Einigunggamteg anbere Slefultate für bie
Augftänbigen in oielen gäEen ergielt worben wären. 3<ß glaube
biefe graae bejahen gu miiffen. — Verloren gegangene Streite
bebeuten für bie unterlegenen Arbeiter nießt nur Scotß unb Elenb,
fonbern bei ben heutigen Berßältniffen aueß in feßr oielen gälten
bie 23ernicßtung ißrer Berufgoereinigung unb ein feßroffereg,
ftrengereg Stegiment feiteng beg Unterneßmertßumg. 2)aßcr fall
man, eße gum Streif gegriffen wirb, fein SJlittel unoerfucht laffen,
bag eoentueE eine friebfid^e Beilegung ber 2)ifferengen ^erbeifüfiren
fönnte.
Seiber werben in biefer Begießung non Seiten ber Arbeiter
oft gebier gemacht; eg toirb ber Streif proflamirt, obne baß man
bie Mittel erfdßöpft ßot, bie gur Beilegung ber Streitpunfte fuhren
fönnten. Xroßbem ift eg unrichtig, wenn man in folcßen gäEen
oon frioolen Streite fpricht. 2>ag übereilte £>anbeln fmbet feine
Erflärung febr oft in bem fchroffen Verhalten ber in grage
fommenben Unternehmer. ®aburcß, baß fie ben Arbeitern auf
ihre geäußerten Wünfcße gar feine Antwort gufommen laffen, ober
bie gewählten Arbeiteroertreter nießt anerfennen wollen, beleibigen
Tie nicht nur bie Arbeiter aufg Sieffte, fonbern ergeugen auch eine
Erbitterung, bie gu unüberlegten $anblungen führen muß.
$>ann fpielen aueß oft nodß anbere 2)inge bei übereilten
Streite eine SloEe mit. Sie SteEung, welche bie Unternehmer
unb bie ßcrrfdßenben (Gewalten gegenüber ben ArbeiterJoalitionen
leiber einneßmen, legt einer gewerffcßaftlicßen Bewegung, bie ruhig,
feßrittweife oorgeßt, gang bebeutenbe ^inberniffe in ben 2Beg,
ja macht fte oft gur Unmöglichfeit. |>aß unb finfterer ©roE
gegen bag Untemebmertbum fammelt fieß baßer in ben Greifen
ber Arbeiter unbewußt an unb bei einer oielleicßt gang unter*
aeorbneten Sadhe fommt er gum AugBrucß. SDie Arbeiter werben
ficb plößließ ißreg jahrelang erlittenen ttnreeßteg bewußt unb oer*
fallen fcßließlicß in bie geßler ißrer ©eaner. ERit ©ewalt foE
nun mit einem Schlage AEeg anberg werben, unb ba fte glauben,
bureß einen Streif bieg erreichen gu fönnen, fo wirb ber Augftanb
oßne lange Ueberlegung proflamirt.
3ft alfo in leßter Snftang oielfacß bie eigentliche Scßulb nießt
auf bie Arbeiter gurüefgufüßren, fo ftnb boeß anbererfeitg bie ©e*
werffcßaftgleiter, aug reinem gntereffe für ißre Berufgoereinigungen,
oerpflicßtet, möglicßjt berartige übereilte §anblmtgen unmöglich gu
maeßen. $>iefeg fann babureß gefeßebett, baß jeßon in griebeng*
geiten auf bie ©ewerbegerießte alg Einigunggämter ßingewiefen
wirb, bie unbebingt eineg ber beften Mittel ftnb, bie gur frieb*
ließen ßöfung ber Streitpunfte füßren fönnen.
SRun wirb man erwibern, baß bie Unternehmer ber Anrufung
biefer gnfiihition nur feiten golge Ieiften unb fuß nießt auf Ber*
ßanblungen einlaffen werben. 2)ag mag in einer gangen Steiße oon
gäEen xutreffen, ficßerlicß nießt aber in auen. Unb bann: Würben nießt
bie Aroeiter ein oorgüglicßeg ERaterial in bie §änbe befommen,
wenn bie Unternehmer bag Einigunggamt wieberßolt ablehnten?!
$)ann würben fte fcßlagenb naeßweifen fönnen, baß bie Unternehmer
eg finb, welcße oft ben grieben nießt woEen.
ERan begweifelt ferner bie Unparteilichfeit ber Einigungämter
unb glaubt, baß bie Borfißenben, bie anberen ©efefifcßaftgflaffen
angeßören, fteß ftetg auf bie Seite ber Unternehmer ftellen werben.
®iefe Annahme ift ungerechtfertigt. $)ie ©ewerbegerießte haben
fieß betreffs ißrer fonftigen Xßätigfeit eine giemlicß große Sympatßie
in Arbciterfreifen erworben. Sott Seiten ber Unternehmer ßat man
wieberßolt behauptet, baß fie für bie Arbeiter Bartei ergreifen.
Wenn biefeg aueß nießt gutrifft, fo fatttt boeß amß feinegwegg bag
©ecjentßeil gefagt werben. 253arum foEen ttutt biefe fclbett ©eroerbe*
gerußte in ißrer Eigenfcßaft alg Einigunggämter anberg oerfaßren?
Wenn aEerbingg Arbeiter auf bem Einigunggamt erfeßeinen, wie
eg üorgefontmeit ift, g. 3?. einen Stunbenloßn oon 50 4 forbern
unb bei beit Berßanbhntgen aueß nießt um V 2 4 ßerabgeßen unb
abfolut nidht ttaeßgeben, bann ift eg aEerbingg fein Wunoer, wenn
fcßließlicß ber Borfißenbe fieß tnißbiEigettb über ein berartigeg 23er*
halten augfprießt. $>ie betreffenben Arbeiter oerfennen einmal 00 E*
ftänbig bag Wefen beg Einigunggamteg, unb anbererfeitg fragt eg
fieß, ob eine folcßc ©algftarrigfeit überhaupt in ihrem gntereffe liegt.
3<ß bezweifle bag Scßtcre febr ftarf. ©elingt cg ißnen felbft bureß
einen Streif, ißre gorberungeu ben Unternehmern aufgugmingen,
fo werben biefe bei ber erfieit giinftigen ©elegenßeit bie 3ngeftanb*
niffe wieber rücfgängig maeßen. Eine Bereinbarung bagegen, bie
auf ©runb gegen feitiger 3 ll 9 e ftänbniffe gu Stanbe fam, berußt auf
einer gang anberen Bafig unb wirb aueß oiel eßer inncgeßalten
werben alg eine gewaltfam aufgegwungene.
Wenn oielleitßt Bei Einigpnggoerbanblungen bie SCrbeiter nidßt
foteße Erfolge ergielten wie gehofft würbe, fo liegt, bag oielfadß an
gang anberen Gingen alg man annimmt. 2)er §. 62 beg ©ewerbe*
gericßtg*©efeßeg Befagt, baß alg Vertreter ber Arbeiter oor bem
Einigunggamt nur Beteiligte BefteEt werben bürfen. Unter ben
Beteiligten gieBt eg nun in ber Siegel wenig ober gar feine $er*
fonenen, bie ißre Sacße rießtig gu oerfeeßten oerfteßen. ®er Unter*
neßmer, bem nießt nur eine Beffere Scßulbilbung gur Seite fteßt,
fonbern ber aueß im täglicßen SeBen mit SSerbanblungen oertraut
ift, operirt baßer oor bem Einigunggamt meift oiel cjefcßidfter unb
biplomatifdßer alg ber Arbeiter, tiefer fteßt folcßen gingen gänglicß
fremb gegenüber, wobureß fieß feine $ofition wefentließ oerfcßlecßtert.
®aßer wirb eg ftetg gut fein, wenn bie Slrbeiter oon bem 2. Slbfaß
beg §. 63 ©ebraueß maeßen, ber Befagt, baß bag Einigunggamt
fuß bureß 3ugießung oon 23ertrauengmännern ber Arbeitgeber
unb Arbeiter ergangen fann unb baßer hierauf Begüglicße Anträge
fteEen. Eine tücßtige 23ertrauengperfon wirb bureß gefcßidfte $$rage«
ftellung gang erßeolicß bie Eßancen ber Arbeiter oerbeffern. Aueß
fönnen naeß §.64 Augfunftgperfonen gur Aufflärung oer-
nommen werben. 5)er ©ewerffcßaftglciter, ber auf Antrag ber Ar*
beiter alg Augfunftgperfon oorgelaben, wirb feßr oft oiel gefeßiefter
bie Streitpunfte barfteEen alg bie Setßeiligten. S3on biefen ©e*
ftimmungen ift feiteng ber Arbeiter gu ißrem eigenen Scßaben öfterg
fein ©ebraueß gemaeßt worben, unb bie ©ewerffcßaftgleiter werben
gut tßun, wenn fie für bie nötßige begüglicße Sefeßrung Sorge
tragen.
3£un wiE icß feinegwegg mit meinen Augfüßrungen fagen, baß
unbebingt bei jeber ©iffereng bie Einigunggämter angerufen werben
müffen unb bureß fie aEe Streitigfeiten gwifeßen Arbeitern unb
Unternehmern aug ber SBelt gu feßaffen wären. §errfcßt g. 23. bei
oorbanbenen $)ifferengen auf beiben Seiten genügenbe Einficßt, fo
werben fieß biefe bureß gegenfeitigeg SSerßanbeln oft beffer befeitiaen
laffen, alg bureß bie Einigunggämter ber ©ewerbegerießte, ba ben
leßteren bie beruflicß*tecßnifeßen ^enntniffe abgeßen. Aueß werben
anberfeitg beim beften Söiflen oiele Streite fieß unter ben heutigen
SBerßältniffen nießt oermeiben laffen. Unbebingt fteßt cg aber aueß
feft, baß eine gange Steiße Augftänbe in ben lefcten Saßten nießt
gu Ungunften ber Arbeiter unb gum Scßaben beiber Parteien oer*
laufen wären, wenn man tneßr oon ben Einiganggämtern ber ©e*
werbegerießte, möglicßft feßon oor Augbrucß ber Streite, ©ebraueß
gemaeßt hätte.
SBcrlin. 23r. Sßoerfcß.
Äügemetne Sojlal- nnb Iftrtljltljoflsipolitik.
Billigte Beguabigung ist ^etttfcßlanb. Um gu oerßüten, baß
©elegenßeitgoerbrecßer ©ewoßnßeitgoerbrecßer werben, finb in oer*
fcßiebeiien £ulturftaaten bie bebinate 23erurtßeilung, bie Augfeßung
ober Unterbrechung ber StrafooEftrecfung mit Augficßt auf fpätere
23egnabigutig unb äßnlicße Verfahren eingefüßrt. Stacß ber bem
$)eutfcßen Sleicßgtag 00 m Staatgfefretär im Sleicßgjuftigamt über*
reichten ,,3ufammenfteflung, betreffenb bie in ben größeren 23unbeg*
floaten für bie bebingte 23egnabiguna geltenben 23orfcßriften unb
bie Ergebniffe ber bisherigen Anwenoung biefer 23orf<ßriften, // ift
big gum 1. $egcmber 1898 in Preußen, Bayern, Sacßfen,
253ürttemberg, Baben, ©effen, SRecflenburq, Clbenburg unb Elfaß*
Sotßrinaen eine Augfeßung ber Strafooflftrecfung mit Augficßt auf
fpätere Begnabigung gufammen in 15 063 gäEen bewiEigt worben.
2)ie 23ergünftigung ift in Baben augfeßließließ, in ben übriaen
Bunbegftaaten regelmäßig auf 3ugenbließe befeßränft. 3n Baoen
foEen nur erftmalig 23erurtßeilte berüeffießtiat werben, in Bayern
unb SBiirttemberg ift eg bie Siegel, in Preußen foE eg oorneßmlicß
gefeßeßen. 2Bäßrenb in Bayern unb Elfaß*ßotßringen bie ftraf*
bare ,f)anblung oorwiegenb ein gorftfreoel ober eine Uebertretung
war, überwogen fonft bie Bergeßen ($)iebftaßl, Unterfcßlagung,
^örperoerleßung). &ie ^)auer ber Bewäßrunggfrift ßat in Bauern
in ber Siegel nießt weniger alg ein Saßr unb nießt über fünf
Saßrc betragen, in Sftecflenburg brei begm. eineinhalb 3«ßre, in
Reffen fünf §aßre, in Sacßfen meifteng brei 3oßte, in Preußen
in ber £)älfte ber gäEe meßr alg gwei 3oßre, fonft gwei Qdbxt
unb barunter. Bei ber Sugenb ber Einrichtung läßt fieß leiber
noeß nießt fießer erfennen, in wie weit fie fieß bewährt, ©enauere
Stacßricßten liegen nur aug Bayern, Württemberg, DIbenburg unb
Elfaß*Sotßringen oor. Eg betrug bie 3 a ßl SöEe ber be*
bingten Augfeßung beg StrafooEgugeg, welcße enbgültig erlebigt
würben:
497
oginlc $ra£is. Centralblcitt für ©ogialpoliitf. Br. 19.
498
in
überhaupt
Bcgimbi*
gnng
Itltb gw
%
ar burd)
9£ibcrruf
ober
(iiulcitiuig
ber
©trnfuoll*
ftrccfmig
%
Batjern.
1006
785
78
221
22
SBürttcmberg . . .
245
154
66
91
87
Clbenbürg ....
20
15
75 !
• r)
25
(Slfaß-^othringcn . .
286
198
69
SS
81
3ufnntmcn . . .
1557
1152
74
405
26
§iernacß ßat fuß alfo bie Biaßregel in etwa % ber Sälle be¬
währt. 3« ^ßrcii^cn finb bei 1421 Begnabiaungen innerhalb ber Be-
wäßrungSfrift 607 BSiberrufe erfolgt; es fehlen aber bie Bad) weifungen
barüber, in wie oielen oon ben 10 075 Sällen bes bewilligten be*
bingten ©trafauffdjubeS bie BewäßrungSfrift ttocß nidjt abgelaufen
begw. bie Begnadigung nießt befürwortet, oielmeßr zur ©trafooH*
ftrecfung gefcßritten ift. Aud) bie 3ußlen öuS ben anderen BunbeS*
ftaaten geftatten feine fixeren ©cßliiffe.
Der ^oftetat im 9iei^tag giebt feit Saß^n Beranlaffung gu
lebhaften unb auSgebeßnten ©ogtaliftenbebatten. Diesmal ging eS
befonbers ßeiß h e r. Eröffnet würbe baS Seuer ootn Abgeorbneten
©inger, ber mit einer giutß oon Borwürfen wegen Bebrürfuttg unb
Blaßregelung oon Unterbeamten ben ©taatsfefretär beS SHeicfj^poft**
amts überfcßüttete. tiefer antwortete nid)t minber fcßarf, baß er
DiSgiptin mit eiferner §anb aufrecht holten unb feinen ©ogialbemo-
fraten in feinem Beffort bulben werbe. Dem Abgeorbneten o. Kar*
borff war baS noch nicht genug; er gab bem Söunfcße ber Rechten
nach BöieberßerfteHnng beS „burcß einen 3ufall" abgelehnten ©o-
gialiftengefeßeS AuSbrucf, baS wieberfontmen werbe, barauf fönne
man fid) oerlaffen. ©raf Klincfowftroem unterftüfete feinen Kollegen
oon ber BeicßSpartei. 3hnen erwibertc Abgeorbncter Bebel mit
einer feiner befannten Sieben, in benen er ben balbigen ©ieg ber
©ogialbemofratie gu feiern pflegt. Born (Zentrum erflärte fich
Dr. Sieber gegen bie „©efinnungSriecßeret" in ber BeicßSoerwal-
tung; es genügt, wenn bie Beamten fich jeher politifchcn Agitation
enthielten. Ungefähr auf benfelben Boben ftellte fid) Abaeorbneter
Baffermann oon ben Bationalliberalen, während bie freifinnige
BoifSpartei eine Sange für bie Freiheit ber 3citung$agitation bracß.
©o nothwenbig felbftoerftänblid) eine ftraffe DiSgiplitt in ber $oft*
oerwaltung ift, fo wenig politifdje Agitationen ber Beamten ge*
bulbet werben fönnen, fo gewinnt man hoch aus ben Berßanbluttgen
ben ©inbrucf, als ob die Borgefeßten ßie unb ba nur gu leid)t geneigt
finb, jebe Aeußeruttg ber Ungufriebenheit, auch ber berechtigten Kritif,
unb jcben Dadel für „fogialbetnofratifd)" gu erflären unb nid)t nur
baS Dßutt, fonbern aud) bie ©efiitnnng argwößnifcß gu betrachten.
Mißgriffe in biefer .£>infi<ßt lönnen mehr ©chaben anridßten, als alles
BJaßlwollen und alle Siirforge für bie Beamten auf anderen ©e*
bieten gu nüßen oermögen.
©egen bie AnSbeßnnng bc£ ArbciierfrffußeS proteftirt ber
(Sentraloerbanb beutfcßer Snbuftrieller. Der Bericht über bie leßte
©ißung beS DireftoriumS melbet:
Auf Antrag bes BcretitS beutfcßer gabrtfen feuerfefter ^robuftc
habe ber (Sentralocrbanb in einer Eingabe an ben 9t ei cßsf angier bie
Bitte gerid)tet, bie (in ber leßtcn ^tegelcioerorbnung enthaltene) Be*
ftinunung aufgußeben, bie ben (Sßamottefabrifeu unterlagt, Arbeiterinnen
unb jugenblidje Arbeiter gum ©treicßeit uon Gßamottcgiegcln gu oer*
wenben. Diefe Angelegenheit hotte bas Direftoriitm bereits in feiner
leßten ©ißung befdjäftigt, wobei ber Bcfdjluß gefaxt worben war, aDe
Bcfdjwerben ber Btitglicbcr über Beftimmungen bcgüglicß bes ©cßußeS
ber Arbeiter, bie natf; (irfahrung unb prafti|cßem Grincffcn, wie in bent
oorliegeubent rvalle, über baS tßatfäd)Iid)e Bcbitrfniß ßinaitsgcßcn, bei
ben maßgebenden ©teilen energifcß git luitcrftüßeu. Das Direttorium
war babei oon ber Anficht geleitet worben, baß ber bereits in oer*
fchiebenen fällen über bas Bcbiirfuiß auSgebehnte ©cßitß
ber Arbeiter biefe felbft in oielen Begießungen fcßäbige unb beren
i*age ocrfd)led)tere, gang abgefeßen oon den bein (bewerbe baburdi be*
reiteten Aadjlljeileu. deswegen eradjtet fieß baS £ireftoriuni für oer*
pflidjtct, berartige gatte immer wicbcr ben maßgebcubeu ©teilen gu
unterbreiten, um baburd) bod) oielfcidjt allmälig einer nicßr oon
praftifeßen (^efidjSpuuften ausgeßenbeu Bcurtbeiluug ber
ßier in 9tebc fteßenben Berßältuiffe Eingang git uerfdjaffen.
SDer ©taatsfefretär bes 3nnerit ßat für beit Onfer bes „neroöfen
Dilettantismus" in ber ©ogialrefornt im SfteicßStag jiingft fefjarfe
BSorte gehabt. Söirb er jefet gegen bie „^raftifer", bie bie Ber*
minberuitg beS Arbeiterfd)upeS erftreben, ebenfalls feine warnenbe
unb mahuenbe ©timtne erheben? Unb werben jene bienfteifrigen
offigiöfen Sebent, bie fid) nießt ßaftia unb fpiß genug gegen bie
©ogiaireformer wenben fönnen, nun eoenfo befliffen fteß gegen bie
©ogialrcaftionäre feßren?
©ogial^olittfche Befcßlüffe ber ftattonattiberaleit in ©aefifen.
3n ©heutnth ßut am 29. 3anuar eine Berfammlung ber Ber-
trauenSmänncr ber nationalliberalen Bartei im Königreiche ©aeßfen
ftattgefunben. 9fad) bem Berichte beS w ©h c mnißer DageblatteS"
waren gegen 400 BertrauenSmänner aus 45 fäd)ftfd)en ©täbten
anwefenb, barunter befonberS oiele Bertreter ber Snbuftrie. lieber
bie görberung ber Arbeiterfürforge ßat ftdß bie Berfammlung nach
einer Bebe beS Abgeorbneten Baffermann in einem Befcßlußantrage
u. A. wie folgt auSgefprocßen:
3m feßarfen Wegcnfaß gu ber fogiatreoolutionäreu Bewegung, wie
gu ber Irreleitung ber SKaffen burdß bemagogifcßeS B ar tntreiben, be*
tonen wir aufs 9teue baS ftarfe Bebiirfuiß beS inneren griebenS. 3 U
beffen ©egnungett muß cs aueß gehören, baß 3?ber bie ihm gebotene
ArDcitSgciegenßeit nach freier eigener (£ntfd)ließung waßrneßmen ober
ausfeßlagen fanit. Die naeß ber erhabenen Botfdjait unfercS unoergeß-
lidjcn MaifcrS S^ilßclnt I. getroß’cne Arbeiterfürforge ift oorbilblicß für
alle SBclt geworben. . . . 2Kit ber 9teicßstagSfraftion oertreten wir bie
llcbergeuguug, baß bie SBoßlfaßrtSpoliti! bes 9teidjeS in biefer $inftcßt
auf forgfam oorbereiteten SBegett fortfdireiten füll. 3nSbefoitbere wäre
es wüufdjcuSwertß, organifatorifeße (5inricßtungen auf lofaler ©ruttb*
läge entfteßen gu feßen, bie beit Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gur
Bflegc gemcinfanter berufUtßer gntereffen in georbneter Berbhtbung
halten, unb der ©eßßaftigfeit der Arbeiterbeoölferung, wie ißrem
.^eimathSgefüßl neuen Antrieb oerleißen fönnten.
3»nt gewerblichen griebett in ©nglanb» Am Borabenb beS
KongreffeS tn Biandjefter, wo bie Delegirten ber Drabe-UnionS
ben neuen ©ewerfoereinSbunb ßefcßloffen ßaben, bringt ber ,,Drabe*
Unionift" einen Artifel gum gewerblichen grteben. dr beginnt mit
ben Porten: „(Sinficßtiae ©ewerfoereiuSleute ftnb feit langer 3 c ü
ber Uebergeugung, daß ©treifs unb AuSfperrungen barbarifeße
Bietßoben gur Austragung eines ©treites find." Btcßt im ©efüßle
ber eigenen ©dßwäcßc wurgle biefe Uebergeugung, für fte feien bie*
felbett ©rüube maßgebenb, bie in ber ©pßäre der internationalen
Bolitif für bie (5rßaltung beS griebenS fpräcßeit: „©ewerblicße
Kriege finb jeßt ein folcßeS ilnglücf, baß inftinftio gerabe ißr Um¬
fang unb ißre ©cßredlicßfeit baßin brängten, fte gu oerßüten."
Au<ß bie waeßfenbe Konfurreng ßeifeße gebieterifiß ben Stieben in
ben B$erfftätten QsnglanbS. Dies aßnten unb fSüßlten Alle, aber
biefe Anftdjt muffe eine beftimmte ©eftalt gewinnen unb gur Dßat
werben — auf beiben ©eiten, bei ben Arbettern wie bei ben Unter*
neßmern. AllerbingS würbe es immer Differengen gwifeßen Beiben
eben, aber es fei nießt notßwenbig, baß bis gu ißrem AuStrag
ie Arbeit ruße — wenigftenS nießt bis jebeS oerfügbare Blittel
bes Ausgleichs erfeßöpft fei. ©cßiebSgericßte unb (SintgungSämter
mit 3mangSgewalt feien freilich ein Unbing. Aber freubtge 3“*
ftimmintg oerbiene bie Anregung beS £>anbelSminifterS, Konferengett
gwifeßen Arbeitgebern unb Arbeitern abgußalten, in benen bei
©treitigfeiten ein allgemeines B.riiWP für bie Berftänbigung er*
mittelt werben fönnte, unb fo itt jeder großen Snduftrie ober in
jeher ©ruppe fleinerer ©ewerbe bafür geeignete Aemter gu er*
rießten. Der Barlantentarifcße AuSfcßuß beS ©ewerffcßaftSfongreffeS
ßabe biefeu ©ebanfen fofort unterftüßt. ,,0rganifirte Arbeiter
hätten Alles gu gewinnen unb BicßtS gu oerlieren oon allgemeinen
BerfößnuttgSämtem in allen 3nduftrien ober Diftriften." Das
Becßt ber Koalition ntüffe babei auf beiben ©eiten anerfannt unb
gemaßrt bleiben, inbeß mit bem £>inbüc! auf Kolleftio-Bcrtretung.
Kapital unb Arbeit hätten gewiß jebeS für fteß ©onberintereffeit,
aber fte hätten aueß mamßeS gemeittfam: Beibe brauchten ©elegen*
ßeiten, ißr ©ewerbe oorwärts gu bringen, unb ©efeße, um ihnen
den ©dßuß beS SriebenS gu fießern. Das eine ßänge oom anberett
ab unb baS ©etneinmoßi beruße auf beiben. „Aue Bemühungen,
baS Kapital gum Diener anftatt gum Bleifter aller Arbeiter mit
§anb unb £>irn gu maeßen, oerbienen Unterftüßung, aber fte werben
meßr burd) aegeitfeitige Berftänbigung geförbert, als wenn man
fieß an bie ©urgel fäßrt." — Der „Drabe-Uniottift" ift ein Organ
ber alten Bidjtung in ben ©emerfoereitten; ob biefe in ben neuen
göberatiousbeftrebungen bie Dberßanb beßalten, muß matt ab*
warten. Die Berßanblungen in Blancßefter wiberfpreeßen folcßen
SriebettSplänen, wie bie eben ffiggirten, au fieß nießt. Anbererfeits
ßat oon bem in ©p. 415 ber ,,©og. Brayis" geriießtweife er¬
wähnten, aber fofort angegweifeiten ^ßrojeft eines gewaltigen Arbeü-
geberoerbanbeS, ber ben 3^ecf ßaben füllte, bie ©ewerfoereitte gu
gertrüntmern, nießts weiter oerlautet, als baß ber ünterneßmer-
oerein im Biafcßinenbaugewerbe berartige Abficßten, Buitbfcßreibcn
unb ©tatuten energifcß bementirt ßat.
499
(Soziale $raji§. Ecutralblatt für ©ogial politif. Nr. 19.
2>ie Vewegung in grnöfreidj. Aus $aris
wirb uns getrieben: 2)ie Eiicyclica rerum novarum oom 3ah re
1891 hat in ber fatholifcheit 2Belt granfreidjS lebhaften VMeberhatl
gefunben. ©ie traf in biefen Greifen aüerbingS fdjon giemlid) ftar!
entwicfelte fokale Neformbeftrebungen an. 3« einem Lanbe, in bem
bie Armenpflege unb 2ßohlthätigfeit fo fehr unter religiöfem Einfluffe
fteht, ergab fich oon felbft, bie gürforge auch auf bie nid)t unmittel*
bar |)iilfsbebürftigen auSgnbehnen, namentlich bie Bemühungen gur
fittlidjeit §ebnng ber Aroeiterflaffen in fircpdje Bahnen gu lenfen.
2)aS bemerfenSwerthefte Sßrobuft biefer auSgefprodjen fatholifchen
fogialen VeftreBungen finb bie ©efeHenoereine unb bie Arbeiter*
girfel. Mit bem Erfcheinen ber Enctjclka erhielt bie gange Ve*
wegung einen neuen Anftofj. 2>ie allgemeinen Katholifentage
fingen an, fid) näher mit ben fogialen Aufgaben gu befdpäftigen
unb erhoben bamit bie fatholifdje ©ogialpolitif granfreidjs gu
einem meiteren ©efichtsfreis. 3n golge ber nod) immer tief tour*
gelnben Hnterfd^iebe großen ben fonferoatioen unb ben bemofrati*
fd)en ©(bitten !am es bis jefct noch nicht gu einer einheitlichen
3ufammenfaffung aller Kräfte. AIS einen erften ©chritt nad) biefem
yiele mag oielleicht bie Slonfereng ber Leiter fogialpolitifker 3eit*
ichriften betrautet werben, bie fürglich gum gmeiten Male ftattfanb.
25er 3roecf biefer Konfereng ift, ficb über ein gemeinfameS $ro*
gramm praftifeber ©ogialpolitif gu oerftänbigen. 2)ie Äonfereng,
bie übrigens beim lebten 3ufammentritt fchon eine ftänbige Korn*
miffton mit bem ©ifce in $aris ernannt hat, fod ficb alljährlich
oereinigen unb baS Programm für bas fotnmenbe 3ahr feftfefeen,
bas fo ftets nur fünfte oon aftueüftem Sntcreffe enthalten unb
im ©angen bem ©ange ber allgemeinen ©ogialpolitif bes Laubes
folgen wirb. 2>aS Programm für 1899 befebränft fid) auf brei
fünfte:
1. ArbettSbcbtngungcu bei öffentltdjen Arbeiten. Nadj
ber Anficht ber Kortfereng ftnb bie Vorfdjlägc bes oberften ArbeitSratbS
gnr Regelung biefer (frage bahin gu ergangen, bafg ber oorgefebriebene
wöchentlidje Aubctag anf einen ©onntag feftgefe^t, bah bie gijirung
ber ortsüblichen 2agelöf)ne, fotoie bie Angafjl ber gugelaffenen fremben
Arbeiter in bie $änbe ber VerufSforporatioucu unb nicht bie ber 23er*
lualtungsbebörben gelegt wirb.
2. Abänberung bes KoalitionSgcfejjcS oon 1884. Aus*
behnung ber Vergiinftigungcn biefeS ©cfcpcS auf alte Korporationen
unb Erweiterung ber Eioilrecbte ber ©ewerffdjaften, namentlich gur
Erwerbung oon gmmobtlien unb gur gerichtlichen Verfolgung oon
fontraftbrüchigen Unternehmern ober Uuternel)nicrforporationeu, mit
benen fie ein KoHeftioabfommen getroffen I)aben. Auch foll ben Vcrufs*
oereinigungen eine obligatorifche Mitarbeit an ber ©cfefcgebung auf--
erlegt werben.
3. Vefämpfung ber Ausbeutung im ©elfte ber fdholafrifcfjcn
^htlafophie. ES werben hierfür gmei $ringipien aufgefteHt: Man |oll
aus feinem ©ute Nupcn jiel^en fönnen, wenn mau bariiber nicht ein
dominium mit ben (Gefahren unb Pflichten bewahrt, weldje ber djrift*
liehe Eigentpumsbegriff mit fidj bringt. 2>3citcr foll bie Verkeilung beS
NupenS fiep nad) ber Kaufalität ber ^robuftion ridjtcn, alfo bem
Arbeiter bas Nedjt auf ben oollen Arbeitsertrag gefidjert werben.
©ie Seitfchriften. welche ftch an ^ cr erwähnten ^onfereng be*
theiligen, ftnb folgenoe: Association catholique; Sociologie catho-
lique; XX 6 siede; Revue de la jennesse catholique; Le Sillon;
La Quinzaine; La Democratie chretienne; La Corporation; La
Justice sociale; La chronique du Sud-Est; A la Voile; Bulletin
de la ligue du coio de terre et du foyer; Echo des Oeuvres de
Sl. Antoine de Padoue.
fiommmtole Sozialpolitik.
©täbtifdje EleffrigttfttStoerfe. 2aS Wiener ©tabtbauamt ift mit
ber Ausarbeitung einer Vorlage für bie Errichtung ftäbtifcher eleftrifdjer
Kraftwerfe beauftragt worben, bereit balötge lleberrcidjuug angefünbigt
wirb. 2aS geplante ftäbtifdje Elcftrigitätswerf foll auf eine ^ciftung
oon 12 000 ^ferbefräften ocranlagt werben. 2er ©trom, wafjrfdjeinlidj
©leid)* tttib 2i?ed)jclftrom, foll niefjt blofe für VcrfehrSgwccfe, fouberu
aud) an inbuftrielle Uutcruehmnugcn abgegeben werben. '2ie Kabel, bie
eine ©efammtlänge oon 100 Kilometer haben werben, füllen gur Ver*
mexbung einer neucrlidjeit ©trafieiiumwälguiig in ©infdjnitte längs ber
£>äufcrfiud)t gelegt werben. 2ie Koftcu werben mit runb 10 Millionen
(Bulben ocranfd/lagt, bie burd) eine Anleihe beftritteu werben müfgten.
2ic (S*rage, ob bie Oienteinbe ben Veirieb fclbft übernehmen ober für
eine Steifte non 3aljren uerpadjtcn foll, ift bisher uodj nidjt cntfd)icben.
Aad) bem neuen 2ramwai)überetnfommeu ift im Salle ber ©rridjtung
ftäbtifd)er Kraftwerfe bie Vau* unb VetricbsgcfcHfdjaft für bie elcftnfdjen
©tvafjcubahneu ocrpflidjtet, if)ren eleftrifdieu ©trom gum Valjubetriebe
oon ber ©emeinbe gu begiehen. — 3» Vcrlin hat ber UntcrauSfdjuf?
ber Verfchrsfomntiffion fich bafiir ausgefprochen, bie neuen ©tragen*
Bahnlinien in ftäbiifchc Aegte gu übernehmen. Leiber ftat fie fich bie
Ergeuguitg ber Eleftrigität nicht in ähnlicher 2&ei[e wie 2Sieit oor*
behalten unb audj ben ©trahenbahnoertrag mit ben ©trahenbahngefeH*
fchaften fchon erneuert. — 2ie ©tabtoerorbneten oon |>alle geneh*
migten am 1. (frbruar mit 34 gegen 9 ©timmen ben MagiftratSantrag,
eine eleftrifdje Zentrale anf Koftcn ber ©tabt gu erbauen unb gu be*
treiben.
Aufhebung ber ©rihtadjtßener in IBreSlau. 2ie 3leifd)theueruug hat
anfdjcinenb bie Mehrheit im (finangauSfchuh gu einem Ve)d)luh.bewogen,
ber bie Aufhebung ber ©d)lad)tfteuer — gur £älfte gum 1. April
biefeS, gur Hälfte gum 1. April fommenben 3af)^eS — oorfieht.
^aQS baS Plenum ber ©tabtoerorbneten guftimmt, fd^Xiefet ftch her
Magiftrat, wie Dberbürgermeifter Venber erflärt, gfeid)faHS bem An*
trage au.
©täbtifriher IBohfitt einer ©aSanftaXL 25er Atagiftrat oon
Snowraglaw oeröffentlicht golgenbeS:
^2ic ftäbtifd;en Vcl)ürbeit haben befcf)Ioffen, bie Erfüllung beS
Vertrages mit bem ©asanftaltsbefi^er £>errn Dr. Müller wegen feines
bauernbett fontraftwibrigen Verhaltens gu oerweigern unb insbefonbere
bie Annahme unb Vegahlung ber ©asbcleuditung abguleftnen. giir eine
anberweite prooiforifdjc ©trahenbeleiichtuug wirb in möglidjfter Kürge
geforgt werben, (für bie Swifchengeit ridjten wir an untere Vürger*
fd)aft bie ergebenfte Vitte, uns in unterem Vorgehen baburd) gu unter*
fluten, baf; ftc für bie Veleuchtung ber ©tragen burch Erhellung ber
ffenfter unb Aushängen oon Saternen ©orge trägt."
2)iefer Vorgang ift ein fleiner Veitrag bafür, in welche
©chwierigfetten etne ©tabt burch Ablehnung ber Aegie*33erwaltung
für fo allgemeinen Sntereffen ber Vürgerfcftaft btenenber betriebe
fommen !ann.
2ie fiuhwhethllÄlffe Ber ftabtifdjen Arbeiter in München. 3m ©e*
meinbc-Kollegium ift beantragt worben, bie üohnoerhältniffe ber ftäbtifdjen
Arbeiter einer burebgreifenben Neuregelung gu untergiehen unb gwar in
ber SBeife, bah 1. für fämmtliche ftäbtifdje Arbeiter ein ^ohufnftem mit
allgemeinen VorrücfungSfriften unb geitgemäfjer Erhöhung ber Minimal*
löhne feftgeiept werbe. 2. 2ie fänuutlichcu ftabtifdjen Arbeiter nadj
gehnfähriger 2ienftleiftung als ftatuSmähige unb bamit auch penfionS*
berechtigte Vebienftete anfgenommen werben.
Fair Wa^es in Slberbeeit. 2>er ©tabtrath oon Aberbeen hat
befdjloffcn, bah btc Ausführung ber ftäbtifdjen 2)ru cf arbeiten nur
foldjcn ginnen übertragen werben barf, bie bie oom ©ewerf*
oerein feftgefetjten Söhne begahlen. 3 ur Bewerbung finb alle biefe
ginnen gugelaffen, hoch werben bie Lieferungen nur jener girnta
gugewiefen, oon ber berichtet wirb, bah hie ArbeitSbcbingungen in
ihrem betriebe am meiften „baS fogiale, moralifd^e, getftige unb
phpfifch* ber Arbeiter" förbern.
©etsteinbHdje äRahnahmeu gegen 9rBeitB(o{tgfett in £Bem.
3n ©rgäitgung früherer Mittheilungen („©ogiale $rayiS" ©p. 408)
wirb uns aus ber ©chweig gcfchrieben: 3n Vern herrfcht in golge
ber ©infteüung ber Vauthätigfeit in erheblichem 2Rahe Arbeits*
lofigfeit. Nach ben neuften Erhebungen giebt eS ruttb 500
ArbeitSlofe. 2)iefe gogen lefcthin oor baS ©täbtifd)e AathhauS
unb oerlangten Arbeit. ES fanb barauf eine gröbere Verfammlung
ftatt gur SDrganifation ber §ülfeleiftung. Eine genügte Kommiffion
würbe beftellt gur ©ammluitg oon Beiträgen. VereitS ift ein
Aufruf erlaffen worben, auch t) Q t ber ©tabtrath eingelne Vau* unb
©trabenarbeiten oornehmen laffen unb fo wenigftenS einem 2heil
ber ArbeüSlofen Vefcftäftigung gewährt. 2)ie oiel befprod)cne
ArbeitSlofenoerficherung hat in biefem gaHe nur wenig
helfen fönnen. Eine wirtliche VerficherungStaffe ift fie in
VSirflichfeit nie gewefen, fonbern ein blofje .^üifsfaffe, beren
Mittel meiftenS oon gemeinmibigen Leuten aufgebracht würben, ja
man fann fagen, fie habe in fofern eher nachtheilig gemirft, als
fie fubfiftenglofe ^ßerfonen nach ber VunbeSftabt gog. ^öffentlich
wirb aus ben heutigen Erfahrungen bie red)te Lel;re gegogen unb
bie K'affe rcorganifirt, wobei bann aüerbingS baS Dbligatorium
faum gu umgehen fein wirb, eben fo wenig aber aud) eine richtige
Drganifation ber ArbeitSoermittlung. 2)iefe ift nod) immer baS
©chmergenSfinb. 2)enn es ift bod^ merfwürbia, bah w Vent Ve*
rufSarbeiter arbeitslos finb unb in Aagau g. V. oon ben Meiftern
geflagt wirb, fie fänben feine ©cfellen meftr. AüerbingS ift auch
bie 3ald ber ,J)anblanger unter ben ArbeitSlofen berart beträdjt*
lidj, bah f^ e Sum Nachbenfcn aufforbert unb ber Vermuthung
Aaum giebt, es laffe bie gewerblidj*berufliche AuSbilbung, nament*
lieh im Vaugcwerbe, noch Manches gu wünfehen übrig.
50 J
©oktale VrajiS. (Ecntralblatt für ©ozialpolitif. Nr. 19.
502
Stofiale Jttftöttbe.
$te ArBetteroerßälimffe Bei beit |irett^ifc^iett ©iaatsbaßuen.
$)as (Eifenbaßnminifterium giebt trüber folgenbe lleberfid^t:
^en (9el)ülfeu im mittleren 5Dienft, hülfsfräjten im unteren $ienft,
föanbmerfern nnb Arbeitern ftnb nach ber tabeHarifcßcn Aufteilung im
$urdjf<bnitt an Vergütungen ober ööljnen gezahlt roorbeit im gafjr
1897/98 für ein Sagemerf 2,48 M gegen 2,4i int lebten unb 2,39 im oor-
lebten 3aßre. Vei beit SScrfftättenbanbmerfern betrug ber Sageloljn
3,15 JC ( 3 , 14 ; 2 , 99 ), ber ©tütflofjn 4 ,05 ( 3 , 99 ; 3 , 95 ); bei ben ßanbroerfs-
mäßig gebilbeten Serfftättcnbanbarbeitern ber Sageloßn 2,51 (2,5s; 2,44),
ber ©tücf lohn 3,56 ( 8 , 53 ; 3 , 49 ); bei ben fonftigeu Akrfftättenhanbarbeitem
einfcßließlid) ber NJafcßinenarbeiter ber Sageloßn 2,43 (2,41; 2 , 33 ), ber
©tücf lohn 3,33 ( 3 , 30 ; 3, 32 ). $ie tägliche datier beS planmäßigen SDienfteä
betrug im £>erbft 1898, bei 34 732 Beamten bis 8 ©tunben einfcßließ-
lieb, bei 33 500 meßr als 8 bis 9 ©tunben, bei 95 031 meßr als 9 bis
10 ©tunben, bei 67 084 meßr als 10 bis 11 ©tunben, bei 68 714 meßr
als 11 bis 12 ©tunben, bei 11403 mehr als 12 bis 13 ©tunben, bei
7473 mehr als 13 bis 14 ©tunben, bei 3032 meßr als 14 bis 15 ©tunben,
bei 2295 mehr als 15 bis 16 ©tunben. $)ie Ausbeutung ber Arbeit
über 11 ©tunben betrifft ßauptfadjUcß bas ^ugbegleitungSperfonal unb
baS Sofomotioperfonal, Me Valjmoärter, Vkicfjenftcllerunb bie ©tntions-
beamten. (SS roirb jebodj bin^ugefiigt, baß bie tägliche $>ienftbauer
für jeben Vebienfteten beS 3 u 9&egleitung- unb SofomotiuperfonalS im
monatlichen Xurchfdjnitt borf)ftens 11 ©tunben betrage. ®urdj biefc
Veftimmung merbe uerbütet, baß ftdj längere Süenftidjidjten oft rnieber-
boleit. Zn bie oberen 3 a b^ en ftnb längere in bie planmäßige 3)ienfi-
bauer fallenbe Nuljepaufen, bie bei biefetn Verfonal ßäußg uorfommen
unb bis 6 ©tunben umfaffen, eingerechnet. Auch ßabe ein großer 2ßeil
beS 3 u gperfonaIs fließt jeben Stag einen $ienft oon ber nämlichen
$auer. AuS einer meiteren Nacßroetfung über bie Ruhetage beS
'perfottals gebt ßeroor, baß oon 210 851 Veamten u. f. m. monatlich
1 Nußetag 19 184, 1 l j 3 Nußetage 21378, 2 Ruhetage 53 169, mehr als
2 Nußetage 117 135 erhalten. $ie oerbältnißmäßig geringfte 3 a ßl »on
Ruhetagen betrifft bie Vabmuärter, SBeidjenfteHer, ©tationSbeamten, bie
VaßnßofSarbeiter, Nlafdßnenpußer unb ©üterbobeuarbeiter.
AuS biefen Nacßroeifungen ergiebt fi<ß, baß immer noch
Arbeitszeiten bei einer Steiße non (Eifenbahnbeamten oorfommen,
roelcbe gerabe für ben befonberS oerantmortlicben SDienft zu lang
erfeßeinen. (ES märe feßr zu roünfcßen, baß hier noch meitere Ver¬
fügungen eintreten. gmmerßin ift feft^u[teilen, baß im 2)urcß-
febnitt foroobl bei ben £ößnen roie bei ben Arbeitszeiten Ver-
befferungen eingetreten ftnb. greilicß hat iebe ©tatiftif, bie nur
mit SDurcßfcßnittSzahlen rechnet, etmaS re<ßt Mißliches unb ©cßiefeS.
$te XrBeitö^eit in üaglanb. $>er tmrläußgen 3ufammen-
ftellung beS Labour Department zufolge hat bie Arbeitszeit in
(Englanb im leßtoerfloffenen gaßre menig Aenberungen erlitten.
SSorjüglich maren es bie Arbeiter int Vaugemerbe, bie für
19 306 Arbeiter eine möchentliche Nebufßon ber Arbeitszeit um
IV 2 ©tunben bureßfeßten; in ber SNafcßinen- unb Ntetallinbuftrie
fonnten 5286 Arbeiter ihre möchentliche Arbeitszeit um 2 3 / 4 ©tunben
rebuziren unb 2500 Arbeiter in ber fdjottifcßen ©cßuhinbuftrie
feßten eine möchentliche Arbeitszcitoerringerung oon 2 ©tunben
burch- VemerfenSmerther SBeife errangen etroa 1500 Vrauereiarbciter
ben Achtftunbentag, maS eine Nebuftion ihrer Arbeitszeit um
6 ©tunben roöcßentlicß bebeutet. gnSaefammt mürbe bie ArbeitS-
Zeit für 36 000 Arbeiter um burchfcßnittlicß 274 ©tunbe pro $opf
unb SBocße ßerabgefeßt.
$aS SBerfßauSprmztp ttt (Englanb. ©eit ber Reform oon
1834 mirb bas SBerfßauSprinzip tn (Englanb oielfach ftrift an*
gemenbet unb bilbet feit langen gaßren ben ©egenftanb lebßaftefter
Erörterungen über feine Vorzüge unb SNänael. S)er neuefte Ve*
rießt ber fe^itecfjapcl Union, eines ber ärmften unb elenbeften Ve*
Zirfe SonbonS, enthält auch über biefen ißunft roieber intereffante
Angaben. $)er Leiter ber Armenpflege bort ift Vallance, ein feßr
erfahrener Armenpfleger, ber aud) litterarifch roieberholt h^or*
getreten ift unb immer lebhaft für baS 2BerfhauSprin3ip eingetreten
ift. 2)aS Prinzip h fl l 3 ur 0olgc, baß mit geringen, ganz
ftimmten Ausnahmen bebürftige V e rfonen nur Durch Aufnahme in
eine gefcßloffene Anftalt unterftüßt merben (indoor paupers), mobei
ber ©efuht^punft leitenb ift, baß ber (Eintritt in bie Anftalt ben
VemeiS für bie oorhartbene Vebürftigfeit liefere. Ausnahmen
merben nur zugriaffen für ^ranfe, (Gebrechliche unb oorübergehenb
auch für SSittroen mit ^inbern. 2öie in mehreren aitberen eng*
lifchen Vezirfen geigt fich auch in betn oon SÖhüechapel, baß bie
ftrenge ^Durchführung beS Prinzips roefentlich z ur ^erabminberung
ber äfoften ber Armenpflege geführt h<*t- AüerbingS h a i ^S ohne
3meifel auch feßr erhebliche gärten xur 3olge, bie nur burd) eine
meiter auSgebehnte $rioatmohlthätigfeit ausgeglichen merben fönnen.
Am beften geigt fich ber (Erfolg ber ftriften Aumenbung beS
Prinzips in ber tabellarifchen Ueberßcht über ben ©tanb ber offenen
unb gefchloffenen Armenpflege in bem Vezir! in ben leßten
30 Sahnen:
Unter-
ftüßt in
ge*
fcßloßc*
ner
Wege
Unter¬
ftüßt
in
offener
pflege
©efantmt-
jaljl ber
Unter*
fti'ißten
mit AuS*
fcßluß ber
OleifteS*
franfen
gn Prozenten
««
W
)ften ber offenen
?ge (in ©clb unb
Naturalien)
@e»
fölof*
feite
Wege
Dffene
pflege
für
eine SBodje
£ 1 s | d
für bas
3aßr
£
1870
1410
5 339
6 758
21,0
79,o
168
17
4
6 685
1871
1219
2 568
3 787
32,2
67,8
120
14
3
6 073
1872
1000
1568
2 568
38,9
61,i
75
18
7
4 730
1873
1 163
845
2 008
57,9
42,i
50
4
5
2 654
1874
1154
609
1763
65,5
34,5
36
11
1
2114
1875
1 170
346
1 516
77,2
22,8
22
9
0
1406
1880
1 464
128
1 592
92,o
8,0
9
7
7
546
1885
1 370
74
1444
94,9
5,i
4
8
1
309
1890
1 258
52
1310
96,o
4,o
1
16
3
84
1895
1 815
29
1844
98,4
1,6
0
10
3
41
1898
1413
24
1437
98,3
1,7
0
9
11 1
24
(ES fpringt in bie Augen, mie fehr fich bie 3 a hi ber Vebürf*
tigen oerringert hot unb feineSmegs nun eb.enfooiele in bie Anftalt
eingetreten ftnb, als oorßer in offener pflege unterftüßt mürben,
freilich bleibt immer groeifelhaft, ob unb inroieroeit babureß nur
foldje zurücfgehalten mürben, bie bie Armenpflege oßne ©runb in
Anfprucß nahmen, ober auch folche, bie, obrooßl bebürftig, hoch
burch bie gorm ber gebotenen llnterftüßung abgefchredt mürben.
$er internationale ArmenpflegfcbaftSfongreß 1900 in $ari$.
2)ie mit ben Vorbereitungen betraute Äommiffion h^i fürglich bas
beßnitioe Programm ausgearbeitet. 3)er Kongreß mirb fuh bem*
nach m nier ©eftionen theilen, bie ßth im (Einzelnen mit ber Ver*
forgung ber Äinber, ber allgemeinen nnb ber befonberen Armen*
pßege unb ber llnterftüßung burch Arbeit z u befchäftigen haben,
gür bie brei erften ©eftionen hat bie Slommifßon aud) bereits bie
©pezialthemata beftimmt unb Vericßterftatter ernannt. 2)ie erfte
©eftion mirb fo eingeßenb über bie Unterbringung oon Armen-
Jinbertt beßaitbeln, melcße auS irgenb einer moralifcßen Urfacße
nicht in gamilienpflege gegeben merben fönnen. $)ie zmcite ©eftion
erörtert baS Problem ber Artnenpßege im Domizil, namentlich bie
Vezießungen zroifeßen ben öffentlichen ArmenpflegfcßaftSorganen unb
ber prioaten SBoßltßätigfeit. ^)er britten ©eftion ßat man bie
Aufgabe z« 9 cmiefen, bie grage ber Verforgung ber tuberfulofen
Armen za unterfueßen. 2)er oierten ©eftion mürbe greißeit in ber
Vkßl ißrer Arbeit gelaffen.
$ie achte ©efßon beS oberften ArbcitSratßeS in granfreieß
fanb im Dezember unter bem Vorfiße beS £>anbeISminifterS in
$ariS ftatt. 3a beßßäftigen hatte fieß biefe fonfultatioe Körper-
feßaft in ber oerßoffenen Tagung mit ber bureß eine lebhafte
Agitation oon ©eiten ber Arbeiter feßr afut getoorbenen grage ber
gefeßlidjen Vefeitigung ber fogenannten „Vtarcßanbagc". gn fernen
Zmei ©ißungen fam ber ArbeitSratß za folgenben ©djlüffen: (Es
ergiebt fid) nießt bie Sfcotßroenbigfeit, bie gültige ©efeßgebung über
bie VJarcßanbage za mobißziren. ®aS ^)efret ber prooiforifeßen
Regierung oom 2. bis 4. VJärz 1848 in feiner Auslegung burch
ben ßöcßften Gerichtshof bietet genügenben ©cßuß, ba es für jebe
unerlaubte ÜDtarcßanbage ben 9ted)tSmeg eröffnet, darnach ßnb alfo
bie ßößne ber oon ©ruppenfüßrern unb ©ubunterneßmern be»
fcßäftigtcn Arbeiter oom ^auptunterneßmer garantirt, unb ber Ar¬
beiter, ber oon biefer 91cd)tslagc proßtiren roiH, ßat nur ben
.^auptunterneßmer rechtzeitig z» benachrichtigen. Anfcßließenb baran
fpraeß ber ArbeitSratß noeß ben SBunfcß aus, baß für alle bem
ArbeitSoertrage entfpringenben ißrogeffe ein möglicßft billiges Ver¬
fahren angemenbet merben möge.
SCrbettetbeitiegttJtg.
Vom Irefeller SBeBerftreil ift za berießten, baß bie oon ben
organifirten cßriftlicßen Arbeitern eingeleiteten Verßanblungen mit
ben gabrifanten bisßcr zmar ergebnißloS geblieben ßnb, aber fort-
gefeßt merben foÜcn. gn einem Aufruf bes ©treiffomiteeS beS
d)riftUd)en SBeberoerbanbcS au bie d)riftlidjc Arbcitcrfdjaft ilrcfelbs,
beS gefamntten 9UeberrßcinS nnb ganz ^entßßlanbs um llnter¬
ftüßung ßeißt cS u. A., baß bis jepi aueß nidjt bie flciufte Acnbc-
503
Soziale ^rajrig. Gcntrnlblatt für Sogialpolüif. Rr. 10.
504
rung ber ßohnlifte gugeftanben worben fei, obfZon ber ^riftlidje
Berbanb jebcr^cit gu vernünftigen Berhanblungen bereit gewefen
fei. Hug bem Aufruf ift erftdülicf), baß 000 bem (^riftlic^en Ber*
banb angehörige Arbeiter ant Streif betljeiligt finb. Retterbingg
ift von ben Streifenben in einer Berfatntttlung eg entf^ieben oer*
urteilt roorben, baß einzelne Bcrbätibc mit ben Sabrifanten oer*
I)anbelten. $)er Koalition ber Sabrifattten müßten and) bie
Streifenben gefcbloffen gegenüberfte|en. ßg rourbe eine Rontmiffion
gewählt, bie SKitglieber oer brei in $rage fommenben Arbeiters
oerbättbe umfaßt unb eoentneH mit ben Sabrifanten in Unter*
hanblung treten fott. Hm 31. Sanuar überreizten bie ftreifenben
SSeber ben gabrifanten eine ©enffc^rift, in ber bie RaZZeile ber
neuen £ohn!ifte beleuchtet roerben unb ihre einfeitige Hufftellung
burZ bie Sabrifanten alg ein gehler beflagt roirb. $E>ie ‘Benf*
fZrift behauptet, baß brei Biertel aller SSebcr ben angebliZen
S)urZfZnittgIobn von 24 JL in ber 2£oZe mä)t erretZten. $>ie
gabrifanten ftnb naZ mie vor gu einer Hbänberung ber £o!jnüfte
niZt geneigt.
3ur Soljn&etofgnng ber Bergarbeiter in SaZfen. Huf bie
fürgltZ auZ ung (ut 448) mitgetheilte Eingabe ber Berg¬
leute an bag RöttigliZe Bergamt bat biefeg nunmehr, gugleiZ int
tarnen ber Berginfpeftionen 3 ,0 tcfau 1 unb II geantwortet, baß
eg wegen ber Eingabe befonbere BorfteÜiingen an bie bctrcffeitben
Serie niZt riZten werbe, unb baß bie 25auer ber ScZfelfZtZleit
unb bie ßrriZtung oon BtannfZaftgbäbern fZon feit längerer
3eit, unb gwar mit fortfZreitenbem Erfolge, ©egenftanb oon ßr*
örterungen unb Berbanblungeit mit ben Bkrfbefißertt fei. — (Sine
Stellungnahme ber Serfbefifcer gu ben Sorberungen ber Arbeiter
ift, wie man hört, big jeßt noZ niZt erfolgt.
AanfmännifZer unb getoerbUZer ^ftlfguerein für weibltZe Hn*
geftelte tu Berlin. Hm 6. Februar 1889 rourbe bie erfte Hnregung
gur ©rünbuttg biefeg Bereing gegeben; bie fonftituirenöe Ber*
fammlung fanb am 2. ßuli 1889 ftatt. Hug ben paar Rimberten,
bie bamalg beitraten, finb im Saufe oon gehn fahren jeßt 11000
Sßitglieber geworben. 2)er Berein gewährt ReZtgßilfe, Rath unb
Hugfunft, ber StellennaZiveig hat mehr alg 10000 fcfte Stellungen
naZgewiefen. Hn bem UnterriZt ber gortbilbungganftalt nehmen
halbjäßrliZ burZfZaittUZ 300 SZüIeriuneu tljeil; eine Bibliotßcf
oon 4000 Bänben unb gutbefuZte Borträge unterjtiißen weiter biefe
Bilbunggbeftrebungen. ßin eigeneg Bereingorgan ift mit RaZbrucf
unb ßrfolg für ben Berein thätig.
$er Berbanb Sentfdjer BuZbrutfer hat mit ber Drganifation
ber Bringipale ein Hbfommen getroffen, wonaZ ben Hrbeitern be*
jiigliZ ihrer 3«öehöriQfeit gu ber oon ben ^ßringipalen erriZtcten
unterftiißunggfaffe bag freie ßntfZIießunggrcZt gewahrt werben
foll. 2)ie Bercinbaruttg, bie bereits oon ben ©auoorftäitben beg
©ehilfen*Berbanbcg gutgeheißen ift, hat folgenbctt Sortlaut:
„3tt beiberfeitigem ^ntereffe wirb cg alg rnthfam craZtct, baß
weber ber Berbanb auf ber einen Seite feinen Stfitglicbcrn oerbictet,
ben ^riitgipalgfaffen angugcbörcii, noZ auf ber anberen Seite ber
$)cutfZc BuZbructcroerein feine BRtglicbcr aufforbent foll, (Mjilfen nur
gu befZäftigcn, wenn fie gu feinen Raffen fteuern, fonbern baß auf beibcu
Seiten ben eingeliten Bfitglirbern beiber Rorporationcn ifjr ooüeg freies
(^ntfcßließungsrccht gewahrt bleiben foll."
$)amit ift abermalg ein Httlaß gu Reibereien unb Streitigfeiten
burZ friebliZe Berhanblung gwifZen ben Drganifationen ber Unter*
nehrner unb ber ©eßilfen aug bem BScge gefZafft.
dritter tstgrc§ ber ©ewerffZaften fcettifZlanbg. 3n Örattf*
furt a. 9R. ftnbet oom 8. 2Kai an mit ber ooraugfiZtliZ^» Raiter
oon fünf Xagen ber britte ©emerffZaftgfongrefe ftatt. Hlg Xageg*
orbnung ift vorläufig oorgefeheu: ReZenfZaftgberiZt ber ©encral*
fommiffion unb Bcrathung ber Hnträge, betreffenb Hgitatiou, ßr*
Weiterung ber ^Ijätigleit ber ©enerallommiffion, Streifunterftühung
unb Streifftatiftif, „ßorrefponbcngblatt". ^ag ÄoalationgreZt ber
beutfZen Hrbeiter. 2)ie OJeiocrbeinfpeftion. Tarife unb iarif*
gemeinfZaften im geroerffZaftliZen Kampfe. ^)ie Hrbeitgoermittlung.
^ie Hrbeiterfcfretariate. S)ie Stellung ber ÖewerffZaftgfartelle in
ber ©ewerffZaftgorganifation £)eut[Zlanbg. 3 ur ^Xhcilnahmc finb
naZ frent BefZluffe beg gweiten ©ewcrffZaftglongreffcg (Hnfang
Btai 1896 in Berlin) fäinmtliZe 3 en i r alorganifattoncrt unb foIZe
Sofalorgauifationeu bcrcZtigt, welZe oerhinbert finb, fiZ gentral
gu organtfiren. HuggefZloffen oon ber SCheilnahme an ben Ron*
greffen finb alle OewerffZaften, roelZc ohne gemigenbe (SntfZuIbigung
mit brei Cuartalgbeiträgen im Rücfftanbe finb. 2)ie ©eioerffZaften
finb bereZtigt, für je 3000 Btitglieber einen ^)elcgirteu gu wählen.
Rlcinere ©ewerffZaften wählen einen 2)elegirteu.
2)ic ©ctoerffZafteit OefterrctZ® ' OT 31898. ^ie öfter*
reiZifZ^ ©eroerffZaftgfommiffion oeröffentliZtc in ihrem Organ
,,^ie ©cwcrffZaft" eine gebrängte UebcrfiZt über bie ßntwicflung
ber geroerffZaftliZen Organifationen unb ihre eigene Xhätigfeit im
3al)re 1898. ßg wirb faft allgemein ein <5ortfrf)i*itt ber Bewegung
fonftatirt. Befonbcrg heroorgehoben wirb biefeg ßortfZrcitcn im
graphifZen ©ewerbe, bei ben ßifen* unb Bcetallarbeitern unb ben
Bergarbeitern. SDie ßifenbahner, beren erfte Organifation burZ bie
Regierung anfgelöft wnrbc, haben eine neue Drganifation gegriinbet.
2)ie .giutuiaZer haben ihre alte 5orm ber gaZoercine ben tnobernen
HnfpriiZen ber ©eroerffZaftgorganifation entfpreZenb untgeänbert;
befonberg heroorgithebcn ift bie Hrbeitgoermittlung, bie oollftänbig
in ben §>anben beg Berbattbeg liegt. ^)ag gleite Berhältnife ift
bei ben £>anbfZuhntaZern ber gall. S)ie Organifation ber SOeytit*
arbeiter, einer ber größten 3'nbuftrien Ocfterreichg, ift in gar feinem
Berhältniffe barnadf) auggeftaltet, ben ^ampf, ber fiZ in öolge ber
ßinführung beg 3n)eiftuhlft)ftemg entwicfclt, gu ©unften ber ^ejtil*
arbeiter nur foweit gu führen, bafc burZ bie Reueinführung bie
BefZäftigten oor Riehrlciftungcn unb fZlcZlerer Begahlung bewahrt
bleiben. $>ie Hnfänge einer ßentralorganifation für bie in ber
ZemifZen Snbuftrie be[Zäftigten Hrbeiter finb roieber oerflogen,
ßinen Riicfgang weift bie Drganifation ber Hrbeiter in ber £ebeng*
mittelbranZe auf. ^>ie ©ewerffZaftgfommiffton hatte oom 1. Samtar
big 31. 2>egember 1898 eine ßiunahmc oon fl. 24111,40 unb eine
Huggabe oon fl. 23130,65 unb verfügte am SahregfZlufj über einen
Raffenbeftanb oon fl. 980,75. Qm 4)urZfZnittc haben in biefetn
3al;re 105 855 Btitgliebcr ihre ÜKonatgbeiträge geleiftet, bag finb
7662 Rtitglieber mehr alg im Borjahre. $)er ©ewerffZaftg*
fommiffion gelang eg oielfaZ, bei Streifg erfolgreich gu inter*
oeniren. 5Sie Bereitg früher erwähnt, finb gwei Rtitglieber ber
©ewerffZaftgfommiffion in ben Beirath beg arbeitgftatiftifZenHmteg
berufen worben.
Httg bem ettglifZett ©ewerfoerettiglebett. llnfer Sonboner
E. A.*5lorrefponbent fZreibt: ^>ie ©eroerffZaften, bie bie fZledjieften
finb, fZreien immer am lauteften, bafe bag ©ewerfocrcingwefcii in
©efahr fei, währenb nur ihre eigene Xhorhcit biefetn Ruf feine
Bebeutung giebt. 2)ie „Bereinigten ßifenbahner" haben gulcfet biefen
£on angefZlagen, unb ber Hrtifel ihres Drgang „Railwap Reoiero"
über „Zertrümmerung ber ^rabc llniong" ift in biefen Blättern
bereitg erwähnt worben (Sp. 415). Hbcr niZt bag ©ewerfoereittg*
wefen ift in ©efahr; eg ift niZt wahrfZeinliZ, baß felbft bie
friegerifZften ©efellfZaften bebroht finb, unb bie erftmtnliZc ©e*
funbunggfraft ber großen Drganifationen wirb aufg Reue burZ
bie jiingft erfolgte RHttheilung begeugt, bafe bie „Bereinigten
BZafZinenbauer" niZt nur alle "BorfZfiffe, bie ihnen währenb beg
grofeen Rampfeg 1897/98 gemaZt worben finb, gurücfgegahlt haben,
fonbern bafj pc fogar in ihrer Raffe mnb 200 000 ^ß)\\wb gur
Berfügung haben. Rein, bie ©efahr liegt nicht baritt, baß bie
©ewerfoereiite „gertriimmert" werben, fonbern oieltnehr baritt, baß
ein Berljalten wie bag ber ßifenbahner im BMttter 1897/98, alg
fie unvernünftige Sorbcrnngett anffteUten unb mit Drohungen
burZbrüifett wollten, unb auZ jeßt, wo ihre Qriißrer beftänbig für
eine aUgenteine Hngriffgpolitif ber ©ewerfoereine agitiren, bag
Bringip ber gewerbliZcn Hffogiation ettoag in Rtifefrebit bringt.
Seiner Jyeinbe finb nicht wenig; eg ift für eine unb bie anbere
oercingelte RörperfZaft in ihren Reihen fo IeiZt, eine oerhängtti^*
volle Rolle gu fpielen, bafe man eg nur aufrichtig bebauertt fann,
wenn ein fZrillcr Rrieggruf bie öffentliZe Meinung erregt ober
ein falfZer Hlarm in ber Brcffe ertönt. RoZ bebauerliZer ift eg,
wenn eine ntäZtige ©etoerffZaft einen SZritt thut, ber mit ReZt
niZt nur oom großen Sßublifntn, fonbern auZ non beit ihrer Ber*
antwortung fiZ beroufeten ©cwerffZaftgführern mißbittiegt wirb.
SolZen Stfjritt hat jiingft ber „Bau*Stitdfarbeiter*Berein" gethan;
er hat nämliZ feine Rtitglicbcr aug brei i^onboner ©efZäftcn ab*
berufen, bereit B'crfführet bem Berein nicht angel)örcn unb auZ
niZt bei treten wollen. Zwang biefer Hrt gu üben, ift bie BerfuZung
jeher ftarfcit Drganifation, aber felbft wenn er ßrfolg hat, ift eg
gtoeifclhaft, ob eg weife ift, ihn angutoenben. 3n bettt befonberen
5aH, oott bem hier bie Rebe ift, wirb wahrfZeinliZt niZt einmal
ein geitweiliger ßrfolg errungen werben. ^)ettn obwohl bie fiinftige
Bolitif ber Stuefarbeiter noZ ungewiß ift, ba fie oon ber Hbftim*
tttung ber Biitglieber abhängt, fo finb boZ HngeiZen ba, ba^ matt oon
einer Bofition guriicfwciZen wirb, bie auf allgemeine Berurthcilung,
auZ unter ben ©ewerfoereitten felbft, flößt. SngwifZen hat ber
Hrbeitgeberoerbanb biefeg ©ewerbeg gur ©ettüge funbgethan, wie
er fiZ verhalten wirb: B>ettit bie-/yvrbernngett ber Hrbeiter aufreZt
erhalten bleiben, fo werben fie von ben Unternehmern runbroeg ab*
gelehnt werben unb eine mnfaugrciZc Hugfperruttg wirb bie §o!ge
505
©ogialc fragt#. Eentralblatt für ©ogtalpolttif. Br. 19.
506
fein, bie in ißrer Sauer oiele Störungen int Baugewerbe, große
finangielle Berlufte unb oiele ßeiben mit fuß bringen muß. Sie
ßeroorragenbften güßrer ber Arbeiterbewegung, namentlich aucß
3oßn BurnS, warnen oor übereilten Stritten unb ratzen gu einem
Berglcicß mit ben Arbeitgebern, ba im $alle eines allgemeinen
Kampfes auf ber gangen Sinie bie Arbeiter wegen ber mangelnben
Spmpatßien beS f ubüfumS unfehlbar beit bürgeren gieren würben.
ÄrbcUcrfd)u|.
föegclmtg ber Arfrettsgeit iw ©etreibemüljlfit. 3n näcßfter 3ät
wirb bem BunbeSratß eine Berorbnung über bie Regelung ber
Arbeitzeit im Btüllereigemerbe gugeßen. Sie ©runblage hierfür
bilben bie Erhebungen ber Kommiffion für Arbeiterftatiftif. BHe
bie „Berl. fol. Bacßr." ßören, wirb man bie ßeftfeßung non
Btirtimalrußegeiten oorfcßreiben. Sie Borfcßläge ber Beferenten in
ber Kommiffion, erftattet am 28. 3uni 1898, gingen im Söefent*
ließen auf eine gufammenßängenbe Bfinitnalraßegeit oon acßt
Stunben täglich unb Beteiligung ber Bacßtarbeit für junge ßeute
unter 16 3aß**n.
BunbeSratßSberorbmmg gum Sdjuß ber Arbeiter in ber 2ßier*
ßaar-gnbuftrie. Bach mehrjährigen Borbereitungen hat ber BunbeS»
rath unterin 28. 3an«ao auf ©runb ber §§. 120 e unb 139 a ber
©ewerbeorbnung eine Berorbnung erlaffen, betreffenb bie Einrieß*
tung unb ben Betrieb ber Boßßaarfpinnereien, £aar* unb Borften*
gnricßtereien, fowie ber Bürften* unb finfelmacßereien. Anlaß
bagu boten bie wieberßolt oorfommenben Salle oon Erfranfung
ober Sob in Solge oon Btilgbranbübertragung. Sie Berorbnung
tritt am 1. 3oli 1899 in Kraft unb finbet Anwenbung auf alle
Anlagen, wo fferbe* ober Binberßaare, ScßweinSborften ober
ScßweinSwoOe guaericßtet ober gu KroUßaaren oerfponnen werben,
ober wo unter Berwenbung folcher Btaterialien Bürften, Befen
ober f infei ßergeftellt werben. An erfter Stelle wirb oorgefcßrieben:
„Sie aus bem AuSlanbe ftammenben fferbe* unb Binberßaare,
ScßweinSborften unb ScßweinSwolIe bürfen erft in Bearbeitung
genommen werben, nacßbent fie beSinfigirt finb." giir bie
SeSinfeftion werben brei Arten beS BerfaßrenS angegeben; außer*
bem fann ber BeicßSfangler noch anbere Verfahren gulaffen. Sie
höhere BerwaltungSbeßörbe fann Ausnahmen oon ber Borfchrift
ber SeSinfeftion unter befonberen Bebingungen gulaffen. SBit ben
beSinfeftionSpflficßtigen SBaterialien bürfen oor Ausführung ber
oorfcßriftsmäßigen SeSinfeftion nur jolcße Berrichtungen oor®
genommen werben, welche gur Prüfung ber Befchaffenheit ber
Btaterialien, gur Berhütung ihres BerberbcnS fowie $ur Bor®
bereitung unb Ausführung ber SeSinfeftion unerläßlich ftnb. 3 ur
Ausführung ber Sesinfeftton bürfen jugenbliche Arbeiter (oorläufig
bis 1. Apru 1909) nicht oerwenbet werben. Auch Arbeiter mit
wunbcn fmutftellen, inSbefonbere an £>als, ©eficßt unb §>änben,
[ollen bagu nicht oerwenbet werben. Sie Borrätße an nicht beS*
infigirtem Btaterial finb in befonberen, unter Berfcßluß gu halten*
ben, bichten Behältern ober Bäumen aufgubewaßren. Ser Arbeit*
geber ift oerpflichtet, barüber Buch S u führen. — Siefe Borfchriften
gelten für alle Betriebe. $ür größere Betriebe finb außerbem
noch fofgenbe Beftimmungen oorgefeßen:
3n Betrieben, in benen tn ber Begel mtnbcftcn# gehn Arbeiter be*
fcßäftigt werben, ntüffen bie ArbeitSräumc mit einem feften unb bitten
Jvußboben ücrfcfjen fein. $>ic 23änbe unb SDccfen miiffen, foweit fic
nidjt mit abwapßbarer Befleibung ober mit einem £elfarbenanftri(h
oeriehen fmb, minbeftens einmal' jährlich mit Kalf frifcf; angcftricheu
werben. Bei Errirfjtung neuer unb Erweiterung befteßenber Anlagen
ift bafiir Sorge gu tragen, baß in ben Arbeitsräumen auf jebc f erfon
minbeftens fünfgeßn Kubifmcter Suftraum entfallen. ®ie Arbeitsräume
fuib täglich gweiuml minbeftens eine halbe Stuubc lang, unb gwar
wäßrenb ber Btittagspaufe uitb nach Becnbigung ober oor Sieber*
beginn ber Arbeit, grünblich gu lüften. $)ie ft’ußböbeit ftnb täglich
minbeftens einmal, bie ArbeüStifcße minbeftens gweimal wöchentlich
burch Abwafchcn ober feudjtes Abrcibcn oom Staube gu reinigen.
UcberbicS werben gegen Staubcntwicfclung noch befonbere Borfehrungen
oorgefihricbeu. £er Arbeitgeber hat allen bei ber Borbcrcituug unb
Ausführung ber ^eoinfeftiou befchäftigten Arbeitern ArbeitSnngüge nebft
Btüfceu gur Berfügung gu ftellen. ^er Arbeitgeber hat bafitr Sorge gu
tragen, baß bie Arbeit-?flciber nur oon benjenigeu Arbeitern bciiu^t
werben, benen fte gugewiefen fiitb, unb baß fic minbeftens einmal
wöchentlich beSinfigiri werben. BiinbeftenS gweimal wöchentlich ift l^c*
legenheit gu warnten Bäbertt gu geben, ^sn einem ftaubfreieu Iß^üe
ber Anlage muß für bie Arbeiter ein BJajeß* uitb Aufleiberaunt unb
getrennt bauott, foweit hierfür ein Bebürfuiß oorliegt, ein Spcifcraum
oorhanben fein. Scr Arbeitgeber l;at für bie mit ber Bearbeitung ber
Stoffe befchäftigten Arbeiter u. A. gu ocrorbnen: $ie Arbeiter bürfen
Baßrungsmittel nicht in bie Arbeitsräume mitnehmen. 25ie Arbeiter
bürfen erft bann Sttaßlgeiten cinnehnten ober bie Anlage oerlaffen, wenn
fte guoor bie Arbeitsfleiber abgelegt fowie Ocficß*, £>als, .&änbc unb
Arme forgfältig gewafeßen haben. 3n ben Borfchriften ift oorgufcheit,
baß Arbeiter, bie trofc wiebcrholter Tarnung bcti Beftimmungen gu*
wiberßatibeln, oßne Auffünbigung entlaffen werben fönneu. — Alle
biefe Borfcßriften finb bnreß Aushang befaunt gu machen.
Sofern burch oeterinär * poligeilicße Borfcßriften unb feueßen*
aefeßlicße Beftimmungen genügenb Borforge getroffen ift, baß auch
oaS Btaterial an Sßierßaaren auS bem Snlanbe oon ÄranfßeitS*
trägem befreit gur Berarbeitung fommt, wirb man in biefer Ber*
orbnung eine ber fleinen, boeß immerhin banfenSwertßen unb
oerbienftlicßen Maßnahmen gum Schüße ber Arbeiter einer nießt
ungefährlichen Snbuftrie begrüßen Dürfen. SBir fcßließen baran
ben SBunfcß, baß ben gaßireießen Arbeitern in anberen Betrieben,
beren ©efaßren an ßeib unb fieben minbeftens ebenfo groß ftnb,
ebenfalls in Bälbe ein gleicher Schuß gu Sßeil werben möge.
Sie fStxliutt ,^omnttfftott für Arbeiterlmtetifdiuß^, beS BuubcS
Seutfcßcr ^rauenoereine (Borfißeubc: Jrau 3cannette Schwerin) tßeilt
itnS, begugnehntenb auf bie Btittßeilung in Br. 17 unfercs Blattes, mit,
baß einige Iheiluehmerinnen ber Wurfe gur AuSbilbung oon weiblichen
©cwerbeauffidjtsbeamten jeben Bfontag Abcnb oon 7-9 llßr im
Arbeiterinnenheim, Brücfenftr. 8, Befcßwerben oon Arbeiterinnen ent*
gegenneßmen, um fie ben ®cwerbeinfpeftoren gu übermitteln.
Agitation für ben £abenfcßltt§* B3ie feßon erwäßnt, foH ber
gum Scßuß ber AngefteHten in offenen ßabengefcßäften oorbereitete
©efeßentwurf audß ben obligatorifcßen &abenfcßluß gu einer be*
ftimmten Abenbftunbe (8 Ußr) in AuSfußt nehmen, wenn % ber
ortsanfäffiaen £abenbeftßer ihn wünfeßen. 3nt Anfcßluß baran
will ber „Seutfcßnationale §>anblungSgehüIfenoerbanb" eine große
Agitation ins 28erf feßen unb fammelt beSßalb Unterfcßriften gu
einer Petition an ben BunbeSratß,
balbigft einen ©efeßentwurf oorlegen gu wollen gur rcitßsgcfcßlidjen
Einführung einer einßcitlidjen 2abenfd)lußftunbe für offene BcrfaufS*
ftellen mit ber Beftimmung, baß burch OrtSftatut bie Scßlußftuube
ßerabgefeßt werben fann unb bie untere Berwaltungsbehörbc Aus*
naßmen an Borfefttagen unb 14 Sage oor BScißuachtcu anguorbnen in
ber Öaae ift, bagegen bie Bcfcßäftigung oon £anbelsangeftclltcu naeß
ber Scßlnßftimbc unb ber ©ewerbebetrieb im Unthergtehen u. f. w. oer*
boten ßnb.
Ausgestaltung ber öfterrei(ßtfcheii @etoerbe®3nfpc!tion» Bom
1. Sebruar l. 3- ab würbe eine Beueintßeilung ber @ewerbe*3n*
fpeftionSbegirfe in Defterreicß oerfügt, bie eine Bcrmeßrung ber
3aßl ber 3nfpeftoren bebingt. Aus ben bisherigen 17 AuffußtS*
begirfeit werben burd) Sßeilung unb Arronbirung 20 AufficßtS*
begirfe gebilbet. Sie wießtigfte unb gugleicß notßwenbigfte Ber*
änberung ift in ©aligien oorgenommen worben. SiefeS £anb, bas
um ein Srittel größer ift als Bößmen, bübete bis gum 3aßre 1898
mit ber Bufowina einen AufficßtSbegirf, wäßrenb Bößmen in feeßs
AufficßtSbegirfe eingetßeilt war. Surcß bie neue Berorbnung wirb
©aligien in gwei AufficßtSbegirfe — Hemberg für Dftgaligien unb
£rafau für Bkftgaligieu — getßeilt unb bie Bufowina gu einem
eigenen AufficßtSbegirf erhoben, ferner wirb in Bößmen ein
neuer AufficßtSbegirf mit bem Siß in Setfcßeu bureß AuSfdjeibung
mehrerer Begirfspauptmanufcßaften aus ben fed)S alten AufficßtS*
begirfen gebilbet, fo baß Bößmen oon nun an in fieben AufficßtS*
begirfe getßeilt ift.
^abrifinfpeftion in Belgien im 1897* Sie Berichte ber
belgifcßen gabrifinfpeftoren liegen nunmeßr für bas britte 3aß*
ißrer Sßätigfeit oor, unb wieberum finb ißnen, wie es in ber
SDrbnung ift, bie Bericßte ber SKineninfpeftoren angefügt. 3m
©angen würben wäßrenb biefeS 3aß*^ oon ben Öabriftnfpef*
toren 8648 Betriebe mit 210 767 Arbeitern befueßt, baoon 1173
Betriebe ineßr als einmal. B3ie ber Bericßt behauptet, wären baS
fo giemlicß alle Betriebe mit folcßen Arbeitern, bie unter bie bisher
oorßanbenen Scßußgefeße fallen. Eine Angaßl oon ©roßbetricben,
in benen bei früheren Befucßcn überhaupt feine personnes pro-
teg6es angutreffen waren, ßat man in biefem 3aß** oon ber 3» 5
fpeftion gänglicß auSf^ließen gu bürfen geglaubt, bagegen ßat man
bie Äontrole über bie Kleinbetriebe noeß auSgebeßnt. Qu Den
^erfonen, für welcße nach bem ©efeß oom 13. Segembcr 1889
Scßußbeftimmungen oorßanben finb, finb nur bie ntännlid)cn Arbeiter
oon unter 16 3aß**n unb bie weiblicßen oon unter 21 3aß**« V 1
reeßnen. 3 U biefeit beiben Klaffen gehörten in ben befucßteit Be*
trieben 42 073 ^erfonen. Sie 3 a ßl ber 3oan^o oon über
21 Saßren 19 365. 3m ©angen madjte bie 3 ll ßl ber Arbeiter
weiblicßen ©cfcßled)tS 21 /8l 0/ 0 oon jenen 210 767 Arbeitern aus.
Ser Bericßt giebt fobann genaue Bcittßeiliingeu über bie Aitgabl
Soziale fragte. Gentralblatt für ©ogialpolitif. Nr. 19.
r>( >7
508
üon minberjährigen Arbeitern unb grauen in beit einzelnen 3dt*
buftrien bes £anbe&. 2Ba§ nun bie Befolgung ber 0cfjufc*
beftimmungen betrifft, fo roirb barin groar eine fortfdjreitenbe
Befferung fonftatirt, boef) finb bie Uebertretungcn noch immer feljr
häufig, oorgüglich in ber ^leininbuftrie. Ant menigften befriebiaenb
ift bie fiage in beit 3* e 9 c ^i cn / roo noch immer in größerer
ftinber non unter 12 fahren (•) angetroffen merben unb auch im
Sommer nodj nielfach bie NtagimalarbeitSgeit nicht innegehalten
mirb. 3>m (Sanken mürbe eine gefeftroibrig lange Arbeitzeit bei
366 non ben befuchten betrieben fonftatirt unb ferner eine unae*
nügenbe Beobachtung ber Nufjepaufen in 84 Betrieben. Sie Be*
ftimmungen über bie Nachtarbeit geigten fich in größerem ilmfange
nur noch in &er ©laSinbuftrie nicht beachtet, obgleich ber Conseil
superieur du travail ba$ Filter, non bem an bie Nadjtarbeit ge»
ftattet ift, für biefc Jnbuftrie bereits auf 13 3(ahre ^erabfefet hat.
Sie Nuhe am fiebcnten Sage mirb für bie personnes protegees
allgemein innegehalten. GrroähnenSroerth ift ein Bcrfuch ber Sn*»
buftrieHen beS ^ennegau, ben Sonntag burch ben Somterftag gu
erfefcen, meil am Sonntag bie Berleitung gu AuSfchroeifungen am
größten fei unb bie NtontagSarbeit barunter leibe. Necljt arge
Nhftftänbc ^errfd^en noch in .j&infi<ht auf bie nom ©efefc norge*
fd)riebcnen Sürbeitöfarten ber ÜKinberjährigen. Selbft bie DrtS*
behörben liefern öfter folthe harten an $inber non unter 12 fahren
aus. — Sie Berichte ber NHneninfpeftoren lauten im Allge*
meinen befriebigenb. 3n ben ^oljlenbergroerfen ift man auf
ftinber non unter 12 fahren nur noch in einem JfaHe geftoften.
Aud) bie 3ahl ber unterirbifd} befchäftigten grauen nimmt fcfjnell
ab unb nom 1. Januar 1899 foH es bafelbft feine non unter
21 Salären mehr geben, häufigere Uebertretunaen mürben nodj in
ben Steinbriidjen fonftatirt. Nicht roeniger als 13 non 81 be*
fuchtelt Betrieben biefer Art hatten eine ungefehlich lange ArbeitS*
geit, unb auch bie Beftimmungen über baS Anfragen ber ©efefce
unb bie Arbeitslosen ber Nlinberfährigen merben hier noch fehlest
befolgt.
fRegelnttß ber ArBettSfcerljSfttttffe in ben fjott<toBif<htn TOitür*
BSdfereicn. Ser hoüänbifche ÄriegSminifter hat folgenbe Bor*
fchriften, betreffenb ben Betrieb ber SNüitärbäcfereien, erlaffen: Sie
Arbeit barf nicht früher als 4 Uhr Borgens beginnen unb bie
täglidjc ArbcitSgeit barf 10 Stunbcu nicht uberfdjreiten;
tnüffen Ueberftnnbeii gearbeitet merben, fo rnuft ber Bruchteil einer
Stunbe als gange ArbeitSftunbe gegahlt merben; Solbaten bürfen
in ben Niilitärbäcfercien nidjt befdjäftigt merben. — Öür bie
©egiter ber Bäcfereiucrorbnnng in Seutfchlanb, bie nidjt tnübe
merben, Sturm gu laufen, enthält biefe Niittljeilung eine feljr nach*
brücfliche Mahnung!
^tbettemecfldjentng. SjmrhafJcn.
Strafen»* ber Berireter ber BerfWjtrungSanftaltfit. Sie in
Gifenach oerfammelteit Bcrtreter beutfeher BerfidjerungSanftalten
haben fi<h bezüglich ber in ber Nooelle gum SnoalibenoerfidjerungS*
gefeft oorgefdjlagcnen attbermeitigen Bertheilung ber Nentenlaft für
bie Bilbung euteS ©emetn* unb SonberDermögenS unter einer
Neihe oou BorauSfefjiingen auSgefprochen, roeldje in erheblichen
fünften oon ber NegierungSoorlage abroeidjen. SnSbefonbere mirb
ber oorgefdfjlagene Umfang ber ©emeinlaft abgelehnt unb oerlangt,
baft nicht mehr als ©etneinoermögen auSgefonbert roirb, als maS
gur Serfung bcS ^apitalroertfjeS ber bisher entftanbenen Nenten*
antheile thatfächlich erforberlidj ift. Somit mürbe ftdj baS auSgu*
fonbernbe ©emeinoermögen auf circa 35°/p (gegen 60% ber Bor*
tage) bcS BcrmögenS ber Anftalten ermäßigen. Sie in ber Nooelle
oorgefdjlageite Ginridjtung oon örtlichen Nentenftellen mürbe als
nicht annehmbar erflärt; nur bei einer 3 u fammenlegung ber ge*
fammten Arbeiteroerficherung lönnte nadj Nieinung ber Berfamnt*
iuitg bie Grridjtung oon Neiitenfteüen möglidjerroeife mit AuSficht
auf Grfolg in örage fomntett.
Sie 3nbalibitätöoerft<herangS - Nooelle mtb bie Ghrofttttbtt«
firieflen. Sie groftcit mirthfdjaftlichen Bereine NljeiulanbS
unb BoeftfaleuS merben ben neuen ©efefcentrourf, betreffenb bie
Jiinalibitäts* unb ?lltersoerfidjerung, einer gemcinfanten Beratljung
untergieljeit. 3 11 biefetn 3 tuc ^e ift ein GonbcranSfchufe am
6. Februar iti Süffclborf gur erfteit Berathung gufammengetreten.
Sen Beridjt I;at ber ^Ibgeorbuete Dr. Beutner erftattet. — SaS am
3. Tvebruar in Berlin oerfammclte Sireftorimn bcS Gentraloer*
baubes beutfeher Snbuftrieller bat auf ben 28. Jebruar eine Ber*
fammlung bes ^lusfdjiiffes ber Selcgirlctt einberufen, um über bie
Nooelle gu berathen. 0chon jefct gab baS Sireftorium feinem
Befremben barüber Slusbrucf, „bafe ber Gittrourf mit fo überaus
jahlreichen Umfteßuugen unb rebaftioneHen 5(enberungen bepaeft
ift, bie burchauS überflüfftg erfcheinen, aber Sebent, ber mit ber
Blaterie nicht fehr oertraut fei, bie ileberficf)t unb baS Berftänbnifj
ber roirflich bebeutungSooHen Slenberungcn ungemein erfdjmere."
Ser beitifche 9lergteoereinSBttnb unb baS SfranfenoerftchcmnjS*
gefeh. Hn ben Neichstag ift eine Petition beS ©efchäftSauSfdju||eS
beS SlergteoereinSbunbcS gelangt, in ber bie freie Slergteroahl oer*
langt mirb. GS Ijeifet gutn ^djtuffe ber Gingabe:
Sie Söoljlthaten beS ÄTanfcnfaffengcfebcS merben erft bann ooö*
ftäubtg heraortreten, meitn bte Mitarbeit einem jebcit Birgte, ber firfj
baran bctbeiligeit miü, erntögltdit ift, bemt bie freie B?ahl ber Mergle
entfpridjt nicht blofi ben berechtigten Jvurberungcu mtferes Staubes,
fonbern aud) ben Sntereffcn ber tiaffciimitglicbcr unb ben Aufgaben ber
Waffen, tote bie Berhaitbluugeu unb BefdtUiffe bei* $lergtdage oon Sei*
mar 1891 unb Gifcnadi 1895 gegeigt haben ©egen ctmaigc finanzielle
©chäbigitng ber haften burdi' bie freie Hrgtmabl laffeit j'idi ltnfdimcr
0ch ll fe nin hregeln treffen, mie bas audi ba, mo üe beftebt, burchgcführt
ift. 2£ir meinen banad), baf) es att ber ^cit unb ein cirforbentifg beS
öffentlichen SLtaljleS ift, bei bett Stranfcnfaffcii gcfeblid) beit ©nnibfaft
ber freien ^Irgtioaljl cinjufüljren unb bierburdi bie mitlfürlidie ^ulaffung
„beftinnnter" borgte uttb bie 9(u*fdjliefiung gnljllofer anberer aiifgubeben.
Sen hohe» Neidjcdag bitten mir, bas? ©efep in biefeiit Sinne gu äubertt.
lret*§if^e @par!affru 1897. ©in ©rnbntcffer für bie Bcffcrutig
ber GrmerbSücrbältniffe in ben mittleren unb unteren BeoölfertmgS*
fdjidjten ift bas Berljalten ber Spareinlagen. Siefe finb tutn tiadi ber
amtlidjen „Statiftifchen Worrefponbettg" 1897 unb 1897/98 bebeutenb er*
t)öf)t. Sic ©parfaffeubüdjer haben fid) um 381951 3tiic! üerntehrt,
baS bebcutet gegen 1883 eine Bcrboppclung. ?lnf 100 GinmoBuer ent*
fielen 28, 4 Büdjcr. ?luf bie fleinen (Guthaben (bis 3 (h> jc) entfallen
58,07%, auf bie mittleren (3<H) bis 3000 je) 38,04%, auf bie graften
©utbabeit nur 8,39%. Sic Iepteren ftub befonbers in 'Keftfalen, 2rf)IcS=
roig*£mlfteiit uttb ^aittiüücr gu finben. Sann folgen Nbcinlattb, ©adifeit
unb £effen=Naffau. Sagu trägt mcfcntlidi ber lluiftanb bei, bafg eine
Neitje ooti ©cmeinbnt bie Ijinhfte ©renge beS ©efammtgutbabens eines
GittlegerS meit unter 10 000 ^ feftfepcu, g. B. Berlin auf KKW, Breslau
1200, Gaffel 1000, Grfurt 30(K), iMegnip 1500 M. u. f. m. — Sic
Gtnlagett haben am ©diluffe bes Jahres 4987,0 STOillioueu SWarf be=
tragen, fo baft auf ein ^parfaffcitbud) im Snrdifdinitt 849,97 M. cut*
fielen, ^ugmifdtcn mirb bie fünfte BtiHiarbc motjl bereits überfdn'ittcn fein.
Bott bent Giulagcbctrage fommt fretlidj ein nidjt unbcträdjtlidfjcr 2bcil
auf bie 3000 m. überi‘teigenben „groften Oüttliabeit“. Gs finb 1250,9t
BMlUottett Btarf neu eingelegt nnb 127,23 Biillioiieit Bfarf an 3ütfen
giitgcfdjncbcn, bagegett 1082,99 SNtHioucit SWarf abgehoben morben.
Blitljin fjat eine Bcrmehruttg um 315,1:, Bcillionett B?arf ftattgefunbcii.
Siefer 3umarf)S ift befonbers güuftig, ba nur bas Jahr 1895 begm.
1895/98 mit 345,91 Biiüioiicit Btarf eine höhere Bmttehnmg ber Gilt*
lagen gegeigt hat. Sie oinfcit, bie beit ©parent gutgcfdjrieben finb,
betragen beinahe fo ütcl mie bie gefammtc Ginfommenfteuer, bie in
^teuften (mit Ausnahme ooit .^ohengoderu uttb ©clgolanb) für 1897 98
auf ruttb 135 Biilliotictt B?arf rcranlagt ift. Bott beit Gilt lagen ent*
fallen auf ftäbtifdje ©parfaffeit 48,o 3 0 /„ (im Borjahr 48, 12 %), bie 2anb*
gcmcittbefparfaffeit 5,52 % (5,g‘j°/o), bie itrciSfparfaficii29,94%(-9 /8 2 <) /o), bie
Broüingialfparfaffeit 8,93% (3,7«°/o) unb bie ^rioatiparfaffeu 12,33° 0
(12,67%). Sie Ginlngcu ucrtijcileit fidj auf bie oftelbiidjcn Oicbictc
(Cft* unb Bieftpreufteu, Berlin, Brattbenburg, Bontutmt, unb
©chlefien) mit nur », 33 ° 0, auf bie meft* uttb norbelbifdjeii mit 89,6«%.
Jnt 2lUgemeitteit mcifeit bic ^roüittgcn mit bett hödjfteit Giitlagett amfj
ben hödjften 3umadjs auf, hoch ift, abgesehen oou Heineren Bcrfdjie*
Bungen, B^eftfaleu gegenüber ber Nheinprooittg, ©djlesmig^oljteitt
gegenüber Brattbenburg unb ©djleficn, fomic Oftprcufgcn gegenüber
Seftpreuftcit unb $ofen gurücfgebliebett.
Gifcitbafjttfparfriffett in Gttglanb. Gin fürglidj erfdjiettener amtlidjer
Bericht giebt bic ©ebat)rungsmcife für bie 18 in Gnglaitb beftehenben
GifeuBahnfparfaffcn im Jahre 1897: Sic ©efanuntgahf ber Gittlcger bc=
trug 40 397 gegen 37 087 in 1898, imb ihr gelammtes Guthaben belief
ftdj auf 3 431 eis? £ ober burdjfdmittlid) 85 £ per .Hopf.
^rhdtsnöd)ititl5.
Ser 9lrBeitSnachmetS für ©thauerlente in ^amBurg ift, rote
mieberholt fdjon in biefcit Blättern betnerft (ngl. g. B. ©p. 316),
bei üielen Arbeitern auf Bitberftaub geftoften, meil fie in biefer Qn*
ftitution — uttb gmar nidjt mit Unrcdjt — nidjt bloft einen Ber*
fuefj geregelter ^IrbcitSnenuittelung, fonbern ein Niadjt* unb 3roangS*
mittel ber Arbeitgeber befiirdjtcit. Ser oon ben Nljcbern unb bem
Arbeitgebcrocrbaub uiiterftüftte „Berein ber ©tauer oon Hamburg*
Altona" hat biefer Sage baS Statut ucröffcutlidjt, beffen haupt*
fächlidje Beftimmungen mir fdjon früher mitgctheilt haben. Ser
ArbeitSnadjmeiS ift foftcnlos, er giebt für bie oerfdjicbencn itatcgorieit
509
Sogiale $rn£tS. (Scntralbfati für Sogialpolitif. 9h\ 19.
f>10
ber 8d)auerleute (ftänbige, £>ilfs* unb EelegeuheitSarbeiter) harten
aus, nur mit Marten nerfetjene Arbeiter werben befcßäftigt, bie
Stauer oerpflichten fich, nur Arbeiter gu neunten, bie oom SRachweiS*
burean »ermittelt werben. Um baS Warten auf offener Straße
ober in WirthShäufern gu befeittgen, ftnb brei Wartehallen als
9?athweiSfteßen in ber .frafenaegenb eingerichtet. ^)ie ßohngai)lung
finbet an ber ArbeitSftellc felbft ober im Vureau beS Stauers ftatt.
— Es ift burchauS angnerfennen, baß bie Qnftitution an fid) ge*
eignet wäre, fernere Mißftänbe gu befeitigen. Aber fie begegnet
betn fdjärfften Mißtrauen ber Arbeiter, weil fie oon ber Verwaltung
oöllig auSgefchloffeu finb; nur in ber Vefchwerbefommiffxon ftßen
brei Arbeiter neben brei Arbeitgebern, bie Leitung, Auffi<f)t unb
Verwaltung beS ArbeitSnachweifeS fteljt allein ben Unternehmern
gu — bie ßeitung führt ber Staueroerein, ber auch bie Veamten
anfteßt, bie Dberauffidjt ift in ben §änbem einer Mommiffion, ber
je ein Vertreter ber SHfjeber, ber SchiffSmafler unb ber Stauer an*
aehört. Wenn man gugiebt, baß in ber Vefchwerbefommtffion
Arbeitgeber unb Arbeiter paritätifd) oertreten finb, fo wäre eg nur
logifd), bie Arbeiter auch an ber unteren Snftang ber Verwaltung gu
betheiligen. Aber bie Arbeitgeber in Hamburg wollen grunbfäßlich,
wie baS auf ber befannten ßeipgiger Verfammlung oom 5. Sep*
tember 1898 flxpp unb flar gefagt würbe, in bem Arbeitsnachweis
ein 3n>angS* unb Mampfmittel gegen bie Arbeiter hohen. 3u einer
Verfammlung ber Schaucrleute am 29. 3anuar würbe nun mit
952 gegen 29 Stimmen befchloffen, oon biefem Arbeitsnachweis,
ber nichts anbereS als ein Maßregelungsbureau fei, feinen Gebrauch
gu machen. Snfolgebeffen hot bie Drgauifation ber Schauerleute
am 1. Sebruar an ben 3 u gängen ber brei VureauS $often aufge*
fteßt, um bie Arbeiter abguhalten, fich Marten gu löfen. $)od) um*
faßt bie Drganifation nur einen oerhältnißmäßicj fleinen %ty\\ ber
Arbeiter — bie Schauerleute im §afen gä|len oxelleicht 12000 bis
14000 Mann. Es wirb auch berichtet, baß otele Arbeiter burch
Einfenbung oon Mranfenfaffenbüehern unb SnoalibitätSfarten fich
ArbeitSfarten oom $achweisbureau oerfchaffen. Wie bie $>inge
laufen, wirb man erft nach hem 20. Jyebruar, an welchem £age
ber ArbeitSnad)weiS offiziell in Wirffamfeit tritt, erfennen Fönnen.
So gerechtfertigt baS Verlangen ber Arbeiter ift, an ber Verwaltung
einer Einrichtung betheiligt gu fein, bie über ihr Wohl unb Wehe
entfeheibet, fo glauben wir nicht, baß gegenwärtig bie Schauerleute
auf anberem Wege als bem einer frieblicfjen Vereinbarung gur Er*
füßung ihrer gforberung fommen fönnen. $ach ber fchweren lieber*
läge im 3ah*e 1897 muß jeber oernünftige greunb ber Arbeiter*
bemegung oor einer Mraftprobe bringenb abrathen. Vielleicht fommt
auch in Hamburg einmal bie Seit, wo an Steße beS Unternehmer*
feubaliSmuS bie Anerfennung oer gefefelid}en Veredjtigung ber Ar*
beiter tritt, an ber geftfeßimg ber Arbeüsbebingungen auf gleichem
3?uße mit ben Arbeitgebern mitguwirfen. — Eine oon 2000 $erfonen
befuchte Verfammlung ber Schauerleute befchloß am 5. gebruar
gegen jebe Maßregelung wegen 9Hd)tbenußung beS Arbeitsnachweis
fofort energifche Eegenmaßregelit gu treffen.
StabtifAei: Arbeitsnachweis In Sdjotie&crg. $er Magistrat oon
Schöneberg bei Berlin hat ben Stabtoerorbneten eine Vorlage gur Er*
rtdjtung eines ftäbtifchen ArbeitSuatf)weifeS, ähnlich bem Eharlotten*
burger, gemadjt.
Stcßtubermittelung im ©aftmirthSgcmerbe gu Stuttgart, 3)er
Stuttgarter WirthSoerexn hot nach einem Veferat, baS bie bei ber
prioaten Steßenoermittelung gu Sage getretenen gasreichen Miß*
ftänbe beleuchtete, fich für eilten Anfchluß an baS Stäbtifche ArbeitS*
amt auSgefprochen. Von jeßt ab foß bas im Wirtf)fd)aftSbetrieb
erforberlicße Verfonal ausnahmslos burch Vermittelung beS Stäbti*
fchen Arbeitsamts eingefteßt werben. $)agu bemerft bie fogial*
bemofratifche „Tagwacht":
tiefes Vorgehen beS WirtljSoercinS ift nur gu begrüßen, beim baß
gerabe auf biefem Ecbietc guftänbe herrschen, bie bringenb oer Ab hülfe
bebürfeit, ift and) außerhalb beS WirtfjSgewerbeS gur (Genüge befannt.
Mögen mm .bie Wirtbe burd) einmütbigeS ^lifammenhalten bafiir
forgen, hier cnbgültig Wanbel gu frfxaffen, unb fid) nicht burd) unan*
gebrachte Aiicffichten oon ber £urd)fül)rung biefcS VejdjluffeS abhaltcn
laffen. $as Stäötifdjc Arbeitsamt wirb es fid) fidjerltd) angelegen fein
laßen, ben 28ünfd)en ber Wirtlje, foweit cS fein imparteiifcher Eharatter
guläßt, Aetfjnung gu tragen.
Äoljlfaljrtednrid) tungen.
$et Ausfluß für Wohlfahrtspflege auf bem £aube (Vor*
ftßenber: Minifteriälbireftor Dr. Schiel) beabfid)tigt am 15. Februar,
Vormittags 10 Uhr, im großen Saale beS MlubS ber itanbwirthe,
Verliu S.W., 3i m oterftr. 90/91, feine britte £>auptoerfammImig ab*
Ö alten, wogu nicht nur bie Mitglieber, fonbern auch aße gfreunbe
.er Veftrebungen bringenb eingelaben werben. Sagesorbmmg:
1. Jahresbericht, erftattet burd) ben Eeßhäftsführer .ftcinrich Sohn*
rcp*Verlin. 2. 3öohlfahrtSeinrid)tungen im Mreife $t)riß (Vibliotl)cf,
9?ähftunbe, Mochftunbe, llnterhaltungSabenbe). Verichterftatter Witter*
gutsbefißer ^>anS oon Sd)oening=Saßentin bei EoUin. 3. Unfer Ee*
meittbel)auS. Verichterftatter Pfarrer Eeiar*2Bicfentl)al (Ahön). 4. a)
^ic MreiSwanberbüdjerci im Untcrlahnfreifc. b) 2)te 9Jäl)* unb ArbeitS*
ichulc in Valbuinftein. Verichterftatter ber königliche Öanbrath Johannes*
®icg a. üahn. 5. ®ie Mängel auf bem ©ebietc beS gewerbsmäßigen
StenenoermittelungSwefenS unb Abl)ülfemittel. Veritfjtcrftattcr Affejfor
Dr. 3reuter*$ane a. S., Veamtcr ber fianbroirthidiaftsfammer für bie
^rooitig Sad)fen. 6. Veranftaltungen gur länbltd)en Wohlfahrtspflege
(EieroerwcrthungS*Eenoffenfd)aft u. a.) in einigen $etbe* unb Eeeft*
gegenben. Veri^terftatter SSinterfd)ulbircFtor 3°üil°f ers: ^iff c lhöoebe.
®eno)7enfdjafteroe|en.
Sogialpolttifche £eifhmgen ber bentfehen lanbwtrthfchaftltcheu
Seuoffenfchnftem
^ Sn 13 biefeS VlatteS giebt §r. Dr. Wiebfelbt eine iutereffante
Schilberung ber fogialeit Shätigfeit ber lanbwirthfchaftlichen Sun*
bifate in Sranfreich- Er meint gitm Schluß, baß bie länblichen
Eenoffenfchaften in 3)eutfchlanb biefen ßeiftungen nicht oiel an bie
Sette gu fteßen hotten. S)ieS Urtljeil hot wohl ber Wunfch gc*
boren, bie weitere AuS^eftaltung ber fogialen ^hotigfeit unferer
Eenoffenfchaften, bie gewiß gu erftreben ift, unb für bie Dr. Wieb*
felbt im Mönigreid) Sadjfen erfolgreich arbeitet, als möglid)ft
bringlid) erfcheinen gu laffen. Man fann bagegen aber fehr wohl
bie Meinung »erfechten, baß bie fogialpotittfdjen ßeiftungen beS
bentfehen länblichen EenoffenfchaftSwefenS, wenngleich fie gunt ^heil
in anberer Dichtung liegen, hoch ntinbeftenS ebenfo intereffant unb
bebeutenb finb wie bie frangöfifchen. 3ft boch unfer ganges länb*
UcheS EenoffenfchaftSwefen bem fogialen Eebanfen entfproffen unb
gehen feine bebeutenbften Führer unb görberer bis heute oon ge*
meinnüßiacn EefidjtSpunften aus! Eerabe bie 3üh^r ber fran*
göfifdjen länblichen Ecnoffenfchaften geben auch jebergeit gu, baß fte
oon ®eutfcf)Ianb barin am meiften gelernt hoben.
5)ie bentfehen Eenoffenfchaften hoben fich oon aßem Anfang
an nie enghergig auf rein wirthfd)aftliche ^^ätigfeit befchränft.
Sie haben erfannt, baß „gur Sförberung beS Erwerbs unb ber
Wirtschaft ihrer Mitglieber", ihrem gefeßlidjen 3oiecf, nicht nur
rein wirtschaftliche Maßnahmen, fonbern auch baS Eintreten ber
aemeinfamen EefdjäftSfteße für gemeinnüßise, wohlthötige,
VilbungS* unb äl)nlid)e Veftrebungen bienlich uno nothwenbig fein
fann. S<hulge*©elißf(h unb fein Verbanb hoben ftets ben größten
Werth barauf gelegt, baß U)re Eenoffenfchaften burch regelmäßige Auf*
wenbungen für gemeinniißiße 3 ro cde fich biefe fyötyxe Auffaffung
oon ihrer ^holißfeit eoibent halten.
3n bem auf 3r. W. VaiffeifenS 3been aufgebauten
Mufterftahit für bie länblichen $)arlehnSfaffen beS Sfeuwieber Ver*
banbeS heißt es unter „3niecf ber Eenoffenfchaft":
„Vei ber gefammten Einrichtung unb Wir!)'amfeit ber ©euoffeiifd)aft
foß nicht foroofjl baS Streben nach ©ewinn, als oielme^r bie Hebung
ber wirtbfjhaftlid) Schwachen unb unb neben bem Streben nach ma*
terieller görberuttg ber Mitglieber hauptfäd)Uch bie Audficßt auf bie
geiftige unb fittlid)e Hebung berfelben maßgebeub fein."
Solche irabitionen finb bei nuferen länblichen Eenoffeitfdjaftcn
ftets lebenbig geblieben. 1896 hat ber 12. Aßgemeine Vereinstag
ber bentfehen lanbwirthfchaftlichen Eenoffenfchaften gu Stetten gu
Anfang feiner Verathnngen eine Vefolution befdjloffen, tu ber
es h^ißt:
*2)te etßifche uitb bte wirtl)fd)aftlid)e Aufgabe beS EenoffcnfchaftS*
wefens ßabeit beibe gleiche Berechtigung. 2ic Vcoorgugiuig ber einen
anf Moften ber anberen ift eine Verirrung, bie ben Eenoffenfchaften gum
Schaben gereicht. $)nrdj gcnoffenfdjaftliche Arbeit aubere als bie gleid)*
berechtigten etljifdKn unb wirtl))d)aftlichcn 3ieü’ »erfolgen, heißt nidjts
anbereS, als mit einem ber ebclflcn nnb beften Mittel, bie Wohlfahrt
unfereS Voltes unb VaterlattbeS gu förbein, groben Mißbrand) treiben."
$>iefe ^urchbringung wirthfchaftlicher Shätigfeit mit ett)ifd)en
Erunbfäßen ift für fogiale Erfolge ber frudjtbarfte Vobetr, unb
thatfächlich fehlen auch biefe in feiner Vichtung.
2)ie weitaus glängenbfte Entwicfluitg unter ben Iänblirfjoii
Eenoffenfd)aften hot in 5Deutfd)Ianb bie Eruppe genommen, bie
nid)t bie lanbwirthfchoflid)eti Unternehmer als foiche gnfainmen*
fehltest, fonbern.bie prinzipiell unb thatfächlich alle Mreife ber
ßaubbeoölferung als Mitglieber unb Ecfchäftsbetfjeiligte einfd)ließt,
511
512
©ogiale $rajis. Ecntralblatt für ©ogialpoliüf. 9?r. 19.
bie „länblid)cn Spar* nub XarleljnsfaffenEs beftanben
in Xeutfchlaub am 1. Quli:
1890 1891 1892 1893 1894 1S95 1896 1897 1898
a) lanbwirtfdjaftliche Eenoffenfrfjajteu überhaupt:
3 006 8 625 4 374 4 979 6 031 7 170 8 986 10 669 11 854
b) barmitcr läublidie Spar» linb XarleljnSfaffeu:
1 729 2 134 2 647 3 040 3 810 4 872 6 391 7 612 8 451
„£)ie Btitgliebfchaft fönnen erwerben alle Berfonen, welche fic§
burd) Verträge oerpflidjteit fönnen unb ihren 2öol)nfiß in . . . .
haben," heifet eS im Offenbarer Btufterftatut ber XarlehnSfaffen;
gang ähnlich bei ben anderen Bcrbänden. (Sine allgemeine Statiftif
über bie Beteiligung ber einzelnen Schichten ber Xorfbcoölferuna
liegt leiber gur 3«t nid^t oor. Bei 223 länblidjcn ©par* und
XarlefjnSfaffcn in B°fen finb nach einer neuen ©tatiftif unter
11132 Btitgliebcru 7656 ober 69% Lanbwirthe, 1011 ober 9%
Hanbwerfer, 665 ober 6% Cyleifttid^e, Beamte unb Lehrer unb
1800 ober 16% Maufleute, Arbeiter unb Singehörige anderer Be»
rnfsftänbe. 3» Bauern waren Enbe 1896 in 1153 XarlehnS*
faßen 72 929 BiitglieSer; barunter nur 55 460 ober 76% Lanb*
wirthe. SJtach einer älteren ©tatiftif beS h e ffift en lanbwirtf)*
fdjaftlichen ©enoffenfchaftSoerbanbeS waren in 75 £>arlehnSfaffen
1885:
2 attb*
wirthe
in Reffen 2719
in fiaiiau 283
in B$e|tfalcn 293
.ftanb*
werter
2 138
127
197
Mauf*
leute
210
92
9
Beamte
unb
Arbeiter
589
19
26
lieber*
haupt
BJitglieber
5 656
521
525
gufamnten 3 295
2 462
311
634
6 702.
£)abei ift freilid) gu beachten, baß gu jener 3 c *t ™ Reffen
hnuptfächlich bie größeren inbuftrieburchfeßten Drtfchaften genoffen*
fdjaftlich organifirt waren unb baß bie meiften Lanbbewoljner,
inöbefonbere bie Hanbwerfer, gleichzeitig and) Lanbwirtfje finb, ja
baß auch Lanbleute, bie etwa 9 /i 0 ihres EinfommcnS aus ber
Lanbwirthfchaft unb Vio aus bem Hanbwerf begiehen, fich nach
bem Hanbwerf begeidjnen werben, um bie Munbeit angugieheit unb
weil bas fie oon ben Nachbarn uuterfcheibet.
Sind) ohne befonbere ©tatiftif ift leicht gu erfennen, baß bie
föichtlanbwirthe, insbefonberc bie Arbeiter, regelmäßig in bieSöirf*
famfeit ber XarleljnSf affen einbegogeit werben. (Sin Bergleich ber
BUtgüeber* unb ber (Sinwohuergaljleit ergiebt oieler Orten, baß bie
gange Bcoölfcruug gur Maffe gehört. 3n Snbuftricgegenben finbet
man Arbeiter nicht feiten im Borftanb unb itt ber Verwaltung ber
kaffen tätig, gur ©ollen Sufnebenljeit ber Bfttglieber unb mit
beftern Erfolg für ihre eigene Lebenslage. £)enn bie Bewährung
in ber ©enolfenfchaftsoerwaltung wirft auch auf ihr SlrbeitSoer*
hältniß günftig ein. ©ie werben mit Borliebe für bie Borarbeiter*
unb Sluffeherftellcn auSaewäfjlt. Sn bett Einrichtungen ber ©e*
noffeufchaftcn wirb auf bie Slrbeiter Biicfficht genommen. SBo bie
XarlchnSfaffeu bie Eingahlung erheblicher ©efd)äftSguthabcn (bis
300 ober 500 <AL) oorfchreiben, ba finden wir allgemein auch bie
Einridjtung, baß bie SSenigbemittelten iljr ©nthaben burd) fleine
unb fleinfte, wöchentlich ober monatlid) gu erfparenbe Einlagen
anfammeln fönnen. Bor adern aber paßt fich &aS ^pargefchäft
ben Berhältniffen ber Slrbeiterbeoölferung an.
SDaS ©pargefchäft wirb oon ben länblichen ©par* unb
X>arIeßnSfaffen im Xitel unb ©tatut bem XarlehnSgefchäft gleich*
geftellt. X)aS ift feine Bh r afe. 3m Saßre 1896 würben in
1785 bcutfdjen ©par* unb XarleljnSfaffcn über 2S /8 Btid. Biarf
(bie Eingaben finb nicht oollftänbig eingegangen) eingelegt. Enbe
beS SafjrcS betrug bie ©efammteinlage über 64, 5 Bfifl. Biar! (pro
Maffe 44943, pro BJitglieb 585 Ji). Sm Saß« 1897 famen
weitere 40,7 Btid. Btarf ©pareinlagen bei einer größer geworbenen
3ahl oon Xarleljnsfaffeit hinzu; 12 926 <M pro Maffe, 185 ,///.
pro ©enoffe. Enbe 1897 war ber ©efammtbetrag 99, 2 BHd.
BJarf. Unb gwar wirb allgemein beobachtet, baß in ©egettben
mit Sobuftrie unb in Mleiubefißgegenben bie ©pareinlagen am
reid)lid)ften fließen — bie größeren Befißer benußen für ihre
Einlagen bic laufenbe Bedjitung — unb baß bie Slrbeiter
bie heften Sparer finb. Um auch bie fleinften Beträge für
bie Maffe herangugieljen, finb oielfach bie „©parfarten" eingeführt,
Biüets auf 10, 20, 50 a% auf 1 bis 5 jft lantenb, bie
oon einem befouberen guuftionär an ben Lohntagen in ben
gabrifen ober am Sonntag in ben .päufern oerfanft, unb beren
Betrag am erften Sonntag jebeS CuartalS, bem „Martentag", in
ben Sparbiidjern gutgefdjrieben wirb. Xurch biefe Spareinrichtungen
werben feljr wesentliche Summen, bic fonft ginSloS balagcu, ben
Arbeitern nufebar gemadjt, nod) mehr ihnen erhalten, bie Biangels
ber feften unb bequemen Slnlage unb gar ber faft gwingenb
wirfenbeit Abholung gu günftiafter 3 c ü nnter ben Slugen ber
foltben Mitarbeiter ober ber Familie fonft unnüfe ausgegeben
würben. SllS Stichprobe liegt eine ©tatiftif pro 1895 für
bie 22 ©par* unb X)arlehnSfaffen beS ftreifes Dffcnbach oor.
danach waren bei 39 110 Bewohnern ber 22 Drtfchaften 7000 ©par*
einleger (alfo wohh ba auch nod) brei Mommunalfparfaffen mit
erheblid)en Einlagen aus ben Lanborten im Begirf finb, faft in
jeber öamilie ein Sparfaffenbuch) oorhanben, bie am Soh^Wnß
2 077 891 J (, im Xurdjfchnitt 296 t 1t Einlage hotten. 9Ud)t
weniger als 5246 Verfonen — in jenen Drten wohnen rneift
Arbeiter — hatten ©parfarten gelöft unb gwar für 347 103 J(,
burd)f<hnittlich pro Beofon unb Saho 66 JL (in jeber föodje
1,27 ttt).
£)ie Berginfung ber ©pareinlagen beträgt in ber Siegel 3 bis
4 %, bet ben Offenbacher Beifpielen burdjweg 3 % %. 9lid)t feiten
ift bie Einrichtung getroffen, baß Einlagen ber Xienftboten begw.
beS ©efinbeS einen erhöhten, bem XarlehnSginSfuß ber Maffe gleich*
fommenben 3inS erhalten, fo baß biefe Einlagen gang umfonft
oerwaltet werben unb gu ben BerwaltungSfoften nichts beitragen.
Xer großen Blehrgahl ber Arbeiter liegt naturgemäß nichts
baran, bei ber X>arlehnSfaffe einen Mrebit gu erhalten, fonbern nur
an einer guten, oortheilhaften unb bequemen Spargelegenheit.
Bei ber $ähe ber Slnlageftelle unb ben gmeefntäßigen ©efchäftS*
einrichtungen — einige EtefchäftSftunben werben erforberlichen
SadeS am Slbenb, in ben greiftunben ber Arbeiter eingerichtet —
fann baS ©parfonto wie eine laufenbe Rechnung benufct werben.
XeShalb gieheit es bie Arbeiter — ebenfo wie Maufleute :c. —
oielfach 00r / ohne BUtglieber gu werben unb eine Haftpflicht gu
übernehmen, bie Einridjtungen ber Maffen nur als Sparer gu be*
nußen.
X)ie ©par* unb XarlehnSfaffen finb, wo fie fthon etwas
länger beftehen, wie für bie Laubwirthe fo auch für bie Arbeiter
oon burchgreifettber Bcbeutung gur Befferung ihrer Lage geworben.
Sn ben engen börflidjcit Bertjältniffen wirft inSbefoitbere bie ein*
mal bitrchgeführte ©parfartcueinridjtuug ohne äußere Beeiuflujfung,
adein burch ben Xrucf ber öffentlichen Bleinuitg, halb wie ein
©pargwang, nantentlid) für bie jungen Arbeiter betber ©efd)lcd)ter,
bie relatio — im Bergleich gu ihrem Bebarf — aut meiften gu oer*
bienen pflegen. Xiefern 3*oang wagt fich fo leicht Biemanb im
Xorfe gu entgiehen, ber irgenbtoie Slnfprud) auf ?ldjtung feitenS
ber OrtSgenoffen macht, ©o fontmt es, baß bei ben meiften
Slrbeiterehen in biefen Drten beibe Ehegatten mit Erfparniffcn in
bie Ehe treten, bie ihnen ben Erwerb eines HänSchenS mit ©arten*
lanb (bei ben Snbufiriearbeitern), ben Erwerb oon §auS unb
etwas Lanb (bei Landarbeitern) crmöglid)t. Eoentued räumt bie
XarlehttSfaffe, bic fte in jahrelangem ©efdjäftSoerfehr als fpar*
fatn unb orbentlich feitnen gelernt hat, ihnen gern auf ihre perfön*
ließe Mrebitwürbigfeit hin einen ergäitgenben «Sirebit ein. Sn
hcffifchett Dörfern haben mir bie Leiter länblidjer XarlehnSfaffen
mit Stolg gange Straßen gegeigt, bie auf biefe Bkifc mit betn
©elb ber Maffcn gebaut finb. 2öo bie Bobenbefißoerhältniffe baS
Selbftftänbigwerbcn oon Lanbarbcitern überhaupt ermöglichen, ba
wirb biefer Boogeß burch bie ©par* unb ErgiehungSthätigfeit ber
X)arIehnSfaffeu außerorbentlich begünftigt.
Xie BermaltnngSthätigfeit in ben XarlehnSfaffen wirb
gum größeren Xheil unentgeltlich, gum fleineren gegen geringe, wirth*
fchaftlich nicht cntfpredjcnbe Entfd)äbigung ausgeübt. Xaß burd)
biefe oielfache, nach unb nad) in jebetit bcutfdjen Xorfe einqefüljrtc,
hochgeachtete unb befriebigenbe ehrenamtliche Xhätigfeit im Sntereffe
ber Xorfgenoffen Neigung unb gähigfeit and) für anbere gemein*
nüßige llnternehmungcu geweeft unb geftärft wirb, liegt auf ber
Hanb unb ift oftmals beobachtet worben. 28o in Lanoorten frei*
willig Mranfenfchweftern angeftedt, HauShaltungSfchulen eingerichtet,
Bibliothefen aufgeftedt, ©chulljäufcr unb llntcrridjtSgegenftänbe
oerbeffert würben n. a., ba gedieht baS aderbingS bis jeßt nur
in felteitcn gäden offigied burd) bie Spar* unb XarlchnSfaffcn aus
bereit Betricbsübcrfcbüffen — in Heffeu geben bie lanbwirtljfihaftlichen
©enoffenfdjaftcn jährlich 12—20 000 , f( für biefe Xingc aus —,
aber in beit meiften gäden finben wir als Urheber berartiger
Beranftaltungeit bie uämlidjeu Bcänuer wieber, bie in ben ©enoffen*
fdjaften Neigung unb ©efdjicf für gemeinniißige Xljätigfeit erlangt
unb bas Bertrauen ihrer DrtSgenoifen erworben haben.
Xer Einfluß ber ©euoffenfdjafts* auf bie Staats* unb ©e*
meinbeoerwaltung beginnt fich erft admäljlich gu äußern. Er wirb
aber immer adgetneiner werben unb immer meljr erftarlen. 3«
518
Soziale $raji$. Eentralblatt für ^ogialpoltitf. Sftr. 19.
514
öeffen, too bic ©enoffenftaften burdßftnittlicf) ant älteften finb,
ift wohl jeher jüngere ßanbbürgermeifter unb fonftige länblidje
Sunftionär burt bie ©tule ber ©enoffenftaftSoermaltung gelaufen.
Keine ©aßl gu wirt^fd)aftlid^en unb fAließlit aut gu politifcßen
Körperhaften !ann bort auf bent Sanbe ftattfinben, wo man nid)t
als erfte Stage Ijört: ©aS ift ber Kanbibat bei feiner Kaffe? ©ie
arbeitet bte? —* Es muß einleucßten, oon toie großer fogialpolitifter
Vebeutung es ift, wenn in biefer ©eife immer meßr Männer in
ben Vorbergrunb beS öffentlichen ßebenS gehoben toerben, bie bie
in ben ©enoffenftaften ertoorbenen wirtßftaftliten Erfahrungen
unb Kenntniffe mit bem regen ©emeinfinn oerbinben, ber fte in
bie ©enoffenftaftSoermaltung geführt hat.
Tie übrigen lanbwirthftaftliten ©enoffenftaften beftränfen
ftch naturgemäß in ber Vauptfacße auf bie lanbwirthftaftliten
Unternehmer. Siur toer felbftänbig probugirt, !ann oon bem ge»
meinfamen Verlauf ober Verarbeitung ber Vrobufte Vortheil haben,
ebenfo oom genoffenftaftlüßen Einfauf ber Stoßftoffe, oon 3utl s
unb Vtaftinengenoffenftaften. aber innerhalb ber lanbmirthfdjaft*
liehen Unternehmer nehmen alle Greife an ben ©enoffenftaften
theil. ©enn im |)anbioerf ein ©eßülfe fit felbftänbig macht, fo
e er fofort in ben alterfchärfften Konfurrengfampf. Tein
rben unb bem ©utsfäufer, bem lanbwirthftaftliten Arbeiter,
ber felbftänbig gu probugiren anfängt, ob er als Kolonift im Dften
eine bäuerliche ©irtßftaft gu betreiben beginnt, ob er auf *u*
fammengefauften ßanbftüdften im ©üben unb ©eften ©emüfe ober
Dbft ober ©ein ober Tabaf ober Vopfen 2C. baut, ober ob er als
Arbeiter in ©ewinnung oon SRilth, Eiern, ©eflügel, Vonig 2C.
einen Siebenoerbienft fucht, überall, toohin bas ©enoffenftaftswefen
gebrungen ift, ftredfen ihm bie organifirten VerufSgenoffen wiuig
bie ßeifenbe |>anb entgegen unb gewähren ihm an allen geftäft-
liehen Vorteilen ber ©enoffenftaften oolten antßeil.
Tiefe Vülfsbereitftaft befaßt auch ©enoffenftaft gu ©e*
noffenfehaft. ©elbft bie Sßolfereien geben gern ihren Verbanbs*
beitrag, ber großenteils bem 3toecfe bient, neue ©enoffenfehaften
bei ber ©rünoung unb Einrichtung gu unterftüßen. Tie Vebenfen
toegen ber neuen Konfurreng, bie bei SMfereien fehr ernft finb,
ba baS abfaßfelb für Vutter fchon befeßt ift, bie neuen SMfereien
fleh bie neueften, beften SJtaftinen artfehaffen fönnen unb ihre ©e*
noffen begüglit ber greife noch befteibener gewöhnt finb, treten
überall gegenüber ber lebhaft empfunbenen Pflicht, allen VerufS¬
genoffen bie ©egnungen ber ©enoffenfehaften gugängig gu machen,
gurücf.
Snnerßalb ber ©enoffenfehaft gilt Seber gleich. Tas VeidbS-
©enoffenftaftSgefeß oon 1889 beftinunt, baß nur bie $erfon, nicht
baS äßaß ber geftäftliten Vetßeiligung in ber Verwaltung maß*
gebenb ift: „Seber ©enoffe hat eine ©timme." Vei ber SMferei*
genoffenfehaft hat ber ©roßgrunbbefißer mit einigen ßunbert Küßen
genau baS gleiche ©timmrecht wie ber Tagelöhner, ber bie 3Ril<h
einer Kuß, g. Th- für ben eigenen Vebarj, oerarbeiten läßt. Sn
ben 80 er Saßren beftanb noch mehrfach bie SCbftufung bes ©timm»
rechts nach ber 3aßl ber Küße.
«iS baS ©efeß oon 1889 ftrift bie abftimmung nach Köpfen
forberte, ba würbe bie aenberung, bie baS ©eßwergewitt tßatfät*
Xich in ben Kleinbefiß legt, in zahlreichen Säßen anftanbslos burt*
geführt. ©eher bies ©efeß, noch bie Einführung ber bequemen
§orm ber „©efeflftaft mit befeßränfter Haftung", nach ber wohl
faum ein Tußenb SMfereien eingerichtet würbe, |at bie glängenbe
Entmicfelung ber SMfereigenoffenfchaften, bie im ©egentheil auf
ihre auf ©feitheit ber ©enoffen berußenbe Drganifation ftolg finb,
gu unterbrechen oermott. Es gab in Teutftlanb eingetragene
VtoKereigenoffenfchaften:
1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898
639 731 869 1003 1145 1222 1397 1574 1716
Sieben ihnen treten bie nicht eingetragenen, freien SMfereigenoffen-
fchaften je länger ie mehr gurücf.
Ebenfo liegt bie ©adfje bei aßen anberen Ein- unb Verlaufs*
genoffenftaften (1898: 1040 Einlaufs- unb 649 fonftige ©enoffen-
fchaften). ©elbft bei ben großen Unternehmungen ber £ornhäufer
hat man nicht baran gebaut, burdf) SSaßl eines anberen Organi-
fationSpringipS bem am meiften Iiefernbeti ©roßgrunbbefiß einen
erhöhten Einfluß gugugeftehen. Es liegt auf ber £>anb, baß in
aßen Organifationen, bie ©roß- unb £leinbefiß oerbinben, ber
Vortheil für ben leßteren relatio größer, baS Vebürfniß für ihn
bringenber ift. Tie Vegetung beS ©timmrechts forgt bafür, baß
ihm fein Vortheil ungefchmälert zufließt. TaS trirft g. V. für
^ornhäufer, 3o^r- unb ©tärfefabrifen, Vferbeguchtgenoffenftaften,
bie meiften ßßolfereien, ViehoerlaufS- unb ©chlächtereigenoffen-
ftaften 2 c. gu.
anbere Sormen ber ©enoffenfehaftsbilbung wirfen aus ft ließ*
lieh für ben Kleinbetrieb unb fidjern einer Verbmbung oon Heineren
Vefißern bie geftäftlite Vafition, bie ber große Veftßer oon felber
hat: g. V. bie flehten baperiften ^ornhäufer, bie fleinen füb- unb
weftbeutften V^olfereien, ©tweine* 2C. 3 ut hi0 cn °ffenftaften, Selb*
baf>n-, Treftmaftinengenoffenftaften 2 c. Stot anbere ©enoffen*
ftaften pflegen befonberS bie Verarbeitung unb ben abfaß oon
oorwiegenb im Kleinbetrieb gewonnenen Ergeugniffen, wie ©ein,
Tabaf, $onig, Eiern, Dbft, ©emüfe.
©enn bte ©enoffenftaften betreffenb Unterritt, arbeitSnat-
weis, Verfiterung u. a. nicht baS ©leite leiften wie bie frangö-
fifeßen ©pnbifate, fo liegt baS einfat baran, baß biefe aufgaben
bei uns bem blüßenben lanbwirthftaftliten VereinSwefeit gu»
faßen, oon bem fie theilweife recht befriebigenb gelöft werben.
Tie ©enoffenftaften beftränfen fit barauf, in Ergängung
ber VereinSthätigfeit oon ben lanbwirthftaftliten angelegenheiten
nur bie mit bem ©enoffenftaftswefen eng gufammeithängenben gu
bearbeiten, auf biefem engeren ©ebiet haben fie für auSbreitung
wirthftaftliter Kenntniffe unb guter ßiteratur oiel gethan. #ier
haben fie aut umfaffenbe Verfiterung (^enfionS-, ©ittwen-,
©terbe-, Kranfenfaffe] für ihre VorftanbSmitglieber unb (ca. 12 000)
Veamten geftaffen, bie Seßteren annähernb bie fogiale Verfolgung
gewährt, wie fie bie ©taatsbeamten haben. Tie Verfiterung wirb
tn Verbinbung mit ber einffußreiten Tßätigfeit ber Veamten eine
neue wirthftaftlidbe Kategorie ftaffen, bie größtentheils neu ge¬
ftaffen ift, bie aber aut i n & en felteneren Säßen, wo fie an
©teße oon eingelnen lebensunfähigen ^anbwerfern (g. V. Väcfer*
meiftern) unb Kleinhänblem tritt, in weit wünfdjenSwertherer
fogialer ßage ift, als bie Seute, bie fie erfeßt.
Dffenbat a. Vt. K. Tßieß.
Gfadmtffyx ©enoffenftaftsbrnib« Ter prooiforifte Vor*
ftanb beS ftweigeriftcn ©enoffenftaftSbunbeS, beffen ©rünbung
eine große Telegirtenoerfammlung oon ©enoffenftaften am 20.2ßärg
1898 in 3ürit beftloß, erläßt einen aufruf an aße ©irthftafts-
genoffenftaften ber ©eßweig, in bem er befannt giebt, baß er fit
feiner aufgabe, ein VunbeSftatut gu entwerfen, untergogen habe
unb biefeS ©tatut bem auf ben 19. Sebmar nad; dten einberufenen
fonftituirenben 1. ©enoffenftaftsfongreß gur Veratßung oorlegen
werbe. Vat bem ©tatutenentwurf begweeft ber ftroeiger. ©enoffen*
ftaftsbunb bie ©ammlung unb JDrganifation aßer ftioeiger. ©irth-
ftaftSgenoffenftaften „gur Sörberung ber ©ohlfahrt beS ©troeiger-
oolfeS unb gur fortftreitenben ©eftaltung feines wirthftaftliten
ßebenS nat ben ©runbfäßen ber ©ahrhaftigfeit, ©parfamfeit unb
fogialen ©erettigfeit". Sa^befonbere foß er bie Vecßte ber oer-
bunbenen ©enoffenftaften in Vegug auf ©efeßgebung, Verwaltung
unb Stettfpretung oertreten unb fortbilben, unb richtige genoffen*
ftaftlite ©rutibfäße oerbreiten. Tie VunbeSgwecfe foßen erreitt
werben burt einen jäßrlit abgußaltenben ©enoffenftaftsfongreß
unb bie Vieberfeßung eines VunbeSoorftanbS, burt Verausgabe
eines ©enoffenftaftSblatteS, burt ^en Vetrieb einer ©enoffen*
ftaftsbanf 2 c. SRitglieber bes VunbeS fönnen fowoßl eingelne
©irtßftaftsgenoffenftaften, als aut bie Verbänbe folxßcr werben.
Ta ber Verbanb ©eßweiger Konfumocreine mit einigen 90 ©e*
noßenftaften unb ca. 70 000 TOitglieöern unb ber Verbanb oft»
fttoeiger. lanbwirtßftaftliter ©enoffenftaften mit 130 Ver¬
einigungen unb 10 000 VUtgliebern entfcßloffen finb, fofort bem
©enoffenftaftSbunbe beigutreten, jo unterliegt beffen 3 u flanbe-
fommen feinem Sjoeifel. Vermutblit werben nt aber bem Vunbe
not eine große Steiße einxelner Konfum-, Vau-, Ärebit», Verßte*
rungS- unb anberer ©enoffenftaften anfcßließen.
ttotinitttpfoefett.
©oßimttgStiiith unb arbeiterßäufer in ©ien.
Vor Kurgem würbe an biefer ©teße ber flägliten ©oßnungS-
oerßältniffe ßonbonS*) unb VtuntenS*) aebatt. SJtinbeftenS
leit ftlimme, wenn fton nicht oiel ärgere 3uftänbe ßerrften in
iefer Vlnßtl aut ln ©ien, nur baß biefe Uebereinfümmung
©ienS mit ben großen ©täbten ©efteuropaS in einem gleich
mittigen fünfte feßlt, in ber 3 ro edniäßigfeit ber abhiilfemaß-
regeln. Sn ©ien oerfügt man nitt wie in ßonbon über ein
©efeß „über baS ©oßnen ber arbeitenben Klaffen", unb aut nicht
über ©oßnungS-Snfpeftorate, wie in eingelnen ©taaten unb
*) Sh*. 13, ©p. 345 unb 9?i\ 14, 0p. 372 ber „©ogtaleit ^rnrixj".
515
©ogiale SßrajiS. ©entralblatt für ©ogtalpoliiif. Sr. 19.
516
Stäbten DeutfcfelanbS. Die Berbefferungsbeftrebungen befcferänfen
fid^ auf einzelne ungureidfeenbe, roenn aucfe gang aut gemeinte An*
laufe ber prioaten Btofeltbätigfeit. Sadfe ben ©rgebniffen ber lefeten
BolfSgäfelung im Safere 1890, lebte mefer als ein drittel ber
Beoölferung SöienS in Btofenumjen, bie, abgefefeen oon Rüdfee (ober
Borraum), nur aus einem Btofenraum beftanben. 3n 12 435
Btofenungen (aus 3i mtner o&er Ratnmer ober Rüdfee beftefeenb)
mürben Damals 90 331 Beroofener ober oier ober nocfe oiefer Be*
roofener pro ©in*Saum*28ofenung angetroffen. Die eienbeften 95er*
feältniffe feerrfefeen in beit peripfeerifefeen Begirfen, fo fefer beren
grofee, no<b unoerbaute Släcfeen unb bie ^erftellung gafelreidfeer
neuer Dram* unb Stabtbafenlinien bie ©oaeuirung ber ärmeren
Beoölferung in neue, billigere Btofenfeäufer groecfniäfeiger Anlage
geftatten mürbe.
Unter ber für BtofeltfeätigfeitSaKe günftigeren Stimmung beS
SubiläumSjafereS bemühte man fi(b nun allerbingS, audfe bem
Btofenelenb SBienS abgubelfen. Slit oerfeältuifemäfeig grofeen
Mitteln mürbe bie fogenannte „Raifer Örang 3ofef I.*3ubiläumS*
Stiftung für BolfSroofenungen unb BtofelfafertSeinridfetungen" ins
Beben gerufen. Slit ben oott ifer nach bem Blufter ber Peabody*
Käufer aufgufübrenben Btofenfeäufent foH bie Anregung gum Sau
fepgienifdfe befferer Arbeiterfeänfer geboten, es fott bamit beroiefen
merben, bafe amb foiefee Slietfesfeäufer bei guter Berroaltung ein
gang genügenbeS ©rträgnife abroerfen. Die Berroaltung ber
Stiftung bat feiergu einen gang bebeutenben Baugrunb — mehr
als 49 000 qm — in gefunber unb groeefmäfeiger Sage, nädfeft ber
Söiener Stabtbafenftation Dttafring, gu bittigftem greife — baS
Ouabratmeter um 17 c 4L — erroorben. Dort follen nun Siietfes*
feäufer gu brei Stocfroerfen, mit brei bis oier gamilienroofenungen
in jebem StodPmerfe, in ©ruppen aufgefübrt merben. Die ©ruppen*
anlage foK in ben gufammenftofeenben «^ofräumen bie Bilbung oon
§auSgärten ermöglichen. 3 ur Stormeibung. ber nidfet blofe aus
npgienifdfeen ©rünben fdfeäbltcfeen Ueberfiittung ber Btofenungen fott
Den Blietfeem bie Annafeme oon Sdfelafburfdfeen unb fonftigen
Aftermietfeern unterfagt merben. Sür baS Btofenbebürfnife lebiger
Arbeiter unb Arbeiterinnen fott oielmefer burdfe „ßebigenfeeime"
oorgeforgt merben. Die £>anSanlage mirb in fünf Baugruppen
burefegefüfert merben. 3n ber ©efammtanlage fotten 6 500—7 000
$erfonen Saum finben. 3n ber gunätbft geplanten Baugruppe
mirb Unterfunft für 130 Familien (650 Sßerfonen) geboten. 3m
„Bebigenfeeim" fotten Rabinete oerfdfeiebener ©röfee, für 1, 2 ober
3 ^erfonen eingerichtet merben, roobei auf bie oöttige Trennung
naefe ©efdjlecfetcrn geachtet merben mirb.
Dafe biefe Subiläumsaftion manchen Bortbeil mit ftdb bringen
mirb, unterliegt feinem 3roeifel, aber ein roeiter mirfenber ©rfolg
ift ihr mobf oon oortifeerein oerfagt. Unb fo fann man eS nur
Bebauern, bafe biefeS grofee 9Rafj an Arbeit unb Agitation nicht
lieber in ben Dienft fpftematifefeer Sefornt beS BtofenungSroefenS
geftettt mürbe. 3n 2Sien ift bafür ja noch Alles gu leiften, bort
ift man über gemiffe oereingelte unb beSbalb fragroürbige, menn
auch recht gut gemeinte Serfudfje noch immer nicht feinauSgerücft.
Begeidfenenb in biefer Sichtung ift es, maS ber unlängft auSge-
gebene DfeätigfeitSberidfet beS Wiener StabtpfepfifateS*), einer
gemife objeftio benfenben AmtSftette, über baS Wiener Btofenelenb
fagt: ,,©S bemobnen nicht nur gamilien mit gabireichen Rinbern
eine nur aus Rüdfee unb 3totmer ober Rüche unb Rabinet be«
ftebenbe Btofenung, fonbern oft merben Rabinete, ja fogar Rüche
allein an Familien in Aftermiete abgegeben. Dagu fommen noch
bie gasreichen Beitgeber, bie oft mit berfelben gamilie in bem*
felben Saume fefetafen. Bebenft man ferner, bafe häufig in bem*
felben Saume auch noch gefocht unb geroafdfeen ober irgenb ein
©eroerbe auSgeübt mirb, bafe babei Die Btofenräume befonberS
im hinter faft gar nicht gelüftet merben, fo nimmt es nicht
SSunber, menn bie ©efunbbeitSoerbältniffe ber Seroofener un*
günftige finb."
Begüglicfe ber Bauart ber Käufer mirb groar anerfannt, bafe
bie Seubauten begüglicfe §öfee ber Säume, fomie betreffs ber Öicfet*
unb fiuftgufufer gegenüber bert alten ©ebäuben einen gortfeferitt
bebeuten, anbererfeits mirb mit Secfet auf bie oiel gu geringe AuS*
befenung ber.^öfe im Berfeältnife gur ©ebänbefeöbe, auf bie oft gu meit*
gefeenbe AuSnufeung beS Saumes, auf baS gu frühe Segiepen ber
Neubauten („Srocfemoofener") feingeroiefen, unb befeufs ^intanfeal*
:; 'i Beriefet beS Steuer StabtpfeijfifatcS über feine Aintstfeätigfcit
imb über bie (^cfinibfeeitSoerbältniffe ber f. f. SeicfeSfeaupt* unb Se|ibeng=
ftabt BJicu in ben Jafereu 1894- 1896. Aufträge beS ©emeinbe-
ratfeeö erfmttct oon bem 0Ber = StabtpfepfifuS Dr. Cimil Rammcrer,
©tabtpfepftfuS Dr. ©regor Scfemib unb StabtpfenfifuS Dr. Abolf
Löffler. SSien 1898.
tung biefer fanüären ©efaferen bas 3ufrafttreten einer neuen Bau*
orbnung bringenb oerlangt. „Sefer ungünjtig gelegen ftnb meift
bie §auSmeifter*93obnungen, ebenfo beftefeen nodfe oiele feudfete
Souterrain*9Bofenungen, unb audfe anbere 9Bofenräume merben
bur<f) ben Aufenthalt gafelreidfeer Stonfcfeen, burefe baS Rodfeen unb
58afcfeen in ben s Bobnräumen bei mangelhafter ßüftung leicfet
feucht." ®aS Stabtpfepfifat meift barauf fein, bafe bie folgen
biefer SSofenungSmifeftänbe fidfe am ftJufften bei ben Rinbern äufeern,
in allen Berichten roerbe bie fo grofee ,Angafel ber ^uberfulofe*,
Sfropfeulofe* unb Sfeachitisfälle’bei ben Rinbern ber armen
Beoölferuncj gunächft biefen Umftänbeit gugefeferieben unb feeroor*
gefeoben, roie fefer biefe teueren gur rafefeen Berbreitung oon 3u*
feftionSfranffeeiten beitragen, ©efcfeäbigt burdfe jene Ungunft
ber 9öofenoerfeältniffe mürben aber auch bie ©rmaefefenen in tferer
©efunbfeeit unb befonberS bie ^uberfulofe geige in ihrer Ber*
breitung auf baS ©eutlicfefte ben ©influfe ber fogiaten Berfeältniffe,
ba fee am ftärfften gerabe in ben oon ber armen Beoölferung be*
roofenten Begirfen anftrete.
^aS Wiener Stabtpfepfifat empfiehlt als Siafenafemen gegen
biefe Uebelftänbe: Strengfte ^anbfeabung ber gegenmärtigen, aller*
bingS fefer oeralteten Bau orbnung unb balbigfteS 3nfrafttreten
ber neuen Bauorbnung. ©egen bie Ueberfüttung ber Stofenungen
fei mit ber ©rridfetung billiger unb bodfe gefunber Arbeiterroofenungen
oorgugefeen. Aucfe mirb bie nädfetlicfee Rontrole ber ©ofenungen
unb bie Berbefferung beS poligeiliefeen StelberoefenS oorgefcfelagen.
Rünftig feätte ber „g>auSmeifter" aucfe alle Scfelafburfcfeen („Bett*
gefeer") in ©oibeng gu halten, unb in ben poligeiliefeen Sielbegetteln
märe aucfe bie StofenungSgröfee unb bie genaue Angafel ber
©ofenungSgenoffen erfidfetlicfe gu machen.
So gmeefmäfeig unb gut gemeint biefe Borfcfeläge finb, fte
merben immer mirfungSloS bleiben, fo lange nicht eine mobern
gebaute Bau* unb SSofenungSorbnung audfe für Defterreidfe
©eltung erlangt feaben mirb. $)ie Anftrengungen gu ©unften
einer neuen Bauorbnung finb in 9Bien bislang freilich nodfe immer
efdfeeitert unb merben roofel aucfe nodfe roeiterfein baran fdfeeitern,
afe in ben barüber gur ©ntfefeeibung berufenen Rörperfdfeaften ber
§auSbefife oiel mafegebenber unb einflufereid)er ift, als bie grofee
Blaffe ber „Keinen" Stietfeer. ^er .^auSbefife füfelt fid) aber burefe
jebe fealbmegS ftrengere, oom ©eifte ber ©efunbfeeits* unb Arbeiter*
fcfeufepolitif burefebrungene Bauorbnung in ber fjortbauer feiner
feofeen ©runbrente gefäferbet unb beSfealb mürbe unb mirb ber ©r*
lafe neuer Bau* unb BtofenungSoorfcferiften gerabe in SRen, mo
bie madfefenbe Anfammlung einer fo grofeen Arbeiterbeoölferung
auf oerfeältnifemäfeig Keinem Saume noefe mefer als anberSroo
gur 9SobnungSüberfüttung oerleitet, immer mieber feintertrieben,
fo nötfeig fie gerabe bort märe, ©egen biefe ÜDlifeftänbe roirb man
nur berart gu Selbe giefeen !önnen, bafe bie gefefetiefee Segelung
beS Bau* unb BtofenungSroefenS, oor Allem in ben grofeen Stäbten,
bem SeidfeSratfee übertragen mirb, ba nur bort auf baS nötfeige
Stofe oon Dbjeftioität fealbmegS gu reefenen ift. 3ft bieS ergielt,
bann mirb aucfe bie Agitation für ein 3<>nen*©£propriationSgefefe,
für ftäbtifefee SSofenungSorbnungen, für ©inridfetung oon SSofenungS*
infpeftoraten, oon ftäbtifcheit SBofenungSnacferoeiSämtern unb
5BobnungS!omtniffionen niefet mefer fo oeraeblid) fein mie bisher.
Slit bem ©intritte biefer Sefornten uno ihrer oerftänbnifeoott
ftrammen Durchführung mirb bann aber aucfe ber gröfete Dfeeil
beS SBiener Stofenelenbis befeoben fein. B3iirbe bie Agitation in
biefe Sicfetung einleitfen, bann märe bamit gemife mefer unb in
roeiterem Rreife geholfen, als bieS oon gemiffeit Dorfogefefeen unb
*StoferegeIn, roie bem ©efefee über bie Steuerbegünstigung oon
Arbeiterfeäufern, unb oottenbs oon ber SBiener 3ubiläumS*Stiftung
gu erroarten ift.
2öien. |>einricfe Abler.
Befürbentng beS Baues oon Arbeitenoofenungeu burefe Spar«
fßffen. Die 3nuaübitätS* unb AlterSoerficfeerungSanftalt ßannooer
empfiehlt in ihren „Amtlidjen Sacferidjtcn" oom 18. Öanuar ben
Bau oon Arbeitenoofettuitgen, befonberS lättblidfeer, begm. bie
©rünbung oon Abbauerftellen in ber Steife gu förbern, bafe bie
Berfid)erungSanftalten ben Sparfaffen ©elbcr übermeifen, roelcfee
biefe als Selbftfd)ulbner oermalteit unb bei ber ifenen inneroofenenben
0rtS* unb Berfonenfeuntuife mit ©rfolg gu biefen 3roecfen aus«
leifeen fönnten. Die oerfuefete Bilbung oon Baugenoffenfcfeaften
auf bem ßanbe fei ofene ©rfolg geblieben. Die Sparfaffen merben
gu einem Serfucfe aufgeforbert. Sicfet mit Unrecht fefereibt bie
Anftalt:
„Der otclfad) unb-mit Sccfet beflagtcn ©tituölfcrimg ber länblicfecu
Begtrlc oon Arbeitern, Fann niefet beffer oorgebcitgt ruerben, als burefe
617
Sogiale $rct£t§. ©eutralblatt für Sogialpolitif. Vr. 19.
619
Sefthaftmacbung lästiger unb ftrebfamer Arbeiterfamilien in gefunben
SBobnungen auf einem ©igenthum, beffen Vewirthfcftaftung bie Haus¬
haltung erleichtert unb ihnen mit ber SBerttjfdjäfcung bes felbft errungenen
VefifteS gugleich bie Öiebe gur Heimath ftärft, bie fte in ber §eimatfj
erhält."
$>ie Anftalt hat 31 Vaugenoffenfdjaften, Vaugefellfthaften 2 c.
®arlc^fn gum Sau non Arbeiterwohnung-en gur Verfügung gefteüt.
SiS gum 31. SDegember 1898 I)at bie Anftalt gum Sau oon
Arbeiterwohnungen unb ähnlichen, oorwiegenb ber SHaffe ber Set*
fieberten gu ©ute fommenben Einrichtungen, fowie gur Sefriebigung
beS lanbmirthfchaftlidjen KrebitBebürfniffeS 8 800380 Ji au£
eigenen Mitteln |ergegebeit Stte Anftalt oerbreitet. gugleich glug*
blätter über bie ©rünbung, ben 3^ecf unb Shtfcen non Sau*
genoffenfehaften mit befdjränfter Haftpflicht.
Verein gur gürberung beö ArbeitertoohnungSttJcfenS.
3m lejjten Vierteljahre mürben, mie in einer Siftung beS Vorftanbes
in £üffelborf unlängft mitgetheüt worben ift, unter ber HJHtroirfung
bes Vereint brei Saunereine gegrünbet; bie ©rünbung breier weiterer
fleht beoor. Aus allen 2h ei fcn ber 9thfinprocing ftnb gasreiche, baS
ArbeiterwohnungSwefeu betreffenbe Anfragen etngelaufeo, ebenfo aus
anbereu Sheilen bes Reiches, fomie aus bem AuSlanb (Schweig, Cefter*
reich, Selgien). 3ur Prüfung einer Reform ber ©ebäubefteuer, ins*
befonbere in ber Dichtung, bie Steuer für Käufer mit (leinen VJohuungen
gu oerminbem, mürbe eine Komntiffton gewählt. 3 ur geftftellung non
Entwürfen gu Kauf* unb Stiethoerträgen mürbe gleichfalls eineKontmiffion
ernannt.
gBohtmngSnotf) in Stuttgart 1898« $)a3 Stuttgarter ftatiftifdje
Amt. befprieftt in feinem Sonemberbericht Har unb entfd^ieben bie
fogialen Vfiftftänbe beS Stuttgarter V*of)nungSmefenS. Am 3ahrc3*
enbe ift bie 3af)l Ber eingimmerigett SBopnungen weiter non 10
auf eine eingige, bie ber groetgimmeriejen non 26 auf 18 gurücf-
aegangen. ©ine Stabt non 170 000 Etnwohnern hotte fonach gu
Anfang beS VäinterS nur eine SBobnung mit 1 3iwmer unb nur
18 mit 2 3immern frei, unb baS bei einem 3«gug, ^ er M SNonat
für Stonat auf $)ufcenbe beläuft. 9JHt nottem Se<ht weift baS
Amt auf ben fdjroeren fogialen unb auch fittlichen Staben hin,
ber ber gugiehenoen gamilie bureb Aufnöthigung größerer unb
theurerer ^Bohnungen, als ihren Serhältuiffen entfpridjt, non oont*
herein gugefügt wirb. Schon nor SahreSfrift habe BaS &tnt au f
Biefe Sdjäben hingemiefen. ©leichwohl hot bie prinate Vautfjätig*
feit feine Abhülfe gefchaffen. £)ie Neubauten hoben gum Sorrath
eingimmeriger unbefeftter Vßohnungett gar feine unb gu bem groei*
gimmeriger SBohnungen nur fünf beigetragen. 2)iefe VSohnungS*
noth berührt nicht bloft bie „Arbeiterfrage", fonbern gugletdj bie
Hanbroerferfrage. gür bie SBohnungen mit gewerblichen Säumen
trifft nämlidh ber gleiche Hebetftanb gu. Unter anberen wirb bie
Errichtung non oerfchiebenen fBerfftätten unter einem $)a<be, mit
gemeiufamer Venitftimg oon Stotoren unb fonftiger mafdjineller
|>ülfSmitteI oorgefdjlagen. ©ine Seffcrung ift nötigen big. ,Mtnn
ein Heiner ^anowerfer nur in Ausnahmefällen nicht minoeftenS
6—700 Jf A für SBohnung unb Vkrfftatt 3>af)r um Sohr er*
fchmingen muft, fo ift er bamit oon oornherein an eine Ausgabe
gebunben, bie ihm jebe SewegungSfreiheit nimmt, bie auf Soften
bes Setriebsfapitals einaefpart wirb unb feine Sfonfurreng* unb
fieiftungSfähigfeit nachhaltig fdjwächt. §och pnb auch bie Stiethen
für reine.fBohnräume, befonberS in ben Neubauten. 2)ie Seu*
bauten werben ihrer fogialen Aufgabe, burch Erweiterung beS
©ohnungSmarfteS bie greife gu oerbitiigen, nicht geregt. Sür
ein* unb gweigimmerige Söohnungen in Neubauten würben bie
„horrenben" greife oon 280 begiehungSweife 534 J(. geforbert.
Unb hi e r berührt baS Amt eine 0rage, bie nachgerabe in allen
großen Stäbten brennenb wirb, ben unberechtigten ßuyuS in Heinften
feohnungen. 2)aS Amt fd>reibt;
5)te Säume ftnb ohne 3meifel biefen greifen entfprechenb aus-
geftatiet. Aber fte legen ben gamtlien, bte auf berartige fleine
SBohnungen angeroiefen ftnb, einen einfeittgen SujuS auf, ber nur burch
©infpareu an anberen nothmenbigen Ausgaben ermöglicht werben fann,
bamit baS ©leichgewicht beS ^amilienbubgets bauernb ncrfchiebt unb
tm günftigften 3afle gum Schlafgängermefen unb gur Ueberfüllung führt.
2 )amit hört meift aber audh bie enttpredjenbe pflege ber Wohnung auf,
bie um fo foftfpieliger unb geitraubenber J ) wirb, je beffer bie SSopnung
ift; eS entfielt Schmufc, fchlechtc Stiftung unb geud^tigleit, unb in ber
J ) ^>ie neuerbingS felbft in ben Heinften SSohnungcn eingeführten
Aientenböben g. S., bie gur Schanbluttg gett unb Spähne oerlangen,
ftnb bitnhoiiS ungeeignet für Sohuungen gering bemittelter Seute. An
ihre Stelle müßte ein allerbittgS fo feft wie möglich gefügter Aufwafdj*
hoben treten, ber nur SBaffer unb Sattb gitr Steinigung verlangt unb
ber ©auSfrau, bie reinlich fein möchte, weiter (eine «often oerurfacht.
nach Strafte, Selicfttung unb 3immergröfte ^iigiertifdh mufterhaft an*
gelegten SBoftnung wirb fcftiieftlich ungefunb gewohnt, weil baö erftc
fogiale ©rforbemift für gefunbeS SBoftnen, baS billige SBohtten, oon
Anfang an nicht gegeben war.
gn Stuttgart ift baS ftäbtifefte fBohuhouS bie Domäne bes
©ewerbSmanneS uttb Heinen Rentiers (86 °/o ber §auSbeftfter
haben nur ein £>guS), währenb ber ©roftgrunbbeftfter nur in ge*
rtnaem ^rogentfaft oertreten ift (ogl. Sulibericht). 2)aS erfdhmert
in hohem ©rabe bie fiofung ber SSohnungsfrage in erfprieftlid)
fogialem Sinne. __
£itentttfd)e Än|dgen.
©rtl, Dr. SKorift unb Dr. Stephan Sidht, baS Ianbwirthfdhaftlijhe
©enoffenfehaftswefen in ^eutfchlanb: 3n feinen gefammten ©in*
richtungen unb DrganifationSformen auf ©runblage perfönlicher
SBahrnehntungen fi)ftematifch bargefteUt unb als §anbbuch für
bie genoffenfdjafHiebe beftimmt. Bien 1899, aftang’fdje
§of*SerIagS= unb Unioerf(tätS*Suchhanblung. 332 unb 657 S'.
Auf 332 Seiten h«t Dr. ßicht bie gettoffenfchaftliche Drganifaüon
beS länbHchcn ^erfonalfrebitS, auf 657 Seiten Dr. ©rtl bie An* unb
Serfaufsgenoffenfchaften behanbelt. Seibe entrollen ein treues unb
reichhaltiges Vilb oon bem gegenwärtigen Stanbe ber gefammten ge*
noffcnfchaftlidjen Drganifationen in ©eutfdjlaub, baS aßen Verbänben
unb ©efchäftsgentralen, allen oielfeitig arbeitenben ^h^oretifern unb
$raftifcrn bes ©enoffenfdjaftSwefenS ein wertljooIIeS ^ülfSmittcl werben
muft. &aS oielfeitige Material, bas in ben Alten unb ©rueffadjen ber 33er*
bänbe unb ©enoffenfehaften im Jahrbuch unb in ber „©enoffenf^aftSpreffe"
bes Allgemeinen VerbanbeS, in VerhanblungSbertchten, infonftigengadjgeü-
fchriften unb in SageSgeitungen gerftreut fieft finbet, ift gefammelt unb
georbnet unb als ©runblage fpftematifcher S)arftellung benujjt worben,
©igene gorfeftungen ber Verfaffer haben bas SÄaterial ergängt. &aS
werthoolle äBer! oerbient bie wärmfte ©mpfehlung.
3eitfdhrift für VolISwirthfchaft, Sogialpolittf unb Ver*
waltung.
9J7it bem bemnädhft beginnenben VIII. Vatfbe (Sahrgang 1899)
geht ber Vertag biefer auSgegeichneten, bon ©ugen oon Vöhm*Sawerf,
Äarl 5lh e oBor oon 3nama*3ternegg unb ©rnft oon wiener heraus*
gegebenen 3eitfchrtft an bie girma SBtlhelm Vraumütfer, faiferlicft unb
fönigliche §of* unb Unioerfitätsbuchhänbler, SBten unb Seipgig, über.
Von nun an werben bie Vänbe in fechs heften — ftatt oier, wie bis*
her — erteilten. $)ie 3 f itfchrift für Volfswirthfchaft, Sogialpolitif
unb Verwaltung ift Organ ber ©efcüfcbaft öfterreichifcher VoIfSwirthe
unb erfreut ftd) tn golge ihrer oortrefflidjen Aebaftion unb bes ge*
wählten Stabes hrcooreageuber VHtarbeiter einer aufterorbentiieft groften
Verbreitung. S)aS in türge erfdjeinenbe erfte §eft bes VIII. VanbeS
bringt u. a. einen bebeutfamen Veitrag oon Vr°Mfo r ©ugen oon
^hilippooich öber Organifation ber VerufSintereffen, einen Auffaft oon
Dr. Aobert Vteper: 2)ie erften ©rgebniffe ber $erfonaI*©in!ommenfteuer
in Oefterreich- ®aS ^eft (ann Durch jebe beffere Vuchhanblung, wie
auch oon bem Verleger gur Anftcht begogen werben.
Simff)owttf<b, SBlabimir ©r., ®ie gelbgemeinfchaft in Vuftlanb.
©in Veitrag gur Sogialgefdjithte unb gur Äenntnift ber gegen¬
wärtigen mirthfcbaftlidjen Sage beS rufftfehen VauernftanoeS.
3ena 1898, ©uftao gifcher. 399 S. 10
SÖalter, Dr. grang, Sogialpolitif unb SKoral. ©ine 2)arfteHungihres
VerhältniffeS mit befonberer Vegugnahme auf bie oon $rof.
SBerner Sombart neueftenS geforberte Unabhängigfeit ber Sogiat*
politif oon ber SRoral. gretburg t. V., ®eroer’f<he VerlagS-
buchhanblung. 346 0. $reiS JC 3,eo.
3eitfdbrift für bie gefammte StaatSmiffenfchaft. 3« Verbin*
Dung mit bem Oberbürgermeifter g. AbicfeS*granffurt a. SW.,
^räftbent A. Vuchenberger-^arlSrutje, $rof. Dr. Äarl Vüifter*
öeipgig, Vrof. Dr. ©. ©ohn*©öttingen unb A. h^auSgegeben
oon Dr. A. Scftäffle, f. f. SWinifter a. 2). 65. 3ah^9- 1. § c ft.
Tübingen 1899, §. Saupp’fdje Vu^hanblung. 192 S.
Annals of the American Academy of political and social Science. Vol.XIII.
No. 1. Philadelphia: American Academy of political and social
Science; England: P. S. King & Son. Price per Year $6,oo,
per Number $ J,oo
Statistische Alededeelingen uitgegewen door het Bureau Yan Statistiek
der Gemeente Amsterdam. No. 3. De Werklooscheid in eenige
Yakvereenigingen te Amsterdam in het jaar 1898. Amsterdam
1899) in comniss. bij Johannes Müller. Prijs fl. O f i&.
Stiel. Verübt ber $ranfenbauS*ftommiffton über bie Verwaltung unb
ben Vetrieb ber ftäbtifchen Armen* unb ftranfen-Anftalt unb
^eSinfeftionSanftalt pro 1897/98.
Königsberg i. Veridjt über bie Verwaltung unb ben Stanb ber
©emeinbe=Angetegenheiten pro 1. April 1897/98.
— £>aupt*Ueberficbt über bie ber Stabt*§auptfaffe in Königsberg i. V-
gugewiefeuen VerwaltungSgwetge pro 1. April 1897/98.
Nürnberg. Voranfcblag für ben ©emeinbe*§auShalt ber Stabt Aiirn*
berg pro 1899.
BerQntroortafö für bJe »ebafttoti: Dr. örnft brande tn CerUn W., Bagreutfftrftta&c 29 .
519 ©ojiale Sßraytß. (SentralBIatt für ©osialpolitif. 9?r. 19. 520
»*5»*ltaU Vravl*" erfdjeint an jcbem ©onnerStag unb ift burdj alle SBudjtjanblungen unb tßoftümter (ißoftjeitungSnunimcr 7072) ju belieben. ©et s ^reiS
für bafi S3ierteliaf)t ift ÜJ?. 2,50. Sebe Kummer foftet 30 ißf. ©er Anzeigenpreis ift 60 f)f. für bie breigefpaltene Sßetitjeile.
Wilhelm Braumüller in Wien und Leipzig.
K. u. K. Hof- u. Universitäts-Buchhandlung.
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Das Ucrhältnis
— 6t g
Ucrbraudm der ma$$en
3 U demjenigen her „meinen ücure“,
her Di>oljlljaljcnben unb ficidjcn
.^onberabörum
auf
&«niolirr0
•Jahrbucfj für
<bef(t3Qrbung je.
Preig: i «Uliatft.
marxistische Doktrin.
R. e. may.
Xeipji®,
Oerlag hon ©unditr & ßumblot.
1899.
Verlag der Arbeiter - Versorgung.
A. Troschel in Berlin W.
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40. ®eft:
Steno^vapfytfcfyev Setricfyt
58 c r \) rt n b l « n g e n her n rlj i ^ c I) 11 1 c 11 ^ n I) r c ^ 0 c rf n nun I 11 u ü
des (fmtfrfim Ueceins für jRtmpnpfTrge und JOoliMiätigfteit am 29. uad 30. SeplnnGet 1898 in Jliirnöetg.
3nl;alt: SBeridjt über bie neuere Gntroicftung bc3 JirmeitroefenS im 3Iu«Ianb. — .fulfe in außerorbcntlidjen iRotftänben. — 3roang».
maßregeln gegen näf)rpfli<f)tige 9(ngef)örige. — 3>ie roedifelfeitige Unteritii(jung non Dieicfiäangebcngcn in ben cmjelnet
SBunbeäftaaten. — Gjijtenj-Diinimum in ber ?trmenpflege. — Stnredjnung ber Stiftungen ber 'Prioatroobltptiafeit unb
Snoalibenrenten. — 3uflu<f)b?ftätten für roeibtidfje f)5erfonen. ?rei* 3 W. 60 $f.
t tt « Ö
öerantTDortltcl) fiir Die «lucißrn: pdlmml) Weibel, fceipjiij. — Merlan mm S5uiicfev & Öimiblut, Seipng.
k'brucfr bet ^ultuS Bittcnfelb. öerliu
VUL la^tpaö.
©erlin, Ben IC. Februar 1899*
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#einrtd) ablet, ©len.
©aß UTtljeil in bem Baufrawatt bon
Söbtou.
©ie anwenbnng bet Konfutrenaflaufel.
©ie ©oaialpolitif in bet Bubgetbebatte
bet ftanaöftfäen abgeorbnetenfammer.
©in nationale« Berföbnungßamt in
englanb.
©ojialpolitifdje« au« Belgien.
toftla!* 3 b&2s»c ;.533
©et läitblid&e arbeitermangel in
^heufeen.
Kinberarbeit in fiangenbielau.
BetriebßWerfftätten im ©ebneiberge*
werbe.
Unternehmer unb Arbeitet in bet
„Übernfe • eifenmetf« unb «Schiffsbau*
HefeHfdjaft" au Sonbon.
Fair Wages in englanb.
tt**tttc«bc»ct«iig.536
ßur Bewegung untet ben £afen*
aibeitern in Hamburg.
©emeinfame eingabe bet tartftreuen
©tinaipale unb ©ehilfen bet Bu$*
btudeteien in Reffen.
Born Jhefelbct «Sammetweberfireif.
3lu« bet englifeben arbeiterbeweguug.
©ie ©ewerfneteinß&etbönbe in ©ng«
lanb.
Beilegung eine« ©treif« in bet
@<hweia.
©mente Borbereitungen a«m ©encral*
ftteil in granfreidj.
««»etterf*»*.538
©ie ^a^reSbeTic^te bet ga»
btffen* unb ©ewerbe*3nfpef*
toten Bahern« föt 1898.
©ie Organifation unterer auffitbtß*
beamten in ben preujjiföen Berg*
werfen.
Betorbnung übet bie Befdjäftigung
frembfprad)lid)er arbeitet im ©ort*
munbet BetgamtSbeaitf.
Söeiblid&e afpftena bei bet ©ewerbe*
auffitbt in SBürttemberg.
©ifenbahnarbeiterfthub in Defterreidj.
ttrbetterbetfUbenuta. ©parfalt eit 542
©ie Beratung bet SnoalibitötSoer*
fuhetungSnooelle im SReidjßtage.
©ie Befcblöffe bet Bettreter bet
beutfeben Berfuberungßanftalten a u
bet Sntmlibitötßnooefle.
Befölüffe bet rheinifd) • wefifölifdjen
©ro&lnbuftrietten a uT SnöaiibitätS*
öerfi<berung«noöelle.
Ätanfenoerfitberung bet ftäbtifchen
arbeitet in Berlin.
©a« aitet«betfotgung«gefeb in SReu*
feelanb.
9trbet*«isftdM»eif.544
außfdjufefifcung be« Betbanbe« beut*
febet arbeit«na<bweife.
©treif*Klaufel bet ßüritber Rltheit«*
bötfe.
Kommunaler arbeitßnaebwei« in
Sonbon.
KSoblfnbtffeitttidÜnngai .... 545
Sftedjtßftbubbureau für Unbemittelte in
Berlin.
©penben ber beutfäen aftiengefett*
fünften föt arbeitet.
4?elferfommiffion bet Kieler ©efett*
f<baft freiwilliget armenfteunbe 1873
bl« 1898.
SRaturalüerpflegungßwefen in bet
©tbroeia.
©ettofTenfdjaftßWefe*.547
©et Konfum*, Ban* unb ©patbereln
„Sßrobuftion" in Hamburg.
©ie ftatfe ßunabme ber lanbwittb*
f (baftlicben ©enoffenf<haften in ©eutfdj*
ianb.
©in ©enoffenf(baft«reftaurant in ©ifon.
.547
©obnung«notb in £örbe.
©rbauung oon Kleinwohnungen föt
Subwigöhafen a. 8th.
©atUle $bg(cne ...548
©^Gelegenheit für Betföufetinnen in
Sabengefcböften.
aifoboli«mu« unb ©tetblicbfeit.
Befcbranfung ber £elrat«föb»flfcit in
amerifa.
©Mtattipfttlf©« fftaftnaftisttt Im ©«•
Ufttitotltu .549
arbeiteraüge in ßonbon.
8ttt(mif4|e 9ta§cttcii.549
abbtud ffimmtlicber artifel ift Qeitun%m unb ßeitftbriften geftattet, jeboeb nur
mit oottet Quellenangabe.
IBEltmad)tpolitik unb Sojialrtforra.
i.
®em ©cfd^i^teforfc^cr bcr öer ftrf) mit ben gro|ert
Strömungen im $)eutfd)lanb be« 19. Sa^r^unbert« befdfäftigt, wirb
ftd^ eine Söeobad)tung Har barftellen unb al« etwa« S&aturnotf)*
roenbige« erffeinen, roelcf)e mir Ijeute nielfad^ al« ein ^robuft be«
Slugenblicf« anfe^en unb ba^er in i^ren magren Urfadjen ner*
fennen.
©rft feit 1833 fann überhaupt non einem 2)eutfd§lanb at«
nationalöfonomif(f)en SBegrtff gefprod)en merben. S)er QoVl*
nerein fcfiuf bie nationalmirtbfcbaftiicbe ©infjeit, beren bisherige«
Seelen Sriebrirf) £ift mit bem Bilbe be« „menf<f)lidjen Körper«"
nerglid^, „bem jebe« ©lieb unterbunben mirb, bamit ba« Blut ja
nid)t in ein anbere« überfliege."
Sn ben 40 er folgt gunad^ft ein Streben na<$ äufeerer
Entfaltung im fosial* unb mirt^f^aft«politif(^en 3ntereffe. Slu«-
manberung«oereine, 8rtottengrünbung«ptäne, Kolonialtraume ent¬
fielen, bleiben aber oljne Erfolg, roeil bie politifdfe Einheit fe^lt.
S)a« 3a^r 1848 fud)t lefetere unb glei^jeitig bie ©runblagen gu
äußeren Borftöfeen gu fc^affen, e« ftrebt nad) einer innerpolitifd^en
Sfceuoerfaffung mit foiialer Bto<|)tüerfif)iebung.
®a« S(|eitent ber organifatorif^ auf unnötigen Borau«-
feftungen berubenben Bemegung bringt eine unglüdltdEje ge^njä^rige
Stocfung. 2)ie 60er Sobre gehören rnieber oer äußeren ^oliti^
bie non bem 2lu«bau be« inneren Berfaffung«leben« bei ber
©rünbung be« Bunbe« unb SReid^e« abgelöft mirb. 3m nunmehr
roiribfcbaftiiib unb politifib gufammengefafjten SReid^ regt ptb erft
fdjüdbtern bie Sogialreform, beren Segel ber ftarfe SBinb be« neuen
mirtpfcbaft«politif(ben Kurfe« gegen 1880 mit gu blähen beginnt.
Eine aoermalige Stagnation gegen Enbe ber 80 er 3u^ c mürbe
t>iel!eid)t beffer bureb eine ba« innere Berfaffung«leben au«bauenbe
Sßeriobe erfefet roorben fein, beren Q?el)len au« ber ST^atfad^e ber
übermiegenben ©eifte«!raft Bi«mardP« unb be« mangelnben Ber-
ftänbniffe« bei ben eingelnen Parteien gmar erflärt, aber barum
bod(j noc^ auf längere 3^1 ul« ßücfe empfunben merben mirb.
$)ann abermal« eine fräftige fogialreformatorifd)e Slera gu Slnfang,
Su«bau ber ^>anbel«polittf gegen BHtte ber 90er 3^* unb
neuerbing« fdE)he&li(f) rnieber entfdjiebenere« Betonen ber Erforber-
niffe einer ermeiterten Biad^tpolitif nai^ au&en.
2)iefer 2öedE)fel groifc^en bem jemeiligen 3^ be« Slugenblid«
ift nidjt nur ®eutfdt)Ianb eigentpmlid), fonbem in äljniidjer SBeife
audb in ben anberen Staaten, oor 5lllem bem aufftrebenben Eng-
lano unb Amerifa, in biefem 3u^l)unbert ma^rnebmbar gemefen.
23o e« oorgeftern ^iefe: mir müffen unfer Berfaffung«leben au«-
bauen! I)ief 3 e« geftern: mir müffen gielberou&te Sßirtbfd)aft«poIilif
treiben: |eute ftefjt bie Biacbtpolitif im Borbergrunbe unb morgen
gilt e« ber SogialpolitÜ! 3u einem gefunben Staate ift e« eben
erforberlid), bafe alle biefe 5 r U9 e u eine entfpreebenbe Bcrtretung
unb jemeilige Berüdffid^tigung finben, mag fidj bie Agitation in bie
formen Hetben, ba| ber Bkltpotitifer erflärt: bie 3eit ber äufeeren
Biad^tpolitif ift ooriiber, bie 3ufunft gehört ber B3irtbfibaft«politif!
ober mag ber Sogialreformer fagen, bie 2Birtl)id)aft«politif fömte
524
523 ©imnlc PrartS. ©cntralblatt für Sogialpolitit. 9?r. 2().
nur noß unter bem ©efißtSpunkte ber Sogialpolitik betrieben
roerben; ober mag man ben SSerfaffungöpolitifer bureß fogiale unb
roirtßfßaftliße Sntereffenoertreter erfeßen rooHen, — für ben Staat
als ©angeS kommt eS barauf an, baß jebe ber oerfcßiebenen
Stiftungen in längeren Perioben entfpreßenbe 93erüefficßtigungen
finbet.
Snt Kampfe, ber ftß um ^Reformen auf ben oerfßiebenen
©ebieten abfpielt, roerfen bann bie Vertreter ber eingelnen Stanb*
punfte fiß gegenfettig mit Vorliebe oor, baß fte bes nötigen faß*
lißen ©rnftes ermangeln unb g. 93. 9BirtßfßaftSpolitikcr aus
brutalem ©goiSmuS, 93erfaffungSreß tler aus Doktrinarismus, So*
gialpolitiker aus Koketterie ober S&eologie, Maßtpolitiker aus
Kolonialfßroärmerei, als MarinefportSleute ober müitariftifße
fiiebebiener feien.
Die SpannungSoerßältniffe, ber ßoße Druck in ber Sltmo*
fpßäre, unter roelß em fi(ß ber große ökonomifß*politifße Progeß
ber Einigung eines Pfeils ber in Mitteleuropa angefiebelten
germanifßen ©ruppen erft oor Bürgern oollgogen §at, ßaben noß
tmmer bie Steigung gu mannigfaltiger ©erottterbilbung befielen
laffen. ©ine SluSgleißung ber (Strömungen ift noß teineSroegS
erfolgt. Unb namentliß ßinftßtliß gtoeter fragen, Sogialpolitik
unb äußere Maßtpolitik, ßäufen fiß noß bie bem 2luSgleiß roiber*
ftrebenben ©letnente um groei oerfßiebeite Pole:
9luS ben Klaffen, roelße ein Sntereffe baran ßaben, ber
Sogialreform entgegengutreten, gruppirt fiß ein erheblicher Dßeil
um baS 93anner ber Maßtpolitik naß außen Die |>auptinter*
effenten an einer energifßen Sogialreform, nämliß bie Arbeiter,
geriren fiß umgekeßrt als Ungläubige gegenüber benjenigen, bie
oon ber SRotßroenbigkeit einer größeren äußeren Staatspolitik auf
oom Stanbpunkt ber fogialen prajis aus reben.
3u ©unften ber ©efammtßeit beS 93olkes empfiehlt eS fiß,
auf biellrfaßen ßierfür kritifß näßer eingugeßen, um aisbann bie
93ereßtigung ber oerfdjiebenen Stellungnaßmen unb bie Kon*
fequengen für bie ©efammtßeit klarer überfeßen gu können.
Die ©egner ber Sogialreform fißen im agrarifßen unb im
großinbuftriellen Säger foroie bei einem Dßeil ber ©roßfinangierS,
in geroiffen klaffen beS fogenannteu liberalen 93ürgertßuntS unb
in einigen ©ruppen ber Sureautratie. Die ©roßinbuftrieden unb
Slgrarier, fomeit fie gu ben ©egnern geßören, fßeinen angitneßmen,
baß eS fieß für fte empfiehlt, nißt jenem 93eifpiel ber euglifeßen
©ntroickelung naßguaßmeit, roo in ben 30er bis 50er Saßren
gnbuftrie unb 2lckerbau fiß gegenfeitig im Parlament geroiffe
roirtßfßaftliße unb fogialpolitijße ©efeße auferlegten, bie bem
anbern Dßeil unerroünfßt kamen, roenngleiß fie bas ©efaimnt*
rooßl förberten. $ier feßeint man gu glauben, baß ein gegen«
fcitigeS §änbemafcßen bureß roirtßfßaftliße unb fogialpolitifße
Kongeffionen untereinanber geeignet fein wirb, unerfreuliche Maß*
naßmen auf beiben Seiten ßintanguß alten. Daß eS für ben Staat
als ©efammtßeit ßeutigen DageS eine fßroere Sßäbigung be*
beuten mürbe, menn biefe ober jene Snter effenten klaffe eine ißrer
ßeutigen fogialen Stellung unb Stotßmenbigkeit nießt entfpreeßenbe
fortgefeßte Sörberung erfüßre, baS glaubt man nißt unb roill man
nießt feßen, roäßrenb man für bie maßgebenbe Stelle biefe Seite beS
SSerßaltenS bureß bie Setonung eines befonberen Patriotismus gu
oerßüllen fueßt — ein,Patriotismus, ber bann natürließ fieß als ben
päcßter ber ftaatSerßaltenben unb ftaatsförbernben 3been gegen«
über anberen Slnfißten unb gntereffen ßerauSguftreicßen fueßt.
Man mill bie Slnfeßaumtg oerbreiten, baß bie 3utunft bes Staates
auf feinen anberen klaffen berußen kann als benjenigen ber ©roß*
probugenten.
$aß ber erften Stiftung foK ßieriit teineSroegS ein Dabei liegen.
©S roiberfprißt ber ßeutigen Huffaffung oom 2£e)en beS Staats, oon
einer Rlaffe gu oerlangen, baß fie fieß mit feinen 3medten ibentißgiren
foll, menn fie ißr übermiegenb gum 9iacßtßeil gereifen. Qm ßeutigen,
für bie ©efammtßeit gleicßmäßig befteßenben ©emeinmefen allgemeiner
9iecßte unb Pflicßten muß Seber baS ßöcßfte s JÜc'aß oon perfönlicßen
unb Älaffenoortßeilen erftreben bürfen, bie er ohne Scßäbigung ber
©efammtßeit erringen kann. SlnberS liegt es ßinfid)tlidj ber Betonung
auSfcßließlicßer Staatstreue, bie befanntlid) uidjt nur gegen folcße,
bie an ber ßerrfeßenben Staats* unb ©efellftßaftsform irgeub etmaS
auSgufeßen finben, einen 93anuftraßl gu fd)lenbern fud)t, fonbern
feßou gegen Sfbmeidjungen oon ber als politifcß«ortßobo;r an*
erkannten Sluffaffung im ©ingelneit. So ift bem Sanbmirtß bereits
ber ©roßfinangier unb eigentlich au<ß ber ©roßinbuftrielle fein
gang oollmertßiger SunbeSgenoffe, felbft menn biefe faft alle i^eßr*
fäße feines poiitifeßen ©laubenSbefenntniffeS unterfeßreiben. SDer
©roßfinangier feinerfeit» aber fteßt aus benfelben ©rünben ßeute
meßr gu biefen SRacßbarn als früßer. perfönlitß ift ißm bie
Sogialreform unb bie ©ntmitfelung ber Diaffen iubifferent. ^)ie
fogialiftifeßen Angriffe aber laffen ißn gelegentlicß natß einem Scßuß
bei jenen Parteien fließen, benen er aus feinem mancßefterlicßen
9lnfd)auungSfreife ßerauS grunbfäßließ ebenfo ableßnenb gegenüber
fteßt, mie fie ißm. ©r geßört eben ber fogenannteu liberalen
Scßule an, bie fonft oielfacß baS mittlere 93iirgertßum beßerrfeßt,
unb glaubt mit ißr, baß ber Staat bie fogialen Aufgaben eben*
forooßl bureß eine 93efcßränfung beS ©ebanfcnfreifeS auf ben
ßeutigen ^ag beliebigen fann, mie bem einzelnen Kaufmann feine
Unterneßmungen im fleineit Greife am beften glüefen, menn er nießt
gu meit ßinauSbenft. 3n ber 93ureaufratic feßließließ giebt es einen
großen SUigel, meleßer für biefe felbft mie für bie meitere ©nt*
roicfelung beS fianbeS barum eine nennenSroertße ©efaßr bebeutet,
meil er fieß bamit begnügt, Selbftgroeef gu fein unb oor 9lHem
barauf benft, jeben ©ingriff in ißre „füßrenbe" Stellung fern gu
ßalten, oßnc barum an einer Umformung beS HnfcßauungS* unb
ÄufgabenfreifcS gu arbeiten.
9llle biefe leßteren ©ruppen fteHen ßeute meßr ober roeuiger
autmillig ein Kontingent für bie Stiißung beS Staates in ber
ätießtung ber äußeren Sftacßtpolitif, bur^aus nießt immer aus ber
Uebergeugung ßerauS, baß fie bamit baS Sftecßte moHen, fonbern
um fidj fo anbere unbequeme $>inge oom Öeibe gu ßalten.
9kur eingefprengte Petrefakte ber fogenannteu extrem frei*
finnigen ©ruppe fmb gleichseitig erflärte ©egner oon Sogialreform
unb s JO?acßtpolitik. Db eS namentlich geroiffen 3n?eigen ber 93ureau*
fratie, bie noeß ber älteren Scßule entflammen, mit ber Hinneigung
gu ben neuen 3i e lcn ber Staatspolitik ernft ift, ober in mie meit
fie bureß inneren unb paffioen 9£iberftanb fieß betßätigen uitb
nur bem feßarfen oon oben meßeitben 9Binb, fomeit notßrocnbig,
naeßgeben, mag baßingeftellt bleiben. SDaß fieß bie mirfließe lieber*
i geugung oon ber unabmeisbaren 9?otßmenbigfeit beS „neuen KurfeS
j naeß außen" auf ©runblage klarer ©rfenntniß ber Xßatfaeßeti gu
oerbreiten beginnt, ift erft ein ©reiguiß ber jüngften 5Bergangenßeit.
©S fott keineSmegS gefagt merben, baß eS lebigließ perfönlidje
Sntereffen fmb, bie biefe ober jene ©ruppe ben Slnßängem ber
9D2adßtpolitik ober ben ©egnern ber Sogialpolitik gugetrieben haben.
©S giebt ^eute, bereu Intellekt nießt auSreießt, bie llnmögließ*
keit ber Politik beS ©eßenlaffenS im ©ebiet ber Sogialpolitik ein*
gufeßen, unb es ift umgekehrt geroiß nidjt nur Sntereffenpolitif, bie
mie in anberen i^änbern fo in SDeutfcßlanb eine „imperialiftifeße"
SRicßtung befürroortet. 3m ©egentßeil giebt es breite Scßießten, bei
melden baS ©efüßl oon ber SRotßroenbigkeit eines foleßen s ^BorgeßenS
aud) aus anberen ©rünben, als benen beS perfönlicßen Klaffen*
in tintereff eS entftanb, bei benen mirkliß ftaatSmännifße unb nationale
©rmägungen oorroiegen. 9kur roirb eine eingeßenbe Prüfung in
ber Sl’egef gu ber ©rfenntniß füßren, baß bie mirkliß im ©efammt*
intereffe patriotifß benkenben ßeute auß bem Ausbau ber inneren
©efellfßaftSorbnung in einer ben ©rforberniffen ber ©efammtßeit
entfprcdjenben 3öeife guftreben.
2)er anbere Pol, ber Mittelpunkt ber auSgefproeßenen ©egner
einer äußeren Maßtpolitif, fammelt neben ben bereits ermäßnten
©genannten ©|tremliberalen ober 93olkSparteileru oor allem bie
Sogialbemokratie.
93ei ben ©ytremliberalen ßat fiß bie Sßatfaße ja allgemein
gegeigt, baß fie ßeute, naßbein ein großer Sßcil ber gorberungen
ißrer Slltoorbern erfüllt ift, oielfad) unfäßig finb, fieß unb ißr
Senken in neue 93aßnen ber gortentmiefelung ßineingufügen. Mit
Steßt ßat ißre politifße 93ertrctung ben 9©men Sörtfßrittspartei
abgelegt uitb ein neues Sßilb auSgeßängt, roeldjeS auf bie geiftige
SBerrocnibtfßaft mit ben gleißgefinntcn ©lementen bes SübmeftenS
ßinroeift. ^>ie Sluffaffung beiber ift bie ©enkmeife ber Demokraten
gut 3 e ^ ^eutfßen ^unbeStageS. ßäge bie ©ntfßeibung bei
ißnen, fo mürbe überall baS $Hab ber ©ntroieflung abgeftoppt unb
bie 9Mt für alle 3«it in einen politifßen unb mirtßfd^aftlielien 3» s
ftanb ßineingebraßt, ber ben Sntereffen unb Qbealen ber liberalen
Deutfßen, ©ngläuber unb Srangofen ber oiergiaer unb fünfziger
3aßre entfpraß. ©S ift ßößft begeidjneiib für bie ©ntmieklungS*
ftufe beS englifßen gegenüber bem beutfßen politifd)en ßebeu, baß
in elfterem ßanbe burß ben offigiellen SHiieftritt 9SiÜiam §nrcourts
unb Soßn MorleqS oon ber politifrf)cn ßeitnng fid) ber liberalen
Partei §emmniffe freimiHig aus bem 9öege räumen, melße ißr
fonft ein SSicberaufleben unmögliß gemaßt ßätten. Der politifeße
Sinn ift bort genügenb entroicfelt, um benjenigen, ber fiß einer
neueren nidjt meßr gemaßfen fiißlt, als eine notßmenbige Kon*
fequeng ben freimifligen 9tücftritt aufguerlegcn. Qu Deutfeßlanb
aber ift bas pfaßlbürgertßum an meßreren SteHeu noß mäeßtig
genug, menn auß nur mit Hilfe anberer Parteien, eine 93er«
tretung gu fdjaffen, ber bie 9iotßmenbigkeit neuer 3been erfpart bleibt.
(Soziale $raj:tS. ©cntralblatt für Sogtalpolitil. Dr. 20.
526
2 )ie Sogialbemofratic anbererfeits ftebt tyute ja im ©angen
noch anfebeinenb oollfommen ablebnenb gegenüber ber ©eltmacbt*
politif. tinb bat fie fief) baS ©ort „Sogialreform" aud) nott)*
gebrungen allmählich aneignen unb ftärfer in ben SBorbergrunb
fteHen müffen, fo ift einer ifjrer gliigel ihr auf biefem ©ege boeb
nur ^ödjft ungern gefolgt. ©S !ann eingehender SBeacbtung nid^t
entgegen, baß in ben älteren fogialbcmofratifcben X^eoretifern unb
^olitifern ein gut X^eil Laisser-faire*Apoftel fteefte unb in einer
ißrer gütigen roiffenfcbaftlicben Dichtungen noch fteeft. $ie Datur-
notbroenbigfeit, mit melier bie Heiteren ben „großen Stlabberabatfd)"
berannaben faben, mar im ©ruttbe eine aus bem phpfiofratifeben
gbeenfreife unb auch aus ber englifdßen Auffaffung ber 40er unb
50er Sa^re entlehnte Anfcbauung oon ber Unoermeiblicbfeit ber
©ntroicfelung unb bemgemäß oon ber Dicßtigfeit beS ©ebenlaffenS.
(SS lag mof)l auch baS ©efüßl ber eigenen Ungulänglicbfeit in ber
Dichtung praftifeben ©ingreifenS mit unter.
3#rer innern Datur nach maren bieS gleit!) oeranlagte 'perfön*
lidfjfeiten roie bie fogenannten alten gortfcbrittsleute, fie haben
eine ähnliche geiftige Struftur, nur eine anbere gbealoorftellung
binficbtlidf) beS 3iete ber ©ntroicfelung. $)aß man bureb eine
roirffame Politif etroae erreichen fönne, ja, baß eine Deilje oon
fachgemäßen, politifeben SRaßnabmen, fonfequent burefogefübrt, bie
£euoengen ber ©ntroicfelung beeinfluffen ober fogar ablenfen fann,
ebemifebe ©irfungert im fokalen ©ntroicfelungSprogeß gu erzeugen
oertnag, oermögen beibe 2l)eile nicf)t eingufeben. Sie haben jene
burdbauS meebanifebe ©eltanfcbauung beS fogenannten AufflärungS*
geitalterS; oon ben Anfcbauitngen, roeldje ©nglanb burctjtränften
unb auch einen Dicarbo im liberalen £ager erhielten, nabmen $arl
Dtarr unb feine Anhänger unberoußt jene Steile mit hinüber, bie
fitb auf bie ^Ü?öglicf)feit unb bie Setbätigung politifeber unb fiaat*
ltd)er Eingriffe flogen. $)ie ©inen fagten: „5Ran foE nitbt ein*
greifen", unb bie Anberen: „3Ran fann nicht eingreifen." $)aS
Defultat mar baffelbe.
Hber bieS ift bodb nur ber eine glügel in ber fogialbemo*
fratifeben Partei. ©ie bereits mehrfach in biefen SBIättem auSge*
führt, ift bie roaebfenbe ©ruppe ber jüngeren auf bem ©eg 311
praftifeberem SSorgeben.
$er Dicberbrudj rcicbtigfter unb gruublegenber SBeftanbtbeile
beS marfiftifeben SpftemS — natürlich mirb jeher niebergebroebene
£beil gunäcbft oon ben Dabeftebenben für etmaS HnroefentlicbeS
erflärt — ift eine unroiberrnflicbe STbatfacbe, unb bie ©rfenntniß
bieroon, bie Slritif an ber Stritif, f(breitet fort. 2>aS eherne &obn*
gefeß, bie Theorie 00 m inneren 'IRarfte, bie SSerelenbungStbeorie,
bie Stäbe beS großen SflabberabatfdjeS, alles ift bereite oon ben
maßgebenben perfönlirfjfeiten aufgegeben, neuerbings noch bat'JRai)
bie marriftifebe &b cor i c üon frer ^ertbeilung oon SolfSeinfommen
unb Sfonfumtion roiberlegt. 3 ur 3 e it, als Ießtere auSgefprocben
mürbe, mag fie ber ©arirbeit näher gefommen fein, als b eu te.
2)ie gortentroicfelung beS roirthfcbaftlicben pro^effeö aber bat eben
in anberer Dichtung ftattgefunben, als man ermartete, unb bie
©infommenSptjramioe fidf) nicht oerfpißt, fonbern abgeftumpft.
5Die praftifeben Defultate ber bisher burebgefübrten £beile ber
Sogialreform unb ihre ©irfung auf bie Dtoffen haben ebenfo
roirffam in ber 0tiEe gearbeitet, mie bie äufeere ^ritif unb baS
$)enfen ber benffähigen vlnljänger, um bie ablebnenbe öaltung gegen
praftifebe ^beilnabme au SRefornteu auf Politikern 2£ege fcbmäcber
roerben 3 U laffen. Dbue am 'Bebftubl 3 U arbeiten unb feine £>anb*
babung 3 U fennen, fann man auch bem (Seift ber neuen 3eit fein
(Seroanb meben — baS ift baS Sacit, baS eine mehr als 30jährige
politifebe Xbätigfcit ber Partei bie jüngeren Rubrer gelehrt unb in
ihnen eine fyöfycvc Sl^tung oor ber polttif er 3 eugt bab als man in
jener früheren (fpocfjc b e 9 * e - Sontbart bat oor sroei fahren
barauf biu 0 cmiefeu, baß man beseiebnenber Seife Sab^ebnte lang
fein fiebrbuch ber politif gefdbaffen, ihr 2 tubium oernaebläffigt
habe. ^)ie TOglicbfeiten ber politif fteüten ficb eben ben Hugen
ber 3 e it als oerbältnißmäfeig gering unb unbebeutenb bar.
SaS im Snnern bereits ftärfer 3U Sage tritt, ift f)iniicfjtlid^
beS 3leu6eren in ber beutfeben 0O3ialbetnofratie nod) rubiineutärer.
0o3ialreformatorifcb ift fie bereits euergifdjer 3iir Mitarbeit be*
reit, als 3U praftifeber ITnterftiifeung äußeren J^orgelienS. 0ie
ftebt barin abennalS hinter ben cnglifdjen Aabicrn um ein
(SrbeblicbeS 3urücf unb felbft bie jiingften SluSfübrungen beS
rabifalften englifcbett 0o3ialiften $ tj n b m a n im „S^ormärtS"
(5. Sannar) jeugen oon einem meitereu Tvortfcbritt ber l*rfenntni{j
äußerer politifeber Vlufgaben unb 3iele innerhalb ber cugliken,
ai* fie bei ben f03iaIbem0fratifd;eu Scrtretent ber bentfdjeu
Hrbeiterfcfjaft 31t fiuben finb.
Steuere SluSfübtungen einjelner Sübrer über ben inneren
SRarft, bie $anbelSpolitif, bas SÄilijroefen, bie überfeeifebe politif
laffen aber gleichfalls einen fortfebreitenben SBanbel erfennen.
9)tan beginnt bie Gefahren für ben beutfehen Arbeiter,. baS ganje
SSolf gu ermeffen, bie barin liegen, menn bi er uerfaumt mürbe,
maS anbere Sänber in gunebmenoen 9)tabe t|un.
©teilen mir uns bie Srage, mie immer mir motten, rein
tbeoretifdj ober praftifch, es mirb immer flar merben müffen, baß
bie 0 trömungen, bie hier unb ba als ©egenfäjjlicbfeiten fidf)
gegenüber treten, unocrmeiblid^e Korrelate für einen gebeiblicben
tjortfebritt ber ©efammtbeit bebeuten. 3 n ber blutigen 3 e tt, in
ber fiage S)eutfdf)lanbS — unb ohne geitliche unb räumliche
Elemente fann man feinerlei menfdblichen Gingen gu Seibe geben
— finb bie ^Fortführung ber 0 ogialreform unb bie ener*
gifdbe Setretung ber »ahnen ber 3 $eltmad)tpolitif un*
gertrennlidfje gunftionen ein unb beffelben gaftorS ber
©ntmicfelung. 3 nt nationalen SSettftreit muß ^>eutfdblanb fuh
in beiben Dichtungen betbätigen ober es oerliert bie SRöglicbfeit
beS gleicbmertbigen gortfcbreitenS mit ben Hnbern. ©elingt es
nicht, beibe in eine bösere ©inbeit gu oerfdbmelgen unb auf
beiben 0 eiten ©rfolge gu ergielen, fp mirb beim beutfeben SSolfe
in ber 3 l ^ u aft nicht mehr baS Dedbt ber 0elb}tbeftimmung
feiner inneren unb äußeren Politif liegen, fonbern biefe mirb oon
anberen internationalen gaftoren biftirt merben, oon unmiber*
fteblicben ©inflüffen, fei eS oon Sßeften, fei eS oon Dften her,
benen aber gemiß unfer SBobl unb uitfere Slrt nicht bie hoffte
0 orge fein mirb.
Serlin. ©rnft oon §alle.
$tiUfta»b unb nfidtrdjrm In ber «fürforge für
Arbeite- nnb ®bbad)Iorc.
2 )er roürttembergifcbe Amtsrichter Dr. Sertfcb feßrieb oor
einigen gabren in feiner trefflichen Abbanblung über Sanbftreicberei
unb iöcttcO (£ # aupp*$iibingeit) im Anfcbluß an eine 0 cbiIberung
beS umfaffenben unb tiefgreifenben gürforgefpftemS für arbeitslofe
Söanbcrer, roie es in ben SSerbänben ber Verbergen gur ^eimatf)/
SerpflegungSftationen unb Arbeiterfolonien ®eutfdf)lanbS b er auS*
gearbeitet unb größtentbcilS als gmeefmäßig unb erfolgreich erprobt
morben mar: SRan fießt, mie ©roßeS bie greiroilligfeit feßon ge*
leiftet bat; man fießt aber auch, baß fie bie ©renge ihrer fieiftungs*
fäbigfeit erreicht, ja, gum £beil kon überfeßritten bat, inbem fie
mohlberecbtigte unb moblüberlegte Drbnungen unb ©inriebtungen
in fo großem 0 tile febuf, baß bie öffentliche Decbtsorbnung allein
im 0 tanbe ift, bie Aufrecbterbaltung unb gielfnhere SDurcbfübrung
beS gangen 0pftemS gu erreichen. $>ic SSorpoftentruppen haben
ihre 0 d)uIbigfeit oollauf getban; jeßt muß ber ©efeßgeber ein*
greifen, bie Hauptmacht ber öffentlichen ©oßlfahrt, @taat unb
Deich, um bie 0ad)e gu ©nbe gu führen.
Als im preußifd)en Abgeorbnelenbaufe am 1.3wli 1895 ber,
oom fonferoatioen SRinifter Girafen ©ulenburg oor feinem AuSfdbeiben
aus bem 5>ienfte nod) fertig ausgearbeitete ©ntmurf eines ©efeßeS
über SSerpflegungSftationen am Söiberftanb hauptfäd)licb ber Decßten
feßeiterte, obgleich bie ^ommiffion ißn beren 2 $ünf<bcn möglicbft
angepaßt unb mit 18 gegen 3 (Stimmen feine Annahme befiirroortet
batte, urtbeilte eine frangöfifebe gaebgeitfebrift in einer SBefprecßung
ber betreffenben SSerbanblungen unb ber nun brobenben ©efabr
beS 3 u fammenbrucbS ber freiroilligen gürforgeanftalten: ,,©S märe
febr gu beflagen, menn biefer erfte ernftlicbe SSerfucb, ber bis jeßt
überhaupt in ©uropa unternommen morben ift, um burd) Arbeite*
hülfe (assistance par le travail) baS ©lenb ber ^anberbettelei aus
ber ©eit gu fchaffen, roirflicb febeitern foUte. ^)aS .f>aaS brennt
ab, roäbrcnb bie geuermebrlcute barüber ftreiten, aus melcbem
Srunneu baS ©affer gum ßöfdjen geholt merben fofl." — Seßtere
iöemerfung galt bem bamaligen 0treit über bie Aufbringung ber
tfoften: ob aus $reis*, ^rooingial* ober Staatsmitteln, unb ber
Skrroeigerung eines Staatsbeitrages oon Seiten beS, übrigens bie
©efeßeSoorlage felbft roarat befürmortenben ginangminifterS
oon SRicjuel.
^)aß ber Dotljftanb ber ©anberei ArbeitSlofer fortbeftebt troß
ber im ©angen außcrorbentlicb günftigen £agc beS ArbeitSmarfteS,
ergiebt fid) aus oerfd)iebenen »erid;ten: ber 3:icfpunft ber Arbeite*
Iojtgfeit feßeint im gaßre 1 K 97 erreicht gu fein, 1898 ift in ©ei>
falen unb in ber Scßroeig bie 3 a bl ber in ben Stationen ocr*
pflegten mittellofen ©anberer unb bie Summe ber Moften roieber
geftiegen. Aber gegen bie geil oor 15 bi* 20 oobren, and) gegen
527
Soziale VrajiS. Heniralblait für Sogialpolitif. 9tr. 20 .
528
bic oon 1892/93, ift bie Sßlage feine brüdfenbe mehr, unb infolge»
beffen lägt man bie „«Stationen" otelfadh eingehen ober fc^Iicgt fte
währenb ber befferen ^aljreögcit, unbefiimmert barum, was nun
aus ben mittellofen Vkttbcrern werben foH. Am ärgften ift ber
Sßiebergang in ber Vrooing Vranbenburg, mo man in einfeitig*
bnreaufrahftber Vkife, oorfcfjnett unb opite genügenben Unterbau
bie VerpflegungSftationen organifirt hatte. ©ort halten R<h bie*
felben anfdjeinenb nur noch ba, roo fte in guten Verbergen „gur
$eimath" untergebracht finb, was ja als |!aupterforberm& oon
Anfang an, namentlich feitens praftifcher VerwaltungSbeamten,
betont worben mar, weil nur fo eine forgfame .«panbbabung beS
Arbeitsnachweis unb ber fogenannten „StationSarbeit", ber
SSanberorbnung unb VSanberfontrole, unb eine Rttüch-förbernbe
Hinroirfung auf bie Verpflegten gu erreichen fei.
3m 9Kän 1898 erflärte ber jefcige Vtinifter beS Snnertt auf
eine Anfrage Des Abgeorbneten oon Vappenheim im Abgeorbneten*
häufe, bie StaatSregterung fei geneigt, einen neuen ©efefcentwurf
einjubringen, wenn fte auf eine günftige Aufnahme beffeiben mit
einiger Sidjerheit rechnen fönnte. — ©in neuer Hntwurf mürbe
oorauSficfjtlith, ber oont Abgeorbnetenfjaufe in feinem Vefdhlufj oom
1 . 3uÜ 1895 gegebenen Anregung folgenb, ben Arbeitsnachweis
in bett Vorbergrunb ftellen müffen; unb in biefer Vidfjtung: Reform
ber VerpflegungSftationen in Verbinbung mit einer Regelung beS
Arbeitsnachweis — ift man ingwifthen im AuSlanbe (Vöhmen
unb Schweig) bereits ernftlicb tljätig.
©er unermüblicbe Vahnbredhet auf biefem ©ebiete, Vaftor
oon Vobelfcbmingb, hat ingwifchen einen neuen Anlauf ge*
nommen, um bie VHrffamfeit ber jegigcn Arbeiterfolonien gu
ergangen burcb befonbere, recbtgeitige Vorfehrungen für bie 3 C ^
wirtbfcbaftiiibett ^Überganges. Hnterftüfct oon beut VegierungS»
unb gorftrath ©ecfert in $»amtooer, h<*t er im Greife Sulingen
eine §ocbmoorfläcbe oon gunächft 2000 borgen angefauft, um bort
eine 3weigfolonie oon VMlhelntSborf angulegen, eine VothftanbS*
folonie, welcher er ben tarnen „greiftatt" beilegen miß. Htwa
50 000 t/ft. finb ibm für biefen 3wecf bereits beigefteuert morben;
mehr als bas doppelte ift für ben Anlauf unb bie erfte fleine
VeRebelung mit jugenblicben, einer SKadfjergiehung bebiirfenben
Arbeitern erforberlidf).
©er offizielle Stiflftanb hat ingwifchen auch fcboit einen pofi*
tioen Vücffd)ritt gur golge gehabt. Als folcber ift groeifelloS
bas neuerbingS in mehreren großen Stabten beliebte Vorgeben mit
ber Hinrichtung oon „Afplen für Dbbadfjlofe" gu betrachten.
— Stuf ben erften Vlicf erfcbeint eS ja febr ntenfcbenfreunblicb unb
febr gwedfmä&ig, für bie bebauernSroertben 9Kitmenfchen, welche bie
unentbebrlicbfte LebenSnothburft: ein Dbbacb unb ein Lager für
bie Stacht, namentlich in ber falten 3af)reSgeit, unb bie emfacbfte
Stabrung oon beute auf morgen aus eigenen SJtitteln ficfc nicht gu
oerfdjaffen oermögen, berartige 3uftod)tSbäufer im Söege Der SSohl*
tbätigfeit ober aus öffentlichen Mitteln einguricbten. Als befonberS
human mirb eS oon ben Vegrünbern biefer Afple gerühmt, baf$
Sebem, ber fontmt, Aufnahme unb Vfl e 9 e gu ©h c rf roirb, auch
Körperpflege mit Väbern u. bergl., ohne gu fragen: mer, warum
obbacbloS, woher, wohin? — ber ^od>gepriefene ©runbfafc ber
„Anonymität". ©aS Unglüdf allein, unb baS Hnglüdf an unb für
ficb, einerlei ob oerfcbulbet ober uitoerfcbulbet, gilt als genügenbe
Legitimation gutn Hmpfang ber Vtohlthat.
Leiber entfpricbt biefem Sbealbilbe bie VMrflidhfeit fo wenig,
bafj baS Urtbeil gerechtfertigt ift: biefe oermeintlidbe Söohltljat ift
eine Hebetthat; ber VliRbraudf) überwiegt ben rechten ©ebrauch fo
[ehr, baf$ bie Hinrichtung an ftd) als ein fogialeS Hebel, ein Hebel
in mirtbfchaftlidfier unb Rttlidfjer §infi<ht, befäinpft werben mufj.
HS ift ein 3arüdfRnfen in bie mittelalterlich * flöfterliche Sonn ber
Armenpflege, beten Söirfungen fattfam befannt fein bürften. Hs
ift bie Verleugnung beS oberften ©runbfabeS ber oerniinftigen
neuzeitlichen Armenpflege: Sobioibualifirung, Prüfung beS Hingei*
fatteS unb ber Hingelperfon auf ihre SÖürbigfeit unb Vebürftigfeit,
Anpaffung ber Unterftiigung nach ihrer Art, ihrem ©rabe unb
ihrer ©auer an baS befonbere VeoürfniR. Sticht eine Söohlthärtg*
feit, fonbern eine Vanferotterflärung ber SSohlthätigfeit finb biefe
Afyle. ©enn ber 3 roe ^/ ^ er i a au( h angegeben wirb, biefe
traurigen ©eftalten wenipftenS aus ben Augen unb oon ber
Strafe weggubrtngen, weil man eben fonft nichts mit ihnen an*
gufangen weih, ba ja bie armenredhtliche gürforgepflidf)t ber DrtS»
unb Lanbannenrerbänbe ihnen gegenüber ebenfo oerfagt, wie bie
poligeirechtUche Abwehrpflicht gegen ben Vettel — biefer 3^^ ift
ein egoiftifdher utib fann nur bem als relatio berechtigt gelten, ber
jebe Sftöglichfeü für auSgefjhloffen hütt, biefen Hiementen eine
rationelle Sürforge gu 3Tfjeil werben gu laffen. Stun aber beweift
baS Veifpiel ber Arbeiterfolonien unb Söanberarbeitsftätten, ba&
eine foldhe oemünftiae gürforge feht wohl möglich ift. Söec
heute no^ Afple für TDbbathlofe mit ber gefdhilberten VetriebSweife
entrichtet, ber begeht einen unoergeihüchcn Anachronismus unb
wirft ben mit unenblidhen SJtühen unb Dpfertt in biefem Sürforge*
gebiet in ben legten Sahrgehnten erfämpften gortfchritt über ben
Raufen.
SRan fudht ja bem SJHhbraudh burdh gewiffe befdhränfenbe
Vorfdbriften gu wehren: ^ö^ftenS gwei ober brei Städte hinter*
einanber, ober hödhftenS brei SKal im SJtonat wirb Aufnahme ge*
währt. — ©ang irrationelle VerlegenheitSoorfdhriften finb baS; für
ben Hinen ift f<hon eine einmalige Aufnahme guoiel, für ben
Anbern eine breimalige gu wenig. HS ift eine SRaffenbehartblung,
eine Kurpfufdherei im fogialen ©ebiet, bie mit ber mebiginifthen
Kurpfufdherei eines Schäfers Aft unb anberer „berühmter" VolfS*
ärgte auf gleicher Linie fteht. ^)en Hnglüdflidhen wirb nicht ge*
holfen, aber bte Hnholbe werben anaegogen, unb aus Hnglüdflidhen
werben Hnholbe exogen. $)em aroettsfdheuen Hmhertretben wirb
Vorfdhub geleiftet. „©eriffene Kitttben" giehen in Verlin oon
einem Afpl ins anbere, oon einer Söärmehaüe unb VolfSfüdhe in
bie anbere, fedhten ober „hauftren" nebenher, beoölfern bie fcbledhten
Spelunfen, belaftigen bagwifdhen auch bie befferen VolfSheime, wie
bie £>erbergen gur ©eimath, oerfdhaffen fuh mit leichter SKühe ein
ArbettSbemühungS*3eugnih unb friften auf biefe Söeifc ein fläg*
licheS Schmarofeerbafein am VoIfSleibe. S)eu Hnglii(fliehen,
für welche bie Afple beftimmt fmb, nehmen biefe Hnholbe ben
VIah barin weg. Vom Lanbe gugereifte Arbeitfudhenbe, ungelernte
ober fonft „halbe" Kräfte, jugenblidhe, IeiftungS* unb wiberftanbS*
unfähige Hiemente, bie fonft fehr balb bie 3n)ecfIongfeit ihres Auf¬
enthaltes in ber ©ro&ftabt einfehen unb ihr ben Stücfen lehren
würben, werben burdh biefe Afple gutn ©ableiben oerleitet unb in
bie ©eheimniffe beS SdhmaroherthumS fo lange eingeweiht, bis fte
aus ArbeitSfdfjwadhen unb Arbeitstofen gu ArbeitSf«heuen geworben
unb nur mehr für baS 3 roan 9^ ar tieitshanS gu gebrauchen finb,
welches in ben weiften gälten ihren fittli^en Stuin beftegelt.
Hin Spftem ber „Abfchüttelung", ebenfo traurig unb oerberblid),
wie baS Spftem ber „Abfchiebung" ben SBanberarmen gegenüber,
wie eS eS oor Kurgern bei ber ^auptoerfammlung beS beutfeh*
iSraelitifdhen ©emeinbebunbeS in Verlin wieber einmal fo flar in
feiner Ohnmacht unb Verwerflich feit dharafterifirt worben ift. ©ort
fchlug man ja bie Hrridjtung oon fünf jübifchen Arbeiterfolonien
oor: gwei an ber polnifd^galigifdhen ©renge, je eine bei Verlin,
bei granffurt a. SK. unb bet Vochum. — ©ang recht!*)
©aburdh allein, bafe man grunbfafcüdh nicht mit Vaargelb,
fonbern ftatt beffen mit Staturatpemabruna oon Dbbacb unb S2ah*
rung unterftüfct, wirb ber SKtRbrauch feineSwegS ferngehalten.
©aS eingig wirffame ^Sräfungg*, SdljeibungS* unb Abwehnnittet
ift unb bleibt bie ©arbietung oon Arbeitsgelegenheit, in erfter
Linie burdh geregelten Arbeitsnachweis, in gweiter burdh Arbeits*
ftätten unb Arbeiterfolonien; bagu ein obligatorifcheS Ausweis*
unb KontroÜpapier. Vflege unb Schuh für bie fo als würbig,
b. h- arbeitSwittig ermittelten, 3 uc ht unb Strafe für biejenigen,
welche bie Arbeitsgelegenheit nicht fudhen, fonbern fliehen unb ber
Kontrolle fid) entgtehen. — ©en fo angelegten, fogial-wohlthätigen
gürforgeanftalten wirb natürlich ber Voben entgegen unb ber
Lebensnero burdjfdhnitten, wenn neben ihnen jette Afple ohne
Vrüfuna unb ©egenleiftung ihre „SBohlthat" 3ebem anbteten unb
ben Steft fittlidher Kraft in ben Hnterftüpten baburdh abftumpfen
unb aufgehren, bafc Re ihnen ein untätiges ©afein, ein faules
*) $ie iSraelitifdjen ©emeinbett, auch int Innern ©eutfchlanbs,
werben befonberS burch SBanberbettler („Schnorrer") aus Aufftfch s ^oIeit
unb ©altgiett beläfttgt; man lauft ihnen Hifenbal)nfahrfarten unb fegiebt
fie mit einem flcinen ^ehrgelb weiter. Anftatt beffen wiU ber Aeferent
auf bem ©enteinbetage, .soerr Hugen Aofenfticl attS Verlin, fte gleich an
ber ©renge in gwei Arbeitsstätten fcftgehalten wiffen, au ben .'paupt*
Hinbruchsftellen, eine gwücfjen SKentel unb 2l)orn, eine gwifdien Katto*
wih unb Vettthen. — VefanntÜd) finb in Aufjlanb felbft auf Anregung
unb unter ber Vroteftion ber Kaiferin in ben lebten ^fthrett gahlreidjc
berartige ArbeitSftätten (dom trudolobia, Käufer ber Arbeitsliebe) ein*
gerichtet worben; bie ruffifefjen Vebörbcn würben es oertnuthlid) gerne
fehen, wenn in 9tnffifd)*Voleu felbft einige iSraclitifche ArbeitSftätten er*
richtet würben; bahiu tonnten bann bie in bett beutfehen ©rengfolonien
angefammeltcn ritffifdjcn ^ubett abgefchoben werben. — £cr oon ben
Verlitter V’uai Vritl)=^ogett oor brei ^ahnm begrüubete ArbeitSnad)=
weis für jiibifdje ©laubcnsgcnoffcit hat 1898 in neun Vionaten
1150 teilte itt Stellung gebracht; „täglidj wädjft bas gelb unfercr
Xhätigfcit unb täglich machfett bie Hrfolge", fagt ber Vericht. 2BaS in
Verlin möglich war, wirb tu granffurt a". 5TO., Leipzig, Nürnberg u.f. w.
and) möglid) fein.
Sogtale BrajiS. ©entralblatt für Sogialpolitif. Br. 20.
530
529
Stmarofeerthum auf ftofteit ihrer arbeitenben Bhtmenften erwog*
liefen.
BtÖge bas oon ber $reufjif<f)en Staatsregierung ins Auge
gefaxte ©efefe halb oorgelegt, bem Stittftanb abgeholfen, beut
Büdtftritt oorgebeugt werben!
Bettel bet Bielefelb. $arl Sftörd&en.
Mgemetne öojlnl- uttb HHrtljfdjaftspolitih.
©raf ^am(rnit f ber Stifter beS Musee Social in ^ßariS *h
Am 8. Sfebruar ift ©raf ©hambran itn Filter oon 78 Sauren
geftorben. ©er £obte war ein fogialer Braftifer aufeergewöhnliter
Art, unb bie „Sogiale BrariS" rann fit barunt nid)t oerfagen,
entgegen ihrer bent rein Satlit en gewibtneten ©rabition, biefer
^ßerfÖnlid)!eit bie ©hren gu erweifen, bie ihr tnit Bett gebührten
unb bie tl»r aut bie frangöfifte Nation in ooUftem ttJtafee gu ©h c ü
werben liefe, inbem fte ihre berufenften Vertreter gu ben Begräbnife-
feierlic^feiten entfanbte. ©raf ©hambrun war ein veritable ami
du peuple, wie ber BHnifterpräfibent ©harleS ©upug in feiner
©rabreoe fagte, unb würbig, neben 3uleS Simon unb ßeon Sap
genannt gu werben, weite feine Qreunbe unb Berater bei ber
©rünbung beS SogialmufeumS waren.
©raf ©hambrun entftpmmte einer alten Abelsfamilie. Bat
Beenbigung beS BettSfiubiumS trat er Anfangs ber fünfziger
3ahre in bie BerwaltungSfarriere ein, bie er jeboef) fdjon als
Bräfeft beS 3ura=©epartementS itn Sabre 1854 oerliefe, um fit an
bem parlamentariften fieben gu beteiligen, in bent er bis gunt
Sabre 1879 eine bemerfenSwertbe Stolle fpielte. Sit ftets grofee
Unabfeängigfeit toaljrenb, fc^Iofe er fit praftift bod) ber oon
Stiers geführten liberalen ©ruppe an, welche bie AuSbilbung unb
geftigung beS parlamentariften BegimeS in granfreit anftrebte.
©urd) gabireite ©elegenbeitsftriften fud^te er bie Sbeenbewegung
feiner 3 e ü lebhaft in biefent Sinne gu förbern. Sieben feiner
politifefeen ©hätigfeit entfaltete ©raf ©hambrun eine grofebergige
Söirtfamleit als Pfleger ber Shtnft unb als Bbüantbrop. Batbern
er burt £>eiratf> £muptbefifeer ber grofeen ©IaSwerfe oon Baccarat
in ben Bogefen geworben war, würbe feine Aufmerffamfeit un-
mittelbar auf bie praftifdje Sogialpoüti! gelenft, ber er feine lefeten
ßebenSjabre unb feinen grofeen Beittbum faft auSftliefelit
wibmete. ©ie 2Bofeifaf)rtSeinricf)tungen für bie Arbeiter oon
Baccarat werben in granfreit als muftergültig genannt.
Sit tiefer mit wiffenftaftliten Stubien beftäftigeub, füllte
fit ber gabrifberr gebrängt, feinen arbeiterfreunbliten Anfitten
unb feinen fogialpolitiften ©rfabrungen eine allgemeinere ©rag-
weite gu oerftaffen. Bknu er aut m tt felbft rein wiffenfcfjaftlit
arbeitete, fo würbe er burt feine grofeen Stenfungen an bie oer-
ftiebeiten tförperfdbaften, wie bie fogialöfonomifte ©efettftaft, bie
Bereinigung für bie Ausbreitung ber ©eminnbetfeeüigung, beS
BerbanbeS gur ©rrittung bittiger Arbeiterwohnungen, ber gäbe*
ration ber BolfSbanfen 2 c. bot 3 U einem rett wefentliten gör-
berer ber neueren fogialpolitiften 3been. ©urt bie ©rünbung
ber fogialwiffenftaftliten £ehrftühle an ber Sorbonne, an ber
Becfjtäfafultät unb an ber Stole für poliüfte 253iffenfcf>aften in
Baris fiterte er ÜJtännern wie ©fpinaS, ©harleS ©ibe unb ©mile
©Ijepffon ein weites gelb fruchtbarer ©bätigfeit.
©ie $rone feines aufgeflärten pbilantbropifdjen BHrfenS bilbetc
bann baS Musee Social, an beffen Äongeption unb Drganifation
er einen feeroorragenben geiftigen unb rein materiellen Anteil bat,
baS nunmehr, nat feinem £obe, not oiel gröfeeren Aufftmung
gu nehmen im Staube ift, ba er es gunt Unioerfalerben feines fefjr
grofeen BermögenS einfefete. 3«t Anftlofe an bie Xptigfeit beS
BhtfeumS feat ©raf ©^ambrun in ben lefeten Sauren not fünfzig
ßebenSrenten oon je 200 grcS. an oerbienftoolle Arbeiter oertl^eilen
Iaffen, unb gulefet ftiftete er not 9 r °fe c Summen gur ©rünbung
oon ^ülfSoereinen unter ben Arbeiterinnen, bie tm ber Berfaffer
ber Ouvriere, 3uleS Simon, einft ^alb fdjergenb legirt l)at. So
Blieb eS nitt ein blofeeS SBortfpiel, wenn ©raf ©bambrun einmal
ftricb: Tout ce que j’ai vient du travail, tout ce que j’ai doit
|ui revenir!
ttngartfte Sogialpolitif.
Am 1. gebruar trat ber neuerrittete ungarifdje ßanbeS*
3nbuftrieratb in Bubapeft gu feiner erften Sifeung gufammen. S)ie
ungarifte Regierung bat in biefen Beiratfe mehrere Abgeorbnete,
fowie Bertreter ber .^anbels* unb ©emerbe!amtnern 2 C. berufen.
^)en Arbeitern ift bagegen feine Bertretung eingeräumt, eine
Unterlaffung, bie AngefubtS beS weiten, aut auf fogialpolitifte
^fragen auSgebebnten SSirfungSfreifeS beS neuen Beirat^
befremblit wirfen mufe. 3)aS fogialpolitifte B^ogramm beS 3n*
buftrierateS fott nämlit nmfaffen: S)ie Arbeiterftatiftif, bie
Arbeiteroerfitcrung gegen Unfälle, 3ooalibität unb Alter, bie
Regelung ber grauen* unb ^inberarbeit, fowie bie SReoifion beS
©efefeeS über Arbeiterfranfenfaffen. ^er SanbeS*3«buftrierat fott
S atten biefen fragen Stellung nehmen, ohne bafe bie Arbeiter*
aft in ihm — etwa wie beim öfterreitift en Beiratbe für
Arbeiterftatiftif ober ber bort neu gu bilbenben Äommiffion für
ilnfattoerhütung — gleitntäfeig mit bem Unternebmerftanbe oer*
treten wäre. St°u baS fönnte genügen, um eine gang einfeitige
Behanblung ber BerhanblungSgegenftänbe oorauSfehen gu iaffen.
$hatfätlit f^ on ^ er cr ^ e ^erljanblungStag beS ßanbeS*
3nbuftrieratheS gegeigt, weffen man fit oon ihm gu oerfehen hat.
Als erfter Bunft ber £ageSorbnung fam bie Srage ber
„ArbeitSpaufen" gur Berhanblung. $er Beferent, SeftionS*
rath Sgterenpi, führte aus, bafe bie Beftimmung beS geltenben
©emerbegefefeeS, wonat ben ÖabrifSarbeitem Bor* unb 9lat*
mittags eine Baufe oon je einer halben Stunbe gu gewähren fei,
gu häufigen Klagen Anlafe gegeben habe, feit bie ©ewerbesSufpc^
toren über bie ©iubaltung oiefer Beftimmung ftrenger gu waten
begonnen haben (!). ©S fei unmöglich, fie butftäblit einguhalten.
3n ber lefeten 3 e ü hatten fit .fogar bie Arbeiter barüber beflagt,
ba fte in ber Afforbarbeit baburt geftäbigt werben unb ba oiele
Arbeitgeber bie ArbeitSgeit um eine halbe Stunbe oerlängern.
(SDiefe Argumentation ift fton an fet föftlit 9 e uua, um hier feft*
gehalten werben gu follen.) $)ie minifteriette Äommiffion für
Arbeiterwefen unb ber ÖanbeS*©ewerberath hätten fit nun für bie
Abänberung ber ©efefebeftimmung in bem Sinne entftieben, bafe
bie fragliche „Baufen"*beftimmung „in ber BrafiS nitt gu ftroff"
angetoenbet werben fotte. tiefer Borftlag würbe einftimmig an¬
genommen. 3tn Uebrigen würbe ber SBunft nat gweefmäfeiger,
bie Arbeiter nitt ftäbigenber ©intheilung ber Baufen unb nat
Brüfung ber Arbeiterbeft werben burt &i e ©ewerbe-Sufpeftoren
auSgebrüdft.
©er SanbeS-Snbuftrierath nahm fobann bie Drganifation
ber ArbeitSoermittlung in Berathung. ©ie folgenben An¬
träge würben mit unwefentliten Abänberungen genehmigt, ©anat
fott ber SBirfungSfreis ber Anftalten für Bermittlung gewerbliter
Arbeit fit auf alle, bei irgenb einer gewerbliten Arbeit Be-
ftäftigten, aut auf bie £>anbeiSangeftettten, BergwerfS- unb
Hüttenarbeiter :c. ohne Unterftieb oon Alter unb ©eftlett er-
ftreefen. ©ie Anftalt ift mit ftaatliter unb fommunaler Unter-
ftüfeung, fowie mit llnterftüfeung feitenS ber Haubelsfammern unb
anberer intereffirter Äörperftaften unter ftaatliter Auffitt, aber
nitt mit ftaatlitem ©harafter gu erritten. ©ie ©entrale ift im
engen 3afatnmenhange mit ber Bubapefter Haabelsfammer, mit
bem ungariften HanbelSinbuftrieoerein 2 c., aber unabhängig oon
biefen gu erritten, welt^ Bnngip aut auf bie B r aoinganftalten
anguwenben ift. Bor Allem aber foU bie ©entrale erratet werben,
weite bann bie Drganifation ber ^ßrouinsinftitute in bie ,f>anb
nehmen wirb. Bei jeher Anftalt fott ein Ausftufe bie ©efdjäfte
leiten, ber gu je einem ©rittet aus ber Aeihe ber Arbeitgeber, ber
Arbeiter unb oon biefen unabhängigen SRännern jufammengufefeen ift.
3m Ausftuffc ber ©entrale müffen aber überbteS aut bit §aupt s
ftabt Bubapeft unb bie bortige HattbelS- unb ©ewerbefammer
oertreten fein, ©ie Bermittluna ift oorläufig unentgeltlich gebatt.
3n Satten oon Streifs unb fioefouts fottett bie Anftalten ihre
Shätigfeit fortfefeen. Heber alle Anftalten fott ber ungarifte
HanbelSminifter baS AuffittSrett führen. 3n fpäterer 3 e ^ fott
aut an eine Art BerbanbSorganifation geftritten werben. Hiergu
füllen gunätft bie gu ftaffenben Snftitute mit ben fton beftehenben
Anftalten in Berbinbung treten. Aut fott gwifd)en ber ©entrale
unb ben B^ooinginftituten eine organifte Berbinbung feergeftettt
werben, aut finb für bie BermittlungSthätigfeit einheitute Bonnen
geplant, ©benfo fott aut c i nc Berbinbung mit allen bie laijb-
wirthftaftlite Arbeit oermittelnben Anftalt hergeftettt werben.
©ie befonbere Betonung, bafe bie Anftalten bei Streifs unb
ßoefouts bie BermittlungSthätigfeit fortgufefeen haben, ift be¬
reit nenb genug für bie Art, wie biefe ArbeitSuatmcife fuuftionircit
Dürften, ©anat braudbt man wohl aut nirfit mehr gefpannt gu
fein, weiter Bittung bie „unabhängigen" Berfönlid)feitett ange¬
hören werben, bie ein ©rittel beS Anftaltsauftuffcs bilben fotten. ©ies
unb bie Berfügung, bafe bei ber Bubapefter ©entrale aut bk
Stabtoerwaltung BubapeftS unb bie Bubapefter Haitbelsfammer
531 Sogialc $ragt3 Gentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 20. o32
burcf) Telegirte oertreteu fein füllen, läßt im Voraus erfeimeu,
meid) geringes Rtaß non Neutralität bie neue (Einrichtung auf*
weifen roirb.
28ien. $einrtcß Nbler.
$aS Itrtßeil in bent Vaufraftatt Von S86tan. Rlit tiefer (Er*
feßütterung haben mir baS Urteil beS ScßwurgerkßtS in Bresben
über bic Urheber eines robeit ärawaEs in £öbtau gelefen. $)aS
(Gerid)t hat bie Deffentlicßfeit ber Verhanblung auSgefdjloffen mit
ber Vegrünbung, baß eine Cfinfd^iidEjterung ber Saugen bei offene
lieber Veratßung gu befürchten fei. (Es ift baßer ferner, ficf) oon
ber Scßulb ber Verurteilten ein flareS S3ilb gu machen. So oiel
feßeint iitbeffen feftgufteßen, baß ein $aufe Arbeiter, bie auf einem
Vau ein Ridjtfcft unter reichlichem (Genuß oon Spiritnofen gefeiert
hatten, in einen aitbern Vau einbrang, mo noch nach ber aUgenteiit
feftgefeßten Qtit in Ueberftunben gearbeitet mürbe. (Es fam gu einer
Prügelei, mehrere Öeute mürben oerleßt, ber Soßu beS Vauuuter*
nehmerS, ber — aus Notßroeßr ober gur (Einfcßücßterung — gwei
Scßüife aus einem blinbgelabenen Reooloer abfeuerte, mürbe ent*
feßlidj mißbanbeit, fo baß er längere 3 e it franf lag.
Nnflage ging gegen neun Arbeiter auf fianbfriebenSbrucß, Verfucß
beS £obfcßlageS, ftörperoerleßung unb Verfehlung gegen §. 153
ber (Geroerbcorbnung. S£)ie (Gefcßroorenen, bie ftd) aus Zentnern,
(GutSbefißern, Veamtcn, ^auflenten, Npotßefern gufammenfeßten,
bejahten bie Sdjulbfrageit ohne 3 u dißi9 u ng milbernber llmftänbe
unb baS (Bericht oerurtheilte 7 Arbeiter gu 3ud)thauSftrafen uon
10 bis 6 fahren unter Nberfennung ber bürgerlichen (Ehrenrechte
unb 2 Arbeiter gu je 4 Söhren (Gefängniß; 2 Nngeflagte mürben
freigefprochen. 3m (langen mürben oerßänat 53 Söhre 3u<ßthauS
unb 8 Söhre (Gefängniß fomie 70 Söhre (Eßrocrluft.
$)aS ift furchtbar, ßerggerreißenb! 2>ie ißat trunfener Roßb^t
erforberte 0ül)ne; bie Nngeflagten hötten fi<ß fchmer oergangen, fie
mußten harter 6trafc gemärtig fein, baS erforberte bie (berechtig*
feit. Nber biefe Strafe überfchreitet hoch roeit jebeS guläffige
R?aß; fie fönnte nießt fchlimmer fein, roenn ieber oon ben Ver*
urtheilten ein im 3arn oernidjtetes ENenfcßenleben auf bem (Geroiffen
hätte — ja wie oft roirb ein STobftßlag milber beftraft! 9Ran fagt,
bie Arbeiter, faft alle gamilienuäter, oorher meift unbeftraft, feien
bie Verführten, bie wahre Scßulb trage bie Sogialbemofratie mit
ihren haßerfüllten Nufreiguugen. $)a bie Verhanblung hinter ge*
fcßloffenen ihnren oor fich ging, roiffen mir nicht, ob unb welche
thatfächlicheu Momente in oiefer Ridjtung erbracht roorben finb;
bodj wirb beftritten, baß fogialbemofratifcße ober gewerffcßaftlidje
Riotioe bei bem (Efceß mitgefpielt haben. Nber mir fönnen eS
oerfteßen, baß umgefeßrt in ber Nrbeiterwelt baS SDreSbener
Urtheil bie llebergeugung beftärft, bie öerrfc^enbeit klaffen hatten
ben Nnlaß benußt, ein Stempel brafonifeßer Strenge gu ftaiuiren.
^ßatfaeße ift, baß bie (Erregung nicht nur in fogialbemofratifcßen,
fonbern in allen Nrbeiterfreifen fehr tief geht. Sofort ift eine
Agitation in (Gang gebracht, um ben Santilien ber Verurteilten
Unterftüßung gu gewähren; bie fogialbemofratifcße Reichstags*
fraftion hat gu biefem 3mecf einen Aufruf erlaffen, ber bie er*
bitterte Stimmung beutlid) gum NuSbntcf bringt. Sind) in
ber bürgerlichen Vreffe finbet baS llrthcil nur ba 3 u lümmung,
mo matt überhaupt jebe (Gewaltmaßregel gegen Arbeiter billigt.
£aß gerabe in Sacßfen bie (Gegcnfäße gwifchen Viirgertßuin unb
Nrbeiterberoegung befonberS fd)arf finb, ift befannt; ein Urtheil
wie baS über ben l'öbtauer VaufraroaE geigt bie (Gefaßr biefer
3erflüftung eines VolfeS in bebroßlicßem Richte. — Nadjträglicß
erhalten mir Äenntniß oon einer offigiöfett ^arfteHung beS $ro*
geffeS im „S)resbener Sournal"; mir haben inbeß feine Veranlagung,
au unferer Nuffaffung etwas gu ättbern.
$ie 'Mumnhmq ber ftottfurrengf laufe!. Riit Sn f rafttreten beS
feeßsten Titels beS erften VucßS beS ESanbelSgefeßbiußS oont
10. RJai 1897 ergab fich bie für gabireiche in uugefünbigter
Stellung befinblicf)c £)aublungSgcf)üIfeu fo überaus midjtige Srage,
ob bie ältern, b. h- oor beut 1. Sanuar 1898 abgefd)loffcuen
Verträge ttad) bem älteren ober nad) bem neueren Redit gu be*
nrtheilcn feien? Sn ber Literatur ift gumeift bie Icßtere Nnfidjt
oertretcu unb auf bert 3mangSd)arafter ber betreffeuben Veftitn*
ntungeu beS neuen (MefeßbudjeS geftiißt worben. V$äl)veub bie
Red)tfpred)uug ber Öaub* unb DberlaubeSgeridjte fdjwaufte, T)at
fich baS Reid)sgerid)t in mehreren (Srfenntniffeit, guleßt in einem
Urtheil oont 18. Nooember, auf beti Voben ber elfteren Nlternatioe
geiteilt unb bie fortbauernbe Oieltnng beS bis gitm 1. Sanuar 1898
gelteubett Red)ts für bie unter feiner .perrfdjajt oereinbarteu Ver*
träge angenommen. T'ie red)tlicf)eit ©riittbc, welche ber oberftc
(Gerichtshof für feine Nuffaffnng annimmt, cittgiehen fich an biefer
Stelle ber Nachprüfung. ^>ie praftifd)C Tragweite biefer Recht*
[pred)ung ift eine fehr bebeutfamc, ba einerfettS baS ältere Recht
inforoeit feinem gangen Umfang nach für anroenbbar erflärt roirb,
anbererfeits beffen ©eltung auch nicht mit bem Snfrafttreten beS
Vürgerlichcit (GefeßbuchS ihr @nbe erreicht, ^onfurrengflaufeln,
welche nach ber in bem neuen Recht gur Nnerfennung gefotnmcneit
RechtSiibergeugung bie 6rmerbSfreil)eit ber 2lrt befdjranfett, baß fie
oor bent Sorum einer geläuterten Sittlichfeit nidjt befteheit fönnen,
müffen hiernach, troß ber (Geltung biefcS neuen RecßtS, als wirf*
fam betrachtet werben, unb ber Richter ift gegtoungen, bie ftaat*
lidje Rlacht gunt 3mecfe ihrer 2>urd)führung au% gegen ben VHIIen
beS Verpflichteten gur Verfügung gu ftellen. ^<aß biefe $er*
petuirung beS ältern Rechts ben Nbfidjten entfpricht, oon welchen
bei (Erlaß beS neuen bie (Gefeßgebung geleitet würbe, barf troß ber
juriftifdjen Slutorität beS ReidjSgerichtS begroeifelt werben.
^ie Sogtalpolltif in ber Vnbgetbebatte ber frangäfifihen Wb*
eorbnetenfammer. SluS $aris wirb uns gefdjrieben: SDie Debatte
es VubgetS beS SRinifteriumS für .f)aitoel unb Snbuftrie gab
Veranlaffung, bie meiften ber fdjmebenbcn fogialpolitifcßen XageS*
fragen gu berühren. Sn erfter Sinie lenfte fie ßch auf bie länge
Vergögerung ber 2luSführungSoerorbnungen gum Unfall*
oerfid)erungSgefeß, baS bereits am 1. Sanuar in ^raft treten
foEte. $>er $anbelsminifter fonnte fich in Sfolge ber oerfchiebenen
^abinetSroechfel feit (Erlaß beS ©efcßeS fließt oerantroortlich fühlen,
fteQte aber bie balbige Sertigftelluug beS ©efrets, baS oon einer
befonberen ilommiffion beim $anbelsmiuifterium unb oom Staats*
raiße ausgearbeitet wirb, in SluSfidjt. 2)aS (Gefeß roirb beinnach
halb in wraft treten. — £)er 9lbgeorbnete SDutreir, felbft 3n*
buftrieUer, beflagte ft^, baß bie Scßußgefeße für §rauen unb
$ in ber in ber $rayis wenig beachtet roürben unb baß ben 3a*
brifinfpeftoren häufig bie größten Scßroierigfeiten in ber Ausübung
ißreS. SlmteS entgegengefeßt werben, worauf ber Nfiitifter bat, ihm
folcße SpegialfäUe gu fignalifiren, um eingehenbe (Engueten machen
gu fönnen. — 2)er Rbgeorbnete üJlotte, (Großiubuftrieeller von
Roubaif, regte an, eine internationale Verftänbigung beßufS
Slbfcßaffung ber Nachtarbeit in ber Xeytiliubuftrie herbei*
gufübrett. Von Seiten ber Regierung ßrclt man biefe Anregung
infofern gurücf, als man oerfpraeß, bie internationalen $ongreffe
mäßrenb ber "BeltauSftettung gu benüßen, um oielleicßt gu wirf-
fameren Vefcßlüffen gu fommen, als es bie üblichen platonifcßen
Refolutionen berartiger Verfammlungen gu fein pflegen. — Veim
Kapitel ber „(Ehrungen für alte Arbeiter", für welches
41000 grcS. oorgefeßen finb, fcßlug ber ?lbbe Samire, einer ber
§>auptoertreter ber chriftlid)*fogialen Veroegung, oor, bie SKebaillen
an alle Arbeiter gu oerteilen, bie fich dreißigjähriger ^ienft*
leiftung auSgegeidjnet haben, namentlich auch in folcßen SäEen, in
benen Tie ohne eigenes Verfcßulben bie Stellung mecßfeln mußten
unb fo ben Veftimmungen über ben (Erwerb ber RlebaiEen nicht
nad)fommen fonnten. 4)er RUnifter antwortete, baß in ber Nb*
fchäßuttg ber Verbicnftc ber ausgugeichitenben Nrbeiter immer weite
(Geftdjtspunfte maßgebenb finb. — Nn bie VeroiOigung beS ÄrebitS
oon 15000 3rcS. für ben Dberften NrbeitSratß fniipfte fieß
ein Nntrag, bie 15 Nrbeitermitgliebcr bitreß freie V?ahl ftatt bureß
Regierungsernennung gu beftintmen, bem jeboeß nießt 3-olge gegeben
würbe, roäßrenb bie Kammer atterbings in einer Refoluhon bie
Regierung einlub, ben NrbeitSratß gur «Hälfte aus SBahlmitaliebern
gufammengufeßen unb bie Vkißl berfelben entroeber beit VerufS*
oercinigungen ober bem aEgenteinen Stimmrecßt ber Verufsange*
hörigen gu überlaffen. — Nnläßlid) ber NuSgaben für bie 3abrif*
infpeftion beflagen fich die Sogialiften über bie mangelhafte
Nnffidjt, bie fi^ g. V. 1897 auf nur 42% ber Vetriebe erftreefte.
Sie beriefen fieß babei auf bic Rapporte ber Snfpeftoren felbft,
bic ißrerfeits fieß in ähnlichem Sinne auSfprecßen unb befonberS
auf baS geringe (Sntgegeiifommen ßinmeifen, meldieS fie bei Nngeigen
oon iloutraoentionen bei ber Staatsaumaltfcßaft finben. Sie halten
aud) für nad)teilig, baß bie gericßtlicß erfannten ©elbbußen in ber
Regel fo niebrig angefeßt werben, baß bie (Gcfahrbeftimmungen
faft roirfnngslos bleiben. £ie oott ben Sogialiften oorgefcßlagene
Remebur, bie Rcorganifation unb Vermehrung beS NuffidßtS*
perfonalS mit Refmtirung bureß V}af)l ber Arbeiter, würbe jeboeß
bem uatiirlidjeu (Gang ber parlameutarifcßeii (Gefd;äfte überwiefen,
in ben fie fd)oit lauge als befonberer Nutrag cingeleitet ift. —
^>ie aüjährliiß im Vubget figurireube Suboention oon 165000 JJrcS.
gur Vertheilung an bie Nrbeiterpobuftiogenoffenfcßaften
mürbe naeß NuStaufcß cingelner Vemerfungen über ben RepartitionS*
mobuS wieberum bewilligt.
/
533 Sogiale Praxis. Eentralblatt für Sogialpolttif. Nr. 20. 534
(Bin nationales BnfföbmtiöSamt itt ©»glaub« 2)er englifd>e
£anbelSminifter Nitcbie pat unlängft eine lange Unterrebung mit
bem Abgeorbneten SatnSBoob, bemSefretär beS parlamentartfcben
Komitees beS ©ewerfoereinSfongreffeS, gehabt. Bon beiben Seiten
wirb gwar baS Ergebnis biefer Befpretbung als oertraulidb be*
banbeit. 2)o<b glaubt „$)ailt) ©^ronicle" Anbeutungen über bie
Pläne beS ßRinifterS machen gu fönnen. danach legt £err SRitcbic
bei feinen Bemühungen um ben gewerblichen grieben ben größten
SBertb barauf, bie Vertreter bes organiftrten Kapitals unb ber
organifirten Arbeit gufamtnengubringen. 3^ei Sförperfdjaften
eignen ficb bagu: baS parlamentarifd)e Komitee beS Arbeitgeber*
oerbanbeS unb baS parlamentarifdhe Komitee beS ©ewerfoereinS*
fongreffeS. $)er Ntinifter bat Beratungen mit beiben AuSfcbüffen
gepflogen unb bie Angeiiben fpretben bafür, ba& er fic beibe gu
einer Art oon ftänbigem nationalen BerföbnungSamt unter Auf*
fubt beS Board of Trade gu fonftituiren wünfdbt. 2)aS Blatt
glaubt, bafe auf beiben Seiten Neigung beftebt, Öiefen plan gu |
forbern: „‘iter 2Bea gu gegenteiliger Berftänbigung liegt nicht in
ber Abrüftung unb Entwaffnung, fonbern in einem wohlüberlegten
Stiftern ber Berföbnung unb beS Scbiebsfprudjes unter Ber*
mittelung bes Staates," fügt baS ber Arbeiterbewegung freunblicb
gefinnte „&ailp Ebronicle" ^ingu, „ber Berfud), bie ©ewerfoereiite
gu gerfebmettern, ift BSahnftmt!"
SogiölpolttifdjeS aus Belgien. Aus Brüffel wirb uns ge*
febrieben: Es ift hinlänglich befannt, wie wenig ber gortftritt auf
fogialpolitifcbem ©ebiet mit bem großen Auffdbwung ber gnbuftrie
in Belgien gleichen Schritt gehalten bat. gaft alle bie großen
fogialen Reformen, bie fi<b tn ben weiften übrigen europäifdjen
Staaten in ben lebten beiben 3abrgebnten burdhgufefcen begonnen
haben, barten in Belgien noch ber Ausführung. $>er Arbeiter*
febufc ift noch immer etn minimaler, an bie Einführung einer wirf*
famen Sonntagsruhe bat bie Regierung bisher nicht gebaebt unb
gegen bie Einleitung einer obligatorifcben Arbeiteroerficberung nach
beutfebem Borbilbe ift bie Dppofition nod; immer aufeerorbentlicb
ftarf unb einflufereid). Ein wirklicher Erfolg ber fogialpolitifcben
3beeen war bie Errichtung eines befonberen SKinifteriums für
Snbuftrie unb Arbeit im Qahre 1895. $)er erfte belgifcbe ArbeitS*
minifter, ber fiöwener Profeffor NtfffenS, ber im Sattuar gum
Nüdftritt gegwungen würbe, war nichts weniger als ein ftürmifeber
fogialpolitifdjer Reformer. Aber als gewiffenbafter, tüchtiger unb
oorurtheilslofer 2Rann bat er bodj im Eingelnen manches ©ute
aeleiftet; wir erwähnen nur bie Reform bes gabrifinfpeftorats.
gebt, wo er nun gerabe im Begriff war, mit einem wichtigen
©efefc über bie Reform beS ArbeitsoertrageS*) unb oor allem mit
bem Entwurf einer obligatorifcben Unfalloerficberung oor ber
Kammer gu erfebeinen, ift ber SKinifter unter erheblicher 3)?itwirfung
oon ©rofcinbuftrieflen, benen er in feinen Nefonnbeftrebungen febon
gu weit ging, aus bem Amte gebrängt worben. Sein Nachfolger
Eooretnan gat fleh mit fogialpolitifcben gragen bisher wenig be*
febäftigt, boeb bat er erflärt, bafj er in ben SSegen feines Bor*
gängerS oerbleiben werbe. 3mmerbin gilt es beretts als fo gut
wie auSgefcbloffen, bafj/bie beiben eben erwähnten fogialpolitifcben
©efefce nod) in biefer Seffion bes Parlaments gur Berbanblung
fommen fonnten. Außerhalb ber eigentlichen Arbeiterf reife hat
man für bie fogialen gragen in Belgien letber noch immer ein
febr geringes Sntereffe, gang im ©egeufafc gum benachbarten
§oIIanb, wo in ben lejjten Sap^n hierin eine bebeutenbe Befferung
eingetreten ift. $ie ©auptf^ulb an biefer bebauerlitben Sntereffe*
lofigfeit trifft bie Preffe beS SanbeS, welche bie fogialen Probleme
für ju troefen unb langweilig hält/ um ihnen auch nur einen
irgendwie genügenben piafc etnguräumen.
SojiaU JnftänÖt.
- !
$er lünblifbe Arbeitermangel in Prenfien. 2>ie Berbanblungen |
beS prenpifeben AbgeorbnetenhaufeS über' bie lanbwirthfcbaftltcbe
Seutenotl) ooin 9. bis 11. gebruar, bie fid> wte im Borjahrc au
eine Snterpellation beS fcblefifcben EentrumSabgeorbneten Sgmula
fnüpfteit, gewannen bieSmal ein feftereS ©erippe burd) bie Anträge
ber greifortferoatioen (©amp unb ©enoffen) unb ber ^onferoatioen
(Arenbt*ßabiau unb ©enoffen), bie in Berbinbuug mit ber guter*
peüation beratben würben. Sie machen Borfdjläge, bereit Be*
a ung nicht bloft ben länblicben, fonbern aud) ben inbuftrielleu
eitSmarft wefentlicb umgeftaltcn unb in bie fogialen mtb Bil* !
'+) Bgl. „Sogtale piari#* oom 15. Scgembei l^ ( J s .
bungSoerbälhtiffe ber Arbeiter tief etngreifen würben. 2Bäl)renb
es bem gnterpetlanten in erfter £inie um bie erweiterte 3ulaffung
flaoifcbcr, polnifcber unb galigifd)er Arbeiter gu tpun war, faben
bie foitferoatioen Anträge bie Mittel gur SRinberung ber ßeutenotb
in ber Ausführung folgenber Borfcbläge:
1. bie Einführung ber $ongeffion8pflicht für baSEewerbe ber
Ecfinbeoermietbcr unb Stellenoermittlcr unb bas Berbot bes
Betriebes biefeS Eewcrbes im Umhergiehen; 2. bie Scrfdiärfung ber Äon*
trole ber Eefiubeoermiether unb Stcncnücrmittler htnfichtlicb ber Buch®
fübrung,bcr Bermittlungstarife, ber 3urücfbehaltung oon^egitimationspa*
tcren, ber Beherbergung ber Stcncnfudjcnben u.bgl., fowiebie Bcftrafung
er Eefinbeoermiether imb Stellenoermittlcr bei Berleitung gunt
JÜontraftbruch; 3. bie Erschwerung bes Äontraftbrucbs fowohl
bureb Beftrafung beffelben als bureb Einführung einer Erfap*
Pflicht, wobei and) ber Arbeitgeber als ftrafbar unb erfafcpflicbtig
gelten foü, falls er wiffentlidj fontraftbrüdjige Arbeiter annimmt; 4. bie
anberweite fycftftcllung ber Scbulgciten auf bem platten
^attbe unter ooller Aufrechthaltung ber /Jietc beS BolfSfcbuIunterricbtS
(.^albtagunterricht, ^ispenfation oon ber Sommerfdjulc) u. bgl.;
5. bie möglicbfte Bernteibung ber Befdjäftigung oon Arbeitern
feitens ber Staatsbetriebe währertb ber Erntegeit, fowie bie
nothwenbige Beriicffid)tigung ber lanbwirthfcbaftlichen Arbeiternoth bei
ben oom Staate aitsguführenben Bauten; 6. bie Einfcbränfung
bes bisherigen BerfahreuS, beit ArbeitSmarft bureb Eewährung oon
Ertragiigcn unb befonberen Xarifoerbilligungen gu Eunften
bev Erobftäbte unb ^ubuftricccntren auf weite Entfernungen unb
gum Nadjtheil ber £aubmirtbfcbaft tünftUd) gu oerfebieben; 7. ben
fcbleunigen Abfcblujg ber oon ber föniglichen StaatSregieruna am
20 . Aprtl 1898 in AuSftcbt gefteßten Erwägung, betreffenb bie Befeiti*
gung oon Auswi’tdjfen bes Nerfjts auf ffreigügigfeit, wobei auf
eine entfprecheitbe Befcbränfung ber greigitgigfeit minber*
jähriger perfonen unter 18 Rubren Nüdfid)t gu nehmen ift;
8 . bie Aenberung bes EefebeS über ben UntcrfiübungSwohufib gur Er*
leicbtcrung ber Berpflidjtungen ber SSohnfibgemeinbc, bie Aenberung ber
Armengefcpgebung bergeftalt, bap bie B?ittwen* unb BSaifenfürforge
größeren Berbänbeit übertragen wirb; 9. bie planmäßige Auficbcluttg
oon mittleren unb fletneren ^anbwirthen fowie oon lanbwirtl)fä)aft*
lieben Arbeitern unter Aufwenbung oon Staatsmitteln in bagu geeigneten
Begirlcn; 10. bie tbunlicbfte Erweiterung ber 3»luffung anslänbifeber
Arbeiter, fo lange bies erforberlicb ift unb foweit es bie nationalen
Nücffidjteit irgenb geftatten, inSbcfonbcre audj gum Eeftnbebieitft in nicht
gcmifcbtfpracblicben Begirfen.
5)ie eingelnen fonferoatioen unb Eentrumsrebner interpretirten
biefe gorberungen. So Benuhte ber EentrumSabgeorbnete S>oh s
eifei bie ©elegenbeit, über ben BHffenSbattaft, befonberS in ben
matbematifeben unb naturwiffenfcbaftlidjen gädjern, ben bie $)orf* *
fcbulen ben ^inbern brächten, fo ftarf gu fcbelten, bafj ber Btini*
fterialbireftor Dr. $ügler fidh gu einer ettergifdjen Bertbeibigung
beS BolfsfcbulwefenS oeranla|t fab, unb ber fonfero. Aba. Äorn
empfahl fogar bie P rüg elftraf e gegen bie Berrobung ber 3ugenb.
^)er Bigepräfibent bcS StaatSminifteriumS Dr. o. 2Riquel unb ber
ÖanbwirthfcbciftSminifter grhr. o. ^ammerftein erfannten ben Notb*
ftanb an, begeicbiteten ihn als golge ber fultureflen Entwicfelung,
fpradhen für eine Stärfung ber elterlicfjen unb oormunbfcbaftlicben
©ewalt, jagten ein gewiffeS Entgegcnfommcn in ber Regelung ber
Schulpflicht gu, oerwiefen bie grage ber ÄongeffionSpflicbt ber ©e*
finbeoermietber an ben Reichstag, wieberholten baS oorjährige Ber*
fpreeben einer möglicbften Erweiterung ber 3ulaffung fremblänbi^
fdher Arbeiter, betonten aber ftarf ben nationalen ©efidjispunft,
oon bem aus eine unbefebränfte ileberflutbung Preußens mit
fremblänbifcben Arbeitern nicht guläffig fei, warnten, bie allgemeinen
fogialpolitifcben Bortheile ber Arbeiterfahrfarten gu unterfcbäfcen,
unb forberten cnblicb gu einer oermehrten BSoblfahrtSpflege auf
bem Üanbc, infonberheit gum Bau oon Arbciterwohuunaen auf,
bereu Nuhen gur Sefebflftmacbung ber Arbeiter inSbefonoere ber
nationalliberale £anbmirth Seer aus feiner langjährigen Erfahrung
beroorhob. 2)ie Nebner beS EentrumS, ber Natioualliberalen unb
ber freifinnigen Parteien oerwahrten fidf) gegen jebe Befdjränfung
ber greigiigigfeit, bie friminelle Beftrafung beS SlontraftbrucbeS
unb bie Nücffcbraubung ber Berfebrsentwicfelung. ^ie Nebiter
ber ßinfen oerf praßen fidh einen wirf famen Erfolg nur oon ber
©ewährung gröberer greibeit an baS länblirfje ©efinbe unb bie
Arbeiter burd) bie Arbeitgeber unb bie Negierung unb oon ber
Ermöglichung ber Erwerbung felbftftänbigen ©runbbefipeS. Eine
Sonberfommiffton oon 21 s S?itgliebern wirb bie Anträge burd)*
beratben.
ftinbetrarbeit itt £attgtnbiel*m $>er größte B3ebcrort im fd)Iefifdien
©ebirge bat recht beflagcnSwcrthes Niatcrial gu biefer ginge ge*
liefert. 3 ro a r waren oon beit oorbanbetteit Bolfsfdjuleu nur gu
gwei -Drittel bie Angaben eiugegaugeu, aber biefe ;>ahlen genügen
leiber fdjou mehr als nolhwenbig, gu bemeifeu, was bie „Sog. pr."
535
Soziale Vrarig. dcntralblatt für Soxialpoltttf. Ar. 20 .
wieberholt behauptet hat auf Grunb umfangreicher Hebungen:
bic Einberarbeit ift oon ber 3-abriE auf bag H au ^ übertragen, Gr*
freulich ift eg, bah jüngere Einber weniger herange 3 ogen würben.
Von 2104. waren 1130, b. fj- 53 %, erwerbgtbätig. An ben ein*
jeinen Sdjulen gwifd^en 63 unb 51 % fdjwanfeno, erreicht er in
Den ^ö^eren Eiaffen 88 big 90 nont §unbert. Gg waren alg
Spuler tbätig 842, mithin faft 75% fömmtlidjer Einber, 34 alg
Eammftricfcr, Siicherfnüpfer, ^afpler. Ser Sohn alg Spuler be*
trägt wödjentlid) 30 big 180 4, beim Sücherfnüpfen 50 /$.
Uefeerbanpt beträgt ber Surdjfehnittguerbienft ber inbuftrieH be*
fdjäftigten 65 4 . tiefem ftet)t gegenüber ein Verbienft in lanb*
wirthfchaftlichen Arbeiten non 1 , 50 , //. unb barüber. Vom SReft
ber Eieinen (108 = 9 s /4 %) würben mehrere gwei* unb mehrfach,
biefe gegen — 33ier, anbere gegen Eleibung, britte gegen Gffen
befdjäftigt. beginnt bie Slrbeitgjett auch bei ben meiften um 1 Uhr
Mittag, fo futben wir bocf) 100 non V 26 ober 6 Uhr, 44 non
5 Uhr unb 1 non 4 Uhr morgeitg jebeit Sag ber 5öo<he arbeitenb.
Natürlich finben wir wieber Anmerfungen, big V->3 Uhr morgeng,
nach 10 Uhr abenbg. Vkldjeit Segen bie Sonntaggruhe für bie
Einber bebeutet, gebt baraug heroor, bah 993 nur 6 Sage arbeiten,
78 bagegen 7. Vefchäftigt finb 329 wöchentlich 37 big 40,
76 wöchentlich 40 big 50, unb 18 wöchentlich 50 big 60 Stunben.
Aur bei 72 Einbern war bie Aothwenbiafeit in Abrebe geftellt, für
637 war ber Aothftanb bie alleinige Urfache. Sasu erfahren wir,
bah bisweilen 50% ber Schüler unnerfefet bleiben, woju natürlich
aud) anbere Umftänbe beitragen. Eommen hoch auf einen ßehrer
126 big 140 Schüler! Gin Lehrer fchreibt, bah bie „eben er*
munterten Einber immer wieber in fidj gnfammenfinfen".
Vetmbgfterfftätteis im Sdjncibergetoerbe* 3» gemein famer
Sifcung oon Vertretern ber Schneibermeifter unb ber Sohnfommiffion
ber Arbeiter in Vtündjcn bat man bie grage ber Vetriebswerf*
ftätten beraten unb eine Aefolution angenommen, in ber eg helfet:
„Sie Vertreter ber Schneibermeifter Mncbeng erlernten bie gorbc*
ruitg nach Errichtung oon Vetriebgwerfftätten alg berechtigt an. Sic
oerpflichten fid) 3 unnd)jt, bei beit Angehörigen ter Innung barauf hin*
Suiptrfen, bah in ihren C^efchäfteu Vctricbgmcrfftätteu errichtet unb bie
fdjon beftehenben VetriebSwerfftätten tbunUrijft beit SBitttfchen ber Ar*
beiter cntfpredjrnb au^gefiattet werben. Sc* Weiteren oerpfliditen ftd)
beibe $hetlc, mit allen ihnen 31 t (Gebote fteheitbctt Mitteln barauf Tun*
suwtrfen, bab tut ganzen Verufe, bauptfächlich ober bei ber Eonfcftioit
unb in ben ber Eonfcftioit ähttlidjen AcHantcgcfdjäfteit, Vetricbgioerf*
ftätten errichtet werben muffen.''
Unternehmer unb Arbeiter in ber »Sfjemfe’&ifenmerf* unb
8d)tffgbatt*Gefellfchaft" an Bonbon. Vei einem 3afp*gfeft ber Ar*
beiter biefeg SRiefeuetaolifementg h^U beffen Sircftor £ullg eine
bemerfengwerthe Anfprache: dr beglücfroünfd)te bie Arbeiter basu,
bab fie ein erfolgreidjcg 3 af)t’ W) hätten; auch fei bic Söerft
für bie näcfeften brei 3ah re befchäftigt. Vor fiebcu 3ahx*n
hätte bag ©er! eine acht^ehnmona'Iidje Streifperiobe bitrd)gcmad)t,
aber bie Arbeiter hätten burch ben Streif felbft nidfjtg gewonnen,
Aach ber Veertbigung beg Streifeg feabe er ben Vefdjluh gefafet,
bie „Shemfe=difenwerfe" 311 einer Vfufteranftalt ju tnad)en. 3 n
biefer Abfidjt habe er ben Arbeitern eine Gewinnbetheiligiutg
aewähi't. So würben 1892 Sftr. 4804 an Sioibenbe an bie Ar*
oeiter oertbeilt, im 3ah^e 1898 betrug biefe Arbeiter-Sioibenbe
Sftr. 15 390, unb in fämmtlidjen 7 Salden belief fie fich auf Sftr.
12 519. Jebeit biefer Sioibenbe bezogen bie Arbeiter aber auch
bie höchften Söhne, welche in biefem (Bewerbejweige befahlt
werben, unb aufterbem hätten fie ben Achtftunbentag feit 1894.
Söährenb bie Söhne fich 1893 auf Sftr. 99,066 beliefen, hätten fie
1898 Sftr. 242,336 betragen, in lieben 3ah rcn fei alfo bie Summe
ber Söhne um 1.45 prosent geftiegen, wag ein fefer betnerfeng*
wertheg 3engnifj für ben Adjtftunbentag fei unb beweife, bah bie
achtftünbige Arbeit fich befahlt mache. dr hübe bie Eoften jeber
Sonne ber fünf englifchen Erieggfchiffe, bie oor dinführung beg
Achtftunbentageg gebaut würben, unb cbenfo ber beibeit japanifchen
Schlachtfchiffe unb beg englifchen Ereujerg, bie er ttad) dinführung
beg Achtftunbentageg gebaut habe, beredetet, utib ba habe er ge*
funben, baft bie letzteren Schiffe 17 big 18 ^grojent per Sonne
weniger gefoftet hätten, alg bie erfteren. 3 aglcid) hätten au^
bie „Shcmfe*difenwerfe" in ben Icpten jtoei Vfonatcn in offener
Snbmiffion 31 t bett niebrigften greifen, weld)e geftellt worben finb,
Aufträge befommen. Sie Arbeit fei berart gcwadjfen, bah ntau
auf betit auberen Ufer ber Shemfe eine 3 wcite ^erft erridjtet habe,
unb auf biefe fofle bie Sahne beg Adfftunbentageg hituibergetragen
werben. Ser Ad) tftu rt ben tag habe Allen nur Segen ge* ,
bradjt. dr fei gnt fiir bie Arbeiter, gut für bie Arbeit !
u u b gut für bie A f ti 0 u äre. diu glänjeubeg Vcifpiel für i
bie Wahrheit beg Safceg, ba& bie fo^iale SReform unb wirthfd)aft*
liehe gfortfehritt ftdfe gegenfeitig bebingen!
FairWagres in dnglonb. 3u ber Stjjung beg öottboner County
Council oont 31. Sanuar b. 3- beantragte ein Eomite bie Annahme einer
Offerte ber girma Sanfg & do., betreffenb bie Lieferung oon oter
Sampffeffeln. Auf ©runb einer Vefchwerbe beg deroerfoereing ber
Eeffclfdjmiebe würbe mit Aücfftdjt barauf, bah bte girma nicht bte
öJewerfoerciitglöbne be^afjle, beantragt ben Augfdjuh mit nochmaliger
llnterfudjmtg utto Verichterftattung 3 U oeauftragen, wag in namentlicher
Abftimmung mit 45 gegen 36 Stimmen angenommen würbe.
^rbeitetberaegung.
3«r Vetoeguug unter ben Hafenarbeitern tu Hamburg wirb
uug 0011 bort aug dewerffchaftgfreifen getrieben: 3 ^fet haben
3 um „Arbeitgnachweig für Stauereibetrieb", ber allerbingg nur
auf bie Schauerleute Ve 3 ug hat, bie fämmtlichen Vfitgliebfchaften
beg „Verbanbeg ber Hafenarbeiter Seutfchlanbg", in H am ^ ur 9
alfo dwerführer, Eaftenfchiffer, Speid)erarbeiter, Duatarbeiter,
Eohfeitarbeitet, Vagaerer, Sd)iffgntaler unb Schiffgreiniger, Stellung
genommen. 3« allen Verfamnilungen würbe befcfeloffen, ben
Sdjauerleuten mit allen gefetjlichen VHtteln 3 ur Seite 3 U fielen.
Sie Sd)auerleute werben, wenn bie Stauer (Arbeitgeber) ihre
$)rohung wahrmachen, bah alle biejenigen, bie am 21 . gebruar
nicht im VeRh einer Earte oont Arbeitgnachmeigbureau fmb, feine
Arbeit erhalten unb alfo auggefperrt werben, fofort in ben Aug*
ftanb ein treten. Sie Sorberung ber Sd)auerlcute, in ber Auffichtg*
fommiffion in gleicher Stärfe wie bie Arbeitgeber oertreten 31 t fein,
ift in ber „So 3 ialen Vra^ig" fehon wieberholt bcfprochen. din
anberer Vunft, ber für bie Sdjauerleute oon großer Vebeutung
ift, ift ber §.11 beg Statutg für ben Arbeitgnachweig, ber befagt:
Arbeitern, weld;e 001 t ben Stauern nidit mehr tu Arbeit genommen
werben, ober fid) au ben Arbettgnacbwetgficücn nid)t einftttbett, ober
unter aüerhanb Augrebett feine, ober höchft feiten Arbeit anneljmeii,
wirb bte Earte ent 3 ogett. Solche Earte muh oon bem Inhaber flurücf»
geliefert werben, defchicht bag nidjt, fo wirb burd) Auttbfchreibcn
allen Stauern mitgetheilt, bah' bic betreffenbe Earte atther V?irf|amfeit
gefegt worben ift.
Sie Schauerleute feljen in biefer Veftimmung bie Srohung
mit Vtahregelungen „mihliebiger" Arbeiter burch bie Stauer. Siefe
föntten ja aüerbingg auch ol & nc biefen ißaffug in ihrem eigenen
Vetrieb Vtahregelungen oornehtnen. Aber bic Augfchliehung ein*
3 elner Arbeiter erhält burch biefen ftatuiarifd) feftgelegten Sap eine
aewiffe allgemeine Sanftion. 3ft ber Arbeiter für ben ereilten
Vetrieb oon ber Arbeit auggefdjloffen, fo foH ihm gleichseitig burd)
bie 3 u*ücfgabe ^ er ^ ar ^ e ‘ 5 i e ^ßöglichfeit genommen werben, in
anberen Vetriebcn Vefchäftigutta 3 U finben. Sah bie Stauer bamit
bie Polle Vfacht über ihre Arbeiter in §änben haben wollen, ift
einleudjtenb. Sie Vefeitigung biefeg Paragraphen forbern jefet bie
Schauerleute. Sa aber grunbfählidjc Aenberuttgen ber Statuten
nur mit Genehmigung beg Senatg möglid) finb, fo hat ftd) ber
Vorftanb ber „Vhtgliebfchaft ber Schauerleute" au ben Senator
D’Smalb, ben Vorfifecitbeit ber „Senatgfommiffion für bie
Prüfung ber Arbeitgoerhältniffe im §afen", gewanbt unb beantragt,
eine gemeinfdjaftliche Sigung oon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern
mit ber Senatgfommiffion, um auf biefe Vßeife bie ftreitigen Punfte
3 U erlebigcn. Sie Arbeiter liefern fo ben Vcweig, bah fie Atteg
oerfud)en wollen, um auf frieblidiem SBegc attg o u gelangen.
3eigen bie Arbeitgeber nur halb fo oiel guten SSillen, fo wirb ber
Augftanb oermieben!
Gemetttfaute dittgabe ber tariftrenen Vrtustpale unb Gehilfen
ber Vwbbrucfcreien in Hcjfen* An ben feeffifchen ßanbtag unb bie
heffifche ^Regierung haben bie tariftreuen Prin 3 ipale unb Gehilfen
ber Vud)brucfereien (76 Gefdjäftc, mehr alg bie Hälfte fämmt*
lieber Srucfereien im Grohhersogthum, sahlen ben oereinbarten
^ohntarif) eine augführlich begrünbete dingabe gerichtet, bie unter
Hinweig auf bie Vebeutung ber Abmachungen in biefem Gewerbe
für ben fosialett grieben unb auf bie uugefunbe Eonfurrcits ber
nidhttariftreuen prin^ipale unb Gehilfen bie Vitte augfpricht, „ftaat*
lid)e Vud)brucfarbeiten irgenbweldier Art nur folgen prin 3 ipalen
Suwenben 31 t wollen, bie ben beutfdicn Vud)brucfertarif burch
fcferiftlicfje difläntttg bei bem Sarifamte nid)t nur atierfannt haben,
fonbertt ihn auch allen feinen Veftimmuugen innehaltcn". §i\\*
sugefiigt wirb, bah bie Vehörbett im Eöttigreid) Sad)[en unb ber
babifdje ßanbtag einem gleichen Anfudjen bereite entfprochen unb
bemgemäh Verfügungen erlaffen haben.
537
Sogiale sßrajiS. ©entralblatt fiir Sogialpolitif. Rr. 20.
538
Sow ftrefelber Sammettoeberftreif ift gu berieten, ba& nun*
mehr'bie ftäbtifdje fogiale Komntiffion einen BermitielungSoerfuch
unternehmen miß. 3n ber Sfrbeiterpreffe, befonberS in ber fogial*
bemofratifchen, werben bie AuSfid)ten ber Streifenben als „recht
aünftige" begeichnet, faßs bic Arbeiter einig blieben. Bei ber
©igenartigfeit ber Krefelber Sammetinbuftrie fei bie ©infteßung non
Streifbretfjern ein Ting ber Umnögli<hfeit, aufcerbem erroiefen fich
bie ^agerbeftänbe ber Öabrifanten lange nicht als fo bebeutenb,
wie bie $abrifanten gur Befchwidjtigung ihrer Kunbfci)aft unb gur
©infchiidjterung ber Arbeiter glauben machen woßten. TieQrabrifanten
mürben nicht umhin fönnen, halb mit ber Streif*©ommiffion in
Berhanblungen gu treten, öefctere höt iteuerbingS bie Bieber unb
oerwanbten BerufSgenoffen in ber Umgebung oon Krefelb (Kempen,
Rhepbt, Bi.*©labbath :c.) ermahnt, wäprenb Der Malier beS Krefelber
AuSftanbeS jeben Kleinfrieg gu oermeiben. Tie Sonberoerhanb*
lungeit ber führenben organifierten chriftlichen Textilarbeiter höben
bisher auch noch gu einem ©rgebnifc geführt. Ta bie Samtn*
hingen für bie Krefelber in ber gefammten beutfchen Arbeiterfchaft
ihren Fortgang nehmen, fcheint eS ben Streifenben an Bütteln
nicht gu fehlen.
Aus ber englifdjett Arbeiterbewegung; bie Stufatur*Arbeiter
unb bie ^inucr. 3n bem Streif ber Stufatur*@ewerFfchaften mit
bem Berbanbe ber Bauunternehmer (oergl. Sog.^rajis 8 p. 504)
fommt eS oermuthlich gu einem Ausgleiche. Terßonboner 3meigoerein
ber ©ipfer hat über bie grage, ob Bkrfführer bem ©ewerfoerein an*
gehören müffen, eine namentliche Abstimmung oornehmen laffen.
Ter Bunft bilbete befanntlich bie llrfachc beS jüngfteit Streifs.
Tie befonnenen Mahnungen ber Arbeiterführer unb baS einftimmige
BerbainmungSnrtheil ber B*effe fcheinen hoch auf bie fampfluftigen
Bauhanbtoerfcr ©inbrudf gemacht gu höben, ©ine übermältigenbe
3Mjrbeit höt bafür geftimmt, bie gforbernna faden gu laffen. Ta
auch bie Baumeifter auf ihrer lebten Berfammlung in Brabforb
bie fchärfften Sorberungen ihres Ultimatums höben faßen laffen,
mirb es möhl nicht gu einem Arbeitsfampf fontmen. — Am
6 . gebruar fanb gu Bhindjefter eine Konfereng gmifchen Arbeitern
unb Söbrifanten ber Baummolleninbuftrie ftatt. ©rftcre
waren mit ihrer Sorbernng einer Lohnerhöhung oon 5 pl£t. auf 3 p©t.gu*
rüdfgegangen, aber bie Arbeitgeber lehnten trofcbem ab. Tie Arbeiter
laffen nun überaß Tiftriftoerfammlnngen abhalten, um bie An«
Fichten ber Bütglieber gu oernehmen. So Uten biefe für bie gor*
berungeu^fein unb bieS auf ber Teleairtcn*Konfereng berichtet werben,
fo würben bie ßeiter eine aßgemeine Abftimmung auSfchreiben, ob man
bie Arbeit nieberlegen foß. Tie Arbeitgeber bieten eine 3eit oon fechS
SRonaten an, um bie weitere ©ntwitfelung ber Snbuftrie abgu*
warten, fie foßen eo. auch einem SchiebSgericht nicht abgeneigt fein.
So hofft man immer noch auf eine gütliche Beilegung. Auch oer*
fchiebene Sührer ber organifirten Spinner unb Btebcr glauben
nicht, bafe eS gu einem Streif fomrnen wirb
Tie ©cwerföemuSOcrbäube in ©ttglaub. Büt Rüdfficht auf
bie Befchlüffe beS ©nbe Sönuar in Btandjefter abgehaltenen Kon*
greffeS, betreffenb bie nationale göberation ber englifchen Trabe
UnionS finb bie im jüngften Berichte Buruetfs enthaltenen Taten
über bie bisherige Aushebung ber gfeberationen unter ben ©ewerf*
oereinen oon 3ntereffe. Sik 1897 werben folgenbe Taten bieS*
begüglich mitgetheilt; eS beftanben
im
©ewcrfoercins*
oerbänbe
SDZitglieber
Baugewerbe . . .
88
92 162
Bergbau ....
12
361 182
SWetallinbuftrie . .
16
212 416
Tei’tUtnbuftrte. . .
20
269 198
Iränsportgewerbc .
6
73 924
Xrucfgcwerbe . . .
8
34 318
.Jwlgtnbuftrie . . .
13
17 804
Anbere (Bewerbe. .
11
31 372
124
i 092 376
Tie ©efammtgahl ber föberirten BÜtglieber rebugirt fief) aßer*
bingS auf 781719, wenn man in Rechnung gieht, ba| oiele
©ewerfoereine oerfchiebenen Berbänben angehören. — Tie meifteu
Berbänbe finb noch feine gehn 3oh*e ölt: 104 finb im 3 e itraum
oon 1889—1897 gegrünbet worben.
Beilegung eines Streifs in ber Schweig» 3Ran fcfjreibt uns
aus Aarau: Bor einigen Tagen legten bie gegen 1000 Bfann
gählenben Arbeiter ber deftrifdjen Bkrfftätte ber Sirma Brown,
Booeri & ©ie. in Baben bie Arbeit itieber, unb gwar nicht wegen
irgenbwelcher Artftänbe begüglich #°h n ober ArbeitSgeit, foubern
wegen KonfliftS mit einem Bkrfmeifter. Ter Borftanb beS lofalen
©emerfoereinS f)ötte nämlich einen Bkrfmcifter, ben bie Arbeiter ,
grober Behanblung befcbulbigten, oor fleh gur Rechtfertigung citirt.
Ter Söerhneifter gab ber ©inlabuna feine Solge, fonbern geigte
ben Brief mit ber ©itation ber Dberleitung beS BkrFeS, welche
bie fofortige ©ntlaffung beS SefretärS beS ©ewerfoereinS oerfügte,
weil ber Brief oon ihm gefchrieben war. Tarauf erflärten flcf) bie
Arbeiter mit bem ©ntlaffenen folibarifcfj unb traten, nadjbem bie
Sirma bie SSieberanfteßung beS ©ntlaffenen oermeigerte, in ben
AuSftanb. ©ine Bennittelung beS StabtrathS fchlug fehl unb erft
ber 3nteroention beS aargauifdjen RegierungSpräfibenten gelang
eS, ben Stieben wieber h^criguführen, unb gwar unter ber Be«
bingung, bafj bie ©ntlaffung aufrecht erhalten bleibt, bie Sirma
bagegen bem Betroffenen 200 ©ntf^äbigung - auSgahlt, bie
©emerffchaft refpeftirt, begüglich ber Befdjwerbe gegen ben Sßerf*
meifter unparteiifche Untersuchung unter Begug einer AmtSperfon
gufichert unb ferner einen ArbeiterauSfdjufj auffteßt, ber gur $älfte
oon ben Arbeitern gewählt wirb unb an ben fünftig Anftänbe
gwifchen Arbeiter unb SSerfmeifter gu weifen finb.
©mente Borberettnngen ^nm ©eneralftreif tu ^ranfreich trifft
bie oon ber Confecieration generale du Travail eingefefete Äom*
mifrion gur B^opagation beS aßgemeinen AuSftanbeS als eines
Büttels gur ©mangipation ber arbeitenben klaffen. Aus B?^^
wirb uns bagu gefchrieben: Sicherlich würbe biefe ft'ommiffion
fchon gang aus eigenem Antriebe mit aßer Rührigfeit fidj ihres
Auftrages erlebigett. 3h^e Thätigfeit wirb jeboch auch ftimulirt
burch bie reaftionären Beftrebungen im Börlament, bie erworbene
Koalitionsfreiheit gang ernftlich eingufchranfen. 2Bie bie „Sogiale
BrajiS" (Sp. 1056 3öhf0* fchon berichtete, liegt ber Tepu«
tirtenfammer ein oom Senat auSgehenber ©efehentwurf oor, wo*
nach bie Strafbeftimmungen ber §§. 414 u. 415 beS Strafgefefe*
bucheS, betr. gemeinfame ArbeitSnieberlegung, fehr oerfchärft werben
foßen; bieBorlagc wirb halb gur Beratung fommen. ©egen biefe
bie Streiffreiheit gängUcf) unterbinbenben Abfichten richtet fich bie
lebte Btonifeftation ber ©eneralftreiffoinmifrion. 3 n ihrem foeben
an aße Arbeiterforporationen oerfanbten Runbf^reiben fteßt fie
für baS nächfte griihiahr eine ArbeitSnieberlegung in AuSficht, bie
an Umfang bem lebten AuSftanbc im Börifer Baugewerbe gleid)*
fomme. Tiefer AuSftanO würbe gang fidler ausbrechen, wenn bie
Teputirtenfammer bem reaftionären ©efebentwurfe beS Senates
ihre 3 wftimmung gebe. 3 n einem angefügten Sragebogen erfucht
bie ©eneralftreiffommiffion bit Arbeiterforporationen, fich balbigft
barüber auSgufprechen, ob [xt geneigt feien, in ihren Stabten unb
Begirfen Untcrfommiffionen für bie B^opaganba gu errichten, ben
fünfprogentigen Abgug oon aßen, für SonberftreiFS beftimmten
©elbern an bie ©entralfommiffion abguführen, unb enbtich, ob Tie
mit ber Teflaration beS ©eneralftreifs einoerftanben wären, wenn
baS Börlament bie beftehenbe gefeblich^ Koalitionsfreiheit ber Ar*
beiter 'ernftlich antafte.
^cbeiterfd)tt|.
Tie 3öhteSberichte ber f abrifest« unb ©ewerbe*3«f^cftoreu BoperuS
für 1898.
TieSmal fmb bie baperifchen Berichte*) bie erften, bie auf bem
Blane erfcheinen. Sie bringen wieber eine oon bem 3nfpeftor
für Dberbapern öerrn Bocßöth in Btünchen, oerfafete, auf ben
(Singelberichten fu§enbe Einleitung an ber Spifee ber ©rörterung.
BHr entnehmen biefer Tarlegung fJfolgenbeS:
3ur 3^t finb in Bapern 8031 gabrifen unb 92 987 ^anb*
werfSbetriebe mit 433 247 männlichen unb 90 855 weiblichen,
gufammen 524 102 Arbeitern ber ©ewerbeaufficf)t unterließt. Tie*
Bertheilung ber Arbeiterfategorien itacb Alter unb ©efchlecfjt im
Bergleiche gur ©cfammtarbeitergahl ift folgenbe: 3n Öen ^abrifen war
ber B r ogentfah ber jugeitblichen Arbeiter 7 , 5 (im Borjahre 7,g),
ber weiblichen Arbeiter über 16 3öhte 20 , 3 (im Borjahre 21 , 5 ),
ber männlichen Arbeiter über 16 3öh^ 7 1/8 (im Borjahre 70,7).
3 n ben £>anbmerfsbetrieben betrug bie 3 a h( öer jugenblidöen
Arbeiter 15 ,7 (im Borjahre 16, 0 ), jene ber Arbeiterinnen über
16 3ahre 7 , 2 (im Borjahre 7, 0 ) unb jene ber Arbeiter über 16 3 al)rc
77,4 (im Borjahre 77 ;0 ) B^ogent ber ©efammtarbeiterfchaft. Ber*
gleicht man bte Arbeitergahlen beS Berichtsjahres mit beneti bcs
BorjahreS, fo ergiebt fich hei einer AuSfcheibung midi Alter unb
©ef<hled)t SolgenbeS: 3n ben ^fabrifen höben bie jugenblirfjcu
Arbeiter um 5, 7 o/ (l/ bie männlichen Arbeiter über 16 3öbre bagegeu
0 iPtiimpen, Verlag von ilieobor '.’ldminmii.
539
Soziale $rari§. Eentralblatt für 6ojiaIpoIitif. Ar. 20 .
540
um 9 , 3 % unb bte meiblichen Arbeiter über 16 3 uh rc nur um
1 / 2 % jugenommeit. 3 m §anbrocr!c betragen bte entfprechenben
3ablen 0 , 5 , 3^ unb 3,8%. Das gegenseitige Berhälhtifj ber
3 a^I ber männlichen unb roeiblidjen, ber jugenblichen unb er*
roachfenen Arbeiter ift im ©anzeit genommen, unb abgefehen oon
Schroanfungen innerhalb einzelner (leroerbegruppen, ziemlich gleich
geblieben.
2BaS bie SReoifionSthätigfeü ber (^eroerbeauffuhtsbeamten an*
langt, fo mürben in 8830 Anlagen 9134 SReoifionen oorgenomtnen
unb insbefonbere 58,7 % bezro. 64,2 % ber gabrifen mit jugettb*
liehen bezro. meiblichen Arbeitern alfo bebeutenb mehr als bie
Hälfte biefer Betriebe infpigirt.
(Sin Vergleich biefer SReoiftonSthätigfeü mit jener in früheren
3ah r en ergiebt eine ftetige 3unahme. So mürben oon 100 ber
«uffidjt unterteilten gabriren 1896: 40,7 %, 1897: 45 , 8 % unb
1898: 50,9%, bann oon 100 betrieben mit über 5 Arbeitern
1896: 32,7%, 1897: 36, t % unb 1898: 38, 3 % infp^irt. Wad)
einem SRücfblicfe auf bie Entroicfelung beS in Bapern nun 20 3uh™
beftehenben Suftituts ber Eero erbein fpeftion aus brei 3 ufpeftoraten
mit je einem Beamten 311 acht Auffichtsbezirfen mit einem Ee*
fammtperfonalftanbe oon nun 19 Beamten, bringt bie (Anleitung
folgenden Ueberblicf über bie mit ber Berfonaloernehmung ju*
fammenhängenben 3unahnte ber Betriebsreoifionen. Es fanben
ftatt:
oom Sabre 1H79 bis 1885 burd)[<hmttlich 1173 SteoiftonctT,
* = 1886 * 1891 * 1994
* * 1892 * 1897 * 6562
1898 — 9134
Eilt befonberer Abfchnitt ber Einleitung beljanbelt bie SS er*
menbung zweier roeiblicher §ülf 0 !r*äfte im Eeroerbe*Auf*
fidjtsbienfte, beren je eine feit 1. Dftober 1898 ben Sufpeftoren in
München unb in Nürnberg unterftellt ift. Wad) ben bisherigen
Beobachtungen mar bie Aufnahme ber meiblichen SReoifionSbeamten
foroohl feitenS ber Arbeitgeber mie ber Arbeiterinnen eine be*
friebigettbe. SSenn auch bte gemalten Erfahrungen noch fein ab*
fchliefeenbeS Urteil über bie Beroährung ber meiblichen §>ülf 8 fraft
julaffen, fo ift immerhin beren bisherige ^hütigfeit eine jitfriebett*
ftellenbe gu nennen, künftig merben bie Öunftionärinnen, bie
nunmehr in ihre Dhätigfeit oöüig eingeführt ftnb, unbefchabet ihrer
Hauptaufgabe foroohl $ur SReoi'fion anberer Betriebe, itt benen
Arbeiterinnen in geringerer 3 Q l)l unb jugenblidje befchäftigt
roerbett, als mr Beobad)tung unb Erhebung ber Berhältniffe tn
ber HuuSinbuftrie herattgejogen. Auch fotten bei ben im 3ah«
1899 über bie Befdjäfttgung oerheiratheter grauen in Qabrifen
ooraunehmenben Ermittelungen in auSgebehntem Bta&e Bermettbung
fittben.
3m Berichtsjahre haben bie Auf fichtsbeamten auch einigemale
eine Bermittlung in ber Arbeiterbemeguttg h^beigeführt. Die
3ahl ber AuSftänbe beziffert fich auf 49, bie 3ahl ber betheiligten
Arbeiter auf etroa 6000, bie 3af>l ber Streiftage auf runb 180 000.
44 Arbeitseinteilungen ftrebten bie Berbefferung ber Arbeits*
bebingttngen an, 5 be^roeeften Hüüanhaltung einer Berfchlechtcrung
biefer Berhältniffe. 11 Arbeitseinteilungen mit 10,8% ber be*
heiligten Arbeiter hatten für biefe oouen Erfolg, 26 mit 73%
ber Arbeiter theilmeifen, enblich 12 mit 16, 2 % ber Arbeiter feinen
Erfolg. Stimmt man einen burchfchnittlidjen DageSoerbienft oon
2,50 dt an, fo läfct fich ber EefammtlohnauSfall in Solge ber
Ausftanbsbcmegung beiläufig auf ibOQOOJi oeranfchlagen. 2BaS
befonberS ittS Auge fällt, ftitb bie gortfchritte ber Arbeiter*
organifationen.
®ie Arbeitszeit ift nach mie oor in ben ffabrifen oormiegenb
eine 10 bis llftünbige, in ben $anbmerfsbetrieben eine 11 bis
12 ftünbige. Die roirtbfd)aftlid) günftige Sage hat mieberum oiel*
fad) — befonberS in ber 3Rafd)ineninbuftrie — ju Ueberarbeiteit
Beranlajfuug gegeben. ®ie 3ahl ber Berftöße gegen bie Arbeiter*
fd)ubbctimmuugen ift größer als im Borjahre.' Die Borfdjriften
über bie Sonntagsruhe, bann über bie Einridjtung unb ben Be*
trieb ber Buchbrucfereien unb Schriftgießereien, fotoie über bie
Arbeitszeit in ben Bätferetcn finbeu oicifad) noch nicht genügenbe
Beadjtnng. B3ie im Borjahre beftanb auch im Berichtsjahre eine
Ziniefnitcube Neigung, bie .Slünbiguugsfrifteit gänjlid) auSzufchließcn,
roas feitenS ber Arbeitgeber mitunter mit ber ftontraftbriidjigfeit
ber Arbeiter begrünbet toirb. Auf bem (Gebiete ber llnfalloer*
hiitung ift tt ad) zahlreich oorliegeubcn Aeujjerungeu auf eine
Beffcrnng zu fdjließeu, fo unter Auberem l)iufid)tlid) ber Ban* |
foutrole, ber Ausftattuug neu errichteter Anlagen mit ©djntmor* ,
rid)tuugen, bes AnSfd)IuffcS jugeiiMicher unb weiblicher Arbeiter
oon gefährlichen Bcfd)äftiguugeu n. bgl.; bodj zeigt ein Blirf auf bie
gro&e 3ahl non Unfallanzeigen (12 169, barunter 139 DobeSfälle),
mie gro& unb ernft bie Aufgaben finb, bie hier noch i^rer Söfung
harren. Bott einer BerooIIfommmtng ber Sd)uboorrid)tuitgen uno
iitSbefonbere oon einer forgfältigeren Arbeitseintheilung, Arbeits*
überroachung unb AuSmahl ber ArbeitSfräfte mirb eine Befferung
biefer Berhältniffe erroartet. Ceiber läßt baS Berhalten ber Arbeit*
geber unb ber Arbeiter gegenüber ben Anforberungen ber Unfall*
oerhütung noch immer oiel ju münfehen übrig 3 ur Berbefferung
ber hh 0 tcnifd)en Berhältniffe finb gelegentlich ber Betriebs*
reoiftonen 2496 Anorbnungen getroffen roorben. Ein befonbereS
Augenmerf mürbe ben gefunbhettüchen 3 u ftänben in ben Bäcfereien
unb Sfonbitoreien zugemenbet.
gür bie Beurteilung ber mirthfchaftlichen Berhältniffe ber
Arbeiterbeoölferung fommt in erfter fiinie bie günftige Sage beS
ArbeitSmarfteS in Betracht. Saft aus allen Auffichtsbezirfen mirb
über einen roenigftenS theilmeifen Mangel an ArbeitSfräften in ein*
Zeinen 3nbuftriezmeigen, bagegen über eigentliche ArbeitSlofigfeit
nur oereinzelt geflagt. Bon ber roeiteren Entmicflung beS fefjon
bisher mohlthätig mirfenben ArbeitSnachmeifeS toirb ein für 3n*
buftrie unb Arbeiter gleich oortheilhafter Ausgleich oon Arbeits*
angebot unb *9?achfrage auf roeitere Entfernungen erroartet. 5)ie
Söhne hüben fi<h im Allgemeinen jum BHnbeftcn auf. ber bisherigen
Höhe erhalten, hoch finb auch otelfadi Sohnftcigerungen größeren
ober fleiiteren Umfanges, in einigen Bezirfeu auerbingS nur aus*
nahutSmeife ober unter bem 3 roan 0 e ^ cr Arbeiterbemeguttg oorge*
fommen. $ur in oerhälinifjmäfeig menig Süllen finb, tneifienS in
Solge oerfchledjterteit ©efchäftSgangeS, Sohnfiirzungen eingetreten.
S)ie SebenSmittelpreife finb in einigen Auffichtsbezirfen entroeber
Ziemlid) unoeränbert geblieben, ober fte hoben nur eine oorüber*
gebeitbe unb nicht empfinbliche Steigerung erlitten, roährenb aus
Öberbapertt, Bfalz unb Unterlaufen über eine zum X|eil erheb*
liehe BreiSfteigerung berichtet mirb. H' ernac b bütte ftch bie SebenS*
haltutig ber Arbeiterbeoölferung ziemlich oerfchieben geftaltet, theils
oerfchlechtert, theils oerbeffert, theils märe pe gegenüber bem Bor*
jahre unoeränbert geblieben. HtnWIüb beS BßohnungSioefenS
roerben manche erfreuliche Seiftungen feitenS einzelner Arbeitgeber,
gemeiitnübiger Bcreine unb Eemeinbeoermaltungeu mitgetheilt.
wach ben im Berichtsjahre burd) bie ©cmerbe*Aufjid}tSbeamten ge*
pflogcnnt umfaffeubcu Erhebungen über beit Staub ber Arbeiter*
roobnunaen finb oon Arbeitgebern 11655 Arbeiterfamilieitroohnungen
hergefteflt roorben, in benen 10 928 Somilien mit 53 274 Be^ ff
fonen untergebrad)t finb. Aufeerbem mürben oon acht Bau*
genoffenfehaften 106 Hüufer mit 419 SBohnuttgcn, beroohnt oon
419 Satnilien, errichtet. Ettblid) gehören hf^b er ^
meinmijjigen ©efeHfchafteu errichtete Hüufer mit 489 ÜRieth*
mohmtngen, bemohnt oon 520 Somilien. Aus fämmtlicheu Auf*
fichtsbezirfen liegen ferner BUttheilungen oor über oerfd)iebene oon
Arbeitgebern auSgehenbe Beranftaltungen unb Seiftunaen (Somtlien*
franfenoerficberung, UnterftühungS*, BenfionS*, Sparfaffen u.f.m.),
roelche ben 3mecf oerfolgen, ben Arbeitern in befonberen SebenS*
fällen eine Beihülfe zu geroähren. WeuerbingS merben oerfchiebene
Einrichtungen ooit Arbeitgebern mitgetheilt, roelche bahin zielen,
burch Sürforge für bie Arbeiterfinber ober in fonftiger feeife bem
Satnilienleben ber Arbeiter Sörbcrung angebeil)ett zu laffen.
^)er Einleitung fchliefet fich n °ü) jufammenfaffenbe Be*
fprechung ber Erhebungen über baS Schneibergemerbe an, roelche
Zu bem Ergebniffc gelangen, bafe bie ^Regelung ber Sohnoerhältniffe
unb ber Arbeitszeiten, bte SRefornt beS SehriingSrocfenS unb bie
Herftelluitg oon Betriebsroerfftätten behufs' Berbefferung ber
Arbeiteroerhältniffe im Schneibergemerbe oor Allen Berücfftchtigung
oerlaitgen. ^ie Einleitung fchlieftt mit ben .Porten:
„ 3 m (Ganzen genommen, roeift alfo baS abgelaufene 3 uh^
feinen Stiflftanb in ber H e ^uug ber arbeitenben klaffe auf.
BtancheS ift in btefer H^ufidjl erreidjt morbett, oieleS bleibt notf)
Zu thun übrig. Auf biefer Erfeitntnifj, in melier ftch wit ben
unmittelbar betheiligten Arbeitern alle ftaatSert)altenben Elemente
begegnen, beruht bie Wotbroenbigfeit ber 5Seiterführung
f 03 ialer Reformen!"
Die Orgatiifafion unterer AuffidjtSbcamten iu ben prettfif(|(tt
Bergtoerfen, bie itt bem neuen Etat oorgefehen ift, fam in ber
Sibung ber Bubgetfontmiffion bes AbgcorbnetenhaufeS am 13. bs.
Zur Sprad)e. Bon Seiten ber Regierung mürbe — nach 3 e üungS*
berichten — erflärt, baß bie Schaffung einer unteren WeoiftonS*
orgatiifation uotbmcnbig fei. Die 3 a hl ber Unfälle habe zuge*
uommeit; cs laffc fid) bas zum Dl)eÜ aus einer Bermchnmg ber
Belegfdmftcn bmih bie große 3ul)l jüngerer Sentc erflären, mehr
als bie Jg>ülflc ber Unfälle fei burd) Unoorfichtigfeit uttb Berlefcung
541
Sogiale präzis. Eentralblatt für Sogialpolttü. Br. 20.
542
fcergpolig'eilicfjer Borfchriften ^erbcigefüljrt. 3u ben ©ruhen fehle
e£ art einer bauernben Beauffid)ttgttng. 25agu feien untere Drgane
nothroenbig. 3ro lefcteit 3ah rc feien &ie Unfälle roieber fehr ge-
ftiegen: 1897 714 Sobte, 1898 928 dobte in allen Bergroetfe-
betrieben PreuhenS. Sie in anbere Sänber mit I^ernorragenbeit
Bergbaubetrieben entfanbten ^ommiffionen hätten ihre Beriete er-
ftattet. 25er Miitifter für |>anbel unb ©eroerbe gab nähere AuS-
fünft über bie belgifdjen Einrichtungen; bort bildeten nicht roirf-
licf)e Arbeiterbelegirte, fonbern oom (Staate aus ben Arbeiterfreifen
entnommene Perfonen bie unteren AufftchtSorgatte. Sie Erfahrungen
genügten aber noch nid^t, um fich ein fidjereS Urteil bilben gu
rönnen. tteberbieS fei es [ehr fdjroer, bie geeigneten Arbeiter 311
finben. Sie Erfahrungen in granf reich miefen barauf hi«/ ba§
bie Selegirten nach beiben Seifen hin unabhängig fein müßten.
3unäd)ft miiffe man fu<hen, bie Aufgabe mit unteren AuffichtS-
beamten burchguführen; fpäter fönne man bann oielleicht einmal
gu Arbeiterbelegirten übergehen. Auf ben Wunfdj, ben Bericht ber
abgefanbten ftommifftonen bem Abgeorbnetenljaufe oorgulegen, er-
flärte ber Minifier, biefem Wunfche ftehe an [ich nichts entgegen;
ber Bericht beziehe ftch aber nicht auf ben jefcigen BeaierungS-
oorfchlag. Er fei bereit, ber Bubgetfommiffion einige Ejemplare
beS Berichtes gu übergeben. Bon einer Seite mürbe betont, bah
im Allgemeinen gerabe jefct bei ben fteigenben ßöhnen auf
Stärfung ber SiSgiplin hingcroirft roerben müffe, ftatt nach Popu¬
larität gu ftreben; bie 3uftänbe Ratten fich bei ben Bergmerfen
fehr oerfchlechtert, bie Montagbummelei fei fehr ftarf eingeriffen.
Bon bcrfelben Stelle mürbe empfohlen, ber $ommiffion eine Senf-
fchrift über bie neue Einrichtung gu übergeben. — BegierunaSfeitig
erfolgte hierauf nähere Aus fünft über bie fünftig aufguftellenben
unteren Auffichtsbeamten; biefe mürben in ber &hat faft ohne
Ausnahme aus ben Streifen ber Arbeiter heroorgehen. — Eine
Befolution, bei ber oorgefdjlagenen erheblichen Erhöhung beS
Etats ber unteren Auffichtsorgane gleichgeitig bie Äoften ber
höheren Aufficht au oermehren, mürbe oom Bertreter beS ginang-
minifterS befämpft unb fchliefgUch mit 15 gegen 3 Stimmen abge¬
lehnt. Ser ditel, um ben es fich hielte, mürbe unoeränbert
genehmigt.
Bcrorbtraig über bie Belüftigung frembfprachluher Arbeiter
tut Sortmuitber BergamtSbegirf. 3ui Sntereffe ber BetriebSficher-
heit hat baS Cber-Bergamt tn ©ortmunb nunmehr bie bereits an-
gefünbigte Beifügung erlaffen, roonach frembfprachliche Arbeiter in
Bergmerfen unb ben bagu gehörigen Aufbereitungsanftalten unb
Brifettfabrifen nur bann befchäftigt merben bürfen, menn fie ge*
nügenb Seutfcb oerftehen, um münbliche Anroeifung ihrer Bor-
gefeiten unb Mitteilungen ihrer Mitarbeiter richtig auffaffen gu
rönnen. Als Auffeher, Mafd^inenführer, Pumpen- unb fteffel-
märter, Schiefemeifter, Wettermänner, DrtSältefte, Schacht-Beparatur*
hauer, Anfehläger, Abnehmer unb Bremfer an Schächten, BremS-
fchächten unb Bremsbergen, als 3 u gführer, Bahnmärter, Weichen¬
steller unb Bangirer bei Eifenbahnen über Sage bürfen fremb¬
fprachliche Arbeiter nur befchäftigt roerben, menn fie beutfch fomohl
fpredjen mie Iefen fönnen. lieber bie befestigten frembfpradhlidjen
Arbeiter ift eine ßifte gu führen, aus ber gu erfennen fein muh,
ob biefelben ben geftellten Bebingungen entfpredjen. gür 3 nroiber-
hanblungen ift eine ©elbbuhe bis gu 300 < 4 (. oorgefehen. gremb*
fprachlithe Arbeiter, bie fchon am Sage ber Befanntmachung ber
Berorbnung, bie fofort in Äraft tritt, auf Bergmerfen befchäftigt
finb, unterliegen ben Beftimmungen erft nach Ablauf oon fechS
Monaten. 3u einer Begrünbung ber burchauS gu billigenben Ber¬
orbnung mirb ausgeführt, bah bie 3®hl ber fremben ArbeitSfräfte
im rheinifdh-meftfälifchcn Sbhlenreoier oon 3 uhr 3 u Saht gunimmt.
Siefer 3«ftanb erfcheine oom fnherheitspoligeilichen Stanbpunfte
als bebenflich, gumal oom Shun unb ßaffen beS eingelnen im
Bergbau nicht allein feine Sicherheit, fonbern auch bie ber Mit¬
arbeiter abhänge.
SBeiMidje Vfßfteug bei ber ©etoer&eauffidjt in Württemberg. Audi
Württemberg tritt jefct in bie Steife beutfdjer (Singelftaaten ein, bie
weibliche ftilfsbeamte für bie ©eroerbeinfpeftiou heraiigichen. Ser neue
EtatSooranfdjlag fieljt bie AnfteUung einer Affiftenttn oor.
Eifenbaljnarbeiterftb u <? tu Oefierretdj* 3n einer Si^ung bes
parlamentarifchen EifenbahnauSfchuffes theilte ber öfterreidjifche
Eifenbahnminifter o. Wittef 9leformpläne mit, bie noch im Öaufe
biefes SahteS burchgefiihrt merben foKen. 3 unächft foüen ©e-
haltserhöhungen ber llnterbeamten, Siener, Siurniften, Weichen-
unb Blocfroäditer oorgenommen merben. 3ür bie in Solge oon
$lter ober Äranfheit bienftunfähig gemorbeuen nieberen Hngeftetlten
unb Arbeiter fomie beren §interbltebene foll eine beffere Regelung
ber ©nabengaben ftattfinben. 2lud) mirb eine Beform ber SllterS-
oerforgungSinftitute im Sinne meiterer Berbefferungen beabfichtigt.
Sie gut Erlangung beS BerforgnngSanfprucheS erforberlicfjc Sauer
ber Sheitnahme an bem Sufttiut foll oon gehn auf fünf
Sahre für jene Bebienfteten h^rabgefe^t merben, bie in Solge
^ranfheit ober einer nicht abfichtlicf) h e tbeigeführten förperlichen
Befchäbigung bienftunfähig gemorben finb. ferner erflärte ber
Minifter, bah fi(h bie StaatSeifenbahnoerroaltung beffen bemüht fei,
bafe bie SlngefichtS ber namhaften Berthenerung ber SebenSoerhält-
niffe oom Perfonal angeftrebte Erhöhung feines bienftlichcn Ein-
fommenS nur burch eine allgemeine, grunbfäfclich alle brei $ate-
orien bes Perfonais umfaffeitbe SReguIirung ber ftehenben Begüge
emerffteHigt roerben fann. 2SaS ben Slrbeiterfchuh beim Eifen-
bahnbau anlangt, foüen bie Arbeiter oertragSmähig gegenüber ben
Bauunternehmern gefiebert merben. Ser 2hiSfdjuh befdjloh, bie be-
Ö liehen fogialbemofratifchen Anträge roegen ber Slrbeiterfthufe-
immungen ber Bebingnihhefte einem Beferenten guguroeifen, ber
beauftragt mürbe, ben betreffenden ©efefcentrourf innerhalb ber oom
Parlament befchloffenen »an acht Wochen, bie Mitte gebruar
abläuft, auSguarbeiten unb oorgulegen.
3lrbcUenirrpiJjermig. öparfeaffen.
Sir Beratung ber ^BalibttütSUerftiherun^SnooeUe im
tage h ui öui 13. b. MtS. begonnen unb ift bei sihluh ber Bebaftion
biefer Bummer noch nicht beenbet. Wir merben baher erft in
ber nächften SluSgabe eine gufanimenfaffenbe Ueberftcht ber Sebatte
geben fönnen.
Sie Befdjlüjfe ber Bertreter ber beutfiheu BerftchernnaS-
anftalteu gu ber SufttlibitütSuauette, beren mir fchon furg in bel¬
iebten Bummer gebacht hu&eu, oerbienen eine eingehenbere Wieber-
aabe. Seiber oerbietet uns ber Baum, ben oolfen Wortlaut ber
Eifenacher Befolutionen miebergugeben, mir müffen uns auf einen
erfcfjöpfenben SluSgug befchränfen.
3n Begug auf „fiaftenoertheilung" mürbe bas Bebürfnifj burdj
2lcuberung ber jebigen (^efepci'bcftimmungen über bie SSertbeiliuig ber
Bentenlafi ben in ber Vermögenslage ber Präger ber Önualibttätsj-
unb SHtcrSDerfidjerung beftehenben Berfchiebenbciten Bcchnuug gu tragen,
anerfannt. desgleichen mürbe bas oon bem ©cfe&entmurfc angenom¬
mene Softem, monac| eine Scheibung ber ben fämmtlichen Berfichernnge*
anftalten nnb Äaffeneinrichtungen ermachfenben haften in eine ©emein*
lafi nnb Sonberlaften unb eine dbeilung ber oorhanbenen BerntögenS-
maffen in einen gur dragung ber ©emeiulaft unb einen gur dragung
ber Sonberlaften beftimmten Sfieil als geeignet angefeljen, als ©runb-
lage für eine meitgebenbe Ausgleichung ber oerfchieoen hohen Beladung
gu bienen, jeboch unter einer Beihc oon Boraimfepungen. der Bor-
fcfjlag bes ©efe^eutmurfs, ber oon ber Bentenlafi ben Äapitalmertl) ber
gangen Altersrenten unb ber gangen ©runbbeträge ber ^nualibeitrentcu
als ©emeiulaft, bagegen als Sonberlaft nur ben .Mapitalmertb ber febr
niebrigen SteigerungSbeträge ber ^noalibenrcnten bebanbclt fehen miß,
entfpricht ber Jorberutig nicht, monach ber dljcil ber Beuteulaft, ber
bem Sonberocrntögeu obliegt, fo bemeffen merben muh, bah bas 3u=
tereffe an einer forgfamen Bcrmaltung in auSreichenbcnt Mähe oerblcibt.
die Ucbcrtragung ber Eutfcficibung über Bcntenanträge an folchc Stellen,
bie ohne tereffe au ber deeftntg ber ermachfenben Saften finb, mie
bie im Entmurf oorgefebenen Bentenfteßen, ift mit bem angenommenen
Spftem ber Saftenoerthcilung unoerträglich. 3» bas müffen aus-
reichenbe Beftimmungen über ben Umfang ber Berpflichtung ber ©a-
rantie-Bcrbänbc gur Haftung für bie Berbinblichfciteu ber Anftalt
(.taffeucinrichtung) unb ben 3 e üpuuft, mo tu Wirffamfeit tritt, auf¬
genommen merben. die im Entmurf oorgefctilageuc ^rabfepung ber
Beiträge für bie 1. unb 2. Sohnflaffc ift gu oermerfen, ba baburch btc
Seiftungsfähigfeit ber bislang befonbes fchmer belüfteten Anftalteu
noch oerringert merben biirfte. das j;e&t geltcnbc ^apitalbectungSocr--
fahren unb bie Bcfugnih ber BerfichcrnngSanftalten gitr Bilbuttg oon
Büdoerficherungsoerbänben ift Bctgubeljaltcn.
die Bcrfantmlung erflärte fiefj gegen bie Einrichtung oon Beuten-
fteUen, meil fie fel)r theuer, nicht uöthig unb ungmeefmähtg fmb. die
Steigerung ber Bcrmaltungsfoften, bie" baburch oebiugt ift, mirb eine
auherorbentlich ftarfe fein, unb ba bie Beutenftellen gmar „Crganc ber
Berfichcrungsanftalten" genannt merben, in Wahrheit feborf) lebigliri)
Organe ber SanbeS-Eentralbehörben finb, fo mirb baburch ber Äcim gu
differengeu gmifd^cn ben Berfidieruugsauftaltcn unb Bcnteiiftcflcn gelegt.
3urB ea uf f t dj ti gu 11 g berBerf t d;eru ug San ft a 11 eu eradjtete mau
es nicht für angemeffen, beit Saubes-Eeutralbehörben eine fo meitgeheube
Machtoollfommcnheit einguräumen, mie fie ber Entmurf namciitlid) he=
treffs ber BentenftcHeu unb Eingugsfteßen oorficht.
die Berfammluiig hielt bie Steigerung ber ©runbbeträge
für bie eingelnen Marteuflaffen an fid) für gmeefmähig, ftimmte iubefien
ber Art ber Ausführung Deshalb nidit gu, meil 1. bie oorgeiehnieu
1 Abfiufungen für bie eingelnen Marlcnflaifen gu erheblid) finb unb einen
543
® 03 ialc 5ßraji3- Ecntralblatt für ©O 3 ialpolitif. 9fr. 20.
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gcrcdjten Ausgleich bco ^crtiälliiiffce 3wifd)cn bcu dienten* linb ^Beitrags*
iciftnngcn md)t bewirten, lucit 2. bet Verfidicrnngcn in oerfd)tcbcncn
2 ol)nHaffen ober bei ber Anrechnung oon Hranfl)eits= ober Militär«
bienft^citcn fogar ^äflc cintrctcn fönnen, in beiten fid) ber dienten**
aitfpruch eineö Zerflederten in B*oIgc Verfcjjung in eine nteberc Sohn*
flaffe burd) bie fernere (Entrichtung non VeitragSmarfcn ftetig oerringert,
unb weil 3 . ber (Entwurf feine dtütffidjt barauf nimmt, ob bie Beitrags*
letftung ununterbrochen erfolgte ober nidjt. Enblid) einigte man ftdj
nod) bal)in, einen größeren Aufmanb 311m 3 wecfe ber 3 n ^ im 9 »ott
Altersrenten auch jept nicht für jnläffig 3U erflären.
Der 5 . ^uuft ber DageSorbnung betraf „dRarf enoerwerihung
unb ©ültigfcitsbauer ber £uittungSfarten". 1 . Die (Ein*
fiiljrnng oon Sftarfenftütfcu für längere 3 c iträumc ift geeignet, bie Vei*
tragsletftung 311 erleichtern; bod) finb gegen llnreblidjfeiten geeignete
Maßnahmen 311 treffen. 2. dtebeit ber Anorbnung einer obligatorifdten
(Entwertlunig, menigftenS ber für längere 3 eit geltenben üliarfen, ift eine
länger bemeffene ftrift beijubefjalten, nach beren Ablauf bie nicht 311m
Umtanfdj eingereiditen £uittungsfartcn ihre ©ültigfeit oerlteren, ba
fonft bie luidjtigften ftriftbeftimmungen ihre Vebeutung 3utn grof3en
Dljeile einbiiHen. B. 93 Senn es bislang fchott bebenfUch mar, baß bie
A^etge bes VerluftcS einer £nittungsfarte 3ur llebertragung bcS nad)**
gemiefenen Inhalts ber Harte in bie erneuerte Harte führt, fo mirb
bies oöllig unsuläffia, raenn ber Harteninhalt in 3 ll f un f* einen SBerth
oon GO M. unb mehr erreichen fann. — 4 . Die neuen Veftintmungeit
bes (Entwurfs über bas (Ein^iefjungSoerfahreu laffett beujenigen (Einfluß
ber 58 erfi<heruugsanftalten auf ihre (Sinnahmen unb Ausgaben ocr*
miffen, ohne ben ftc bie Verantwortung für bie Durchführung bcrVer*
ftcherung nicht tragen fönnen.
3um lebten fünfte, „lieb erg an gS b e ft im m ungen" betreffend
fprad) fidt bie Vcrfnmmlung bahin aus: 1 . (Es erfdjeint nicht angängig,
bie Vemeffutig beS ©runbbetrages ber 3 noaliben* unb Altersrenten für
foldje $erfonett, bie bem Vcrfid)cruugS3mange neu unterteilt merben,
in ben erften fahren nach ^ufrafttreteu beS betr. ©cfc^cs aus) d) lieblich
oon ber $ölje nur weniger bcigebradjter Warfen abhängig 311 machen,
um fo meniger, als bie feafjl biejer Warfen bem belieben beS Ver*
fidjerten anheimgefteHt ift. (Eine ähnliche Veftimnumg, mie fie ber feit*
herige §. 159 für bie Altersrente enthält, mirb für bie dienten nicht
entbehrt merben fönnen. 2. Die Veftimmungen über bie Erfüllung ber
2Barte3eit fönnen im allgemeinen als eine Verbefferung ber feitherigen
dtetfjtslaae augefehen merben, bebürfeit aber einer beftimmteren unb
flareren Raffung. 3 . (Sbeufo geben bie Vefiimmungcn über bas 3 nfraft*
treten beS (ÜefepeS unb feine Anmenbung auf fdjmebenbe dtentenanfprücf)e
311 3 rueifcln Anlaß. 4 . (SS ift münfchenSmerth, bie UetergangSbeftim*
muugen unb bie Vcftimmimgcit über dtentenI)Öht’ unb 5Mnrte3eit fofort 1
mit ber Verfüubiguug beS ©efefces in Hraft treten 311 laffett.
(Enblich mürbe ein Ausflug mit bem Auftrag gebilbet, für
ben Satt beS 9 hcht 3 uftanbefommenS beS VorfdjIagS einer anber*
weiten Verkeilung beS Vermögens unb ber dtentenlaft in biefer
©effion bie Qrage 3 U prüfen, „ob unb in welcher döeife ein foldjer
Ausgleich burd) bie Vilbung eines $Rücfoerfid)erungS*
o erb an b es 3 U erreichen ift."
Vefdjlüffe ber rhrimfdj-toeftfftlifdjeit ©roftinbnfirietlen jur $n*
oalibeuücrftdjerungSnoueflc. 3u bem Entwurf eines 3noalibitätS*
unb AlterSoetfidjerungSgefeheS hat ein oon ben wirthfchaftlichen
Vereinen in S^^cinlanb unb fBeftfalen eingefefcter AuSfchufc am
6 . gebrnar in Diiffelborf bie folgenben Vefcfjliiffe angenommen:
1. (Sntfpredjeub ben Vefdjliiffen 311 bem 1897 oorgelegten Entwurf
hält bie Snbuftric bie 3ufammenlegung ber Snoalibitats* unb Alters*
oerfichcruitg mit anbereu 3 ,lu 'igcn ber Arbciterüerfidjeruug unb bemge*
mäfj «udj bie ^erfdjmel^ung ber Hranfen*, Unfall* unb Snoalibenoer*
fichcruug in eine biefc brei 3mcige ber $krficberuug in fidj oereinigeube
£rganifation für unausführbar.
2 . 5 Dtehrere ^eftimmungcu beS neuen Entwurfs finb geeignet, eine
dleihe oon SWißftäubeu 311 befeitigen, bie bei ber Durchführung bes
Olcfehes heroorgetreteu finb. 3u biefeu Seftimmungen fönnen aber bie
oon ben iUtotioen fo warm empfohlenen örtlidien Aentenftellcn nid)t ge*
redjnet merben, gegen bereu ISiuriditung fid) bie ^nbuftrie mit aller
(Sntfd)iebeuhcit erflären muß. Sie befürchtet oon ber (Siurichtuug ber*
felben eine 3 i mahmc ber fojialbemofratrifchen Agitation, eine ßr*
fcfjütterung ber (Sinheitlidjfeit in ber ^rayis ber Aentenbemilligung unb
eine £ueüc oon Honfliften 3mifdjen ben dientenfteücn unb ben SJcr*
fidjerungsanftalten.
3 . Die be3iiglid) bcS 3 )larfenfi)ftemS unb ber (Srhebuug ber 53 ei*
träge oorgefdjlageucu neuen ^eftininumgeu merben für geeignet er*
adjtet, baS Verfahren 31t erleidjtern unb bie Erhebung ber Beiträge
mehr nl* bisher ficher 311 ftellen, unb es mirb anerfaniit, baj) bis auf
Weiteres bie Äenteubemeffung nad) Arbeitsbauer unb Lohnhöhe unb in
SSerbinbung bamit and) ba^ iOlarfenfijftem bei3ubehalteu fei.
4 . Die in s i>orfdilag gebrad)te anbermcitige s D'crtfjciliing ber dienten*
laft unb bie bamit oerbnnbene Auftheilung bei? Vermögens fann uidjt
als gcredjtfertigt anerfanut merben. 2i$cnu bei einzelnen 33 erfid)eruugs*
anftalten bas oielleidjt mir oorübergebenb heroorgetretene 'licifmerhältnifj
3mifd;cn bem erforbcrlidjeu Dccfungsfapital unb bem oorhanbeneu 58 er*
mögen überhaupt ein bauerubeS merben füllte, fo barf beuifelbeu burd)
bie Honfisfation eines DheileS bes angefammelten Vermögens günftiger
fituirter Anftalten fdjou um beSmilleu nid)t abgeholfen merben, meil
barin eine fdjmere 3 ?eeiuträd)tigung ber oerftdierteu Arbeiter liegen
mürbe. And) betritt bas oorgefd)Iagcne Verfahren ben Bcg einer
)03ialiftifd)en Auftheilung bcS .Kapitals, ber 311 ben bebcnflidjften Hoitfe*
guen3eu führen fann unb tnSbefonbere 31t einer oerhäugnihooHen Gr*
lahmung beS 3 ntereffeS an einer meitern 5 ßermögensbilbnng ber ein*
feinen l^erficheningSanftalten 3meifelloS beitragen mürbe. §eitc SRife*
ftänbe merben aud) heute noch burd) oeränberte ©ruppirung ober
3 ufammenlegung ber ^crficherungSanftalten innerhalb ber in ^rage
fontmenben 5 BunbeSftaatcn ober burd) (Errichtung einer AeidjSauftalt
befeitigt merben fönnen, bei ber bas augefamnielte Vermögen ben An*
ftaltcn 3U beiaffen unb bie 33 cttragShöt)c beisubehaiten, aber mit einer
neuen Decfungsfapitalbübung für baS gefantmtc dleich 311 beginnen märe.
5 . ©egen bie im (Entmurf oorgefchlagenc mefentliche (Erhöhung ber
©ruubbeträge ber ^snoalibenrcnte unb bie bcmentfpredjcnbe SRtnbcrung
ber Stetgerungsfäpe muß ©infpruch v erhoben merben, ba einerfeits
SiHigfeitSgriinbc in feiner Söeife für biefc 2 Raßnal)me angeführt merben
fönnen, anbererfeits mit ber nur ber „©emeinlaft" 3ufaüenben (Er*
höhung iufofern eine grofee ©efahr oerbunben ift, als fie bas ^"tereffe
ber einjeluen 33 erfid)emngSanftaIten an einer weiteren Vermögens*
bilbung hintanhält.
6. (>Jegen bie Seftimntung bes (Entwurfs, nach welcher bie 2 anbeS*
fontrolbehörbe befugt fein fofi, gegen ben oon bem AuSfdjuh ber Ser*
fid)eruugSanftalten aufgeftellten (Entwurf beS SoranfdjlagS Anftänbe 31t
erheben, utib wenn biefe nid)t befeitigt werben, ben 00m AuSfdjnffc
feftgcftellten ^lait eutfpredhenb 3U äitbern, muh gefien baS $rin3ip ber
©elbftocrroaltung oerftohenb, Verwahrung eingelegt werben.
ftranfenüerfidjerung ber ftäbtifcheu Arbeiter in Wzvtin. Die
Oemeinbebehörben haben burdh ein neues DrtSftatnt beftintmt, baft
oom 1. April b. 3- ab alle bisher nicht franfenoerficherungS*
pflichtigen, in Hommunalbetrieben unb im $onununaibienft oe^
fd)äftigten V^fonen ber UranfenoerficherungSpflicht unterliegen
follen, foweit fie nicht Seamteugualififation befiben. Da baS DrtS*
ftatut über bie 3orm ber SSerficherung feine SÖeftimmung enthält,
hat ftd) neuerbingS bie ©ewerbebeputation beS dJtagiftratS mit
biefer Srage befaßt unb befdhloffen, eine neue BetriebSfranfenfaffe
3 U errichten. Der ^efdblufe bebarf ber Seftätigung burch 3J?agi)trat
unb @tabtoerorbneten*3$erfammlung.
DaS AtterSUerforgungSgefeh tu 9leitfeelanb ift nun ein Sahf
in $raft, unb, foweit ferne feirfung ftth überfehen läfet, ift man
bamit äufrieben. 3^adf) bem ©efefce hat jeber dRanti unb jebe 5*au,
bie über 65 3^h re alt finb unb nicht 680 J(, (Einfommen im 3ahre
haben, ein Anrecht auf eine Sßenfion oon 6 sh. unb 11p. wöchentlich
ober 360 c // im Sahre. 2Benn fie aber mehr als 680 fi 3ah*eS*
einfommen haben, fo wirb bie Venfion um je 20. -// für20,.y/ Ueber*
fhuh oerminbert. §at jetnanb aber im Qahre 1080 ^ Ginfoinmen,
fo wirb feine ^enfion me ^ r heiahlt. ßefetere Seftimmung bezieht fich
nicht auf ein (Ehepaar. Alte (Eheleute, bie 3 ufammen wohnen, muffen ein
(Einfommen oon 40 JL bie SBodhe haben, ehe eine Skrfüqititg ber
ißenfion eintritt. AuSgefhloffeu finb Verbrecher, bie über ein 3ahr
©träfe erhalten haben, unb ©ewohnheitsfäufer, bie in Anftalten
unter 3 ubringen finb. 3m Salle, bafe eine alte ^erfon baS erhaltene
©elb oerfchwenbet ober burch ©eifteSfdjwäche unb bergletchen 3 Utf
ftänbe ihre gamilienmitglieber behinbert, ift ber DrtSgeiftliche,
SriebenSrichter ober eine oom dichter eingefehte VertrauenSperfon
ber (Empfänger unb Verteiler ber 5ßenfion. ©an 3 auSgefchloffen
finb aEe fogenannten Afiaten, befonberS (El)inefen unb ERalaien,
oon ben SBohlthaten beS ©efe^eS. Die (Eingeborenen oeS VanbeS,
bie Vtaori, haben bagegen genau bie gleid)en Ved)te wie bie döeifeen.
Die burd) baS ©efefe oerurfachten Ausgaben belaufen ftd) auf
jährlid) 2 dRiHionen dJiarf, bie aus ben oorhanbenen Mitteln, ohne
neue befonbere ©teuer auS 3 ulegen finb. Das ©efejj wirb nun noch
faft brei 3af)re in ©ültiafeit bleiben, bann aber wohl, wie eine
&orrefponbeit 3 ber „$at.*3tg." aus Aucflanb meint, ohne Weiteres
oerlängert werben.
AuSfd)itf?ft^itng beS VerbanbeS beutfdfer ArbeitSnachwcife. Am
11 . b. ®t. traten 001t ben Vtitgliebern beS AuSfchuffeS bie §erren
Dr. Sfreunb, Vorfijjenber, Verlin, ©efd)äftsführcr ArnolbS*Düffel*
borf, ©tabtratf) 3lef<h*Sranffurt, Domoifar ©roü*3Riinfter, dted)tS*
rath 3 Wen 3 iiigcr* s itünd&en, dfath diaumann*.J)amburg, ©emeittberath
©tocfmai)cr*©tuttgart, unter Dheilnahtne mehrerer ftatiftifcher ©ach*
oerftänbiger, 311 einer ©ihuitg jufautmen. Die wtd)tigften fünfte
ber Dagesorbnung waren: 1. dRahnahmen bes VerbanbeS besüglidh
ber Vcrforgung ber £anbwirthfchaft mit Arbeitern unb 2 . Vtafe*
nahmen bes VerbanbeS be 3 Üglid^ ber Einführung einer einheitlichen
ArbeitSnadjmeiSftatiftif.
Soziale $rayt3. ©entralblatt für Sogialpolitif. Rr. 20.
546
545
$He Verßanblung über ben erften ©egenftanb rief ehte lange unb
eingebenbe $>i$fufftoit ßeroor; eg mürbe befcßloffen, im Augfdjluffe an
ben auf ber Verbanbgoerfammlung in Rtündjen angenommenen Antrag
3lefdj*@rott an fämmtlicße Arbeitenacßwetfe beg Verbaitbeg ein 3irfular
gu fenbeit, worin biefc erfaßt werben, ben lofalen Verbältniffen ent*
fpredjenb bie Vermittlung oon Arbeitefräften für bie Öanbwirtbfcßaft
möglichft gu beförbero unb bie im £aufe beg fich ergcbenben
©rfaßrungen ber ©entralftelle mitgutßeilen. Auf ber nächfieti Verbanbg*
oerfammlung foll fobann, an ber §anb biefeä Rfoterialg, ber ©egen*
ftanb nocßmaIg oerßanbelt werben. 3 n Setreff beg gwetten Sßunfteg
ber SageSorbnung war man oon oornßerein übergeugt, baß eine ftreng
einheitliche Arbeügnacbweigftatiftif gur 3 e it nicht burdjgefüfjrt werben
fönne — audfj nicht als reine ©efchäftgftatiftif. $te bem Verbanbe
angeßörenben Arbeitenacßwetfe finb in ihrer ©inrießtung [ehr oerfdjiebeit;
ber Umfang ihrer $bätigfeit fteigt oon einigen §unbert auf mehr alg
.ftunberttauienb, bag Vitblifum befteht hier faft aitefcßließlirfj au« unge*
lernten, bort gum wefentlichen Stheil aug gelernten Arbeitern, ber eine
Vach weis oermittelt oorwiegenb £age§arbeii, ber anbere bauernbe Arbeit;
halb werben ^affanten in bie Öiften eingetragen, halb nicht, in ber einen
Stabt werben nur männlichen Arbeitnehmern Stellen oermittelt, in oer
anberen auch weiblichen; bie Vermerfunggfrift fdjwanft oon 1 £ag bis
gu 90 Sagen u. f. w. 3nt $tnbltcf auf biefe Verßältniffe würbe be*
fchloffen, bie Verbanbg*Arbeitenacbwetfe gu erfaßen, bie folgenben
fünfte in ihrer ©efßäftefabrung 3 U BeriicCftchtigen: 1. oor Allem ben
©runbfaß angugeben, wonach fie ihre Statiftif auffteHen, 2. männliche
unb weibliche Arbeitnehmer aetrennt in ben Siften xu führen, 3. ^affanten,
t'elbft wenn fie nicht in bie Öften eingetragen werben, wenigftenö famma*
rifch angugeben, 4. ihren ©efßäfteberißt an bie Verbanbgfßrift „Arbeite*
rnarft", möglttfjft eingehenb abgufaffen unb bie ©rürtbe für etwaige auf*
fällige plöfelidje Aenberungen angugeben, 5. ihrer ©efßäfteführumi bag
in einigen fünften abgeänberte unb oeretnfaßte Formular ber Schein*
äJtaimfßen ArbcitSoermittelungäfteflen gu. ©runbe gu legen.
©nbliß würbe übereinftimmenb betont, baß eg für bie gebeih-
lidhe ©ntroicfelung ber Arbeitenaßmeife, namentlich im 3ntere|fe ber
Sanbmirtßfßaft, unerläßlich f e V baß $oft unb Telephon mehr in
ihren £)ienft gefteHt würben, entweber baburß, baß ben unpartei*
ifßen Arbeitenaßroeifen ©ebüßrenfreißeit gewährt ober, nach bem
Vorgang fübbeutfßer Staaten, auch oom preußifßen Staate ein
entfpreßenbeg ^aufßquantutn an bie eingelnen Arbeitenaßweife
gegahlt würbe.
Streiülaufel ber gürißer Arbeitebörfe. SDie Züricher Arbeite*
borfe hat folgenbe Vcftimmungen für Streiffälle in ihr Reglement
aufgenommen: 1 . Vei ©intritt eineg Streite ober einer Aug*
fperrung ftellt ber Arbeitenaßmeig feine Sßätigfeü für ben be*
treffen ben ©efßäftegmeig ein. 2 . $)ie SSieberaufnaßme beg Arbeite*
naßweifeg hängt oom Vefßluß eiiteg gu gleichen Sßeüen aug
Arbeitern unb Unternehmern befießenben ©inigunggratßeg ab.
3. 3 tot göHe bie Aufnahme beg Arbeitenachmeifeg auf ©cunb eineg
folgen Vefßluffeg oor Veenbigung beg Streite erfolgt, behält fiß
bie Arbeitebörfe bag Reßt oor, Arbeitfuchenbe oon ber Anbauer
beg Streite in Kenntniß gu feßen. 4. Steigern fich bie Arbeit*
gebet, fich einem ©inigunggoerfahren angufßließen, fo behält fich bie
Arbeitebörfe bag SRecht oor, nach ©utbünfen im ©inoerftänbniß
mit bem betheiligten Arbeiteroerbanb oorgugehen.
Kommunaler Arbeitgnaßweig in Simbott. $)er Jahresbericht beg
Arbeitönachweifeg ber Sonboner ©entetnbe Vatterfea pro 1898 aiebt an,
baß fiß Sericfiteiahre 1739 Rtänner unb 174 grauen um Arbeit an
bag Vureau wanoten; ber größte Sßril entfiel auf ungelernte Arbeiter.
Vacbgewiefen fonnte Arbeit bloß für 522 Sßänner unb 27 grauen
werben, begw. würben 34% ber Arbeitfudjenben untergebracht.
Aeihtefihn^Biireatt für Unbemittelte in Verlim ©inen wichtigen
Schritt auf fogtalem ©ebiet hat ber berliner Anwaltoerein gethan.
5)er Verein will ein Vedjtefthufcbureau für Unbemittelte errichten.
$)ie „Vlätter für Vechtgpflege" theilen über biefen ^lan mit:
$5er Vechtgfchub foD unentgeltlich für bag $ublifum feiteng ber
Anwälte erfolgen. £ie ^hätigfeit beg Vureaitg foü gunächft lebiglidh
in ber Vathertheilung unb in bem ©ntwurfe oon ©ingaben beftehen.
Selbftoerftänblid) foll ber Schup nur Unbemittelten gewährt werben,
©g ift ing Auge gefaßt, bag Vureau werftäalidh oon 10 big 2 unb oon
6 big 10 Uhr geöffnet gu halten, währenb Die Spredjgeit ber beputirten
Anwälte auf 7% big 9 1 /* Uhr Abenbg in Augfidjt genommen ift. Vom
Verliner Anwaltoerein foü ein aug fünf ^erfonen beftehenber Vor*
ftanb gewählt werben, ©g wirb an bie Vedjtganwälte in Verlin unb
Utngegenb bag ©rfuchen gerichtet, fich alljährlich ntinbeftettg für gwei
Abenbe im gahre gur Vatherthrilung im Vureau gur Verfügung gu
[teilen. Schon jefct haben fidj faft hnnbert Vedjtganmätte bereit ertlärt,
in bem gu errichteuben VechtgfchubBureau thätig gu fein, ja eine nicht
unerhebliche Angabi hat fich erforberlicben gälte für gwölf Abenbe im
gahre gur Verfügung geftettt.
Spettben bet beutfdjen Aftiengefel(f(httftett für Arbeiter. Xie @c*
fdjäftgabfchlüffe ber beutfd;en inbuftrieüen ©efeüfdjaften geigen bie gur
Seit auffteigenbe Unternchmunggluft unb giinftige Sage ber beutfepen
gnbuftrie; fie geigen aber gugleich bie befonberg erfreuliche ©rfdjeinung,
bab in neuerer Seit häufiger alg bigher ben Veamtcit unb Arbeitern
ber beutfdjen Aftiengefeüfdjaften tn oerfchiebenen gormen ein Antheil
am Reingewinn gu 2;h e tl mirb. $>ie Sogial-Äorrefponbeng ftellt eine
©hrentafel oon 58 Aftiengefeüfcbaften auf, bie nad) ihren ©efchäfte*
berichten oom 1. 3uli ober 1. Oftober 1898 heuer ber Wohlfahrt unb
Sufunftgficherung ber bei ihnen wirfenben Veamten unb Arbeiter außer
ben fontraftmäßigen Tantiemen unb ben ben Arbeitern gefeplidj gugu*
weifenben Vetvägen für bie Arbeiteroerfidjerimg gufammen bie Summe
oon 1 975 272 JL überwiefen ober für biefen Smecf in Vorfcßlag ge*
brad)t haben. Soweit ftd) folcßeg aug ben Angaben mit einigem An*
halt ermitteln läßt, entfällt hieroon auf ftatutarifdj geregelte ißenßong*
fonbg ber Vetrag oon 896 600 JC, auf ©ratißfationen, Unterftüßungen,
gemeinnüßige Anftalten unb fonftige meßr bem freien ©rmeffen ber 5;i*
reftion gur Verfügung fteßenbe Veträge 978 472 JC, auf ben Vau oon
Veamten* unb Arbeiternofjnungen 90 200 JC . unb für bie Verufgaug*
bilbung oon Soßnen ber SBerfgangehörigen 10 000 M.
elferfommtfflmt ber Äieler ©efeüfchcrft freitotüiger Armenfrettttbe
1873 big 1898. Um in oorübergeßenben Vorfällen nießt unwürbigeit
Seuten bigfrete „$ütfe", nicht Armenpflege ober Verforgung, gu bringen,
würbe in $iel bie „Reifer"fommiffion*) 1873 gegrünbet, bie neben ben
freiwiÜigen geifern auch amtgmäßige Arbeiterinnen (meift ^iafoniffinnen)
beschäftigte. 2)ie $eIferfommiffion tritt bei Sdjwädjlichfeit ober Äranf*
ßeit ber ober beg ©begatten, Wochenbett, Konfirmation, Vrrwahrlofung
oon Kinbern, gur gorthiilfe im ©efcßäft, bei briiefenben Scpulben, .jpetnt*
reifen, Arbciteloftgfeit, Vebarf an Schulbüchern, Vejpeifung oon Sdiul»
finberu u. f. w. ein. Aug bem Scßooße ber Kommifßon famen bie An*
regungen gut Vorbilbungganftalt für Kinbermabdien, einer Vfeunig*
fparfaffe, einer Kranfenftube für Kinber, eineg neuen Sombarbg (2eit)=
amteg), ber Auffidjt über bie Äoftfinber bureß Reifer, eineg Sieben*
haufeg ober Altenheimeg (Kaifer Söilhelm-Stift), gur Reform ber SBödjne*
rinnenpflege unb gu einem Söödjnerinnenafijl, einer Augfunftefteüe für
3Bohltl)ätigfeit, gu bem Verfucß, bie Speifeüberrefte ber lorpebobioifion
hülfgbebürftigen Sdjulfiubern gu Rtittagginaßlgeiten guguwenben, gur
Vefcßaffung oon Arbeit, ©rrießtung einer Krippe u. f. w. Rtit biefer
Kommiffion in Verbinbuna fteßen bie Koutmiffion gur gürforge für
entlaffene ©efangene, ber Arbeitg*, Voltebibliothefg*, Sontbarb*, Volte*
bab*, VJartefcßulfoni'miffton, fowic bie Kommiffionen für bie grauen*
(^cwerbcfcßulc, Voltefilcße, ^erieufolonicn, Kaffeefcßäiife, haugwirthfeßaft*
lidjen Unterricht unb allgemeine ArbeiteuadjwetefteÜc. $iefe ßat 1897
3044 ^erfonen gegen 2278 im 3aßw 1896 eingefteüt bei 8453 (8210)
angebotenen Arbcitefräften, 3890 gu befeßeuben Steüeu unb 2084 Arbeit*
gebern.
9latnrateerpflegttnggtoefeit tu ber Scßweh. ^Dent Saßregbericßt
beg leiteitben Augfcßuffeg beg internationalen Verbanbeg für Rahiral*
oerpflegnng bebiirftiger Vknberer pro 1897/98 ift gu entnehmen,
baß im 3aßre 1897 tn ben elf gum Verbanbe geßorenben Kantonen
im gangen 140701 Verpflegungen gewährt würben, worunter 39189
Vrittaggoerpflegungen unb 101512 Racßtoerpflegungen. Von ben
Verpflegten waren 53 /65 % Schweiger, 33 , 0 6 % S)eutfcße, 9,4 %
Defterreidfjer, l /3 % Italiener unb 2,29 % Angehörige anberer
Staaten. $>ie ^rogentgaßl ber Scßweiger ßat gegenüber früheren
Qaßren ftetig etwag abgenommen, biejenige ber 2 )eutfcßen etwag
gugenommen. 3)ie ©efammtfoften belaufen ftch auf 123 769 Steg.,
wooon 53 732 $rcg. alg Staatebeiträge geleiftet würben, ©ine
Verpflegung fommt pro Kopf ber Verpflegten auf 87 ,9 Rappen.
Racßbem in ben leßten gaßren bie 3 aßl ber Unterftüßten beftanbia
jurii cf gegangen war, fteigt fie wieoer langfant unb gwar entfälfi
oie oermeßrte 3«qüeng ooUftänbia auf bie Altergftufe oon 20 big
30 3aßren. Vegüglicß ber Verufe ber Unterftiißten fteßen wie immer
bie Scßneiber, Väcfer unb Scßloffer mit ben hötßften ^rogentgaßlen
obenan. $>iefe Verufe finb offenbar überfüllt unb gwar ßaupt*
fäcßlicß in 3 folge einer ftßranfenlofen ßeßriingggücßterei.
Von ben elf Kantonen, welche bem Verbanb angeßören, ift in
oier bie Raturaloerpflegung oerftaatlicßt. SDagu fommt nun nod)
Vern, wo bie Amte(Vegirte)oerfammlungen bag Dbligatorium ein*
füßren fönnen. 3 äridß ift ein ©efeßentwurf für ©infitßrung
ber ftaatlicßen Raturaloerpflegung bereits au gearbeitet, man ftubire
nur noeß bie Organisation beg Arbcitenacßmeifeg. Vtit biefem fteßt
eg auch im internationalen Verbanb noeß fcßlimm. Vericßte*
jaßre ift bie 3aßl ber Arbeitgoermittlungen oon 2 ,»% auf 1 , 37 %
ßerabgefunfen. ßeßteg gaßr ßat eine gemeinfame Konfereng gwifeßen
4»elegtrten beg Verbanbgaugfcßuffeg unb ber ©ewerbeoereine ftatt*
gefunben, welcße befcßloffen ßat, an fämmtlicßen Orten, wo Ratural*
oerpflegunggftationen befteßen, Arbeitenacßweigbureaug einguriditen,
*) ©cfellfdjaft freimütiger Armeiifreuube in Miel. Vcridjt ber Mont*
mtffioncn für bie $cit oom 1. April 1897 biv 31. iWärg 189s. Miel.
Xrudf oon ©ßr. Donath-
Soziale fragte. (Scntralßlatt für Sogialpolitif. Ar. 20.
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roeldhe unter ftd& in Berbtnbung gu treten haben unb an ben fmupt*
orten Steüenangeiger heniuSgeben füllen, Eine Äommiffion fott
nun bie näheren Befiimmungen fefifeßen. 3w Aargau toirb baS
llmfchauoerbot, roeldjeS in |mnbtt>erferfreifen fo otel Erbitterung
oerurfachte, roieber aufgehoben merben.
fttnoffmfäaftsimtfm.
äonfntti*, Bau* unb SparUereitt „fßrobttfttott“ in Ham¬
burg, e. ©. nt. b. £., ift ant 3 gebruar in baS ©enoffenfchaftS*
regijter eingetragen roorben. S)ie Begebungen ber aus bei* orga*
niftrten Arbeiterfchaft Hamburgs unb Umgebung hentorgegangenen
©enoffenfehaft finb, roie mir bereite berichtet haben, gunächft barauf
gerichtet, ben SFonfttm gu oraaniftreit, um bann eoentueH fpäter,
toenn ber genügende Abfaß gefiebert ift, je nach Bebarf, gur Eigene
probuFtion übergugehen. ©eplant ift für fpätere 3eit ebenfalls bie
Errichtung einer SparFaffe foroie ber Bau gefunber Arbeiterrooh*
nungen. Seber ©eßhäftSantheil beträgt 30 ,4{. f oon benen jährlich
minbeftenS 10 Jt begabt merben muffen. $)er Anfang beS Unter*»
nehmend ift, mie ber „£>atnb. $orrefp." melbet, geftegert, ba eine
genügenbe Angabi ßRitglieber ihren Beitritt erFlärt hat. Sn allen
Stabttbeilen finb Annahmestellen oon BeitrittSerFläruugen ein*
gerichtet. — Sir hoffen bemnächft oon guftänbtger ©eite eine ein*
gehenbe Darlegung ber 3wecFe unb 3iele beS bebeutfanten Unter*
nehmend oeröffentlichen gu Fönnen.
%ie ffarfe Bmtalpite ber lattbtotrtfjfdjaftlidjen Eenoffenfchaftett ttt
$cutfdjl<mb bauert immer noch an. 3m Sahre 1898 hat ftch ihre 3ahl
um 1085 oermehrt unb ift oon 11 095 aut 12180 geftiegen. Unter
leßterer Ballt finb 8655 länblidje Spar* unb $arlcI)itSfaffen', 1059 ein*
getragene AobftoffbegugSuereitte, 1758 3J?olfereten unb 708 fonftige We*
noffenfdjaften. — Aod) größere gortfehritte als bie 3abl ntadjt jcboch
bie einheitliche Erganifation ber länblichcit Wenoffettfdjaften im Atlge*
meinen Bcrbanbe ber beutfehen lanbmirtbfdjafilicben Wenoffettfdjafien
(gu Cffenbacb), bem fich außer beit neuen nach »»b nad) auch bie älteren
Wenoffenfdjaften immer gasreicher anfcblteßen. £er Allgemeine Berbattb
ift im 3ahre 1898 oon 4574 auf 6831 Wett offen f (haften angemadjfett.
Seine Annahme iibertrifft alfo mit 1757 Wen offen fdjaf teil mett baS ge*
fammte Autoacbfen ber lanbmtribfdjaftlidien Wenoffcnfchaften um 1085.
Bcfottbers hat fich ber große Sanbesoerbattb ber batjerifdjen £arlchns*
faffenoereiitc bem Allgemeinen Berbattbe neu angefdiloffcn. 2)ie ge*
fantmten Wenoffenfchaftett haben fid) um 9,8%, bie beS Allgemeinen
BerbattbeS um 38,4 % oermehrt. Am Anfang be§ Saßres 1898 gehörten
im Bergleid) gur Wefammtgaljl ber Ianbioirthfchaftlidjen ©enoffenfdjaften
bem Allgemeinen Berbattbe 41 u /o, am Enbe beS ^aljres 52 ü 0 an.
3unt erfteri Bial ift jeßt eine abfolute Mehrheit ber Iättblidieu Wenoffen*
fdjafteu in $eutfd)lanb einheitlich organifirt. $>ie Weitoffeufdjaften beS
Allgemeinen BerbanbeS gerfaHeti in 26 AeoifionSoerbäitbc uttb feßen fich
gufammett aus 39 Eentralgenoffenfdiaften, 3884 Spar* unb 2)arlehnS*
taffen, 1287 Ein* unb BerfaufSgenoffenfcbaften (etnfd)Iieß[td) ber freien
BegttgSoereine), 924 Biolfereteit unb 197 fonftigen Wenoffeitf «haften.
Eitt ©ettoffettfcbaftSreftaurattt ist $ijmt hat fid) fürglich gebilbet.
Es? tourbe gegrünbet oon einer Wruppe oon Eifenbahnbebienfteten, nub
gioar in Sornt einer Wefeüfchaft mit bemeglichem Kapital unb 9Rit*
gliebergahl. $aS WrünbunaSfapital befteht aus 18 000 ^rcs., bie in
520 Aftien gu 25 grcS. getpeilt finb.
Hs^tuittgajütfen.
SobnuugSiiotb in $örbe« ®ie oou ber $oItgei in ber Stabt
,v)örbe (Seftfalcn) oorgenommene llnterfuchung ber Arbeiter*
toohnungen hat nach ber „Sranffurter 3citung" gerabegu fchauber*
hafte 3 u flänbe gu £age geförbert. Sa mittelgroßen Käufern
mürben 60—70 hinter gegählt, oiele s $erfonen fcßlafen in Räumen,
bie nur oon einem Sßebengintmer au^ £id)t unb i3uft erhalten u.f.m.
3)abei muffen für brei folcger Sftäume 3Jiietljen bi0 gu 210 JL pro
Sahr gegahlt merben. 2>ie Satte finb übrigens froh, wenn fie
überhaupt Sühnungen erhalten. £ie Sohnungänoth ift baburch
herbeigeführt, baß troß beö riefigen Anmachfettö ber 3af)l in*
buftrieHen Arbeiter, befonberS in ber Eifeninbuftrie, oon 9He*
manbenx entfprechenb für ben 23au neuer Sohnungen geforgt mürbe.
Erbauung oon ftleintoohnnngen für £ubtoig£fjafen a«
Tom Stabtrathe gu Submigöhafen a. 9th- hat ber Sorftanb ber
Baugcnoffcnfchaft SubmigShafen a. $!)•/ E. W. m. b. (33or*
fißenber $. Sebettber), eine ®enffd^rift über bie Erbauung oou
^leinmohnungen unterbreitet. *) Sie oerbient eine erhöhte $Be*
achtung, weil SBatjern fich noch in ben erften Anfängen einer platt*
mäßigen Arbeit auf bem ©ebiete ber fogialen Sohnunggpolitif
befinbet, unb toeil fie in fehr roirfungSooller, fachlicher Seife ihre
Sitte oertritt, bie Stabt SubroigShafen a. 9?h- wöge für ein
größeres Darlehen bei ber SSerficherungSanftalt ber s $falg, baS gur
qemeinnüßigen Erftellung oon Äleinmohnungen beftimmt ift, bie
iBürgfchaft übernehmen. $)ie ®enffdjrift erläutert bie ^hatfadje,
baß „für bie Arbeiter nicht gcniigeitb gebaut roirb," unb beren
©rünbe au ber §anb ber ilnterfuchungen oon Srfjmoller, beS SSor*
aehenS beS jeßigett ^inaitgmiuifterS Dr. o. SDßiquel auf biefem
©ebiete unb einiger SohnungSerhebungen. Öeflagt toirb baS noch
unentroidelte SohnungSbebürfniß ber Arbeiter. Sw ©egenfaß
pm Eentraloerbanb beutfd;er §auSbeftßeroereine hat ber Ausfluß
oer pfälgifchen §auSbeftßerocreirte „fonftatirt, baß in einer Steige
pfälgifcßer Stäbie, in benen gauptfäcglich bie Snbuftrie ftarf ent*
micfelt ift, ein thatfädjlicher Sangel an gefunben Arbeiterroohnunqen
befteht", unb hat ftch für eine roohlwoHenbe llnterftüßung ber
©angenoffenfehaften in folcgen Drten bitreh bie 23ehörben auSge*
fprocgeit. ®ie Mittel, mie ber SohnungSnoth abguhelfen ift, rotrb
an ben bisherigen Späten oon ^rioaten, Vereinen unb ©emeinben
erläutert, beren Streben bie Erftettuitg eines ÜNehrS an fleinen,
gefunben Sohnungen ift. ES finb bie Stiftungen oon E. Pfeiffer
tn Stuttgart, be Siagre, SReper unb i5nw ^rofeffor ^affc in
^eipgig, bie Afttenbaugefellfchaft für fleine Sohnungen in grattf*
furt a. S., ber Sonboner Peabady-$ruft, bie SiHionenfpenben beS
Bierbrauers ©uineß, jeßigen SorbS Saeagh in Öonbon unb
Dublin, ber Suggerei in Augsburg (als Beifpiel aus bem 9Rittel*
alter), bie BerficherungSanftalt ^annooer, bie üRagiftrate in SRann*
heim, Sreiburg i. Br., Ulm, £ahr, S^anFfurt a. 5ft., Aachen,
Straßbnrg, Eberbach, §eibelberg, ©üterSloh, S)uisburg, Becfum i. S.
unb $ofen. Eine roeitfichtige SohnungSpoliti! nach betn ©runb*
faß: „$)ie ArbeitermohnungSfraac ift nicht nur eine Srage beS
^äuferbaueS, fonbern aurf) beS StäbtebaueS," hat SDtannheim be*
thätigt, baS heute, banF biefer gielberoußteit ^ommunalpolitif, ein
©elättbe befißt, baS größer als baSjenige oon Berlin ift unb baS
baburch in bie oortheilgaftefte Sage oerfeßt ift, für immer auf bte
©eftaliung ber SohnungSoerhältniffe einen entfeheibenben Einfluß
auSguüben. Es Fann fo — unb groar unter Billiguttg beS Bürger*
ausfehuffes — beit Bau oon Arbeitermohttnngen burch Erlaß ber
StraßenFoften unb baneben burch eoeittuellen Erlaß beS gangen
ober tgeilroeifen ÄauffchillingS für baS ©elänbe fuboentioniren.
3« ber SohttungSpflege burd) bie Stabt toirb ein Mittel gefehen,
bie arbeitenben klaffen fittlich, gefunbbeitlid) unb materiell gu
heben. Sirtoünfchen bei* Baugenoffenfchaft beften Erfolg itttb erhoffen
ihn um fo eher, als ber Bürgermcifter Ürafft oon ÖubmigShafen
fchon auf bem erften pfälgifchen Stäbtetag eine SohnmtgSFotitntiffion
gur Prüfung ber Arbeitermohnung unb eine gute Bauorbnung
forbert. ^ie SohnuugSpoligei müffe ftreng gehanbhabt merben.
„^enn in Spelunfen machfen bie StrinFer, bie aus benfelben ins
lorfenbe StrthShaus getrieben merben, unb bie Franfen ftinber, bie
fpäter ber öffentlichen Armenpflege gur ßaft faßen."
Soziale ^tjgiene.
Sißgelegettbetl für fBttfMfttimm In Sa^engefdiäftett. -Xcr Borftanb
ber Crtsfranfenfaffe Bamberg rneift in einem Aunbfchretben att bie
^abcit&efißcr mieber einmal auf einett [ehr oerbreiteten Ucbelfiaub htU/
bem mafjrlid) [ehr letdd abguhelfen märe. ES toirb betont, w baß öic
Berfäu[erinnett unb !2ehnnäbd)cn oielfad) an Blcirfjfudjt unb Blutarmuth,
an großer Erfchöpfung uttb an Umeiieibs[Un*ungcn, an AttfdjmcIIungen
ber 1 Aiiße, Mrämpfabcru unb bergleid)eu mehr leiben." Aad) Anftdjt
ber Aergte [ei hieran in hohem ‘.ßiaße mit ^djulb, baß ftd) bie ®?äbd)cn
mährcub ber (^e[d)äfts[mnben nid)t [eßen fönnen ober nicht fcßcit bürfett.
£er Borftanb ber C-rtsfranfcnfaffe regt bei ben fiabeubefißern beshalb
an, hier Acmebur gu [chaffen, 31tmal barattS faum irgettb melchc
finanzielle Epfer ober gefchäftlidje Störungen ermad)[ett merben. —
Eitic [olche Anregung ift nidjt nur in Bamberg am BWß, [ottbern bie
Einführung oou Sißgelegenljeit für tociblichec ^abettperfottal empfiehlt
fid) überall.
AlfoholiSmitS uitb Sterblichfeit. Einer Sonboner mebiginifchen
3eitfch^ifl zufolge ergeben bie Berechnungen oon EebenSocrftchernngs*
gefeÜf(haften, baß STentpcrengler bnrcgftgnittlicf) gehn S«hi' e länger
leben als beut Alfoholgenuß ergebene ^erfonen; oon 100 ^obes*
fällen im Sah r entfallen 96 auf s $crfoneu, bie ; utchr ober tninber
Alfoßol Fonfumirtcn.
; ) Üubioigvhaicu a. :)ib-, Evud oon Bnliu^ BJalbtird) tV Eie. ivm.
21 Seiten.
fogiale GrojriS. (SentralDIatl ffir Sogialpolitit. 9Jr. 20.
550
549
Gefdjrftttfuitg ber HetrathSfähigfeit ttt Amerifa. £er (ücfe^gc&uiig
oon Gcnnftjloanieu liecht ein Entwurf oor, ber bas .^pcirat^cit allen Gerfoitcn
oerbietet, bic an SnoifiliS, ©ouorrfwe, ©pilepfie, ^runffuc^t, Subcrfulofc
ober ©eifteSfranffeciten (eiben. $u Sera* befielt Bereite ein HcirathVerbot
für ©pileptifer, beSgleicfeen in MaffädjufettS, wo aud) Altöl) olifern unb
an SqpfjiliS ©rfranften bie ©hefdjliefeung oerboten ift. beit Staaten
Cljio unb Marqlanb fofleu bic gleichen ©hebefehräntungeu wie in $entt*
fijloanien eingefü^rt loerben.
$0}!alpolttifd)e JtaßiwIjttKtt tat öerheljrswefeu.
9r(eit*r$iUje in ßonbon. Gegenwärtig ift in ßonboner ©e-
werfoereinSfreifen eine Agitation im 3 U 9 C / um bie Galjngefell*
fefjaften gu einer Aushebung beS ben Anfpriidfjen bec Arbeiterfdjaft
nidjt mehr genügenben ®icnfteö ber Arbeitergüge gu oeranlaffen.
SJian befdjmert fid) foroobl über bie ungenügenbe ber Arbeiter*
güge, über Göaggomnangel unb bie gu hohen gfahrpreife. ®er^eit
oerfebren täglich bereits 577 Arbeitergüge auf ben Sonboner
Gähnen, roäbrenb bie 3abl ber -workmens trains“ oor fieben Qabren
faum mehr als bie Hälfte betrug. 93ifletS für bie Arbeitergüge
werben in ßonbon — behufs ©rfparung ber Kontrolle — an
Qebermann auSgeaeben, bodj ift ihre Seitufeung an beftimmte
SageSgeiien gebunben. $ie ©itp unb South ßonbon Sftailroat) fyat
für bie Arbeitergüge felbft bie Ausgabe oon 33ittetS abgefefjafft unb
roirb blofe beim Gafftren beS Sourniquets 1 d (10 4) eingeboben,
ohne mdm auf bie Sänge ber gabrt, b. b- ber Arbeiter fann
bie gange Strecfe oon Stocfwell bis an bie Iefete ßonboner Station
für einen ^Sennp fahren.
ÜUerattrdje ^njelgcH.
Bö rterbud) ber G olfswirtbfdjaf t in gwei tauben. Gearbeitet
oon G r °f. Dr. oon Gclow*Marburg, Grofeffor Dr. M. Giermer*
©reifSwalb, Grof. Dr. oan ber Gorgf)t*Aacben, $rof. Dr. Karl
Gücber*Seipgig, ©eh- Aeg.*9iaih Grof. Dr. ^ubwtg ©lfter*Gerlin
u. A., berauSgegeben oon Grof. Dr. Subwig ©Ifter. gtoeiter Ganb.
^agb — 3ioangSoottftrecfung. Aadfjträge. Sadjregifter. gena 1898,
(>hqtao Tyifc^er. 1018 3. G r eis für baS ooftftänbige Bert in
gwei Gänben brofc^. 20 M., elegant balbfrang geb. 25 M.
$as Börterbucb ber GoltSwirtbfdmfh oöllig unabhängig oon bem
in bem gleiten Gerlage erfd) einen ben „Hanbwörtcrbuch ber Staats*'
miffenfdjaHeu", ift für weitere Greife beftimmt. ©s foH in erfter fiinic
als brauchbares §anb* unb Sebr&udj bienen unb fo bie i*iicfe auSfüHen
helfen, bie burch baS fehlen eines nidjt gu umfangreichen oolfsioirth*
fdjaftlichen ÄompenbiumS oielfach empfunben worben ift, es foü bann ein
Aathgebcr fein für Alle, bie ben wirtbfrtmftlidjen unb fogtalen großen
uttferer 3eit mH Sutereffe folgen. $>ie Aothwenbigteit berartiger Aad)*
fehlagewerfe, welche eine gufammenfaffenbe, überficbtlidjc $arfteUung
über ben heutigen Stanb ber Golfswirthfchaft geben, ift allgemein an*
erfannt worben. 2>er Herausgeber bat es uerftanben, für bie etttgelnen
9Katcriett überall geeignete Gearbeiter gu gewinnen. £ie CSinbeitlidifcit
ber ^urchführnng beS planes ift baburdj gefid)ert, bafj bie eingelnen
Mitarbeiter gange (Gruppen oon 9lrti!eln bearbeiteten, erfreulich ift,
um nur eingelneS hPi'oorguheben, bie entfdjiebenc Stellungnahme gu
(fünften ber Sogialreform, ber wir in ben mit ber Arbeiterfrage fidj
befdjäftigenben Artifelu begegnen, ein befonberer Gorgug beS fehr
überftchtiidj georbneteu Kerfes liegt barin, bafj eS nid)t nur bie wirth ö
fchaftlidje Okfepgebung XeutfdjlanbS, fonbern audj diejenige aller be*
beutenben Staaten berüdfid)tigt. es ift gu hoffen, bafj ber fehr billige
Greis bem gebiegenen Gkrfe eine weite Gerbreitung fefjafft.
Ged mann, 3ofef, 3BaS ift uns Weib? eine Stubie über bie fapita*
üftifdjc SSirthf^aft ber CScgenwart. GSieit 1899, g. Gerfmann.
80 3. G re *S 1
Hellen, Dr. eb. oon ber, Italiens GolfSmirtljfdjaft. ein Gortrag.
greiburg i/G. 1899, g. e. G. Mohr. 40 3. 0 /so M.
Grotofoll über bic Gcrhanblungen ber Äonfereng ber fogialbemofra*
tifdieu ©emeiubcoertreter ber Grooiug Granbenburg. Gerliu
1899, erpebition ber Gucbbonblung Gorwärts (II)- ©loctc in
Gerlin). ^46 3.
Xie grauenfrage, eine $>iSfuffion gwifchen Gictor ?Jarros unb
Sarah ©. Holmes. Aus bem ©itglifdjen oon Oleorg Sdjumm.
Gerlin 1899, G. 3 a ^c SO., Cppelnerftr. 45 t 17 S. G^eis 0,*o JL
Gollanb, Dr. med. A., Xie 2ungctifd)winbfucht, ihre entftchung, Ger*
hiitung, Gehanblung unb H e lüing. Tübingen 1898, Cfianberfdje
GerlagSbuchhanblung (Äarl ftöhier). 141 3. G rf i g *^,80 M.
Gönne, Dr. med. ©eorg, $>ic Alfoholfrage in ihrer Gcbeutung für
bie Groris. Tübingen 1899, Cfianberfdje GerlagSbuchhuubluug
mtl hohler). 47 3. G^eiS 1 M.
CSolbftein, Dr. gerb, eh^ftenthum unb Sogialbemofratie. 3ürid)
1899, eaefar Sdjmibt. 191 3. Greis 3 M.
Seranhoortltc^ für bie ftebaftion: Dr. (Srnft
2icbc, Dr. med. ©corg, ^irig. Argt berGollSheilftätte SoSlau (Ober*
fchlef.), Alfoljol unb Xuberfulofe. Gtit befonberer Geritcfficbttgung
ber grage: Soll in Golfsheilftätten Altohol gegeben werbend
Tübingen 1899, Dpanberfche GcrlagSbuchhonblung (Äarl Köhler).
63 3. GreiS 1 JL
©iinther, Sari, GedjtSanwalt, ^as 9ted;t ber grau auf Arbeit, eine
fogiologifdje Getradjtung. Gerlin unb Seipgig, ©eorg SBattenbadj.
14 3.
Schurke, Dr. ©rnft, ©nglifche Golfsbibliothefen. Gerlin, Gering ber
»bcgg*3tiftung ber ©efetlfdjaft für Gerbreitung oon GoItSbilbung,
NW., £iibccferftr. 6 . 32 3.
i'ipps, 2:hoobor, S^ie et^ifdjeit ©runbfragen. 3^b n Gorträge. $beil s
weife gehalten im GolfShochfchuloerein gu München. Hontburg
unb Seipgig 1899, Seopolb Gog. 308 3. 5 ^
G?olff, Grof. ©mil, ©qmnafialbireftor, ©ninbrife ber preubif^beutfehen
fogialpolitifejen unb GolfSwirthf<huftS*©ef^tchte oom ©nbe beS
breihigjährigen Krieges bis gur ©egenwart (1640 -1898). Gerlin
1899, GScibmannfche Gu^honblung. 282 3.
Ardiio für fogiale ©efepgebung unb Statiftif. HcrauSgegeben oon
Dr. Henrich Graun. XIH. Gb. 3. unb 4. Heft- Gerlin 1899,
©arl Hamanns Gering.
Stegemann, Geg.*Gath Dr., Samte unb s 2Sieba. ©efchichte gweier
Harger Arbeiter »©enoffenfehaften. Graunfdjweiger Gerlag für
faufmännifdjcS UnterridhtSwefen unb Söirthfdhaftsfnnbe. 158 3.
Greis 3^o
StatiftifcbeS gabrbueb beutfeber Stabte, git Gerbinbung mit feinen
Kollegen Dr. H- Gleicher, ©eh. 91eg.*Gath Grof. Dr. Göcfh/
Dr. A. 2>ullo, Cber*Meb.*9iath Dr. M. glinger, Dr. 9*. ©eifeen*
Berger u. A. herausgegeben oon Dr. M. 9?ecfe, $ireftor beS
Statiftifcfeen Amts ber Stabt GreSlan. VII. Jahrgang. GreSlau
1898, G?ilh- ©ottl. Korn. 416 3. GreiS 12 ,40 M .
The Quartely Journal of Economics. Vol. XIII. 9tr. 2. gan. 1899.
Bonbon, MacmiHan u. © 0 .
3eferober, Dr. Heinrich- $)er höhere Öebrerftanb in Greufeen, feine
Arbeit unb fein Sohn. 9?eue Unterfucbungen, insbefembere über
bie SterblidhfeitSoerbältniffe ber höheren Sebrer. Kiel unb
Seipgig 1899, SipfiuS u. 2:if<ber. 94 3. GreiS 1 Jt.
2)er 3erfall ber fonferoatioen Gortei im Kampfe Greufeens
gegen ^eutfcblanb. 3üricb 1898, ©aefar Scbmibt. 62 3. GreiS
80 4 .
Annalen beS $)eutfdjen GeicjS für ©efefegebung. Gerwaltuitg unb
Statiftif. Unter Mitwirfung gahlrei^er gadjmänner heraus*
gegeben oon Dr. ©eorg Hirth unb Dr. Maj 0 . Seqbel.
München unb Seipgig, ©. Hirth- 32. Jahrgang. 9?r. 1 unb 2 .
jährlich 12 Hefte. Abonnementspreis: oierteljährlicb 4 M.
Herfner, Grof. Dr. H- grauenftubium ber 9iationalötonomie.
Gerlin 1899, ©arl HeqmanuS Gerlag. 55 3.
Sdjüfec, Dr. Karl. %ie fogiale 9teichSgefefegebung unb ihre fanitäreu
Goftulate. Gortrag, gehalten am 16. Januar 1899 im „Gcrcin
für öffentlid;e ©efunbheitSpflegc‘ / in Hamburg. Sena 1899,
©uftao gifdjer. 31 3. Greis 60 4 .
Kaff, 3i gm unb. $er H fln blung§gehülfc unb fein 9ted)t. ©in 91ath s
geber in allen bas ArbeitSoerljältnife ber HanblungSgehülfen be*
treffenben gragen. 9?ebft einem Anhang: ©in ©efefeeutmurf gum
Scfeufee ber Honblungsgehülfett. Herausgegeben im Aufträge beS
GereinS faufmännifdjer Angeftellter in SSien. Wiener Golfsbucb 3
hanblung Sgnag Granb. 51 3. GreiS 20 Kreuger.
Duisburg. Gericht über bie Gerwaltung unb ben Stanb ber ©euteinbe«
Angelegenheiten ber Stabt Duisburg für 1897/98.
— H 6 UShaltS*©tat für 1898/99.
Strafeburg i. ©. Gerwaltungsbericht ber Stabt Strafeburg i. ©. pro
1889/90 bis 1893/94.
Gremen. ©efefeblatt ber greien H a ”feftabt Gremeu 9tr. 30-43.
— Mittheilungen beS Senats oom 4. Öftober bis 30. $egember 1898.
9?ürnbcrg. GerwaItungSberid)t ber Stabt 9türnberg pro 1896.
©harlottenburg. Gericht über bie Gerwaltung unb ben Stanb ber
©cmeinbe*Angelegenheiteu pro 1897/98.
Xortmunb. Gericht ber Gerwaltung beS ArntenwefenS unb ber ntilbeu
Stiftungen ber Stabt ^ortmunb pro 1 . April 1897/98.
©iefeen. Gerwaltungsbericht ber ©rofeh- Gitrgermeifterei ber Gi‘oo. s
Hauptftabt ©iefeen pro 1897/98.
Siibecf. 3ohveSbericbt beS Stabt* unb SanbantteS für baS GerwaltunqS*
fahr 1 . April 1897/98.
— 3uhreSbcrid)t über bie Sljätigfeit beS ©ewerbeauffichtsbeamten für
ben Auffidjtsbegirf Sitbecf im S^hre 1897.
— Gerwaltung ber allgemeinen Armenanftalt im 3ohrc 1897/98.
'BorntS. Gerwaltungsbericht ber ftäbtifchen Armcnoerwaltung pro
1897/98.
Gau-feen, Ho uö baltpIan ber Stabt Gaufeen per 1899.
3eife, Gericht über bie Gerwaltung unb ben Staub ber ©cmcinbe*An*
gelcgenhcitcn ber Stabt 3 e ife P l ‘° 1. April 1 897,9s.
Stettin. Gerwaltuugsbcridft ber Stabt Stettin pro 1. April 1897 / 98 .
Jrantfc tu Scrlin W., »apreut^erftrafee 20.
r»r> 1 Soziale $rct£tö. dcntralblntt für ©ojialpölitif. 9h*. 20. 552
©ie *.5j*fi«*l* Vra*i* M erfdjeint an jebem Donnerstag unb Ift burdj alle ©ucbbanblungen unb SpojtÜmter (ißoitarihinßSnummer 7072) ju belieben. Der ^JreiS
für ba« »terteljatjr ift 3J?. 2,50. %tbe Stummer foftet 30 Hi- ©er ÄnaeigenpreiS ift 60 $f. für bie bretgefpaltene ißetitaeile.
liebet bie @pdjen ber neueren ®efd)id)te.
*on
fropolü mm $attbe.
|evauö 0 e 0 uhen t ton 211 f r * fc ® cv s>.
^weiter ©onberahbruef ber „Vorträge", fünfte Auflage.
150 ©rttcii SHmjal 8°. ^reiö 3 SKarf 60 ^fg., in ycimuanbbanb 4 3Karf 60 ^>jg.
©er erflc ©otiberabbvucf btefer 9tanfefdjen ©cfjrift ift oergriffen, ©ie HerlagS*
banblung oeranftaltetc einen jrociten, in größerem gormat unb $tt feefettttid) billigerem
greife, ©iefe Hör träge 9tanfc£, bie er felbft al$ „eine Hfjapfobte ber ilnioerfalbiftorie"
bejeid^nete, enthalten in ber fnappften ftornt bie .ftauptfumme feiner £tcbltugätbcen unb
feine flnfittyten oont 3 ll f ammc of)attge ber lüidjtigften SÖeltbegebenbeiteu.
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. T roschel in Berlin W.
Zusammenstellung
der
Entschädigungssätze,
welche das
Reichs-Versicherungsamt
bei
dauernden Unfallschäden
gewährt hat.
Zweite Auflage.
- 1899. Preis 1,20 Mk.-
Im Juristischen Litteraturblatt berichtet F. Heimberger über Bttdiker, T.,
Die IrbeHemrsiehemig in den Europäischen Staaten,
(VIII, 352 Seiten, Preis 7 M.):
Dieses Werk des bisherigen, um die Arbeiterversicherung ungemein verdienten Prä¬
sidenten des Reichs-Versieherungsamtes hat gleich bei seinem Erscheinen in allen betheiligten
Kreisen die wärmste Aufnahme gefunden. Der Zweck, den Budiker mit seinem Buche
verfolgt, ist, am Schlüsse des ersten Dezenniums der Durchführung der Arbeiter-Versiche¬
rung eine Umschau zu halten,* wie die Dinge in den europäischen Staaten sich entwickelt
haben. So giebt er denn, nachdem er im Vorwort in kurzen, scharfen Zügen die sozial¬
politischen Aufgaben der Gegenwart gekennzeichnet hat, eine übersichtliche Darstellung der
Arbeiterversicherung in den verschiedenen Staaten Europas. Wo eine abgeschlossene Ge¬
setzgebung noch nicht vorliegt, erfahrt man, wie weit die Vorarbeiten für die zu erlassen¬
den Gesetze gediehen sind. Im Einzelnen wird behandelt die Versicherungsgesetzgebung
in Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Schweiz, Italien, Spanien, Frankreich, Belgien, Nieder¬
lande, Grossbritannien, Schweden, Norwegen,. Dänemark, Russland und Rumänien.
In einem Schlusswort sind kurz die Gründe erörtert, welche in einzelnen Ländern
eine raschere Entwickelung des Versicherungswesens hemmen. Als Haupthindernis sieht
der Verfasser die Unsicherheit und den häufigen Wechsel der Regierungen an, denen die
Verhältnisse ein so festes Vorgehen, wie es in Deutschland stattgefunden habe, ausser¬
ordentlich erschwerten, wenn nicht unmöglich machten. Gegenüber der ausländischen
Konkurrenz bedeutet nach Bödiker die Durchführung der Arbeiterversiche¬
rung bei uns keine Beschränkung der deutschen Industrie. Die sozialpolitischen
Lasten, welche der letzteren durch die Versicherungsgesetzgebung auf erlegt
seien, kämen ihr schliesslich — auch nach ausländischem Zugeständnisse —
selbst wieder zu gute.
Sehr dankenswerth ist die am Schlüsse des Werkes gegebene Zusammenstellung der bisher
im Auslande erschienenen Gesetze und veröffentlichten Gesetzentwürfe über Arbeiterversicherung.
Die Reichs -Yersicherungsgesetzgebmig.
Von
Wirkl. Geh. Oberregierungsrat Dr. jur. et phil. T. Bödiker.
58 Seiten 8° mit 1 Tafel. Preis 1 M. 60 Pf.
Inhalts - Uebersicht:
I. Die Arbeiterversicherung: Allgemeines. — Die Unfallversiche¬
rung. — Vereinfachung der Arbeiterversicherung. — Vorschläge zur
Vereinfachung [Allgemeines. — Besonderes für die Invaliditäts- und
Altersversicherung. — Organisatorisches. — Begründung. — Schluss.]
II. Die Prlvatversichernng: Allgemeines. — Historisches. — Grund¬
züge eines Privatversicherungsgesetzes [Besonderes. — Die Reichsauf¬
sichtsbehörde (das Reichs-Versicherungsamt). — Die Zulassung zum
Geschäftsbetriebe. — Geschäftsführung und Auflösung der Versicherungs¬
anstalten. — Sonstiges. — Schluss].
Verlag von Duncker&Humblot
in Leipzig.
Die Arbelterversleherung gemäss
der heutigen Wirtschaftsordnung. Geschicht¬
liche und ökonomische Studien. Von Lujo
Brentano. 5 Mk. 20 Pf.
Das englische Arbeiter Versiche¬
rungswesen. Geschichte seiner Ent¬
wickelung und Gesetzgebung. Von Wilhelm
Haabaob. 10 Mk.
Die Arbelterversleherung in
Frankreieh. Von N. v. d. Osten. 43fk.
Die Protokolle der internatio¬
nalen Arbeiterschulzkonfe-
renz. In amtlichem Auftrag. 5 Mk.
Die Arbeiterversieherung nach
österreichischem Rechte. Mit
Berücksichtigung des deutschen Reichsrechtes
systematisch behandelt. Von Adolf Menzel.
10 Mk. (gebd. 12 Mk.)
Lehrbuch des deutschen Reichs¬
versicherungsrechts. (Kranken-,
Unfall-, Invaliditäts- und Altersversicherungs¬
recht.) Für den akademischen und praktischen
Gebrauch. Von Richard Weyl. 20 Mk.
(gebd. 22 Mk. 40 Pf.)
Zur Arbeitersehutz - Gesetz¬
gebung in Russland. Von
6. i. Re8enberg. 8 Mk.
Der Arbeitersehutz sonst und jetzt,
in Deutschland und im Auslande. Von
W. Killemann. 2 Mk. (Zweite, verkürzte
Ausgabe 60 Pf., in Partien billiger.)
Die Reform unserer Sozialver¬
sicherung. Von W. Kulemann. 1 Mk.
Die Carl Zeiss-Stiftnng, ein Versuch
zur Fortbildung des grossindustriellen Arbeits¬
rechts. Von Julius PleretorlT. 1 Mk.,
__ in Partien billiger.
Die Unfallgesetzgebung
der
Europäischen Staaten.
Von T. Bödiker.
Tjzrxz z rjz: Preis 4 Mk. rr-r
t«crantioortlicij für Die «n*eiflen; vcUmutl) Weibel, iieipiij. - l'friuj von Xuntfci & puutblui, SMpjij. — Wctaurfi bei 3ultu$ «tttenfelb, öcrliii.
VIÜ. falprpttg.
. SetKn, ben 23. gebmor 1899.
Hummer 21.
Soziale ptaps*
$enf*af 0 fatf för ^ogiafporifiü
mit ber SKonatSBellage:
Da« ©ewetbegericht*
0r<jött &es Perbarifces beutfdjer <5en>erbegericfyte.
Deue golgc bet „©lätter für fojtole Unb beg „Soziatpoltttfchen Gentralbtattg".
mw*t «* i tbtm s«mcrft« 0 . Herausgeber: frei« >ierteliH*It* ü BW. 50 ff.
Dpbaftton: ©erlln W., ©abreutberftrafee 29. Dr. Ctttfl «ftUtldit. ©erlag bo» Wunder & fcum&lot, Seipzig.
fBeltmad)tpoltftf unb Sozial-
teform. II. ©on Dr. Ernft öon
#alle, ©rtoatbojent, ©erltn. . 553
Kgtmdtitf«auu* mb
brtittf.559
Dr. bott 91 Ottenburg unb Dr.
©eumei.
Der S<$ufc „SltbettStoiHiget" im ©reu-
feiföeti fbaeerbnetenbaufe.
Die Reform bet ©efänßnifearbeit in
ghranfreidb.
temIt EojiaIp*ltitf .... 561
Sunt ptcu|tf<$en Äommunalabgaben*
ftefefc.
Söinterltdje ©otbftanbSarbeiten in
beutfd^en Stötten.
Sobnregelunq für bie ft&btifc^en Sir*
beitet in Mannheim.
©a« unb ©leftrijttöt in ben Stöbten.
Die Slrbeittffommer bet Stabt ßürid&.
kommunale Arbeitertuobnnngen in
Englanb.
kommunale gfeuerbeiftdjerung in Eng»
lanb.
fcbtftnnbentag ffit ©emetnbearbetter
in 8to<$bale.
3«ft&nbe ;.563
Die Sage be« beutfdjen SlrbeitSmarfte«.
Sdjlimme Sage bet Sltbeiiet am
Simplontunnel.
Erhebungen übet bie Sage bet^eim*
atbeitet in Defterteitb.
Ätnberarbeit in Sonbon.
Htbctterbctocfnufl.565
Die Streifbemegung in Deutfdjlanb.
©ötferfireif in Siebt füt ©erlin.
Streif bon @ifenbabn«9tangieratbeifetn
in Erfurt.
©in Slrbetterfefretartat in Darmftabt.
£>efterreid&if<be Streifftatifti! füt 1897.
eifenbabnetbemegung in gtanfteicb
567
@uta$ten bet Äommiffion füt Arbeiter»
ftatiftif, betteffenb bie [Regelung bet
fcrbeitSgeit in ©etreibemüblen.
Die Regelung bet Hrbeitögeit im
©ädergewerbe.
Qrabtifinfpeftotinnen in englanb.
Krbeiitttocrflftermta. Gparfnffes 568
Der Entmurf eine« ^nbaltben«
betficherungSgefebe« imbteidh«-
tag.
©emegung ffit bie fUerSbetforgung
in englanb.
.570
Der SrbeitSnasbmei« füt Steuerleute
in Hamburg.
frbeitönaebtoeife auf pieu^ifc^ett ©aljn*
böfen.
Die erriettung eine« ftöbtiföen Sir*
beit«na<btbeife« für Stettin.
fBoblfabrtfetnrifttuttge* .... 572
9Boblfabxt«pflege auf bem Sanbe.
etgiebungSbeiratb füt fcbulentlaffene
SBaifen in ©erlin.
©römlen auf ben Stumm’fcben Jütten*
tnerfen.
Sr«t«bmg unb ©Übung.573
$albtag£fdjulen in ©reufjen.
©olfötbümlicbe ©orttagöteiben in
©etlin.
©etoerbegeriefcte. Einigsma*äntier.
Mt«»gge*t4te.573
fu&geftaltung bet ©emerbegerichte;
fnttage im 9teicb«tage.
ein ©etterbegeridjt — ein Unbing!
einigungdämter unb Schiebögertd&te
in englanb.
©efefcentmurf, betteffenb Einigung«*
ömtet in ©enf.
3 »t)alt.
mrtritorf«»*#
fbbtudf ffimmtlidjer fttilel ift Bettungen unb ßeitfdbxiftcn geftattet, jebodb nur
mit boUet (Quellenangabe.
Äcltmodjtpolitik unb «ojialrefmntt.
ii.
Heber bie grunbfä^Iid^e Dothroenbigfeit ber Sozialreform für
Arbeiter unb Unternehmer bebarf eg an biefer Stelle nidjt
alhu oieler ©Borte, ©ajj; einfidjtgootle Unternehmer barin nicht nur
Erforberniffe ber allgemeinen feohlfahrt unb beg ©efammtnubeng
fehen, fonbern ebenfo bie Duelle materiellen ©ortheilg für ihre
Unternehmungen, ift befannt. Unb wenn neuerbingg anfdjeinenb
bie Schaar gerabe berjenigeit ^raftifer roieber na<hbrücfli<her ba*
für eintritt, bie bur<h eigene Erfahrung bie ©ortheile beg ©etriebeg
mit hoAentmicfelten, roohlorganifirten unb roohloerforgten Arbeitern
!ennt, jo laffen bie finanziellen Ergebniffe gerabe ihrer Unter¬
nehmungen feinen S^eifel baran, ba& fxe ium ©rinbeften ebenfo
einfithtSooEle ©efchäftgleute, mie Sozialpolitifer ftnb.
S)ie Sflaoenarbeit fonnte nur bie einfachen ©eräthe benufeen.
Sie fdjroanb nor ber Slonfurrenz ber 2Kaf<f)ine bahin. 2)ie fteigenbe
nationale unb internationale Sfonfurrenz ftettt immer größere Sin-
forberungen an bie ßeiftungSfähigfeit beg mobernen Slrbeiterg.
©ourbeau (Les forces de rindustrie) rneift nach, bafe ber Ueber-
gang höh erer ^echnif zwar z« einer ©erfunung ber Sfrbeitö^eit
unb Erleichterung ber Äraftleiftung führt, aber umgefehrt eine
S er qualifizirte, eine intenfioere Sir beit gleiftung eineg geifteg-
neroenfraftigeren Slrbeiterg erheifdffi. 3u ähnlichen Ergebniffen
gelangen H er f ncr > n ®chulze-©aeoernih u. 21. 9Rag eg bur<h
Unternehmernerbänbe ben Slrbeitgebern gelingen, bie Siothroenbig»
feit fortgefefcter technifcher ©erbefferuitgen hi cr °& cr ba hintan»
Zuhalten, ber Sieg im Äoufurrenzfampf mu| both fchlie&licf) ben-
jenigen oerbleiben, bie bie tedjnifch oollfommenften ißrobuftiong-
mittel in bie Hmtbe ^ cr leiftunggfähigften Strbeiterfdjaft legen.
3ür ben Slrbeiterftanb feinerfeitg fann eg nach bem gaHenlaffen
ber ©erelenbunggtheorie, unb nachbem er erfannt hat, ba& man in
ben 3ufunftgftaat nur hinein roaifen fönne, fein anbereg Streben
mehr nach ber materiellen Seite hin geben, alg bie ©ethätigung einer
energifdjen TOtroirfung an ben anzubahnenben Reformen. SBenn
felbft ^autgfq z y ni ©udj beg „Sltlanticug", ber eine aHmähli«he
unb friebliche Enhoicfelung znr Erreichung feiner roohl aufgebauten
Utopie ooraugfefct, eine empfehlenbe Einleitung fchreibt, fo barf
roohl erroartet roerben, bafe in abfehbarer 3 cl i ^i^ Kämpfe in
biefer ©ichtung auf bie richtige ©runblage, b. i. Slugeinanber-
fehungen über ben Inhalt einjelner ©eformmaferegeln unb bag
Xempo ihrer Einführung, fich etnfehränfen roerben. Natürlich aber
hanbelt eg fnh babei nidgt nur um Kampfe für bie äufjeren fiebeng-
bebingungen unb bie gefeHfchaftUche Drganifation, fonbern audj
um jene Seiten ber Sozialreform, roie fie bem greifen Sohn
©ugfin unb feinen Slnhängern oorfchroeben, bie neben bem mate¬
riellen auch ben geiftigen ©ebürfni^freig beg Slrbeiterg erweitern
wollen.
2)ag Snbioibuum hat zahlreiche anbere 3«)ecfe neben bem»
jenigen, ©Heb in ber ©robuftiongfette z u fein, ber Staat anbere
neben feinen roirthfehaftlichen unb rechtlichen. 2)ie Arbeiter müffen
fich bit Äonfequenzen biefer Slnfcbauunaen z u c i9 en madhen unb
alg oottroerthige Saftoren in ben Sntereffenfämpfen fidf) bie größte
erreichbare Summe gefeüfchaftlicher ©ortheile erringen.
®er Staat alg ©anzeg ift nach allen Dichtungen hin gleich*
mähig intereffirt. ©ag „alg unabhängige 9Racht rechtlich organi»
firte ©olf", roie ^reitfehfe ben Staat befinirt, hat roie bag Snbi»
oibuum bie Stufgabe ber Setbfterhaltung unb ber Fortpflanzung.
Seine Slufgabe ift, fid) nach innen möglnhft z u fräftigen unb har»
monifch augzugeftalten, nach aufeen hin feine Stellung zn wahren
555
©ogiale $?agi 3 . gentralblait für ©ogialpolüif. Nr. 21.
556
unb, rnenn nöthig, gu oerftärfen. 5ür ihn bebcutet bie fort*
fc^rcitcnbc ©ogialreform im inneren eine 93efeitigung oon NeümngS*
gefahren unb Hemmungen, einen mirffameren betrieb ber oolrS*
roirt^fdjaftlidjen 9Nafchinerie gur ©rgielung oergrößerter unb gleich*
mäßigerer ©rgebniffe.
3n ber 3 c ü allgemeinen 9ßahlrecf)tS, ber allgemeinen
Wehrpflicht unb ber Schulpflicht fomie angeftd)ts ber 93eifpiele
ftammoermanbter Nationen, bie i$re ©taatsibeen auf bie 3ufammen*
gehörigfeit ber SBegriffe oon 2Kad)t unb 93erantmortli<hfeit, auf baS
2RitbeftimmungSred)t bei SeiftungSoerpflid)tungen auf gebaut haben,
muß er nothmenbig bamacf) trachten, für oie Erfüllung feiner
3toede fidf) ben benfbar größten unb fräftigfteu Nefonangboben
gu fdjjaffen. ©r !ann nur bann auf einen erfolgreidfjen Politiken
Wettbemerb mit jenen rechnen, wenn er tfjatfäd&Iid) bie 3uftimmung
ber großen Waffen für feine Hanblunaen hinter fid) bat; er !ann
nicht hoffen, fid) jenen gegenüber gu' halten, toenn er baS 93ilb beS
^aufeg, baS gegen fid) felbft getheilt ift, oerförpert. $>ie Wit*
mirfung ber breiten klaffen aber ift nur bann gu erregen, toenn
fte baS ©efüßl fyabtn, als gleidjroerthige ©ruppen in einer an*
erfannten unb gefidjtrten gefeüfdjaftlitben Stellung neben beit an*
beren bagufteben, unb menn es ein Wafimum unb momöglicf) ein
fteigenbeS Wayimum oon Netten ift, für roelcheS fte mit ganger
Äraft unb unter Hmftänben mit ihrem Seben eintreten foHen.
ift 3e mehr eS bem ©taat gelingt, feinen Bürgern roertboolle
©üter materieller unb geiftiger 5lrt gu fc^affen, für bie fie fämpfen
fönnen, befto fidjerer ift er ihrer nachhaltigen Hnterftüßung, unb
befto merthooEere Kämpen toerben fie im internationalen Wett*
betperb fein. SDiefer etmaige £ampf ift nicht nur ein $ampf mili*
tärifc^er Slrt, fonbem «S ift auch ber toirthfchaftliche Wettbemerb.
2)er innere Warft allein reicht fcbon bei bem heutigen 93eoölfe*
rungSftanb unb ben heutigen 93ebürfniffen für bie 93efriebigung
unferer 93olfSmirthfchaft nic|t aus. ©0 gilt ben Weltmarft regel*
mäßig eingubegieben. Huch h^r erreicht bie Station bie größten
SSortheile, melche bie internationalen ©pannungSoerhälhtiffe (Hugo
SBach) am günftigften für fith gu gestalten meiß, am beften unb
billigften, am öfonomifchften probugirte ©üter anbietet unb am
mirfjamften pofitifch unb roirthfdjaftSpolitifdf) auftritt.
2)ie Staaten müffen burch fortmäßrenbe innere SSerbefferungen
ihrer IßrobuftionSoerhältniffe, oerbefferte Stecßnif, oerbefferte 51 n*
orbnung, oerbefferte Seiftungen unb Ausführung ben mitbemer*
benben 93olfSmirthfd)aften gegenüber bie Ueberlegenbeit mähren;
nur bann giehen fie fteigenben ©eminn für bie h e iaiifchc 93eoöI*
ferung heran. $)a biefe ^robuftionSoerbefferung aber nicht ohne
fortfdjreitenbe ©ogialreform möglich ift (Steuleauy, §obfon,
^Dper), fo ift leßtere für ben ©taat ein ©ebot toie ber mirtl)*
fchaftlichen, fo ber politischen ©elbfterhaltung.
Wie oerhält es fid) nun aber gegenüber ber anerfannten Noth*
menbigfeit ber ©ogialreform unb ber fommergieEen ©ntroicfelung
nadh außen mit ber Nothmenbigfeit militärifcher Lüftung unb ©e*
minnung oon ©ttißpunften fomie Kolonien?
2>aS Argument oon ber 93elaftung ber Sßrobuftion burch bie
Heeres* unb 3lottenauSgaben, oon ber Sloftfpieligfeit folonialer
©£perimente ift an fich ungroeifelljaft beftecf>enb. 93ei näherer
Prüfung inbeß unb tieferem ©inbringen in ben ©egenftanb fann
es nicht ©tanb halten.
©3 ift heute feitenS ber ©achoerftänbigen anerfannt, baß bie
älteren Sbeen, ber gunehmenbe Weltoerfeßr merbe nothmenbiger*
meife emigen internationalen ^rieben unb greunbfd)aft anbahnen,
in ben £hatfadf)en unb ber Stichtung ber ©ntrcicfelung feine ^Be*
ftätigung finbet. 2)ie§ ift einer ber fünfte, bei benen bie Mritif
gegen ÄautSfi) a. a. D. einfepen mufe.
„3m 20. 3ah^hanbert mirb ber roirthf^aftliche Hampf groeifel*
lo§ eine noch nie bageroefene SBichtigfeit annehmen. SDie ^on*
furreng um bie SRärfte ber SSelt mufe nothmenbigermeife mit
ber gunehmenben ©chroierigfeit be§ 2)afein§fampfe§ fid) oerftärfen",
fchreibt ber englifc^e §anbel^atta<he ©aftrell (Development of
Commercial, Industrial, Maritime and Traffic Interests in Germany.
1871 to 1898). Hub groar erflärt fid) bie$, theoretifch betrachtet,
l au3 ben folgenben öfonomifchen ©efeüen:
2für bie SBirthfchaftgorbnnng gilt ba£ ©efefe ber abnehmenben
©rträge in ber £anbmirtl)fd)aft, ba§ ©efeb ber junebmenben ©r*
träge in ber Snbuftrie. ©rfteres befagt, ba^ „beim liebergang gu
intenfioeren Sebauungömethoben bie 3unnahme be^ Steincrtrage@
geringer ift, al§ bie 3 l,na hme be§ Rohertrages unb bemgemäfe
jebeö intenfioere ?lcferbauft)ftem nur unter SSorauSfefeung eines
höheren ^reifes ber f^robufte möglich ift." (SRofdf)er). ^)er lefete
©djeffel ift ber theuerfte. 2)urch eine fteigenbe ©rhöhu^Ö ber £a*
pitalanlage in ber £anbroirthfchaft (©elbfapital unb Arbeit) führt
man feine proportionale, fonbern nur eine fich allmählich uer»
ringembe Steigerung ber ©rgebniffe herbei. Umgefehrt gilt in
ber Snbuftrie bag ©efefe ber gunehmenben ©rträge. 3ebe 95er*
gröfeerung eineg Unternehmens burd) entfprechenbe §)ingufügung
oon Kapital führt eine 93ergröf}erung ber ^ßrobuftion über baS
SSerhältniS ber bisher angelegten ©ummen hinaus h^i-
bergeftalt gunehmenbe ^robuftion geftattet eine ©miebrigung ber
greife, leitet gu einer Verbilligung beS ^robufteS. 5He lebte ©Ile,
baS lefete ©rofc finb bie billigften.
©in britteS in ^Betracht fommenbeS ©efeb begieht ftch auf baS
9SerhältniS ber 33eoöIferung gur oolfSmirthf<h Q ftIith cn Vrobuftion
unb befagt, bafe in einem £anb bie 93eoölferung fich rafcher gu
oermehren oermag als bie Nahrungsmittel (Ntalth«^). ©iefeS
©efeb 5 a t innerhalb ber lebten Ntenfchenalter nur barum feine
Sßirfung nicht gegeigt ( roeil burch bie mobernen SSerfehrSmittel unb
bie oerbefferte S^eihntf bie ©rgeugniffe neuer Sanbftriche ben 33e*
mohnern ber alten ßänber gur Verfügung geftellt mürben. S)ie
3cit ber e^tenfioen ©rfchliebung aber geht ihrem ©nbe gu; toährenb
anbererfeits bie 95ehauptungen unb Hoffnungen, bafe baS in ber
älteren 3^it empirifch als gütig erfannte NtalthuSfche ©efeb ^ar<h
bie oerbefferte VrobuftionStechnif unb bie fünftliche HerfteEung oon
Nahrungsmitteln auf cf)emifd)em Söege für bie 3ufunft merbe auf*
gehoben merben, nach §lu$fage ber h*nmrragenbften NaturforfAer
unb ben h^tigen Änfd;auungen über bie ©ntroicfelungSfähigfeit
ber Söiffenfchaften auf eine 23erroirfli<hung nid^t gu rechnen haben
(oergl. g.bie ©röffnungSrebe beS ©ir SBiKiam ©roofeS auf
ber Serfammlung ber British Association gu 93riftol, September
1898). ©s mirb alfo in abfehbarer 3 u * un ft in ber gangen SBelt
in ber SBeoöIferungSoermehruna unb ber gleichmäßigeren Stuf*
füflung ber ©rbe eine fteigenbe Nachfrage nach Slgrifulturprobuften
eintreten, mährenb ein rapibe fteigenbeS Angebot oon Snbuftrie*
probuften, in Solge ber fortfchreitenben 3nbuftriealifirung einer
Neihe oon Sänbern beoorfieht.
Nun ift jene Hhnatifche ©cheibung oorhanben, bie in ben füb*
liehen 3° nc n faft alles machfen Iäfet, roaS ber moberne Ntenfch
für bie 93efnebigung feiner 93ebürfniffe an oraanifchen Stoffen ge*
braucht, mährenb oie gemäßigte 3one eine Reihe mid)tiger ber*
artiger Vrobufte gu geüigen nicht geftattet; g. !©. 93aummoHe, ©eibe,
NeiS, bie aügemein gebräuchlichen ©enufemittel: Kaffee, Xhee, $abaf,
gahlreiche ©h e mifalien, Strgneiftoffe k. früher §errfchte bie beim
bamaligen ©tanbe ber ©ntmicfelung begrünbete SJleinung, bie tro*
pifchen Sänber feien gum 3nbuftriebetrieb ungeeignet, unb baburdjj
ein emig fruchtbarer STaufch smifch^n ben 3onen gefiebert (ßift).
Heute ift in biefer Hmficht ein llmfdjmung eingetreten; bie Tropen*
länber fangen nunmehr an, 3nbuftrie für ben fu'imifchen 93ebarf
gu treiben unb baneben aEe Slrten oon Naturprobuften gu giehen.
$)ie gemäßigte 3mte ift bagegen hinfichtlid) ber ißrobuftengeminnung
bauernb befdjränft. ©o merben ben ^cifeen Säubern gegenüber bie
gemäßigten in Nadf)theil gerathen, meü fie mit ihrer ftärferen Nach*
frage nach rclatio foftbarer merbeuben probuften auftreten unb
mit relatio immer biEiger merbenben ©rgeuaniffen begahlen müffen.
— Schließlich aber finb bie ftärfer aufgefüEten Sänber auch & er
gemäßigten 3°ne mit ihrem NahrungSmittelbebarf bereits h^ute
auf Sieferungen aus bünner befiebelten Sänbern gleichen flirna*
tifdjen ©harafterS gum 2^h e ^ angemiefen. Nimmt bie 93eoöl!erung
in biefen leßteren gu, fo müffen "erftere gleichfalls als nad)fragenbe
Äonfumenten unter gunehmenb ungünftiaeren 93ebingungen auf bem
953eltnahrungSmarft auftreten. 2)ieS miro fid) in bem 9Biebereintritt
bauernb anfteigenber ©etreibepreisfuroen groifeßen 1 930 unb 1 950
geigen (Nleißeu, ©aunan, ©roofeS).
©S ergiebt fich, ^^6 ber Äampf umS ®afein in 3 u ^ un ft ein
oerfchärfter merben muß, unb ißn mirb man nicht aus ber 9Belt
fchaffen, fo lange man nid)t neben ben gebachten aud) bie SEjätfadje
befeitigen fann, baß „fein Sßolf lebt, melcheS nicht, fofern ber
5lußenorucf befeitigt mirb, bie gange ©rbe gu beoölfern oermag."
(Römers, War as a Suggestion of Manifest Destiny.) SeßtereS
ift roenigftens für bie aufftrebenben Nationen gugugeben.
23ei bem heutigen ©tanbe ber ÜDtachtoertheilung auf ber ©rbe
gmifdjen Staaten mirb fich ber gesteigerte SBettbemerb in ben oer*
feßiebenen Nicßtungen als ein Söettbemerb in politifchen 9Ser*
einigungen gegeneinanber abgefchloffeiter SSolfSmirthfchaften geigen;
barum bie gebaeßte Nothrcenbigfeit für bie heimifche VoIfSroirth*
feßaft, im 3nnern bie ^robuftionSbebingungen möglid)ft günftig
gu geftalten — barum meiter aber auch bie Nothmenbigfeit, aEe 5liiS*
rüftungSmütel auch nad) außen Ijin für einen etmaigen 9Bettfampf
gu befdjaffen.
2)aß bie großen 9ßeltfätnpfe untS Wafern mit bem Heberleben
bes ©tärferen enben, ift ebenfomohl eine naturnothmenbige
«557
Sogiale $rayt$. Eentralblatt für Sogialpolittf. Str. 21.
558
Erfcheinung, wie Borbebhtgung eines SrortfchrittS innerhalb
ber Wenfchhät gu ^ö^erer Auswahl. 6$ ift nicht nur eine
brutale £hatfad>e, fonbern auch ein fittlicher ©ebanfe, bafe bem fo
ift, foferit man richtig erfennt, bafe bie Stärfe nid)t allein in php*
fifcfeer Sfraftanfammlung befteht, foubern auch in geiftigen unb
fittlidfjen Eigen fchaften.
Sfeitt Bolf, baS bie Abftcht höt unb bie Äraft in ft<h fühlt,
feine Eyifteng gegenüber bem Einbringen Anberer gu magren, !ann
ftd) bentgemäfe ber Aufgabe entheben, für fich unb feine gasreicheren
S?ad)fommen nicht nur ebenfo günftige, fonbern womöglich gün*
[tigere ßebettSbebingnngen gu fiebern. ES mufe entweber* fid)
felbft ober feine Wachtfphäre über weite (Gebiete auSbehnen. Bon
jeher höben fid) gufpifeenbe wirthfdjaftliche Kämpfe unweigerlich
gu politifchen Kämpfen, gu Kriegen geführt, inbem man „burch
Afte ber ©ewalt oerfuchen mufete, feinen WiEen gu ergwingen"
(Elaufewife).
$>ie einzelnen Bölfer ftnb nicht gleich ftörf unb ber Stärfere
mufe Sted)t behalten. WiE ein Bolf nicht, bafj es oon aufeen
in feinem ©ebiete unb Wadjtbereid) beeinträchtigt werbe unb nicht,
bafj anberc ftd) beim Wettbewerb im fianbe britter Söller, auf
brüten Warften günftigere $onfurrengbebingungen erftreiten als
cS felbft, fo mufe es feine Borfehrungen entfprechenb treffen. Auf
ber einen Seite mufe eS feine ©rengen fchüfeen, fo bafe niemanb
fie in feinblicher Abficht gu betreten oermag; fobann aber, wenn
eS nicht alles, was es bal)eim bebarf, probugiren fann, nicht alles,
was eS babeim probugirt, baheitn unterbringen fann, feinen gu*
nehmenben BeoölferuttgSmeitgen feine hinreichenbe Berforaung in
gleicher ober fteigenber ©üte gegenüber ber jefeigen gewäferletften
fann, mufe eS nach auswärtigen Bläfeen fuchen, mo bieS möglich ift.
^a bie WettbewerbSbebingungen auf ben Wärften anberer
polüifdher ©emeiitwefen ftetS ungünftiger ober gefährbeter finb
als auf ben eigenen, fo müffen bie (Staaten fuchen, fich felbft
Erweiterungen anguglicbern, fei eS burch örtliche AuSbefenung, fei
cS burch überfeeifche Erwerbungen, unb fte müffen ftd) bie Wacht*
mittel fdjaffen, ihre ©cfammtmirthfdjöft in ber ^eimatf) unb in ber
J5rembe mit aEetn Sfadjbrucf gu fdjüfeett. 2)ie Station, bie biefeS
nicht thut, bietet ben übrigen eine Berlocfung gu Angriffen unb
bie Wöglichfeit gur Ausbeutung unb Unterbrücfung; benn bie
Senbengen gehen nach nationaler AuSbehnung unb werben oon
ben oerfdjiebenen Kultur* unb Spradjgruppen jeweilig mit aEem
SJacfebrucf für bas eigene ©emeinwefen oerfolgt.
Wachtmittel gegen brohenbe ©ewalt unb gur eoentueEen
nothwenbigen Erweiterung beS nationalen ©ebieteS ftüfeen fich nach
wie oor auf §>eer unb flotte.
Sraftifche Anweisungen biefer Wahrheiten liegen in ben
borrenben Lüftungen aEer wettbewerbenben Stationen unferer 3 e it
oor; ferner in ber mit Staturnothmenbigfeit erfolgten AuSbehnung
9>tufeIanbS unb ber bereinigten Staaten über bte Stachbargebiete
hin, in bem Berfuch boppelter AuSbehnung feitenS JrattfreichS in
bie nahcliegenben afrifanifchett Wittelmeerlänber unb bie ferner
fiegenben Kolonien DftafrifaS unb 3ttbo*EhinaS, fchliefelid) in ber
enormen folonialen AuSbehnung Englanbs, baS gwar Qahrgehnte
lang fortmährenb erflärte, folonial gefättigt gu fein, babei aber
nie eine ©elegenljeit oorübergehen liefe, neue bedungen unb Stüfe*
punfte gu anueftiren.
$>eutfd)lanb hot bisher erft einige Berfud)e in ber Stichtung
ber AuSbehnung gemacht. Eine tyii lang fd)ien eS burch bie Er*
folge ber Einigungsära gefättigt. Es gtebt aber feine bauernb
fatte Station, bie nicht bem Untergang oerfaEen wäre! — $)eutfd)*
lanb hot heute noch nicht feine natürlichen ©rengen erreicht; weber
umfchliefet es baS oott feinen Stämmen bewohnte unb oon feiner
Spradje beljerrfchte ©ebiet — eS ntufe oielmehr ruhig mit anfehen, bafe
anbere Stationalitäten außerhalb feines WacfetberetchS baoott abgn*
bröcfclu fuchen — noch befifet eS jene ©rengen, bie nach Öidjte ,,oon
ber Statur oorgegekhnet unb burch grofeegiüffe, Weere, ungugäng*
liehe ©ebirge oon ber übrigen Eroe abgefonbert finb". Es h fl t
ferner fein ©ebiet, baS ihm bie oon bemfelben Slutor für unerläfe*
ii^ erflärte probuftioe Selbftftänbiafeit unb Selbftgenügfamfeit
fichert. Seiner fiage nad) fann $>eutf<hlanb ebettfotoenig wie
Englanb biefe natürlichen ©rengen auf einer ungetrennten Staum*
fläche erringen, fofern es fich nicht etwa burch gang Sübeuropa
nach Afrifa unb Afien hin erftrerfen wiE. Es mufe überfeeifche
Kolonien erwerben unb fich t)i er 3uflufefanäle für feinen fteigenben
^Bebarf eröffnen unb günftige SerfaufSmärfte fichern. öür bie
Einfuhren höben fich bereits bie brei grofeen Wacf)tgebiete, Stufe*
lanb, bie bereinigten Staaten unb granfreich, oon ber Aufeenwelt
ftarf abgefcfeloffen, fuchen fid) immer unabhängiger oon inbuftrieEen
Einfuhren gu machen. Englanb hält gwar noch am $ringip ber
„offenen Xhüren" feft, aber natürlich auch nur fo lange, als es
hierin überwiegenbe bortheite erblicft unb bie JDeffnung oon 2:hü r cn
für fich erreichen wiE. SoEte bie Oeffnung oon^hü^u Anbercn
gum überwiegenben bortheil gereid)en, fo wirb eS gewife ebenfo
entfchloffen fern, bie £hü**n guguf^liefeen, über bie cs bie Wacht
hat. Seine Kolonien höben bamit gum Xfytil f<hon begonnen.
Wit Stecht höt öorb Salisburp barauf hingewiefen, bafe bie
heutige £enbeng fei, bie ©rofeen gröfeer unb bie kleineren fleiiter
gu mad^en.
Stiemanb oermag gu fagen, wie rafch ober wie fangfam fich
biefer ^rogefe ooEgieht. 5)aS aber ift gewife, bafe $)eutfd)lanb
gerabe jefet einen wichtigen Augenblicf hat ungeiüifet oorüber*
gehen laffen müffen, ber ihm hätte ermöglichen lönnen, feinen
nationalen Wachtbereid) in einer ber nötigen Stiftungen gu
erweitern, weil es feine maritime AuSriiftuna eine 3ät lang oer*
nadjläffigt hötte. ^ann eS für bie 3«^öft ftd) feinen grofeen
Wadjtbereidj ffaffen, in bem bie |>auptgrnnbfage einer nationalen
Kultur, bie Sprache, beutfeh ift, in bem cS grofee ©etreibe* unb
anbere ßebenSmittelprobuftionSftätten fontrolirt, unb in welchem
eS tropifche unb fubtropifefee Agrifiilturprobufte ergeugt, fo wirb
eS oom Schritthalten mit ben beiben aufwärtsftrebenben Sfompleyen
Stitfelanb unb ben angelfächfifchen fiänbent, weif letztere an einem
entfeheibenben Wenbepunft gerabe burf bie Sprachgemeinfchaft
wieber enger gufammengeführt fmb, auSgeffloffen werben. ^aS
ift ein ©efiftSpunft, bemgegcuiiber tautSfpS Behauptungen, bie
Eröffnung oon «Kolonien fei gwedloS, ba mögliferwcife bie Aftaten
fich fpäter einmal eine Wonroeboftriit „Afieit ben Afiaten" an*
ffaffen würben, unb bie Afrifaiter ein „Afrifa uns!", weit gurücf*
treten. Xhun wir’S nicht, fo tfjun’S bie Anbern, unb wir gehen
unter, weil wir bie beutfdje Kultur nid)t für fortpflanguugSwert
ehalten, uift nufere phpftfehe unb geiftige BolfSfraft für fie in
ie Wagffale geworfen höben.
3>aS beutffe Bolf, fpegieE bie beutffen Arbeiter, werben anbern*
faES nicht barauf refnen fönnen, bafe bie beutffe BolfSwirthffaft
entfprefenbe <5ortfd)ritte mit ben anberen macht, unb 3)cutfflanb
würbe wieber, wie es burf mehrere 3öh*h Utt berte gemefen ift, bie
AuSbeutungSftätte ftärferer Stationen werben, feine Söhne mit
weniger günftigen ßebenSbebingungen fif begnügen müffen.
&>ie grofeen ©Ieifungeit, aus beneit bie internationale Bilang
befteht, fefcten fif aus oerffiebenen ©Uebern gufantmen. SSirth*
ffaftlife $oftett, Waftpoften, fulturpoften gufamnten brücfen baS
„^aben" einer Station aus. Sft bie Summe nicht berjenigen ber
anbern gleich, fo bleibt ein SDefigit, burch welfeS matt in biefe ober
jene gorm ber 5lned)tffaft, Sfulbfnefiffaft, politiffe ^iieft»
ffaft ober ©eifteSfueftfchaft aerathen mufe. ®aS finb aEeS brei
aber 3öftänbe, in bie man fein Bolf nid)t geraden laffen barf,
wenn man es mit ihm wohl meint.
ES ift oben ausgeführt, bafe bie mirthfdjaftlidje $öhc unb
bie 3öfammenfaffung Der nationalen Kräfte ofetie fortffreitenbe
Sogialreform nift möglich ift. Stunmehr bürfte aud) gegeigt fein,
weSfealb fortfdjreitenbe Sogialreform, Aufbefferung unb Sicherung
ber ßage ber breiten Waffen nicht möglich ift ohne fefte Sicherung
nach öufeen, ohne eine fräftig gufammenfaffenbe B?eltmad)tpoIitif,
bie fich ben 3 u äitt gu ben ©ütern unb 0d)äpeit ber Erbe, gu ben
üppigen ^robuften ber £ropenfonne unb beit CueEen beS S£ohl*
ftanbeS, bie im Weere ruhen, offen hält unb bie bereit ift gur
thatfräftigen ^ropaganba für ihre Sprache, ihre Art unb ihre
©efittmig.
SBaS wir nicht thun, thuu Anbere auf unfere Soften.
Solange bie Arbeiterpartei biefe ©efichtSpunfte nicht einfieht nnb
praftifd) mit gu oerwirflichen ftrebt, fann fie nicht hoffen, als ein
ooEwerthiger gaftor im politifchen fieben mitgugählen; unb baS ift
für fte um fo fd)limmer, als in feinem anberen Staat fich &ie
breiten Arbeitermaffen oeraitlafet gefehen höben, ben Anregungen
beS internationalen $>oftrinariSmuS eines Wary Staum gu geben.
Es wäre im hoh^n ©rabe wünfdjenSwertb/wenn gwifdjett beit
beibett ©ruppen ber Sogialreformatoreit unb Wacptpolitifer baS
SSort jenes englifdjen WinifterS aufwitchfe: „SöaS totr braud)eit, ift
ein wenig mehr gegenfeitigeS Berftänbnife." Sc'nr in ber SBechfei*
wirfung gmifcheit bett Bethätigungen ber beiben Parteien fann baS
|>eil ber 3 u ^ un ft liegen, ^er 3oEoereitt unb baS ^eutfefee Steid)
brachten ben aEmählith^n wirtl)fd)aftlichen Auffdjwuttg, beffcit
2)eutfchlanb burch bie ööljAjunberte batte anberen Bölfern gegen*
über entbehren müffen. Aur bie SSeltmachtpolitif fann ihn er*
weitern nnb guttt Segen für baS gange Bolf erhalten.
SDaS ^cutfche Steid) fomtte, toie BiStttanf mit Stecht erfanute,
nur baburch feft auf bie Süfee gefteEt werben, bafe cs burd) all*
gemeine Wehrpflicht unb aEgemcittes Wahlrecht auf bie Schultern
559
Sogialc $rci£t3. Gentralblatt für ©ogialpolitif. Ar. 21.
560
beS gangen BolfeS geftii^t mürbe. Das größere Deutfcßlanb
faitit nur, auf bte Arme unb £>ergen beS ganzen, burcß
bic ©ogialreform aufs neue ßarmonifcß geglieberten
BolfeS geftübt, toaeßfen unb gebe 1 1>en!
Berlin. ©ruft non §alle.
Sojial* unb IBirtl)frf)aftepolitlk.
Dr. p. fftottenburg unb Dr. Neunter«
Sir erhalten folgenbe 3uf<ßrift mit ber Bitte urn Aufnahme:
©ehr geehrte Aebaftion!
Öerr Dr. o. Aottenburg hat auf meine in ber „Deutfcßeit
Snbuftriegeitung" oeröffentlidjte Abtoeßr eine Antwort in ber
„Sozialen $rayis" oont 9. gebruar bS. 3*- gegeben, bie mir
erft beute gu ©efießt fornrnt, weil id) auf einer Dienftreife be¬
griffen mar. 3<ß merbe tttid) gegen biefe Anttoort in ber
iiäißften Kummer ber „Deutfcßen ^nbuftriegeitung" oertßeibigen,
erfueße ©ie jeboeß ergebenft, mir aud) ein paar Sorte ber (Er* I
miberung in ber „©ogialen BrajiS" geftatten gu moHen. Durd)
ben Abbrucf eines Briefes beS Ferrit Dr. ©pettce Satfon fueßt
£>err Dr. o. Aottenburg ben BeroeiS gu führen, baß mir (£>err
AeicßStagSabgeorbneter Btoeder, ©eneralfefretär Buecf unb id))
beS (Englifcßen nicht genug mächtig gemefen feien, um §errn
Dr. Satfon gu oerfteben, ber „ein anbereS 9M folgen Herren,
maS er gu fagett höbe, fcßriftlicß geben merbe". 3» biefem
Briefe menbet ficb £jerr Dr. ©pence Satfon mit fdjmeren An*
Hagen gegen mich, meil ich behauptet höbe, baß, „menn er bie
©djattcnfeüen ber Drabc UnionS bamals nießt fehett toodte unb
auch heute nod) nidjt gu fennen febeine, bieS ber llmftaub er*
fläre, baß £>err Dr. ©pence Satfon in erfter ßinie rabifaler
Bolitifer unb biefe Partei mefeitilicß auf bie ©timmen ber Drabe
Uuioniften angemiefen fei," unb forbert ntid) auf, in ben „Ber*
einigten Königreichen auch 11ur einen einzigen dRantt gu nennen,
toelcßer auch nur einen eingigen gad gegen ihn (©pence Satfon)
oorbringen fönnte, in bem er ben Ber fit d) gemacht hätte, bie
©timmen ber Drabe Itnioniften baburch gu gern innen, baß er
irgeitbmte bie Sabrbeit oerbeimlicbt ober entftedt hätte". Sine
folcße Behauptung höbe id) niemals aufgeftedt; id) höbe lebig*
ließ gemeint — unb baS meine id) auch heute nod) — baS
Urtheil über bie Drabe llttionS merbe bei .fierrtt Dr. ©pence
Satfon burd) feine politifche Anficßt beeinflußt, ba feine
Partei mefentlich auf bie ©timmen ber Drabe Unioniften an*
geroiefen fei. Das unterfdjeibet fid) hoch ßiinmelroeit oon ber
Behauptung, ich hätte £)errn Dr. ©pence Satfon oorgetoorfen,
er oerheimliche ober entftede bie Saßrßeit, um ©timutenfang gu
treiben. Das höbe id) nicht gefagt, unb beSßalb höbe ich auch i
nicht ben BerneiS für eine folcße Behauptung gu liefern. Die
Anficht aber, baß mir §errn Dr. ©pence Satfon in unferer
Unterrebung mit ihm nicht oerftanben hätten ober nicht hätten
oerfteben föniteit, meil mir beS (Englifcßen nicht mächtig mären,
merbe ich in ber „Deutfcßen Snbuftriegeitung" bnreh mörtlidhen
Abbrucf beffen miberlegeu, maS mir ben beutfeben 3nbuftrieden
feiner 3eit in unferen Steifeberichten aus (Ettglanb, bie am Dage
ber llnterrebung niebergefcfjrieben mürben, mitgetheilt höben,
tiefer Bericht mirb auch €>errn Dr. ©pence Satfon baoon über*
geugen, baß er uns nichts fcßriftlicß gu geben brauchte, um hoch
bis aufs lebte Sort oerftanben gu merben, unb baß mir feiner
'perfott unb ©tedung ooHe Süroigung höben gu Dßeil merben
Iaffett. ferner merbe ich in ber „®eutfdE)eit 3jnbuftriegeitung"
meine Anfid)t, baß eS fid) bei ben Drabe Unioniften neuerer i
9tid)tung um bie §rage hönble, mer .jperr im §aufe fein folle,
ber Arbeitgeber ober ber Arbeitnehmer, burd) ben Abbrucf gmeier
ltnterrebungen als richtig gu erroeifen fuchen, bie mein ocrehrter
Kollege £). A. Buecf im 3ößre 1890 mit 3)tr. tfeoeft), Direftor
ber South Metropolitan Gas Works in Bonbon, unb 9Jtr.
9)2c. ^orntell, Direftor ber Maxim Nordenfeld Gun and
Ammonition Comp., gehabt höt.
Dies mirb meine leßte (Entgegnung auf bte Angriffe beS
.'oerrn Dr. o. Stottenburg fein; beim bie megtoerfenbe Art, mit
ber er in Begug auf meine g-äßigfeit urtßcilt, au ber Söfung
einer ernften fogialpoIitifd)en 3rage mitarbeiten gu bürfen, höt
für mich fein oolfSmirtl)fd)aftlid)eS, fottbern nur noch e in pfpd)o*
logifd)cS ontereffe, unb eine XiSfttffiott über bas leßtere oerbietet
fiel) itt ber Ceffcntlidjfeit.
Berlin SW., 16. Februar. j
Dr. S. Be um er, ,
Biitglieb bes ^reußifd)en AbgeorbitetenhaufeS. ,
fierr Dr. o. 9tOttenburg, bem mir oon biefer 3 u f4) r lf*
Ketttttniß gegeben höben, bemerft bagu in einem Briefe au uns
golgenbeS:
3d) fann nur mit AriftophöneS fagen:
„@ern laß td) eS ihm!
$amt mirb er oon bem, maS er felbft oorbringt,
iOtir mit grag' unb BemetS unb ©ebanfen ber 3 c *t
Sie n’em & a g c l oon Pfeilen gtt Boben geftreeft."
9tur einige menige Bemerfungett gu §errn Dr. BeumerS
Brief:
.£>err ©pettce Satfon höt bie Bemerfungen, melche .perr
Dr. Beumer in ber „Snbuftrie" über ihn gemacht höt, einer
fdjorfen Kritif untergogen. Nunmehr erläutert ^err Dr. Beumer
jene Bemerfungen bahnt, er höbe lebiglid) gemeint, „bas Urtheil
über bie £rabe UttionS merbe bei £>errn Dr. ©pence Satfon
burd) feine politifche Anficht beeinflußt, ba feine Partei roefent*
lid) auf bie ©timmen ber £rabe Unioniften angemiefen fei."
$>ie ©chlußfolgerttng in biefem ©afce reiht fich ebenbürtig ben
in meinem leßten Auffaße befprocheneit ©pdogiSmen an. 3nbeS —
abgefehen baoon — biefer Berfuch fi<h S« cjculpiren, ift oöllig
oerfehlt. § err ® r - beumer höt in ber „3nbuftriegeitung" be*
hauptet: Als £>err Satfon mir AuSfunft erteilte, mollte er bie
©^attenfeiten bes Srabe UttioniSmuS ttießt fehett — unb bas
heißt nichts anberS als: §err Satfon höt mir roiffentlid) eine
unrichtige AuSfunft erteilt. Senn eS bann in ber genannten
Leitung roeiter h e ißh falf<he AuSfuuftertheilung erfläre flcf)
barauS, „baß J9err Satfon in erfter 9teü)e rabifaler ^Solitifer
fei; biefe Partei fei mefentlich auf bie ©timmen ber £rabe
Unioniften angemiejett," fo mirb rnoßl fein Unparteiifcher bar*
über int 3 töe M e l f^ n fönnen, baß ber ©inn biefer Sorte baßin
geßt, §err Satfon fud)e bie ©tintnten ber £rabe Unioniften gu
gemimten. Die Kritif Jimm Satfons mag perrn Dr. Beutner
reeßt unangenehm fein; aber fie ift bureßaus berechtigt.
3n ber „3ubuftriegeitung" ßöt übrigens §err Dr. Beumer
gegen bie fämmtlichen englicheit Arbeitgeber, melche ftd) ißtn
gegenüber gu ©unflett ber Drabe UttionS geäußert ßötten, ben
Berbacßt auSgefprochen, cS fei bieS in ber Abficht gefeßehen,
„cud) Deutfchlanb mit biefer Snjtitutiou gu beglücfett uttb^.ba*
burch in feiner Settbemerbsfäßigfeit auf bem Seltmarft gu
fd)toäd)en." (Eine (Erläuterung biefer allgemeinen Betnerfung
feßeint ^eri Dr. Beumer nicht für erforberfid) gu eraeßten.
£>err Dr. Beumer fünbigt an, er merbe feine Auffaffung,
„baß es fid) bei ben Drabe Unioniften neuerer 9ticßtuttg um bte
5rage ßanble, mer ^>err im §aufe fein folle, bureß ben Ab*
brud gmeier Unterrebungen als richtig „ttaeßgumeifen fueßen",
rnelcße §err Buecf im 3ößre 1890 mit bem Dtreftor ber South
Metropolitan Gas Works unb beut Direftor ber Maxim
Nordenfeld Gun and Ammunition — nießt Ammonition, roie
§err Dr. Beumer feßreibt ~ Comp, gehabt hat. AIfo auf bie
AuSfagen biefer beibett Herren ftüßt fteß baS apobiftifeße Urtßeil
§errn Dr. Beutners! ©ollte baS nießt ben ©läubigften feiner
Anhänger bie Augen öffnen? Den BeroeiS, baß bie ftreifenben
dkafcßinettbauer mtrflicß bie Sortierungen geftedt ßaben, rnelcße
in ber „3nbufiriegeitung" aufgefüßrt merben, ßält £>err
Dr. Beumer ttaeß mir oor gurücf.
3nbeS icß mid bie S e ß^ ttunmeßr als abgefcßloffen att*
feßen, unb icß muß es, eittgebenf ber Sorte beS DeireftaS:
,,©tid) naß Meißen nießt!
Den lobten itodimals tobten, melß ! ein §elbenmutl)!"
Bonn, 18. Sebruar. Dr. o. 9tottenburg.
Der ©cßuß „Arbettsmittiger'' im preußifdhett Abgeorbneten«
ßaufe. Am 15. gebruar brachten im preußifeßen Abgeorbneten*
ßaufe bie fonferoatioett Abgeorbneten 9ting unb S^Iifcß bie ©efdjäftä*
gebaßrung einer Angaßl oon Arbeiterorganifationen gur ©praeße,
„bie, unter fogialbemofratifßem Ginfluß fteßenb, baS mirthfeßaft*
ließe Öeben in uttferetn gefantmten beutfeßen Baterlanb feßroer be*
broßen". 3nfonberßeit mürbe auf ben Gcntraloerbanb ber Btaurer
in Deutfcßlanb ejemplißgirt unb beffen Beftreben, ade Bauarbeiter
gunt Beitritt gu oerattlaffen. ©reife biefe Art audß auf bie länb*
ließen Arbeiter über, fo fei ber fogialbemofratifcße ©taat bereits
ba! Die Abgeorbneten Dr. £>irfdj unb ©olbfcßmibt (freiftnttige
BolfSpartei) foroie 8fmßs (Zentrum) traten für bie Arbeiter*
oereinigungen ein, inbem fie gegenüber ben Klagen über DerroriS*
i muS ber Arbeiter naßbriidlicß barauf ßittmiefen, baß oon ben
Arbeitgebern in umfangreidjem s D?aße DcrroriStitus geübt merbe.
Der Bcinifter bes 3nttertt erflärte, ißm unb ben Beßörben feien
561
Soziale $rajiS. Gentralblati für Sozialpolitik Ar. 21.
562
foldjc Vorgänge aus ber fozialbemofratifchen Vewegung, n>ic fie
bcr Abgeorbnete IRing oorgetragen hd, ja nic^t unbefannt. Aber
er l)dte cS bodf) für nüfclid), bafj fie auch weiteren Greifen befannt
werben, barnit bem SSolfe Kar werbe, welche Gefahren non ber
Sozialbetnofratie zu erwarten feien. @8 ergebe fid) hieraus für
bie ^Soligei bie feljr ernfte Verpflichtung, gegen biefe Vorgänge
aufs Sorgfältigfie ein^ufcbreiten, foweit bte gefeilteren Vefug*
itiffc ib»r baju eine £)anbhabe geben: „Seiber oerfagen manchmal
biefe Vefugniffe unb wir haben alle Veranlaffung, crnftlicb barüber
nad) 3 ubenfen, nach welcher S^ic^tung bin eine Verftärfung ber gefefc*
lieben Vefugniffe, namentlieb z um Schufte ber Arbeitswilligen, er*
forberlicft ift. 3$ hoffe, baft wir uns in nicht langer 3eit, wenn
auch in einem anberen Parlament, bamit ju befd^äfttgen haben
werben." — Gs mu& im bob cn ®rabe auffallen, baft bergeftalt
ein — wenn aueb inbirefter, fo hoch febr beutlieber Vorftoft oon
einem preufjifdf)en VHnifter gegen baS AeichSamt beS Jnnern ge-
rnaebt wirb.
3>tc Reform ber Gefänauiftarbctt in gftanfreid) gab wie alt*
jährlich in ber Vubgetbebatte oer Abgeorbnetenlammer Veranlaffuug
Zu breiten AuSeinanberfeftungen. Schon im Jab re* 1895 ^atte bie
.uammer bie Regierung erfud^t, ben $errfcbenbeit Acipräuchen ein
Gnbe ju bereiten unb burcf) eine Verftänbigung unter ben wer*
febiebenen 9Rinifterien bie Gefängniftarbeit bireft für ben Staat
ituftbar ju machen. Vis babin fanb fjauptfächHch baS Stjfiem ber
fogenannten Gntreprife ober Vergebung an prioate Unternehmer
Anwenbung. ViS ^unt 31. Dftober 1898 war bie oon ber
Kammer angeregte Transformation in bireften Staatsbetrieb nur
wenig oorangefd)ritten. Von ben 5501 männlichen Sträflingen
ber Gentralgefängniffe waren nur 557 unmittelbar für ben Staat
befebäftigt, währenb ber Aefi oon 4926 nach toie oor in birefte
Konfurrenz mit ber ^rioatinbuftrie trat, eine Konfurrenz, bie bei
bem Spftern ber Gntreprife um fo brüefenber wirb. GS fmb
bauptfäcblicb bie Korbflechterei unb Vürftenbinberei, in ber
Bretagne auch bie Tifchlerei, bie ftcb über ben fröhlichen 3Bett*
bewerb ber Gefängniftprobuftion beflagen. Jn ben Debatten ber
Kammer würbe oon mehreren Abgeorbneten gänzliche Vefeitigung
bcr gewerblichen Gefangenenbefdjäftigung oerlangt. Ter Abge*
orbnete Vaillant fdfjlug oor, baft bie Tireftioit ber befangenen*
anftaltcn ficb mit ben §anbelsfantmern unb ben Gewcrffchaften
ihres VezirfS ins Benehmen feften, um fo eine Vefchäftigung für
bie Sträflinge ju finben, bie in feiner 2öeife mit ber freien Arbeit
fonfurrirt. Setn weiterer Antrag, bie Gefängniftarbeit hauptfädtj®
lieb in erziehendem Sinne, faft ju einer Art Sachfchule auSzu* j
bilbeit, fanb fpmpathifche Aufnahme in ber Kammer, bie inbeffen
aus finanziellen Aücffichten bei ihrer Aefolution oon 1895 oer*
harren muftte, bie babin geht, bafj nacb unb nach baS fröhliche
Spftem ber Gntreprife burd) ben Staatsbetrieb erfeftt wirb.
kommunale öojialpolitih.
3nm preujnfcbcu Kommmtalabgabengefeft Heber eine Aeitbe*
rung beS VerfjältniffeS jwifchen Aealfteuern unb Ginfommenfteuer*
Zufcplägen würbe am 7. Februar im prcuftifcheu Abgeorbneteuhaufe
oerbanbelt. Säfjrenb bieSmal aber ein Antrag Vßeperbufd) (frei*
fonferoatio) nur im Allgemeinen eine Aenberung beS Kommunal*
abgabengefefceS babin forbert, bafc eine Ueberbürbitng ber §auS*
uno Grunbbeftfter fowie beS Gewerbebetriebes auSgefthloffen ift,
unb weiter eine Grweiterung ber gemeinblichen Aechte in ber AuS*
eftaltung ihres Steuerplans (ogl. Jahrg. VI Sp. 345), fpejialifirte
er Eintrag beS rheinifeben bentrumSabgeorbneten 9RieS biefe 3?or*
berung. feäbrenb bisher nämlich für jebes Prozent ber ftaatlidb
oeranfchlagten Slealfteuer, infofern fie 150% iiberfteigen, zwei
^rozeut ber StaatSeinfommenfteuer erhoben werben fonnten, füllen
fünftig ^lufwenbungen ber Genteinben, bei beiten ein überwiegenber
SSortheil nach ber einen ober anberen ^Richtung nicht erfennbar ift,
bureb gleiche $rozentfäfce ber SRealfteuerit unb binfotnmenfteucr*
Zufcbläge gebeeft werben. Ter ^inanzminifter Dr. o. Miguel bc*
[tritt ein Sebiirfniß zu biefen ^lenberungen, ausführlich ben Grunb*
gebauten ber Kommunalfteuerrefonn barlegenb, ben man hier bur<h*
löchern wolle. SBoIIe ber Grunbbefib ficb feiner Pflichten, entfprecbenb
Zu ben Oiemeinbelaften beizutragen, entziehen unb ?UIeS auf bie
^erfotialfteuern legen, fo müffe auch bie 23eoorredf)tung beS Grunb*
unb GebäubebefifceS in ber Gemeinbeoertretung aufhören. Gine
Kommiffion oon 14 Dtitgliebern wirb bem Antrag einen auftänbigen
Abgang fiebern.
Winterliche 9?olbÜ<mbSdrbetlcit in beutfebew ©titbten 1894/97. /sii
Winter 1894/95 würben nach bem Statiftifdjeu Jahrbuch beutfdjcr
Stabte (VIII. Jahrgang, 1898, Srcslau, Gottlieb Korn) in 14 größeren
Stabten (Altona, 95raunfebweig, TniSburg, (Srfurt, Gffeit,
grantfurt a. SW., Hamburg, Königsberg, ßeipzig, SRagbeburg,
Mannheim, Strasburg, Stuttgart unb 2SieSbaben) Stothftanbs*
arbeiten eingerichtet; im SBinter 1895/96 in acht biefer Stabte unb 1896/97 in
95raunf<bweig, Tiiffelborf, Königsberg, Leipzig, aiu 3 ,
SRaitubeim, Stündjen, Strasburg, Stuttgart. Tie vefd)äftigung
würbe in ben SRonateit oon Cftober bis Hpril gewährt, fie mnfafjtc in
ber einzelnen Stabt zwei bis fünf SRonate. 9Us 2lrt ber Arbeiten ft»b
Grb* 1111 b SKegearbeiteii, SDiauerabbriidK/ Sdjnecfdjaufeln unb Strafen*
reinigung, Stciitfd)lagen unb $olzbacfeti angegeben. Gs fehlt hier alfo
bie SIü(f|id)tnahiiie auf bte f<bwäcblidjcn Arbeiter unb bie Arbeiter, zu
beren 9?eruf eine größere |)anbgefdjicfltd)feit gehört. Tiefe hat mau in
einigen Stabten, befonbers bort, wo Vereine bie StothftanbSarbciten
leiteten, mit leichteren Arbeiten, wie HuSlefen oon Kaffee unb Gummi,
Strohflechten, Sdjreibarbeiten :c. (oergl. Jahrgang VII Sp. 88 ) be*
fchäftigt. Stüdf* unb 2lfforbIohn überwiegt in ben Eingaben, Zeitlohn
wirb äuS 3?raunfd)weig gemelbet, meiftens fehlen bie Eingaben. Jn
grantfurt Ijat malt oerfd^iebetie Arbeitsgruppen mit oerfchiebener ^olpt*
bemeffmtg gefchaffen (oergl. Jahrgang VI Ar. 12 ). Gine ausführliche
Ueberftdjt über bte „AothftanbSattionen beutfeher Stabte", meuigfteits
für 1895/96, brauten auf Grunb eigener Grfahrungen biefe 93Iättcr im
Jahrgang V Sp. 584 bis 589.
für bie ftübtifcheit Arbeiter tu SRannljeittt. Jtt Sftamt*
heim haben bie ftäbtifd)en Arbeiter eine £ohnaitfbefferung in AuSfuht;
ber 95oranfdjlag für 1899 ficht bafür 46 821 Ui oor. Auch ift eine
neue Arbeits* unb ^ohtizahlungsorbnung aufgeftellt, aus ber wir er*
wähnen, bah für gefepltdje geiertage ^ohit befahlt wirb uttb bah ein
Arbeiter, ber fünf Jahre im [täbtifchen Tienft ift, in KranfheitSfäHeu auf
brei Atoitate ben 2obtt fortgezahlt erhält. Arbeiter, bie miitbeftcits
Zwei Jaljre im Tienft ber Stabt finb, erhalten and) £ohit währettb
etwaiger 9Wüitäntbungen itt Aeferoe uttb Sanbtoehr, bod) werben bie
gefeplidi oom Aetch gezahlten Vergütungen abgezogen. Vei lobesfällen
follen ben SSittwen uttb Waifen ber Arbeiter, bie wcnigftenS zwei Jahre
in ftäbtifchem Tiettft waren, ttodj zwei Atonate lang ber l'ohn bes oer*
ftorbetten Gatten ober Vaters bezahlt werben.
GaS unb Gleltrizitftt m be« Stübten. Jn ben Vororten Verlitts
fätnpfen GaS unb Gleftmität heftig um baS Aedjt ber Vcleudjtung.
TaS Glcltrizitätswerf Cberfpree hat neun Vororte an ihr tfeitungSnejj
attgefdiloffeit, einzelne bauott, wie Alt = Glienicfe haben audj eleftrifdie
Strahenbelciuhtuttg. Attbercrfcits werben neue GaSfabrifett gegriutbet
in Aicberfdjötttücibc, Grün au tt. f. w. Jn .st öp ent cf, Ablershof
uttb gricbrtd)!?hagcit oerhtitbmt bie ltitoorfichttgeit Verträge mit ber
pvioateit Gasfabrif bie allgemeine Ginführung ber Gleftrizität ju Zeucht*
itttb Kraftzwecfeit, ba öffentlidie V>ege unb^ld^e bort nicht mit frembett
Leitungen belegt werben bürfett. — Tie Verfuche mit GaSautomateu
in ben Verl in er ftäbtifdjen Atarft hallen toerbett fortgefeht. — Tie
elcftrifche Vahnftrecfe Veuthen i. £.=Sd)l.—Vobref—Vorfigtoerf- Vis*
fupih-Sabrzc ift eröffnet. — Tic ftäbtifdjeit Vehörbett oon Ai.=Glab*
bach unb Ahetjbt haben Verträge mit einer Gleftrizitätsgcfellfdiaft
, über ben Vau oott Glcftrizitätswerfcn uttb Kleiitbahneit genehmigt. Tie
| crforberlichen 4 047 (MK) v ä: foücn zunt grohett Jh c ‘l burd; Anleihen aus
I ber ^rooittz gebeeft werben. Ter $lan für bte Kleinbahnen fleht
! mehrere Stuten tut Jiutertt bcr beibett Stabte oor, ferner Auhculinieit
; oon Ai.=Glabbad) nad) .'oarbt unb oon Ahepbt nad) Cbenfirchett. Auf
! ber Gritttblage biefer 2iniett foü ftch fpäter ein ganzes Acp oon Klein*
bahnen bttrd) bett At.=Glabbad)*Ahet)btec Vezirf augliebertt.
Tie ArbeüSfammev ber Stabt 3ürid), eine Anfang 1897 ins 2ebctt
gerufene Sdiöpfuttg ber beruflidjett Arbciteroercinc, hat nad^träglidj für
bas Jahr 1898 eine lltiterftübung attS ftäbtifcheit Aüttelit oon 200 grs.
erhalten.
Kommunale Alrbeitertoohuuugeu in Gnglanb. Ter Arbeiter*
wohnungSauSfdhuh beS ßonboner Graffd)aftSratl;eS hat feinen
Vericht für baS VerwaltungSjahr 1897/98 erftattet. Tie ad)t
Komplexe für Arbeiterwohnungen ber Kommune inooloirten bis
Gnbe Atärz 1898 Jnoeftitionen oon 309 567 £; blo& bei z^^i
Vauten ergab fid) ein Keines Tefizit, währenb alle Arbeiterhäufer
Zufantnten in ber VeridjtSperiobe einen Aetto*Aeinertrag oon
1 322 £ ergaben. Tagegen ergaben fid) Verlufte oon 1 891 £ bei
Vauten, zu beneit fid) ber Graffd)aftSratl) aus bem Grnnbc ge*
! zwungen fah, weil fiä) feine Käufer für bie Grunbftiicfe fanben.
Auch in englifchen ^rooinzftäbten wirb bereit feiteuS bcr
! Gemeinben oicl für bie Vcfdjaffung billiger Arbeitenoohnungen
geleistet. So hai einigen Tagen in Aberbeen bie Gröffuuug
| eines neuen fommunalen Arbeiterwohnhaufes mit 252 ^ianaeru
j unb einem Kranfenfaal ftattgefnnbeu, baS nach bern Diufter bcr
! £onboner Aowton*.f)äufer emgeridjtet ift. Jm £>auS finben fid)
| Sefezimmer, 33ibliotf)cf unb AefreatiouSräutne unb es ift burd)*
toegS eleftrifd) beleuchtet. Tie Vaufoften [teilen [ich auf 10 000 £.
Gin feparirter Sdjlafrauin für eine Aachl foftet je nad) ber >>ölje
bcS Siocfwerfs 4, 5 ober 6 $cnce.
Jn Sdjottlanb ift inan im Allgemeinen bezüglich fomuiiinaler
V5ohnhäufer ben englifchen Stabten ooraus: (Glasgow hat außer
einem JamilienhauS fiebeit Arbeiterwohnl)äufer für 2500 ^erfoneu,
©ogtale $ra£t§. ©entralblatt für ©ogialpolUit. Nr. 21
568
564
auch ßeitp unb^aislet) paben gute gürforge für 9lrbeitcrroobnungen
getroffen, unb in ©reenocf ift man mit bent Sau oon folgen Be*
fdpäftigt. ©nglanb pat oor anbern ©täbten namentlich
Diandpefter fdpöne (Erfolge in „Municipal housing“ aufguroeifen.
SJäprenb in ßonbon bie Kommunen bloß lOOOO Sßerfonen unter*
bringen fönnen, pat bie ©emeinbe oon Dtondpefter, baS bloß ben
neunten Dpeil ber Seoölferung ßonbonS gäplt, Unterfunft für
24 000 jßerfonen befrf>afft unb groar nid)t bloß SSopnungen in
großen HäuferblodS, fonbern auch ©ottage*2lnlagen, ju 5 3immer
baS §äuSdpen, bie gu 7 sh 9 d in ber SBodje oermietpet merben.
kommunale ^euerberfi^erung in ©nalanb. Der ©tabtratp
oon ©unberlanb befdpäfligt fiep bergeit mit Dem Sßrojefte ber Ser*
gemeinblidpitng ber Seueroerficfierung. ©S foK gu biefem S^edP ein
eigener fommunaler 3 onbS gegrünbet merben; bie ©emeinbe*
oertretung märe bent ^rojefte gufolge in ber ßage, bie Serfidpe*
rungSprämien im Serpältniß gu ben oon ben $rioatgefettfhaften
geforberten ©äßen bebeutenb gu rebugiren.
Ädjtftunbentög für ©emetitbearfcetter in Nocpbale. $)er ©tabtratp
oon Nodjbale pat befdjloffen, für bie im $)ienftc ber ©emeinbe, bie oer=
fdjiebcnc SScrfe betreibt, ftepenben feiger ben Äcptftunbentag (in brei
$lrbcitsfcbid)ten) eingufi'tpren. $>od) ift babci ber Sßodjeitlopn ber
Arbeiter um ben aliquoten Speil - 3 sh. 2 d - perabgefept morben.
Sojiolc 3ttßättfte.
Die Sage beS beuifdjen NrbeitSmarfteS ift im ©roßgeroerbe nodp
anpaltenb günftig. ©ine ÄuSnapme machte bie Noblen* unb ©ifen*
inbujtrie jOberfcplefien, über bie oorübergepenb Sericpte über
Mangel an Sefdpäftiguna einliefen. Dodp pat fiep gegen ©nbe bes
Sanuar bas oberfdplefifcpe ©efdpäft mieber erpolt. SefonberS m
begrüben ift bie in oerfdpiebenen ©egenben gu Dage tretenbe
Sefferung im Dejrtilgcroerbe; bie Sefdpäftigung nimmt mieber gu,
bie greife für Jertigfabrifate gieren an. Dpeilroeife pat auch baS
Hodproaffer nach furger 3 eit großer ©cpäbigung oermeprte ÄrbeitS*
gelegenst gebraut; bie ®ac^becfer in ©übroeftbeutfcplanb paben
baburcp plöfelid) unb unoorpergefepeit oiel Arbeit befommen.
Saugeroerbe, bei Hodp*, Kanal* unb Kleinbapitbauten gebt ber Se*
trieb Danf ber mtlben SHtterüng flott roeitcr unb madjt fiep roeit*
bin, felbft auf bie Sefdbäftigung im Saugemerbe, benterfbar. 2£ie
mir bem „ÄrbeitSmarft" entnehmen, geigen bie ^Ibfcplußgiffern ber
NrbeitSnacbroeiSnerroaltungen groar nodb immer einen günftigen
©tanb beS SlrbeitSmarfteS an, aber er oert^eilt ficb nic^t gleich*
mäßig auf fämmtlidbe ©täbte. Son 58 oergleicbbaren Daten ber
bericptenbcn ÄrbeitSnacproeife meifen im Sergleid) gunt Sanuar beS
SorjapreS 36 (+ 2 auSläubifcpe) eine Abnahme unb 19 (-f- 1
auSlänbifdper) eine 3unabme beS ÄnbrangeS auf.
_ ©«fjliutme Sage ber Arbeiter am ©implontumtel» 2luS ber
©d)meig mirb uns geftbrieben: ^aum bnben bie Xmtuelarbeiten
am ©iutploit begonnen, fo fommen Klagen über bie fcblintmen
Serbältniffe, in benen bie italienifcben Arbeiter leben. SBie bem
in Stoilanb erfcbeinenbeu „©ecolo" gefdbrieben mirb, benufcen bie
Unterafforbanten baS in ber SBinterägeit befonberö ftarfe Arbeite*
an gebot, um bie Söbtte möglicbft berabgubrüdett. ©o roerbe für
groölfftüubige Slrbeit im Skfimunt 3 ,50 JrcS. begablt. Siele 2 tr*
beiter oerbienen aber nur 2, 30 2?rc3., alfo nicht einmal 20 9 *tp. in ber
©tunbe. Unb bagu giebt eö folcbe mit $adf)tfdbi<bten, bie nicht
mehr al«g 3 grc£. für gmölf ©tunben begieben. Slucb über bie
^InöbeutunaSfucbt ber Seoölferung mirb ftarf geflagt. $)ie
rungömittei haben ficb ftarf oertbeuert, fo bafe bie Arbeiter nichts
erfparett fönnen. ®a^ S ctr olcum foftet baS hoppelte, baö £>olg
mufe faft mit ©olb aufgemogen merben unb bie 2 Bobnung£mietbe
beträgt 25 bi^ 45 im 9ßonat. Unb bie Söobnungen finb
troßbem fcblecbt unb ungefunb, feuchte 3 intmer gu ebener ©rbe,
ooU ©taub unb ©cbmuß, in näcbfter faäfyt ber fauche* unb 5DHft*
gruben. 3n biefen alten Serfcblägen pferd^en fid) bie Qtaliener ein,
4, 6 , 10, 20 3Kann in einem 3intmer, gu groeien ober breien in
einem Sett!
I)ie Xunnelunternel)mer mollen fid) tbeilmeife bamit ent*
l'cbulbigen, baß man llnterfunftglofale nid)t habe erhalten fönnen,
bis ber ©implonoertrag perfeft mar. merbe baran gebaut,
eb en fo an ben Säbern unb ber 2£äfd)erei beim ^unneleingang.
^ic s JJi au rer erhielten jept 4 /5( , gres. unb ber Sohn merbe noch
weiter fteigen. Sie 3frbeitögeit überfebreite 9 bi£ 9 1 /-2 ©tunben
nid)t- ?tad) ben Informationen ber „©uiffe" finb itibeffen bie oom
„©ecolo^ gebrachten ©ntbüllungen feine»meg^ übertrieben. SBäbrenb
auf italicnifdjcr ©eite alle Maßregeln getroffen mürben, bae«
2Sol)lbefiubcn ber Arbeiter uad) Kräften gu fidjern, füll eö in Srig
auf febmeigedfeber ©eite roirflid) fe^r fcblimm fielen, "^ür Unter*
funftSräume ift fepr ungenügenb geforgt, für bie gablreicben ?lr*
beiter ift nur ein 9lrgt angeftellt, unb ber mobnt nid)t einmal bort.
Sie ßobnoerbältniffe finb noch fdblimmer, als bargeftellt morben.
9lucb bie §luSbeutungSfucbt ber Seoölferitng mirb betätigt.
Siefe Nachrichten finb um fo auffaÜenber, als oor Bürgern
noch gerühmt mürbe, baß bie oon ber Sunnelbaugefettfdjaft für
baS Söobl ber Arbeiter getroffenen ©innebtungen gerabegu tnnfter*
ültij feien. S3ir gmeifeln nicht baran, baß bie Sel)örben, falls
ie Klagen berechtigt finb, auf s ?lbt)ülfe bringen merben. Stittler*
meile bat in ©enf bereits eine Serfammlung ber Sorftänbe ber
italienifcben Sereine unb italienifcben Qournaliften auf Anregung
beS italienifcben Slonfuls ftattgefunben unb befdbloffen, in lieber*
einftimmung mit ber Negierung oon SkUiS unb ben Sunuclbau*
Unternehmern Drittel gur Serbefferung ber Sage ber Arbeiter am
©implontunnel aitguftreben unb gmar burdb ©Raffung oon Si'ob*
nungen unb billigen {Quartieren, ^onfumgefeUfcbaften u. f. m. Sin
ber ©pipe beS ntebergefepten ftomiteS ftepen UnioerfitätSprofeffor
Santaleoni unb ber italienifdbe £oitfuI Saffo.
©rbebungeit über bie Sage ber Heimarbeiter in Defterreidj.
^)er Slrbeitsbeiratb bat ficb in feiner ©ipung am 15. Nooember
oorigen QabreS für bie ©inleitung oon ©rl)ebungen über bie Sage
ber Heimarbeiter auSgefprocben, bie im SBege einer ©nquete unb
groar gunäcbft für bie Kleiber* unb föäfcbe!oufe!tion burebgufübren
mären. 2>er gur Sorbereitung ber ©nquete eingefepte SlnSfdbuß
trat am 16. Februar im Slrbeitsftatiftifcbeu Slmte gur erften fon*
ftituirenben ©ipuna gufammen unb roät)lte bi er ^ e i Vr. Hainifd)
gurn Dbmanne. ©obanu mürben bie oon bem Sorftänbe bes
5lrbeitsftatiftifcben 9lmteS, Drinifterialratl) Dr. Dlataja, über ben
Umfang unb Sie Slrt ber Durchführung ber ©nquete foroie über
ben 3 e dP l! «^ Abhaltung gemad)tcn Sorf^läge in Seratbung
gegogen. Stau fam babei gu bem ©ebluffe, baß gunäcbft burd)
eine Umfrage bei ben §anbels* unb ©eroerbefammern bie in Se*
tradpt fontmenben ©entren ber Kleiber* unb SSäfdpefonfeftion in
ber Dloitarcbie feftgufteüen unb bei biefem Slulaffe oon ben Kammern
auch Sorfcbläge in Setreff ber Seftimmung oon ©yperten aller brei
beim SrobuftionSprogeß betbeiligten Kategorien, als Unternehmer
(Konfeftionäre), unb Arbeiter, eingupolen mären.
Die Öifte ber einguoernebmenbeit Serfonen mirb bann burd) ben
SluSfcbuß felbft bie enbgiltige Raffung gu erhalten haben. Die
ßeitung ber ©nquete, bie oorläufig nur in SJien abgebalten merben
foH, mirb im ©inne ber ©efcbäftSorbuung bes NrbeitSbciratbeS
bureb baS ^IrbeüSftatiftifcbe Slmt auSgeübt merben. Die ©nquete
foH nur oon befdjränfter Deffeutlicbfeit fein unb es merben bie
©fperten getrennt nach ben oben angeführten Kategorien oernommen
merben. Öls 3 dtpunft, in bem bie ©nquete ftattfinben foü, mürbe
ber Slpril biefes SapreS in NuSfidpt genommen.
Kinberarbeit tu gonbott. 5luf Sluregung einer Deputation bes
2lrbeiterinnert*KongreffeS beim ©rgiepungSbepartement pat baS Son*
boner ©dpulamt burdp bie ßeprer feiner ©dpulen ermitteln laffen,
meldpe Solfsfcpiiler mepr als 19 ©tunben roöcpentlicb außerhalb
ber ©cpule ermerbstpätig finb. 3« biefen 112 — oon inSgefammt
485 —- ©dpulen arbeiten 1143 Kinber roödpenttidp 19 bis 29 ©tunben,
729 Kinber 30 bis 39 ©tunben unb 285 Kinber 40 ©tunben uttb
barüber. Son biefen finb 309 Kinber mit §auS* unb Dienft*
botenarbeit 8309 ©tunben roöcpentlicb befepäftigt unb erhalten gu*
fammen 21 £ 9 s S 1 l 2 d; burdpfepnittiieb fommen alfo auf ein
Kinb 27 ©tunben unb l / 2 d bie ©tunbe. 719 Kinber tragen
3 eitungen unb DJildp in roöcpentlicb 21 662 ©tunben aus unb er*
palten gufammen 94 £ 1 s 10 d. Durdpfdpnittlicb leiftet alfo jebes
Kinb 30 ©tunben, bie ©tunbe gu 1 d. — 1065 Kinber finb fiauf*
burfdpen unb in geroerblicpen ober faufmännifdpen Setrieben be*
B t unb gmar gufammen 31 923 ©tunben gegen 121 £ 4 s 11 d
, alfo burcbfdpnittlidp jebeS Kinb 30 ©tunben gu 1 d ftünb*
lidp. 69 Kinber patten fonftige Sefcpäftigungen unb groar burcp s
fcpnittlicp modpentlicp 29 ©tunben gu IV 4 Ü. 3« einigen hätten
fam Serpflegung pingu. ©ine Slnfdpauung uoit ben ©rgebniffeit
gemäprt folgenbe fleine ^robe:
Kinb
Älter
Arbeit
mocpentlid)
©tunben
3?egap lang
«■ s £
9
Drilcpjunge
21
2 s 6 d
©. 3.
18
©rünfram
26
1 s 0 d
n. sw.
8
3eituugSocrfäufcr
20
1 s 6 d
®. ©.
11
Ccljunge
42 V*
2 s 0 d
e. ( 5 .
10
Di t(rf) junge
84
2 s 6 d
fS- V-
9
=
4s
1 2 6 d
A.
11
3cituugSjungc
81
1 s 6 d
18
Di i Id) junge
51
2 s 0 d
565
©ojtale $rajis* ©entralblatt für ©ojialpolitü. Wr. 21 .
566
©in armes 3 ehnjährigeS $irtb hat als ©eßülfe eines ©efcßäfts«
manneS bas fcßauerliche ©efcßäft, beim AuSmeffen oon Leichnamen
au Reifen, gegen l /2 d bie ©tunbe. Dr. Bacnamara roeift in feinem
Bericht über biefe ©rhebungen auf bie AuSfagen ber ©<hulntänner
bin, bie eine fernere ©efäßrbung ber Aufgaben ber ©djjule burd;
bie Äinberarbeit erfennen laffen. ©ie armen ftinber ftnb — bie
©cßu^eit binsugenontmeit — einen bebeuteub längeren ©heil beS
©ageS befcßäftigt als erroacbfene Arbeiter, unb bcfonberS enigefien
ihnen bie freien ©onntage unb ©amStag*Wachmittage. ©nergifd)
werben für Lonbon ähnliche Beftimmungen geforbert, wie fie in
Birmingham, Lioerpool, Brabforb, §ull, Bancßefter
unb ©beffielb bie Beßhäftigung non Stinbern regeln. Als baS
9Rinbefte wirb geforbert, baß Sfinber unter 14 fahren nirgenbmo
in ber .gauptftabt oor 8 Uhr Borgens ober nach 8 Uhr AbenbS
befchäftigt werben bürfen, biefelben gorberungen, bie aud) in
beutfchen ©täbten neuerbingS aufgefteHt finb.
3Ubeiterbeweguttg.
©ie Strcifbetoegung tu ©entfdjlanb hat im Sanuar lebhaft
eingefeßt; es hat fid) bie 3 af)l ber ©treiffätte beinahe oerboppelt.
©a 3 U fomrnt, baß ber Beberftreif in ^refelb im Sanuar feine
größte AuSbehnung erteilt hat. ©ie 3 a hl ber ©treifenben bürfte
2000 betragen haben, ©in Ausgleich fleht jur 3 g k »och nicht in
AuSficht. 3m ©anjen beträgt bie 3ah* ber AuSftänbe 35 (gegen
19 im SDe^ember); baoon fallen nach beni „ArbeitSmarft" je 6 auf
bie Snbuftrie ber Bietalle unb ber ©dßnißftoffe, 5 auf bie Waß«
rungSmittelgewerbe, je 4 auf bie ©ejtil« unb bie BefleibungS«
iubuftrie, 2 auf baS Baugewerbe, 1 auf bk Snbuftrie ber ©teme
unb ©rben unb 7 auf bie übrigen bewerbe. ©ie meiften biefer
AuSftänbe finb inbeffen oon ziemlich geringem Umfange. Auf«
fälligerweife ift in $mei günftel ber gäEe |>erabfeßen ber Lößne
Urfacße ber ArbeitSeinfteEung.
Bätferßreif in ©tyt für Berlin. ©ie Berhanblungen swifcßen
ben Bädferinnuttgen unb ben ©efeflenauSfchüfjen finb gefcßeitert.
©ie gmuptforberung ber ©efeEen, Slbfdjaffung oon $oft unb
'Bohnung bei ben Wceiftern, würbe oon ben Innungen nur für bie
oerheiratßetcn ©efeEen jugeftanben. ©ie gorberung eines Wtinimal«
lohneS oon 21 Jf(, würbe abgelehnt, auch über bie anbermeite ©e«
ftaltung beS ArbeitSuacßmeifeS fonntc eine ©inigung nicht erhielt
werben. ©ie SnnungSuorftänbe, bie oon bem ©djeitern ber Ber«
ßaublungen Wiittßeilung machen, geben zugleich bie ©rflärung ab,
baß baS ^ublifum bem ©treif ohne Beforgniß entgegenfehen bürfe.
Streif bon ©ifenbahn-Waugirarbeitent in ©rfurt ©ie Wangir«
arbeiter auf bem ©üterbaßnßof 311 ©rfurt haben am 15. gebruar bie
Arbeit niebergelegt. 3 m §>erbft oorigen SaßreS würbe bie breitheilige
Schilt 311 je acht ©tunben eingeführt. Sefct oerlangt man oon ben
Arbeitern wieber bie 3 woIfftünbige ©chi^t. ©ie Arbeiter finb nun
auch erbötig, 3 wölf ©tunben gegen entfprechenbe Loß^ulage 311
arbeiten. ©aS würbe aber abgelehnt. 3» golge beffen legte bie
Kolonne, bie am 15. b. ÜW. Abenbs an 3 utreten hatte,' bie Arbeit
nieber, oon ber am folgenben borgen antretenben ©d)id)t nahmen
nur einige bie Arbeit auf. ©S wirb auch behauptet, bie 311 leiftenbe
Arbeit ftehe mit bem gewährten Sohn in gar feinem Berljältniß;
es würben 2,10 bis für bie ©cßidk befahlt; bafür fei bie ge*
fährliche Arbeit, u. $1. mit Knüppeln bie rollenben Bagett aufju«
halten, hoch 311 gering befahlt, .gnnju fomme, baß bie Arbeiter
währenb ber ©cßicßtbauer eine regelmäßige Sßaufe nicht haben.
©ht Arbeitcrfefrctariat in ©armfitabt wirb 31 ml 1. April oon ben
organifirteu Arbeitern erridjtet. ©in Ausfdjitß, beftchenb au* brei ®c«
wcrtfchaftSmitglicbern, brei 5D?itgliebern ber fo^ialbemofratifiijcii Partei,
fowie einem 3feitgliebc ber Äreisorgnnifntion bat bie Borbereitungen fo
weit geforbert, baß bie ©rridjtung gefiebert erfchcüit. ©ie Arbeitgeber
werben fid) itadj ber 3 tg." finanziell betheitigeu.
Defkrrcidjifdje Streifftatiftif für 1897. Wad) ben eben oer«
öffentlichten amtlichen ©aten fanben in jDefterreicß im Qahre 1897
inSgefamtnt 221 ©treifs ftatt, oon weiten 819 Betriebe mit
54 333 Arbeitern betroffen würben. Bon leßteren ftreiften 34 835
ober 64,ii% unb 2621 Arbeiter waren ge 3 wungen 31 t feiern. Bon
ben ftreifenben Arbeitern nahmen 32 156 bie Arbeit wieber auf,
2069 würben entlaffen, 610 oerließen ben Betrieb freiwillig,
1497 Arbeiter würben ftatt ber ©ntlaffenen neu aufgenommen.
Berglichett mit 1896 3 eigt baS 3aß* 1697 für baS gati 3 C ©iaats*
gebiet eine Abnahme fomoljl ber An 3 aßl ber AuSftänbe wie ber
3aljl ber betheiligten Unternehmungen unb Arbeiter, inbem 1896
294 ©treifs in 1403 Betrieben mit 36114 ©treifenben gewählt
worben waren. SDicfe Abnahme ift aber feineSwegS für alle Öänber
gleichmäßig 3 U fonftatiren; fit ift 3 um Beifpiel inSbefonbere in
^ieberöfterreich bebeutenb, währenb anbere BerwaltungSgebiete, wie
Oberöfterreith, ^füftenlanb, umgefehrt fogar ein belangreidjeS An«
wathfett ber AuSftanbSbewegung aufweifen. Unter ben int Sabre
1897 oon Arbeitseinstellungen betroffenen Unternehmungen waren
157 fabrifsntäßig unb würbe baS Baugewerbe 34 mal, bie Sn«
buftrie in §04 unb ©ebnißmaaren unb ftautfehuf unb jene ber
£eytilinbuftrie je 28 mal, bk 3nbuftrk in Steinen, ©rben, Xbn»
unb ©las 27 mal unb bie Btetalloerarbeitung 26mal u.f.f. oon Aus«
ftänben betroffen. 3b*em Beginn nadj fielen 85 ©treifs mit
19 136 ftreifenben Arbeitern in oaS Örühialjr, 64 mit 9599 ©trek
fenben in ben ©ommer, 38 mit 2944 AuSftänbigen in ben $>erbft
unb 34 mit 3156 ftreifenben Arbeitern in ben Binter. £ie längfte
Arbeitseinteilung währte 211 Sage; bie burd)fchnittliche Sauer
eines AuSftanbeS betrug 13,2 ^age. Bon fämnttlidjen ©treifs
waren 18 ,1 % ©ruppenftreifs, b. h- betrafen eine 3 Mjrheit oon
Betrieben, 81, 9 0/ 0 waren auf ein ein 3 elneS Unternehmen befchränfte
©in 3 elftreifS. 38 gälte (baS ift 17, 19 % aEer) enbeten mit ooHem
©rfolge ber Arbeiter, 102 (b. i. 46,i 6 %) ohne ©rfolg, bei 81gätten
(b. i. 36,65 °/o) mar ein theilweifer ©rfolg 311 oer 3 eichnen, ber fich
in 71 gäEen (b. i. 32, 13 % aller ©treifs) auf fiohnhöße unb
ArbeitS 3 eit be 30 g. 5245 Arbeiter, b. i. 15,08% atter AuS|täubigen,
hatten ootlen ©rfolg, 12 611 ober 36, 2 °/p ootten Bhßerfolg, 16 979
(b. i. 48,72 °/o) errangen einen theilweifen ©rfolg, ber fich für
14 052 Arbeiter ober 40 , 34 % ber ©treifenben auf Lohnhöhe ober
ArbeitS 3 eit be 3 og.
Bon ben AuSftänben fteEen fich 143 als Angriffs« unb 55
als AbmehrftreifS bar, ber 9teft ift in biefer Be 3 iehung unbeftimm«
bar. BaS bie Beranlaffnng 3 um ©treif im ©in 3 elnen betrifft, fo
war auch im Berichtsjahre bie Un 3 ufriebenhcit mit ben ßöhneit bie
hänfigfte unb trat bei 106 AuSftänben als Btotio h^roor, 3 unächft
famen ihr bie Un 3 ufriebenheit mit ber Arbeitsbauer in 44 unb
bie ©ntlaffung oon Arbeitern in 27 gäEen. S)en Beranlajfungen
entfprechenb, traten auch bie Sohnfragen unter ben gorberungen
am meiften h er °o^i ßobnforberungen überhaupt würben 147 mal
oon 26 504 ftreifenbeu Arbeitern gefteEt. ©er Äampf um bie
Aufrechthaltung ber beftehenbeu ßöhne würbe 19mal oon 3 ufatnmen
1010 anSftänbigen Arbeitern, uub swar breimal glürflid), 3 wölfmal
erfolglos unb oiermal mit theilmeifem ©rfolge geführt, ©iuc
©rßöhung ber ©aglöhne ober Afforbfäße würbe 123 mal oon
25 218 AnSftänbigen, unb 3 war 19mal mit ooEem, 48mal mit
theilmeifem unb 56 mal ohne ©rfola angeftrebt. gorberungen, bie
ArbeitS 3 eit betreffenb, würben inSgefammt 67 mal oon 13 429 ftrei«
fenben Arbeitern gefteEt. ©ie Aufrechthaltung ber beftehenben
Arbeitszeit erfefjeint barunter breimal oon 221 AuSftänbigen ge«
forbert, unb 3 war 3 weimal mit ooEftänbigem unb einmal ohne
©rfolg, bie Berfüqung ber täglichen Arbeitszeit 52mal oon 12 162
©treifenben, unb 3 war 11 mal mit ooEem, 13mal mit theilmeifem unb
28 mal ohne ©rfolg. Unter ben fonftigen gorberungen treten jene
am meiften heroor, bie gragett ber ArbeitSorbitung betreffen ober
bie Bieberaufnahme ©ntlaffener, bie Befeüigung oon Borgefeßten
ober ben ©cßuß ber ©treifenben gegen ©ntlaffung be 3 wecfen. ©ie
im Bege oon AuSftänben burdjgcfeßten Lohnerhöhungen oariireit
jwifchen 2% unb 22 3 / 4 °/ 0 . Bei ber er 3 ielten ^erabfeßung ber
Arbeitszeit banbeite eS fich oornebmlidß um bie ©rriitgung einer
neun« bis 3 ebnftünbigen ArbeitS 3 eit. Bon ben ftreifenben 34 835
Arbeitern gehörten 25 644 bem männlichen unb 9191 bem weib«
ließen ©efcbledjt an.
©er Snbuftrie gingen im Sah** 1697 burch ©treifs etwa
400 000 Arbeitstage oerloren unb ben Arbeitern eine Berbienft«
fumme oon etwa 300 000 bis 500 000 fl. 34 unter 126 fperieü
barum befragten größeren ©tabliffements fonnten ihren burch s ßro«
buftionSauSfall, burch ©djwicrigfeiten in golge BwnalmechfelS 2 c.
entftanbenen ©(haben burd) ©treifs 3 iffermäßig fehäßen; er mad)t
3 ufammen etwa 386 000 ©ulben aus.
Weben ben erwähnten ArbeitSeinfteEungen fanben 1897 :10 Aus«
fperrungen in 11 Betrieben mit 2937 beschäftigten Arbeitern ftatt.
©ie betrafen 1544 Arbeiter unb weifen gegen 1896 eine wefeut»
liehe Abnahme auf, inbem in leßtereni Saßre 10 AuSfperrungeu in
211 Betrieben mit 5445 auSgcfperrten Arbeitern gc 3 ählt würben.
©tfctibahnerbetocgnng in granfreith* 2 luS ^aris wirb uns
‘gefeßrieben: ©ie Wad)wirfungen beS oerunglüdteu ©treifoerfud)S ber
fran 3 Öfif<hen ©ifenbahnarbeiter, wenigftenS ber im Syndicat national
des travailleurs des chemins de fer eingeglieberteit, finb ftärfer,
als man erwartete unb als ber Berwaltungsausfchuß biefe« größten
©ewcrffchaftSoerbanbcS 3 itgebcn möchte. Auf bem lebten außer«
orbentlkßen Kongreß (f. ,,© 03 . ^raj-iS'' b. S. ©p. 151) hatten bie
Wiitglieber ootn ©taatScifenbahnneß fdjou eine LoSlöfuitg 00 m
667
©ogiale $raji§. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Ar. 21.
568
$auptoerbanbe angeftrebt, ba fie, aebunben an bie ©efammtheit
ber Eifenbahnarbeiter, ber Einheit oer Aftiou wegen nid^t in ber
Sage waren, felbftftänbig mit ber ihnen fehr entgeaentommenben
©ireftion ber ©taat#bahnen gu oerhaubeln unb abgufd)liefeen. ©er
aufeerorbentliche Äongrefe ftd) nicht für berechtigt, biefe Äon*
ftitution#frage gu entfc^eiben unb oerfd)ob fie gur Regelung auf
ben nädjften orbentlidjen Äongrefe, womit bie grage Vorläufig er*
Icbigt fdjien. gngwifchen nimmt bie ©eceffionSbewegung unter ben
©taatöbaljnarbeitern immer beutlid>ere formen an. E# girfulirt
ein Aufruf unter ihnen, ber fie aufforbert, ein eigene# syndicat du
reseau de TEtat gu bitben, welche# mit ben für jebc übrige Eifen*
babngefettfchaft feparirt gebübeten ©pnbitaten fich in eine Sanbe#*
föberation gufamtnenfd)liefeen fott. 3n ber Begrünbung biefer
Vorfchläge wirb gefagt, ba& fowohl bie gu weit ge^enben Sorbe*
rungeit be# 9fta;rimalprogrammS ooit 1893 wie bie gegenwärtige
Verwaltung be# Syndicat national ein grofee# §inberntfe für bie
aeringften Erfolge bereiten, ©er BerwaItungSau#fc|ufe be# National*
fpnbifat# arbeitet in feinem Drgan, ber Tribüne de la voie ferree,
biefen fegeffioniftifchen Bestrebungen, bie gu feinem oöttigen 3 Us
fammenbrudj führen fönnten, mit aller Straft entgegen. Auf bem
aufeerorbentlichen Äongrefe würbe ihm f<hon grofee SWäfeigung gur
Pflicht gemacht. (Sr geht nun fogar fo weit, Annäherung an bie
gwei anoeren Berbänbe non Eifenbahnbebienfteten gu fucgen, mit
benett er bi#her ftet# im Ärieg gelegen hatte, mit bem Syndicat
professionel des mecaniciens et Chauffeurs, in beffen Drganifation
in golge politifdjer Aeufeerungen feine# Auffuht#rathe# (©uimbert)
felbft Störungen ejrtftiren, uno mit ber association amicale des
employes de cherains de fer. gebe biefer brei Vereinigungen,
bie fchliefelich hoch ein gemeinfame# 3kl hoben, war bisher ihren
eigenen Vtethoben unb B3egen gefolgt, ©ie Association amicale
erwartete gu niel non bem biofeen guten ®llen ber Unternehmer*
gefeUfchaften, beren ©unft fie burch energifcfee# Auftreten nicht oer*
fchergen wollten. Aufeerbem erlangte biefer Verbanb, al# ber
ältefte bei ben bisherigen guftonSoerfudhen, ftet# beit bebingung#*
lofen Eintritt ber anberen in feine Drganifaiion. ©a# Syndicat
professionel des mecaniciens et Chauffeurs nahm al# Korporation
ber ho<hfkh e nben Arbeiterfategorien eine fehr partifulariftifcfee §al*
tung an unb begehrte im guten (Sinoernehmen mit ben Eifenbahn*
gefeUfchaften laitgfame Reformen auf bem 2Sege ber ©efefegebuug.
©a# Syndicat national, ber fogialiftifchen Vemegung feljr nape
ftehenb, welche bie beiben anberen Vereinigungen auSbrücflid) mife*
billigen, repräfentirte bie eg-tremften gorberungen unb bie fcferofffte
©aftif, non ber e# nun um ber Annäherung an bie bisherigen
Äonfurrengfpnbifate mitten fooiel aufgugeben fdgeint.
Ärbttterfdjut}.
Gutachten ber Äommifftou für Arbeiterftatiftif, betreffenb bie
Regelung ber Ar&eitSgett in ©etreibemühlcm Vrit bem in $eft 16
ber ©rucffachett (Berpanblungen) foebeit neröffentlichten Bericht ber
Äommiffiou ift bie ihr am 3. gutti 1892 oont Aeid)Sf angier auf¬
getragene Vlitwirfung bei ber Erhebung über bie ArbeitSgeit in
ben ©etretbemüblen nunmehr gu Ettbe geführt. gaft fkben Sohre
hat bie Erlebigttng biefer Aufgabe beanfprucht. ©ie ©chulb an
biefer überau# langen ©auer trifft aber nid)t bie Äommiffton,
fonbern bie Regierung, bie bie Äommiffton nur feiten einberuft,
hätten wir ein ftänbige# AcicfeSarbeitSamt, wie e# in biefem
Blatte mieberljolt gefordert unb jefet aud) im Reichstage beantragt
worben ift, fo würbe eilt rafcherer Abfdjlufe fo!cf)er Erhebungen
fehr leicht gu ergielen fein. E# würbe bann nermieben, bafe fcfeon
im ©ommer 1893 Erhebungen über bie ArbcitSgeit in betreibe*
tnühlen begonnen werben unb erft 4 V 2 Saljre fpäter, Enbe 1897,
bie Vernehmung non AuSfunftSperfonen ftattgefunben hat.
©a wir über bie eiitgelnen phafen biefer Erhebung jeweil#
berichtet haben, fönneu wir un# heute furg auf bie VMebergabe ber
Ergebniffe befeferänfen, gu benett ba# Gutachten ber Äommiffton
gelangt. Eittfdjeibenb war bie Beantwortung ber grage, ob bie
®etreibetnüfelcn gu ben Betrieben gehören, in welchen
burd) überittäfeige ©auer ber täglichen ArbcitSgeit bie
©cfunbfjeit ber Arbeiter gefährbet wirb, ©ie übermiegettbe
Mehrheit ber Äommiffton war barin einig, „bafe bie in einem
grofeeit 2 heile ber Mfelet! norfonttnenben ArbeitSgeiteit al# über*
mäfeig aitgufeben feien unb ein Einfehreiten auf ©runb be#
1 2Öe Abfafe 3 ber ©emerbcorbtuutg rechtfertigten." Ebenfo er*
fanntc bie Äommiffion an, bafe bnrd) bie feftgefiettten iibermäfeigeit
Arbeitzeiten bie Öefuubhcit ber Arbeiter gefährbet wirb. ©0
würbe mit allen gegen eine ©timnte non ber Äomtuiffion feftgeftettt,
„bafe bie Vorau#fefeungen für bie Anwenbbarfeit be# §. 120e
Abfafe3 ber ©ewerbeorbnung im norlkgcnben gatte gegeben feien,
unb bafe eine Regelung ber ArbeitSgeit angegeigt erfcfeeinc."
SBa# nun bte ©urchführung einer folcfeeit Regelung betrifft,
fo fchlägt bie Äommiffion nahegu mit Einftimmigteit nor:
1. gu allen Eetretbemühlcn, bie nidjt lebiglid) SBinbmiihlcu finb,
ift jebem Arbeiter innerhalb 24 ©tunben eine ununterbrodjenc Auhcgcit
oem 8 ©tunben gu gewahren.
giir ben gall, bafe gwifdjen fleinen unb gröfeereu 9?2ü^Icit unter*
fdjteben werben füll, wäre aufeerbem gu befeimnteu:
a) gu üblen, bie tninbeften# brei ©itlfSperfonen befdjäftigen,
wirb bie ^)öd)[tbauer ber täglidjen Arbeit#fchid)t auf
14 ©tunben feftgefefet. Al# §ülf#pcrfonen gelten nur (^efellcu
unb Sehrlinge über 16 gafere. Bei wödjentlicbent ©d)icht=
wecfefel gwifeheu Sag* unb Aadjtarbeit bürfeit bie ben Sag*
bienft bejorgenben ©ülf#perfoneit 12 ©tunben, bic Aad)t# be*
fd)äftigteu §uIf#perfonen 16 gufamntenhängenbe ©tunben tag*
liefe nerwenbet werben.
b) Ausnahmen non oorftehenben Borfdjriften ftnb an 30 ©agen
im gahre mit ber Sfeafegabe guläfpa, bafe an biefen 2;ageu
icbcnt ©efetten nur eine adjtftünbige Aufeegeit gewährt werben
niufe. ©ie B>abl ber 30 ©age bleibt bem Sfteifter überlaffeu.
Er ift oerpflidjtet, fie auf einer Äalenbertafel crfidjtlich gu
madjen.
2. ©ie Mbleu ftnb an beit ©onntagen, an benett ihnen ber Be*
trieb geftattet ift, non ber Einhaltung ber Borfcferiften unter Ziffer 1
infoweit befreit, al# bie# gur Bewirfuttg be# ©chidjtwechfelö erforber*
lieh ift-
3. Sange £ eu t c unter 16 gahrett bürfeit in Otetreibemühlen nur itt
ber 3rit non 5 l /u Uhr borgen# bi# 8 72 Uhr AbettbS befchäftigt werben.
©ie Regelung ber ArbeitSgeit im Bäcfergetocrbe. Au# ben
Vertjanblungen ber $etition#fommiffton be# 5tteidj#tage# ift mit*
gutheilen, bafe eine Petition ber Väcfermcifter VUttelbeutfchlanb#
um Aufhebung be# 9Jtafimalarbeit#tage# gur Verathung gelangte.
3n ber fehr lebhaften Verhanblung würbe h e n)orgehobeit, e# fei
Au#fi<ht norhanbeu, bafe bie Regierung eine Aenberung eiutreten
laffen werbe, nietteid)t burch geftfefeung einer VHttbeft*Vuhegeit.
E# würbe befdjloffen, bem Aeich#tage norgufchlagen, bie Petition
ber Regierung al# Vtaterial gu überweifen. — BMr wollen nicht
unterfudhen, ob bie fachliche ©iffereng gwifchen 3Jtafimalarbeit#geit
unb Vtinimalruhegeit fo grofe ift, wie man ftch nielfach einbilbet.
©a# aber mufe betont werben, bafe nufet nur bie eine Vartei ber
gntereffenten, bie ©ehiilfett, fefer lebhaft für Veibehaitung ber
Bäcfereinerorbnung eintreten, fonbern bafe auch oon ben Vteiftern
niele ihre Au#führbarfeit unb Aüfelid)feit gugeftehen unb bafe nor
Allem bie unparteiifchen ©titnmen ber &emerbeauffi<ht#beamten
häufig unb nacfjbrücflicfj fidh ber Verorbnung annehmen. Sebenfatt#
ift gu wünfdjen, bafe bie Regierung, itad) Abfcfelufe ber im 3a9«
befinblichcn Erhebungen, enblich einmal mit einem feften unb Haren
Vefdjlufe biefer ewigen Agitation gegen ben Arbeiterfchufe im Väcfer*
gewerbe entgegentntt.
gabrifinfpeftorinnen in Englaub. ©ic äonboner gabrif*
infpeftorin, Viife Alice ©ecbap, hat eben ihren erften Vericht für
1898 erftattet. ©ie würbe nor ungefähr fieben Vtonaten angeftettt
unb hat in biefer 3rit nicht weniger al# 1413 gnfpeftionen ourd)*
geführt, ©ie fcheint jeboeb nicht blofe fleifeig, fonbern auch eitergifch
gu fein, ba fie in 85 gälten oorhanbene Uebelftänbe felbft abftetten
liefe, in 92 gälten bie Unternehmer oerwarnte unb 116 Angeigen
an ben ©anität#infpeftor erftattete.
3UbeUemrm*ntttg. #}>atbaf)eti.
©er Entttmrf eine# 3nOaliben-Verft<herung#gefehe# im Aeich^tag.
©ie erfte Beratung be# Entwurf# im Aeid)#tag hat mit ber
Uebermeifuitg an eine Äoinmiffioit oon 28 VHtgliebern geenbet.
§ier wirb bie Vegierung#oorlage einer eingehenben Befprechuug
unb Umarbeitung untergogen werben müffeit, nachbem fie im
Plenum oon allen Parteien al# unannehmbar in ber oorliegenben
©eftalt begeidjnet worben ift. Aamentlid) über bie beiben grunb*
leaenbcn Abänberung#oorfdjläge, bie Veutenftetten unb bie Venten*
Iajt*Bertheilung gingen bie Meinungen fd>arf au#eiitauber, währenb
bte anberweite Beregnung ber Venten wefentlichen Bebeitfen nicht
gu begegnen fd)ien.
Bet ber Erörterung ber totalen Ventenftelten würbe oon
faft allen ©eiten bie Aothwenbigteit eine# einheitlichen totalen
Unterbaue# für bie gefatnmte fogiale Verfid)erung betont. Aantent*
lidj für bie giumltbenoerfichcritng mit ihren oon ber Peripherie
ihre# Begicfe# weitab in ber Aefibeitg ober ber Viooingial*£>aitpt*
ftabt liegenben Berficherung#anftalten würbe ba# Bebürfnife für
569
Sogtale Praxis. (Eentralblatt für Sogialpoütif. Str. 2J.
570
örtliche Organe allgemein anerfannt, bie mit ßiebe uub Sntereffe
gur Sacße, foroie mit Erfahrung nnb Sacßfenntniß ausgerüstet
als S3inbeglieb groifcßett BerficherungSanftalten unb Berficßerten
ober fonftigen Sntereffenten eine- innigere giißlung Betber Bole
ßerguftellen ßätten unb bamit gleichzeitig eine fcßnellere, bequemere
unb fachgemäßere Entfcßeibung ber Stentenfacßen foroie eine ein«
aeßenbere ^ontrole ber SKarrenoerroenbung geroäßrleiften füllten.
3u ihren (fünften ßob außerbem ber <StaatSfefretär beS Snnern
noch bie ßoße fogialpolitifcße Bebeutung ßeroor, bie folgen ört*
litten Einrichtungen babureß innerooßne, baß ßier Organe ber
StaatSoerroaltuna nicht nur, roie fonft, als Präger oon §oßeitS*
rechten bem Bolfe gegenüberträten, fonbern fi<h biefem oon ber
Seite ber SBoßltßätigfeit geigen roürben, roobureß bas Bertrauen
beS SlrbeiterftanbeS gur Staatsregierung nur geroeeft unb geftärft
roerben fönnte.
Sticßtsbeftoroeniger oermoeßte ber Reichstag, roenn ihm auch ber
©runbaebanfe ber oorgefeßlagenen StentenfteHen fgtnpatßifcß erfeßien,
bie bafür im Entwurf oorgefehene gorm als annehmbar unb
groecfentfprecßenb anguerfennen. Bor allem rourbe bemängelt, baß
bas erforberlicße Beamtenperfonal feßon auS SRangel an bem
nöthigen Slrbeitsftoff lebiglicß im Nebenamt bei ber Stentenftelle
roerbe tßätig fein fönnen, baß bamit aber biefen Beßörben bas
$>auptintereffe unb bie ooHe ScßaffenSfrenbigfeit ber Beamten oer*
loreit gehen roerbe. 3n Sfolge beffen roürbe ihnen aueß baS
bringenb roünfcßenSroertße SJiaß oon Erfahrung, ©efeßeSfunbc unb
ftenntniß ber Stecßtfprecßung ebenfo fehlen, roie es jeßt häufig bei
ben bie Borarbeiiett beforgenben Beamten ber lofalen BerroaltungS*
behörben oernüßt roerbe. $)agu fäme bie geroaltige Äoftenlaft, bie
biefe örtlichen Organe oerurfaeßen roürben, ohne baß eigentlich eine
bringenbe Stotßroenbigfeit für ihre (Errichtung befteße.
ES ift nicßt su oerfennen, baß gegenüber biefen (Einroänben
bie Borgiige ber BentenfteHen in ben §intergrunb treten müffen.
Den BerficherungSaitftalten bringen fie in ber oorgefeßlagenen ©e*
ftalt feinen roefentlid)en Bortheil, rooßl aber, unb groar namentlich
bureß bie entfteßenben Soften, gang erhebliche Stacßtßeile. Born
Stanbpunfte ber BerficherungSanftalten aus roürben alfo biefe Be*
ßörben rooßl groeifelloS abguleßuen fein.
SlitberS aber roirb baS ilrtßeil lauten, roenn man, oon ben
inbioibueHeit Sntereffen ber Snoalibenoerfießerung gunäcßft abfeßenb,
mit bem Staatsfefretär beS Snnero in ben StentenfteHen ben
feint beS Unterbaues für bie gefammte Sogialoerficßerung erblicft.
Dann roirb man, baS weite, erftrebenSroertße 3iel ber Berfcßmelgung
aller brei Berfid)eruncjSgroeige ins Singe neßmenb — getreu bem
Spruch: baS Beffere ift beS lauten geinb — troß ber augcnblicflidj
ben BerficherungSanftalten entftehenben materiellen Opfer fuß bennoeß
gn ©unften ber örtlichen StentenfteHen — mutatis mutandis —
auSfprecßeu müffen.
liefen Stanbpunft roirb man um fo mehr eingunehmen haben,
je flarer fieß bie Erfenntniß Baßn brießt, baß bie Bereinigung ber
fogialpolitifdjen ©efeßqebung fidjerlicß nicßt mit einem Scßlage oer*
mittels plÖßlicßen ErfaßeS ber befteßenben brei ©efeße bureß eine
eirtgige f obififatiou erfolgen famt, fonbern, baß baS große Reform*
roerf nur feßrittroeife fieß gu ooHgießen oermag.
$5er foftenpunft, ber jeßt fo feßr als ©egengrunb in ben Borber*
grunb geftellt roirb, fann bann toaßrlicß gegenüber bem großen
©eficßtSpwtfte einer einheitlichen lofalen Organifation nicßt aus«
feßlaggebenb ins ©eroießt fallen. biefem Sinne gab aueß ber
Bertreter ber fogialbemofraiifcßen Bartei, roeltß’ leßtere tn fo matteßer
OrganifationSfrage uns boeß gum Borbilb bienen foKte, fein Urtßeil
gu ©unften ber StentenfteHen ab, bie, roenn fie ben Berficßerten
gum Bortßeile gereichten, rußig ein paar SRillionen foften fönnten.
§ält man nun aus ben angebeuteten ©eficßtSpunften bie (Ein*
rießtung lofaler Stellen für geboten, fo ßanbelt es fieß bann nur
noeß barum, für fie eine gutreffenbe gorm gu finben, bureß bic
einerfeits feßon bie augenblicfließen Bortßeile ber (Einrichtung er*
ßößt roerben, roäßrenb anbererfeits erßebließe SJteßrfoften nicßt ent*
fteßen bürfen. danach roürbe oielleicßt etroa folgenbe Organifation
ber StentenfteHen fieß als bureßfüßrbar unb groecfentfprecßenb er*
roeifen fönnen: D>ie Stellen befteßen aus etnem ftänbigen Bor*
fißeitben unb minbeftenS je oier gu gleichen Dßeifen aus Slrbeit*
gebern unb Arbeitern geroäßlteu Beifißern, foroie einem Renten*
feßreiber. tiefer leßtere ßat bie im §. 51a beS (EntrourfS bc*
geießneteu Aufgaben ((Entgegennahme, Borbereitung ber Aufträge
u. f. ro.) gu erfüllen. Stad) Slbfdfjluß ber erforberlicßen Ermittelungen
ßat er bie ißm gtoeifelsfrei unb feiner roeiteren Ergängung be*
bürftig erfdjeinenben SRentenanträge begro. «Entgießungen mit einer
gutacßtlüßen Äußerung bem Borftanb ber BerficßerungSanftalt gur
Befcßlußfaffung gu überfenbeu. Bei ^eutenfaeßen, in benen ißm i
roegen groeifelßafter bie Berftärfung feines ©utadjtcns burd;
ßaien roünfcßenSroerth erfeßeint, ift er befugt, nötigenfalls unter
Borlabung beS RentenfucßerS ober anberer gur Slufflärung beS
Sacßoerßalts geeigneter B er f°aen bie Beiftßer ßerangugießen. 3n
biefem Salle ßat er jebotß bie ©rünbe, bureß roelcße bie 3 w 3 i e &wng
bebingt roorben, aftenfunbig gu macßeti. Erfeßeint troß biefer um*
faffenben Borbereitung bem Borftanb bie Entfcßeibung an Ort
unb Stelle geboten, fo ift er berechtigt, eins feiner beamteten Bfit*
glieber als Borftßenben ber SRentenftelle ßinauSgufcßicfen unb fo
bureß bie leßtere bie Entfcßeibung gu beroirfen.
tiefer Borfcßlag bietet einmal ben Bortßeil, baß er bie 3ln*
ftellnng oon Beamten im Hauptamt (Bentenfcßreiber) ermöglicht, unb
bamit eine Beßörbe feßafft, bie oertraut mit bem ©efeß unb beffen
Slnroenbung als Organ ber Slnftalt 3ebermann über BerficßerungS*
anaelegenßeiten genügenbe SluSfunft gu geben oermag, ferner etne
fachgemäße Borbereitung unb gutreffenbe Entfcßeibung ber Stenten*
fachen geroäßrleiftet, unb gleichzeitig bem Slnftaltsoorftanbe gur
Stnftellung oon Erhebungen an Ort unb Stelle roertßoolle ®ienfte
Ieiften fann. ®er groeite Bortßeil ber fo geftalteten Stenteuftellen
liegt in ber ©eringfügigfeü ißrer Soften, ba bie in 3ufunft
braußen oorguneßmenben Ermittelungen ber BerficßerungSanftalt
als folcßer erfpart unb fo bei ißr Slrbeitsfräfte entbehrlich
roerben. Slber aueß in benjenigen Begirfen, roo, begünftigt burd)
bie ©ießtigfeit ber Beoölferung ober bie BerufSbeamten*Cjualität
ber unteren BerroaltungSorgane (rßeinifeße Sanbbürgermeifter,
roeftpßälifcße Slmtmänner 2 c.) biefe Ermittelungen feßon jeßt in
auSreicßenber unb befriebigenber SBeife erfolgt finb, roerben biefe
örtlicßen Stellen bett BerficherungSanftalten, Deren eigene Organe
fie ftnb, manchen Stußen bringen fönnen.
2)er oielleicßt gegen biefe Organifation gu erßebenbe Ein*
roanb, bie Befugniß ber örtlicßen StentenfteHe gum Erlaß oon Ent*
feßeibungen fönne bagu füßren, baß nur roegen einer einzigen Stenten*
fatße bie Steife beS als Borfißenber fungirenben BorftanbSmitgliebeS
notßroenbig roerbe, müßte bann aueß für bie jeßigen ScßiebSgericßte
gelten, gu bereit Terminen BorftanbSmitglieber roegen ^ntereffe nur
an einem eingigen BerßanblungSgegenftanb aueß feßon jeßt gu er*
feßeinen bereeßttgt finb.*)
^ie gegen Die ßaftenoertßeilung beS EntrourfS geltenb ae*
maeßten Bebenfeu, baß barin eine BermögenSfonfiSfation ber oe*
mittelten 91nftalten enthalten fei, foltte bod) nicht länger meßr auf*
reeßt erßalteu roerben, nad)bem felbft bie berufenen Sutereffenoertreter
ber Slnftalten auf ißrer fürglicß abgeßaltenen ^onfereng in Eifenacß
biefer StecßtSauffaffung nicßt beigetreten fuib. ®amit aber biirfte
audß für bie oorgefcßlagene 5lrt ber Bertßeilung ber Stentenlaft
ein gangbarer 2Beg unfeßroer gu finben fein, fobalb man fieß oer*
egenroärtigt, baß bie SluSgleitßSfrage unter allen Umftänben jeßt
er £öfung bebarf.
Beroegmtg für bie SHterSberforguttg tu Snglanb« s Bcnn oor
einiger 3eit iro Reichstag oom BunbeSratßStifcße aus bemerft rourbe,
baS B r ojeft einer SllterSoerficßerung fei fang* unb flangloS fatten
elaffeti, fo entfprießt bieS nicßt ben £ßatfacßen. Stießt nur, baß
ie Bewegung in allen fogialreformerifd) gefmnten Greifen immer
ftärfer roirb, baß aueß roeit oerbreitete Leitungen, roie baS arbeiter*
freunblicße „Daily Chronicle“ mit großer Energie bafür roirfen —
aueß im B a *foment ßat jüngft bie liberale Oppofition ttacßbriicflicß
bie Stegierung an ißre Berßeißung gemaßnt. S^ßt roirb beim and)
gemelbet, baß es bem SJtinifter Eßamberlain gelungen fei, bie Qu*
fiimmung feiner Kollegen im fabinet für biefen feinen fogial*
politifdjen SieblingSplait gu gerointten. Es fott ein SllterSoer*
ficßerungSgefeß bie große Borlage ber näcßften Seffton roerben, nnb
groar liegt es in ber Stbficßt, bie ©emeinben gu ben Soften heran*
gugießen. — Scßott jeßt ift ans bem §anfe eine SUterSoerforgnngS*
biß eingebradjt, bie groar feine Slnsficßt auf Slnnaßme ßat, aber
bod) bagu beiträgt, bas 3»tereffe an ber Jyrage roacßgnßalten.
^theit^nodjmcisf.
^er ^IrbeitSmiißroeiS für Scßauerleute in Hamburg. Slns
Hamburg roirb uns oont 18. bS. SR. gefeßrieben: „in au Senator
O’Sroalb, B r äM ^ cr Deputation für £anbel nnb Sd)iffahrt, feiteuo
*) $lnö 3 ,lJC dmäßigfeitsgnmbcn roürbe es fieß otc(leid)l cmpiclileii,
I ben Stcnteufd)rcibcr begiigltdj feiner äußeren Tieniipfltditen u\mie--
ßaltung ber Burcauftunbcn, Rührung ber Biidjer, Sieoifion ber ^nub-
! faffe :c.) einer örtlicßen Muifidit lg. B. burdj ben ^luitSriißler, ben
1 Bürgmneiftcr, einen Stabtratb, Spegialfommiffar) gu uuterroerfen.
571
©ojtale pra|i3. ßentralblatt für ©ostalpolüif. Ar. 21.
572
bcr Schauerleute gefteHte Antrag, bie AfeinungSoerfchiebenheiten
^imfcfjcn ben Stauern unb ben Schau erleiden in Skgug auf dtn*
rid)tung beS ArbeitSnachmeifeS wenn möglidj gu einem gütlichen
Huögleidö S u bringen, ift angenommen roorben, unb bic crfte'Sipung
fjat am 16. gebruar in Anroefenheit oon Vertretern beiber Parteien
ftattgefunben. Sie oerlief ebenfo roie bie am folgenben Dage
gan^ refultatlos, infofern bie Stauer, geftüpt burdb ben Arbeitgeber*
oerbanb, an bem oeröffentlidbten Statut feftljalten gu rooüen er*
flärten unb nur bie 3 rijt für Abbolen oon Arbeitsorten um ad)t
Tage oerlängerten, oorauSgefcpt, baß in ber Verfamtnlung beS
VerbaitbeS ber Schauerleute am 19. Februar befd)loffen mürbe,
feinen allgemeinen AuSftanb gu proflamiren. Sei ber befannten
Hartnätfigfeit bcS ^amburgifdjen ArbeitgeberoerbaubeS mar an
folgern Ürgebuiß roofjl faunt auf Seiten ber Arbeiter gegroeifelt,
tuenn oielleicbt aud) einzelne im ^inblicf auf bie AuSftchtSlofigteit
bes Streifs gehofft paben mögen, baß ber präfibireube Senator
ein Mittel jur Serftänbigung auSfinbig machen fönnte; oon Seiten
bcr ftreitenben Parteien mar fein Vorfcßlag beS (EntgcgenfommenS
gu ermarten. ©ir mieberholen, baß bie Arbeitsniederlegung ber
organifirten Schauerleute ftcher oon EDcißerfolg begleitet märe, ba
es 3 . 3t. im §afen fehr an Arbeit fehlt unb nicht mehr als 1800
ftänbige Schauerleute neben höchftenS 1200 Hilfsarbeitern gebraust
merben. So fdjroer ben Rührern ber Drganifation aud) bie An*
nähme bes ArbeitSnad)roeifeS fallen laffert muß, oon beffen Ser*
maltung fie auf abfehbare 3 e ^ auSgefchloffen bleiben, fo fönnte
hoch feiner oon ihnen im $inbli(f auf bie allgemeine Sage unb
ber Mangel an Mitteln gur Unterftüpnng ber Arbeitslohn Die Se*
fdjließuitg eines Streifs anempfehlen. ©enit fich jept bie Schauer*
ieute bem Statut beS ArbeitSnachmeifeS unter Atterfeitnung feiner
meifellofen Serhinberung bieder geübter Mißbräuche unterroerfen,
0 fönnen fie in einigen fahren ihre Drganifation genügend
fräftigen, um bem fapitalmächtigen Arbeitgeberoerbanb entgegen*
gutreten, roährenb fyutt ©iberftanb gur Lähmung ber ganzen
Drganifation führen muß."
Des ©eiteren mirb uns aus gemerffd»aftlic^en Greifen Hamburgs
ooni 20. b. Mts. gefchrieben: „Der „ArbeitSuachroeiS für Stauerei*
betriebe" mürbe am geftrigen Sonntag in einer ftarf befugten Ser*
fammlung ber Schauerleute in namentlicher Abftimmung an*
crfaitnt. @S ftimmten bafür 532, bagegen 259. Die in ber
Serfammlung anroefenben Kohlen arbeiter mußten fich ber Ab*
ftimmung enthalten. Das ©eroerffchaftsfartcll hatte jebe
Hülfe bei einer eoentueltcn Arbeitseinteilung abgelehnt.
Da bei einem Streif etma 5000 Schauerleute in Setradjt fämen,
fo mürben bie Stiftet ber Hafenarbeiter nid)t auSreidjeit, um burd)
einen Streif ihre ©ünfehe burdf)gufepen. Die Kopf an Kopf ftehen*
ben Schauerleute nahmen bie Mittheilungen in büfterem Sdjmeigen
entgegen."
DcS ©eiteren mirb gemelbet, baß bie AnffichtS^ommiffton
bes ArbeitSnachmeifeS ber Stauereibetriebe oon Hamburg-Altona
burch öffentlichen Anfchlag an ben 3 l| ßängen gum (Eentral-ArbeitS*
nachrceisbureau am SaumroaH befanittgegebeit hat, baß bie ©ahl
ber SDelegirten für bie Sefcf)merbc*$omnuffion beS ArbeitSnadjroeifeS
nicht, mie urfprünglid; beftimmt, am Montag, ben 20. b. Mts.,
jonbern erft am Sonntag, ben 26. ftattfinben foH. 3^hl^i(he
Schauerleute haben fich jept auf bem Sureau gemelbet.
ArbeitSuadjtoeife auf prettßifdfeii Sahnhöfen» Die preußifche
(5ifeubahnbireftton oeröffentlicht im „(Eifenbahn-Aachrichtenblatl"
folgenbe Sefanntmachung:
„Sou brr fönigl. (Eifenbahnbircftion in Vrccdau finb auf bcu
Vabuböfett in VrcSlau, Licgutp unb Olörlip groerfs eines fdnicßeren unb
leidjtcrcn Ausgteidjs groifdicn Vcbarf unb Angebot oon Arbcitefräftcu
Arbeitcmarfirocmficflcn errichtet roorben, an bie [ämmtlidjc Vefdiäftigung
nad)[ud)enben perfonen uermirfen merben, unb beueit btc au ben ge*
nannten Drtcu oorljanbenen Xicnftfteßcn ben Scharf au Arbeitsfräfieu
augumclbcn unb bic oerfiigbar merbenben .Strafte behufs etmaiger ©citcr*
beidiäftigung an anberer 3teile mitgutheilrn haben. Sa fid/ biefe (Ein*
riditimg gut bewährt bat, empfehle idj ben übrigen fönigt. (vifeubahu*
bireftioneu, tljunlidift ein glcidics Verfahren cingnfiibrcn. Tie tönigl.
O'iienbabnbireftion tu Vrcslau mirb angeioiefen, ben (5ifenbabubireftioueu
über bie Ausgeftaltuug unb ben Tiettitbetrieb ber ArbeitöiiadimeiC'ftellen
nähere AVittlicilimg 311 madieu."
Qit (Errichtung eines ftäbttfehen ArbeitSnachmeifeS für Stettin
ift oon einer mit Der Sorbcrathung beauftragten Mommiffion be*
fdjloffeit roorben. T/ie Sorfdjriftcit für (Eiuridjtuitg unb Sermaltung
be ‘3 isiiftituts ioücu bie Aorm eines OlemeinbebefdjluffeS, nicht bie
eines Drtsftatuts tragen, um es unabhängiger oon ben AuffichtS*
behörbeit w gcftalteu. £Der 31 t errid^tenbe ArbeitSnachmeis erhält
11 ad) ben Sorfd)Iagen ber itomtniffion bie Aufgabe, jmifchen Arbeit*
gebern unb Arbeitnehmern unb 3 toar gemerbiiehett unb lanbmirth 5
fchaftUchen Arbeitern, tagelöhnern, tienftboten unb Lehrlingen
beiberiet ©efchledjts Arbeit ju oermitteln, nicht aber etma auch
jmifchen ben Parteien ArbeitSoerträge abjufchliefeen. t)amit bie
Sermaltung beS ArbeitSnadjroeifeS unparteiifd) erfolgt, mirb fie ber
Leitung unb Aufficht eines AuSfd)uffeS oon 7 Sütgliebern unter*
ftellt, ber auS einem Stagiftratsmitgliebe als Sorfipenben unb je
3 Arbeitgebern unb Arbeitnehmern befteht. Son beibeit lepteren
Kategorien merben je 2 oon ben Seifipern beS ®eroerbegerichtS, je
1 oon ber Stabtoerorbneten*Serfammlung auf brei 3ah^ e gemahlt.
t)er AuSfd^up erhält bie Stellung, Scd)te unb Pflichten einer ftäb*
tifchen Deputation (§ 59 ber Stäbte*Drbnung), ftel)t alfo unter
Aufftdjt beS ÜWagiftratS. Die ©efchäftc beS ArbeitSnachmeifeS
merben burch Bcfolbete Serfoneu beforgt, bie ootn Sfagiftrat nach
Anhörung bes AuSfchuffeS angefteUt meroeit. Die ArbeitSoenuittelung
erfolgt gebührenfrei, jeboch müffen $ortofoften unb fonftige baarc
Auslagen erfept merben. Die Kofien für bic gange (linrid)tung
merben alfo ber Stabt gur Laft fallen unb finb auf 6—8000 ÜKarf
gefchäpt. __
BJdlj!föl)rt?clnrirl|timgeii.
©ohlfahttSp^ege auf bem £<ntbe. Xcr AuSfdjuft bes Scrcius hielt
am 15. Februar in Serliit unter bem Sorftp bes SRinifteriaNXireftors
Dr. Xl)tel feine britte Hauptocrfanunlung ab. Xent ^ahreSberidit 311 =
folge umfapt ber Ausfdmfi 3 . 3t- 532 (finjclmitglieber unb 79 Körper*
fchaften. ^sm Dfteu ber Dionardiie ift eine rege Ipätig'cit entfaltet
morbeit. Xer Seridjt tonnte im Sefonbereu htitmeifen auf bic Unter*
ftüpung bcr (Errichtung oon Solfsbüdicrcteu, auf bie ©rüitbuug oon
Sdjulfparfaffen, auf bie Aörberuug bes CbftbaucS u. bgl. Liiernrifdi
ift ber Ausfchuf} lehr crfpricf>lidi tl)ätig gemefen. Xie „Kleine Xorf*
3 citung" hat baS fünfte Taufeub ihrer Auflage übcrfchritten. 3^ ,ci hcr=
oorrageitbcu Aufgaben bes Programms fönnte mau im lepten 3«hre
nähertreten: ber ^örberttng ber inneren Kolonifation unb ber Gin*
mirfuttg auf bas länbliche Sdmlmcfeu. 3 111 ’ Sörberung ber erften Auf*
gäbe mirb fich fdjoit in ben naepften Tagen eine befoitbcre Öcfellfd)aft
mit befdjränttcr Haftung fouftituiren. Olcgcnftanb bcS Unternehmens
foll bic Sdiaffuug gefunber Xörfer fein. Sö?an miß oor Allem bas
auSbeuterifd)c Sermittelungsmcfeu bei ^nrgrUirung unb iierfäufeu oon
Lanbgiiteru befeitigen. Xie Olefdjäftsftclle bcr 61efeßfd)aft foll gugleidj
eine Ausfuuftsfteßc merben. Xie (iinmirfung auf bas länbliche Sd)Ul=
mefen foll in ber Aidjtimg erfolgen, baß beim lluterridit mehr auf bie
länblidjeu s l'crl)älnüffc Aiirffid)t genommen, bie Liehe 3111 * engeren
Heitnath unb 3111 * Sefihaftigfcit gepflegt unb bamit 3 ugleid) bem Abgug
00 m Laube entgegengemirft mirb. (Es folgten nunmehr eine Aeihc von
(iingelmitthcilungeu iiber ©ohlfahrtSetnridjtungen. lieber bie im .streife
^prip gefdjaffenen (Einrid)tungeu, Aibliothef, Aäbftuubc, Kodiftunbc,
Unterbaltungsabcubc berichtete Aittergutsbefiper oon Schöuing*Saßcutin,
über bas in ©iefenthal am Ahön 311 m 5DiitteIpunft ber börflirfien ©ot)l s
faljrtSpflege gemachte ('iemcinbehaus Pfarrer (Scfar, über bie Kreis*
mauberbiidjerei im Uuterlahufreifc unb bie Aäl)= unb Arbeitsfdiitle in
Salbuiufteiu Laubrath Johannes in Xie 3 . Affeffor Dr. Treuter*Hallc
befprad) bie Mängel bes gcmerblidjcu SteßenoermittelungsmefenS unb
empfahl als Abhilfe eine Acihe oon Sermaltungsmafn'cgelu \ 31 tr ftänbigcit
Kontrolle ber Vermittler, fomie bic Drganifation bes Arbeitsnad)mei|cs
burdi Laubmirthfchaftsfammeru u. bcrgl. (Eitblid) bradjtc bie Tages*
orbnuitg uod) ein Aeferat beS Xireftors 3 ^Hilöfer*Viffclhöoebc über
(Eieroermerthuugsgeuoffeiifdjafteu :c.
^rgiehuttgSbeirath für fchuletttfaffette ©oifen in ©erlitt. (Sine
Kommiffion beräth 3 itr 3rit bic AuSgeftaltung einer bereits im Vor*
jahre oeranftalteteu (Enquete über baS Lehrlingsmefcn. (ES foß eilt
Santmelmerf gefdjaffen merben, meldjes für möglidjft oiele Verufsartcu
Angaben über bie ba 3 u crforberlidieu förperlidjen unb iuteßcftueßcu
(Eigcnfdiaften enthält, fomie über bie (Ehaucru, meldjc ber betreffenbe
Veruf bietet. — Seit Atonalen bcfdjäftigt fich bie Kommiffion bes
©eiteren cingepenb mit ber (Erörterung ber Aiage, ob unb auf melche
©cifc bie Untcibringung ber Kräftigung bebiirfeuber Pfleglinge auf
bem Lanbc oor (Eintritt in Xienft ober Leljrc 31 t ermögltdieu ift.
Prämien anf ben Stnrnm^djen Hüttentoerfcn. 3» feinem Aeuu*
fird^ener Hüttenmcrf madjt Srljr. 0 . Stumm ^olgcnbes befanut: „^sit
A-olge ber ttod) anbaiternbeit giinftigeu Oiefdiäftslage bemißige id) aßen
Arbeitern, melche mit bem 1. A?är$ b. 3^- miubeficiis feit einem 3af)re
bei meiner finita in Arbeit flehen, ohne bau fie fich fdimere XU- 3 iolinar*
ober anbere Vergehen haben 31 t Sdptlben lommen lauen unb ohne bap
eine Künbiguug oor ber im V?äi *3 [tattfiubeuben Löhnung erfolgt fein
mirb, folgenbe Prämien: 1 . {vür bie jugeublidjcn Arbeiter unter 19 fahren
je 25 JJ ; 2 . für bie übrigen minberjährtgeu Arbeiter je 35 .7/; 3. für
bie großjährigen Arbeiter je 50 Jt Xiefe Prämien fommeu uubefdiabet
bcr für 10 * nnb 25 jährige Xienftgcit auvgefepten Wratififatioucn fomie
ber im Dftober fälligen ('luthaben oon 5o be 3 m. 35 M mit ber Jvcbruar*
löhuung tut Viär 3 b. 5s. 31 m Anzahlung. Xagegeu fomint bic im
April fällige Prämie oon 5 X für gutes Verhalten in ©egfaß." —
(ilemiß, höcifift ancrfcmiem-merth! Aber bie Arbeiter rooßen heut 3 ulage
nidjt ©ohlthateu, fonbern Aedjtc!
573
Soziale $ra£i3. Eentralblatt für Sogtalpolitif. 9fr. 21.
574
®rjieljong nitb JBUbung.
#«IHagSf4nfe» itt AuS ßeßrerfreifen wirb un£ ge«
fcßrieben: Sie „ßeutenotß" auf bcm Sanbe foß befanntlicß u. A. bureß
bie Einrichtung oon ^albtagSfcßulen gehoben werben. Bßenn biefeS
HJlittel wirffam wäre, fo würbe {ebenfalls ber Btangel an lanbwirtß*
fcßaftlicßen Arbeitern fließt meßr befielen, benn bie §aibtagSf<ßule
ift in ben aKenneiften Xänblidjen ©emeitibett beS 0ftenS Siegel unb
ber ©angtagSunterricßt fommt nur auSnaßmSweife oor. 3n ben
meiften ßanbfcßulefl ber öftficßen ^rauinäen werben bie älteren Sdjul*
finber im Sommer oon 6 bis 8, begw. 9 Ußr unb bie jüngeren Sfittber
oon 9 bis 12 Ußr unterrichtet. ®iefe Scßulen finb alfo tßaifäcßlich
fo eingerichtet, wie bie Agrarier es oerlangen. SaS ift felbft in
folgen (Demeinben ber 0fau, in benen bie 3aßl ber ßeßrfräfte gu
otbnungSmäßigerBefcßulung berftinber auSreicf)t. Qnoielen größeren
ßanbgemeinben befiehl aber bie ^albtagSfcßul&aucß beSwegen, weil für
je gwei klaffen nur eine ßeßrfraft angeftellt ift. 3n fämmtlicßen
ßanbfcßuten SßreufjenS waren 1896 61 848 Scßülflaffen, aber-'nur
49 531 ßeßrfräfte oorßanben; 12 317 klaffen entbehrten alfo einer
befonberen ßeßrfraft. Es waren angeftellt:
3n Sßeftpreußen..für 8402 klaffen 2787 ßefjrfräfte,
.«. Braitbenburg.* 6600 * 4144
* Komment.* 3568 * 2927
* Bofen.» 4842 * 2887
* Scblefien ....... » 10278 * 6947
* Sacßfen ..« 4884 = 3830
« ©aimooer, ber ^eintath beS bic Schule reformirenben £aitb=
wirtßfcßaftSmttiifterS . für 6407 klaffen 4482 Seßrfräfte,
- SBeftfalen.* 5317 * 4341
* $effen=Baffau.= 3789 = 2874
im Bßetnlanbe.= 8045 = 7446
Bur in S(ßleSwig«§olftein, wo für 2739 klaffen 2655 Seßrfräfte
oorhanben waren, entfpricßt bie 3ahl ber Schulflaffen einigermaßen ber
Angaßl ber Seßrfräfte.
3n gahlreichen pofenfcßen unb fcf)leftfdf>en Greifen ift bie 3<*W
ber Schulflaffen nahegu hoppelt fo groß, als bie 3 a h^ bet Sehr*
fräfte. Ebenfo fteht es in einer Steiße oon Greifen im BegierungS«
begirf granffurt a. 0. 3m BeaierungSbegirf BreSlau famen 1896
burdtfcßnittlicß auf je 100 ßeßrfräfte 166 SHaffen, im Siegnißer
Begirf 172, im ^ofener 155, im Bromberger 143, im $ranf«
furter 149. Sie 3aßl ^ er gweiflafftgen Schulen mit einer ßeßrfraft,
alfo ber eigentlichen f>albtagSfcßulen hat fid) oon 1886 bis 1896
non 5322 auf 6742 unb bie Angaßl ber breiflaffigen Schulen mit
nur gwei ßeßrfräften in berfelben 3«t oon 2527 auf 3445 oer«
meßrt. SSenn man babei in betracht gießt, baß eine ßanbfcßul«
flaffe im Surcßfcßnitt 56 Äinber gäßlt, fo baß auf einen ßeßrer
in ben §albtagsfcßulen burcßfcßnittlicß etwa 100 5finber entfallen,
.im etngelnen Salle bis gu 160 unb 170, fo füllte man meinen, baß
btefe Art ber unterricßtlicßen Berforgung als bas Aßernotßwenbigfte,-
was unbebingt geleiftet werben muß, erfcßeinen würbe.
StalfSthfitttlidje BortragSreißeit itt Berlin. 2)ie BolfShocßfcßule
$umbolbta!abemie gu Berlin ßat Witte Januar neben ißren bisherigen
dürfen wieberunt fecßsftünbtge B ortrag Sreißen gu ber geringen £ör«
gebüßr oon 50 begonnen. 2)ie Borträge wollen in bie Aftronontie
. (Sogent g. S. Arcßenßolb), bie £pgiene (Dr. $irfcß), ben 2>arwintS=
ntuS (Brofeßor I)r. St. Scßneiber), bie inbioibueHe unb fogiale Sitten«
leßre (Dr. 2Jt. SHein), bie 2ogif (Dr. 3R. Älein), bie BoUSwirthfcßaft
(Dr. St. BurbinSfi), bie Berfaffung unb Berwaltung (Dr. Bt. SSitten«
Berg), bie ©efdjidjte ber Stabt Berlin (Dr. Bt. $lein) u. f. w. einfüßren.
(ftnverbrgetidjte. (Etnigun^ämter. Sd)ie&ggerid)te.
AnSgeftaltung ber ©etoer&egericßte; Anträge im BeidjStage.
Sie 7. Slommiffion ßat bie Beratßung über bie rinträge gur SluS«
geftaltuna beS ©efeßeS über bie ©ewerbegericßte begonnen, aber
noch nicßt beenbigt. 2Bir werben feinergeit über bas (Srgebniß
ber Berßanblungen berichten. Sngwifcßen ift oom „Berein gfrauen^
woßl" in Berlin bem SteichStag eine Eingabe überreicht worben,
bie „bie ^ßeilnaßme ber weiblichen Berufsangehörigen" fowoßl
bei ben ©ewerbegerichten wie bei ben faufmännifcßen ScßiebS«
gerichten oerlangt.
(Sin ^emerbegertcht — ein Unbttta! Bor einigen Btonaten
hatte bas Bungfauer ©ewerffcßaftsfarteu ben Btagiftrat um dr«
ricßtung eines (DewerbegericßteS erfucßt. ?lm 25. Januar lief bann
beim Borftanb beS (DewerffcßaftSfartellS ein Schreiben ein, baS
nach ber „BolfSwadßt" folgenben Söortlaut ßat:
„Stuf bie an ben gfreiSauSfcßuß unb an uns gerichteten Anträge,
betreffenb Errichtung eines ©ewerbefchicbSgerichteS für alle Berufe inner«
ßalb ber Stabt Bunglau, tßeilen wir ergebenft mit, baß bie oon uns
eßörten Arbeitgeber einftimmig ein Urtheü baßin abgegeben ßaben,
aß bie Errichtung eines @emerbefcf)iebSgerichteS für eingelne Branchen
— wie ber 5freiSauSfchuß oorfcfjtug: für Äcramif, @laS« unb Eifen*
inbuftrie — weber ein Bebürfniß noch Ö fl r eine Stotßwenbigfeit fei, baß
aber bie Erridbtung eines folcßen ©ericßteS für alle in unferer Stabt
oorßanbenen (Gewerbebetriebe, wie Sßetenten beantragen, als ein Unbing
abguleßnen fei. Btagiftrat muß naeß eingebenber Prüfung aller Ber«
ßältniffe biefem Urtßcil fieß anf^ließen unb Ießnt baßer bie Errichtung
eines EemerbefcßiebSgericßteS ab."
®aß bie Errichtung eines ©ewerbegerichteS für äße in einer
Stabt oorßanbenen ©ewerbebetriebe nach ber Anftcht beS Bunglauer
BiagiftratS ein „Unbing" ift, wirb ben oieten Stäbten, in benen
©ewerbegerichte bereits fegenSreich wirfen, oon nicßt geringem
Sntereffe fein.
©inignngSämter unb ScßiebSgericßte in ©ngfaub* Bei ben
Beftrebungen, bem frieblicßen Austrag oon ArbeitSftreitigfeiten einen
breiteren Boben gu oerfeßaffen, oerbienen bie tßatfäd^Ii^ jeßt feßon
in Englanb ftattfinbenben Berßanblungen oor EinigungSämtern
unb ScßiebSgericßten befonbere Beachtung. ®ie neuefte Kummer
ber amtlichen „Labour Gazette“ gäßlt oier folcßer gälle auf. Bor
allen Gingen ift bemerfenSwertß ber Befcßluß beS EiniaungSamtS
für bie oereinigten 2)iftrifte beS StoßlenbergbaueS. ©egenftanb
ber Berßanblung war eine Sorberung ber Arbeiter, bie ßoßne
füllten um 7 l /2 ü /o crßoßt werben. Am 10. gebruar würbe oon
Unternehmern unb Arbeitgebern einftimmig befcßloffen, baß oom
1. April b. 3- ön bie £oßne um 5% unb oom 1. Dftober 1899
an um weitere 2 l /a% erßoßt werben füllten, aber nur für bie
Arbeiter unter Sage. — 3n bem 9JUblanb«Amt für Eifen« unb
Staßlinbuftrie würbe ebenfalls eine ßoßnerßößung für gewiffe
Arbeiter in gegenfeitiger Bereinbarung, bie für ein Bierteljaßr
Sauer haben foll, befcßloffen. — Ein Enbe Segember in ben Erg«
bergwerfen in Egremont auSgebrocßener Streif würbe oon Unter«
neßmern unb Arbeitern einem Scßiebsricßter gur Schlichtung über«
tragen. Ser Spruch ging baßin, baß ber ßoßn ber Bergleute
nicßt unter einen Surcßfcßnitt oon öy 2 SßiHing täglich finfen
bürfe. — 3eßn Btonate ßatte ein Streif in ber SRöbeltifcßierei
in Scßottlanb gebauert; ßauptfacßlicß ßanbelte es fitß um bie gfrage
ber Afforb« ober 3citlößne. Bunmeßr ift gwifeßen ben Oraani«
fationen ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter ein Bergleicß geftßloffen
worben, ber eine genaue Siegelung ber ArbeitSbebingungen entßält.
Sen Unternehmern bleibt es überlaffen, bei ©egenftänben ber
Btaffenfabrifation Stücf« ober 3eüioßn eingufübren. Sagegen ift
ben Arbeitern ein Btinimatioßn gugeßeßert, anoere Beftimmungen
betreffen Uebergeit« unb griertagSarbeit, baS Srucffpftem u. f. w.
Enblicß ift gur Bermeibung fünftiger Streitigfeiten eine Drbnung
friebli^er Berßanblungen oorgefeßen, wäßrenb welcßer bie Arbeit
nicßt niebergelegt unb eine AuSfperrung nicßt ooraenommen werben
barf. SaS Abfommen begießt fitß auf bie Blöbeltifcßlerei in faft
allen größeren Stäbten Scßottlanbs, mit AuSnaßme oon Ebinburg,
baS oon bem AuSftanbe nicßt betroffen war.
©efeßentnmrf, betreffenb Einigungsämter in ©enf. Sie Be«
ierung beS Greifes ©enf ßat einen ©efefcentwurf oeröffentlicßt,
er bie Errichtung oon EinigungSämtem gur Schlichtung oon
Streitigfeiten gwifd^en Arbeitern unb Unternehmern begweeft. Ser
Entwurf beftimmt, baß jebe Bereinigung, bie gum Streif feßreiten
will, ben Eßef bes Snbuftrie- unb §anbelsbepartements baoon
benachrichtigen muß. Siefe fcßriftlicße Blittßeilung foß außer bem
©egenftanb beS Streites Barne, Beruf unb BSoßnort ber Be«
tßeiligten ober ißrer Bertreter begeteßnen unb ferner mittßeilen,
wer bie Berfonen finb, bie bie ©ruppen oertreten, an welcße fteß
bie betreffenbe Sorberung rießtet. Enblicß füllen barin bie oon ber
reflamirenben ©ruppe gur güßrung ißrer Sacße oor bem ©erießts«
ßof belegirten B^onen begeießnet werben. Sie betßeiligten Ar*
beiter unb Unternehmer werben fobann bureß ben Beffortminifter
eingelaben, eine EinigungSfommiffioit gu bilben, bie gufammen«
gefeßt ift aus je 7 Bertretern ber Arbeiter unb Unternehmer,
äornmt ßier feine Einigung gu Stanbe, fo geßt bie Sacße an bie
„Commission centrale des prud’hommes“, eine Art ©ericßtsßof,
welcße berechtigt fein foß, nicßt bloß bureß einen Spruch, ber nur
moralifcße SBirfung befißt, fonbern burd; ein ooßftrecfbarcs form«
licßeS itrtßeil ben Äonflift gu löfen. Ser Berfaffer beS Entwurfs
ift baS fogialiftifcße SDlitglieb ber ©enfer ^antonSregierung, Sßiebaub.
Oerantwortll^ für bte »ebattton: Dr. «rnft gtantfe in »erliit W., »aqreut^erftro&e 29.
57ß ©vjtale $ra£i$. (SentralBIalt füt ©vjialpolitif. 9h:. 21. 576
®ie »,$*ftaU erfdjeint an iebem ©onnerBtag unb ifi burd& alle JBudjßanblungen unb gjoftämter (^oftaeitungdnummer 7072) au bejieljen. ©et ißrei*
für ba* Cierteljalji ift SW. 2,50. Sehe Kummet foftet 30 gJf. ©et fcnaeigettprei« ift 60 $f. füt ble bteigefpaltene Hßetit^etle.
^uccg alle < $otttnient$&ud)f|anblungen
3 n &< 3 iel)en:
Ms fprituiatiiMs fit Ms ktljiliftt luttyluk
|U Ifreibttra t. $.
GescMcbte
der tkrtscben Geldreform.
»atl ^elffetltg.
ßteif io M.
Beiträge zur Geschichte «s
der deutschen Geldreform.
Öacl iiselfferfdj.
unferent Verlage ift erfdfjteneit unb burcf) alle ©utfiljanblmtgen
besiegen:
Pt fjmtJmierlter
unb Me ftreMtgenolTenrdjaften.
Sin Beitrag juc ünndlOcrRerorgomfalion.
Bon 91. Petgfricf), 3)oftor bet ©laatstmffenfd&aflen.
131 ©. 80. SK. 2.—.
3» bet gegenwärtigen Reit ber $anbwer!er»E)rgantfatton gewinnt liefe 6($rtft,
bte oon Satbmännem recht gflnftig beurtetlt wirb, ein befonber« $ofteS Sutereffe. DaB
„flaut ft*)* IPalbablatt" fthreibt in Sr. * oom 29. Januar 1899:
»«ln lufjerft prafHfd)eB Ctfjrlftcljen giebt unB ein Spület bet S&pientiae tat
gretburg t. ieitgemäfc, objeftto, tlffbut<$bad)t finb Drdbtfate, bie jebet blefem «BetMen
geben mufe, ber eB burdjftublert hat Die ftrebttoerl)ältnlffe tnt äanbwerferftanb ftnb
gewi| recht fchlimme; Dr. ftefebad) roetft baB ganje etngehenb nach; et geigt aber auch#
wie biefetn SWifeftanb abgebotfen werben fantt; er ift nicht nur ftrittfer, fonbern will
VJoftttoeB arbeiten, «erabe für 3 eit ber tfanbwerferorgantfation ift ein faldj praftiftheB
®erf hoppelt wertooH. ffllr empfehlen beBhalb baBfeibe aufB brtngenbfte aSen ben*
jenigen, bie tn bet ^anbwetletbetoegung arbeiten.™
Zur Erneuerung o
des deutschen Bankgesetzes.
»arl ^eifferith.
)pzti$ 3 JB.
Das Deutfcfye Unrtenrecbt,
inSbefoitbere baS SleidjSgefefc vom 6.^uni 1870 über ben-UnterftüfrungS=
roofptftö in feiner ^ebeutung für bte $rtoatli>9$(tl)fttigfcit$titret«e
itnb =9ht?taUett.
SNit einem Anhänge über
hie öffentliche tlrmenpflege in ©apem.
§erauögcgeben non einer ftoinmifftoit be£ (SßarttaSverbanbeä
für bas fat^oltfd^e ©eutfcblanb.
91 Seiten brofdj. in £einioanbpreffung 80 ^fg.
SÄitte 2»ära ivirb erfeßeinen:
Das 2lrmenreefit in (Elfaff - Cottfringen.
Met hie Meti Ift neueren dejdjiiite.
©oti
Ceopolb von Hanfe.
Itruuagegebett vast ptfreir Jouc.
3meiter SonberabbrudE ber „Vorträge", fünfte Auflage.
150 Seiten Stopal 8°. 9?rei3 3 Stfar! 60 $fg., in £eimvanbbanb 4 SKarl 60 ^fg.
©er erfte Sonberabbruif btefer fltanlefdjjen Schrift ift vergriffen, ©ie ©erlagäbud)*
ßanblung veranftaltete einen jivetten, ht größerem gormate unb jtt tuefeittUd) billigerem
greife, ©iefe ©orträge 3tanfe3, bie er felbft al£ »eine 91f)ap[obie ber Univerfalfjiftorie"
beaeid^nete, enthalten in ber fnappften gornt bte §auptfumme feiner SieblingStbeen unb
feine Hnfidfjten vom 3»iötnmenl)ange ber ivicf;tigften 3Bcltbegcbenf)cttcn.
Verlag von Gustav Fischer hi Jens.
Soeben ersohienen:
Conrad, Dr. J., Prof, in Halle a. S. Grund¬
riss zum Studium der polit»
Oekonomie. III. Teils Finanzwissensckaft
Ä Preis 3 Mark 50 Pf.
Pensoldt, Dr. F., Professor an der Universität
Erlangen. Das Medizinstudium der
Frauen. Referat auf dem XXVI. Deutschen
Aerztetag zu Wiesbaden. Preis 60 Pf.
Schütze, Dr. Carl, Besitzer und ding. Arzt des
Sanatoriums „Borlachbad“, Bad Kosen. Die
sociale Reichsgesetzgebung und
ihre sanitären Postulate. Vortrag,
gehalten am 16. Januar 1899 „im Verein für
öffentliche Gesundheitspflege“ in Hamburg.
Preis 60 Pf.
Simkhowitaeh, Gr. Wladimir. Die
Feldgemeinschaft in Russland.
Ein Beitrag zur Sociaigeschichte u. zur Kenntniss
der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage des
russischen Bauernstandes. Preis 10 Mark.
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel in Berlin W.
Was hat die
Deutsche Arbeiterversicherung
•
T f
im ersten Jahrzehnt
ihrer Wirksamkeit
für die Arbeiter ge¬
leistet?
Dr« jur. R. Freund.
100 Exemplare 10 Mk., 500 Exemplare 20 Mk.,
1000 Exemplare 30 Mk._
Revue d* Economie
Politique .
Hgg. von OauvrdSi QidOß Sch wrlodland und Vfffejr« Redactionssecretäre:
Jay und Noachon. Diese Monatsschrift brachte bisher u. A. Beiträge von Beanregard,
y. Böhm-Bawerk, Brentano, Bücher, Clark, Cossa f, Foxwell, lasier, v. Körösi,
Laveleye f, Leyasseur, Loria, Madeod, Mataja, du Maronssem, Menger, y. Miaskowskl,
Mnnro, y. PhllippoYich, Piernas, Pigeonnean f, Rabbeno f, Sanzet, Sehmoller, Walraa,
Webb, Westergaard. — Ständige Chronik der Wirtschafts-Gesetzgebung Frankreichs.
Preis jährlich 21 Francs.
Verlagshandlung L. Larose in Paris.
i'oa luucfci vumit'lüt,
On’M.iuf bet 3iUt,iv' iitteiif'elD, i'jtliti.
VIII. f «tyrjuins.
©erlitt, ben 2. Wat$ 1899.
Itummer 22.
Soziale ptayis.
(|enfra£Maff für ^ogiafpofitiä
mit ber SftonatSBetlage:
Vas <5ctx>cvbc£cv\(fyt
©rgan bes Derbattbes beutfdjer <5etr>erbegericfyte.
9?cuc golge ber „SBlättcr für fokale BrajctS" unb beS „0o$talpolitif<hen ©entralblatts*.
(grMeittt an jebem Smmnrflag. ^etauSgeBer: fJrelS biertdjürü^ 2 IR. 60 ff.
IRebaltton: Berlin W., Babreutherftraße 29. Dr. (Etttjt <ftßtt(ke. ©erlag Oon Wunder & ^ntmblot, ßelpalg.
©in beutfdjeS 9Rufeum
Sojiale ©rartS. ©on Dr. ©rnft
§rande, ©erlin.577
©ie gef e ^Xic^e Sftegeluno ber
eigarrenbauSinbuftrie. ©on
Äöfcfchfe, ©aftor a.©. r 3Jlinben 581
Klganeinc •oftinl* »nb SBtrtbfftnft*«
paltttt.582
©ationalliberalet Antrag auf
gemeinfame Orgaulfation Pon
Arbeitgebern unb Arbeitern
ber ©rojjinbuftrte.
©aS tfoalitionSrecht ber Arbeiter unb
bie parlamentarif^en Debatten in
©eutfcbtanb.
©te ©inridjtung eines unteren ©ruben*
auffichtSbienfteS in ©reufjen.
©rbebungen übet bie Sage ber ©erg*
arbeitet in Defteneicb.
Fair Wage® in ^»oflanb bei SlegterungS*
bauten.
ftonansaalc «ofialpoliHt ... 586
Regelung ber Söhne ftübttfcher Arbeiter
für ©erlin unb Spanbau.
ßebnftünbige Arbeitszeit für alle
ftäbtifchen Arbeiter in Stuttgart.
Sau ftäbtifdjer Arbeiterwobnungen in
SRüntberg.
©riPate unb fomntunale eleltrifcbe
Beleuchtung in Bonbon,
kommunaler QmnibuSbienft in Stoer*
pool.
©efunbheltSinfpeftorinnen in Sir.
mingbam.
S»S«aie Bttftänbe ..586
Soziale Segleiterfcbeinungcn
mirtbf^aftlicber SBanblungen
in ©erlin. ©on Dr. St. ©hi*bf
©ffenbach a. 3Jt.
Nochmals bie tfinberarbeit in ©nglanb.
Acbtftunbentag für bie Äohlenberg«
teute in America.
5Rew*2jorfer SIrbeitäftatiftif.
Arbeitslöhne in ber inbifd^ett ©aum*
moQinbuftrie.
Ks*ettert>e*egmif.590
3ur ©ötferbewegung in ©eutfcblanb.
©er 5. ©erbanbStag ber ©au«, erb*
unb gewerblicben^ilfSarbeiter ©eutfcb*
lanbS.
Aus berScbneiberbewegung in ©eutfcb*
Ianb.
©er AuSftanb ber ftrefelber Sammet*
webet.
©ie ftöbtifdjen Arbeiter in fflerlin unb
ber üflagiftrat.
©er ©ereiu für 4?anblung8*&ommi8
uon 1858 in Hamburg.
AuS bem englifdben ©augewerbe.
©er ©ewerfberein ber Äbeffelfd^miebe
in ©nglanb.
Drganifation ber Arbeiterinnen in
©ubapeft.
«tfceiferfft»*. 593
©eauffidbtigung ber ©ruben
butdj ArbeiterPertr eter in
©roßbritannien, fjranfreidj
unb ©elgien; amtlicher Äom*
miffionSbericbt.
Vvbcitevberfldicmng. ©pariaffen 597
Ablehnung beS ©ntwurfS ber 3«'
PatibenPerficberung burcb bie ©rofi*
inbuftrie beS SBeftend.
Sfatlftif ber Pon ben ©erfidjerungS*
anftalt.n übernommenen £eilbcbanb*
lung.
ftreie Aerztewaljl in ben ftranfenfaffen.
UrbettSnacftioet#.598
©er Gentraloerein für Arbeitsnachweis
in ©erlin.
Arbeiterwabten für ben ArbeitSnacb*
weis ber ScbaueTleute in Hamburg
Arbeitsnachweis in ©elgien.
©ttieffe»f4aft*l»efc».599
©ine SRüller* ©in* unb ©er*
faufS * Bereinigung. Son Dr.
St. SBiebenfelb, ©runewalb*©etlin.
©erStbweijerifcbeöenoffenfchaftSbunb.
Äooperatiogefellfchaften in ©elgien.
fBohttaagStocfea.601
©ine SöobnungSunterfuchung
in £eibelberg. ©on 9J?aj9J?ap,
&eibelberg.
SOobnungSnoth in beutfdjen Stabten.
SöobnungSpoIijei in ©üffclbotf.
©au Pon Arbeiterwohnungen; ©er*
ficherungSanftnlten.
©fgfttpsng »nb ©Übung.603
tfunfibiftorifdje SRufeen für bie
Äleinftöbte in Defterreich.
©in ©erfuch mit untauglichen Mitteln.
Hamburger ©oUSfchüler im Stabt*
theater.
AbenbfortbilbungSfchuIen in Sonbon
1898.
Soziale ^Palette.606
Sd&ulärjte in ©erlin unb ©fjarlotten«
bürg.
Bur Sonntagsruhe auf ben franjöfi*
fchen ©ifenbahneu.
Sittrrartf©* Vngetgc».606
3nholt beS ©ewerbegerichtS 9lr. 6.
Beilage: ,,©a& ©ctocrbcgerUht 4 ' Nr. 6.
Abbrurf fämmtlicher Ärtllel ift 3 ei tungen unb 3 e üf^ifttn geftattet, ieboch nur
mit Poller Quellenangabe.
3 ttljitlL
für
(Ein öeutfd)e«5 Muftum für öojiale Järöf i$.
®ic Silage, ba& in fe^r roeiten SSoIföfreifen eBenfo wie in ben
geBitbeten Älaffen, Bei UnterneBmem raie Bei SlrBeitem ba§ richtige
»erftanbniB für bie UrBeiteroerruBcning unb bie $IrBeiterfd)utj'
gefefegeBung no(B in fyofym ®rabe mangle, ift mit ben 3aB ren
iaum fcBroäcBer geworben. 0 ie ift audE) Ieiber in ben tfjatfäcf)lid)en
SSerBältniffen oielfad) Begrünbet: Sföan roeife nidjt genug oon ben
Seftimmungen, man fie^t nid)t genug oon i^rer 3lugfül)ruug, man
erfährt ju roenig non i^ren ©irfungen. Unb bocB ^anbett e 8 fitB
Bier um ©efefee, bie bie gro&e 5KeBrBeit beS ©olfes unmittelbar,
tagtäglicB BerüBren, bie tu unfer ganzes mirtBfcBaftlicBeö unb
fojialeS fieben tief einfcBneiben. Slufflärung unb SÖeleBruitg fönneit
Bier SRancBe^, aber nicBt 2UIeö an bem 9iicBtmiifen ober ber ©UeicB*
gültigfeit änbern. 9JUt eigenen Slugen feBen, mit §dnben greifen,
tnie bie SojialgefeBgebung funftionirt, BW ^cBr unb na<BBaltiger
al§ iebeS gefprodfene unb getriebene SBort.
3n biefem 0inne fommt ber im SaBxc 1889 in 93erlin ab*
f eBaltenen „®eutf<Ben ^lllaemeinen Slugftellung für Un*
alloerBütung" eine norbilblte Sebeutung ju. §eroorgegangen
aus einer Anregung beS beutfcBen Braugewerbes, erfreute fuB ber
Blau ber werftBähgen ^B«lnaBme ^aifer SöilBelmS II. unb
mancher beutfd)en dürften, ber llnterftüfcung ber Reichs* unb
6 taatsBeBörben, nieler ©emeinben, ber weiteften Greife ber gewerb*
licBen Unternehmer unb ber Slufmerffamfeit aller (Schichten ber
Beoölferung. @S galt in fyftematifd)er unb umfaffenber Slnorb*
nung eine 2luSftettung aller jener Borrichtungen 311 oerauftalten,
bie pr BerBütung oon Unfällen in Snbuftrie unb ßanbmirthfchaft
3 ur Berwenbung famen ober in Borfchlag gebracht würben. ^>amit
aber würbe zugleich ein beweiSfräftigeS Bilb oon einer ber erBeblicBften
BHrfuttgen ber beutfcBen SlrbeiteroerruherungSgefeBgebung oor*
geführt, bie bie unoergefjliche Botfchaft $aifer feilhelmS 1 . ootn
17. ^ooember 1881 ins ßeben rief, um mit ihr „bem Baterlanbe
neue unb bauernbe Bürgfchaften feines inneren SriebenS unb ben
^ülfSbebiirftigen größere 0id)erBeit unb ©rgiebigfeit beS BeiftanbeS,
auf ben fie ^Infpruch h a Ben, gu Binterlaffen".
®ie2lusftellung, bie unter bem Brotef torate £aifer BMI Belm S II.
ftanb, in bem bamaligen Bräfibenten beS 9ieid)S*Berfi(herungSamteS
Dr. Böbifer ihren dhrenoorftbenben unb in bem ©eneralbireftor
Sticharb Sftoeficfe ben Seiter ihres ©efchäftSfomiteS hatte 7 oerlief
glän^enb. SDer ^aifer eröffnete fte perfönlich: „B2it Sreuben Be*
S jrüfje ich" — fo erflärte er — „auch biefen Beweis ber Be*
trebungen, bem gewerblichen Arbeiter gegen bie in neuerer Qdt
gefteigerten ©efahren feines Berufes erhöhte 0icherheit gu gewähren.
. . . . 2fud) bie SluSfteHung für Unfalloerhütung unb Arbeiter*
fchub ift eine 3 nuht biefer Beftrebungen. 0ie beweift, wie weit
bisher bie Borfchriften im gewerblten ßeben ©eftalt gewonnen
haben. . . . 9flöge biefe SSluSftcllung baju beitragen, aQcit be*
iBeiligten Greifen baS jnr Slnfchauung gu bringen, was gefdjehen
fann, um ben Arbeiter ju fchiitjen unb feine 3 ntcrc"fft'ii 311
förbern." Unb als am 15. Oftober 1889 bie Wusftelluug ge*
fchloffen würbe, fügte ber bie BreiSoertheilung oornebmenbe Bei’*
treter ber SReichSregierung ben 3Bunfd) bajj bie iHiisitelluug
579
©ogiale $raji§. C^cntralBIntt für ©ogialpolitif. Nr. 22.
5SU
bagu bettragen möge, „bie Veftrebungen gur görberung ber Unfaß*
uerpütung roeiter gu oerbreiten unb gu fräftigen, gum ©egen ber
beutfcpen gitbuftrie unb ber beutfcpen Arbeiter inSbefonbere, unb
gur geftigung beS fogialen griebenS in uttferem tpeuren
Vaterlanbe. $>aS matte (Sott!"
©S ift nüplicp, an biefe 2Borte unb Vorgänge gu erinnern,
um gu erfennen, roelcp anfgerorbcntlicp f)ot)er SBertp bamals in
allen maftgebenben ©teilen fcpon einer nur geitmeiligen Aus*
fteßung oon UufaßüerbütungS*Vorricptungen als görberung beS
VerftäubniffeS für bie ©ogialreform beigemeffen mürbe, gn ben gu*
näcpft betpeiligten Greifen ber Unternehmer unb Arbeitgeber pielt
baS gntereffe nicht minber an. Auf bem 5. orbentlicpen VerufS*
genoffeufdjaftstag, ber ©nbe guni 1891 in 3)iän<fjcn abgepalten
mürbe, fanb ein "Antrag einftimmige Annahme, ber eine bauernbe
grucpt jener Aufteilung ficpern foßte. ©S mürbe bort barauf oer*
roiefen, bap im NeidjS*VerficperungSamt eine ©ammlung oon etma
500 Lobelien unb geicpnungen beftebe, bic als dufter für Unfall*
ocrpütung bienen fönne. ®iefe ©atnntlung mar in ihren An*
fangen feit 1887 entftanben burdj ©cpenfungen ber ©rfittber unb
Verfertiger folcper ©egeitftänbe unb ferner bnrcp Uebermeifung eines
^b e ^ ber 1^89 in Verlin auSgefteßten Dbjefie. 3)er Verbanb
ber beutfcpen VerufSgenoffenfcpaften befcplop im ©iitoernebmen mit
bem NeicpS*VerficperungSamt, biefe ©ammlung gu übernehmen,
meitergnfiibren unb gu ben hierfür erforberlicpen Soften beantragen.
©ine roeitere oerbieitfilicpe Anregung in biefer Dichtung gab
Abgeorbneter Böller, ber befamtte nationatliberale ©ropinbuftrieße,
am 6 . gebruar 1892 im NeüpStag. (Er fpraep ben Vhmfcp auf
bap jene ©ammlung ber Aßgemeinbeit gugänglicb gemadjt merbe.
©S fei briitgenb notproenbig, fügte er gur Vegrünbung pingu, bap
fortgefapren merbe, burep befonbere Vorfebrungen bie Unfälle gu
uerbinbern. 3u biefem 3^ecfe aber ntüffe fortlaufenb aßeS Neue,
roaS auf biefem ©ebiete gefepaffen merbe, in bie Deffentlicpfeit
fornmen. S)aS föntte am beften in einem Niufeunt, gu bem bie
ftbon oorpanbeiten ©ammlungen oereinigt mürben, gefaben,
©taatsfefretär oon Voetticper ermiberte, er fepe ben Stuben ber
(Errichtung eines folgen NhifenmS, „in bem bie gnbitftrie Kennt*
ttip nehmen fann uon ben tneiften Vorgängen auf bem ©ebiete
ber £>erfteßung oon UnfaßoerpütungSoorricptungen," als ungroeifel*
baft an. ©r poffe, bafc ber SBunfcp bes Abgeorbneten XDtößer
„in oerpältnipmäpig fnrger 3 p ü" in (Erfüllung geben merbe. gn
ber ©ipung com 9. gebruar fant bann Abgeorbneter Noeficfe
auf bie ©adje gurücf, mies auf bie bebeutenbe ©ammlung biefer
Art in Defterreicp bin, bie in SSaprbeit ben bauten eines Unfaß*
oerbütungSmnfeumS oerbiene, unb auf bie unter Aegibe beS preupi*
fepen §anbelSminifterS begrünbetc ©entralfteße für 2BoplfaprtSein*
rieptungett, bie ebenfaßs bie ©rünbung eines NfufeuntS im Auge
habe. Auch ber fogialbemofratifcpe Abgeorbnete V?urm befürmortete
bringenb bie Anlage eines folgen NhifeumS, mo Unternehmer unb
gabrifiitfpeftoren fid) praftifcp über bie Unfaßoerpütung unterrid)ten
föitnten.
©S blieb auch nicht bei ber afabetnifepen Anregung, fonbern
bie Angelegenheit ronrbe crnftlicp unter ben in Vetracpt fommenben
amtlichen unb prioaten ©teßen in eingepenbe ©rroägitng gegogen,
ber V^n einer ©atninlnng für Unfaßoerbütung, ©emerbeptjgiene
unb 2£oblfabrtSeinricptunqcn nach aßen ©eiten burepgefprodjen, ein
Vubget anfgefteßt. 3)ie Ausführung beS VrojeftS mar fo gebadjt,
bap bic ©ammlungen bes Ncid)S*Verfi<pentngSanttS unb ber
©entralfteße für ©oplfabrtSeinricptungcn oereint merbett foßten;
bic Aufficbt über bicS Dtufeum foßte ber Vräfibent bcS NeidjS*
VerficperungSamtS führen, bem ein Kuratorium, beftebenb aus je
einem Eütitgliebe ber ©entralfteße, bes VerbaitbeS ber VerufS*
qenoffen fepaften unb einem Arbeiteroertreter, gur ©eite flehen mürbe.
4>er 9. orbeittlicbe VerufSgenoffenfcpaftStag genehmigte guni 1895 in
Rangig bies Abfontmen, fomeit er betbeitigt mar, unb man burfte
fid) ber ©rroartuug hinQ^ben, bafg bie Anftalt nunmehr balb ins
X^cben treten mürbe, gumal ber Kofteuooranfchlag febr niebrig mar,
nämlirf) 10 000 ,///. einmalige Ausgaben für bie (Einrichtung unb
5000 , V. bauernbe Ausgaben jäbriid) für bie Unterhaltung beS
iltitfeumS. Allein in lepter ©tunbe fcheitertc ber V( an an bem
VJiberftanbe bcS ^Keichsfihapamts, baS bic ©iuftcllung ber Elßittcl
tu ben ©tat oermcigerte. 53bic oorbanbette ©ammlung mürbe einft*
meileu in einem 9taum bes ©rbgefd)offes bcS neuen ©ebäubcS für
bas eid)s=Vorfirf]eriutgSamt untergebradjt, mabrenb bic ©eutral*
fteße für VioblfabrtSeinriditungen für ihre? ©ammlungen in einem
©tabtbabnbogen itt Vcrlin ein Aful fanb.
Am 26. gebruar 1897 brachte Abg. SHocficfe ben V^ an a ber*
nt als im 5)ieidjstag gur ©pradje. ©r meinte, ba bas Aeid) einen i
©tat oon 1 V 4 EUtiüiarbcit habe, fo mürben fid) bod) aud) ttod) bie [
paar ^aufenb UtarE für baS füJufeum finben: „'Ittan ntuB hoch
immer bebenfen, bafe es ficb b^r banbeit um fieben unb ©efunb*
beit einer großen 3 a &l öon Arbeitern / 7 23enn aber nicht blofe
ftnangieße $ücffi<hten im Reichsfdjapamt mapgebenb feien, fonberit
auch bie Anficht \)exx\§e, baS Eßrojeft fei unpraftifcb, fo bädjten
bie gunächft intereffirien Kreife barüber anbers: „©itt folcheS 9Jiu*
feuttt mirb ungmeifelbaft Anregungen für meite Kteife bieten, roirb
ungroeifelbaft Eßupen fchaffen, befonberS für biejenigen, bie bie Ve*
triebe nadj biefer Sftidjtwtg gu übermacben ba&en." VJurbe auch
batttalS biefem erneuten Anftop feine golge gegeben, fo geigte ftch
hoch gmei gabre fpäter in ber Verbanblung oont 28. ganuar 1899,
mie einntütbig ber Reichstag bem Vlane unauSgefept feine Unter*
ftüpung leipt. Söieber mar es Abg. Sßoeficfe, ber baS 2"b^na
anfehnitt, bei bem es fiep um eminent praftiftpe ^ßolitif battble.
Abg. EUtöller fteßte fiep gattg auf feine ©eite: ©S beftebe nach mie
oor gmeifelloS ein Vebürfnip, „bap man baS bei unS oorbanbenc
Material auf biefem ©ebiete niept nur ber Aßgemeinpeit gugättglich
maept, fonbern bap man in uttferem öanbe eine berartige ©teße
paben foßte, in ber man bie fortlaufenben Neuerungen immer
mieber gur Anfcpauung bringen fann." ©S fei erforberlicp, aus
NeicpSmitteln bie Koflett aufgubringen, bie nötpig fittb, um biefett
guten 3roed gu förbern. Abg. §ipe ootn ©entrum unterftiipte
biefeS Verlangen nacpbrüdlicp: $ier fei ein ©ebiet frieblicper Ar*
beit, mo auep bie Arbeitgeber ipr ooflfteS gntereffe befuttbeit toürbett.
©S fei oon ber gröpten Vebeutung, bap Veamte ber VerufS*
genoffenfd)aften unb ©eroerbe *gnfpeftoren ©elegcnpeit befämett,
praftifcp biefe SDinge gu ftubiren. ©r moße biefeS fogiale ßßufeutn
nid)t auf bie Unfaßoerbütung befepränft roiffen, fonbent es aus*
bepnett auf baS aange ©ebiet ber geroerblicpen §pgiene im rocitefteit
Umfange. Abg. 2Burm erflärte feinerfeits, bap auep bie Arbeiterfcpaft
ben bringenben V^unfcp pabe, biefeS Vtitfeunt möge gu ©tanbe
fornmen. ©ttblicp mar anep Abg. grpr. 0 . ©tutnm ber Anfid^t,
bap ein folcpeS ßßufeutn pöcpft münf^enSroertp fei, ba bamit rnertp*
ooße praftifdje ©rgebniffe ergielt mürben. ^)ie gabrifanten
mürben eS für ©prenfaepe palten,. Vtobeße anfertigen unb aus*
fteßen gu laffen. S)ie Koften mürben niept fepr poep fein, ©r
bitte bie ©aepe ernftlicp in ©rmägung gu giepen, bie Negierung
mürbe mit ber Verroirflicpung bes bex gnbuftrte
uttb namentlich ben Arbeitern einen gang erpeblicpen
S)ienft Ieiften. 2)er ©taatsfefretär bes gnttertt liep in feiner
Antroort erfennen — menigftenS paben mir ben ©inbrtttf —, bap
er bie ©rrieptung eines NfufeutnS feineSmegS oon ber |>anb meife.
©r beftritt nur, bap ein toirflid) praftifeper 3 roef f mit geringem
Koftenaufmanb erreidjt merbett fönnte, unb meinte im ©egeittpcil,
es mürbe grope ©utnmen erforbern, „menn biefeS Vhifeum immer
auf ber .£>öpe ber laufenben 2 ^ed)nif ftepen foß".
®ieS ber piftorifepe Hergang. VHr paben ipn beSpalb ein*
gepenb burep aße feine Vpofen oerfolgt, um gu geigen, mie ber
Vlan ber ©rrieptung eines 9)fufeutnS für fogiale Sßrayie feit gepn
gapren gerabe oon Arbeitgebern unb Unternehmern ber
©ropinbuftrie mit ©ifer unb Veparrlidjfeit eintnütpig oerfolgt
mirb unb mie feiner Verroirflicpung äugenfcpeinlicp nur ber Koften*
punft entgegenftept. Vtögen bie nötpigeu Aufroenbungeit nun
pöper ober niebriger fein, als bie oerfepiebeuett Voraufd)lägc unb
©cpäpungen gepett, jebettfaßs ift baS ©ine fieper: ^)ie in 23etrad)t
fontmenbe ©utnnte ift AngeficptS bcS großen NupenS, ben bie
Vcättner ber V ra ^ § fiep oon ber Anftalt oerfprecpeit, geringfügig
unb fie roirb unter aßen ilmftänben auep pöcpft befepeiben fiep int
Naptnen beS NeidjSbauSbalteS aiiStiebtitett. 2)eutfd)lanb ift in ber
Arbeiteroerfid)eruttg als leucptenbeS Veifpiel fogialer gürforge ber
gangen Vklt oorangefepritten; es fönnte mit einem fogtalen
EUhtfeum für Unfalloerpütuttg, Arbeiterfd^up, ©eroerbe*
ppgiene uttb SöoblfaprtSeinricptungen auep aße ©inriep*
titngen ähnlicher Art in anberen Sänbern, in granfreiep, Defter*
reiep, §oßattb, überflügeln. $)er ©runbftocf für baS Ntufcum ift
in gmei beftepeubcu ©ammlungen oorpattben; eS panbelt ftep alfo
um bie Vefcpaffung eines paffenbett Sofales, um Drganifation, ©in*
rieptung, Aufficpt, ©rgättgung unb Veroollftäubigung ber ©ammlung.
©reift matt auf bie im gapre 1895 geführten Verpanblungen gurütf, fo
märe eine Vorlage an ben Neicpstag in menigett VJocpen fertig*
gufteßen, unb nad) ben bisherigen Kuubgebungen ber Eßarteieit,
mürbe ein folcper ©efepentmurf, ber oießcüpt auep in ber gornt
eines einfachen Nad) trag cs gum ©tat erfepeinen fönnte, ber fofortigeu
Annapme fieper fein. 23ir moßeit uns ber Hoffnung ttid)t ent*
fd)lageu, bafg ber ©taatsfefretär bes giinertt, ©raf V°ffl^omSfp,
jept einen V^ n feiner Ausführung entgegeufüprt, bem bas
I NeidjS=©d)apamt feinergeit ein Veto gurief. ©r mürbe fo feinen
I Namen bauentb mit einem V3crf bes fogialen griebcuS oer*
Soziale $rajis. Centralblatt für Sostalpolitil. Ar. 22.
582
binben, „baS baS Qntercffe bcr Arbeitgeber für bie
(Sicherheit ihrer Arbeiter bof umentirt," mie bieS ber Kaifer
1889 ber AuSftettung für llnfaüoerhütung nad)ruhmte.
Berlin. C. grancfe.
BU gcfcljUdje Regelung bet (Eigarrenljansinöuftm.
3m Besirf ber 5Rinbener HaubelSfatnmer bilbet bie Cigarren*
inbuftrie ben H a uptfabrifationSsroeig. 3« ben Greifen 9Rinben,
ßübbecfe, £erforb bcfchäftigt fie über 25 000 Berfonen. Sie ift
ein guter Crfaß gemorben für bie ßeineninbuftrie, bie früher in
biefer ®egenb fehr ftar! mar, heute aber faft gans oerfchrounbeu
ift. Urfprünglich mürben hier feit ben 80 er 3abren etroa billige
Cigarren ^ergefteHt, unb jmar Icbiglidh int gabrifbctrieb. Der
höhere Dabafsoll aber oom 3<*bre 1879 fongentrirte' bie §erfteüung
billiger Cigarren mehr in Sübbeutfchlanb, mo man ben roohlfeilen
Dabaf foßufagen oor ber Dfjür hötte. Der hier frei merbenbert
ArbeiiSfräfte nahmen fich Hamburger unb Bremer girmen an, bie
hier geringere fiöhne oorfanben als an ihren Sifcen. Sie behüten
bie inbuftrie ftarf auS, (egten aber feine Kapitalien feft in neuen,
theuren gabrifanlagen, maS sugleid) in golge ber mannigfachen
immer non neuem auftauchenben Steuerpläne nicht gans gefahrlos
gemefen märe. Sie führten oielmeljr ju einem großen Dheü H fl uS*
inbuftrie ein. Die cSebäube, bie fie errichteten ober bie 3uHf<h ens:
meifter auf eigenes Bififo hinftcliten, bienen ^um Dfjeil nur als
Ausgabe beS Materials unb AblieferungSftelle für gabrifaie. Da
bie Sanbmirthfchaft nicht bie gleichen ßöhne im S^hreSburchfchnitte
jahlen fann raie bie Cigarreninbuftrie, obmohl ein geübter Cigarren*
arbeiter burdjfdjnittlich faum täglich mehr als 2 ,/// oerbient, fo
ift bie Nachfrage nach Befdjäftigung im Cigarrenmachen fehr ftarf
unb bei ben geringen Betriebsfofteu unb bem ftärfer gemorbenen
Cigarrenfonfum fann bie Aadjfrage leicht befriebigt merben.
SRoch eins i;at bie §auSinbuftrie oermehrt, baS Berbot ber
Befchäftigung oon Kinbcrit in gabrifen itad) bem ©efeß oom
1. 3nni 1891. Das Abftruppen bes DabafS hält bie Crroachfenen
ju lange auf. Sie lajfen baS s u H fl uS oon Kinbern beforgen.
Da fie auch fonjt, mie auch bie grauen, mancherlei helfen fönneit,
ift bie SRcigung ju ooUer §auSbefd)äftigung gemäßen. 3nt
3nhre 1891 mürben in ben Cigarrenfabrifen ber Kreife SRinben,
Sübbecfe, ^erforb 1496 Kinber befchäftigt, jefct feine mehr. — Auch
oon Dberheffen höben bie ©eraerbeauffidjtsbeamten in ben 3nhreS*
berichten oon 1895 bie gleiche Annahme ber HöuSinbuftrie beftätigt.
Aatürlidj höt bie HöuStfjätigfeit, mie jebe £>ausinbuftrie, ihre
großen Aachtheile. Den gabrifanten erfchmert fie bie Aufficht über
bie richtige unb reinliche Verarbeitung ihres BtaterialS. Außerbem
erroächft ihnen fein fo tüdjtiger Arbeiterftamm §u H Q uS, als in
gabrifen. ©rößer ftnb bie SRachtheüe für ben Arbeiter. Cr arbeitet
in ber Siegel in ber Söohnftube. Das Cutrippeit bcS DabafS oer*
urfadjt oiel Staub. Das Drocfnen ber Cigarrenroicfel erforbert
große Böärnte. Bei mangelhafter ober überhaupt nicht beftehenber
Öüftung mirfen ber Dabafftaub unb bie AuSbünftung bes Rabats fehr
nachtljeilig auf bie ©efunbfjeit ber Arbeiter, deshalb leiben bie
Cigarrenarbeiter unb ihre gamilieh oielfad) an Crfranfung ber
AthmungSorgane. Hö<hft bebenflich ift bie maffenljafte Kinber*
befchäftigung. ÜRad) einer Umfrage beS BegierungSpräfibenteu su
SRinben im oorigen S^hre mürben in ben genannten brei Kreifen
2992 Knaben, 2407 Stäbchen, swfammen 5399 fd)ulpflidjtige Kinber
befchäftigt. Dasu fontmen noch biejenigeit, bie feine 0d)ule be*
fud)en. Selbftoerftänblich beljnt firf) bie häusliche Befchäftigung
fehr lange aus.
Aus biefen (Sfaünben ftreben bie Atiubencr Cigarrenfabrifanteu
feit geraumer 3eit nach einer gefeßlichen Regelung ber HöuSinbuftrie.
Bisher beftehen nur bunbeSrätl)lidje Borfdjriften oom 9. 3Rai 1888
unb 8.3nli 1893 für Betriebe, in benen ein Unternehmer Berfoneu
befdjöftigt, bie nicht sum .gauSftanb gehören. Cine Regelung ber
gefammten CigarrenhauSiubuftrie ift nur burd) ein ÄeichSgefeb
möglidj. ÜRun h^t fid; im Snhresbericht oon 1896 auch ber
2Rinbener Oeroerberath für eine rcid)Sgefe(jliche Regelung erflärt. |
Cine erneute Umfrage ber flRinbcuer §anbelsfammer hoi bei allen
gabrifanten baS Berlangen nach reichSgefetjlicher Regelung befunbet
unb fie barurn s« einer Petition an ben Staatsfefretär beS Snnern
oeranlafet.*) 2>iefe ^ßelttion enthalt folgenbe gorberungen:
*) Bereits fürs ermähnt in ber „Sozialen s $ra£iS", Sp. 444. £er
?Jcinbeiier Petition hat fidi bie OÜcfjener ManbctSfammer für rberhepen
angcfdiloffen, ferner bie su Hceftemiinbc. ?ludj ber Bielefelber unb >
bainer .'oanbclsfamntcr ift fie oorgclrgt. ^er bcutfdjc ^abafocrciu hat i
ebenfalls bcfrfiloffcn, biefer Anregung näher su treten. I
1. Selbftftänbige Hausarbeit in ber Cigarreninbuftrie barf nur
oon grpfüäljriöcn ^erfonen auSgcübt merben. — Hbrneidiungen (jicroon
fönnen in 9incfftd)t auf bcfoitbere Berhältniffc oon ber unteren Bcr*
maltungSbchörbe nach Anhörung ber Öemcrbeinfpeftion auf SBibcrruf
geftattet merben.
2. Berfonen mit anftedenben ober abfehredenbeu Kraulhciten bürfen
in bcr CigarrenhauSinbuftrie nidjt bcfdiäfiigt merben.
3. $er SlrbeitSraum muf 3 oon ben übrigen SSohnräunten getrennt
fein. Cr mufi minbefteni 2 ! /a m hoch fein, für jebc bann befd)äftigte
Berfon 10 cbm Luftraum enthalten unb mit einfacher Bentilations*
oorrid)tung (2uft(lappe) oerfehen fein.
4. Cin oom ?lrbeitsraum abgefoitberter 2:rocfenraum ift nidjt cr=
forberlich; bagegen ift bas ^roefrten bcr 2:abafc über bem Dfen bes
^IrbcitSraumcS nicht geftattet. (?luS Örünbcn ber Okfuubhcit mie bes
9Raterialf<habenS.)
5. Sie Drtspoliseibchörbe hut bie Genehmigung jur Befchäftigung
oon ^erfonen in ber CigarrenhauSiubuftrie nad) 3Rafjgabc ber Be^
ftimmungen ber §§. 1—3 fchriftlirfj su ertheilen. ^)iefe Genehmigung
ift an ber £hür bes $lrbeitsraumcs an$uheften. 9tur biefc $erfoneu
haben bie Arbeitgeber su bcfchäftigen.
6. $ie Crtspoliscibehörbe Ijut ein biesbesiiglidhes Berseidjnig bcr
Gemerbcinfpcftion einsurcicheu.
3ur Begrünbung ber gorberungen führt bie HanbelSfammer
ad 1 an, ba^ etn Cin griff in bie perfönliche 3-reiheit bei un*
miinbigen B cr fonen angängig unb befehedb nothmenbig fei, meil
biefe nur Untüchtiges leifteten. SluSnahmeit foöen nur bei ©e-
bred)lichen sugelaffen merben. 2)ie ßehr^eit beträgt bisher nur
Sroei Sahre. SebenfaÜS märe auch eine Berlängerung biefer burd)*
aus im Sntereffe ber Snbuftrie. ad 3 roeift bie Begrünbung bar*
auf hm, bafj bie gorberung eines befonberen Arbeitsraumes in
größeren Stäbten leicht einem Berbot ber HauSinbuftrie gleich 5
fäme, mährenb auf bem Sanbe fte fich rooljl burchführeit ließe.
SDen erfteren gaH beabfichtigt man inbeß gerabe. freilich merben
auch auf bem £anbe faum 10 % öer Arbeiter ber gorberung eines
eignen Arbeitsraumes genügen fönnen.
3ur oölligen Durchführung ber Beftimtnungen roirb eine
UebergangSseit oon fünf Suh ren Qeforbert.
SÖir hüben uns bei ben Arbeitern erfunbigt unb gefunben, baß
bie intelligenten Arbeiter burdjauS mit ber Denbens ber Petition
einoerftanben ftnb. @ie miffen, baß bie HauSinbuftrie bureßaus
bcr Drganifation unb bamit bem Auffchmungc ber Berufsarbeiter
fcfjäblid) ift. 2Benn fie barurn auch , auf bem Sanbe cingefdjränft
mirb, fo ift baS bem ftrebfamen Cigarrenarbeiter gans recht.
Daß Härten babei nidjt su oermeiben ftnb, ift gans erflärlich. 3u
hiefiger Oiegenb unb auch fonft haben oiele Cigarrenarbeiter nur
unter bcr Bebingung bei ben Bauern Sühnung erhalten, baß fie
ihnen in ber Crnte mit sur Hanb gehen. Da läßt fich ein Aus*
meg finben. Bei großen Reformen geht es niemals ohne fleine
Schrammen unb Schmarren ab.
Die organifirten Arbeiter höben fich fogar auf ihrem H e rforber
Kongreß am 12. gebruar mit ben gorberungen ber "Btinbener
HanbelSfammer nidjt sufrieben erflärt, fie oerlangen bie oollftänbige
AuSbeßnung ber bunbeSrätljlidjen Beftimmungen für gabrifen oon
1888 unb 1893 auf bie HauSinbuftrie unb „ber Dabafarbeiter",
baS £rgan ber 0rganifirten, ocrlangt gäusliche Befeitigung ber
HauSinbuftrie als einer rüdftänbigen Betriebsform. Sßir hölten
baS Borgehen ber Drganifation für su rabifal unb glauben, baß
cs feßon ein geroaltiger Crfolg märe, menn bie HönbelSfammcr*
forberungen nir Durchführung fönten. CS ift fehr erfreulich, baß
hier einmal gabrifanten ben Kampf gegen bie Schöben ber HöuS*
inbuftrie aufnehmen. Dürfen mir hoch fo erroarten, baß ihre
0timmc um fo eher bei ber BeidjSregierung ©ehör finbet unb
uns auf biefe BSeife hoffentlich halb in einem bebeutfanten Cr*
raerbSsmeige bie 0teHunq bcr HöuSinbuftrie unter baS ©ctoerbe*
gefeß unb bie ©emerbeinfpeftion befdjeert mirb.
Biinben. Kößfdjfe.
Mgetneine Sozial* unb BHrtljfdjoftepolitth.
9lationaüiberaler Antrag auf gemeinfaute Drganifatiim oon
Arbeitgebern unb Arbeitern bcr ^roßinbuftrie.
3n einem früheren Artifel höben mir ber Begebungen ge*
badjt, bie oon oerfchiebenen Parteien sur Cinridjtung gemeinfamer
Drganifationen oon Arbeitgebern unb Arbeitern befürwortet merben
(ogl. „0osiale $rajiS" 0p. 166). An erftcr 0telle fteljt im
Reichstag mit einem herauf bezüglichen Antrag bas Cent rum,
bcr oon ber ^Regierung bie iljunlidjft fdjnelle Ciubringmig eines
ßlefepentmiirfeS sinn 3 111 ecf ber Crridjtinig oon Aibeilsfammerit
miiitfdjt, um fo
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Soziale PrajiS. dentralblatt für ©ojialpolitü. SRr. 22.
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„ben Arbeitern ben freien unb frtcblidjen AuSbrud ihrer Wüitfche unb
3?rfcbmcrbcn 311 ermöglichen nnb ben ©taatsbehörben (Gelegenheit 311
geben, fid) über bic Bcrljältniffc ber Arbeiter fortlaufenb 31 t unterrichten
unb mit ben teueren güfjlurtg ju behalten" (Faiferliche gebruar*drlaffc
oorn 4. Februar 1890).
$>ie nationalliberalen Abgeorbneten grhr. 0 . f>egl, SBaffer*
mann, Dr. $affe, Dr. lieber, Wündf^gerber, (Graf 0 . Driola unb
Prins su 6 d)önaid)*darolath haben jefct baju folgenben 3 ufafc*
aittrag eingebracht:
Tic oerbünbeten Regierungen 31 t erfudjen: „Sur bie pflege beS
griebens iwifdjcn Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gefefelidjc Bcftimmungen
über bie formen in AuSftdjt 3 U nehmen, in benen Arbeiter burd) Ber*
tretcr, welche ihr Vertrauen befipen, an ber Regelung gemeinfamer
Angelegenheiten betheiligt unb 31 er Sahmehmung ihrer Jntcreffen bei
Berbanblung mit ben Arbeitgebern unb mit ben Drganen ber Regierung
befähigt merben" (Faiferlidje gebrunrcrlaffe);
1 . „311 biefem ^luecfc ben Antrag 2ieber*.&it)e bahin 3 U erweitern,
baf? bie in beut (Gefepe, betreffenb bie (Geroerbegerichte, nom 29. Juli 1890
enthaltenen Beftinummgen in ber Weife gefefclid) auSgebaut werben,
bafj bie 2 nnbc*ccutralbcbörben uerpflidjtet finb, überafl ba, wo (Gewerbe*
gerid)te beftchen ober folcfje noch erridjtet werben, bic Bcftimmungen
beS §. 6 biefes (GefefceS für bie gabriFbetriebe unb bie in benfelbett be*
fehäftigten Arbeiter 31 er Anwendung 311 bringen.*) Ten auf biefe
Weife getrennten ©efiionen, weldjc bic Unternehmer oon gabriFen
unb bic gabriFarbcitcr umfaffen, liegt ob: a) sur Unterftüfcung ber
Arbeiter in gälten ber ArbeüSlofigFeit thunlidjft Waffen ein 3 urid)ten;
b) (Gutachten 31 er görberung ber gewerblichen Jntereffen an ©taatS*
unb (Gemeinbebehörben ab 3 ugeben unb Jahresberichte 3 U erftatten;
c) Wünfdje unb Anträge, welche bie gefunbheitüchen Berbältniffe
ber Arbeiter unb bie giirforge für Arbeiterwohnungen betreffen, 3 U
berathen unb ben Bebörben oorsulegett;
2 . bie gunFtionen biefer ©eftiorteit als Einigung Samt im f^alle
oon ©treitigfeiten smifdjen Arbeitgebern unb Arbeitern bahin 311 er*
weitern, bah ein gcfc^lidh gefidjertcr BerhanblungSswang eingeführt
wirb."
tiefer nationalliberale Borfchlag geht aßerbingS entfernt nicht
fo weit, wie bic 00 m Abgeorbneten $i£e (Zentrum) auf ber Ber*
fammlung 3 U ©tra&burg int |>erbft oorigen gahreS (ogl. „©psiale
prajis" 6 p. 64) entwicFelten (Grunbjüge gur dfrid)tung oon
ArbeitsFammern. dr ift aber gleichwohl ein beadjtenSmerther Berfud),
ben (GebanFen einer gemeinfatneit Drganifation ber Arbeitgeber unb
ber Arbeiter in ber (Grofjinbuftrie in eine beftimmte gönn ju
fleiben unb fefte (GefichtSpunFte 3 U feiner BerwirFlichuug aufm*
fteUen. Db bie Aufgaben biefer ©eFtionen, fo wichtig fie an fid)
finb, genügen, um ben neuen gnftitutionen ein ooueS FräftigeS
Sieben 3 U fiebern unb ob bic Anglicberung an bie (Gewerbegeridjte
ber richtige Weg 3 um 3icl ift, finb gmecfmäfjigFeitSfragen, bie wir
für heute unentfdjieben (affen wollen. T)a£ dme aber müffen wir
aßerbingS auch jefct wieber betonen, baf} wir grunbfäblid) ber
Anfidjt fmb, eine gemeinfame Drganifation oon Unternehmern unb
Arbeitern werbe fich nur bann mit AuSficht auf drfolg erzielen
laffen, wenn fie auf ben Pfeilern gefonberter BerufSoereine beiber
Parteien ruht. ®enn fo sahlreid) unb ftar! bie gemeinfamen
gntereffen oon Arbeitgebern unb Arbeitern finb, fo hoben beibe
hoch ebenfo ftarfe unb oielfältige ©onberintereffen, bie fie in ihren
BerufSoerbänben wahren müffen. T>ie Begebungen ber National*
liberalen unb beS dentrumS, bie fich h^r auf einem wichtigen
(Gebiete ber ©osialpolitiF in erfreulicher Weife oereinen, fchüefeen
311 m 3Rinbeften bie görberung ber Bewegungsfreiheit unb Rechts*
fäfjigFeit ber BerufSoereine nicht aus, ja, wie gefagt, nach unferer
Meinung hoben fie fie jur BorauSfefeung. &af} in ®eutfd^lanb
eine gemeinfame Drganifation in einem (Gewerbe bei ftarfen
©onberoerbänben möglid) unb praftifch mirffatit ift, beweifen bie
gnftitutionen im beutjehen Buchbrucfgeroerbe. ^ebenfalls begrüben
wir cS freubig, baf} nunmehr $mei grobe Parteien bcS NeicbS*
tageS mit dnergie an bie Söfung einer ber mid)tigften Aufgaben
berautreten, bie bie ilaifererlaffe 00 m 4. Jfebruar 1890 geftellt
haben.
$a£ ^oalitionSrecht ber Arbeiter nnb bie parlamentarif<hett
^ebatteu in ^eutfchlanb. Wie fefjr bas ÄoalitiouSredpt ber Arbeiter
im Biittelpunftc ber gansen ©ojialpolitif ftel)t, bafür ift ein Be*
weis, bab int BeidjStag wie im Breubifdjcn Sanbiag faum eine
Woche oergeht, ohne 311 meift fehr erregten Debatten über bie
ArbeitcrberufSucrcine 311 führen. Unb babei finb bie hi e r ein*
fchlägigen Anträge ber Parteien noch gar nicht jur Berathung ge*
fommen. Am 15. Qebruar war es baS ^ßreubifche Abgeorbneten*
*) §. <> bes (Gcwcrbegcrid)tsgcfebcs lautet in feinem hierher gehörigen
ZT heile: „Tic fadjlidjc 3nftänbigFcit beS 6 iewerbegerichts fann auf be*
iiimmte Arten oon (Gewerbe* ober Jabrifbetrieben . . befdjränft werben".
hauS, wo bie fonferoatioen Abgeorbneten Aing unb Sclifd) gegen
bie Arbeiterorganifationen 00 m ßeber sogen, währettb bie frei*
finnigen Abgeorbneten Dr. £>irfth unb (Golbfchmibt bieS (Grunb*
recht ber Arbeiter mannhaft oertheibigten; bie amtliche „Berliner
^orrefponbens" brueft ben oollen Wortlaut ber Gtebe beS §errn
fftina ab — unb nur biefer SRebe allein — als ob eS eine
amtuche Shinbgebung wäre! Jfür bie im preufeifchen Btinifterium
beS Jnnern hcrrfc^cnbe Anfchauung jebenfaüs beseidjttenb! Auch
am 25. u. 27. gebruar fam es wieber 3 U einer AuSeinanber*
fefcung im Abgeorbnetenhaufe, wobei auch baS dentrum fich
grunbfählith für BerufSoereine auSfpradE), währenb bie Aedjte
unb bie Gtationalliberalen fie befämpften. £>ie ^auptfchlacht
aber fiel oergangene Woche in ben $Reid) 8 tag. Beim dtat
beS AeichSjuftisamtS brach greiherr 0 . 6 iumm bie beHagenS*
werthe ßöbtauer Affäre 00 m 3oune unb entfeffelte bamit eine
gweitägige Debatte oon einer £eibenf<haft, wie fie ber 9teid)S*
tag feiten gef eben. Sieben §>errn 0 . ©tumm, ber bas ^rcSbener
Urtheil nicht 3 U hott fanb, währenb ber dentrumSabgeorbnete
Äoeren, felbft ein hoher dichter, es als exorbitant be^etchncte, ftanb
in einer SReihe ber fächfifd^e BunbeSratbäbeooIlmädjtigc dcneral*
ftaatsanwalt Aüger, gegen beibe entlub fich ber gan^e ©roll ber
©osialbemofraten in fturmifchen AuSbrüdjen, währenb bie übrigen
Parteien faft ausnahmslos nur 3uf(hooer bicfcS SDueHS blieben.
Auf bie din 3 elheiten biefer Debatten einsugehen, foweit fie baS
$>reSben*ßöbtauer Urtheil betrafen, ift hier nicht ber Drt; nur als
3eid)en ber Sage möchten wir betonen, baft bie fosialbemofratifche
Parteileitung oie Abficht hat, biefe Berhanblungen im fteno*
graphifdhen Wortlaut unb namentlich bie SReben ber Herren
0 . ©tumm unb !Rüger als AgitationSfchrift 3 U oerbreiten — offen*
bar in ber Weinuna, baf} bie beiben $erren in biefem gaHc als
„Waffenträger ber ©osialbemofratie" manche S)ienfte geleiftet haben.
Namentlich wirb baS 00 m greiherrn 0 . ©tumm gegen bie Drgani*
fation ber Arbeiter gefcfjleubertc Anathema ber ©osialbemofratie
Waffer auf bie Wühle treiben; er will eigentlich i c ^ en Arbeiter*
führer nnb (GewerffchaftSbcamten ins 3udjthauS fteefen, beim fie
alle finb ihm Berführer nnb £)efcer. Wir hoben ben dinbruef, als
ob bie fteigenbe neroöfe (Gereiztheit beS greiherrn 0 . ©tumm auf
bie dmpfinbung surüefsuführen fei, bafe er bie Berminberung
feines dinfluffeS burch hoppelte ©chärfe wett machen müfete.
Wir holten feiner Berbammung ber Arbeiterberufsoereine baS
Urtheil ber lebten ba^erifchen gabrifinfpeftorenberichte entgegen,
wo in ber dinleitung oon einem fo erfahrenen Beamten wie
Starl BoeHath in Wünchen betont wirb, ber gewerbliche griebe fei
„um fo gefieberter, je weniger eS bie Arbeitgeber grunbfäfelich
ablehnen, mit ben Beratungen ber Arbeiterfdjaft in einen georb*
neten Berfehr 3 U treten." T)ie Arbeiterbewegung, fo h^ifet es weiter,
fönne unter beftimmteii BorauSfehungen „als bienlich für ben
Ausgleich wirtschaftlicher ©pannungen erachtet werben." $>iefe
Bebingungen hätten fich für baS gahr 1898 erfüllt: „$)er Berlauf
ber Arbeiterbewegung lägt wieberholt ein befonneneS din*
greifen ber Arbeiterorganifationen erfennen, aus einem ber
größeren AuffichtSbesirFe wirb auch berichtet, ba& fid) bie Arbeiter
trofc beS Umfanges unb ber ©chärfe ber bortigen ©treifbemegung
im Allgemeinen in ben (Grenzen beS ^oalitionSred)tS hielten!" —
®och alle biefe drörterungen über baS $oalitionSred)t in ben Par*
Iamenten fmb nur Borpoftengefechte für ben .ftauptfampf um ben
©efefeentwurf, betreffenb ben ©chufe ber Arbeitswilligen, ber fchon
am 6 . Dftober 1898 als ber Bollenbung entgegengehenb ange*
Fünbigt würbe. DfPsiöS würbe in biefen Stagen wieber einmal
gemelbet, eS werbe eifrig an ber Borlage gearbeitet nnb fie fomrne
„in nid)t adsulanger 3 e it" an ben SReichStag: ,,^>aS dnbe ber
bieSmaligen Tagung wirb basu beftimmt fein, bas gefefegeberifdge
gasit aus ben nunmehr fchon fo oft über ben fosialbemofratifchcn
XerroriSmuS gepflogenen drörterungen 3 U sichen." Bielleicht auch
ein gacit aus ben drörterungen über ben Unternehmer*£errori£mus
— fügen wir Ijinsu.
2>ie Einrichtung eines unteren EmbenanffichtSbienfteS in
Prenfeen An anberer ©teile biefcS Blattes (©p. 592ff.) hoben
wir bie drgebniffe ber ©tubien mitgetheilt, bie oon einer amtlichen
Mommiffion im Aufträge beS .J)anbelSminifterS in dnglanb, granF*
reich unb Belgien über bie Berwenbung oon Arbeiterbelegirten bei
ber BcrgwerfSinfpeFtion angefteßt worben finb. Srohbem ber Be*
rieht für biefe gnftitution oerhältni^mä|ig günftig lautet, hot fich
ber Winifter basu entfchloffen, bie §ülfsbeamten ber gnfpeFtion
burch bie Behörben su ernennen, ohne baf} bie Bergleute felbft
babei mitwirfen. 2>em Iegtereu Wunfdje, ber oon aßen organifirten
Bergarbeitern getheilt wirb, Fam ein Antrag beS Abgeorbneten
Dr. §)irfch (freif.) entgegen, „ 311 m 3mecfe ber thunlichften Berhütung
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«Soziale BröjiS. Eentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 22.
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oon Unfällen unb gur Stärfung beS BertrauenS ber ©ruben*
arbeiler in bie Sicherheit beS Betriebes, neben ben BeoierauffichtS*
beamten Slrbeiteroertreter gur Berichtigung ber Steinfohlengruben
heranjusiehen." Beim Bergetat mürbe nun am 27. unb 28. Qe*
bruar bie Örage im preupifcpen Slbgeorbnetenpaufe oerhanbelt. SDa
bei Schluß biefer Kummer authentifcpe Berichte noch oorliegen,
fo befchränfen mir uns heute auf eine Sfigge beS tpatfächlicpen
Herganges. Slbgeorbneter Dr. £irfdp trat fepr marm für feinen
Antrag ein, berief fiep auf bie im Sluslanbe gemachten Erfahrungen
unb begegnete bem Einroanbe, bap burch bie Suftitution ber 9lr*
beiteroertreter fogialbemofratifcpen Wühlereien Borfchub geleiftet
roerbe, mit bem |>inroeiS, bap bie ÜRepnapl ber Bergleute ja gar
nicht fogialbemofratifcf) fei unb ooßeS Bertrauen oerbiene, 2lb*
aeorbneter Dr. §)ipc oom Eentrum erflärte, er b>alte es gerabegu
für ein natürliches Bebürfnip, bap bie Bergleute, beren ßebett tag*
lidj in ©efapr fdjroebe, felbft bei ben ÜRapnapmen für ihre Sicher*
heit mitgureben hüben. 9hicp ber Slbgeorbnete ©otpein (freif. Ber.)
trat für bie Brbeiteroertreter ein. dagegen fprachen fiep Sfonfer*
oatioe, Öreifonferoatioe unb Nationalliberale — alfo bie SReprpeit
— mehr ober minber fdparf oom Untemehmerftanbpunfte aus; bie
Arbeiter hätten nicht bie genügenbe fteitntnip, bie geforberte 3n*
ftitution mürbe nur Unfrieben fnften, in anberen £änbern liege bie
Sache gang anberS u. f. m. $>er §anbelSminifter bagegen fteflte
fich nicht grunbfäpliip ablehnenb gu bem Berlangen. Er gab gu,
bap bie Berichte über bie Berpältuiffe in Englano aünftig lauteten;
roenn baS in Sranfreidp anberS fei, fo fehle bort eben baS nötige
Einoernehmen groifcpen Unternehmern unb Arbeitern, 0für bie
Einrichtung fpreche oor Süßem bie Ermägung, bap bie Arbeiter ein
gropeS gntereffe baran höben, fi<h felbft gu überzeugen, ob 9lßeS
in Drbnung unb Süßes gefchehe, maS für ihre Sicherheit möglich
fei. SÜber auch bie ©rubenbefiper hätten ein 3ntereffe baran, ba
fie bann bei Unfällen oor bem Berbacpte ber Unterlaffung oon
ßRapnapmen gefd^üfet feien. OTerbingS gebe eS auch erhebliche
©rünbe bagegen. Namentlich fträubten fiep bie Brioatbefiper mit
§>änben unb 3füpen bagegen, obroopl gerabe in ihren Bergmerfen
bie Unfadgiffer größer als im Staatsbetrieb. Er hölte es nicht
für auSgefcpioffen, bap mir einmal eine Einrichtung befämen, mie
fie ber Antrag £)irfcf) mode, aber erft müßten roeitere Erfahrungen
aefammelt roerben. — 3u biefern 3u)ecfe machen mir ben Borfchlag,
Der ÜRinifter möge auf oerfchiebenen fisfalifcpen ©ruben,
auf folchen in Dberfcplefien unb im rheinifch*meftfälifd^ert ©ebiet,
probemeife Slrbeiteroertreter, bie, etroa nach bem in Belgien
eingeführten ÜRobuS, nach ben Borfchlägen ber Bergleute
oon ber Behörbe berufen merben, bei bem unteren Be*
oifionSbienfte oermenben. Süuf Mefem Wege mürbe eS fich
ja herauSfteHen, ob bie Befürchtungen, bie Arbeiter feien gu biefer
Aufgabe ungeeignet unb bie gange Qnftituüon biene nur ber
Sogiatbemofratie, in ben ^hatfachen eine Stühe finbet.
Erhebungen über bie Sage ber Bergarbeiter in Deftmeicp.
3)er oom SürbeitSbeiratpe gur Borberathung ber in feiner lebten
Bfenarftpung oon ben Sürbetteroertretern 9t. «fmeber unb 3- Sntitfa
beantragten Erhebungen über bie Sage ber Bergbauarbeiter
eingefepte SüuSfcpup pöt fich am 23. Februar Jonftituirt unb ben
Bräfibenten ber ftatiftifchen Eentralfommiffion, SeftionScpef
Dr. o. 3nama*Sternegg, gum Borfipenben gemäplt. 2luf ©runb
eines eingehenben, oon bem SNinifterialratpe 3 et Puer erftatteten
Borberichtes mürbe nach meprftüttbiger Erörterung ber einfcplägigen
fragen befcploffen, gu befiirmorten, bem begeicpneten Snitiatio*
antrage burd; eine umfaffenbe Erhebung ber Berhältniffe ber Berg*
arbciter gunächft im Dfirau * ^arminer Steinfoplenreoier gu ent*
fprechen. ®ie Borfchläge für ben Erhebungsplan roerben in einer
bemnäcpft folgenben groeiten Sipung beS SüuSfcpuffeS befinitio feft*
gefteßt merben.
Fair Wages in #oÜanb bei ftegierongSbanten. Bei ber
fürglich erfolgten SüuSfcpreibung, betreffenb bie Errichtung eines
^ojtfparfaffengebäubeS in Sümfierbam, höt bie poßänbifcpe Negierung
gum erften s IRat bie Fair Wages4tlaufel in baS Bebingnippeft
aufgenommen; eS roerben Nhnimallöpne oon 34 4 pro "Stunbe
für Arbeiter, bie eine fieprlingSgeit abfoloirt höben, oon 32 4 für
folcpe, bie nicht ßeprlinge maren unb oon 26 4 für SLaglopner
feftgefept; bie tägliche NtafimalarbeitSgeit mirb mit 11 Stunben
feftgefept. — Seitens ber poßänbifcpen ©emeinben merben ähnliche
Beftimmungen oietfach fifirt; in jüngfter 3eü erft höben bie
Stäbte SRibbelburg, Nijmegen unb SümerSfort bie Aufnahme ber
Bünimallohnflaufet in bie fommunalen Bebingniph^fte befd)loffen.
fionmmnalr $0|inlpolitik.
Begelnng ber Söhne ftabtifdjer Arbeiter für Berlin nnb Spanbau.
S)ie Berliner Stabtoerorbneten nahmen am 23. 3ebruar eine Befo*
lution einftimmig an, morin ber s JRagiftrat 1. um eine Nachroeifung
über bie Söhne unb 9lrbeitSgeit ber in ftäbtifdjen Betrieben befchäf*
tigten Arbeiter, 2. um eine Borlaae über bie Erridjtung einer
BenfionSfafJe für bie in ftäbtifchen Betrieben befdjäftigten Arbeiter
auf Eirunblage oon Beiträgen ber Berroaltung unb ber Arbeiter
erfud;t mirb. — ®ie Spanbauer Stabtoerorbneten höben eine
fiebengliebrige Äommifpon gur Slufftellung einer „Sohnffala für
färnrntlicpe ftäbtifche Arbeiter" niebergefept.
3ehnftünbige SlrbeitSgeit für äße ftäbtifchen Arbeiter in Stntt^
gart. SDie Einführung ber gehnftünbigen 9lrbeitSgeit für alle
ftäbtifchen Arbeiter ift im $ringip fchon im oorigen 3ah^e ^nrep
ben ©emeinberath befcploffen roorben. S)er fofortigcu Einführung
ftanben f. 3- noch abgefdjloffene 9lfforbe im Wege. SDiefe §inberniffe
finb nun alle behoben. 3« ber Sipung beS ©emeinberaths oom
23. Februar berichtete ©emeinberatp Stocfmaner, bap bie bei allen
ftäbtifchen 9lemtern oorgenommene Enquete Die Uebereinftimmung
aller Hemter unb bie 9Rögli<hfeit ber Einführung ber gehnftünbigen
9lrbeitSgeit ergeben höbe. Beim §ochböuamt unb bem Strapen*
bauamt mar feiger fepon eine gehnftünbige, bei bem Waffermerf
eine 10 l /2ftünbige unb beim Ä'analbauamt eine llftünbiae 9lrbeitS*
geit. 5)ie Bauabtheilung beantragt beim ©emeinberatp, gu be*
fcpliepen, bap oom 1. Slpril 1899 ab bie thatfächlidje 9lrbeitSgeit
ber ftäbtifchen Arbeiter 10 Stunben niept überfd)reiten barf unb
bei auSnahmSmeifer Uebergeitarbeit bie einfcplägigen Beftimmungen
ber 9lrbeitSorbnung in Straft treten füllen. ®ie Slrbeitgeit fott im
Sommer in bie 3^it oon BtorgenS Upt bis 9lbenbs 1 l 2 l Upr
faßen; als Sommergeit gilt bie 3 c it oom 1. Ntärg bis 1. Dftober.
2)ie 9lrbeitSgeit im Winter ift burch bie eingelnen Slemter im Ein*
oemepmen mit ber Bauabtpeiluna feftguftetten. 3n ber Debatte
mürbe mehrfach betont, bap bie Berfürgung ber 9lrbeitSgeit burd^
bie Sntenfität ber Arbeit mepr als ausgeglichen mürbe. 2>er 9lit*
trag fanb mit aßen gegen 2 Stimmen 9lnnapme.
Bau fföbttfdjer Brietterttrohiuntgett in Nürnberg, ^as ©emeinbe*
foßegiuui ftimmte mit gropei* HRepihctt bem äRagtftiatSbeidjlup gu ; betr.
Errichtung oon Wohnungen für ftäbtifche Arbeiter unb Bebienftete
feiterts ber Stabt, lehnte jeboep leiber ben Antrag auf 9tnfteßung
ftäbtifeper WohnungSiufpeftoren ab.
Ißrioate nnb fommnnale ele!trtf<he Beleuchtnng in £onbon.
Stürglicp oeröffenßid)te 5)aten Dergleichen in intereffanter Weife bie
Ergebniffe prioater unb fommunaler EleftrigitätSroerfe in Sonbon.
Es ergiebt fidp, bap bie fommunale Beleuchtung im 9lßgemeinen
bißiger ift. Nacpfolgenb bie 2>aten:
^rioatunternepmen:
Breis
Bropt
5.54
5.82
4.46
5 27
12,90 %
16,23 =
7.23 =
9.53 =
0.95 =
5.24 =
7.27 =
7.30 =
Eigene ftoften
per Einpeit
2.19 d
2.19 *
2 27 *
2.61 =
2.75 3
2.59 =
2.S2 =
8.98 =
Weftminfter.
St. 3ömeS.
Eparing Erop.
tatfington.
Epelfea. 5.77
&oufe»to*$oufe.5.74
Eitt) .6.85
SRetropolitan.6.85
Stommunate Unternehmen:
^ampfteab. 5.44 d s. 8 o 0 /0 2.57 d
ä^lington.6.01 = 8.00 = 8.57 =
Sporebitcp. 8.87 * 7.63 * 1.84 =
St. Böncras .5.23 * 7.54 = 2.76 =
kommunaler DmnibnSbienft in SiberpMl. 2 ^er 2 ioerpooler öc=
meiuberatp, ber türglicp bie Berftabtlicpung ber Strapcnbapncn 2iucr*
poolS burcpgefüprt pat, beabficptigt gur Ergängung biefer Berfcprs*
mittel auep bie beftepenben DmniouSlinien in ftäbtifche Begie gu über*
neprnen.
©efunbptitSinfpertorinnen in Btnningpam. 2)ie Olcmeinbeocmmltimg
oon Birmingpam pat befcploffen, oier Sanitätsiufpeftonnuen aitguftellni,
benen pauptläcplicp bie Wopnungsinfpeftion unb crgicplidje Eiiimirfung
auf bie Beinpaltung ber Wopuräumc obliegen foll.
SojtaU Juflänbc.
Sogtale Begldterfcpeinnngen luietlifcpaftlicper Wanblungen in Berlitn
Bon ber Statifti! ift längft beobadjtet morbeti, mie bie ftatiiii*
fdpen 3 a htenreipcn über bie roirtpfcpafUidje Eutmicfehutg unb über
bie gleicpgeitigett BeoölferungS* unb fogialen Berpältniffe ben engen
3ufammenhang beiber in flarer nnb genauer Böraßelbctoeguiig
587
«Soziale PrajtS. Gentralblatt für Sogialpolttif. Nr. 22.
588
heroortreten taffen. (Ein Nuffthmung ber Snbuftrie g. 93. fteigert |
nicht nur ben Kapitalbebarf, ben Kohlenoerbraud), ben ©ahn* |
oerfeljr 2C., er briicft fich Qud) ftatiftifcf) nadjrocisbar in ber ßage I
ber großen ©olfSmaffett burd) rcid)Ii(f)eren ©crbrauch ber befferen
Nahrungsmittel (Jleifch ftatt Kartoffeln, ^Bier ftatt SchnapS), burd) I
(Erhöhung ber Spareinlagen, Nbnahme ber (Eigenthumsbelifie 2 c.
auS; auch bic ©eobad)tungen ber ©eoölferungSftatiftif über 3u* 1
nähme Per ^eirathS*, Nbnahme ber Sterblidjfeiisgiffern, über reich* 1
liiere NrbeitSgelegenheit unb bamit ftärferc Zumattberung in bie
Snbuftriebegirfe bei inbuftriettem Nuffdjmung fommeit gang über* j
miegettb auf bas Konto ber ärmeren ©olfsflaffen. Solche einmal i
feftgefteßten ftatiftifd)en parallelen finb ein michtigeS §iilfSmittel
fogialer (Erfenntnih gemorben, ba man burd) fte in ben Stanb !
gefefct wirb, bei lücfen^after Statiftif oon einem Komplex for*
refponbirenber (Erfcheinungen auf ben anberen gu fd)liefeen.
Scbod^ bebürfen bie einmal feftgeftellten 3ufatnmenhänge '
öfterer Nachprüfung unb (Erneuerung. Sie finb nicf)t fonftant. i
@erabe an M. oon Ntopr’s befanntem feufterbeifpiel bes 3ufammen*
hangS ber MetreibepreiSfuroe mit ben Kuroen ber .£>eirathen unb
anbererfeitS ber (Eigentums* unb ber UebermuthSbeltftc fef)ctt mir
bie ©eränberlidjfeit; bie Metreibepreife finb bei unfcren ftets fotn*
pligirter roerbenben (ErroerbS* unb ©MrtbfdjaftSoerbältnijfen je länger
je roeniger ein allein auSreicheuber ©iahftab für bie mirtljfchaft*
liehe ßage ber ©euölfcrung.
(Ein oielfeitigeS Material für bie Nachprüfung bietet ©öcfl)’S
neu erfchieneneS „StatiftifdjeS Zahrbud) ber Stabt ©erlin" für
1896, baS bie mannigfadjften für bie ©euölfcrung, baS ©Mrtf)f<haftS*
unb fogiale £ebett ©erlittS mid)tigen Zahleneingaben in guoerläjfiger
©Seife unb nach einheitlichen (>3runb|äpen gufammenfteßt unb ber
Negel nach bie |>auptgablen für baS 3al)rgehnt 1887/96 refapitulirt.
©Sir fahen im ©erliner ©Sirthfdjaftsleben biefes ZahrgchntS
aus gar mancherlei Nttgeidjen unb (Erfahrungen, bah es fid) gegen
(Enbe ber 80 erfahre aus gebriiefter fiage — meift 1888 einfepenb
— gu größerer profperität erhob. 3ebod) tritt fd)on mährettb beS
Sabres' 1890 ein Stißftanb biefer ©emegung ein, unb alsbalb
folgt ein entfdjiebener Niicfgang, ber bis 1894 anhält. StfjeitS
1891, theils 1895 unb beforiberS auffaßenb, aßgcmeiit unb burch*
greifettb 1896 fommt ein neuer Nuffihmnng beS ©Sirtf)fd)aftSlebenS
gum Nusbrucf, fo bah 1896 in beut Zafjrgchnt 1887/96 faft in
jeher ©egiel)ung als bas hefte Zahr erfdjeiut. §ier mirft bie aß*
gemeine giinftige MefdjäftSlage in deutfdjlanb mit lofalett Mrünben
(berliner Memerbeausfteßung oon 1896) gufammen.
(Es betrugen in ©erlitt:
iss?
isss
lss9
1X90
1X91
1X92
1X93
1X94
1X95
1X94
1.
bte (Eljefdjlßhungct! i n promiße ber 9Rämtcr über 2<> ^ahre ....
s7,i
st;,?
91,.
X9 9
S" 7
X7,ö
86,s
x7,n
95,7
2.
bie getnelbeten Zugegogetten (daufenbe) .
168
179
19H
197
194
I7x
lxu
1X5
201
219
H.
* * Jrembett * .
;i88
4ls
4(>9
:>< »5
r»i).'»
5< »4
50G
541
579
718
4.
ber ©erficherungsmerth ber Ncubautett in SÄtütottcit ^iarf .
73
N9
9:4
122
101
92
9<i
N4
SO
103
5.
bie Ncuetnlagen in ber ftäbtifdieit Sparfaffe in aMifltottcu 3Rarf . . .
29,2
nt.«
H2,e,
42,9
42,1
44,i
44,5'J
1 3X,ii
42,5
44,9
6.
ber Konfum pro Kopf ttttb Jahr att ?}leifd) . kg
—
81,2
69,4
r»9,s
71/*
t 0,9
75,3
7 4,o
7 4,g
7.
8 8 8 s s 8 8 ftifd) . *
14,7
14,4
17,6
1 7,8
17,i
14,8
17,7
1 7,5
1 X,u
18,9
s.
* * Kaffee,Theo,Kafao u. Surrogaten*
2,93
2,89
2,79
4,:>7
4,03
4,93
3,96
4,58
4,63
5,68
9.
* * * * * ©ter.2 t ter
192
194
2( >2
2( H >
191
194
204
201
224
239
10.
* * * * * * * Kol)lett.kg
1290
1 457
1.471
1474
1494
1434
14X4
1400
1422
1553
©iefe (EntmicfelungSlinie finbet fich in ben 10 hier aus ben
oerfchiebenen Nbfdjnitten beS ©erliner Jahrbuchs mitgetheilten
Zahlenreihen mit ziemlicher Hebereinftiinmung unb großer deut*
liebfeit toieber. Nur ift bei einigen biefer Zahlenreihen unb ins*
befonbere bei ben abfoiuten Zahlen S u beachten, bah bie (Entioicfe*
lung ©erlinS bauernb — and) unabhängig oon ben Sdjmaitfungen
beS ©SirthfdjaftSlebenS — ftarf auffteigenb ift unb fich beShalb
bie niebergehenbe Konjunftur biSmeilen nur in einem Stißftanb
ober oertangfamten 3 ortfd)ritt ausprägt.
der ©emegung beS ©SirthfdjaftSlebenS entfprid)t bie ©au*
thätigfeit (3ahlenreihe Nr. 4): ftarfe Zunahme bis 1890, an*
haltender Nücfgang bis 1895 unb abermalige Zunahme gu 1896.
dabei ift xu beadjten, bah ber gtoeite Niiffdjmung gum gröberen
dljeil in ber ©authätigfeit ber ©erliner ©ororte jtd) auSbrücfte.
©ei ihrer (Einbegiehung in bie Statiftif mürbe biefe Zunahme
früher unb roeit ftärfer einfefcen. — desgleichen beftätigen bie
Neueintagen in ber Sparfaffe (Nr. 5) ben (Slang ber (Ent*
roicfelung; bis 1890 gunehmenb, geigen fie barauf Stißftanb begto.
nur Ianafamen, lebiglich burch bie ©eoölferungSgunahnte bebingten
Sortfchritt. ©on 1894 ab tritt roieber fdjneßerer Sortfchritt ein.
die Neueinlagen finb als baS fidjerfte ©terfmal ber ergießen lieber*
fchüffe genommen. Starfe Nücfgahlungeu fönnten ebenfomohl auf
oerfd)lechterte (^efchäftslage roie auch auf eine ©erbefferung, gabt*
reichere ^eirathen unb ©efchäftSgrünbungen, gurüefgehen. — ©eint
©erliner Koblettfonfum (Nr. 10 ) mirfen anher bem Snbuftrie*
bebarf auch ^ cr ^äuSlicfje ©ebarf an Neuerung unb £id)t C@as)
unb bamit bie ©itterungSeinflüffe ftarf mit. die Zunahme beS
©erbraud)S mirb nur 1892 unb 1894 unterbrochen. ZebettfaßS
aber mirft bei ber ungemöhnlid) ftarfeu Zunahme beS 1896 er ©er*
brauchs ber ©ebarf ber Snbuftrie entfeheibenb ein.
die Öage ber arbeitenben Klaffen fommt — anher in bett
Sparfaffeneinnahmen — befonberS in ben (3jcbraud)Sgahlen ber
©enuhmittel unb ber hofhroerthigen Nahrungsmittel gum NnSbrucf.
der ©ergeht an Kartoffeln, ©rob unb Okmiifc mirb in feinem
©erhältnih gu einanber burch bie jeroeiligen Preisocrljältniffe be=
einfluht. (Einen bireften ©faitgel an biefen Nahrungsmitteln mirb
in ©erlin aud) eine ungiinftige 93irthfd)aftSlage nicht allgemein
heroorbringen. dagegen fpielt bei bem Sleifdj* unb oifd)*
oerbrauch (Nr. 6 unb 7) auher beren ©reifen aud) bie allgemeine
l^age mit. der Aleifd)* unb /vifchoerbrand) faßt oon einem fehr
hohen Stanb 1889 gu 1890 ab, bleibt bann jahrelang ungefähr
auf bem gleichen Stanbe unb hebt fich oon 1894 gu 1896 ftänbig.
— der ©erbrauch oon Kaffee, dhee, Kafao Unb bereu Surro*
V» 1S9M unb im 1. Quartal Sie nädiftcn ^atitcu gelten (bei
Nr. 7) für bie (Etat^jaljrc.
i gaten (Nr. 8) hebt fid) S 11 1890 unb nod) gu 1891 bebeutenb, fällt
j in ben uädjften fahren etmas, um 1894 unb 1895 abermals unb
: fet)r bebeutenb in 1896 (auf über baS doppelte oon 1889) gu
fteigen. Nehnlid), nod) mehr ber allgemeinen (Sntmicfelung ent*
fprcchcnb, oerläuft bie Kuroe für. ©ter (Nr. 9): 3uual)me gu 1889
unb 1890; Stißftanb begto. Abnahme bis 1894; 1895 unb aber*
mafs 1896 bemerfcnSmerthe Zunahme.
Unter ben bcoiUferungsftatiftifchen 3 a hl en bemährt fid) oon
Neuem bie BeiratIjSgiffcr (Nr. 1) als treues Spiegelbilb ber
©3irtl)fd)aftSlage, bie beren ©emegnngen etmas fpätcr folgt. ©3irth s
fdjaftlid) hängt bic $etratl)Smögiid)feit l)Guptfäd)lich baoon ab, toic
j meit bic l^ciratt)§fähigen Niänitcr in ber Öage finb, einen §auS*
| ftanb gu grünbett. Nit ihrer 3ul)t finb baher hi er ^i e • < P e i‘
■ rathen gemeffen. die ©eiratbsgiffer h°l nod) einen Niicfgatig gu
1888, eine Zunahme bis 1890, toieber Nücfgattg bis 1894, gu
1895 geringen unb gu 1896 fel)r crl)eblid)en Öortfd)ritt, meitaus
gutn Niag’itnutn. — die Nusfid)t auf Iohncnbe Nrbeit in ©erlin
beftimmt bie 3 a hl ber 3umauberuugc.n (Nr. 2). die Zunahme
bis 1890, ber Stißftanb unb Niicfgang bis 1894, baS ftarfe Nit*
i madjfen 1895 unb toieber 1896 fd)licbeti fid) burd) aus ben Sd)toatt*
| fuitgen beS s Birtbfd)aftSlcbeitS att. die gleiche Kuroe h fl l b e r in
I ©erlitt gleichfalls burd) ben Staub beS ©MrtbfdjaftSlebenS ftarf
; beeinflußte Srembenocrfehr (Nr. 3), nur bah beffett gtoeite 3 ll =
j nähme fd)on 1894 eittfebt. die Zunahme pro 1896 ift in 0mlgc
ber NnSftcfluug anormal.
I NlS (Ergcbttih fehett mir, bah bie fogtal unb mirthfd)aftlid)
I mid)tigett Znbß’nreiben über bie (Ehefchlichungen, bie Zngüge unb
I bett örembenoerfehr, ben Umfang ber ©authätigfeit, bie Spar*
| faffeueinlagcn ttttb über ben Natffcnfonfuut oon ©ier int Mangen
, unter fid) unb mit bem fonft fonftatirten iubuftrielleu ttttb mirtl)*
i fd)aftlid)eit i?ebcn bic gleichen ttttb faft gettau gleid)geitig roed)feln*
ben (EntmicfelnngStenbengett oerfolgen, derartige 3 ll hlettreil)en
1 föitnctt bemttad) mit (Erfolg für aÜgemeiue toirthfd)af11icf)e dar*
ftefluitgen gu .v>iilfe genommen toerbeu. Nber and) bie 3al)lcn beS
Mol)leuoerbrandjS, beS 'Jvleifd)* ttttb Kaffee* :c. KonfttmS geigett,
i toenn and) Nbmeid)itngen, fo bod) gemigettbe ©ceinfluffttttg burch
| bas ©3irtl)fd)aftsleben, um — nid)t gitr Memiumtng, aber gttr ©er*
, ftärfuttg ttttb ©eftätignng mirtl)fd)aftlidier Sd)Iiiffe oermanbt gtt
; merbett. ZnSbefonbere bie Zahlen für Tvleifd) bürften fid) oielleid)t
, enger attpafien, falls bie ftatlftifd)eu Unterlagen für ihre ©cred)*
ttttng (Sdiäpungett) genauer mären.
Dffettbad) a/Ni. K. dt)ieh.
i Nochmals bic Kinbcrarbcit in (Ettglanb. (Ein nod) beutlidjcrcs
©ilb als bie jüugften (Ermittelungen bes äonboner Schulamtes (oergl.
1 „Sogiale praris" Sp. 564 ber oorigett Nummer) bietet eine eben er*
5S9
©oglale $ra£tä. ©entralblatt für ©ogialpolitif. 9tr. 22.
590
fd)ienene Beröffentlichung bes ^anbelSamteS über ^inberarbeit in
©uglanb unb SBaleS. ®crSöerid5t enthält bie 9? achroeifung über fämmt*
Itd^e bic ©lenientarfaulen befuchenben $inber, bie au&er ber ©d)ule
Sohnarbeit nerricfjten unb roeiter eine Snfammenftellurtg ber Be*
fchäftigungSarten, benen bie ftittber bei Berlaffen ber ©d)ule nach*
gehen. Oer Beriet, ber auf einer freimilligen Slufnaljme ber
Schulleiter int Sahrc 1894 beruht, umfafjt 2 568 176 Srinber ober
61 o/o aller im Berichtsjahre fdjulpflid)tigen $inber; ^ieroon oer*
liefen 1894 432 307 Äinber (227 041 Knaben unb 205 266 SRäb»
<hen) bie oberen klaffen ber BolfSfchulen. Oie Bachmeifung untere
fdjeibet gmifchen Bonbon, ben größeren ©täbten unb bem flauen
Sanbe mit ben fleineren Orten. OaS ©rgebnib fteHt fid) in biefen
©ruppen fehr oerfchieben. Sn Soitbon mären es nicht mehr als
6 % ber ©djulfitaben unb in ben Beiben anberen ©nippen gar
nur 4 o/ 0/ bie als außerhalb ber ©cf)ule unbefcf)äftigt auSgenriefen
merben! Oie Slrt ber Befd)äftigung fchroanft ftarf in ben einzelnen
©ruppen. 2öaS bie Befcf)äftigung ber Sfinber beim SSerlaffen ber
®d)ule anlangt, fo mürben in Sonbon 62 o/o, in ben ©täbten
47 % unb aut bem Sanbe 28 % Sabengehülfen, Saufburfcfjen ober
©cfjreiber. 3 ur lanbmirthfchaf fliehen Arbeit gingen über 26 %,
gum Bergbau 9 % in ben ©täbten unb auf oem Sanbe; gur
Oertilinbuftrie 13 % in ben ©täbten unb 8 °jo auf bem Sanbe.
Bon ben bie ©d)ule oerlaffenben 93täb<hen blieben über 40 o/ 0 ju
#aufe; auf .£>auSgefiitbebienft, ber oon ben Knaben bloft 1 % tu
Slttfpruch nahm, entfielen in Sonbon 26 %, in ben ©täbten 16 o/ 0
unb auf bem flachen Sanbe 30 % ber bie ©d)ule oerlaffenben
3Räbd)en; ber SRefi berfelben entfiel auf bie ^eytilinbuftrie unb baS
$?onfeftionSgemerbe.
H4tfhmbentag für bie ftofflenberglente in Slmertfa* Oen
Slchtftunbentag hat ber $ohlengräber*Berbanb ber bereinigten
©taaten oon Sltnerifa jefct enblid) burdjgefefct. Oie Bergleute in
ben 3Beid)foblen*9tegionen, für rneld^e biefe Slbmachung gilt, gählen
roohl an 250 000 &öpfe. ©in fo großer 3nwachs gu ben Sicf)t*
ftunben»Slrbeitero ift bis jefct nod) nicht bagemefen — felbft bamalS
nid^t, als bie BunbeSregierung ben Slchtftunbentag für ihre Sin»
geteilten einführte. Oie Bergleute felbft tragen bie Soften biefer
Reform. Denn bie Söhne mürben oorläufig nicht erhöht; menn bie
Slrbeiter nicht im ©tanbe ftnb, in acht ©tunben Slfforbarbeit fo
oiel gu oerbienen, mie bisher in neun ober gehn ©tunben, fo
muffen fie ben Berluft felbft tragen, ©ie glauben aber, burd)
intenfioe Slrbeit bie Berfürgung ber SlrbeüSgeit eiugubringen.
9tao*2)orfer Sir beit ö [tat iftif. Oer SaljreSbericht beS Slrbeits*
amteS für ben ©taat $em»S)orf befd)äftigt fid; oormiegenb mit ber
Srage, ob bie ©inmanbenutg auf bie SlrbeitSoerhältniffe ungünftig
einmirfe. ©S mirb in bem Berichte nachgeroiefeu, bafj im $afen
oon $em*?)orf feit ©röffnung oon ©aftle ©arben im Sah** 1856
bis Snni 1898 10 038 717 ©inroanberer lanbeten, oon roelchen
3 958 607 (39,4 °/o) fich im ©taate ^ero*?jor! nieberlaffen rooUten.
Sluf bie birefte Slnfrage, ob bie Ginmanberung eine nachteilige
5?onfurreng im Slrbeitsmarfte oerurfacht habe, ift bem Mommiffär
oon 1039 Organifationen Slntmort gngegangen, unb graar berichten
707 Vereine mit einer 9)iitgliebergal)l oon 105 889, bah bie ©in»
roanberung ihnen feine 9?ad)tl)eile gebracht hat. $ie anberen
265 Organifationen (25,5%) mit 70 000 SJtitgliebern jebodf) er»
Härten, bah fie burth bie ©inmanberung ©chaben erlitten. Oie
Sfonfurreng ber ©inmanberer machte fid) in 85 ©emerben unb in
jebern allgemeinen SlrbeitSgebiete fühlbar. Oie Berichte oon
154 Organifationen befagen, bah m Öaufe oon fed)S Sahren
17 322 #itglieber burd^ ©inmanberer erfefet mürben. 3n 57 S$er»
einen hat bas SJtehraugebot oon Slrbeitsfräften in 3kdge ber ©in»
manberitng eine SWebuftion ber Slrbeits^eit unb niebrigere Söhne
herbeigeführt. $)ie ©efehtoerben, bah tl)eils SJZitglieber oon Sir»
beiterorganifationen in ihren ©teilen burd) ©inmanberer erfefjt, ober
bie Söhne burch folgen üJtitbemerb gefürjt mürben, fomnten groben
£heüS aus Saugetoerfen, ©d)neiber», ©djufter», ©d)micb», ©ifen»
gieher», 9Kafd)iniften unb bergleid)en Organifationen. Sltn fd)merften
merben, bem ^Bericht sufolge, bie amerifanifchen SlrbeitSoert)ältniffe
burd) bie 3ßaffeneinroattberung oon italienifd)en Slrbeitern ge»
fchäbigt, unb merben bie ©efefcgcber in Sllbani) auf bie Shatfad)e
hingemiefen, bah ^ en Slrbeiten an ben ©taatsfanälen — mofiir
im lebten Qah re 0 000 000 $ oerauSgabt morbert finb — haupt»
fächlid) italienifdje Slrbeiter befd)äftigt morben finb. Sluf Ö)runb
forgfältiger Grmittelung, meldje ber ©tatiftifer angeftellt hat, theilt
er mit, bah nur 1000 aus einer Sln^ahl oon über 15 000 Slrbeitern,
bie oon ^ejember 1897 bis s Diai 1898 an ben Kanälen befchäftigt
mürben, amerifanifche ^Bürger maren. S)ic anberen Slrbeiter toaren
SluSlänber, unb ber Nationalität itad): 13 500 Qtaliener, 350 $ ölen
unb 150 Ungarn. Oer höcbftc Oagelo'hn biefer Slrbeiter mar 2 S, l
ber niebrigfte 1,20 S. Unter ben mährenb berfelben 3 c il ® c *
gember 1897 bis 9Kai 1898 Slngeftellten befanben fich SRaurer
mit einem Oagelohn oon l,so bis 4 $; nur 300 biefer ^aubmerfer
maren Slmerifaner, bie anberen maren Staliener. — Ote 9Jtaurer»
hanblanger, 701 an ber 3ahJ/ waren faft alle 3taliener. % Oie
organifirte Slrbeiterbemegung im ©taate hat, mie ber Bericht ferner
nachmeift, beträchtlich gugenommen. Sn ber 3«it oom 31. s JKärg
1897 Bis 20. ©eptember 1898 hat fi<h bie SHitgliebergahl ber Sir*
beiterorganifationen um 20 o/ 0 oermehrt. Slm 31. ^ärg 1897
maren 43 634 SÄitglieber oon Slrbeiterorganifationen ohne Sefdhäf*
tigung, boc^ bis 30. ©eptember 1898 oenninberte fich bie 3ah!
biefer Slrbeitslofen auf 22 485. ©ine allgemeine Slbnahme ber
SlrbeitSgeit ift im oerfloffenen Sah^ nicht mahrejenommen morben.
Oie Söhne für männliche Slrbeiter finb im Vergleich gum Sah^ 1897
allgemein geftiegen, mährenb ber SSerbienft ber Slrbeiterinnen eher
eine Slbnahme geigt.
Arbeitslöhne in ber inbtfcheu S3anmmoKinbitftrte. Snt oorigen
Sahre ging man in SBritifcf)»3nbien, um einem allgemeinen SluS*
ftanb oorgubeugen, oom ©pftem ber SWonatslöhne m ben 53aum*
mollfabrifen gn OageSlöhuen unb Stemunerationen („bonus“) für
SKehrleiftungen über, ©in nunmehr oorliegenber 33eridfjl ber Sabrif*
infpeftoreit fonftatirt, bah biefer Söechfel in ber Sohngahlung eine gang
mefentlichc ©teigerung ber Söhne aller Slrbeiterfategorien in ber93aum»
moHiitbuftrie gur Solge gehabt hat. Oie ©teigerung betrug in oielen
Fällen bis gu 100% unb liegt lebiglictj im Oaglohn, nad^bem bem
„bonus“ feine groheS3ebeutung gufommt, benn bie geplante ©infüljrung
einer täglichen 2JUnimal»SlrbeitSleiftung ermieS fich als unburcf)*
führbar. Snx 23erl)ältnih gu europäifchen Söhnen finb bie inbifthen
noch immer fehr niebrig; fie fteHen fi<h gegenwärtig auf 17 bis
30 SRupien im SKonat, mährenb fie früher gar nur 10 bis 15 9tu»
pien betrugen. _
Arbetterbewegtmg}.
3«r S3üdferbetoegttng in Oesffshlanb. Següglich beS Berliner
BäcferauSftanbeS hat es neuerbingS mieber ben Önfthein, als ob
ber ©treit hoch noch gütlich beigelegt mirb. Sn einer oom £>of*
bäcfermeifter ©aebe einberufenen SDJcifter» unb ©efeHenoerfammlung,
an ber auch bie Seiter ber SluSftanbSbemegung unb bie Slltgefeflen
ber beiben Berliner Snpungen „©ermania" unb „©oncorbia" iheil*
nahmen, mürbe befthloffen, nochmals in Berhanblunaen eingutreten,
Oie beiben StltgefeHen erhärten fich bereit, falls ihnen ber Bor*
fchlag ber Slbfcpaffung oon Sogis beim Bteifier unb Beibehaltung
ber halben iloft im §aufe bes SlrbeitgeberS bei einer entfprechen*
ben ©ntfehäbigung für baS SKittagseffcn gemacht mürbe, biefen oor
ben ©efellen gu oertreten. 3nnäd)ft fou ber Berein ber Bäder»
meifter ber Sriebrichftabt unb oom ©übroeft nodhmals an bie BegirfS»
oereinSoorftäube hcrantreten. Oie oon ben SÄeiftem gugeftanbene
Slufhebung beS ^'oft* unb SogiSmefenS für bie oerheiratbeten ©e*
feilen halten bie ©efellen für bebeutungSloS, ba toenig oerheirathete
©efefien im ©ernerbe befchäftigt feien unb bei Stnerrennung einer
folchen Sorberung bie oerheiratbeten ©efellen noch fchwerer Slrbeit
erlangen mürben als bisher. SSie übrigens bem „Borroärts" aus
ben Greifen ber Bädergefellen mügetheilt mirb, foll oon einem
SluSftanb abgefehen meroen, aber baS Bcrhalten ber SKeifter roerbe
bie Slnregung geben, bie Drganifation ber Slrbeiter gu ftärfen, um
gu geeigneter 3^t aufs $eue bie Söünfche geltenb machen gu fönnen.
Sn Seipgig unb 331 ü neben fmb neuerbingS bie Bädergefellen in
Berfammlungen ebenfalls mit ber Sorberung nach Slbfcbatfung oon
$oft unb Sogis beim Bleifter unö ©inführung beS paritätifchen
SlrbeitSnachmeifeS fjeroorgetreten. Sn München mürbe aber aus«
brüdlich betont, man molle nicht burdb einen ©treif, fonbern auf
gütlichem Söege eine Berbefferung ber Sage herbeiführen.
Oer 5. BcrbanbStag ber Bau», <$rb» unb gctoerblidje»
^ülfSarbetter OeutfchlanbS ift in ber oergangenen 38o<be in SJlagbe»
bürg abgehalten morben. 9)tan befaßte fich hanptfächlich mit einer
Slenberung ber Berbanbsftatuten unb ber ©Raffung eines ©treif*
realemeuts, baS in bie SluSftänbe mehr Drbnung bringen unb un*
begonnenen ©treifs möglichft oorbeugen fou. ©S foll ein
obiigatorifd)er ©treiffonbs errichtet merben, gu bem in ben beften
SlrbeitSmonaten 3M bis einfchliefelich Sluguft gefteuert merben mufe.
Bon einer ©rhöhung ber Berbaitbsbeiträge mürbe abgefehen, roeil
man oon einer ©rhöhung ben SluStritt oieler Btitglieber befürchtete.
Oagegen mürbe baS GintrittSgelb oon 25 auf 50 /$ erhöht. Oie
Beifeunterftübung mürbe oon 75 4 au f 1 ^ täglich erhöht.
SlnS ber ©ihneiberbemeguttg in Oentfchlanb, beren mir unlängft
gebacht haben (ogl. „©ogiale Brari^" ^P- ^^0) ift S» ermähnen, ba§
591
«Sojiale Vra£tS. Gentralblatt für (Sojialpolttif. Nr. 22.
692
in Vttindjen eine frieblicfje Vereinbarung 3ioi[d)en Vteifiern unb ©e*
hülfen 3» ©tanbe 31t fommen fd)eint. 'Qn einer fehr ftarf Befugten
Verfainmlung non ©chneibern nnb ©djneiberinnen würbe mit*
geteilt, baß Bereits eine Neijhe erfter Öirmen fich Bereit erflärt
haben* ben non ber Lohnfommiffion entworfenen Darif für ©tiicf*
arBeit nnb BSochenlohn (Bei ^eBnftnnbiger ArbeitS3eit) atigunehmen.
Der Darif ift in brei Staffen eingeiheilt; bie grage, welche @e*
fcf)äfte nad) ben Betreffcnbcn Xarifflaffen 3U gahlcn haben, ift burch
ein Verseichniß entfchieben, baS bie Befannteften Vtünd)ener SDia^
gefdjäfte, in brei Darifflaffen eingetfjeilt, aufführt. Die Tarife
erfter nnb 3weiter Stlaffe inooloiren feine @rf)öfjung gegenüber ben
Bisher fchon ge3ahlten greifen; ber Darif britter klaffe weift einige
Grhöhungen auf. 3 tn llebrigen, fo erflärte ber Referent, fei baS
$aupt3iel ber Lohnbewegung eine Verfügung ber ArbeitS3eit;
einen ©treif wolle ntan niefit, fonbern frieblidje Verftänbigung.
Auch bie ^orberung ber BetriebSwerfftätten tniiffe aufrecht erhalten
werben. 3 n ber DiSfuffion erflärte ber SnnungStneifter ©chmibbauer
bie gorberungen ber ©el)iilfen für mafetwll, wenn aud) einige
Dariffäpe nod) h er abgefept werben niüffen. Die ©efjülfen follen
ber ©ef)ülfen* wie ber Vteifterfommiffion Vertrauen entgegen*
Bringen, er glaube, bafj ein 33 eg ber gegenfeüigen Verftänbigung
gefunben werbe. Auf eine Anfrage erflärte er nod), baß er bafür
garantiren fönne, baß weber sur 3eit nod) nach ber Lohnbewegung
oon ber 3 nnung eine fd)war3e Lifte aufgefteüt wirb ober Vtafe*
regelungen oorgenommen werben. — BemerfenSwerth ift, bafj
jiingft ein auSgcfprocf)eneS UnternehmerBIatt, ber „^onfeftionär"
in Berlin, gefd)rieben hat:
„3nr Verhütung oon ©rfjnetbcrftreifS hat ber Vcrbanb ber ©djneiber
unb ©dinciberimicn Dcnt[d)lanbs ein fehr ocrnütiftigeS ©treifrcglemeut
beid) logen, Dcffcn gritnblcgcnbc Seftimmungcn.Bcfagen, bah Bei allen
Differenzen jwitdien Arbeitern unb Unternehmern bie Vctüeiligten unter
Lgrgebnng ber Crtsucrwnltnng eine Verftänbigung fuchen follen.
Leiber fiiib aber bie wenigften ©dpteiber organifirt, fo baß ber Ve=
|d)lnß feine grofje Tragweite hat."
Der AuSftattb ber Ärcfelber ©antmettoeber bauert fort. Die
Vermittelung ber ftäbtifchen fosialen Äommiffion ift Bis jept oer*
geblid) gewefen. feine neue oon ben Arbeitern oorgelegte Lohnlifte
ift oon ben Sabrifanten abgelehnt worben. Die leptereti follen
babei erflärt Baben, fie würben 311 weiteren Verljanblungen nur
bann Bereit fein, wenn bie Vertreter ber Arbeiter bie oon ben
^abrifauten aufgeftellte Lohnlifte oorher im $rin3ip annehmen.
Die Arbeiter weigern fidp bie Arbeit probeweife wieber auf3u*
nehmen, unb biirften and) feftbleiben, falls bie Unterftiipung oon
Außerhalb anhält. Gin fleiner Df)eil ber ©ammetweber foll Bereits
auberer Befchäftigung fid) 3ugewenbct haben ober nach bem Glfafe
auSgemanbert fein. 3 nt gefdjäftlid)en Leben fott fich ber AuSftanb,
ber nun Bereits 12 Be.yo. 5 Vkdjen bauert, fchon recht fühlbar
inad)eu. Die fleinen ©ewerbetrcibeitben follen über mangelnben
Abjap, BefonberS aber über unpünftliche unb fcplechte Ve3ahlung
flagen. GS ftreifen.über 2000 s $erfonen.
Die ftäbtifchen Arbeiter in Berlin unb ber Bfagiftrat. VHt
bem SfoalitionS* unb VetitionSrecht ber Verliner ftäbtifchen Arbeiter
fdjeint es nicht gut BefteHt 3U fein. 2 Sie jüngft in einer zahlreich
bcfudjten Versammlung oon Arbeitern ftäbtifd/er Vetriebe fonftatirt
würbe, finb Gnbe oergangenen QahreS 3wei Arbeiter ber ftäbtifchen
Vkfferwerfe gemafjregelt worben, weil fie einer Arbeiterorganifation
angehörten unb in einer Petition an bie Direftion um Aufbefferung
ihrer Lohnoerhältuiffe gebeten hatten. Die Arbeiter riefen hierauf
baS ©emerbegeridjt als GinigungSamt an, bod) hat ber Via*
giftrat abgelehnt, oor biefer Amtsftelle 3u erfcheinen. Um nun
burd) ben Drucf ber öffentlichen Meinung bie ©iebereinfteltung
ber ©emaftregeltcn unb bie Anerfennung beS ÄoalitionS® unb
s $etitionSred)tS 311 erlangen, würbe bie oben erwähnte Verfammluna
einberufen. 3 » biefer Vcrfammlung würbe auch fonftatirt, baß
ber Verliner Viagiftrat fid) weigere, ?(rbeiteraii<?fd)üffe ein3ufchen,
baf) auf Eingaben ber Arbeiter niemals geantwortet werbe, baß bie
Löhne bei ben Vkfferwerfeu nicht nach bem Dicuftalter, fonbern
nad) ber SEBiflfiir ber unteren Veamten geregelt würben 2c. Ve-
fdjloffen würbe, ben Viagiftrat nochmals 311 erfudjen, eine Unter*
fndjung ber Vtaßregelung einzuleiten unb bie ©iebereinftelliing ber
(^cmagregeltcn 311 oerfügeu. — Gs wäre Pflicht ber Verliner ©tabt*
ocrwaltung, offen oorliegeube Viiggriffe nadjgeorbneter Drgane
gut3itmait)en nnb ben ^rioatunterncljmern in ber Vehanbluug ber
Arbeiter mit gutem Veifpiel oorangugehen.
Der Verein für ^anM«ngS=SommiS Uon 1858 in Hamburg jäljlt 3. St¬
über r.snou ^liigebörigc, barunter über Töou etablirtc unb imterftiipenbe
Viiigliebcr. Die Vereiiivangebörigen ucrtljeilen fid) über eine grofje
2111,3a01 s ^[äpe bey Deittfdien ^ieidje«, be* aiiüerbeutfdjcu Guropa
imb überfcciidjer Räuber. ?lujjcr feiner foftenfreien ©tellenuermittelimg
(jeht etwa 78000 feit Veginn biefer feiner Dhätigfeit) gewährt ber Verein
u. ?t. ben Veitritt 3 U feinen oerfchiebenen SßohlfahrtSfaffen. Die
fionSfaffe (HtlerS», ^aoaliben», SBittwen® unb SBaifenuerforgimg), er*
richtet am 1 . 3 uli issß, ^äblt gegenwärtig etwa 7450 V?itglteber.
Das .taffenoermögen beträgt über 4 800000 M. GS erhalten 97 Ver*
foneu, unb jwar oiermibfiebeiijig 29ittwen unb breiunbjwanjig ^noaliben
Die Venfionen in ben ^ödiftbcträgen. 3uSgefammt 3 al)lt bie Äaffe
augenblidlich an jährlichen ^enfionen bereits über 53 000 JC Die
Traufen* unb Vcgräbnifjfaffe beS Vereins, eingejd)riebenc
^ülfsfaffe mit greisiigigfeit innerhalb bes Deutfd)en 9tcid)es mit oößig
freier ^Irjtwahl für Rechnung bcrÄaffe bei GrwerbSunfähigfcit ( s ?lrbeits*
unfähigfeit), hat 3 . 3t- über 8900 Viitglicber. ©ie zahlte an .Siranfen*
unb Vcgräbnifjgclb feit bem 1. ^ali 1 S!sl ö bis jeht über 1 500 OCX) M.
aus. Dtc Unterftüj)iuigS s Äoimniffion gewährt Gelbunterftüpungcu in
5ßotl)fäÜen, BefonberS wenn biefe burch ©teßenlofigfeit herbeigefitbrt
wirb, ©ie oerausgabt jährlich etwa 50^0 M. Hubcrbem ift ber
Verein no<h eifrig bemüht, feinen 2J?itgltebem Velehrung unb Unter*
Baltung 3 U bieten.
5luS bem engltfchett Baugewerbe. Die Hoffnungen auf eine
friebliche Beilegung beS burch unangemeffeiten gorberungen
ber Lonboner ©hnfarbeiter h cra ufbefchworenen ©treiteS im eng*
lifchen Baugewerbe fleinen fich nicht erfüllen 3U follen. Die
Unternehmer haben jefet ihrerfeits ein Ultimatum geftedt unb brohen
mit einer 2 luSfperrung ber Arbeiter für ben Sali, ba& es nicht an*
genommen werben foüte. Slm 2. Vfär3 werben bie organifirten
©tuefarbeiter barüber abftimmen. Unfer E. A.*£orrefponbent in
Lonbon fchreibt uns hi^u: „Die crftaunliche Dhätigfeit, bie im
Baugewerbe währenb ber lebten 3 ah^ gel;crrfcht hat, erflärt 3um
großen Dheil bie Haltung ber „Nationalen Vereinigung ber ©tuef*
arbeiter" in bem iefcigen ©treite. Der Vro3entfab ber Slrbeitslofen
in ben gefammten Xrabe UnionS beS Baugewerbes, bie Berichte
an baS Arbeitsamt einfehiden, ift nur wenig über 1 %, unb es ift
wohl befannt, bajj feiner oon all ben ftarfen Verbänben ber Bau*
arbeiter in einer fefteren ©tellung als ber ©ewerfoerein ber
©ipfer ift. H ai| PW c hlich beSwegcu madjten bie AuSgleichSoerfuche
fehr geringe gortfehritte, ber ©d)riftenwed)fel 3wifchen Unternehmern
unb Arbeitern ift recht unoerföhnlich in feinem Done. Der Arbeit*
geberoerbanb oerlangt Befeitigung ber „fchwai^en Liften" imb ber
Begrensung ber LehclingSgahf- Darauf haben bie Arbeiter mit
bem Verlangen nad^ einer gemeinfamen Berathung geantwortet
nnb gleichzeitig bie 3 orberungent>er Unternehmer einer Abffimmung
unterstellt. Diefe Gntfd)eibung haben wieberum bie Arbeitgeber für
eine Ausflucht ange[ehcn, um bie Angelegenheit auf bie lange Banf
3u fliehen, unb eine AuSfperrung für ben 6. Vfäq angebroljt.
DaS ift ber augenbiidflid)e ©tanb ber Dinge, unb ber AuSgang
beS ©treiteS ift noch 0an3 unficher. GS ift tief 3U Bebauern, baß
bie Arbeitgeber fich fofort 3U einem fo fcharfen Borgehen ent*
fchloffen haben. Die angemeffeitere ^olitif wäre gewefen, fich S«*
nächft auf bie in Lonbon entftanbene Differen3 3U befd)ränfen,
b. h- S u oerlangen, bafj ber ©ewerfoerein fich mii bem Prinzip,
VSerfführer brauchten nicht Vfitglieber 3U fein, einoerftanben erfläre.
3 m Uebrigert aber hätte mau eine Neoifion ber geltenben Verein*
barung in atter Nuhe oornehmen fönnen."
Der ©ewerfoereitt ber $effelfdjmtebe tu ©iglaub. Der Nütf*
tritt bcS H e n:n V. ^night oon bem faft 30 3 ahre geführten Amte
beS ©eneralfefretärS biefeS mächtigen ©ewerfoereinS ift bereits be*
richtet worben. Vtit Befriebigung, fo wirb uns aus Lonbon ge*
fchrieben, fönnen wir jefet mcloen, bafj ber Verein, für ben er [0
Diel aethan hat, nunmehr einen Bkg gefunben hat, fid) auch fünftig
ben SRath nnb bie Unterftühung biefeS heroorragenben Arbeiter*
führers 311 ficheru. H en: Änight hat beit $often eines beratljenben
©efretärS angenommen, unb fo faitn feine reiche Grfahrung weiter
nufebar gemacht werben: „UnfereS GrachtenS ift biefe neue Stellung
^night’S einsig in ihrer Art, unb cS ift ein großer Vortheil nicht
nur für biefen einen ©ewerfoerein, fonbern auch für baS gan3c
©cwerfoereinSwefen, bafj bie Dienfte biefeS oon Unternehmern unb
Arbeitern gleichcrmeife gef (hätten, einftchtSoollen VtanncS auch
fünftig in Anfpruch genommen werben fönnen", fchreibt unfer
Sforrefponbent.
Organtfatian ber Arbctterinnen in Bubapeft. Die Vubapefier
Arbeiterinnen, welche fidb bisher ber Arbeiterbewegung gan3 fern*
gehalten haben, grünbeten biefer Dage einen ©djutjoerein ungarifcher
Arbeiterinnen, beffen 3 wccf eS fein wirb, bie gemeinfamen 3 ntcr*
effen ber Arbeiterinnen 31t wahren. Der Verein bilbet einen DBeil
bes LanbcS*©d)ubocreinS ber Arbeiter unb hat feine Dhätigfcit be*
reits begonnen. Das Programm beS ArbeiterinncnfchuboereinS
umfaßt folgcnbe fünf fünfte:
1. o'iitnücflung bev fojialen Lebens ber Arbeiterinnen in patrioti*
fdiem (Reifte; 2. Vfeinimgsäufjcvimg in Angelegeiilieit all jener Wcfepc
nnb Verurbnnngen, wcldjc bic ^nicreffcn ber Arbeiterinnen berühren;
693
Soziale Btajrtg. Eentralblatt für ©ogiatpolitü. Br. 22.
594
3. Erörterung ber graueninbuftrien in Brojdjüren unb 3eitungsartt!eln;
4. Sammlung ber auf bie Arbeiterinnen bezüglichen auswärtigen ©e»
fefec; 5. Schub bcr fogialen Sage ber Arbeiterinnen.
©er herein befahl ftd) nid^t mit ^oliti! unb will feine 3ielc
auf gefefclichem BSege unb in patriotifchem ©eifte auf ber Bafig
beg Programms ber nationaIbemofratifcf)en Arbeiterpartei oerwir!*
litten. An ber ©pi^e beg Vereins ftefjen augpiiehlid) grauen,
©er Bereut fjat einen Aufruf an bie Arbeiterinnen erlaffen, ber
audj in ber ^romng, namentlich in ©gegebin, ©ebrecgin unb
©atoralja*Uihelg, lebhaften BMberfjaH gefunben hat.
TUbeitrrfdjutj.
Bcauffidjtigung ber Gruben bitrdj Arbeiterbertreter in ©roh'
britamuen, granfreitb nnb Belgiern
®ie „©ogiale B r °£te" hat in Br. 17 unb 18 eine augführ*
Ipe Darlegung ber Einrichtungen mitgetheilt, bie gur ©ruben*
aufficht burch Arbeiteroertreter in ©rofebritannien, granfreicf) unb
Belgien getroffen worben finb. Eg gefd^a^ bie Beröffentlpnng
biefer Auffäfce aug ber gebet beg Herrn ©taatgminifterg grei^errn
r. Berlepfd) im §inbli<f auf bag Borbaben, auch in Sßreufjen einen
unteren Beoifiongbienft gu organifiren. gefet wirb oon ©eite beg
preufeifcben BtinifteriumS für fmnbet unb ©eroerbe ber amtliche
Bericht oeröffentlicht, ben bie feiner 3*it gum ©tubium ber be*
treffenben gnftitutionen entfanbte ftaatlicbe tommiffton erstattet
bat. ©a bie äRittheilunaen btefeg Beridjteg eine werthoolle Er*
gängung ber an biefer ©teile bereite mitgetbeilten Abführungen
bilben, fo geben mir bem bie ©rgebniffe ber ©tubienreife gu*
fammenfaffenben „Büdblicf" b^r Baum, Eg h e i&t ba, roie folgt:
„2öie ficb aug Borftebenbem ergiebt, ftnb mit ber Einrichtung
ber Auffptebelegirten im Allgemeinen in ©nglanb günftige, in
granfreicb bagegen wenig günftige Erfahrungen gemacht
roorben. 3^ar ift bie Einrichtung in ©nglanb*) nur auf einem
£beil ber ©ruben gur Einführung gelangt unb auf manchen mieber
aufgegeben worben, weil beren Arbeiter bag gntereffe an ihr oer*
Ioren bitten. Auch wirb oon ihr auf ben ©ruben, wo fie noch
bejtebt, meift nicht in bem ooHen, gefeblidf) guläffigen Umfang ©e*
brauch gemacht, ©ie wirft jeboch hier gu all fettiger 3 Us
f rieben beit. Bamentlid) ift bieg auf ben ejplofionggefäbrlichen
©ruben in üRonmouthfhire unb ©übwaleg ber gatt. ©ie Arbeiter
feben in ihr bie Erfüllung einer wichtigen gorberung. gür fie ift
eg eine Beruhigung, gu wiffen, bah bte ©ruben oon ßeuten, bie
ihr Bertraiten befifcen, auf ihren ©icberbeitgguftanb unterfucht
werben, unb bah über etwa oorbanbene ober befürchtete ©efahren
bem ftaatlichen Bergwerfginfpeftor Angeige erftattet werben mufj.
©ie Bergwerfgbefther unb beren Bertreter erfennen biefe gorberung
ber Arbeiter alg gerechtfertigt an. ©ie erblicfen in ber Einrichtung
ein Biittel, burch weicheg etwaige ©erüchte über oorbanbene ©er¬
fahren am beften gerftreut werben fönnen. SSenn fie ft<b auch
angeblich burch Unterfuchungen ber ®elegirten in ihrer Ber*
antwortlichfeit nicht entlaftet fühlen, fo ift eg für fie hoch bei
größeren Unglücfgfallen eine gewiffe Befriedigung, wenn fie ficb
barauf berufen fönnen, bah nach bem legten Befunb ber Auffichte*
belegirten eine nachweisliche ©efabr oor bem Unfall nicht befianben
bat. Obwohl burch bie Befahrungen ber ©elegirten manchmal
unmittelbare ©efahren oerbütet werben, fo wirb hoch ber haupt*
fächlichfte praftipe Bugen ber Einrichtung oon ben Arbeitgebern
unb, wie eg fcheint, auch oon ben meiften Arbeitern barin gefeben,
bah ihr Befteben für bie unteren ©rubenbeamten einen Anfporn
bilbet, bie ©rube in gutem 3aftanb gu erhalten. ©ie Augwabl
ber belegirten giebt ben Bergwerfgleitern feinen Aniah gur 5riage.
®iefe erfennen an, bah bie belegirten im Allgemeinen wabrbeitg*
*) gn ©rohbritannien fönnen — nach bem HommiffionSbericht —
bie in einem Bergwerfe befchäftigtcn Berfonen oon 3*it gu 3 e it gwei
aus ihrer Brittc ober gwei nicht als BergwerfSingenicitre thätige ?j$er*
fönen, welche aftioe Bergleute finb, beftellen, um bag Bergwerf auf ihre
eigenen .Höften gu befiebtigen, unb ben fo befteHteu ^erfonen foU eg ge*
ftattet fein, wenigfteng einmal in jebem 2Ronat jeben 2beil beg Berg*
werfg gu befahren unb gu befichtigen. ©ie füllen fobatm einen wahr*
heitggetreucn Bericht über bag Ergebnis ber Beftchtigung erftatten.
SSenn ber Bericht eine oorbanbene ©efabr ober bie Beforgnif 3 einer
foldjen fefiftcUt, fo foH ber Eigenthitmcr, ber Bepräfentant ober Betriebs*
fübrer eine getreue Abfdjrift beg Berichtes an ben gnfpeftor beg Begirfeg
einfenben. Augfübrunggoorfchriften gu biefer Befttmmung, insbejonbere
über bie Bcgclnng beg ü&abloerfahreuS ober über bie Hofteneiugiefjung,
finb nirfjt ergangen. Xic Ausführung ift fomit ben Arbeitern felbft
iibcrlaffen unb oon biefen überall in Anlehnung au ihre ohnehin bc*
ftehenbe freiwillige Drganifation gefcheben.
getreue Berichte liefern unb feiten übertreiben, wenn fie auch 3 U *
weilen gu oxel $Ieinigfeiten bemängelten. ^Reibungen über oor*
gefunbene ©efahren, wegen beren eine Beftrafung eineg Arbeiterg
erfolgen fönnte, fcheinen nicht oorgufommen. S)o<h finben bie
Bergwertebefther an biefer Xhatfache nichts auSgufefcen, ba fie unb
bie Arbeiter bie Hauptaufgabe ber belegirten barin erblicfen, ben
©icherbeiteguftanb ber ©rube begüglich beg Auftreteng oon ©cfjlag*
wettern, beg 3 u ^ an ^ e ^ & er Söetterftrecfen, BBettertbüren u. f. w.,
alfo begüglich fold^cr fünfte, auf welche bie Arbeiter feine ober
nur geringe ©inwirfung haben, gu prüfen. Auch bie ftaatlichen
Bergwerfgtnfpeftoren halten bie Einrichtung für wertbooll; gwar
weniger begbalb, weil burch fie unmittelbare ©efahren oer|ütet
würben, alg weil fie bie ©rubenbeamten anfporne, bie ©rube in
Drbnung gu halten. Bßie weit bie Einrichtung mittelbar unb un*
mittelbar günftig auf bie UnfaUftatiftif eingewirft hat, Iäfjt ftch
auch annähernb fchäfeen. ©ie töbtlichen Berunalücfungen
unter ©age beim Bergbau ©ro&britannieng unb SAanog haben
betragen auf 1000 unterirbifch befchäftigte $erfonen im ©urd)*
fchnitt: 1865—1870 3 , 995 , 1871 — 1875 2, 736 , 1891—1895 1, 704 .
©ie haben alfo feit 1872, b. h- feit bem Beftehen ber Einrichtung,
bebeutenb abgenommen. Beben ber Berfcfjärfung ber Betriebg*
oorfchriften unb ben freiwillig oon ben Bergwerfgbefifcern ge*
troffenen Berbefferungeit an ben BetriebgeinriAtungen wirb ein
gewiffer Antheil an biefer Berminberung ber Unfälle auch ber Ein*
richtung ber Aufft<htSbelegirten gugufchreiben fein.
,,3n Sranfreich*) hat bag ©elegirtengefefc bie SBünfche ber
Arbeiter nicht ooÜfommen gu beliebigen oermocht. B3ie aug beit
Augfagen ber ©elegirten h^roorgeht, bie im Sahre 1895 oon ben
gur Unterfuchung ber Arbeite* unb ©icherheiteoerhältniffe in ben
©ruben oon ber ©eputirtenfammer eingefefcten ^ommiffioit über
bie Söirffamfeit beg ©efefeeg 00 m 8. Sali 1890 oernommen würben,
waren bamalg bie ©elegirten mit bem ©efefc hauptfäd)tich beghalb
nicht gufrieben, weil eg ben ©elegirten nur geftatte, eine befchränfte
3ahl oon Befahrungen gu madjen, unb weil eg ihnen gu geringe
Befugniffe gewähre. Einerfeite genüge bie gugelaffene 3«hl bei
Befahrungen nicht gu einer wirffamen Beauffichtignng, ba ber 3a*
ftanb ber ©rube gu fchnett wechfele, anbererfeitg reiche bie Ent*
fchäbigung bafür nicht aug, bie ©elegirten oöllig unabhängig oon
brii Bergwerfgbefihern gu machen. Aufjer ben ihnen burep bag
©efefc gewährten Befugniffen oerlanaten fie u. A. bag Bed^t gu
haben, einen BetriebSpunft, ben fie für nicht genügenb bewettert
hielten ober an bem fie fonft bag Borhanbenfein einer ©efahr oer*
mutheten, big gur Anfunft beg ftaatlichen Sagenieurg einguftellen
unb ftch bei Unterfuchung ber ©djlagwetter ber Bieter ßampe be*
bienen gu bürfen. ©ie wünfehten ferner, bah aicht nur oon
eingetretenen töbtlichen unb folgen Berlehangen, bie ftch fagleich
alg fchwer hcraugfteHen, fonbern oon jebem Unfälle in 5?eimtnif5
gefegt würben, burch ben ein Arbeiter genötigt fei, feine Arbeite*
ftette gu oerlaffen, unb bafe ihnen geftattet würbe, in allen biefen
$äHen eine Unterfuchung oorgunehmen. BSie bie ©timmung ber
Arbeiter über bag ©efefc gegenwärtig ift, fonnten wir mit ©per*
heit npt in Erfahrung bringen. Bach ben Btittheilungen prioater
*) Jn granfreicb tft — nach bem HommiffionSbericht — bie Ein*
richtung burch ba§ ©efeh 00 m 3. guü 1890 gefchaffen worben. Bcp
ihm werben burd) bie ©rubenarbeiter 2)elegirte bcftcllt, welche bie unter*
irbifdjen Arbeiten ber Bergwerfc, ©räbereien unb ©teinbrüche gu bem
augfd)UeBlidjen 3mecfe gu befahren haben, bie Borfehrungen für bte
Sicherheit beg bafelbft befd)äftigten BerfonalS unb anbererfeitg bei Un*
fällen bie llmftänbe gu prüfen, unter weldjeit ber Unfall ftattgefunben.
^er ©)clegirtc ift oerpflichtet, gweimal im Btonat fämmtliche ©chädjte,
©treefen unb Arbeitsorte feines AuffptSbegirfeS gu befahren unb bie
Einrichtungen gu befichtigen, welche für ben Bericht* unb bie Beförbcrung
ber Arbeiter bienen. Aufjjerbem muh er uuoergüglidh bie 0rtc befichtigen,
100 ein Unfall fief) ereignet hat, ber ben 2ob ober bie fdjmere Bcrlepung
eines ober mehrerer Arbeiter hetbeigeführt hat ober bte ©idjerbeit ber
Arbeiter gefährben fann. 2;er Betriebsunternehmer muh bem Xclcgirten
fofort oon jebem Unfälle Badjridjt geben, ^er ^elegirte hat feine
Söahrnehntungen bei jeber Befahrung an bem näntltdjen ober fpäteftens
an bent folgenben Jage in ein befonbcreS Budj eiugntragen, wcldjcs
ber Betriebsunternehmer gu liefern hat unb welches ftets auf ber Jages=
anlage bes SSerfeS gur Einficht ber Arbeiter bereit liegen muh. Ter
Jelegirtc barf fid) bei feinen Befahi*ungen nur mit tcdjuifdjen grageu
befaffen, bie für bie Sicherheit ber Arbeiter oon gntereffe finb; er hat
fid) ber Einmifchung in jeber grage ober gorberung, bte bem ^un'rf
feines Amtes fremb ift, gu enthalten. Jie s BahI ber Xelegirtcn imb
ihrer ©tclloertretcr erfolgt für brei gafjre unb ift geheim. Xie burd)
bas ©efep oorgefdjriebeucn Befahrungen finb bem'Xelegirteu aus ber
©taatsfaffe als Arbeitstage gu bcgaljlnt. Xic oon ber ©taatsfaffc oor*
gefdjoffcnen Höften finb oon ben BctricbSiuiternehmcrn wie bereite
Steuern wieber eiugugteheu.
505 ©o^iatc ^?ra;riS. Eentralblatt für ©ogtalpolitif. Ar. 22. 506
mtb ftaatlirfjer Bergbeamten hat baS Qntcrcffc für bic (Einrichtung
bei ben Arbeitern mehr unb mel)r nadjgelaffen. Tie ®elegirten
fclbft uerbalten fiel) meift ruhig. 3unt Theil roirb biefe Erfdjemung
allerbingS barauf gurücfgu führen fein, bah es ben Arbeitgebern
nielfach gelungen ift, bie 2£af)l folcher Telegirten gu oerbinbern,
bie ben Ärbeiterfpnbifaten angeboren. Tie Befürchtungen, bic f. 3*-
oon beit BergroerfSbefibern geäußert nmrben, bah bie Einrichtung
ber Telegirten uermebrten Atüah gu ©treitigfeiten unb AuSftänbeit
geben mürbe, haben fich, roenigfteitS roas bie erfteu 3aljre beS
BeftebenS ber Einrichtung betrifft, als nicht unbegriinbet erroiefett.
Tie in ben erfteu fahren nach Erlab beS ©efefceS gewählten Te*
legirten mären auf uielen (Gruben ^erfoiten, bie ben BergroerfS*
befifeern feinblich gefinnt roaren unb bagu beitrugen, bie Beziehungen
groiftben ben Arbeitern unb ben ©rubenuerroaltungen gu ucr*
fchlechtern. f>eute, nachbent es festeren, mie gefagt, uiclfacb gelungen
ift, ben entfdjeibenben Einfluß ber Arb eiterfpn bi täte auf ben AuS*
fall ber Telegirtenroaf)len gu brechen, unb nachbent jefct in ber
Btefjrgabl Telegirte befteUt finb, bie ben ©rubenuerroaltungen ge*
nel)m finb, haben bie Befürchtungen nadjgelaffen. Ein großer
Ztyil ber Arbeitgeber hat fid) baher gegenwärtig mit beut ©efefc
abgefunben unb fühlt fich burch bie Einrichtung nicht mehr be*
Iäftigt.' Eine praftifebe Bebeutung rnirb biefer aber aud) je^t nur
non wenigen BergmerfSleitern gugeftanben. Tie Bieifteu finb ber
Anfidjt, bah ben Telegirten bie nötigen Borfenntniife gu einer
mirffamen Ausübung ihrer Aufgabe fehlen, unb bah bie ftaatliche
Aufficht burd) bie Bergingenieure unb Slontroleure oölfig genügt,
©ie geben böcbftenS gu, bah bie Einrichtung auf fd)led)t geleiteten
(Gruben oon günftigem Einfluh fein fönne. Ten Bielbungen ber
Telegirten, unter benen mandjutal unuerftanbige Seute fein füllen
unb benen man oorioirft, bah fie niemals folchc Biätigel angeigett,
raelche Arbeitern gur Saft fallen, roirb je^t im Allgemeinen menig
(Vernicht beigelegt. Aud) bie Anficht ber ftaatlidjen Bergbeamten
über ben SBerth ber Einrichtung ift nicht übereinftimmenb. Einige
ueranfchlagen ihren Aujjcn fehr gering unb glauben, er fei nur
auf ben ©ruben oorbaitbett, bie fdjledjt geleitet finb. 3 U einer
loefentlidjen Biitroirfung an ber Beaufficbtigung ber ©ruben fehle
ben Telegirten bie Borbilbung. 3b re Bielbungen enthielten meift
«Stleinigfeiten, feien häufig übertrieben unb gäben feiten Aniah
amtlicher Unterfujhung. Tie Telegirten fdjeiitctt fid), Biätigel, bie
Arbeitern gur Saft gelegt roerben mühten, gur Angeige gu bringen.
Es feien manchmal Seute, bie bitrd) ihr geringes Berftänbuih fclbft
(Gefahren henmrriefen. Anbere ftaatliche Bergbeamte legen bagegeu
ber Einrichtung eine nicht nncrbeblidie Bebeiitung bei. Bi an fönne
gmar oon ben Telegirten feine mahgebenben ©utad)ten über Abbau*
methoben, bie Urfadjen üou ©cblagrocttererplofiouen ober fonftige
fchmierige fragen ermarten, aber für bie llebermachung uon Eingel*
heilen beS Betriebes leifteten fie uüplidje Tienftc. Tie hiergu
nöthige ©achfenntnih mürben fid) bie Telegirten, fomeit fie ihnen
fehle, im Saufe ber 3 e it aneignen fönnen. ®er eigentliche 3wecf
ber Einrichtung, bie Unfälle gu oerminbern, mürbe allerbingS noch
beffer erreicht roerben, roenn bie Telegirteu «£>iilfsorgane ber ftaat*
lidjen Bergingenieure mären uttb nicht unmittelbar oon ben Arbeitern
gemählt mürben, ba b^bei feine geniigenbe ©ernähr gegeben fei,
bah bie SSahl auf einen erfahrenen Arbeiter falle. Bei einer
auberen als ber unmittelbaren B*af)l mürben bie Arbeiter aber
nicht baS nöthige Bertraucn gu ben Telegirten haben, auch roerbe
babei berjenige BSerth ber Einrichtung, meid)er barin beftelje, bah
eS für bie Arbeiter unb bas grofje s ßiiblifnm eine Beruhigung fei,
gu roiffen, bah uad) gröberen 11 itglihfsfallen roirflidjc Bertrctcr ber
Arbeiter ihre Anfidjt über bie Hrfadjeit barlegen fönnten, in 3 rage
gefteUt. AuS ber ©tatifiif ber beim Bergbau Jyranfreid)S in ben
iehteit 20 3afjreit uorgcfomtiicueit töbtlichen Berunglütfiingeit ift
crfidjtlid), bah bie 3 fl bl biefer Unfälle feit 1891, b. b. feit bem
Bcftehcit beS TelegirtengefepeS erheblich abgenommen hat. 3n
welchem B?ahe bie Telegtrtnieinridjtung an biefer Abnahme mit*
gercirft hat, läht fich fdjmer fagen.
„Tie ©rünbe, meShalb mit ber Eiurid)tung ber Täegirten in
A-ranfreid) meuiger giinftige Erfahrungen gemadjt mürben finb
als in Englanb, finb nuferer Anficht uadj gum 2heil auf baS
Telegirtengcfeb fclbft gnrncfgufiihren, bas in eingelnen Beitimmungcn
erheblich oon ber betrcffcubcii englifd)cii Borfdjrift abmeidit. ^ie
übligatorifche Einführung auf allen (Gruben entfprach anfdjeiuenb
nidit beut Bebtirfnih unb mar aud) iufoferu roobl faum gmcif*
lixäfgig, als auf menig gefährlichen ©ruben erflarlidjermeiie bas
3ntereffe ber Arbeiter an ber ©ad)c halb erlahmen muhte unb gu*
gleid) für bie Xelegirten bafelbft bie Bcrfndjnug bcfouberS nahe
lag, in ihren Bielbuiigen Mleinigfeiten gu bemängeln über fid) um
auherhalb ihrer Aufgabe liegeitbe Tinge gu flimmern, um ihre
Thätigfett nicht als nufelos crfcheineit gu Iaffen. Tie Beftimmung,
bah auch ehemalige Arbeiter gemählt roerben biirfen, begünftigte
bte Beftellnng üou Telegirten, bie ben Arbeitgebern feinblich gefinnt
mären unb beShalb ihr Amt nicht immer rein fachlich ausübten.
Tiefe Beftimmungen, fomie bie Uebertragung ber Soften auf bie
Bergmerfsbefifeer muhten biefe uon uoruherein ber Einrichtung ab*
geneigter machen, als eS bei Einführung einer bem eitglifdjen Bor*
hübe entfprecheitbeu Beftimmung nermutblid) ber öaÜ gemefen
märe. 3um aber aud), unb Dielleicht fogar überroiegeitb,
bürfte ber (>)ruitb für baS ungleichartige Ergebnis in beiben
Säubern iit auberen ilmftäuben, nämlich in ber Berfchiebenartigfeit
ber Aufficht unb Seitung ber ©ruben, fomie ber Berfdjiebeuartigfeit
ber Arbeiteroerhältniffc liegen. . . . llngmeifell)aft ift bic ftaatliche
Aufficbt in ©rohbritaunieit bei Söeitem fd)mächer als in Sraufreich-
Slber aud) in Begug auf bie Seitung ber ©ruben ift nach unferen
Beobachtungen ein mefentlicher Unterfdjieb titfofern oorhanben, als
bie 3al)l ber miffcnfdjaftlid) gebilbeten ©rubeningenieure, auf bie*
felbe Einheit uon Arbeitern begogeu, in A-ranfreid) gröber ift als
in Englanb. ... 3a A-ranfreid) empfinbeit bie Befijjcr unb Seiler
ber ©ruben bei ber ausgebehnteren ftaatlichen Auffidjt unb ber in*
tetifiueu ©elbitübermachung, guntal auf menig gefährlichen Betrieben,
ein Bebürfnih nach Entlastung in ihrer Bcrantmortuug nicht. Aaft
auf allen ©ruben in Englaub haben fid) bie Arbeiter in ber s Beife
organifirt, bah jebe Belegfdjaft ihren ftänbigen AuSfchuh hat.
llntereiitanber haben fie fid) meift gu ©raffchaftSuerbäubeit gu*
fammcngcfdjloffeu. Tie 3ntereffeu ber eingelnen unb ber gefammten
Arbeiter, fomeit eS fid) um Sohn* ober fonftige ArbeitSangelegen*
heilen hanbelt, merbeu in erfter Sinie uon bem AuSfdjuh ber be*
treffenbeu ©rube, in gmeiter uon bem EiraffchaftSuerbanbe roahr*
genommen, bie beibe oon ben Arbeitgebern als berechtigte Bertreter
anerfannt merbeu. 3n Sranfreid) fmb bie Arbeiterorganifationen
folcher Art nicht oorhanben.
„Heber bte Einrid)tung in Belgien*) liegen bei bereit Neuheit
noch feine Erfahrungen uor. 3» Belgien finb bie Berhältniffe für
eine Btitmirfung oott Arbeiteruertretern an ber Beanffichtiguug ber
©ruben infofern günftiger als in 3ratifreidj, als bort bic (Gruben
im Allgemeinen gefährlicher finb unb bie ^ er ftaatlichen
Auffichtsbeamten geringer ift als in ßraufreich. Cb bte belgifd)e
Eiurid)tuug aber beit an fie gefm'ipftcn Ermartungeit uoll ent*
fpred)ett roirb, erfdjeint uns fraglich. Bcrgleid^t man biefe Ein*
rid)tung mit ber fraugöfifchen, fo ift gugugebett, bah belgifche
in geroiffer Begiebung iuefentlid)e Borgiige uor biefer befi^t. Ta*
burch, bah bie Telegirteu nicht unmittelbar oon ben Arbeitern ge*
mählt, fonbern uom Biiitifter ernannt merbeu, uitb gmar an» einer
3ahl üdu Ifanbibaten, bie uon einer je gur .v>älfte oon Arbeitgebern
unb Arbeitern befteljcnben Äörperfdjaft oorgefchlagen merbeu unb
bie eine lange praftifchc Erfahrung nub gemiffe theorctifche Slennt*
niffe aufgnmeifett haben, ift eine gröbere ©ernähr bafür gegeben,
bah £ eute beftcllt roerben, bie bie meifte ©ad)feuutnih befijjcn unb
bie fid) auherhalb ihrer Aufgabe liegeitbcn Bcftrebungen fernhalten.
Tie Beftelluitg biefer Telegirteu als ftänbige «fülfSorgane ber
ftaatlichen Bergingenieure, beren Attmcifungen fie Öolge gu leiften
haben unb uon benen fie über bie Erfüllung ihrer Aufgabe unter*
roiefen roerben, ift geeignet, bie BMrffamfeit ber Eiitridjtnng in Be*
gug auf bie Bcrminberung ber Unfälle gu erhöhen. §>iergu uertnag
roeiter ber llmftanb beigutragen, bah beit Telegirten neben ber geft*
ftellung uon Biängeln, bie fie bei ihren Befahrungen oorfinbeit,
unb ihrer üJiitmirfung bei llufallunterfud)utigeu auch Aufgabe
gugemiefett ift, 3amiberl)anblungcn gegen bic berggcfeJjUdhen unb
■ ) 3n Belgien ift bac> C'tcfep uom 11. April 1*07, betreffeub bic
Einfctmug uou Telegirten gur Bemtfuditigiiug ber Bergiuerfe, meld)es
jcdis Sonate uad) feiner Beröffeutlidmng in Mratt getreten ift, maj>
gebeub. Ev beiiimmt uad) bem .MoiumifiioiK'beridn, — bafj alle bret
X x \al)re biejenigeu Abtbeilungen ber ^nbuftrie* nub Irbeitörätbe, meldje
bte 3teinfobleuiubu[trie nertreteu, beut Siuifter für onbuftric unb
Arbeit Manbibaten uorguidilagen haben gur Aufteilung als Tele*
girte für bie Beauffiditiguug ber unterirbifdjeu Betriebe auf
ben ©teinfoblenbergiuerfeu. Xie Angabi, ('U'öfve unb Begrengung ber
Auffidirsbegirfe ber Telegirteu merbeu alle brei ^abre burd) ben Meinig
feftgefebt. Es follen iiiiubefteÜS 7t;» unb bödtftens 15 Auffidjtsbcgirfe
befteben. AÜr jebe ©teile eines Telegirteu finb meuigfteus gmei Atau*
bibaten uorgufddageu. ©ic .Uaubibateu niüffeu u. A. utiubeftens
io 'sabre als Bergarbeiter ober Auffeber in bem betrerfenbeu ober in
einem augrengeubeu Be gilt tlüitig gemefen feilt. Xic Ernennung bes
Telegirteu erfolgt burd) ben Sin ift er auf brei ^abre. 'veber Teiegirte
bat bie uuterirbifdieu Betriebe feines Auffiditsbegirles iitinbefteus 18 mal
im Senat gu befahlen unb Bmdit gu erftatten, ber ben Arbeitern gu*
gäitglidi ift. ©ie Telegirteu erhallen aus Staatsmitteln eine jabrlidic
Emiibabigiing oon l v on v\r. unb Mleifefofieu.
(Soziale grafte. Gentralblatt für ©ojtalpolittf. Rr. 22.
598
597
Bergpol^eiH^cn Vorfchrifteit 3 ur A^eige 31 t Bringen. 3hve An«
fteÜung mit einem feften auSfömtnltdjcit 3af)reSgehaIt fiebert ihnen
eine größere Unabhängigfett non ben Arbeitgebern, als fie bie
franjöfiftbeit Tclegirten "befifcen. AitbererfätS aber merbeit bie nad)
bem belgifdjen Gcfep beftcDteit Telegirtcn fautn in bent Dtafte baS
Vertrauen ber Arbeiter genießen, mie eS non biefen frei gewählte
Vertreter befipen, jumal fie währenb ihrer Amtstpätigfeit ganj aus
bem Arbeiterftanbe auStreteu unb fo 3 U fageit Veanite merbeit. T)ic
Arbeiter merben iit fyolgc beffeit oieiletcbt 3 urii<fhalteitber in
etroaigen Hn^eigen über 3 unnberhanblungen ber Beamten gegen
bergpoti^eilicije SSorfe^rifteit, ober über oorbanbeitc ober befürchtete
Gefahren fein. 0b bie belgifdjen T)elegiriett ihre Aufgabe ftets
nach jeher Dichtung hin unparteilich, ftreng unb gemiffenhaft er*
füllen merben, bleibt afyumartcu. Os liegt in ber Ratur ber
©adje, bah bei ihnen bie Neigung jur Grubenarbeit mehr unb
mehr abnehmen mirb. Tie Vermiithung bürfte baher nidjt gan$
unbegrünbet fein, bah einzelne Tclegirte roährenb ihrer AmtSthätig«
feit alles ju ncrmeibeit fliehen merbeit, maS il;re SSteberroafjl oer«
eüeln föunte, unb 311 bem 3 wert über manche llebertretungen
gefeplid)er ober bcrgpolijeilidjer Vorfdjrifteit feitenS ber Arbeiter
ober feitenS ber Beamten hiitroegfehcn merben, fomeit bieS, ohne
in ben SScrbacfjt einer pfluhtnernadjläffigung 31 t geratljen, möglidj
ift. Auch ber Gebattfe, bah fie fid) bei ftrenger Erfüllung ihres
Amts Bei ihren Hanteraben, mit benen fie möglichermeife bemnöchft
mieber 3 iifammen arbeiten tnüffen, unbeliebt ober gar oerhapt i
machen fönnten unb bie Veforgnih, bah für fie ttadj Ablauf 1
ihrer AmtSthätigfeit unter llmftänben fchmierig merben fönnte,
mieber Arbeit 3 U finben, mag oiellcid)t auf ben Pflichteifer enteilter
Telegirten nidjt ohne Ginfluh bleiben."
TieS bie Grgebttiffe, 3 U benen bie Hontmiffion gelangt ift.
Vemerft fei noch, bah bie Hotnmiffiott oom 18. bis 22 . April in ;
Belgien, oott ba bis 3 um 6 . DJai in Sranfreid) unb fobann bis l
jum 18. Dtoi in Ottglanb fid) anfhielt. Auper ben Hauptftäbten,
tn benen bei ben Gcittralbehörben nähere Grfunbigungeii über bie
beftehettbc Ginrichtung uub über bie bisher im Allgemeinen mit
ihr gemachten Grfahruttgen einge 3 ogen mürbe, bcfucfjte fie bie
michhgften Vergbaube 3 irfe, unb 3 mar in Belgien DiottS unb Lüttich,
in Tvranfreid) Rorb, paS be GalaiS unb 8 t. Gticitne unb in Gttg«
lanb ben ©üb*V$eft=Ve 3 irf ( s JÜioninouthfhire), ©üb*VktleS, Rero*
caftle (Rorthutnberlanb), Turbant unb gjorffhire. ©ie begnügte
fid) nidjt bamit, bie Anficht ber Vergbeljörbeit über ben Gegeitftanb
3 U hören, fonbern fudjte and) fo oiel mie möglich bie ber 33er g«
merfsbefiper ober ihrer Vertreter unb bie ber Arbeiter in Grfahrnng
3 u bringen. (Vercjl. aud) Sp. 581 biefer Rümmer.)
Ärbeltenjerfidjcrung. SporkalJen.
Ablehnung beS GntumrfS ber Snualtben-SetfWjernng bnrdj bie
Großinbuftric beS föeffeiti* Tie in 6 p. 507 ber ,,© 03 ialen Praxis"
bereits ntitgefheilten AuSfcfjupanträge, bie im s Bcfentlid)en bie
Vorfdjläge ber Rooelle, namentlich bie RcntenftcHeu unb bk attber«
meite Verkeilung ber Rentenlaft ablehnen, fiitb am 20 . Februar
in einer 311 Tiiffelborf abgehalteueii geuteiitfamen ©ipung beS
33ereinS 3 ur Nahrung ber roirtpfdjaftlichen Suter eff eit in Rheittlanb
unb SBeftfalcn, ber norbmeftlidjen Gruppe beS Vereins beutfdjer
Gifen« unb ©tahtinbuftricfler, beS Vereins für bie bergbaulichen
Sutereffen im 0 berbergamtsbe 3 irf Tortmititb, beS Vereins ber
Snbuftriellen beS RegierungSbesirfeS Höht, forcic^ beS Verg« uub
fnittentnännifchcn Vereins 311 6 iegen mit Ginftimmigfcit ab«
gelehnt morbett.
©tatiftif ber non ben Verfidjernngsanftalten übernomntenen
Heilbcbanblnng. Als Vorbereitung fiir ben Xuberfulofefoitgrep
bringen bie „Amtlichen Radjriditcu beS Reid)S=VerfidjeruugsatntS"
3um erften Dfalc eine 8tatiftif ber Hetlbebanblttng, mie fie oott
ben VerfidjerungSanftalten unb 3 iigelaffcnen Ha|feneinrid)timgcu
gemäh S- 1- beS ^noalibitäts« unb Altcr*oer|iri)eningsgefepes über«
nomutett morben ift. Tiefe ^urädjft für baSSahi' ls 97 bearbeitete
©tatiftif beljaitbelt auf 19 boppelfeitigcu Tabellen mit erläuternben
„Vorbemerfitngcit" neben bem Umfang ber Meilbehanblung and)
bie erhielten Grfolgc, unb es ift eine .Aortfübrung ber Arbeiten
in ber Vieifc beabfidjtigt, bah bie in jebent Malenberjahre erhielten
Teilerfolge mäbreitb fünf aufeinanber folgenber Sabre teiufdjhefV
Iidj beS VehaitblungSjahreS) in Ve^itg auf ihre Tauer einer forg*
faltigen Aadjprtifung unterzogen merben. Vientt bie Tabellen er¬
leben (affen, bah im Sabre 1897 für 10 48-^ perfonett, morunter
3508 toegen öiingcittuberfulofe unb 5573 megett anberer Reiben
ftänbig Veljanbelte, iuSgcfammt nahezu 2 OOÖ 000 , l(. oott ben
Selbftoermaltungsförpern beS SnoalibitätS« unb AlterSoerficherungS-
gefefeeS aufgemenbet morben hnb, fo ift baS Ttcherlich ein für bie
Volfsmohlfabrt beachtenSmcrtheS uub erfreuliches Grgebnih- Aller«
bingS mirb mit Aecht ber Diangel an einljeitlidjeit Grunbfä(jett bei
ben" einzelnen VerficherungSanftalten in 33 e 3 ug auf Art unb lim«
fang ber Teilbebanbluug beflagt. Vielleicht bietet fid) bei Ve*
ratljung beS bem Reichstage 3 ur 3eit oorliegenbett neuen GntmurfS
eines SnoalibenoerficherungSgefehcS eine günftige Gelegenheit, ben
offenbar oorhanbenen Diangel burch eine anbermeite Raffung ber
gefeblichen Veftitnmuitgen 31 t befeiligen.
Aetjtewuhl beit $raitfettfafftit. S» ber petttiouSfommtffiou
beS AeidjstagS farit bte Petition be§ Acr^teocrbanbcs, bie bie Ab«
änberuug beS Hranfenfaffcngefepes 311111 3merf ber Gtnfiibrung ber freien
Aciztemäbl oerlaugt, 31 er Vcrbanblung. Tie HoifÄiiifiiou befddoh
Uebcnueiiung ber Gingabe an bie Regierung als Riaterial. Gin 9ie=
gicrungsfomntiffar erflärte, bah bie Regierung bie Vorgänge auf bem
Gebiete bes .ttranfcuuerfirijcrungsmefcuS, uub bie 3 u ftänbe, bie fid) mit
ber Seit entmicfelt batten, aufirtcrffam uerfolgc. Tic GefiditSpunfte ber
pctentcri feien ber Regierung befattut, fte mürben aud) eingebettb er«
mögen merbeit, fobalb man au bie Aettbcrung bes Hranfenoerfidjernugs«
gefepes berantrete, 31 m 3 p it fd aber eine Gcfepesänbernitg allein und)
ber oon ber Petition gemüitfchtett Richtung nicht tbunlid).
^rbeit^nad)siei^.
T>cr GeutralPerein für 9lrbeitSitafhtoeiS in Berlin hatte untätig ft
eine Hommtffioit mit ber Ausarbeitung eines RormalftatutS für
paritätifche SadjarbeitSnachmeife beauftragt. T>er .fommiffiott ge«
gehörten an als Vertreter ber Arbeitgeber: Hommer 3 ienrath Richarb
Röficfe unb Jahrifant ©eigert, als Vertreter ber Arbeiter: Former
Hofften unb Ginfeher Dtiüarg, als ilnparteiifd)e: RegierungS« unb
Getoerberatl) Sprenger unb Vorfifceitbcr beS Geroerbegerichts
0 . Sdjul^; ben Vorfij} führte ber Vorfitjenbe bes GentraloereinS
für Arbetlsttachroeis Dr. 0rreunb. T)ie Homtniffiott hat nunmehr
ihre Arbeiten beenbet unb fich einftimmig auf ein Aormalftatut
geeinigt, beffeit mefentlidje Veftimmungen folgenbe finb:
Tie Vermaltuug unb Veauffiditigung bes für ein beftintmtes Ge«
merbe erridjteteu Aadinrbeitsnadjmeifes liegt einem .Moratorium ob, bas
aus je oier Vertretern ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer unb einem
jJiitgliche bes Vorftaubes bes Gentraloereius für ArbeitSuadtmeis als
unparteiiidteu Vorfipcuben beftebt. Sm Giu^elneu bat bas Kuratorium
folgenbe Aufgaben: Regelntähige Rcoifionen bes ArbeitSuadjioeisbctriebcs
burd) feine Riitglicbcr, Gntidjeibung über Vcfdjmerbcn ber ben Arbeits«
itadimeis benupeubeu Arbeitgeber uub Arbeitnehmer, Acftfcpuug ber
Rornten für bie Ginridjtuug unb ben Vetricb bes ArbcitSnadjtocifes,
Vnibl oon Veamtcu bes Ärbeitsuadimeifes uub Aeftfepung ber An«
ftcfluugsbcbiiigungeu. Tie Arbeitsoermittelimg gcfdjicbt gntubfäplidr
fofteulos: bod) mirb oon bem ben Arbeitsnachweis benupenbeu Arbeit«
nebincr eine Koutrolgcbübr oott 20 Pfennigen erbobett, bereu Grträg«
ttiffe in einen JvottbS 31 m Itnterftüpnng bülfsbebürftiger Arbeitnehmer
fliehen.
Tas ©tatut enthält feine Vorfchrift, welche irgenbmie bie Tyrei-
heit ber Arbeitgeber in ber Annahme ber Arbeiter unb bie Freiheit
ber Arbeitnehmer in ber Annahme oott. Arbeit beeinträchtigt. Gs
mirb gehofft, bah bie alfo befdjloffcncn ©tatuten eine geeignete
Grünblagc für bie Drgamfirung ber paritätifchen Öadjoerbanbs«
nachmeife bilben werben.
Art>eitcrn>al)(ett für ben ArbeitSnachtneiS ber Schauerlente m Hamburg.
Am 20 . Februar erfolgte in geheimer Abftimmitng bie V5al)l ber brei
Arbeiteroertreter unb ihrer Grfaplcutc für bie Vefdjmerbcfommiffiou
biefcs Arbcitsitadjmcifes. OS mürben im Gatt 3 eu 3007 Stiinnzcttct ab«
gegeben, 1742 fielen baoou auf fefte, 1205 auf Hilfsarbeiter. Vom Vor«
ftanb ber „Dtitgliebfdiaft ber Trfmucrleutc" maren Crbttcr geftellt, bie
Stimmzettel nahm ein Rotar in Ginpfaug, and) Vertreter ber Arbeit«
geber maren aumefenb. Ter Vorgang uollzog fid), mie uns nitC’ Hamburg
gefdu’iebeu mirb, in oolluer Ruhr- Gcmäblt umrbeii bie oon ber ,,R?it«
| gliebfdjafr oorgefdilagcuen Kanbibateu. And) oon 3eiten ber Arbeit«
geber finb bie V'ablcn für bie Vcidimerbe« unb bie Auffid)ts?foinmiffion
oorgeuommeu morben. Tie Ausgabe oon Arbeitstagen an Hilfs«
! arbeitet* ift 3111 ’ ^cit gefd)(offen, ba ber Vebarf geberft iü. Am 27. Acbrunr
finb bie brei Radjmeisburcaur in Ibätigfeit getreten.
ArbcitSnadjtoctS in Vclgicn. Girier 3 11 fammenftofl 11 ng beS bei«
gifchctt Arbeitsamtes zufolge finb bereit unentgeltliche Arbeitsuad)«
weife in Vriigge, Vriijfel, Gharlerot, (^leitt, Pierre, üüttid), Diahelu,
Dtoits, paturage, ©djaerbeef, Touritai utib ©t. Ricolas in Tbätig«
feit. Diedjeln, mo ber fatholifdje Arbciterocrcin einen uneiit«
geltlid)eit ArbcitSnadjtoetS eingerichtet tjat, hat fiirzlid) bie < s )e=
meiitbeoermaltung befdiloffnt, eine fommuuale Arbeitsbörfe ins
öebeit 311 rufen.
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Sogiale $raj;tS. Gentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 22.
600
®eno)|enfdjaflsiinErcn.
(Sine ©toller- (Sin* unb ©erfaufS'Bereintgung,
bic erfte ihrer Slrt in $eutfdhlanb, ift im ®egember üorigen 3<*hreS
als eingetragene ©enoffenfehaft mit befdjränfter Haftpflicht für
Nfjeinlanb unb ©kftfalen gegrünbet roorben, ein Greignife, baS um
fo freubiger gu begrüben ift, als eS roegen ber großen 9lngahl
unb ber Berfchiebenbeit in ber ^SrobuftionSfraft ber über gang
®eutfd)Ianb nerbreiteten $anbelSmühlen non oorn herein aus*
gefdjloffen erfcheint, ber beftehenben Ueberprobuftion burcf) bie
3ufatnmenfaffung in einem Kartell gu fteuern, unb als es beSfjalb
bie Aufgabe ber in ihrer Ggifteng tjauptfächlich bebrohten ©iittel*
betriebe fein rnufj, jebe nicht unbebingt gebotene Ausgabe anfS
äu&erfte gu nermeiben unb ihren Slbfafc unter Bemtfcung jeher ©er*
einfa(f)ungSmögli(f)feit gu organifiren.
Sdjon längere 3?ü hatte man fich in ©tütterfreifen mit ber
grage befefjäftigt, roie gunächft bem ©ii&ftanbe gu fteuern märe,
ba& ©tehi unb ÖbfaUfabrifate non einem ©tiihlengebiete ins anbre
überführt merben, ohne baf$ DualitätSnnterfchiebe bieS bebingen.
@o merben, um nur ein Beifpiel angufiifjren, alljährlich betracht*
liehe ©tengen ©Jehls non Berlin nach Hamburg unb mittelbeutfcfjen
Stäbtcn nerfrad)tet, roährenb Berlin auch ftets gasreiche ©tehl*
^ ren gleicher Dualität aus benfelben ©ebieten unb aus bem
aufguroeifen h<*t- Slehnlich liegen bie ©erhältniffe überall
in 2)eutfd)lanb, eine bebeutenbe Jrachtoerfchroenbung ift bie Öolge.
tiefer ©tijjftanb hat ben Slnftoft gu ber ©rünbung ber neuen
©enoffenfehaft gegeben, $>er ©orftanb beS rheinif<h*roeftfälifchen
3meignerbanbeS nom ©erbanbe beutf^er ©tütter ^at gunächft in
feinem Scho&e bie grage mehrfach erörtert; er ift gu ber nahe
iiegenben Söfung, eine ©enoffenfchaft gur Drganifation eines ge*
metnfamen SttbfabeS gu grünben, gefommen unb hat bann biefen
2Beg energifdj befdjritten. ©?it einem fertig entmorfenen Statut
ift er im 2)egember 1898 an bie D eff entlieh feit getreten, unb in groei
©erfammlungen finb bereits 30 ©fühlen, bie gufammen etma 200 bis
250000 t ©etteibe jährlich nerarbeiten, ber Bereinigung beigetreten.
2Sie fcf)on biefe ©ermahlungSmenße erfennen läßt, finb es gang
übermiegenb fleinere unb mittlere .V)anbelSmüfjIen; benn eS ergiebt
fidf) eine burdjfchnittliche StageSleiftung non 20—301 ©etreibe für
jebeS ©Jitglieb. $>ie ©renge mufj giemlid) tief liegen; benn in ber
groeiten ©erfammlung hoben 11 ©fühlen mit einer ©efammtjahreS*
oerarbeituug non 30—35000 t ©etreibe ober einer burdjfc^nittlicfjen
£ageSleiftung non etma 10 t ihren ©eitritt erflärt. ©enauere
3 af)Ien finb nicht befanut gemorben.
^ie ©enoffenfehaft h a * fief) gunächft auf ein fleineS StrbeitSfelb
befchränft; § 1 beS Statuts bezeichnet als ©egenftanb beS Unter*
neuntens, „bie ©tühlenabfätte ber ©titglieber aus ihren ©efdf)äfts*,
begro. gabrifbetrieben, insbefonbere grobe unb feine loggen* unb
SBeigenfleie, burd) gemeinfchaftlithen ©erfauf unb beffere SluSnufcung
ber ißreiS* unb gradjtoerfjältniffe angemeffen gu oerroerthen." $)er
meit mistigere ©tehloerfauf ift roegen ber mit ihm uerbutibenen
befonberen Sdjtnierigfeiten — eS fei nur bie Dualitätsfrage ange*
führt — einftroeilen noch außerhalb beS £l)ätigfeitsberetd)es oer
©enoffenfehaft gelaffen roorben. Sntmerhin hot man gu beamten, ba&
bie fogenannten ©fühlenabfätte, bereit roidfjtigfter £eil bie $leie
ift, im SDurdjfdjnitt etma J /3 bes NohftoffS auSmadjjen, unb es be*
ftefjt bnrc^auS bie 2lbficf)t, audj ben ©tehloerfauf in bie §anb ber
©enoffenfehaft gu legen, fobalb biefe fidfj erft etmaS eingelebt unb bie
©titglieber an bie gemein[d)aftlicf)e Arbeit gemöljnt hot. ©tan mirb
ben ©riinbern ber Bereinigung recht geben müffen, menn fie ben in
feiner 9lrt erften ©erfuef) auf fleiuem ©ebiete madjen motten unb
nicht ben ©rfolg burd) gu ^o^e 3iele non uorn herein gefährbett.
^)ie ©enoffenfehaft ift nad) bem Statut nicht nur als ©er*
faufSoermittlerin gebacht; fie fott oielmel^r felbftänbig bie gefammten
©tüfjlenabfätte non ihren ©titgliebern laufen unb auf eigene SRedj*
nung oerfaufen. ^)ie ©enoffen finb nerpflid)tet, nur an bie ©er*
einigung gu liefern, unb bfl&en für je 100 kg ber etma oor*
enthaltenen ©tenge ein in ben ©eferoefonbs fliefeenbeS Strafgelb
non 1 Jf gu gahlen. ^)er ihnen fofort bei ber Lieferung gu
gahlenbc $reis mirb oom ©orftanb unb 9luffid)tSrath gemeinfam
non 3^tt gu 3 e il feftgefefct, ebenfo ber ©erfaufspreis unter ©erüd*
fidtjtigung ber ©erhältuiffe ber oerfchiebenen 5lbfa(jbegirfe; ben ©er*
faufSpreiS fann unb muh aber auch ber ©orftanb allein abäitbern,
menn bie ©tarftlage eS erheif<ht. Aufgabe ber ©efdjäftsführung
mirb es fein, bie ihr angemelbeten ©tengen möglichft nahe am
SabrifationSorte unb möglichft bireft an bie ©erbraud)er abgufefeen.
Gin etroaiger ©eminn mirb als ^Dioibenbe an bie ©titglieber nach
©tafegabe ihrer QfahreSlieferung nertheilt. — Gs mirb abguroarten
fein, ob fich biefe ftraffe Äongentrirung in ber §anb ber ©enoffen*
fchaftsleitung beroähren mirb; baS ift gum größten £h ß ü eine ^Jer*
fonenfrage.
SDer ©efchäftSantheil ift auf 1000 <At- feftgefefct bei einer
§aftfumme non 3000 jft für jeben Slntheil. 2)ie 3 a ^I
einem ©titgliebe gu erroerbenben Hntheile bemifet fich — nat h
mährtem ©runbfafc — nach ^^r ©röfee beS Betriebes, unb groar ift
für eine 3tahreSergeugung oon 50 ®oppelroagen (= 500 t) ©tiihlen*
abfätte je ein ©efchäftSantheil gu erroerben; bie Ginfdhähuitg ge*
fchieht gunächft oon jebem ©titgliebe felbft auf ©runb eines groei*
jährigen $)urd)fd)nitts, fpäter mirb fie oon ber ©enoffenfehafts*
leitung an ber §>anb ber Lieferungen oorgenommen. SDer Grroerb
oon mehr als 100 Slntheilen ift nicht guläffig. S)ie Slntheile fmb
fofort oott eingugahlen. — Namentlich roegen biefer ©eftimmung
über bie ©otteingahlung erfdfjeint bie Slntheilfumme fyod); benneine
QahreSergeugung oon 50 ^)oppelroagen ©tühlenabfätte entfpricht einer
täglichen ©ermahlung oon etma nur 51 ©etreibe, unb für ©tühlen
fotchen HmfangS ift bie Seftlegung biefcS Kapitals nicht ohneBebenfcn.
Gine eigenartige Beftimmung enthält noch & cr §• 46 beS
Statuts. Uni nämlid) nach Kräften gu oerhinbern, bafe bie oor*
fichtigen ©tütter ben Grfolg erft abroarten unb baS Sehrgelb nur
bie mutigeren ©rünber galjlen laffen, ift beftimmt roorben, ba&
nach STblauf beS erften ©efd)äftSjahreS für jeben 2)oppelmagen
^leie 2 <4t. gu einem befonberen BetriebSfonbS gurüdfgelegt unb
bafe bie fo im Saufe eines 3<*hrcS augefammelten Beträge an bie
innerhalb einer beftiminten grift nach ^^r ©rünbung ber ©enoffen*
fchaft beigetretenen ©titglieber nach ©Mfegabe ber fofort erroorbenen
©efdE)äftSantheile in Slnrechnung auf ihre Slntheile oertheilt merben
unb groar fo lange, bis biefe Vlntheile gurücfgegahlt fmb. — Db
biefe Beftimmung roohl bie 3 en f ur & eS ©eno'ffenfchaftSrichterS un*
beanftanbet pafftren mirb? Sie ift ohne großen feerth unb fann
unbebenflich faßen gelaffen merben; erhebliche ängiehungSfraft mirb
fie üorauSfidtjtlich hoch nid)t ausüben.
S)ie übrigen Beftimmungen beS Statuts enthalten nichts Be*
fonbereS. §eroorgehoben mu& aber noch merben, ba& ber örtlidje
Äreis, bem bie Bereinigung ihre ©tttglieber entnimmt, ©h c inlanb
unb SBeftfalen, an fich ^troaS grofc für eine ©enoffenfdjaft erfcheinen
fönnte. ©ier liegen aber bie ©erhältniffe eigenartig. ®ie .^anbels*
mühlen oiefeS ©ebiets ftehen einmal bur<h bie Drganifation im
©erbanbe $>eutfd)er ©Kitter, oor allen Gingen aber baburch mit
einanber in enger perfönlidjer Berührung, bah bk groben ©etreibe*
märfte beS rheinifch*meftfälifchen ^nbuftriegebicts, biefe bis gum
Grtab beS BörfengefefceS Gletreibebörfen fi^ auch neitnenben 3u*
fammenfunftsftetten, oon aßen Sntereffenten beS gangen BegirfeS
befucht gu merben pflegen. $>ie unerlähliche ©orbebingung für
baS ©ebeihen jeber genoffenfchaftlichen Drganifation, bie enge
Fühlung ber ©titcjlieber untereinanber, fchemt alfo gegeben gu fein.
$)aS in ©h^^nbsSßeftfalen fo gegebene Beifpiel h^l bereits
gur Nacheiferung angeregt; in ben angrengenben ©ebieten machen
fich ähnliche Beftrebungen geltenb. hoffentlich gelingt es, bie Be*
megung im ©ange gu erhalten, uno bringenb ift gu roünfchen,
bah bie gu grünbenben ©tüttereigenoffenfehaften ben fchon oor*
bereiteten Slnfchluh an bie lanbroirtpfchaftlichen ©enoffenfehaften auch
thatfächlich finben; fie mürben biefen Abnehmer beS ©etreibeS fein
unb ihnen ben midjtigen gutterftoff ber ^leie liefern, unb beibe
£fjeile mürben fich oorauSfichtlich in biefen feften Begehungen gut
ftehen. 3 U bebenfen märe auch, ob nicht — auch na( h bem Bei*
fpiel ber lanbmirthfchaftlichen ©enoffenfehaften — mit ben ©erfaufs*
oereinigungen fpäter 3)arlehnSfaffen groeeftnähig oerbunben merben
fönnten; benn für einen groben &h e M ber Keinen ^anbelSmühlen
ift bie Nothroenbigfeit, einen billigen itrebit gur Ginführung tedh*
nifcher ©erbefferungen gu finben, oringenber als bie Drganifation
ihres s <!XbfafceS, unb fie bieten meift im Söerthe ber ihnen gur
Berfügung ftehenben Sßafferfraft eine ilrebitgrunblage, bie nach
Sage oer heutigen ©efefcgebung nur für ben ^erfonalfrebit oer*
roerthet merben fann. 2lud) für bie gahlreid) noch beftehenben, in
ihrer Gg'ifteng anfeheinenb meniger gefährbeten Sohnmütter mürbe
bie ©riinbung oon ^arlehnSfafjen eine roid)tige Stühe gu ihrer
Grhaltung fein, mährenb fie nach &er Natur ihres ©efchäftsbetriebs
oon ben Gin* unb ©erfaufSgenoffenfchaften felbftoerftänblid) aus*
gefchloffen finb.
SDie Neugrünbung berartiger ©erfaufSoereinigungen ift facfjlid)
um fo meniger fchmierig, als eS fich babei nicht barum h^nbeln
fott, ben ©?arft unb bie ^ßreiSbilbung gu beherrfchen, fonbern nur
barum, im 2lnfd)luh an bie gegebenen ©torftoerhältniffe gunäd)ft
Grfparniffe in ber Fracht uno anberen Spefen gu machen; eine
geringe Slngahl ©tüfjlen genügt baher fchon, burch 3 u f am ^ e ”f £ h^h
biefeS 3iel 3^ erreichen.
©runemalb*Berlin. il. Söiebenfelb
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©ogiale ^rajrts. ©cntralblatt für ©ogialpolitü. Br. 22.
602
$er ©djtoeigerifdje ©enoffenfehaftsbmib (ogl. „©ogiale Brajis"
3p. 514) hat ficf) am 19. Februar in Dlten fonftüuirt. 2)ie grunb*
legenben Beftimmungen beS ©tatuts lauten:
3nr görbermtg ber Soßlfafirt beS gefammten 6 djmeiger volles unb
gttr fortfd)reiteiibßn ©eftaltimg feines mirtf)fdjaftltdjen SebenS nach beu
©rmtbfäßen ber Saljrbaftigfeit, ©pnrfamfeit unb fogtalen ©erechtigfeit
befiel)* unter bem tarnen „©eßmetgerifdjer ©enoffenfdjaftsbunb" eine
©enoffcttfdjaft von unbejdjränfter $>aucr, bic ihren ©iß in 3üricf) bat.
£te Sirifamfeit beS BunbcS erftredt fid) über bas (Gebiet ber fd)ioeigc-
riffelt (Sibgenoffenfcbaft. $>cr fdjmetgerifche ©enoffenfdjaftsbunb begroeeft
bie ©antmlutig unb Crganifation aller fcbrocigcrifdjen SirthfdiaftS-
genoffenfebaften gur pflege unb Saljrnelmtung ihrer genteinfamen
Sntereffen. gnSbefonbere foH er a) bie Bedjte ber oerbunbenen Oienoffen-
fdjafieit in Begttg auf ©efeßgebung, Berroaltung unb BedjtSpflege vertreten
unb fortbilben; b) bie auf ©rtmbmtg neuer Sirtf)f$aftSgcnoffenfd)aften
gerichteten Bcftrebungen im ©djmeigeroolf imtcrftiißen unb bie 93er-
breitung richtiger genoffenfdjaftlicher ©runbfäße beförbent. AIS 3Rit-
glicber beS ©enoffenfdjaftsbuiibes fönnen aufgenommen roerben eingelne
©enoffenfefjaften unb ©efcflfdmftcn, fofern fie im &anbelSregtfter ein¬
getragen finb unb ben ©ßarafter genteinnüßiger, mißt auf ©rmerb aus»
gefjenber, mirtf)fd)aftltd)er Bereinigungen befißen, ferner bie Berbänbe
von Sirtl)ßhaftSgcnoffeitfd)aften.
©omofjl ber Berbano f<hmeigerif<her $onfumoereine als ber
oftfdhmeijertfdhe ©enoffenfchaftSoerbanb mit gufammen 80000 9Rit-
giiebern höben ben Beitritt erflärt.
^ooperatibgefetlfchaftcn ttt Belgien. Amtlichen $)aten gufolge
beftanben in Belgien:
1894 ... 811 .ftooperatiogefeflfdjaften,
1895 ... 394
1896 ... 564
1897 ... 873
1898 ... 1 128
Qit 3unahtne beS ©enoffenfchaftSmefcnS ift namentlich in ben
Sßrooingen Brabant, §ainaut unb ßüttid) eine intenfioe. Bon ben
itn leßtocrfloffenen Qahre gegrünbeten $ooperatiogefeHfcf)aften ent¬
fielen auf Antmerpeit 17, Brabant 44, Seftflanbern 20 , Dft-
flanbern 25, |>ainaut 34, ßüttich 45, ßimburg 43, fiujemburg 18,
Batnur 17, gufammen 263.
tBo|j mm tiefen.
©ine SohttttttgSttttterfndjtittg in 4>etbelberg.
©8 ift auch in ber „©ogialen ^rajis" feiner 3 eit ermähnt
morben, baß man in §eibelberg im hinter 1895/96 eine SohnungS-
unterfuchung unter Btümirfung zahlreicher freiroittiger SBitarbeiter
aus ber Bürgerfchaft oon ©eiten beS ©iabtratheS * begonnen hat.
Qi e BoHenbung ber Hrerhebungen fonnte jebod) erft im Sinter
1896/97 burd)aeführt roerben unb baburdj h at fich bie Bearbeitung beS
BtoterialS fo binauSgegogen, baß erft fürglich bie ©ubergebniffe im
BürgerauSfd)uffe mitgetheilt merben fonnten. 3)er ©tabtrath mar
freilich bei feiner Unterfuchung oon ber Abfid)t ausgegangen,
authentifcheS unb ooüftänbiges Material über ben 3 u ftanb aller
Wohnungen gu erlangen, um 3Rißfiänbeit nach Kräften begegnen gu
fönnen. ©o mar bie Bergögeruna ber gängigen ®urd)arbettungbeS
ltnterfuchungSergebniffeS fein $inoerniß für ihn, ingmifchen bie 3Riß-
ftänbe gum %$t\l gu befeitigen ober gu milbern. ©o finb g. B. be¬
züglich ber Slborte unb Kanäle in ben angeglieberten Bororten eine
erhebliche 3af)t oon 3Rißftänben beobachtet morben, aber jefct burch
bie ingmifeijen oollgogenen £analifation£arbeiten meift befeitigt.
Itnterfucht mürben alle Käufer auher ben öffentlichen ©ebäubert unb
ben §cilanftalten; bei ben ©affljöfen urtb ^ertftoneu mürben bie gremben-
gimmer augigefd)loffen. ^iir bic (Erhebung fam fo nur eine (Sinmohner-
gahl oon 33 003 in Bctradjt. ®iefe mol)nte tit 2276 Käufern mit
7578 BSohuungen, von benen 77,6% SRiethömohnungen maren, mal)-
renb tu 22,4% ber Wohnungen bie (Sigcnthümer mahnten. 2)ie 7678
SBohnitngen enthielten 351859täumc,auöf^liehlich^nbegimmerunb©peife-
fammern, fo bah alfo Äiitd;en unb Kammern gu ben 28obnräumen gegählt
fmb. 2luf eine Wohnung fanteu bemnadj 4,64 SRäunte unb 4,35 Bcroohner,
ein Berhältnift/ baö überaus günftig genannt merben fann, obglcid) eS frei¬
lich burd) bie 3ngähluug oon «tiiehen unb ^amnteni mefentlich beeinflußt ift.
9?ad) ben bisher mitgethciltcn @nbgal)len betrug bie 3al)l ber
SSohnuugcn mit 1 9iaum 6,35%; fie maren bemohnt oon 2 , 70 % ber ©e-
fammtgahl ber Beoolferung. ^ic Wohnungen mit 2 Staunten betrugen
12 , 40 % unb bie Bemohnergahl mar 9,os°/o. ^ie SBohnungcn mit
3 Räumen betrugen 25 ° 0 unb ihre Bemohuergahl 22,70%. Qic 2Soh-
nungen mit 4 unb mehr Bäumen betrugen .56,26% unb ihre Be-
raohnergahl 60,55%. (Ss ergiebt fich banach begiiglich ber ^idjtigfcit
ber Belegung ber Söohnungen:
für Wohnungen mit 1 Baum 1,85 ^erfonen auf 1 Baum
s = - 2 Bäumen 1,58 = = 1 -
= s = 3 Bäumen 1,31 = - * 1 *
= s = 4 unb mehr Bäumen 0,85 * = 1
2>iefe 3ahl cn mürben ftch aber mefentüch äubern, namentlich bei
ben gang flehten 9Bohnungen, menit bic Küchen ntd)t als SBohnraum
gegählt morben mären, bie SBoljuungen mit gmet Bäumen ftnb cnt=
toeber folche, bie aus ©tube unb $füd)c befichen, ober aus gmei ©tuben
ober ©tube unb Kammer, mo bann in ber ©tube gefodjt mtrb. 2)ie
481 ^Bohnungen mit einem Baum ftnb, mie aus ber flehten Bcroohner-
gahl fich ergiebt, vielfach oon ehtgelnen ^erfonen benußt, aber bei ben
3meirautn= unb ©reirauntmohnungen fann ftch *>ie Belegung gang
mefentlich anberS geftalten, menn ber gmeite ober britte Baum Äiichc ift.
Beanftanbungen gegen bic 3BoI)»tungen unb gegen bie Käufer an
fich (Kanäle, Aborte) ftnb im ©angeu 1453 burch, bie Unterfuchung
heroorgerufen, bereu ftnb 649 baulicher Batur gemefen. SBehr als bic
Hälfte (54,io %) finb megen ber Bborte erfolgt unb betreffen Stiftung,
Beleud)tnng (Senfter), ^unftrohre, fo baß bic Blehrgahl mit geringer
Blühe uttb geringen Äoften erlebigt merben fonnte. ($in fleiner Sl)eil
ber Blißftänbe hingegen fann nur bnreh größere baulidhe Slenberungen
befeitigt merben, unb es fonnte bei bett raettig bemittelten Bcftfccrn
fleiner Räuschen ber Hltftabt unb ber Bororte nicht fo rigoros vor-
gegangen merben, baß fchon alle erfannten Btißftänbe befeitigt mären,
ja eS mirb vielleicht itt ctngeltten f^aEen an öffentliche Blittel gu appel-
Ihren fein, um bic engen Oläßchen gn faniren. S)ie 7,i % Beanftanbungen
megen ber Kanäle ftnb fchon meift behoben. £sm Scheren betreten
bie Beanftanbungen unguläffige Bretterroänbc in ^adhmohnungen, enge,
fehlere kreppen, aber auch ^enfter unb gußböben.
Bon ben 804 Beanftanbungen megen räumlicher Blißftänbe betreffen
oiele bie ©chlafräume. @S mirb babei bemerft, baß bereu gu bidjtc
Belegung nicht etma nur bei fleinfteit Sohnungcn oorfant, fonbern
aud^ in größeren, meil man bort eine Befuchftube unterhält unb fich
mit ben fleinfteti Bäumen gu ©chlafgimmern begnügt. (JS raurbett
10 cbm Suftraunt für eine $erfon als ©rutiblage genommen unb
0,2 qm genfterflädie auf bem Äopf geforbert unb alles beanftanbet, toas
barnnter blieb, ©olche Beanftanbuitg fam im (langen nur 227 mal
oor. ^teroon maren 41 einraumroohnungen, 98 3roeiraumroohnnngen,
67 2)reiraummohttungen unb 21 Sühnungen oott vier unb mehr
Bäumen. ®iefe 227 Sohnungen maren belegt mit 1820 ober 4% ber
©inmohnergahl unb es betraf $crfonen: 62 £aglöhtter, 20 gabrifarbeher,
18 Sitttoen unb Arbeiterinnen, 107 §attbmerfer- unb ©emerbsgehilfen,
20 ©onftige (Büreangehülfen, $änbler u. f. ro.). 3u 45 ©traßett oon
ben 133 unterfudjten gab eS gar feine Beanftanbnttg, in brei nur
je eine bauliche, in 34 famen nur bauliche Attftäitbe oor, in 51 fomofjl
bauliche als räumliche Anftäitbe.
Badhbem ber ©tabtrath non §eibelberg nun folch guoerläfftgeS
Bfaterial als ©runblage hat, mirb eine zeitweilig mieberholte unb
theilroeife Badhunterfuchung fehr erleichtert uno ber 3 roe< ^ ^ cr
Unterfuchungen ftch allmähUch ooHftänbig erreichen taffen.
£>eibelberg. 3)1 aj 9Kap.
SBohnmtgSnoth in bentfißeii ©täbten. 3 « ber Shatfache, baß
in beutfehen ©roßftäbten ein 3RangeI an fleinen preiSmerthen
SBohnuttgen herrfcht, mehren ftch bie Belege. (Sine Petition an bie
©tabtoerorbneten oott ©hartOttenburg führt aus, baß im Dftober
leerftehenbe fteine Wohnungen überhaupt nicht oorhanben gemefen
feien unb forbert SRaßregetn gur Befeitigung ber Both, inSbefonbere
Bufcbarmachung meiterer glächen beS ftäbtifchen ©elänbeS für bie
Bebauung. — ^roßbem auch in Berlin eine ähnliche, menn auch
nicht fo große Both an billigen unb gefunben Sohnungen unb
eine ftarfe UeberfiiHung oieler Sohnungen ^errfetjt, fpradien ftch
bie §auSbefißeroereine gegen eine behörbliche Drganifation ber
SohnungSbeauffichtigung aus. Bach bem Bericht über bie ©e*
meinbeoermaltung 1889/95 betrug bie burchfchnittliche ©inmohner-
gahl eines Berliner ©runbftücfS dnbe 1890 72,o, mährenb fte gehn
gahre oorher nur 60,6 betragen hatte, ©leichgeitig fiel bie auf ben
Üinmohner fommenbe Bobettfläche oon 56 auf 40 ßuabratmeter,
3n ber jenfeitigen mit bamats 177 756 ©inroohnern — meift Ar¬
beitern — beoölferten Souifenftabt famen fogar nur 16 Duabrat-
meter auf einen Bemohner. tiefer ©tabttheii Berlins hatte, mas
bie 5)ichtigfeit ber Beoölferung anbetrifft, bie atterungiinftigften
Berhältniffe aufguroeifen, benn h^r famen auf jcbeS ©runbftücf
127,2 Bemohner burdhfchnittlich, mährenb bie SDurd)fchnittSgahl für
gang Berlin mie gefagt 72,g betrug. — Audh anberen ©roßftäbten
gegenüber fteht Berlin in biefer §>inftd^t meit gurücf; fo betrug bie
ourchf^nittliche 3ah* ber Bemohner eines ©runbftucfs in Siübecf
nur 9,e, in $ötn 14, 6 , in Bitrnberg 18, 1 , in granffurt a. 3)J. 19 ,7
unb in Breslau, ber gmeitgrößten ©tabt ber preußifchen Blonarchte
(gegen Berlin noch immer ziemlich günftig), 49, 7 . — Sährenb 1889
ber burchfchnitttiche SBiethSmerth einer Sohnuttg 650 JL betrug,
fteUte er fich 1892 fchon auf 674 1 # unb im 1. Cuartat 1894 auf
684 JL — Ste ungünftig ftch bie SohnungSoerhältniffe befonbers
für bie Arbeiter Berlins geftalten, geht u. A. barauS hcroor, baß
bei ber BolfSgählung am 1. 3>egentber 1<890 in Berlin 183 291
Sohnungen mit 676 475 Bemohnertt ermittelt mürben, bie, abge-
fehen oon Küchen unb unhetgbaren 3 immern, nur ettt heigbares
603
Soziale Praxis. Gcntralblatt für Sojialpolttif. Ar. *22.
604
3imnter aufroiefen. 3n 54 599 folcfjcr Sohnungen roohnten 5
bis 9, in 764 fogar 10 bis 14 SRenßhen. 3n 3376 Sohnungen
ohne heigbare SRäume häuften 8324 3Reufd;en. 32 158 „Sohnungen"
(einfd;ließlid; 1185 @d)iffSf;anShaltnngen) oerfiigten nur über einen
SRaurn ($tiid;c, l;cigbareS ober unheilbares 3i™nter), unb in 2421
Sohnungen biefer Art befanbcn ficf> je 5 bis 12, gufammen
13 855 perfonen. Das ^öitb roirb noch abfdjredenber, roemt man
bie große 3 a hl ber «f)ausinbuftriellen unb Heimarbeiter berücf*
fid)tigt, bie oielfach am Sage nod) bie 3 a hl ber Perool;ner folcher
„Wohnungen" oermehren, bie feineStuegS immer als „Sohnungen
mit ©croerberäumeit" oon ber 0tatiftiF erfaßt toerben fönnen. —
3n SRagbeburg roirb eine 6tatiftiF ber Ieerftchenben Sohnungen
aufgenommen, bie nad) einer öffentlichen s 3Rittheilung über eine
Steuerung bes DberbüraermeifterS @d;neiber einen Sangel an
fleinen Sohmmgen, befonoerS im 0tabttl;cile SBucfau, ergeben h<*be.
Die ftäbtifchen 33ehörben mürben gu ermägen hoben, ob fic ben
Sau fleinerer Sohnungen burch llnterftüßung ber beftehenben Sau*
S enoffenfchaft unb burch H er 9 fl b c oon Saugelbern gu mäßigem
linSfuße förbern fotten, oor Allem aber mürben bie ftäbtifchen
Sehörben fi(h ernftlich mit ber gangen Angelegenheit befcßäftigen.
$Ran hoffe auch, baß burd; bie AuSbe(;nung beS ÄeßeS ber clcftrifdjen
Straßenbahn über bie Sororte hinaus ber Sau oon 9Rietf)Stmufern
mit Heineren Sohnungen braußen lebhafter merben mirb. Jviir bie
oorauvjfidjtlich am 1. April b. 3- mohnungsloS merbenben Familien
fei oon ben ftäbtifchen Sehörben baburch bereite Sorforge getroffen
roorben, baß eine Angahl oon ftäbtifd;cn SRietßSroohnungen ben
jefcigen 3nhn&ent aufgefiinbigt unb für bie SohnungSlofen, roenn
amh nur oorübergehenb, bereit gehalten mürben. — 3« <Straß*
bürg i. G. geht befanntlich bie ftäbtifd;e Sohuungsfommiffion
gegen bie überfüllten unb oerroahrloften ungefunben Sohnungen
burch Anträge beim ©emeinberatl; auf Räumung begiel;ungSroeife
Schließung ber baulich oermahrloften Hänfcr oor. Daneben follen
aus ftäbtifchen ober Mitteln ber lianbcSocrfidjerungSanftalt gefunbe
unb billige Arbeitermohnungen errichtet merben, melthe bie bis*
herigeit Seiet her jener Hnnfer au f ne hinen follen.
SohnungSpoligct tu Düffelborf. Der SRegieruitgSbegirF Büffel*
borf gehört gu ben menigen ©egenben in Deutßhlanb, rco eine
energifdje SohnungSpolitif planmäßig, in gemeiitfamer ^hätig*
feit oon allen in betracht fommenben ftaftoreu, burchgefiihrt roirb.
SReuerbitigS roirb oon bort berichtet: Die für ben fjiefigen SRe*
gierungSbegirf erlaffene SohnuugS*poligeioerorbuung l)at, fo meit
lieh bis jeßt überfehen läßt, fchr mohlthätig gemirft. Senn bie*
felbe fich auch in Jyolge ber unoerhältnißmäßig fdjneHen 3nnahme
ber Seoölferung noch nicht allenthalben hat ftreng burchfiihren
taffen, fo mürben bo<h in mehr als ber Hälfte ber bei ben oor*
jährigen behörblidjen SReoifionen beanftanbeten Sohnungen bie
oorgefunbenen Sängel auf gütlichem Sege befeitigt unb bie
Sohnungen in einen ber Serorbnung entfprcd;enben 3 u ftanb ge*
feßt. Die rührige Dhätigfeü ber DrtSbeßörben, unterftüßt burch
baS Gntgegenfommen ber 3nbuftrietten, läßt eine allmähliche S^urch«
führung ber Serorbnung aud; begüglich her übrigen beanftanbeten
Sohnungen erhoffen.
Sau tum Arbeitcrroohnmigcn ; SerfuherungSanftalten. Der
rheinifche Sereiu gum Sau oon Arbeitermohnungen (©efdjäfts*
fiihrer ©reßfdjel) grün bete am 9. Qcbruar in Gronenberg einen
gemeinniißigen Sauoerein. — Der rheinifche prooingiallanbtag hat
ber SerfidjerungSanftalt Ahcinprooing geftattet, gum Sau oon
Arbeitcrrool;uungen meitere groei 3RiHioncn auSguleiljen bis gu brei
Siertel bes SertheS ber belicßenen ©egenftänbe. 3nt Wangen
fönnen fo brei ^Millionen über bie SRünbcliidjerheit hinaus geliehen
merben. Sis gum 18. 3nli 1398 finb an Darlehen gum Sau oon
Arbeitermohnungen überhaupt beroilligt morben 5 370 116 ,;1L 9ta<h
ber bem SRuubfd;rciben bes Aeid;S=Pcrfid)erungSamtS beigefügten
lleberfid;t hatten alle Serfidjcruiigsanftalteu nach bem 8tanbe oom
1. 3anuar 189S in Darlehen angelegt: a) für ben Sau oon Ar*
beiterroohnungen 21 411 639, f(, 'b) für ben Sau oon Mraufen*
unb Gleuefungshäufern, Herbergen gur Heimat!;, Solfsbäbern, Stlein*
finberfd;ulen, für Eranfeupflcge*, 8par* unb Moufumocrcinc unb
anbere äl;ulid;e Sühlfal;rtseinrid;tungcn 10 326 887 Jf , gufammen
runb 32 Millionen Sfarf gegenüber 13 2Rillioneu iRarf am
1. 3anuar 1897.
drjidjung unb ßiibung.
Ännfthiftorifchc S^ufeen für bie Äleinftäbte in Deftcrreich*
2)ie Xhätigfeit ber SolfSbilbungS*Sereine in Defterreid)
greift immer mciter aus, mit 6taatsiintcrftiißnng oeranftaltcn fic j
in ben ilnioerfitätSftäbten nidjt bloß Gingeloorträge, fotiberu auch i
SortragSfurfe, bie gumeift oon Hochf<hnl*ßehrfräften gehalten
merben: 0efterreich hat auf bem ©ebiete ber university-extension
beim auch fchon erfreuliche ©rfolge errungen. 3» ber nächftcn 3eit
foll nun biefe Arbeit, bie fid) bisher großenteils in miffenfdiaft*
lieber Sichtung beroegt hatte, auch auf baS ©ebiet ber bi Iben beit
$unft, auf bie Setfung unb AuSbilbuitg beS Hnnftoerftänbniffes
auSgebehnt merben. ©S hanbelt fich &abei oor Allem um bie
großen SoIfSmaffen beS offenen itonbes, um bie Seoölferung
ber SUeinftabt, bie ja rooljl faft nie über irgenbroeldjc öffentlidje
^unftfauimlungen unb Stufecit oerfügt. Aud) biefen Solfstheilen
follen nun bie itunftfehäße oor Augen geführt merben, utu auf
biefetn Sege ben Abftanb im Sfunftintereffe bes Glroßftäbtero, bem
gahlreiche ilhifeen leidjt erreichbar finb, unb ber übrigen Solfstheile
guminbeft gu oerringern. Gine Anregung in biefem 2innc mürbe
oor einigen Sodjen'oon nuferem s 4)?itbarbeiter Sebafteur
Abler*Siert bem öjterreichifchcn ft'uItuSminifterium in gorm
eines ^romemoria unterbreitet unb oon biefem an ben neu er*
richteten ^unftrath gur Prüfung unb Segutad)tnng abgetreten. ^)cr
^'unftrath hat über ben Antrag in feiner erften 6ißnng am 16. ^e*
bruar b. 3^- oerhanbelt unb ihn gruiibfäßlich genehmigt. Gin
ftänbigeS, gu biefem 3 roc ^ c eiitgefeßteS Äiomite biefer ttörperfdjaft
ift nunmehr mit ber 6teÜnng oon 2)urchführungSoorfchlägen an
ben Sfrmftrath betraut, ber biefe bamt mieber bem Stinifterium
mittheilen mirb.
3)ie Glrunbgüge biefeS auch für SDeutfchlanb beachtenSmerthen
SorfchlageS laffen fich folgeitbermaßen ffiggiren : 2>ie fleinc l?anb*
ftabt ift faunt je in ber i ? age, größere Seträge gur Anlage einer
Äunftfammlung aufguroenben, fie fann aber red)t toohl — ooÜenbs
bei allmählicher Abzahlung bes ÄaufpreifeS — für ein Stuf cum
guter SReprobuftioiten ber Sicifterroerfe ber bilbenben Älnnft,
oor Allem ber Malerei unb ber Slaftif forgen. ^er Munftfinn
mirb burd; bie Darbietung ootlenbeter Aachbilbuitgen guter Mnnft*
f^öpfuitgcn guminbeft leichter unb guoerläffiger als burch bie Sor*
führung fd;led;ter, gefd;utacfoerberbenbcr Originale geroccft. 9?adj
bem Sorfdjlag AblerS foll biefem 3tele nun burd) bie Bereinigung
ber Arbeit b'cr öffentlichen Sermaltung (8taat, ^rooing, Segirf,
©enteinbe) mit jener ber SolfsbilbungSoereine gugeftrebt merben.
Sei ber öffentlidjcn, oor Allem bei "ber ftaatlichen .Stnnftpflege
(SHnifterium für StuItuS unb Unterridjt) mirb bemnad; oor Allem
beratl;enbe, eoentueH, oor Allem für ben Anfang, aber aud; pefu*
niäre Hülfe in Anfpruch genommen. Sei ber ftaatlichen ftunft*
pflege foll für bie AuSmal;l unb Sereitftellung geeigneter SRepro*
buftionen ber beften StunftmcrFe aller Gpodjcn unb 5Rid)tungen ber
bilbenben Äuuft geforgt merben, bie ftaatlid;c .Shinft*Sermaltungs*
fteHe füll auch auf bie Preisermäßigung (möglidjfte 'Sammlung
unb Sereinigung ber SefteHnngeu!) unb eocntnell and) Herftelhmg
fold)er SReprobuFtionen bebaeßt fein. An jene ©emeinben, bie fid;
gleich xm Anfänge ber Aftion gur Anfd;affuung eines fold;en
/( Äleinftabt*3)?ufeums" entfd;ließen, follen utöglichft ausgiebige
©elbgufd)üffe gemährt merben. G-oentnell füllen biefe erften IRufeen
aud; gattg unentgeltlich iiberlaffen merben. Dies mirb fid; oor
i Allem bort empfehlen, mo fd;on niebere ober mittlere itunft*
©emerbefd;nlen tl;ätig finb. Aud; ift bie ambulante Sermcubuug
fold;er „Mleinftabt*SDiufeen", alfo it;re Sibmung als Sanberanftalteu
in Ausficht genommen.
Der Antragftefler oeraufdjlagt bie Anfd)affungsfoften je eines
„ÄIeinftabt*StufcumS" je nad; Ausstattung auf 10 000 bis 15 000, //
Die Anfchaffnng jener für Sanbergmetfc beftimmten %'ufeen mürbe
oom Staate, eoentueH oon ben prooingialoerroaltungcn anSgcl;cn.
2ie mürben in jeber Allein ftabt, bie fic berühren, immer einige
Soeben fmiburch oerbleiben unb gang uncntgeltlid; ober gegen ge*
| ringftes Gntgelt (10 bis 20 ,$) gum Scfndjc offen flehen. CsJang
befonberS barin ift nun aud) au bie s l)iitl;ülfe ber SolfSbilbungS*
oercine gebacht. 8o mie biefe in Ocftcrreid; fdion jept oolFstfmm*
lid;e Sorträgc unb Demonftrationen in ben Siufecn ber ©roßftabt
oeranftalten, fo füllen fie bies nun aud; in ben Fiinftigcn 2tanb*
orten ber „Stlcinftabt-Stufccn". G*rlcid;tert mürbe bies burd) bie
3umeifuitg ftaatlid;er ©clbgufd;iiffe, mie biefe ja and; fd;on jeßt für
bie eingangs ermähnten großen Sortragscpflen in ber ©roßftabt
gemährt merben. — 3n Oefterrcid; bringt man ben hier nur fliid;tig
umriffenen Sorfchlägeu forooht bei ber 8taatSoerroaltung, mie in ben
l .Streifen ber SolfsbilbungSoereine fo marines 3ntercife entgegen, baß
bie fraftoollc Durchführung mol;l fd;on in naher 3eit erfolgen mirb.*)
*) S?ic uns ber Autragneflcr Herr AMer mittheilt, iollcii älinlidie
Sorfdjlägc audi fdjon oon .Svimiiidiriitnelier Dr. ^h. r>. grimmcl unb
'.Waler 3riibncr geäußert morben fein, eine 2Imtfndie, bic iljm bei
Stellung feines Antrages übrigens gnndtd) unbetaunt mar.
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Soziale PraytS. Eeutralblatt für Sogialpolitit. Vr. 22.
606
Ein öerfnifj mit uatangUffjcn rütteln. 3m Preußtfdjcn perren*
häufe ift oon fonferoatioen VJitgliebern ein Antrag eingebrad)t, bie
Staatsregierung möge baljin wtrfen, baß
„1. für bie fdwlentlaffenc männlidjc gitgenb bis guut 18. ficbenS*
jaßre ber Bufentfjalt in Scßanfftätten uerboten werbe; 2. bie K ommunen
bet glcidigeütgcr Olewäßrung eines ^ttfefjuffed aus Staatsmitteln bagit
angcbaüeu werben, Einrichtungen gu treffen, um ben genannten
jungen Leuten es gu ermöglichen, au Sonn* uitb gefttageu in an*
gentefiener Bkife eine erfrifefjenbe unb oerebclnbc Unterhaltung gu er*
langen."
Ter Eintrag ift fidjerlich gut gemeint, fein 3iel *auf’S innigfte
SU roiinfdjen", aber feine BuSführbarfeit fe^r gmeifelbaft. Unter
ben heutigen BrbeitSoerhältntffen rnüffen junge Seute häufig genug
ihre SÜJafjlgeiten in Sdjanfftätten einnehmen. Tie 3 u ftänbe, bie
biergu führen, laffen firfj aber ebeitforoenig wegbefretiren, roie „er*
frifchenbe unb oerebelnbe Unterhaltungen" einfach befohlen merben
fönnen. — Unb was ift’s mit ber fchulentlaffenen weiblichen Sugenb
bis gittn 18. SebenSjahre? — Tie befte gürforge für bie 3ugenb
gemährt bie Schule, man füllte baher nicht für Einfthrätifujig,
fonbern für Verlängerung ber Scfjitlgeit wirfen!
Hamburger VolfSfdjüler im Stabtiljeater. Tic „i?ehrcr»Veretnigimg
für bie pflege ber fi'mitlerijrfjcu Bilbimg Hamburgs" hot Umfragen bei
Lehrern, Sdjaufpiclern unb ben Kinbern gehalten, welche Erfahrungen mit
ben 'Tbeatcrauffülirungcn für bie rberfiaffen ber Volfsjdjulcn gemacht
worben fittb. ) Tiefe 12= bis 14 jährigen Kinber finb an 9Jtittmod) s
unb Somtabeub * Badjmittagcn in gefdj{offenen ^ügcu ins Theater ge*
führt. Ter Einheitspreis betrug 25 4/ für arme Kinber würben grei*
farten befdiafft. Tie betheiligten gaftoren würben in ber Ueberscugnng
beftärft, baß biefe VorfteQungcn burdj Anregung ber phantafie, ber
Butter ber obeale, ein wichtiges BilbmigSmittel bilben, baS ber erft in
fpäteren oohren mit bem Theater Vefanntwerbenbe nicht mehr fo aus*
Sunüpeit oermöge. greilidi müffen Stiirfc, wo es audj oiel gu feljen,
nidjt bloß ju "hören giebt, wie „Wilhelm Ted", bie „Jungfrau oon
Crleans" gewählt werben, lieber „Vtinna oon Barnt)elm" waren bie
Buftditru gctheilt. Tic Tarfteller fpvarfjcn fich fehr wohlwollenb aus.
Tiefe Vcrfurfjc, gu eblent Olenuß su ergießen,. werben in Hamburg fortgefefct.
BbeitbfortbtliumgSfchulfn in Sottbott 1898. Tie Sonboner ftäbtifchen
^ortbilbungsfchulen hoben im lebten gaßre große gortfdjritte ge» 1
marfjt. Vis ä&ritjnndjten waren gegen 70 000 Sdjüler eingcjtfjrieben,
b. h- hoppelt fooicl als im Vorjahre. $n biefem Sdjuljarire werben
308 Schulen für allgemeine Bilbmtg oorßanben fein. Ter Lehrplan
umfaßt anher ben gewöhnlichen E-lemeutar*UnterridjtS*(Hcgenftänben
Buchführung, Stenographie, grangöfifcß, Teutfdj, Sateinifch, Sdjrctben I
unb Buffafc, ©eograplne, Oiefang, (Hcjcßichtc, HftaguetiSmus* unb Eleftri*
citätslehre, (Hcomctric, Algebra, Bürgerpflichten unb *Bedjte, Kenntniß
öffentlicher Tinge, Ehcmie, Vicdjauif, pßtjjif, Botanif, Bfuftif, £idjt unb
Spänne, Englifd), üefen unb Vortrag, panbarbeit, pauswirtßfcßaft,
(^efunbheitSpflege, Vhhfiographie unb Bßijfiologie bes Vtenfcßen. Be»
fonbere Vorforge ift für 'banbelSwiffenftfjaftlicheu Unterricht getroffen;
bafi'tr finb 4 Specialfdjulen eingerichtet worben, ebeufo 5 jur Busbilbung
oon Lehrern für ben Unterricht in Mn 11 ft ntib SSiffenfefjaft. Bußerbem
füllen noch balbigft einige weitere Sd)ulen gur Busbilbung oon Oiefang*
lehrern eingerichtet werben, bamit ftäbtifche ober aubere Lehrer höhere
Berechtigungen erwerben fönnen. dufter bem gewöhnlichen Unterricht
in englifcher Olefd)id)te unb Literatur werben noch 21 befonbere tMte* j
ratnrflaffen eröffnet werben, ebenfo 58 Turnflaffen unter geprüften !
Lehrern. ,*vür grauen unb Viäbdjen wirb Unterricht im Älodjen, |
Sd)uriberu unb Viafdjen geboten, für SDtänncr unb Muaben .paubfertig* !
fcitsnntcrridjt in ber ^oisbearbeitung. 21 n einer Veilje oon Sd)iilen j
wirb oon geprüften unb beredüigten V?ebiciualperfotten in 2(mbulans* !
unb -pauspflege uuterridjtct. Stubenten werben für bie Eramitia bes
Tepartcmeuts fürMunft unb Viiffeufdjaft, Eioilbienft, 8ocietv of Arts :c. 1
oorbereitet unb Vfämien unb ^euguiffe ertheilt. TaS Sdjulgelb
ift in ben 2lbenbfd)uleu abgefdjafft; jebc nidjt mehr tagesfdjulpflidjtigc
Berfoit jeben 2ütcrs faun baran theiluchmeit. Sd)üler oon Tagesfdjulen
fönnen unter gewiffen Vebiuguugen sngelaffen werben. Soweit als
möglich werben Erwadifetie oim ben jüngeren Schülern getrennt unter#
rid)tet.
*.) Unfere Volfsfdiüler im Stabttheater. pamburg. Verlag oon
E. Vonfeit. 1 sos.
Tie gleichseitig hiermit auSgegcbetie $h. 6 ber s IRoiiatSfchrift
„TnS ^rmerbegmch^ enthält:
3«r Mompeten$ ber Oiewerbcgerichte. Von Stabtrath 6mto,
Königsberg i. V r - — Bürgerliches ©efcfcbucf) unb Wemerbeorbming.
- Verfaffuitg mtb Verfahren. Sl't Vroportiotialmahl „un*
mittelbare Viahi" im Sinne bes 12 beS 0)ewerbcgerichtSgcfe(}es?
Srrcmfiucrtüt) für b*c 'Jtebaftton: Hr CSv n ft
SiojIaU ^iiglette.
Schulärzte ht Berlin nnb GfjarTottcttbitrg. Tie Hnftellung oon fünf
Schulärjten an fünf ©emeinbc*Toppelfchulen hot ber Ehorlotten-»
bürg er SDJagiftrat im Olrnnbfab genehmigt. Sebem Schularzt, btr für
feine Thätigfcit eine ^ahrcSeutfdjäbigung oon 300 UL erholten jott,
follcn bnrchfd)nittlich 1800, höd)ftcns 2000 Schulfinber anuertraut weroeu.
^n Berlin Ijot ber jur Prüfung biefer ^rage eiugcfebte 2lnsfch«^
bei ben Stabtoerorbncten beantragt, ftch bamit einoerftanben ju er^
flären, baf 3 junächft ein Verfud) mit ber fontraftlicheu Einnahme oon
20 Schttlärjten 00 m 1. 2lpril 1899 ab gematfjt werbe, weldje auf bie
beftehenben gehn Sdjulfreife möglichft gleichmäßig gu oerthcilen futb.
Tie Verfammlung fieht jcboch ber balbigen Vorlage einer Ticnft*
inftruftiou für bie Sdjulärgte gur Kcnntuifjnahme entgegen. 2(uf ?ln*
trag bes Stabtoerorbncten ^onis SadjS oertagten benn auch bie Stabt*
oerorbneten am 23. Februar ohne Erörterung bie Srage bis gum Ein¬
gang biefer Tienftiuftruftion. — Welcher (Heift nodh immer in biefen
Greifen ^errfcht, gel)t aus bem ftarf betonten Eiittoanb h e *uor, bie
Thätigfeit ber panSärgte fönne burdj bie Sdjulärgte berührt werben,
unb ben ängftlichen Bemühungen, foldje KoHiftonen auSgufchließen. 2Bie
j oiele Berliner Eltern, bie iljre Kiitoer in bie Volfsfchule, ftatt in $rioat*
unb Vorfdjulen fdjicfen, wohl panSärgte halten?
3ur SoiiKtagSruh« auf ben fran^öfifchen Eifenbahnen. Tie Kon*
| fultatiofommiffion ber frangöfifcheit Sifenbahnen, eine beim Bauten*
| minifterium funftionirenbe, aus Parlamentariern unb {ya^lcuten
1 ernannte, lebiglidj fonfultatioe Vehörbe gur Begutachtung oon (£ifen*
I. bahnangelegenheiten, Ijat fich fiirglidj mit bergrage gu befchäftigen
[ gehabt, inwieweit burch ^infchränfuitg bes Tienftef bei ber gra^t*
I gutbeförberung eine ©ntlaftung beS PerfonalS h^rbeigeführt werben
fann. 9iach einer Vtinifterialoerfügung ift bie Slblieferung oon,
Frachtgütern an bie Slbreffaten an Sonntagen fchon auf einige
Tagesjtunben befchränft. Tie „öiga für Einführung allgemeiner
| Sonntagsruhe" hotte beim Bautenminifter um bie oöttige Befeiti*
I gung ber Sonntagsarbeit im gewöhnlidjen grachtoerfehr petitianirt.
Tie baraufhin befragte Konfultatiofommiffion ber Eifenbahueu 1
[ glaubte jeboch, man fönne baS augenblicflid) wirffame Reglement
1 nicht änbern.
£tterartf^e Änjtlgen.
Ehriftiani's Bürgerliches BcchtS*2ejifon für bas bcutfdje
Volf. Bach bem Bürgerlichen ©efeßbuch unter Berücffichtiguhg
beS panbelSgefchbuchS unb fonftiger eiufdjlageubcr (Hcfeße be* ;
arbeitet. Berlin 1899, 3 . 3- peines Verlag. 406 S. preis|
7,50 Ji
Tics furg unb flar gefaßte BusfnnftSbudj wirb für bie Saienwelt
einen trefflichen Bathgeber bilben, ber guoerläffig unb gefchieft in bie
neuen BedjtSoerhältniffe einführt.
(Hrunbriß ber preußif^-beutfdjen f ogialp olitifdjen unb-
VülfSwirtfdjaftSgefchichte oom Enbe bes breißigjährigni
Krieges bis gur (Hegenwart oon prof. Emil Söolff. 3Beibmaim|che<
Buchhanblung, Berlin, preis gcb. 3,60 Ui.
Tas auf ben Ergebntffcn ber wiffeufdjajtlichen gorfdjungen ber
leßten galirgcljntc beruhenbe Bud) barf um fo mehr ^ntereffe in &n*
fpruch nehmen, als es ber erfte Per juch jeiuer 2lrt ift, ba noch feine
Sogialgefdjidjte preußenS ober TcutfchlanbS eriftirt, bie gerabe biefen
2lhfchniü behanbeli. 2luf fnappftem Baum ift ein reicher fadjlicher 3n»;
fjalt mitgctheilt.
Earhjle, Thomas, Einft unb ^eßt (Past and Present). Bus bem
Englifdjcu iibeifcßt itnb mit Bnmerfungen h^auSgegeben 0011
Prof. Pr. p pcnfel. Eöttingeu 1899, Banbenljoecf & Buprec^t.
406 S. preis 6,so M. gcb.
Unter ben fogialpolitifdjcn Sdjriften EarlijIeS ragt „Einft unb
bas uns fjicr in oortrefflidier Itcberfefcung gegeben wirb, burd)
Tiefe ber Buffaffimg unb Kraft ber Tarftedung h^roor. Buch h^otc
uodj wirb mau nidjt ohne Bewegung biefen gewaltigen Bppelt an bas
fogtalc Pflichtgefühl lefcii.
Kluge, B., panbbudj für 2lrntenpßeger. Batljgebcr für in ber öffent*.
litfjcn ober priuaten 2lrmenpficgc tljätige perfonen. patnburg
1899, (ilrcfc & Tiebentann. 103 S. preis 1 X
Beue Teutfdje Buitbfchau. peft 2. gebruar 1899. Berlin,
S. gifdjer. preis bes peftes 1,50 JL
— Bechtfprechuitg. 3Kitthetlungen aus ben Entweihungen ber-
Elcwerbegeridjte Berlin, Vfülheint, ^eipgig, Vfatttg unb beS fianb*
| gerichts Berlin. - - BllgemeineS über Elewerbegcridjte uitb
| BrbcitSoertrag. Bits'bat 3af)reSbcridjteu 0011 Eewerbegerichten
— Brieffaften. Elerichtsfchreibaei beS EkwerbegerichtS Viiindjen;
Stabtmagiftrat Sdjweinfurt. — oubaltSangabe ber „Sogialcn
prariS".
^rattrfe tu 2'crlin W, 2 1 ai)'cutt)crftra{jc ‘Ji*.
608
607 0o$iale ^raytS. ßcntral&Iati für 0osialpolitif. 9h\ 22.
©ie ,,$a?iaU $Jvavt*“ erfdjcint an jcbem ©onneräla-i linb ift burd) aTte ^udjljanblungen unb ißoftamter CißoftaeitiingSnuninier 7072) ju bc 3 icl)cn. ©er ^reiS
für ba8 33ierteljabr ift ÜJ?. 2,50. 3ebe 9iunnicr Foftct 30 ©er fHnjeigenpreid ift 60 ißf. für bie breigefpaltene Sßctitjcile.
SBerlag öcr Jflribnmnnfdjen Jludjljanblung in Berlin.
0oeben ift erfeijienen:
Okunönfj ber
ptru|pfd)4futj[f)rit focialpoüti('d)ru
unb UolksniirtfdinftsJrfriiiiiitr
I 0ocbcn erfd)iencn:
Dmmltungsbmdjt
Ocrlacj bet Arbeiter-Derforgung.
fl. Croscbel in Berlin Kl.
üom (*ttbc bcö brcifngjüfjriflcit tfriegcS biö jur
©egemuart (1640-1808)
oon
Vvof. (Emil tPolff*
gr. 8 °. (VII u. 282 6 .) ®ebb. 3,00 SWarf.
Aiir olle oMilbcten, bic fid) für bic focinlcn
fragen ber 0) egen mar t intcrcfficrcn.
te Statt giidjfuljrung brr §rnnknkn|]rn
für bas 3at?r insbefonbere bie
1897* tfuffteüung unb Prüfung
_ ber
J*r. s». (IV, 824 S.) ^rcts fldumbfu in ßrniilu* 11 liaITruobTii)lii 11V.
Scineumnb 10 SWarf.
3*iPfi0*
8 n n rii e r & § u m b 1 o t.
1899.
manche unb Zimmermann.
Preis 1,50 fflark.
Berantioornidj für Me Anjclgeu: tfcUmiitlj iScibci, Vcipjig. — «erlag uou Jumfer & vuuibiut, üclpjig. — ükbiucft Oet Sulliu» ©ittenfelb, Berlin.
VIII. galprgflng.
SBerlin, ben 9. 2Kär ( ; 1899.
Hummer 23.
{|£entraf6Caft för §>o 3 ial;polififi
mit ber 2Tlonat§ßeiraöc:
Das (Betoerbecjevicht.
0 rgan bes Oerbartbes beutfcfyer (Betoerbegericfyte.
fRcuc Solgc ber „Blätter für fogtale fßraytS" unb beS „Sogialpotttifchen GentralblattS*.
«rf$eh»t «* jebem »«i*erfUf. Herausgeber: frei« »iertdWrli* 3 »t. 60 91*
Rebaftton: Berlin W., Baßreutherftraße 29* Dr. Ctttfl /tlUUkt ©erlag Oon Suncfer & Hmnblot, ßeipgig.
3 n halt
Jntcrnationale® er einig unfljur
grötbemng l)et Sltbeltetfdjufc*
gefefcgebung. ©on Dr. Graft
grrattefe, ©erlitt.609
tfottfum» ©au« unb ©parberetn
„ißrobuftion" inJ&amburg.®on
$. ©tfiljmer, Hamburg .... 612
Utemetet ««stel* «nb
iPflliül .6i6
Lobelie jur beutfd&ett Gewerbe*
orbnung. (ÄonjeffionSpflicbt ber
©teEeitbermtttler. — ©eftimmimgett
über bie ÄonfeftionSinbuftrie. —
für ^anbelSangefteQte.)
©roteft gegen gortfübrung ber ©Ojial*
reform.
©er nationalliberale Antrag auf Gr*
rid&tung bott 3Ixbeit8!ammmem.
©ie $ebung b<8 SlrbeiterftanbeS.
Gin fonfex&atiöei Urtljeil über Gitti*
gungdömter.
Gntmüitbigung wegen ©ruitffudjt.
■ ©ie ©efteuexung ber SWaföinenfrafi
jum ©eften ber Arbeiter in Ftattf«
' tet$.
Gm ©efefc jum Sdm| bet ftrbeitö*
willigen in ©djwebett.
«*Stole 8*fta*be I.619
Ginbeitlidje ©eftimmungen für bie
©ienft* unb Rubejett bet Gifenbabn*
betriebdbeamten in ©eutf$Ianb.
Gine ©oaialenquete in einem Arbeiter«
viertel non ©ariö.i
©ie lanbmirtbfdjaftlidjen £B|ne in
Gnglanb.
»tbeUgeberflerbänbe .620
„©cbwarje ßifteit."
Äonftituirung beä ©eutfdjen Arbeit»
gebetbunbe« für baS ©augewerbe,
©erlinet Ärbeitgeberbunb.
K**et*erbewegunß.621
©ie ©elegirtenberfammlung beS Ge*
fammtberbanbe« ber ebangelifdjett
Slrbeiterbereine ©eutfcblanbS.
©ie Grridbtung eines ttrbeiterfefre*
tariateS in ©reSlau.
Äatnpf im englifdjen ©augewerbe.
«nbeiierfft«*.622
©er Jahresbericht ber babifdjen
Fabnftnfpefiion für 1898.
Gin Antrag auf Aufteilung weiblicher
GewerbeaufficbtSbeamten m ©teufon.
Äinberfcbufc in Gnglanb.
Krbeitevberfichemita- «patfflffen 627
©ie Jn&alibenbetftcberungSnobelle.
©ie beutfebe Arbeiteröerftcbetung unb
ihre Grgebniffe.
«BflbifabrtSeiirridjtnnflra .... 627
2Boblfabrt$einricf>tungen ber ftdniglicb
©reufjifdjen SSafferbauDerWaltmtg.
UebernacbtungS*unb AufentbaltSraume
für baS GifenbabnperfonaL
©erlinet Aiblberetn fürObbacblofe 1898.
©ie w £auSpftege" beS ©etUnet flauen*
oereinS.
©ie 3R.*Glabbacbet Bereinigung für
gemeinnüfcige 3»ede.
Stiftung für SBoblfabrtSaWecfe ber
3ucferfabri! ^ranfentbalS.
Mtmt ap Ut§9 ............ 629
Gine beutfebe Gentralftelle für
Armenpflege unb ffißobltbätig*
feit.
8tttera*tf«c »njeiaen.630
Abbrucf f&mmtlidber ArtUel tft Hutungen unb 3citf$?iftot geftattet, iebodj nur
mit toottet Quellenangabe.
internationale Bereinigung jnr ^örbernng ber
^rbeiterfibnbgefebgebttng.
Ser Erlaß $aifer SBilhelmS II. oorn 4. Februar 1890 an ben
Reicf)Sf angier erhielt ben Stuftrag, bei ben Regierungen ber «Staaten,
bereu Jnbuftrie mit ber unfrigen ben SSeltmarft Beherrfcht, ben
3ufammentritt einer Äonfereng anguregen, „um bie Herbeiführung
gleichmütiger internationaler Regelungen ber ©rengen für bie Sin*
forberungen anguftreBen, welche an bie SHjätigfeit ber Slrbeiter
geftellt werben bürfen." Sie am 15. RJärs 1890 eröffnete inter*
nationale Slrbeiterfchufcfonferenj, bie außer oon ^eutfchlanb oon
Defterreich^Ungarn, Belgien, 5)änemarf, Spanien, Öranfreid), ©roß*
britannien, Italien, ßuyemburg, Rieberlanbe, Portugal, Sihweben
unb Norwegen, fowie ber Schweif befeßieft war, ftettte bemgemäß
nicht nur attgemeine Regeln auf über bie Arbeiten in Bergwerfen,
bie Sonntagsarbeit, bie Äinberarbeit, bie Strbeit ber Sugenblichen
unb bie Frauenarbeit, fonbem ihre eierte ftommiffton ^atte fnh
auch mit ber Frage ber StuSführung biefer Beftimmungen ju
befaffen.
3wei Fragen waren ihr oorgelegt: 1. Sollen Rtaßregeln hi«*
fichtlich ber SluSführung ber Borfchriften unb ihrer lleberwachung
getroffen werben? 2. Gmpßehlt es fiefj, ®elegirte ber betheiligten
Regierungen oon 3*it 3U 3^ einjuberufen unb welche
foKen ihre Berathungen rnnfaffen? 2)iefe Fragen würben oon ber
SRehrheit, unter Slblehnung eines weüergehenben Antrages ber
Schweif, am 26. Rtärj bahin beantwortet: Für ben Fall, baß bie
Regierungen ben Slrbeiten ber ftonferenj Folge leiften fottten,
empfehle ftch bie Ueberwachung ber SluSführung ber in jebem
Staate getroffenen Rtaßregeln burch geeignete unb unabhängige
Beamte ber fianbesregierung, ber internationale SluStaufch ber
Jahresberichte biefer Beamten, bie zeitweilige Bornahme ftatiftifcher
Erhebungen über Strbeüerfchuß unb beren SluStaufch; ebenfo fei es
wünfchcnSwerth, baß bie Berathungen ber betheiligten Regierungen
oon 3 e ü S u 3 e ü erneuert würben.
®iefer Befchluß fonnte bie offen gu Sage getretene Slbneigung
ber meiften auf ber Äonferenj oeriretenen Staaten, ftch burch inter*
nationale Slbmathungen in Sachen beS SlrbeiterfchußeS gur SluS*
führung ber ^onferengoorfchläge gu oerpflichten ober gar biefe
SluSführung überwachen gu laffen, nidgt oerhüllen. Jn ber Shat
hat benn auch ber ©ang ber Slrbeiterfchußgefeßgebung in ben ein*
gelnen ßänbern feitbem ein fehr oerfchiebeneS Sempo eingefchlagen.
Siefer unb jener Staat, oor Slllem Seutfchlanb, h fl Ben bie Sin*
regungen ber Äonfereng in Sfjaten umgefeßt, anbere haben ein*
gelne baoon befolgt, wieber anbere haben ftch wenig ober gar nicht
barum gefümmert. Eine gweite internationale Äonfereng oon Re-
gierungSoertretern hat ebenfalls nicht ftattgefunben.
dagegen würbe oon anberer Seite bie Slngelegenhcit aufge¬
nommen. Snt Sluguft 1897 nahm ber Slrbeiterfchußfongreß in
3ürith auf Slntrag beS RegierungSratheS Gurti ben Befchluß an,
bie Regierungen gur Errichtung eines internationalen Slrbeiter*
fchußamteS eingulaben unb ben Schweiger BunbeSrath um beffen
Berwirflichung gu bitten, fobalb brei Staaten bantit einoerftanben
feien. $raftif<he Folgen h a * ^ e f er befchluß bisher nicht gehabt.
Jm Frühjahr 1898 erwiberte ber belgifdje SlrbeitSminifter auf
eine Slnregung in ber Kammer, er beabsichtige bie Sammlung unb
Beröffentlichung ber micfjtigften Slrbeiterfchußgefeße unb *Berorb*
nungett aller Sänber. Saoon ift Enbe oorigen Jahres ber erfte
Banb erfchienen. Enblich hat im Herbft 1898 im öfterreichifcf;en
611
Sogiale prajig. Eentralblatt füx Sogialpolttif. Rr. 23.
■ 612
Hbgeorbnetenhaufe ein Antrag Server Hnnahme gefunöett, ber ein
internationaleg tot für Sogialftatiftif »erlangt; bie Regierung Ijat
ftc^ bagu beifällig geäußert, aber gur Berwirflichung beg Planeg
ift auch §ier big jeßt uicfjtg gesehen.
SXuf anberem unb, wie uns feßeint, erfolgreich er ent Bkge ftrebt
nach bent ein Projeft, bag feinen Urfprung in betn Anfang
Dftober 1897 in Brüffel abgehaltenen, aug prioater 3nitiatioe
heroorgegangenen Kongreß für Hrbeitergefeßgebung hot.
Hinfichtlich ber Errichtung eineg internationalen Bureaug für
wefentlich ftatiftifche Aufgaben §errfd>te bort gwar Einftimmig-
feit, aber nur ein £f)eü ber Hnwefenben fteHte fich auf ben
Stanbpunft, baß bieg Bureau bie pofitioe Förberung beg inter¬
nationalen Hrbeiterfcfjußeg gur Hufgabe haben folle. Sie Anhänger
biefeg Berlangeng, Seutfdje, Belgier, Defterreicher unb Schweiger,
traten nach bent Kongreß gufammen unb wählten ein aug
brei Herren (H^rgog oon llrfel, Profeffor SRahaim unb Profeffor
Brantg) beftehenbeg ftomite ntU ber Hufgabe, ein Statut für Er¬
richtung einer internationalen Bereinigung gur För-
berung ber Hrbeiterfdjußgefeßgebung in ben einseinen
Staaten gu entwerfen.
Sieg Statut liegt ung nunmehr in feinem unoerbinblichen Ent¬
würfe oor. Seine fmuptbeftimmungen gehen bahin, baß bie neue
©efellfchaft alg Bereinigung aller Hnhänger eineg energifchen
Hrbeiter fcßußeg in ben oerfchiebenen Staaten bienen folle, baß fte
gur Beroffentlichung unb gunt Stubium ber einfehlägigen Bor*
fchriften beitrage unb baß fte internationale Hrbeiterfchußfongreffe
einberufe. Sie Leitung ber Bereinigung foH ein Sfomite führen,
in bent bie Hngehörigen ber eingelnen Staaten oertreten finb,
wie auch bie Regierungen unb ber Papft gur Entfenbung oon
Selegirten eingelaben werben fotten.
tiefer Entwurf würbe in ben erften Sagen biefeg 3oh*eg oon
einer Hngahl oon Sogialpolitifern aug Seutfcßlanb unb Defterreich
einer oorläufigen Befprechung untergogen. Sroß mancher SReinungg-
oerfchiebenheiten im Eingelnen würbe hoch betont, baß man bie
©rünbung einer folgen internationalen ©efellfchaft unterftüßen
muffe, bereu Schmerpunft in ber thatfräftigen Förberung beg Hr-
beiterfchußeg liege, währenb Sammeln, publifation, Hugtaufch unb
Stubium ber einfehlägigen ©efeße unb Berorbnungen nur Büttel
gu biefem 3n>ecfe feien. Eg würbe ferner heroorgehoben, baß bie
Bewegung gur internationalen Förberung beg Hrbeiterfchußeg ben
ftärfften 3mpulg erhalte, wenn bie in ber ©efellfchaft oereinigten
Blitglieber jebeg Staateg fi<h gu nationalen ©ruppen für bie
Fortführung beg Hrbeiterfchußeg int eigenen £anbe gufammen-
fchlöffen. Ser Stätutenentwurf würbe alg geeignete ©runblage
weiterer Erörterungen betrachtet, ohne baß man inbeffen fich fchon
bie eingelnen Borfchläge aneignete, namentlich würbe auch ber Siß
beg gefchäftgführenben Bureaug offen gelaffen. Sie Erörterung
führte gu ber Hnfidht, eg empfehle fich, eine größere Berfammlung
oon beutfdhen Hnhängern ber Fortführung ber Hrbeiterfcßußgefeß-
gebung einguberufen, biefer bie Hnregung gur ©rünbung einer
©efellfchaft unb ben Statutenentwurf gur Befchlußfaffung oorgu*
legen. 9ßie wir hören, foll eine folcße Berfammlung Enbe Hpril
nach Berlin einberufen werben. Sie öeitung ber Borbereitungen
für Seutfchlanb hat Freiherr o. Berlepfth übernommen.
Unleugbar ift in oerfchiebenen fiänbern eine fräftige Bewegung
für eine internationale Bereinigung gur Förberung beg Hrbeiter¬
fchußeg oorhanben. Sa gur 3eit feine Hugficht befteht, baß bie
Regierungen gu einer internationalen Berftänbigung über bie er¬
forderlichen Maßnahmen bereit finb, fo ift bag 3iel auf bem SSege
ber Prioatinitiatioe anguftreben, wobei gu hoffen ift, baß nicht nur
bie Strömungen in ben eingelnen üänbern in ein gemeinfameg
Bett fließen, fonbern baß ber Boben für eine fpätere Betheiligung
auch öer Regierungen oorbereitet wirb. 3nbem ©leichgefmnie aug
allen gewerblich entwicfelten Staaten fich bie öanb gum Bunbe
reichen, werben fte ben Bemühungen um energifche Förberung ber
Hrbeiterfchußgefeßgebung in jebem eingelnen fiaitbe unb um all*
rnälige Sachführung gleichartiger Scßußoorf Triften in allen itultur-
Iänbern einen neuen unb fräftigen Hnftoß geben fönnen. 3a*
£öfung biefer Hufgabe burch Hufflärung, ©ebanfenaugtaufcß,
Hgitation in 2£ort unb Schrift fönneit fich Bertreter jeben Stanbeg
unb Berufeg, jeher politifchen unb wirthfehaftlichen Richtung oer¬
einigen, fobalb fte nur Hnhänger einer augreichenben unb burch* 1
greifenden Hrbeiterfchußgefeßgebung finb in bem Sinne, „baß eg
eine ber Hufgaben ber Staatggemalt ift, bie 3*it, bie Sauer unb
bie Hrt ber Hrbeit fo gu regeln, baß bie Erhaltung ber ©efunb-
heit, bie ©ebote ber Sittlichfeit, bie wirthfehaftlichen Bebürfniffe
ber Hrbeiter unb ihr Hnfprudj auf gefeßtidje ©leichberedjtigung
gewahrt bleiben." (Sfaiferliche Erlaffe oom 4. Februar 1890.)
Berlin. E. Francfe.
fionfttm, fiat*- unb Spornerciu „Produktion“ in
£)ambttrg.
Sie neue in Hamburg gegrünbete ©enoffenfehaft mit befeßränfter
Haftpflicht: Sfonfum-, Bau- unb Sparoerein „Probuftion" ift bereitg
am 3. Februar bei bem ßanbgericßt in bag Finnenreaifter einge¬
tragen worben. Eg giebt wohl nur wenige qenojfenfißaftliche
©rünbungen, namentlich ber leßteren 3eit, benen ein folcßeg Qnter-
effe entgeaengebraeßt würbe, wie gerabe biefem neueften Unter¬
nehmen. 3« 3eitungen unb 3eitfchriften würbe barüber geftritten,
ob eg fogialiftifchen ober fogialbemofratifchen Hnfchauungen ent-
fprungen fei unb baßer eine einfeitige politifche Richtung ein-
fcßlagen werbe, wag, nebenbei bemerft, bag beutfeße ©enoffenfeßaftg-
aefeß gar nicht guläßt, felbft wenn biefe Hbficßt oorgelegen hatte.
Ferner würbe bie Frage oon Berufenen unb Unberufenen erörtert,
ob bag Unternehmen leiftunggfäßig werben fönne. Hnhänger ber
©enoffenfcßaftgbeweaung feßten große Hoffnungen auf bie weiter
gefteeften 3*cle, währenb einer ber ©egiter biefe ©rünbung eine
äRonftregenoffenfcßaft nannte. Einige behaupteten, man wolle
ang SReueg, währenb Hnbere fi<h wieberum beeilten gu oerfießera,
aß auch nicht eine neue 3bee in biefer jüngften Schöpfung oor¬
hanben fei.
Sem gegenüber ift Folgenbeg $u fonftatiren. Falfch ift bie
Behauptung, bag Unternehmen fei eine fogialbemofratifche ©rün¬
bung; weber hat bie fogialbemofratifche Parteileitung fie angeregt,
noch auch nur gutgeheißen. BJenn aber ber Umftanb, baß U<h
unter ben ©rünbern eine große Hngahl fogialbemofratifcher Hrbeiter
befanben, baß ferner ber fogialbemofratifche Reichgtaggabgeorbnete
o. Elm bie Sache in ber Deffentlichfeit oertreten unb oeriheibigt
hat, biefe felbft gu einer fogialbemofratifchen ©enoffenfehaft ftempefi,
bann bürfen fogialbemofratifche Hrbeiter ja felbft auf wirthfchaftlichem
©ebiete gar nidjtg mehr unternehmen, weil fonft nach ber Hn-
fchauung gewiffer Sfreife bag Staatgintereffe gefährbet wirb. Sie
Hrbeiter werben eg woßl fchroerlicf) Hllen reeßt machen fönnen.
Entweber eg wirb oerurtheilt, baß fie bie heutige ©efellfchaftg-
orbnuna befämpfen, weil fie fie nicht für bie befte unb oollfommenfte
halten fönnen, bag nennt man bann „reoolutionär", ober aber fie
oertheibigen ihre ßebenghaltung gegen £ohnbrücferei unb fud)en
auch gelegentlich eine günftiae ©efchäftgfonjunftur für fich auggu-
nußen, um höheren i^ohn ober Berfürgung ber Hrbeitggeit gu er¬
langen, bann nennt man ihr Borgehen unberechtigt, unoerfchämt
unb friool. Hlle biefe Borwürfe fonnten aber nicht gut gegen bie
©rünbung einer ©enoffenfehaft erhoben werben, unb hoch mußte
biefe alg eine fogialbemofratifche bezeichnet unb oerfthrieen werben,
um fie oor einem Sheile ber bürgerlichen ©efeUfcßaftgu bigfrebitiren.
So<h h^l öag nicht lange oorgehaltcn, benn augenblicflich nimmt
fchon faft bie gefammte Sagegpreffe eine anbere Stellung ein.
Sie geno|fenf<haftli<he 3bee ift ber Hamburger Hrbeiterbe-
oölferung feinegwegg mehr fo neu ober fremb, wie bieg auf ben
erften Blic! erfcheinen mag. 3« oerfchiebenen 3eiten fmb nach ver¬
lorenen Streifg oon ben unterlegenen Hrbeitern beg betreffenben
©ewerbeg probuftioaenoffenfehaften gegrünbet worben, oon benen
bie erfte, eine Sabafarbeitergenoffenfchaft, fd)on im 3<*hre 1848 ing
Seben gerufen würbe. Sie ungeniigenbe Unterftüßung folcher
Unternehmungen unb ber Stonfurrengfampf, bem fie gegenüber ben
fapitaliftifdjen Betrieben unterworfen waren, ließen biefe Berfuche
nicht recht gur Blüthe gelangen, fonbern bewirften, baß fie halb
wieber eingehen mußten. Sa aber troßbem bag ©efüßl beg engeren
3ufammen|chluffeg, auch auf biefem ©ebiet, nicht ooüftänbig oer«
loren gegangen war, fonbern im ©egentheil genährt würbe burch
bie waeßfenbe Eyiftengunficherheit, bie fich mehrenbe Proletari-
firung unb immer größer werbenbe Bebrängung großer Hrbeiter-
maffen burch öen Äapitaligmug, fo lag bie 3bee gewiffermaßen in
ber l?uft, unb eg beburfte nur eineg Hnftoßeg, um fie gu oer-
wirflicßen unb in bie Shat umgufeßen.
613
Soziale graste. Sentralblatt für Sozialpolitik Rr. 23.
614
©abei burfteit jebodj bic alten Saß nett, bie größtentßeilg un*
genügenbe Erfolge gezeitigt batten, mcßt wteber betreten werben.
Sotten Probuftiogenoffenfdjaften mieber neu erfteben unb lebeng*
fähig bleiben, fo ift bieg nur möglich auf ber Safig beg organifirten
£onfumg im Slnfcßluß an biefe Drganifation unb groar baburch,
baß bie Äonfumoereine ben probuftiogenoffenfchaften ihre Shmbfcßaft
Zuwenben. Eg ift big jeßt nocß fein Sali befannt ge*
worben, baß eine oon einem Sfonfumoerein errichtete
probuftiongwerfftätte ihren betrieb wieber hätte ein*
ft eilen muffen. Sllfo gunächft Drganifation beg Sfonfumg, aug
berfelben attmälig emporwadjfenb (figenprobuftion ber haaren,
für welche ßinreicßenber ?lbfaß im Stonfumocrein oorßanben ift,
uni eine probuftiongwerfftätte mit Erfolg betreiben gu fömten.
3u bemerfen ift hierbei noch, baß bie Slugarbeitung ber
Statuten mit ber größten Sorgfalt oorgenonimen ift, baß eine
große Slnzaßl oon Statuten anberer berartiger Vereine alg ®runb*
läge benußt, alg Stubium gebient unb zum Vergleich h^ngesogeit
würbe, um etwag mirflicß Sraucßbareg ju fchaffen.
©ie Statuten unterfcheiben ficf) oon benen anberer Stonfum*
oereine baburch, baß in ihnen gleich oon oornherein bie pro*
buftion, b. h- bie figenprobuftion, ale fernereg 3^ ber ®e*
noffenfchaft bezeichnet wirb, währenb bie beftehenben Sfonfum*
oereine fowohl in ©eutfdjlanb alg auch im Sluglanbe unb namentlich
in Engianb erft burch ißre Entwicklung unb Slugbreitung zur
figenprobuftion gebrängt würben, bie feinegwegg oorher beab*
fnhtigt war, bie aber bei bern namentlich ben englifchen Olenoffen*
fchaften zur Verfügung ftehenben Kapital oiel umfangreicher fein
fönnte, wenn fie alg 3*0«* angegeben unb planmäßig barauf hin*
gearbeitet wäre ober würbe fin weiterer Unterfcßieb ift ber, bah
Me Seftrebungen ber beftehenben Äonfumoereine auf frzielung
möglichst boßer ©ioibenben ßinauglaufen unb bah baburch fehr oft
eine Profitjägern gezüchtet wirb, bie oon Anhängern unb Gegnern
beg ßtenoifenfchaftgmefeng wieberholt getabelt worben ift.
©er $onfuut*, Sau* unb Sparoerein „probuftion" will,
ja muh mit biefem Spftem brechen, um bie Mittel zu befcfraffen,
welche für bie fpäter in Singriff zu nehmenbe figenprobuftion notß*
wenbig finb. Statutarifd) ift baßer oon oornherein feftgelegt, wie
ber Reingewirtn oertheilt werben foH. Sou biefem werben, foweit
er nicht nach ben Sefcßlüffen ber ©eneraloerfammlmtg bem Referee*
fonbg zuaefdjlagen wirb, zunächft an bic Witglieber nach bem Ser*
ßältniß ißrer fulljaben auf ©efcßäftgantßeilfonto ßöcßfteng 5 o/ 0
auf biefe (Guthaben alg ®eminnantßeil oertheilt, barnach werben
bie burch Verträge ober Sefcßlüffc ber ©eneraloerfammlung ge*
währte Tantiemen berechnet unb berichtigt. Son ber bann oer*
bleibenben Summe werben 10% bem Silbunggfonbg iiberwiefen
unb oon bem nunmehr oerbleibenben Ueberfcßuß werben nur 50 %
alg finfaufgbioibenbe an bie Witglieber oertheilt nach
hältnih ber oon benfetben in bem betreffenben Eefcßäftgjatjr aug
bem herein bezogenen haaren, ©er Reft wirb bem haaren*
oorfcßußfonbg, eoentuetten Spezialfonbg, bem probuftiongfonbg
unb bem ©igpofitiongfonbg überwiefen.
©ie finfaufgbioibenbe wirb bem Witgliebe nur augbezaßlt, j
wenn eg feinen Olefcßäftgantßeil ooll bezahlt hat unb wenn Seifen |
Rotßfonbg bie ftatutarifch feftgefeßte ©öße oon 100 Warf erreicht I
hat. ©iefer perfonelle Rotßfonbg hot ben 3 roe( £ baß oug ißm
für bie Bezüge aug bem herein bie Saarzahlungen geleiftet werben j
fotten, bie bag Witglieb in Rotßfätten (Slrbeitglofigfeit, Äranfßeit,
©obegfall oon Somilienanaehörigen :c.) zu leiften außer Stanbe
ift, unb zmar in biefen Sollen unbefümmert barum, ob ber Rotß*
fonbg bie ©öße oon 100 ( ff fchon erreicht hat ober nicht, fg
bleibt jebem Witgliebe unbenommen, bie ©öße feineg Rotßfonbg
auch über 100 ,/i ßinaug zu beftimtnen. ©er Rotßfonbg wirb
Zu bemfelben Säße oerzinft wie bie täglich fünbbaren Spareinlagen.
3u Weihnachten fönnen Witglieber auf ißren SBunfcß big zu 10%
ihreg jeweiligen Rotßfonbg in Saar augbezahlt erhalten.
©er SBaarenoorfcßußfonbg foll bazu gebilbet werben, um
auch Witgliebern, für bie noch fein ober fein Rotßfonbg mehr
oorhanben ift, in Rotßfätten ben weiteren Saarbezug aug bem
Serein zn ermöglichen. SlUerbingg hat bag einzelne Witglieb feinen
rechtlichen Slnfprucß auf £rebit auf ©runb beg SSaarenoorfchuß*
fonbg. ©er ©igpofitiongfonbg foü bienen zur Unterftüßung
für alt unb inoalib geworbeneg Perfonal fowie eoentueH für
Wittwen unb Waifen beffelben. ©em Probuftiongfonbg, ber
Zu probuftiongzweefen gebilbet wirb, fmb wenigfteng 30%
beg nach ^otirnng beg SReferoefonbg unb ber Spezialfonbg fowie
beg Waarenoorfchufifonbg unb 3ohluug ber OJewiunantheile unb
Tantiemen oerbleibenben SReingewinneg zuzuweifen. Sluher ber
figenprobuftion ift für bie fpätere 3 e ü uoch bie frrichtung einer
Sparfaffe geplant, wie fie fchon heute bei einzelnen Äonfumoereinen
wie z- S3- Bei bem Spar* unb ^onfumoerein in Stuttgart einge*
rietet ift.
fbenfattg ift bie Errichtung unb ber Setrieb eineg Sereing*
unb ©efellfchaftghaufeg in Slugficht genommen, wie folcheg alle
röfeeren, namentlich bie englifchen unb belgifdjen Äonfumoereine
eute fchon haben. Serner ift bie Errichtung unb Sermaltung ge*
funber preigwürbiger Wohnungen oorgefehen. Sur biefen 3*oecf
ift ein befonbereg Wohnunagfonto eingerichtet; ein 3)titglieb hot
erft bann Slnfpruch auf Seriicffichtigung bei Ueberweifung einer
Wohnung, wenn eg 100 Warf auf feinem Wohnurtggfonto flehen hat.
3n bem lebten 3ahregberi<ht ber englifdjen ©enoffenfehaften
ift barauf hingemiefen, bafe biefe gut tbun würben, anftatt ihr
Eelb ben Saugenoffenfchaften oorzuftreefen, felber zu bauen, unb
thatfächlich ^ot ber tfonfumoerein zu 3p^n)ich ben Wohnunggbau*
Zwecf mit in feine Statuten aufgettommen. Eg fönnte aber bei
bem lleberflufe an Kapital in ben englifchen Äonfumoereinen für
bie Winberbemittelten, bie oerhältnifemähig am theuerften
wohnen, noch oiel mehr gefächen. Wer bie Hamburger Wohnungg*
oerhältniffe nur einigermaßen fennt unb babei in Setradit zieht,
baß bie Wohnunggmiethen nicht nur in ber inneren Stabt, fonbern
aud) Won in ben Sororten oon ben §augeigenthümern fortmährenb
gefteigert werben, ber wirb hoch auch wohl begreifen, warum ber
Wohnunggzwecf mit in bie Statuten aufgenommen würbe. Warum
foü nicht auch ber Siufcen ber Erunbwertßfteigerung ben Einzelnen
ober ber Eefammtheit ber Witglieber wieber zu ®ute fommen?
Sluch wirb mit ber Erfüllung beg Woßnunggzwedeg beabfichtigt,
bie Sertßeilung ber Sebengmittel burd) räumtießeg 3ufammenrüden
ber Witglieber bittiger zu geftalten.
: ©er ®efchäftgantheil wie auch bie ©aftfumme beträgt 30 JL\
| jebeg Witglieb fann fteß mit mehreren Eefchäftgantheilen betheiligen,
1 aber nicht mehr alg z roa nzig Slntheile erwerben. Seoor jebod)
1 nicht ber Sttothfonbg bie ftatutengemäße ©öße oon 100 , if. erreicht
hat, fann ein Witglieb neue Eefcßäftgantheile nießt erwerben ober
mit ber Erwerbung biefer fortfaßren. Um eg auch Ben minber
Semittelten m ermöglichen, Witglieb zu werben, ift beftimmt, baß
ber Slntheilfcßein erft in brei 3aßren oott bezahlt z u werben
braucht, wie auch Sßeilzaßlungen im Setrage oon minbefteng
50 wöchentlich juläffig finb.
Db ber Serein bag ißm aefteefte 3i c l erreichen wirb, hängt
oon oerfeßiebenen Umftänben ab, oon ber Setßeitigung ber Se*
oölferung, ber ©üd)tigfeit ber leitenben Kräfte unb bem Eifer, mit
bem fieß biefe bem Setein wibmen. Salfcß ift eg jeboeß, wenn be*
ßauptet wirb, man wolle bag ©aug beim ©ad)e anfangen, geplant
ift bie Entmicfelung oon unten aufmärtg, baßer mirb zunäcßft mit
bem Ein* unb Serfauf notßmenbiger £ebengbebiirfniffe angefangen
werben. Wenn man bie bigßer erzielten Erfolge ber konfum*
oereine jum Sergleicß heranzieht, fo barf man woßl hoffen, baß
auch biefe fooiel angefeinbete unb alg utopiftifcß ßingeftettte
Orünbung einft beffere Srücßte z c iHgen wirb, alg bieg oon ben
Eegnern oorauggefeßt wirb.
9facß einer amtlichen 3ufummenftettung ber ^onfumgenoffen*
feßaften in Englanb gab eg bort im 3ußre 1897 1710 Eenoffen-
feßafteu. ©er ®efammtumfaß berfelben betrug 1 132 649 600, //;
©er in ben Monfumoereinen erzielte SRettooerbienft betrug
128 048 560 J(, ©ie 3)titglieberzaßl betrug 1 468 955. 3u
©eutfcßlanb berichteten für bag 3«ßr 1897 an ben Eenoffen*
fcßaftganwalt ©errn Dr. ©ang Erüger 489 Äonfumoereine, ißre
Sätglieberzaßl betrug 403 872, Serfaufgerlög z^u 96% Millionen
I Warf, Reingewinn circa 10 Wittionen Warf, bem Referoefonbg
würben 208 000 < // überwiefen; für Silbungg* unb gemeiitnüßige
3wecfe würben 30 029 J(, oerwenbet. ©ag Setriebgfapital ber
berießtenben .Stonfumoereinc beträgt 20 Willionen woooit
8 Wittionen auf bie ®efcßäftgguthaben ber Witglieber, 3% WU*
lionen auf bie Referoefonbg, 8 % Wittionen auf angeließene frembe
®elber entfallen; leßtere würben meift zum Erwerb oon ®runb*
befiß aufgenommen, ben 211 berießtenbe ^oitfumoereine im Sucß*
wertße oon 9 J /3 Willionen Warf hatten.
Sei ben allermeiften Honfitmoercinen ift ein 3uwacßg ber
Witglieber zu oerzeießnen. So ift beifpielgweife bie Witglieberzalil
beg Sreglauer Sereing oon 39 699 Witgliebern im 3ußre 1896
auf 58 239 im 3aßre 1897 geftiegen, ber Waarenoerfaufgcrlöö
betrug 9 796 705 c 4(, t ber Reingewinn 1 192 749 // ©er Serein
Seipztg^plagwiß ßattc in zu>ci Sußren eine 3unaßme ber Wit^
glieberzaßl oon 10 933 auf 16 177 zu oerzeießnen, ber Waaren*
umfaß ift in berfelben 3eit oon •“> l /-_» auf 5% Willionen Wart, ber
| Reingewinn oon 361 829,// auf 566 966 , // geitiegen: in ben
beiben leßteu 3ußreu würben 10 % Einfaufobioibeiibe oertheilt.
615
616
Sogiale $ra£i§. ©entralblati für Sogialpolitif. Nr. 23.
Tiefer herein bat *22 VerFaufgfießett für Kolonialroaaren unb
3 Verfaufv (teilen für Sdjnitt* unb Vtanufafturroaareit, befiel eine
eigene Väcferei uitb eine eigene üßüfjle. Tag im herein befchäftigte
Verfonal ift auf circa 400 ^erfonen angeroaebfen. Tie Arbeitggeit
ber SBätfer ift eine achtftünbige, roie auch anftänbige Söhne begabt
roerben. Tag gefammte ^erfonal erhält außerbem jährlich eine
Boche Serien, ohne Abgug oom Sohne.
Aug bem amtlichen 33erid)t über bie probuftioe Tbätigfeit
briiifdjer Arbeitergenoffenfd)afien oom Jahre 1897 gebt §eroor,
baß ber gefammte Bertb ber in biefen Vrobuftiongroerfftätten ba>
cjeftellten haaren 192 812 069 c/# beträgt. Tie 3 a bl btt befd)äf*
tigten Arbeiter betrug 29 668, in Konfumoereinen maren außerbem
befdjäftigt 43 490 ^erfonen, gufamntmen 73 158. ©barafteriftifcb
für bie Birfung ber ©igenprobuftion ber Konfumoereine ift eg,
baß bie Konfeftionggroeige ber englifeben Konfumoereine mit Erfolg
fonfurriren gegen bag Scbroißfpftem unb bie Scbroißlöbne ber eng*
lifdjeu ©roßftabte. Jrau Sibnen Bebb fagt barüber in ihrem
Vu<b über bie brüifcbe ©enoffenfebaftsberoegung:*) „©nblicb fabelt
bie ©enoffenfdjaften ber bemofratifdjen Jorm mit ihren großen
Kapitalien unb fixerem Nfarft oiele beit Scbroeißaugtreibern oer*
faßene ©eroerbe in Jabrifinbuftrien oerroanbett unb fo ben Ar*
beitern gefunbe Arbeitglofale unb ben ©eroerfoereitten eine
fefte ©runblage gefiebert. Tenn roer fönnte nach ben non
bem Augfcßuffe beg Oberbaufeg gemalten ©ntbiißungen begroeifeln,
baß bie ^auginbuftrien unb bie flehten Berfftätten bag größte
fogiale unb öfonomifebe |>inberniß für bag ©ebenen unb bie
Tauerbaftigfeit beg ©eroerfoereing finb? Vergleichen mir bie ©e*
noffenfdjaftgbäcfereien mit ihren praeßtooßen ©ebäuben unb null*
fommeneit Ntafcbinenroefen mit ben unter ber ©rbe unb in hinter*
böfen gelegenen <f)öbten ber ©ngelunternebmung; Dergleichen mir
bie Scßtteiber* unb ^embenabtbeiluitgen ber febottifdjen ©roß*
banbelegenoffenfcbaft in Sbielbbaß mit ben Sd)roeißtreiberrocrfftätten
in ©laggoro; befudben mir bie Beftcnb*ScbubroaarenfabriF ber
englifeben ©roßbanbelggenoffenfcbaft in i2eiccfter unb ftellen mir bie
Nettoeinahmen, bie T>auer ber Arbeitggeit, bie fanitären Ve*
bingungen in berfelben neben biejenigen, melcbe im Kleinbetriebe
ergielt roerben!"
An artberer Stelle fagt Srau Bebb in bemfelben Viicß: „Tie
fcf;ottifc^e ©enoffenfebaft mit ihrem eingigen Augfcbuß, Der in
©laggoro feinen Siß bat bat ihre probuftioeit Abteilungen in
einem großen Unternehmen in Sbielbbaß, 5 teilen oon ©laggoro,
oereinigt. £)ier haben fie bie größte ScbubfabriF Scbottlaubg er*
richtet; bitt roerben auch Kleiber, Ntöbel unb Kon fernen bergeftellt,
hier betreiben fie bag ©efdjäft beg ©erbeng unb beg Trucfeng.
©g biente ber f<bottif<ben ©enoffenfebaft gur ebrenooßen Auggeidj*
nung, baß fie geroiffe ^robuftionggroeige, roie g. 33. bie Anfertigung
oon jpemben, gunädhft mit Verlieft ing Sehen gerufen bat, um eg
gu oermeibett, mit ginnen, bie ihre Arbeiter unter eien beit 33e*
bingungen befebäftigen, ©efebäfte gu madjen. Unb eg erfreut, baß
roir roeiter berichten fönnen, baß ihre oortrefflidjcn s JNafd)inen unb
Drganifation fte fcbließlicb in ben Stanb gefegt haben, für bie
Fertigung ber öemben, bie fie an bie ©enoffenfebafter oon Nero*
caftle oerfaufen unb mit benen fie bie febottifefjen ©rubenbiftrifte
oerfeben, gute Söhne gu gablen. Jb^ Berfftätten finb oon groß*
artigem Umfang unb mit ben neueften ©inridjtungen unb ben
allerbeften NFafdjinen auggeftattet. Sie probugireit jährlich für
77 857 £ Baaren unb befebäftigen in ihren probitftioen Ab*
tbeiluitgen 1024 Arbeiter."
Teggleidjen berichtet Abele ©erbarb über ben Vooruit in ©ent
(Belgien): „Jn ben fyofyn luftigen Berfftätten auf ber gifleiten
©tage fißett bie Näherinnen (ctroa 40 ^erfonen). Tie Jußräber
ber Näbmafcbinen roerben burd) ©leftrigität getrieben, bureb ©lef*
trigität roerben bie ^lätteifen erroärmt. Keine für bie Vefdjäftigten
gualooße Temperatur berrfebt, feine gefunbbeitgmörberifcbe Haltung
beg Unterförperg ruinirt l)ier bag junge Niäbcben in feinen beften
Jahren ober lägt bie oerbeiratbete grau nicht bag Kinb in ihrem
SdjoB in normaler Beife augtragen."**)
Siitb alfo anbergroo berartige ©rfolgc ergielt, roarum foßte
bag nicht aud) in §atnburg unb ben augrengenbeu Orten erreicht
roerben fönnen, roemt giefberoufit auf bie ©igenprobuftion bin*
gearbeitet roirb, gitmal ba bie l^ier in 33etrad)t fontmenben Arbeiter
uod) über einen guten Joub* oon Jbealigmug oerfügen, bafe fie
unt ber roeiteren Jiele roillen gern auf einen Tbeil ber Tioibcnbe
3>ergid)t leiften roerben, umfomebr alg ber 23ergicbt nur ein oor*
'l Veipgig, Tmicfer d .VSiuiiMot, lsun.
» .Moniuingeiioficnfdiaft unb Bügialbcmofrntie. Nürnberg lsn:».
beriefu A- (iomp.
läufiger ift, ba ja aug beit mit ben nicht oertbeilten Tioibenbeit
errichteten ^robuftioneu ben NJitglieberu roieber ber aug biefen er*
gielte ©eroinn gufliefjt.
Schon in ber fonftituirenben 33erfammlung berrfchte eine baff s
nunggfreubige unb guoerfichtUcbc Stimmung begüglich beg ©e*
ltngeng beg angefangenen Berfcg. Tie bisher gemachten ©rfal)=
rungen in nufcbringenber Beife anaeroanbt, ben 33licf ftetg auf bag
©angc gerichtet uno SSertranen gu oer großen Sadje, roirb man bie
Scbroierigfeiten überroinbeu, bie feinem Unternehmen, alfo aud)
bem Konfum*, 33au* unb Sparoerein „^robnftion" nicht, erfpart
bleiben roerben.
Hamburg. §. Stiibmer.
^Ugcoteine Sojial- ttni ÄirtfjfrfjoftspolüUt.
9^oueHe gnr bttttfehen ©eloerbeorbmtttg.
(KongeffiongpfHcht ber Stellenoermittler. -- 33eftim*
mnngen über bie Konfeftionginbuftrie. — Sd)u|$ für
§anbelgangeftellte.)
Tie in ber Tbronrebe bei ber ©röffnung beg Neidjgtagg in
Augficht geftettte Nooelle gur ©eroerbeorbnung bat bie 3aftimmung
beg 33unbegratbg gefunben. Noch beoor fie an ben Neidjgtag ge*
langt ift, bat bie „Norbbeutfcbe Aßgemeine 3eitung" aug bem ©nt*
rourfe jolgenbeg mitgetbeilt:
3ur 33efeitigung ber über bie Niifjftänbe im ©eroerbe ber
©efinbeoermietber unb Stellenoermittler laut geworbenen
Klagen foßen biefe ©eroerbetreibenben fortan ber Kongeffiongpflicht
unterroorfen unb bie Sanbeg*©entralbebörben ermächtigt roerben, über
ben Umfang ber 33efugniffe unb Verpflichtungen, foroie über ben
©efcbäftgbetrieb biefer ^ßerfonen Vorf^riften gu erlaffen. Solche
Vorfcbriften foßen fortan auch begüglid) ber Auftionatoren er*
laffeu roerbetr fönneu. Au^crbem foßen bie ©efinbeoermietber unb
Steßenoermittler oerpflidjtet roerben, bag Vergeicbni§ ihrer Tayen
ber Ortgpoligeibebörbe eingureichen unb angufchlagen. Tie Vüd^er*
reoiforen roerben ben im $. 36 ber ©eroerbeorbnung begegneten
©eroerbetreibenben gleichgefteßt.
ferner bringt ber ©ittrourf Veftimmungeit über bie ©in*
fübruitg oon Sobnbüchern unb Arbeitggetteln, foroie über bie
Ntitgabe oon Arbeit nach C>aufe an Arbeiterinnen unb jugenb*
liebe Arbeiter. 9Nit einigen, gum Tbeil nicht unwefentlichen Ab*
änberungen roieberbolen bie Vorfcbriften bie Vorfdjläge im Artifel I
beg in ber Seffion 1895/97 unerlebigt gebliebenen ©ntrourfg. Tie
oorgefdjlagencn Abänberungen befeitigen eine Neiße oon Vebenfen,
roeldie foroobl innerhalb roie außerhalb beg Neid)gtagg gegen bie
bamalige Jaffung oorgebraeßt roorben finb. Qit erfter Sink auf
bie Koitfeftionginbuftrie berechnet, ermöglichen bie neuen Vor*
fdjläge gleichzeitig eine Anroettbung auf anbere ©eroerbggroeige, für
welche ctroa ähnliche VUßftänbe feftgefteßt roerben. Tie ©infübrung
oon Sobnbüchern ober Slrbeitggetteln foroie bag Verbot ber 3Rit*
gäbe oon Arbeit nach ®aufe faß auf biejenigen ©eroerbe befd)ränft
roerben, in benen bie Unflarbeit ber 3lrbeitgbebingungen ober bie
Sänge ber Arbeitggeit gu SKißftänbcn geführt bat. Ter Vorfcßlag
beg früheren ©ntrourfg, wonach bie VUtgabe oon Arbeit nach §aufe
in benjenigen Jäßen foßte unterfagt roerben fönnen, in benen
Arbeiterinnen unb jugenblidje Arbeiter minbefteng fedjg Stunben
in ber gabrif befebäftigt roaren, ift nicht roieber aufgenommen, bie
Raffung oielntebr fo gewählt roorben, baß babei bem Slrbeitgeber
bie Ntöglichfeit bleibt, bie Arbeiterinnen unb jugenblichen Arbeiter
bie gefeßlid) guläffige Arbeitzeit ßinburch in ber Jabrif unb gu
£aufe gu befebäftigen.
©nblich enthält ber ©ntrourf eine Neibe oon Veftimmungen
über bie Vefcbäftigung oon ©ebülfen, Sebrlingen unb
Arbeitern in ben offenen Verfaufgftellen. hiernach foß
biefen V cc fanen nach Veenbiguna ber täglichen Arbeitggeit eine un*
unterbrochene Nubegcit oon minoefteng 10 Stunben unb innerhalb
ber Arbeitggeit eine aitgenteffene Ntittaggpaufe gewährt roerben
mitffen. Birb bie Niittaggmablgeit außerhalb beg ©cbäubeg ber
Verfaufgfteßc eittgenommen, fo foß bie Jeftfejjuitg ber Tauer ber
^ßaufe^ burch bie ©emeiitbebebörbe erfolgen, fie muß inbeffen ftetg
minbefteng eine Stunbe betragen. Tein ©ebanfen beg obliga*
torifchen Sabenfdjluffcg trägt ber ©ntrourf inforocit Ned)iiung,
alg er auf ben Antrag oon minbefteng groei Trittein ber betheiligten
©efefjäftginbaber bie höhere Venoaltuuggbcbörbc ermächtigt, nad)
Anhörung ber ©emeinbebehörbe für alle ober eiugelne ©efd)äftg*
groeige anguorbneu, baß bie offenen VerFaufgfteßcn roährenb einer
617
Sosiale $rajt$. Eentralblatt für Sosialpolittf. Rr. 23.
618
näßer su beftimmenben 3 e it sroiften 8 llßr AbenbS unb 6 Uhr
Borgens geftloffen fein müffen. V>irb ber üabenftluß um 9Ußr
ober fpäter angeorbnet, fo fann berfelbe bis 7 Ufjr Borgens er*
ftreeft roerben. ®ie etwa erforberlicßen Ausnahmen roerben bei
ber Anorbnuitg su berüeffittigen fein. 3 ur Bermeibung einer un¬
billigen Sfonfurrens foß aut ber ©eroerbebetrieb im Umßersiehen
cntfpretenb beftränft roerben.
• 3n bem neuen §anbelSgefeßbud) ift für bie ©eftäftsinßaber
bie Verpflittung begrünbet roorben, bie ©eftäftSräume unb
bie für ben ©eftäftsbetrieb beftimmten ©eräthfeßaften fo ein-
Surid)ten unb ju unterhalten, baß ber HanblungSgeßüIfe gegen eine
©efäßrbung feiner ©efunbßeit, foroeit eS bie Ratur beS Betriebes
geftattet, gefd^ü^t ift. Die Befolgung biefer ©ruitbfäße, weite
gegenioärtig bem Belieben beS Verpflichteten überlaffen ift, foll
bitref) Aufnahme befonberer geroerbepoliseiliter Vorftriften in bie
©eroerbeorbnung gefiebert roerben. 3 nt Sntereffc einer befferen
Lehrlingsausbildung roirb in Ausiitt genommen, betn Lehrßerrn
auSbrücflit bie Verpflichtung aufsuerlegen, ben Lehrling sunt Be-
furf) ber ÖortbilbungS- unb gacbfcbule ansußalten unb ben Stal*
befuch 31 t überroatheit.
* *
*
Soweit fijh nach biefen Rtittbeilungen ein Urtheil bilben läßt,
erbüefen roir in ben Vorfchlägen ber Rooefle nüßlite $anbßaben
Sur Vefeitigung ernfter unb roeitoerbreiteter ÜJttßftänbe. VHr leugnen
nicht, baß unfere eigenen VHinfte sum Dßeil weiter gehen, aber
bas fann uns nicht abhalten, in biefer Vorlage einen erfreulichen
Schritt oorroärts unb einen Ausfluß gefunber Sogialpolitif su
begrüben. Auf bie einseinen, fehr oerfchiebene ©ebiete ber gewerb¬
lichen Arbeit regelnben Vorftnften roerben roir fpäter eingehen.
Broteft gegen Fortführung jeber Sosialreform — fo barf man
es roohl nennen — hat bie im Eentraloerbanb beutfeher 3nbuftrieller
oertretene ©roßiubuftrie in einer Delegirtenoerfammlung am 28. Fe¬
bruar su Berlin erhoben. Die beibett ©eneralfefretäre Buedf unb
Beumer führten baS SBort unb ergingen fid) in ben fchärffteu AuS*
fällen gegen bie Dilettanten, Eiperimentirfünftler unb Verföbnungs-
pofitifer, bie sroar eine große" Bibliothef, aber feine Äenntniß beS
praftifdjen Gebens hätten. Daß bie „Sosiale VrayiS" einen Dßeil
ber Soften ber Unterhaltung befahlen mußte, regnen roir uns sur
Öhre an. Denn roir waren in fehr guter ©efeßftaft. üöurben
hoch auf berfelbcn Verfammlung ben oerbiindeteu Regierungen
wegen ber 3noalibitätSnooelle fo^ialiftifdfje Anroanblungen unb För-
berutig ber fosialbemofratifchen Agitation uoraeroorfen (ogl. Sp. 626
biefer Rümmer). Unb ber nationalliberale Eintrag auf Errichtung
oon SeftionSgeroerbegerichten, in beiten Vertreter ber Arbeitgeber unb
Arbeiter frieblicf) an gemeinfamen Angelegenheiten arbeiten, würbe
ebenfalls ftarf oerbantmt. Der Eentraloerbanb bentfeher 3abn*
ftrießer ift gegrünbet, um bie Fntereffen eines DßeilS ber ©roßiubuftrie
SU wahren; bie ©eneralfefretäre fofeßer Verbänbe finb su biefent 3mecf
angefteflt. 2 Sir nehmen es ihnen gar nicht übel, wenn fie bie ihnen
Sur Bßitt gemachte Aufgabe nach beften Kräften su erfüllen fueßen,
wie bieS bie Beamten ber ArbeiterberufSoereine ja auch thun. Aber
roir fönnen hoch nicht Alle ©et^ralfefretäre inbuftrieüer Verbänbe fein,
unb baßer müffen uns biefe Herren fchott geftatten, baß roir unfere
eigene Meinung — nicht Dort ihnen, baS ift Rebenfadje, fonbern
oon ben fosiafen unb roirthfchaftlichen 3 uftänben unb ben nötßigen
Reformen haben. VMr, bie roir auf bem Bobeti ber Fortführung
ber Sosialreform im Sinne ber $taiferbotftaften oon 1881 unb
1890 ftehen, haben feine anberen 3utereffen su oertreten als baS
5Soßl beS gansen VolfeS, beS Staates unb beS Reiches, baS nach
unferen Begriffen allerbingS nicht mit ber ©roßiubuftrie ibentifisirt
roerben barf. Unb roaS baS blöbe ©erebe oon Satfennern unb
Dilettanten anbetrifft, fo haben erfreulicherroeife bie Herren ©eneral-
fefretäre barüber aud) nicht su richten. Die F*eunbe ber Sosial-
reform s^^Ien in ihren Reihen nicht wenige ©roßinbuftrieße unb
Fabrifqnten neben Bolitifern aller Parteien, (Mehrten, Beamten 20 .
VHr entnehmen bem Rebesorn ber Herren beS EentraloerbanbeS
nur bie erfreuliche ©etoißßeit, baß bie ©egner ber Sosialrefonn
ben Boben unter fief) roanfen fühlen, unb bie Ermutigung, sur
weiteren Erfchüttcrung ihrer Vafdion nach Kräften auch ferner
beisutragen. Das Befte basu tun fie freitief) immer felbft.
Der nationaüiberale Antrag anf Errichtung Oon ArbcttS-
fammern (ogl. Sp. 582) hat gerotffe Streife ber ©roßin buftrie, bie
in ihrem Herren bewußt fein jeoe Verßanblung mit Arbeitern auf
bem Boben ber (Gleichberechtigung entrüftet abroeifen, tief erregt.
Auf ber Delegirtenoerfammlung beS EentraloerbanbeS beutfeher
Snbuftrieller würbe ber Vorfchlag, ber oon fo heroorragenben
Fabrifantett roie Freiherrn 0 . §epl unb ßRüwß - Ferbcr foroie
28 anberen Rationalliberalen aus aßen BerufSftänben unterseichnet
ift, besichtigt, er roerbe ber fosialbemofratifchen Bewegung
eine fo große Blatt geben, baß unfer roirtbfchaftlicheS Leben im
höchften ©rabe bebroljt würbe. Die Reichspartei läßt erflären,
ber Antrag fei bas Bebenflichfte, roaS bisher im Deutften Reichs¬
tage oon nichtfosialbemofratifter Seite beantragt roorben. Unb
babei hatte fogar Freiherr 0 . Stumm bot cr f* fürslit uot fiel)
einoerftanben mit feinem Freunbe 0 . .'pepl über eine gemeinfame
Drganifation oon Arbeitgebern unb Arbeitern befannt. s JRan fann
fit roirflit beS Spottes faum enthalten über biefe ftlotternbe
Angft, bie ftt in ben Beftlüffen beS EentraloerbanbeS unb ber
ReichSpartei funbgiebt. ©ans treffenb bemerft bie „fölnifte
VoUSseitung": „Dies einige £amentiren über bie Sosialbemofratie
ift bot fd/ließlid) weiter nittS als baS nur ber SosialbemoEratie
förberlite Befenntniß, baß man ihr ohnmättig gegenüberftehc. ,#
Die „Rational-Seitung'' fteht nt bem Vorgehen ber Abgeordneten
0 . §ei)t unb ©enoffen „mit ©c;:ugthunng eine Bethätigung ber-
jenigen fosialpolitiftcn Auffaffung. weite fit nitt in Vatriarta-
liSmuS unb Sßolisei erftöpft, einer Auffaffung, roeldje bie Son-
berung ber fehr oerftiebenartigen Elemente in ber fosialbemofrati-
ften ©ählerftaft, ber reoolutionären unb ber für frieblite Fart-
entroicfelung s u geroinnenben, burt pofitioe Rlaßregeln förbern
roill. Unb baS i|t uat unferer Rleinung rittige Sosialpolitif."
Die $ebmtg beS ArbeiterftanbeS — ein Rußen ber ©roß-
inbuftrie! 3n ihrem oorläufigen FahreSberitte für 1898 bemerft
bie Kölner f>anbelsfammer: „Vom allgemeinen roirthftaftliten
©epttSpunfte aus toirb man bie erfolgte Steigerung ber Söhne
unb bie hi cr fcurt & eT uirlte Verbefferung ber SebenShaltitng ber
Arbeiter nur mit ©enugthuung begrüßen fönnen, nicht allem im
Sntereffe ber Arbeiter felbft, fonbern auch um beSroißen, weil bie
Steigerung ber ^onfumtionSfähigfeit großer Beoöl*
ferungSfreife eine roefentlite VorauSfeßung für bie
Erweiterung ber Ratfrage nat geroerblit^n Erseug-
niffen hübet. Die f)eimift^ Unternehmung wirb um fo ruhiger
in bie 3 «funft feßauen biirfen, je meßr fie fit auf ben aßgemeinen
28ohlftanb aut in ben loßnarbeitenben itlaffen ftüßen fann unb je
meßr u. A. aut ber Bebarf an Rlaffenartifeln snnimmt." Das
ift eine Betätigung ber Vkhrßeit, bie in biefen Blättern immer
roieberßolt roirb: bie Hebung beS ArbeiterftanbeS — unb roaS roill
benn bie Sosialreform anbereS? — liegt im eigenen roohloerftan-
benen 3niereffe beS Unternehmerthums!
©tu fonferPatiPeS Urtheil über EinignngSämter. 3m ©egen-
faß S u geroiffen Behauptungen, bie fürslit im preußiften Abge-
orbnetenhaufe unb auf ber Delegirtenoerfammlung beS Eentral-
oerbanbeS beutfter 3nbuftrießer aufgefteßt roorben finb unb bie
im Vkfentliten barauf hinausliefen, baß man mit fosialeit Sd)iebs-
geritten unb Einigungsämtern in Englanb ftlechte Erfahrungen
gentad)t habe, führt bie „Sheusseitung" aus ber „Sosialen VrapS"
einige Fäße an, wo baS EinigungSoerfahren ben Erfolg einer
frieblit s ftiebliten Vereinbarung hatte (ogl. „Sosiale Vrayis"
Sp. 574) unb bemerft basu:
„^ebenfalls aber fteßen bie Dinge cinftroeilcn fo, baß cS nicht
angeßt, 001 t bloßen Enttäuftungeu auf biefem (Gebiete
Su reben unb oor äßnliteu Verfuchen in Deutftlanb 3 ”
warnen."
Das ift eine Stimme aus bem fonferoatioen Säger, bie eßrlitcn
Beftrebungen snm fosialen Frieben roißfommen fein muß! Vks
fte oertritt, entfpritt aut in ber Dßat meßr ber Vkßrßeit, als bie
ftiefen unb irrefüßrenben Behauptungen über bie englifcßen Ver-
fößnungSämter unb StiebSgeritte, roie fie bie Beamten manter
inbuftrießer Verbänbe lieben.
Eutmünbignug toegett Drunffutt Aus juriftiften Greifen
roirb uns geftneben: Durt bas Ausführungsgefeß snr Eioil-
proßeßorbnung, baS bem preußiften Abgeorbnetenßaufe oorgelegt
ift, roirb ben Annenoerbanben bie Befugitiß eingeräumt, ben An¬
trag auf Entmünbigung einer V^fon wegen Drunffntt S u ftcßeu.
Die Eioilproseßorbnung hat ben SanbeSgefeßgebungen bas Rett
auSbrücflit oorbehalten, ben Armenoerbänben bie Beantragung ber
Entmünbigung s u geftatten. 3m Fntereffe einer genügenden" An-
roenbung ber betrepenben Vorftrift fann nitt beftritten werben,
baß baS felbftftänbige, oon bem Rette ber Familienangehörigen
unabhängige Rett ber Armenocrbänbe Herbeiführung ber Ent=
iniinbigung trunffiittiger ißerfonen gar nid)t entbehrt werben fann
unb auf bie oorbeugenbe Einroirfuitg bei gansen Vtoßnahme nur
6o$iale $ra£t§. dentralBIatt für ©ojialpülüi!. 9fr. 23.
620
619
bann 311 rechnen ift, roenn ben Organen, roeld^e bie Armenpflege
oertreten, bie Vtöglicßfeit gemährt ifi, recftt^eitig betn auf Ver*
fdjroenbuug feinet Vermögens gerichteten Verhalten beS irunf*
flistigen entgegen^utrcten. ®ic Maßregel mürbe größtenteils beS
praftifcßeit Berts entbehren, roenu mit ber dntnuiubigung nur
feiteuS ber ttäcßften Angehörigen oorgegangen roerben fonule, unb
besßalö bürfte fi<ß bie Nachahmung biefer Vefiintntung beS preu*
ßifcßeit dinfüßrungSgefeßeg and) für bie übrigen VunbeSftaaten
rooßl empfehlen. 2)aß bamit unter Umftänben auch ein gctoiffei*
Viißbraucß getrieben merben fann, läßt fieß freilich nicht burcßauS
oerneinen. Snbeffen fomrnt bemgegeniiber in 93etracf)t, baß ja bie
dntfdjeibung burd) bie orbentlidjen (Berichte im Bege beS eioil*
pro^effualcn Verfahrens erfolgt unb bie lauteten gegen eine un*
gerechtfertigte dittmünbigung burth bie neue Sfaffung ber dioil*
pro 3 eßorbnuitg hoch ber Art oerftärft morben finb, baß in ber
.ftauptfadje mit biefer doentualität nicht ernftlich gerechnet 3 U roerben
braucht. Scbenfatls* bietet biefer unmittelbare AntragSrecßt ber
Armenoerbänbe an fich ein roirffameS Mittel jur Verhütung ber
Steigerung ber Armenlaften in <$olge eineg unroirtßfißaftlichen,
felbftoerfchnlbeten nnb barunt auch nermeibbaren Verhaltens.
$te Vefteuerung ber SHnfißüienfraft $nnt Veften ber Arbeiter
in Sfröttfreiiß oerlangt ein oon beni Abgeorbneteu doutant in ber
Kammer eiitgebrachter Antrag. 3)er fo 3 ialiftifcße Autragfteller geht
feineSrocgS oon bem ©ebanfen aus, baß ber 2Rafcßinenbetricb an
fich eine Verbräitgung ber £>aitbarbeit unb bamit einen abfoluteu
Aacßtßeil für bie arbeitenben klaffen mit fich bringe. ®ie Vor*
theile, roelcße aus ber Anroenbung ber üraftmafeßineu erroad)fen,
feien bisher jeboch in erfter Linie bem Kapital jngcfomuien,
roährcnb fie für ben Lohnarbeiter bie ©efaßr ber ArbeitSlofigfeit
unb ber Snoalibität bebeutenb oergrößerteu. $)iefe fd)äblicßen
Birfungen fönneit — nach ben Vfrtioen beS Antrages — babureß
fompenfirt roerben, baß man aus ber Vefteuerung ber Vtafcßinen*
traft bie Mittel für bie ©riinbung oon nationalen Waffen für
ArbeitSlofen* unb AlterSoerforgnng befchafft. doutant fcßlägt eine
2 aj*e oon 5 graues für bie ^ferbefraft oor, roelthe oon allen in
XranSport unb 3nbuftric oerroenbeteu ^ampftnafdjinen, fjpbrau*
lifdjen Anftalteu, Was- unb s $etrolcuntmotoreit erhoben roerben foli.
diu ©efeß gnm Schuß ber „ArbettStuiCfigen" itt Schieben
ift oon beiben Kammern angenommen roorben. 3 e itnngSberichte
rnelben barüber: ds lag ein Antrag beS ©efefcauSfcßuffcS uor,
ins Strafgefefc bie Veftimmung aufjunehuteu, roonach ber Verfucß,
3 emanb burd) ©eroalt ober Drohung 3 ur Sheilnaßtite am Aus*
ftanb gu jroingen, mit Strafe bis gu ^roei fahren Strafarbeit be*
broht roirb. Vegriiitbet rourbe ber Antrag mit bem £>inroeife, baß
bei Streifs Vüßßanblungen oorfämen, bie nach ben bisherigen Ve*
ftimmungen nicht bestraft roerben fönnten. $>er Sprannei ber
^aeßoeretne rnfiffe man entgegentreten. 3>aS ©efeß roäre 311 m
Bohl ber reblicßen Arbeiter uothroenbig. din Aebncr bemerfte,
ftreifenbe Arbeiter müßten in ber Aegel als fchäbliche ©lieber ber
Wefellfchaft betrachtet roerben. 3)er Vrofeffor ber SJtechtgroiffenfcßaft
£rpgger jeboch fpraeß fich in ber drften Kammer mit aller dnt*
feßiebenheit gegen folcße Veftimmuitgen aus, bie er als unbillig
unb gefährlid) be 3 eicßnete. Unbillig roäre ber Vorßßlag, roeil er
gegen ben uralten feßroebifdjen ©runbfaß im Strafgefeß, roonach
nur baS oollenbete Vcrbredjeit, aber nidjt ber bloße Vcrfud) beftraft
roerbe, oerftoße. ferner roäre ber Vorfcßlag gefährlich, roeil er
eine VJenge Arbeiter, bie fich oielleicht 3 U Drohungen hinreißen
liefen, aber fidjer nicht 311 Xßaten übergingen, ins 3ud)tbauS
bringen fönne. Auch in ber 3 n>eiten Kammer erhoben fid) oer*
ein^clte Stimmen gegen bie Vorlage, roobei ein Abgeorbneter
barauf ßinroies, baß 3emanb, ber einen Anberen 3 U 2)icbftaßl ober
Vfrrb 311 3 roingcn fuche, frei auSgelje, roenn baS Verbrechen nicht
3 ur Ausführung fomme. $aßer hätte es audj feinen Sinn, bie*
jeuigen Arbeiter 3 U beftrafeu, bie ihre ©enoffen 3 ur ArbeitSnieber*
legung 311 oerleiten fudjten. Xrohbem rourbe ber Antrag in beiben
Kammern unb 3 toar in ber 3 roeiten mit 108 gegen 93 Stimmen
angenommen. — dine Aeuheruug ber Regierung ift noch nicht
erfolgt.
Soziale Jofläuöe.
(Einheitliche Vefttmmungen für bie ^ienfit« unb Aulje^eit ber
difenbahnbetriebSbeamten in 2)eutf(hlanb. Bie im AeidjStage bei
ber Veiathnug beS dtats bes AeichS*difenbahnamts mitgetheilt
rourbe, hoben im oerfloffeneit 3ol)t'e fommiffarifche Verathungen
über bas Hh'aß ber an bas difenbahnbetriebsperfonal 3 U ftellenben
bieuitlidien Anforberungen ftattgefituben. "Diefe Verathungen foroie
roeüere, oom AeichS«difenbahnamt mit ein 3 elnen VunbeSrcgierungen
gepflogene Verhanblungen ha^n 3 ur Aufftellung oon „Veftim«
mungen über bie planmäßige 2 )ienft* unb Äuhejeit ber difenbahn«
betriebsbeainten" geführt, Denen nunmehr alle betheiligten Ne*
gierungeu beigetreten finb. $)ie Veftimmungen enthalten bie
©runbjäße, oon benen bei ber Vemeffung ber $>ienftbauer beS
StationS* unb VahnbcroachungS* foroie bes 3ngbegleitungS* unb
ßofomotioperfonals auS 3 ugehcn ift, unb follen auf atte mit ber
felbftänbigen Bahrnehmung ber 2)ienftoerrichtungen biefer Veamten
betrauten $erfoneit Anroenbung finben, ohne Aücfficht barauf, ob
fie als Veamte angefteüt finb^ biätarifch befchäftigt roerben ober
außerhalb beS VeamtenoerhältniffeS ftehen. ^)ie neuen Vorfd)riften,
benen bie ^ienfteintheilung bei ben preußifchen Staatseifenbahnen
im Befentlidjen fdjon h^nte entfpricht, roerben nunmehr auch bei
ben übrigen Staatseifenbahnen allmälig bureßgeführt roerben. 2)ie
Vrioatbapnen finb oom AeichS*difenbahnamte oeranlaßt roorben,
fiinftig nach benfelben ©runbfäßen 3 U oerfahren.
dine So^ialenqnete in einem Arbcifemeriel Oon $ariS hoben
bie Aer 3 te bu BeSnil unb Vtangenot ausgeführt, ds ßonbelt fid)
11 m ein Cuartier im 13. Aronbiffement, bie fogenannte Pointe
b’^orp, roelcßeS 8 ha umfaßt unb oon 4433 Sßerfonen berooßnt
ift. Von biefer Veoölferung finb 3673 ^erfoneit, alfo 4 / 5 ber
©efanimtheit, in Bohnungen oon roeniger als 400 3rcS. VtiethS*
roertl) untergebradjt. S)iefe 3673 Vafonen bilbeit 1266 ,J>auS*
haltungcn, oon roelcßen 134 nach Ab 3 ng bes VJiethSbetrageS nur
noch über ein dinfommeu unter 400 3frcS. oerfiigen, roährenb
633 ^auSßalte noch über 1200 J$rcS. g ur 3)i$pofition haben. Um
jeboch ein genaueres Vilb oon ben thatfäcßlichen 3uftänben 3 U ge*
roinnen, haben bie dnqueteitre bie dinfomntenSoerhaltniffe pro
^opf unb pro Xag auSgerecßnet. ds ergab fieß bemitad), baß
unter ben 1266 beobachteten §auSßalten
r>38 üabeu ein dinfommeu oon mein* als 1 ,üo ^rcs. pro ^ag unb Aiopf
223 = - = 1,uü =
4 s = = u,‘»o -
3 s = (),m> =
2:. = = 0,40 =
14== = = ( ),2b
3 = = = = 0,15 =
Von biefen .sjausßalten finb nur 811 rotrflid)e Samilien*
unb es ift bcmerfcnSroertß, baß 001 t biefen 288 ober 35, 5 %
fiitberlos finb. SDiefer V r a 3 entfaß überfeßreitet beträchtlich ben
^ureßfeßnitt ber unfruchtbaren dßen, ber für ganj Sranfreid)
22 % beträgt, ^ie £iuberfterblicßfeit ift übrigens feßr groß in
bem fraglichen Stabttßeil. Auf 557 ©eburten roäßrenb 5 3aßreit
fameu 202 ^obesfäHe oon tfinbern unter 5 3aßren. 5)er AlfoßoliS*
ntuS feßlt nießt. 9Ran finbet in einer Straße auf 61 Läben
23 Scßenfen unb 8 Krämer, bie ebenfalls alfoßolifcße ©eträufe
oerfaufeit. Qn einer anbern Straße giebt es unter 38 Läbeu fo*
gar 38 Scßenfen. $a£ 13. Aronbiffement, in.bem baS unterfneßte
Cuartier liegt, oertßeilt übrigens alljährlich etroa 900 000 0rrcS.
als Armenunterftüßung.
®te lanbtotrthfchafHichett fiüßue itt dttgfanb. Amtlichen VJit*
tßeilungeu jufolge finb bie Iänblidjen öößne in dnglanb in ben
beiben leßten Saßren giemlicß ftarf geftiegen. Snx leßten Saßre
betrug bie Steigerung 6 Vence bis 2 Schilling roocßentlicß je naeß
ben oerf^iebeneit ^iftriften mit größerem ober geringerem Mangel
an Arbeitsangebot. 3m ^ureßfeßnitt ergab fuß eine Loßnfteigerung
oon 4 V 2 d pro £opf unb Bocße. 3nt laufenbeit Saßrc feßeint
biefe^eitben 3 fieß itocß fühlbarer 3 U maeßen, ba bereits im Sanuar
aus oerfeßiebeneu englifcßen ®iftrifteit eine Steigerung beS Bocßeu*
loßiteS um 1 sh. gern eibet roirb.
30 :beUgebertierbönbe.
„Scßuiar^c Liften." 3n einem feßr rofig gefärbten Vilbc, baS
ber freifonferoatioe Abgeorbueie Vorfter unlängft im N^nßifcßen
Abgeorbnetcnßaufe oon ben Unternehmeroerbänoen entroarf, roar
auiß behauptet roorben, biefe Vereine übten nießt ben geringften
dinfluß auf bie Arbeiteroerßältuiffe bei ben ei^elnen VatgHebern
aus. Vor ben Sßatfacßen hält biefe Schönfärberei nießt Stanb.
2 )ie geioerblicßen Kartelle finb nießt nur rein roirtßfdjaftlicße 3 u*
ftitute, fottbern fie üben oielfacß aueß ein .^errfeßaftsreeßt forooßl
gegen ißre Vcitglieber als gegen bereit Arbeiter aus; aud) „arbeite*
roillige" Unternehmer, bie fold)en Verbänbeit bei 3 utreten fieß
roeigern, roerben bureß Sperre, Vopfott, VerrufSerfläruitg, dnt*
3 ießung oon Lieferungen u. f. ro. bebrängt. Viatt fann mit eben
621
(Soziale ©rajiö- dentralblatt für Sogialpolüif. Dr. 23.
622
foldjem SRedjte dou einem XerroriSmuS ber Unternehmer wie ber
Arbeiter fprecheit. Dur ein paar ©eifpiele aus ber lebten 3*it-
$>ie gürt^er GKaSinbuftrieHen oerönbarten gegenfeitig, bafe Me»
jelügen Arbeiter, bie baS ArbeitSoerhältnife freimütig löfen ober aus
„unliebfamen ©ri'mben" entlaffen werben, non ottberen Unternehmern
erft nach fec^ö SBocfjen rnieber eingefteflt werben bürfen. 25er ©erein
beittfdjer Sapetenfabrifanien erfireeft biefe grift gar auf brei Monate.
2 ie Crgamfation ber Hafnermeifter tn Nürnberg treibt, wie ein iüngft
oeröfientlidjieS ^eugnibfdjema bewetft, bie ©errufSerflärung en gros.
2ie XreSbner 3wangSinnung ber iifcfeler fdjreibt in ihrem Statut
Arbeitsbücher für bie ©ehülfen nor: „25ie ©Jitglicber ber Innung bü^en
nur Wefellen in Arbeit nehmen, welche ftcfj oorfcbriftgmäfetg Iegitimiren
fönnen unb fich ber Erbmmg ber Innung unterwerfen." 25er Arbeit*
geberoerbanb im ©augewerbe in SÄagbeburg £jat 1898 fämmtliche Arbeiter
ausgeiperrt, weil einige an einem AuSftanb betheiligt waren. Xer
©crein ber ©remer (ugarrenfabrifanten f)at ebenfalls bie ftreitenben
Arbeiter jweier ©etriebe in ©erruf erflärt.
©Sir unterfudhen nicht, wie berartige ©fafenahmen mit bem
Wortlaut ober hoch bem ©eifte beS defefeeS im dinflang ftehen.
Doch oiel weniger halten wir es für angebracht, bie Staatsgewalt
gegen biefe AuSwüchfe beS Koalitionsrechtes angurufen. ©Hrffamen
Srf)uh fann hier nor Ottern bie Organifation ber Arbeiter bringen.
Xie ®ewerffchaften, ©ewerfoereine unb fonftigen ©erufSoereine
haben aber auch noch einen anberen DedjtSanfprud), neben ben
llnternchmernerbänben gu ftehen. ©Sie bie gewerblichen Kartette
gegrünbet werben, um oermittelft ber Degelung ber ©robuftion
anaemeffene greife für ihre ©karen gu erzielen, fo bat ber
ArbeiterberufSoerein gang biefelbe Aufgabe, oermittelft Regelung
bes Angebots ben ©reis ber Arbeit in einer ben ßebenSbebürf*
niffen entfprechenben Höhe gu halten. 3n biefem Sinne unter*
fchreiben wir ooflftänoig, was §err Stcinmann*©ucher, jefet
Herausgeber ber „Snbuftriegeitung", nor einigen Sahnen in
SchinoIIerS 3af)ri>u<h ausführte:
„Xarin befiehl eine tiefgeljenbe ontereifengememfehaft ber Unter*
nehmer unb ber Arbeiter, bafe [ie beibe eine ©errümmerung beS ©echtes
ber ©ereinigung, ber Koalitionsfreiheit befätnpfen muffen; benn baS
Koalitionsrecht ber beiben hängt aufs (Engfte gufamnten. öS ift ungu*
läfftg, gegen bie Kartelle oorgugcbcit, wäfjrenb bie Arbeiterfoaliüonen
gebulbet werben; umgefehrt gebietet bie 25ulbung ber Kartelle baS 3«*
geftänbnife gleicher ©ereiniguiigsfreihcit an bie Arbeiter, Aud) ber
Unternehmer fann in biefer üUeidptellnng ber Arbeiter mit iljui in ©e*
311 g auf btefeS ©echt ber ©ereinigung feine ©euadjtfjetligung erblicfen;
benn bie Arbctterfoalüioii führt gu beuifelben ^iele wie bie Koalition
ber Unternehmer, fie ift feine OJegenftrömung, fonbem eine parallel*
ftrömung ober uielmefp* eine Strömung tiadj beuifelben ©unft.
Konftituinwg beS Xentfdjen ArbeitgeberbunbcS für baS ©an*
geioerbr. 2)ie lofalen Arbeitgeberoerbänbe für bas ©augewerbe
aus gang ®eutfchlanb jiub gu einer (tfeneraloerfammluitg einge*
laben worben, bie am 15. ©Järg in ©erlin ftattfinben foü. 2)ie
dlriinbuitg beS ArBeitgeberbunbeS ift auf bem oorjährigeu Xele*
girtentage beS SnnuitgSoerbanbeS beutfeher ©augewerfsmeifter 31 t
©reSlau befd^Ioffen worben unb fofl auSgcfprochenermafeen bie
Arbeitgeber in bie Sage bringen, „ber geschloffenen Koalition ber
Arbeitnehmer erfolgreich entgegen gu treten, um fich bic ^elbftftänbig*
feit in ihren ©etrieben wahren 3 U fönnen." 3 ur ^brilnahme an
ber ©erfammlung werben nur mit ©otlmachten oerfehene unb
legitimirte ©ertreier beS felbftftänbigen ©augewerbeS 3 ugelaffeu.
©erliner Arbeitgeberbmtb. Dad) langen ©oroerhanblungen
ift nunmehr ein Arbeitgeberbuub für ©erlin gefefjaffen worben.
Xie betreffenbeu Statuten finb bereits ootit ©oligeipräftbium ge*
nehmigt. ©orläufig fiub 1000 Arbeitgeber mit 40 000 Arbeitern
bem ©unb beigetreten, ber Aufrufe oon 500 Arbeitgebern mit
20 000 Arbeitern biirfte in ben nächfteit Sagen erfolgen unb
weitere Anfdhlüffe ftehen beoor. An ber Spifee fteljt §err VI. §eege*
walb oon ber ©ereinigung ber ©erliner ©ietaDmaarenfabrifanten.
„Hauptgwccf beS ©erliner VlrbeitaeberbunbeS ift ber 3 u fautmen*
fd)lufe aller ©rauchen ber Arbeitgeber gegen bie Arbeiterorgauifation
((^ewerffdjaftsfartell). Selbftoerftänbltd) hat man auch fofort bie
(^rünbuitg eines UnterftüfcungSfonbS ins Vlugc gefaßt, um eoentuell
bei Streifs unb ©opfotts ben finangiell weniger fräftigen Arbeit*
gebern unter bie Vlrme greifen 311 fönnen," fo wirb in 3 e it ll N9 en
bemerft.
Arbeiterbewegung.
®ie ^((egivtatoerfammlung beS ^efammtberbaubeS ber ebaagelifiheit
Arbeitemreiite BentfchlanbS wirb in Altona am 23. unb 24. 9Hai ftatt*
finben; bic XageSorbrtung ift oorläufig wie folgt fcftgefejjt: ©egnihung
bes ©orftfcenben. ©eridjt beS S^riftführers. ©ertefjt beS Schahmeifters.
£ic fo 3 täle ©ebeutung bei* altteftamentltdjen Propheten; ©eferent Hof s
prebiger a. $. Stodfer. Sinb bie römifch*fatholifcheu ©fannerorbeu ber
neueren 3 eit bem Rialen ^rieben unb ber fo 3 ialen Wohlfahrt ber
©ölfer förberlid) ober fdhäblich gewefen? ©eferent $iafomtS Dr. Kölpfd).
SBte erhalten wir bas Seben in unferen ©ereinen frifch? ©eferent
©aftor 2himm. Arbeitsämter; ©eferent ©rofeffor Hüpfben. ^er ncuefte
Stanb ber SBohnungSfrage; ©eferenten SSeber unb ©iemeper. 3)ic
TOtßftänbe bei ber jejjigen ©erwaltung ber Crtsfranfenfaffen; ©eferent
©aftor ©ünther. 2 )ie ©eorganifation ber ©olfsfefte 3 U chriitlichen unb
beutfehen heften; ©eferent Stabtoerorbner Kott. Kommunale So 3 ial*
politif; ©eferent ©aftor Sraub.
®ie örriihtuttg efoeS ArbeiterfefretartateS in «reSlau ift geplant.
3 n einer ©erfammlung erfannten bie 2 )elegirten bes (^ewerffchaftsfartelis
bie ©othwenbigfeit einer folcpen ^nftitution an unb uerpflidjtetcn fid),
bafür 3 U forgen, bah ihre ©erufe innerhalb oier ©Sodjcn fid) bariiber
erflären, ob fte mit ber (Errichtung eines Arbeiterfefretariats cinocr*
ftanben unb bie SRitglieber ber ©ewerffchaften gewiüt finb, 00 m l.^uli
b. SS. ab 3 U biefem 3 wccfe 10 4 beßuiteuern. 3 ur örlebigung ber
©orarbeiten würbe eine Kommiffion gewählt.
ftampf im etiglifchen ©augewerbe. ®ic AuSfperrung ber 9©it*
glieber beS StucfarbeitcroerbanbeS (National Association of
Plasterers) burch bie Arbeitgeber*©ereiuigung (Master Bnilders’
Association) ift erfolgt. $ie Abftimmuug ber Arbeiter über bie
gorberungen ber Unternehmer ergab 10175 Stimmen gegen unb
nur 36 Stimmen für bie Annahme. 2)ie noch in ben lefcten
Sagen gemachten ©erfuche, eine Konferen* beiber ©arteten 30
Stanbe 3 U bringen, finb an ber Abneigung oornehmlich ber
Arbeitgeber geheitert. Am 4. 3Rarj ©adhmittag erhielten bie
Arbeiter bie einftünbige Künbigung unb würben abgelohnt. Am
6 . friih würben nur folche ©ipfer eingefteüt, bie ftch als ©icht*
mitglieber ber Drganifation befannten.
%>tt 3*h^^beri#t ber babifchett SabriHnfpeftio» für 1898.
2>er in allen fosialpolitifchen Greifen alljährlich mit Spannung
erwartete 3 ahresberid)t ber babifchen öjewerbeaufficht,*) früher regel*
mäfjig ber erfte auf bem ©lape, ift bieSntal gwar oon bem ©encht
für ©apern überholt worben, folgt biefem aber auf bem 5 ufte.
©ieberum aus ber Seber bes |>erru Dber * ©egierungSratheS
Dr. ©?öriShoffer erftattet, enthält biefer ©iidfblicf auf baS oer*
floffene 3 ahr eine Süfle ftatiftifchen Materials unb fo^ialpolitifc^er
©eobachtuugeu; er rechtfertigt oon ©euern ben ©uf ber babifchen
gabriftnfpenion, bie mit befonberer Sachlenutnife unb tief ein*
bringenbeut ©erftänbnife für bie Arbeiterfrage ihre Aufgabe 3 U
löfen weife. $)afe bei bem ©ewufetfeiu einer umfaffeitben unb er*
folgreidhen ^hatigfeit bie gfabrifinfpeftion fich ju ben ©orfd)lägen
ber Kammer, bie Wewerbeauffidht mehr gu becentralifircn, ffepttfeh
ftellt, ift menfd)lich begreiflich, dagegen fomrnt ber ©erid)t bieS*
mal ben Söünfchen, weibliche Auffidhtsbcamte eingufteKen, mehr
entgegen als früher; oermuthlich wirb ©oben nun in ©älbe bem
©eifptel oon ©apern, §effen, Sönrttemberg, fBeimar folgen, ©e*
merfenSwerth aus fo fompetentem ©iunbe ift folgenbeS allgemeine
Urtheil über bie ©efähigung gurn 3afp^ltionSbeamten: „(Eine be*
fonbere ©orbübung für ©ewerbeauffidhtsbeamte giebt es nicht.
3 eber oon ihnen, welchem Sache er auch augehöre, rnufe fich erft in
aubere ©ebiete einarbeiten, was felbftoerftäublich 3 e il erforbert."
Sßir glauben, bafe Herr SBöriShoffer hier bie Eilige unbefangener
anfieht als baS preufeifefee ©egulatio für bie ©orbübung jum 3 n*
fpeftionsbienfte. 2Bie ftarf oor Vlllem bie ©erfönlichfett es ift,
bie eine gebeihliche ©Sirffamfeit oerbürgt, erhellt auch aus folgen*
ber ©emerfung: ,,^)ie ©Ufeftänbe, beren Urfachen tiefer liegen,
beren Stubium unb wenigftenS mögliche ©filberung am @nbe bie
oornehmfte Aufgabe ber ®ewerbeauffid)t bilbet, laffeit fid) nicht
burch amtliche ©erfügungen aus ber ©Seit fchaffen. ®S ift bies
baS gange (Gebiet, auf welkem fich ©erhältuiffe ber gewerb*
liehen Arbeit unb unfer ganger Kulturguftanb fo innig berühren."
$>ie Auffaffung, bie fich i n ^ c f en Morien funbgiebt, fpiegett
fich flar in bem ©erichte über bie 3 u f*änbe in ber Arbcitermelt
©abenS. dS wirb gwar feftgeftellt, bafe ber ©erfehr mit ben
Arbeitern fich immer noch in engeren drengen hält als wünfehens*
werth- 2ß er man empfange Dabei hoch jefet fdEjon uad) ncr*
fchiebeuen Dichtungen burchauS erfreuliche dinbriiefe: „^ie Stetig*
feit ber ©efd)äftigung, welche bie fdjon feit mehreren oaferen
anhaltenbe lebhafte inouftrielle ^hätigfeit gewährt, bie Keinen aber
unter Umftänben ftch wieberholetibeit unb in ber Dcgel feftge=
Karlsruhe, ^rudt unb ©cvrag oon Acrb. Jliiergartcn. Seiten
©reis 3 M.
, 623
Sogiale $rajtS. (Sentralblatt für Sogialpolitit 9lr. 28.
624
halteneit Grhöhuncjen ber Söhne in mannen Qnbnftriegmeigcn, bie
ba unb bort ftatlfinbcnben £)erabfeßungeit langer Arbeitzeiten unb
nid)t gum Vkntgfien bie fogialeit VerftcheningSge[eße ^aben groeifel*
los in geroiffem Umfange böS Gefühl ber Sid^cr^eit in baS
Arbeiterleben getragen, bie aud) Hinflug auf ihre 3)en!imgSQrt
gu haben fdjeint. hierauf ift theilroeife auch bie guitehmenb
ruhigere Veljanblung ihrer Angelegenheiten gurärf^ufähren.
*X)aS hiermit oerbunbene roachfenbe (Selbftoerirauen hat audj, fo
roeit mir bieS mahrnehmen fömten, eine frtoole Veurtheilung ber
Verhältniffe gurüefgebrängt. Angenehm mirb man aud) öfter oon
ber Art berührt, in roeldjer angeftrebte Sohitaufbefferungen be*
grünbet ober brohenbe |)erabfeßungen ber Afforblöljne befämpft
merben." VeHagt mirb tm Gegenfap hiergu, baft noch in meitem
Umfange bei ben Arbeitern etit unberedjtigteS Vcißtrauen gegen
ihre Arbeitgeber beftehe, als ob biefc bei jeoer Gelegenheit ihren
Vcrbienft herabbrüefen moHten: „3n größeren Stäbten roirfen bie
Arbeiterorganifationen baburd), baß fie fuchen, bie 3>inge
flarguftetfen, in biefer Vegieljung immerhin einigermaßen aus*
gleidjenb." $ie bisherige Sheifoahmlofigfeit oieler Arbeiter in
Vegug auf baS VtohnungSmefen fd)roinbe unter bem Ginfluffe ber
treffe unb mancher Arbeiterführer allmählich. — $>er Verfehr mit
ben Arbeitgebern fei ein burd)aus erfreulicher, ben Aitorbuungen
ber Beamten merbe miHig Jyolge geleifiet, unb bie früher hier unb
ba beftehenbe Guipfinblidjfeit höbe aufgehört — ein 3eugniß, baS
gleichermaßen bie Vchörbe mie bie Unternehmer in Stoben ehrt.
VtoS bie Gingelfjciteu beS SahreSberidjteS betrifft, fo mirb
mitgetheilt, baß bie gef etlichen Vorfcßriften über bie Vefdjäftigung
oon Äinbern unb Sugen blichen gut cingeljalteu merben. Ungefeß*
lichfeiten fommen houptfächlid) in Gigarrenfabrifen unb 3icgeleien
oor. (Sine (Stätte mangelhafter SefjrlingSauSbilbung finb bie
fleinen Vucßbrucfercien. 3u bem (streben nach Verbilligung ber
Arbeit merben bem jugenblicßen Arbeiter utandjtnal Verridjtungen
gugemuthet, bie mit ihrer förperlichen SeiftuugSfäl)igfeit im ÜRiß*
oerßältniß fielen. $)ie AtiSbehnung ber Arbeiterfcijufcoorfchriften
auf bie fogenannten Vfotorenbetriebe mirb „miubeftcns als fehr
crroünfdjt" begeichnet. Vtohrenb bie 3afd ber in Sabrifen be*
fchäftigten Sugcnblichen ungefähr gleich geblieben ift, hot fid) bie
3ahl ber Arbeiterinnen abfolut oermehrt (54 039 gegen 51 579),
ihr progentualer Antljeil aber an ber Gefatmntarbeiterjd)aft ift feit
fahren im Sinfen (1894: 32, t4 %, 1898: 29,o6°/o). $ie 3aßl
ber Verheirateten aber ift in gabrifen foroohl abfolut als pro*
jentual gemad)fen; 1894 maren es 10 878, 1898 aber 14 198 unb
m s }kogenten ber 3af)l ber erroaeßfenen Arbeiterinnen 27 ,^ unb
30,39: „$>ie in biefer Vegiehuitg feit Sängern beobachtete mtgünftige
Gutmicfehing bauert ununterbrod)en fort." 3« bem VericiJtSiahre
mürbe ben itonfeftionsgefdjäften befonbere Aufmerffamfeit guge*
menbet; eS ftellte fid) aber herauf, baß bie meiften gar nicht unter
bie VuubeSrathSoerorbitmtg oom 31. Vfärg 1897 fallen, lieber*
arbeit mürbe bei bem künftigen GefcßäftSgang fehr oiet geleiftet
— im Gangen 178 402 Stauben, gu brei Vierteln ift babei jebod)
bie ^forgheimer Vijouteriefabrifation betheiligt. ®afiir, baß bie
Arbeiterinnen auch in Gebiete einbrütgen, bie "bisher ben Männern
oorbehalten maren,. mirb ein Veifpiel aus ber VtetaUiubuftrie an*
efüljrt; bie grauen mürben auf Spenglerarbeit eingelernt, er*
ielten aber erheblich uiebrigere Söhne als bie Vtänner. Sehr
intereffant ift eine längere Darlegung über bie gefuitbheits*
fdjäbigenbe SBirfung gemerblidjer Arbeit auf baS meibltdje Gefdjlecht
im Gegenfaß gu ber lanbmirthfcßaftlicbeu Vefcßäftigung; für mandje
gubuftriegmeiae fei ber llftiinbige Arbeitstag nod) gu lang.
"I)er lebhafte Gang ber gnbuftrie im Saßre 1898 fonunt
mefentUch in ber 3ohl ber befchäftigten Arbeiter gum AuSbrucf, fie
ift oon 173 794 auf 185 978 geftiegeu, ein VtocßSthum, baS
lieben bis acht Vial ftärfer ift als bie entfprechenbe Veoölferungs*
oennehrung. GS hoben fich .'ober nicht fo fehr neue, bisher ber
gnbiiftrie fernftchenbe Greife ihr gugemenbet, als oielutehr aus*
länbifdje Arbeiter, befonbers Italiener unb $olen, h er angegogen
roorben finb. S3ie in ben Vorjahren finb abermals ba unb bort
Verfügungen ber regelmäßigen Arbeitzeit eingetreten, namentlich
hat bie Vemegung in ber llhreninbuftrie gortfd)ritte gemadft. Auch
einßdjtige Arbeitgeber hoben rreimillig eine Aebuftion eingeführt:
murbe nirgenbS oerfannt, baß h^rburch bie ArbeitS*
intenfität erheblich gefteigert mürbe, (ibenfo mirb burch
oerfd)iebene 5Rittheilungen oon Arbeitgebern beitätigt, baß bei ber
fürgeren unb aiifmerf|amer oollgogeuen Arbeit bie vsntettigeng ber
Arbeiter fiif>. hebt, mährenb bie langen Arbeitsgeiteu .... leicht
eine geiftig abftumpfenbe VMrfmtg heroorbraditen. Arbeiter
fühlen bas ebenfalls. Unter ihrer gorberitng fleht baßer ....
eine Verfürgung ber Arbeitsgeit obenan." Sitos bie ^urd)führung
ber Vta^imalarbeitSgeit in Väcfereien anlangt, fo mirb eine Ab*
nähme ber Uebertretungen oergeiebnet unb auSbrücflicß fonftatirt,
baß bie befannte VunbeSrathsoerorbnung oom 4. SRärg 1896
„bei gutem Sßillen oollfommen burchführbar" ift. $>ic
Vorfcßriften über bie (Sonntagsruhe merben oon ben Arbeitern
immer mehr als Söohlthat empfunben, ihrem Vollguge mirb
fteigenbeS gntereffe gugemenbet, 3omiberhanblungen gegen fie
fommen nur menige oor. ^ontraftbrud) ift ber gabriftnfpeftion
nur feiten gur Äenntniß gefommeu. S)ie 1898 eingetretenen Aus*
ftänbe finb roeber nach Umfang noch 2)auer bemerfenSroerth. Ader*
biitgs ift bie 3oh^ fleinen unb furgroährenben Streifs nicht
geringer gemorben. SRühmenb mirb h eri)0r 9 c ^ 0 ^ en / ^ofe
rößere 3ohl oon Arbeiterbemegungen nicht gu AuSftänben geführt
abe, meil fomo|l bie Arbeiter als bie Unternehmer auf gütlichem
SBeae, burch Vefpred)ung gmif^en Arbeitgebern unb Vertrauens*
perjonen ber Arbeiter, bie ftreitigen fünfte in aller SRuße gu er*
lebigen geneigt maren: „Vtonn bie Arbeiter unter fich einig unb
in ihren gorberungen mäßig finb unb menn fie ruhig unb mit
Verücffidjtigung ber thatfäd)li<hen Verhältniffe oerhanbelit, merben
fie ihre gntereß’en jebenfalls am Veften mähren."
2)ie Drganifationen ber Arbeiter merben auf Seite 52
bis 58 beS VerichtS erörtert; mir faffen bie Ausführungen in
folgenbe Säße gufammen:
$ic inneren shwierigfeiten ber gemerffdjaftlichen Srganifation
ber Arbeiter, gerabe mic bieS bei ähnlichen Veftrebungen anberer Gefell*
fdjaftsflaffen ber TJaU ift, treten nmfomchr hcroor, je meniger äußere
Schmierigfeiten berartigen, fich in ben geicjjüdjen Schranfen holtenben
Vejtrcbimgen bereitet merben. CSS fdjeint auch; baß bie jeßigcit giinftigen
feiten bei einem 3l)eile ber Arbeiter nicht bagu beitragen, biejenige
Selbftgudjt gu beförbern, ohne melche bie immerhin fdjroierigen Auf*
gaben folcßer Crganifationen gar nicht erfüllt merben fönnen. So mirb
g. V. in ber Arbeiterpreffe ab unb gu über bie gunehmenbe unaefunbe
CSmpßnblid)feit geflagt, mciche fich in ber Arbeitermelt etufrf)leic§c, bie
fein aufridüigeS SBort mehr ertragen tonne, fonbern hinter Allem Vor*
etngeiiommenbeit unb guriictfe^ung mitterc unb baburch bas Solibari*
tätsgefiihl nid)t ftärfe, fonbern Mißtrauen unb ^mietracht fäe. Auch
bariiber mirb fidj oon biefer Seite mit Aedjt befchroert, baß bie Arbeiter*
orgauifatiotien manchmal in Arbeiteroergnügungsoercine ausarten, au
benen ohnebent fein Mangel fei. Gerabe biefer Umftanb giebt in an*
bereit VeoöIferungSfchi<htcn fo höußg Anlaß gu einer abfälligen, tu
ihrer Verallgemeinerung aber bod) nicht gutreffenben Äritif ber Ve=
ftrebungen ber Arbeiter. VJir halten bal)er bie meit oerbrcitetc Alt*
nähme, baß ben Arbeitern Crganifationeit gur Nahrung ihrer 3nter=
effen megen einer ihnen innemobueuben befonberett Vegeifterung leichter
gelängen als anbereit laßen ber Veuölfermtg, für eine Ueberfdjä^ung
Der Arbeiterfdjaft. Unter normalen Verhältuiffcn erforbert jeber 3u=
fammcnfd)luß Cpfer unb ein erhebliches 9)?aß oon Selbftgudjt. SSettn
auch nicht in Abrebe gefteüt merben foll, baß bie Arbeiter hierin gort*
fchritte gemacht haben, fo ift eS bod) fidjer, baß bie Selbftgucht in ben
gebübeteren Ätaffen ber Veoötferuitg größer ift, als in beit meniger ge*
bilbeten. 2:aS fcheint auch in ben lejjteren gum £heil felbft eingefeheit
gu merben, bemt nur fo finb oielfadje Abmahnungen oon Aus*
ftänbeit unb Mahnungen gur Aithe unb Vefonnenheit gu er*
flären. Solche Mahnungen frfjcinett aber oielfadj gar nicht nötljig gu
fein. 'löcnigfteuS haben gerabe bie in heftiger Sprache gehaltenen
Aebcu unb Vreßcrgcugniffe, melcße bie Arbeiter ben Crganifationcit gu*
führen foHeu, mcift meitig Grfolg. . . . ;gmeifel(os bringt aber bei bnu
eiufichtigerett Iheile ber Arbeitertchaft bie Ucbergeugung mehr unb mehr
burch; baß bie Arbeiter fid) nur burd) ^ortfdjrittc in ißrer inneren Gut*
midclung in guuehiucnbem Vtaße bic ihnen mol)l gu gömtenben äußeren
ffortfdjritte fießern förtneit. So erflären fidj mandje (Srfcheiiutugen in
ber Arbcitcrbemegung, g. V. bas nachhaltige ^utereffe, meldjes in größeren
Stabten ber Ausgeftaltung beS Volfsfdjülmejens entgegengebrad|t mtrb.
And) in ben Arbciterblättern merben oon gu ^eit Klagen über bie
fiauljeit ber Arbeiter beit Drganifationen gegenüber laut.
Vei oerfchicbeuen Attläffen, befonberS menn eS ftch für bie Arbeiter
barunt hcmbelte, errungene Vereinbaruiigen über Sohn ober über Ar*
beitsgeit gegen Veftrebungen ber Arbeitgeber, oon biefett Vereinbarungen
gurüdgutreten, gu oertheibigeu, h a ücu bie Arbeiter bic (Erfahrung ge*
macht, baß iljre gemerffdjaftlidjeit Drganifationen gu lorfer finb, um
eine mirffante Vertheibiguug gu ermöglidjen. Vei foldjen Anläffcn
haben aud) bie Drganc ber Arbeiter Darauf Ijingemiefen, baß bic ge*
merffchaftlidjen Drganifationen gu furg gefommeu feien, meil man ß<h
burdj bie geringeren Sd)mierigfeiten ber politifdjen Drgauifation oer*
leiten ließ, erftcrc gu ucrnadjläfiigen. (SS fdjeinen bemnadj mcnigßens
einige Gruppen Der Arbeiter oon ber V>irfnng einer oormiegenb poli*
tifdjen Crgauifation uidjt ooflig befriebigt gu fein. SScnn fid) bic Ar*
beiter oonoiegenb ber pflege ber prafti|djeu ontercjfeu ihres StanbeS
Ijtngebcu, fo ift Damit ja in feiner Vieife gejagt, baß fie fid) besmegen
Der'Vethätiguug am politifdjen Üebcu enthalten ober ineljr enthalten
[ölten als Die übrigen Vcruisftänbc. 2ie merben aber immer mehr
Ijcraiisfinben, baß hier mic überall bie einfeitige Muliioirung eines ein*
gelneu Gebiete* uotljioenbig gu einer ihren ^ntereffen fdjäbUdjen Vcr*
I uadjläffigung anberer midjtiger Seiten Des Gebens führt. . . .
©ogtole $rajig, ©entralblatt für Sogialpolitif. 9fr. 23.
626
625
D>ic Drgamfation ber Arbeiter I)at im Laube an äußerer Auß*
beßnung feine großen ^ortfefpritte aufguweifen. ©g muß aber nach an«
berer Bicßtnng alß eine Beffcritng begeießnet inerben, baß bie Arbeiter«
Bewegung fid) immer meßr praftifchen 3frlen guwenbet, unb baß fte
uenmitfjlicß für bie Arbeiter einen größeren 9lußen crgielt als auf ben
früher mefjr als jeßt beoorgugten Bcgcn. ... An bie Siede tßeoretifdjer
Belehrungen ift in ben Arbeiteroerfammlungen mebr unb meßr bie Be*
fcßäftigung mit ben praftifdjen ^ntereffen ber Arbeiter getreten. 9Bo
erftere nodj ba unb bort für unentbehrlich gebalten werben, werben fie
mehr mit ©ebulb alb mit ^ntereffe angehört, ohne eine erfennbare
Birfung augguüben. Benn aber aud) bag biß oor ihtrgem eingebaltenc
Verfahren eine ben aufgeioenbeten Anftrengungen entfprechenbc Prörbe*
rung ber Crganifationen ber Arbeiter nicht gur J^olge hatte, fo ftnb
bodj neben biefen Crganifationen unb theilweife unabhängig non ihnen
burch bie tßatfäcßlidje ©ntwicfelung in ber Arbeiterwelt Kräfte ent*
ftanben, weiche ebenfallb auf eine Berbefferung ihrer Lage brängen,
unb welche ba unb bort ben ^ufammeufchluh gur Vertretung ihrer ge¬
nieinfamen ^ntereffen erleichtern. Dag Beburfniß nach einem foldjen
3 ufammenfd)ließen ift offenbar tiefer begrünbet, alb in ben ben Ar*
beitem nicht immer oerftänbnißnoll oorgetragenen unb noch feltener
oerftanbenen Lebrmeinungen. Die non ^ahr gu 3«h r 3toar latigfam,
aber hoch unoerfennbar eingetretene Befferung in ber Sage ber Arbeiter;
bie in ftolge ber Aflmäblidjfcit biefer Berbefferungen eingetretenen
Slullurwirfungen in ber Arbeiterfdjaft; ber fuß in wadjfenben ^heilen
berfelbett entwicfelnbe Bilbunggbrang; bie Berbefferung unb Bermeß*
rung ber unteren ^achfdjitlen; bie gaaahme ber Sicherung ber ©jrifteng
ber Arbeiter burch bie fortfdjreitcnb reicheren Arücßte beg ftaatlichen
Berftcherungßwcfeng unb burch bic abnefjmenbe Schärfe ber wirthfeßaft*
ließen ftrifeu währenb einer längeren 3eitperiobe — aüc biefe aflerbingg
befonberg gitnftig gufatmnengetroffenen Umftänbe haben eiuerfeitg baß
Bertraueu Der Arbeiter in bie beftebenben 3 u ftänbe, anbererfeitg aber
auch ißr Selbftoertrauen geftärft. Sie werben fid) bewußt, baß fte im
wirtbfcßaftlicßen Leben, befonberg burd) ihre 3ah* unb ihren ©efainmt*
uerbrauch, eine immer größere Bcbeutung erlangen, Hierburcß wirb bie
Sicherheit ihrer C^ifteng immer enger oerfnüpft mit bem Beftehen unb
ber ^rofperität ber gangen ©efeßfd)aft.
Diefer gange bisherige Verlauf ber Arbeiterbewegung beftätigt nur
baofenige, wag begüglidj ber geiftigen ©ntwicfelung ftch auf fo manchen
anberen (Gebieten gegeigt hat. Die ßbeen haben nicht nur ©influß auf
bie Blenfcßen, bie ihnen auggefeßt finb, fonbern fie erletben auch l’clbft
bei ihrem Durchgänge burdi bie Bleitfcßen tiefgehenbe Beränberungen.
3 n öffentlichen ©cmerffdjafigoerfammlimgen ift auggefproeßen
worben, baß bag Verhalten ber Arbeiter gegenüber ber Arbciterfcßuß*
gefeßgelmng fiefj äitbcrn ntüffe. Die Arbeiterfdjafi habe big je^t gu
wenig Sntereffe für bie «tf raufen», Unfall* unb 3noalibenöcrficßerHngg«
gefeße gegeigt unb auch bie ftaubßabung ber Sabrifgefcßgcbung burch
bie Behörbeu faß gefliffentlid) ignorirt. Die «ttlagen ber ftaatlichen
Auffidjtgbcainteu über bag mangelitbe Ssiitereffe ber Arbeiter au ber ge»
faßlichen Ueberwachung ber ftabrifbetriebe feien berechtigt. Diefeg Ber»
halten erfläre fid) gwar aug bem Mißtrauen ber Arbeiter gegenüber
allen ftaatlichen Behörben, allein bie§ fdjließe eilt geänberteg Borgehen
ber Crganifationen auf biefen (Mieten nicht aug. (Sine befonbere Auf»
merffamfeit wirb in ben Arbeiteroerfainntluitgen ftetg ben (bewerbe*
gerießten gugewenbet. ©g wirb auggefprochen, baß fie außerorbentlid)
fegeitgreid) gewirtt hätten, unb cg wirb bag ©efaß über bie Wemerbe*
aeridjte gerabegit alg eiiteg ber beften int Deutfchen Beicße erflärt. Aug
Anlaß uon Lohnbewegungen fittben mitunter gwifchen eiitgclneit Arbeit*
gebern unb ihren Arbeitern Bereiitbaruugen ftatt. Diefelben werben in
ber Begel oon beiben Seiten mit Irene gehalten, wag bann jemeilg
oon ben Arbeitern mit ©enugthuuug fcftgcfteHt wirb.
Der SaßreSbericßi ber babifd)eit gabrifinfpeftion geugt auch
bieömal für ben ©rnft unb bie ©ittfidfa, mit beneit fie geleitet
wirb. Dag fogialpolitifcß fo bebeutfame Amt ber ©ewerbeauffießt
wirb hier im (Seifte richtiger Arbeüerfürforge unb tiefen Berftänb*
niffeg für bie fßft)d)oIogie ber Arbeiterbewegung gehanbhabt gu
$ufe unb frommen ber Arbeiter, ber Unternehmer unb ber Aflge*
meinhett. Der Bericht ift ein berebteg B^äborjer für bie Sogial»
reforrn, er weift auf bie bigher auf biefem 2öege erhielten Erfolge
hin unb er betont bie 9totbwenbigfeü, bie Bemühungen um bie
wirt^fdfjaftlic^e, fogiale, fittliche unb intetteftueHe .pebuna beg
Arbeiterftanbeg fortgufeßen. a.
®in Antrag auf Aufteilung weiblicher ©ewerbeaufftdjtgbeamtcn
in Brennen war oom Abgeorbneten Dr. Öirfdh im Abgeorbneten*
häufe eingebracht. (Sg füllte banach bie Regierung erfudjt werben,
nach bem Borgang anberer beutfeßer Bunbegftaaten auch Breußen
einen Berfudh mit ber Anftellung weiblicher Auffichtgbeamten in
Begirfen mit einer großen 3 Q *)i ÜOn Arbeiterinnen gu machen.
Der Antrag fern am 6. Btärg gur Berhanblung. $ad) feiner Be*
fürwortung bureß ben Abgeorbneten Dr. §>irf<h ftettte Abgeorbneter
(Samp ben Unterantrag, wciblidje Beamte nur alg £>ülfgfräftc bei
ber ©emerbeaufficht hcrangugiehen, womit fieß ber Antragfteller ein*
oerftanben erflärtc. 9Rit bem Antrag in biefer J$orm waren 9tebner
aller Parteien einoerftanben. Der SRinifter für $anbel unb ©c»
werbe meinte, baß man bie ^erangießung weiblicher Qnfpeftoren
nid)t oon ber £anb weifen foU:
Bei ber großen *> cr roeiblicßen Arbeitgfräfte giebt eg
tßatfäcßlich eine gange ^eiße oon SftoQen, bie eine befonbere Berüdf*
fießtigung beg weiblichen ©efcßlecßtg notßwenbig machen unb bie
nießt in gleicher Bkife oon Blännem erlebigt werben fönneit.
Blanche fragen finb fo belifater Batur, baß bie g?nwen fuß fdheueit,
fteß Blännern anguoertrauen, wäßrenb fte fein Bebenfen tragen,
grauen ißre SBünfcße oorgutragen. Dieg gilt nießt nur oon ben
©roßbetrieben, fonbern auch oon ben £>augbetrieben unb ben Bkrf*
ftätten. 2Bir fteßen jeßt im Begriff, bie ©ewerbeinfpeftion
auggubeßnen auf bie SBerfftötten, gunäcßft für bag $on*
feftionggewerbe, unb perabe bag wäre oielleicßt in ber Dßat ein
geeigneter Ort, bag wetblicße (Element eingufcßalten, um bie SBünfcße
unb Be)d)werben ber weiblichen Arbeiter entgegenguneßnten. 3d)
fteße biefer Srage nießt ableßnenb gegenüber.
Der Blinifter beßielt fieß eine erneute Prüfung ber f^rage oor,
fobalb bag Snformationgmateriat oollftänbig oorliege. — Der
Antrag £)irfcß ßat banaeß eine feßr erfreuliche Aufnahme gefunben.
$tttberf<htt$ in ©uglaub. (Einer ber bunfelften fünfte in bem
fonft fogialpolitifd) oorgefd)rittenen ©nglanb ift bie $inberarbeit.
SBäßrenb in Deutfcßlanb fd^ulpflicßtige $inber, b. ß. alfo ^inber
unter 14 refp. 13 Soßren, überhaupt" nießt in gfrärifen befcßäftigt
werben bürfen, beginnt in Gnglanb bie ©renge fdjon beim gurüa*
gelegten elften 3toßre. t ift wenigfteng ein Heiner Anfang gum
Befferen gemadjt worben, ©ine BiU beg liberalen Abgeorbneten
SRobfon, bie oorfcßlägt, baß naeß bem 1. Sanuar 1900 fein ifittb
unter gwöif Saßren meßr gang ober tßeilweife oom ©cßul*
befueße befreit werben barf, würbe am 1. Blärg mit ber über*
rafeßenben Bleßrßeit oon 317 gegen 59 Stimmen im Unter«
häufe in gweiter Sefung angenommen. 3faft nur Abgeorbnetc oon
Sancafßire unb agrartfeße Dorieg ftimmten bagegen. s Bie fcßoit
früßer meßrfadß erwäßnt, ift bie Sfinberarbeü in ber Öorm ber
„§)albgeiter", wobei Äinber oon 11 Saßren an nur ben halben
Scßulbefudj genießen, um bie übrige 3*it in ber gabrif tßätig gu
fein, hauptfäcßlicß in ber Baumwolltnbuftrie üblicß, unb ßier finb eg
bie Arbeiter felbft, bie an biefer fcßlitnmen ©ewoßnßeit fcftßaitei!. 3n
ber Debatte fpielte bag utilitarifeße Bioment, b. ß. ber Bacßmeig, baß
bie weit ßößere ©infeßränfung ber ^inberarbeit bie inbuftrieOe
^onfurreng ber f?eftlanbgftaa"ten nießt beeinträchtigt ßabe, bie
«Hauptrolle. Snbeß würbe felbftoerftänblicß aueß bie ßpgienifcße
©eite ber Srage betont, fowie ißre Bebeutung für bag Unterricßtg*
toefen.
Begeicßnenb war bag Berßalten ber Regierung, ©ir 3oßn ©orft,
ber Bicepräfibent beg Unterricßtgminifteriumg, fpraeß unb ftimmte
für ben Antrag; aber er tßat eg in feiner ©igenfeßaft alg Ab*
georbneter. 3nbeffen fpraeß er in ßöeßft wirffamer Beifc für ben
Antrag. Bacß feiner ©cßäßung gäbe eg 50 000 folcßer für bie
ßalbe 3 c it beurlaubter ©cßulfiuber, unb biefe befänben fieß meifteng
in ben großen Stabten. Bolle man biefe in ber ©cßule gurücf*
beßalten, fo oerlören bie ©Itern gwar für ein 3aßr ben Arbeitg*
loßn ber «Hinber, aber bag fianb gewinne bafiir an befferem
Unterricht. Die Srage fei febod) nießt allein eine Unterricßtgfrage,
fonbern oielmeßr noeß eine ©ßrenfrage für bag Sanb. Auf ber
Berliner ^onfereng beg 3oßreg 1890 ßabe ©roßbritannien oon
ben fontinentalen Staaten Slongeffioneit bafür befommen, baß eg
oerfpraeß,*) bag fcßulpfließtige Alter big gum gwölften 3<*ßre gu
erßößen, boeß ßabe ©roßbritannien oerfäumt, biefeg Berfprecßen gu
erfüllen. 3n ber Canbwirtßfcßaft, fügte ©ir 3oßn ©orft ßingu,
liege bie ©aeße anberg, alg in ber 3n&uftrie. Die Arbeit auf bem
Selbe fei ben Slinbern nießt nur nicht fcßäblid), fonbern fogar
nüßließ. ©r möcßte barum bag in ber Scßmeig aeltenbc ©efeß
empfehlen, wonaeß bie ©dßulen auf bem iianbe tn oen Sommer¬
monaten gang gefcßloffeu finb, wäßrenb bie ^inber bagegen im
Binter big gum fünfgeßnten 3aß« fcßulpflicßtig feien. Schließlich
empfaßl ©ir 3oßn ©orft bie Annaßme ber Bill, bamit gegeigt
werbe, baß ©roßbritannien nießt länger ben Borwurf tragen woüe,
fein in Berlin gegebeneg Berfprecßen gebrochen gu haben. Diefe
Bebe ©ir 3oßn ©orft’g war für ben AugfaH ber Abftintmung
entfeßeibenb. ©g wirb nun mit Spannung erwartet, wag bie
Begierung tßun werbe.
*) Bgl. ^rotofoHc ber intcnirtttonnlen Aröcitcrid)n^fonfcrc 1 ivm
in Berlin (erießtenen im amtlidicn Aufträge bei Du lief er * .^umblot in
Leipzig) S. 1*24 ff.
6ogiale ^rajrtS. Eentralblatt für «Sogialpolitif. Rr. 23.
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3lrbetten)rtßd)entttg. S»parMo(Ten.
$ie 3'iitiaHbität8öcrfi^erttiig«iioöette. ©ie bie grohinbuftrießen
Berbänbe beS ©eftenS, fo f)at auch bcr Eetttraluerbaub bcutfcper
Ftibuftrießer ftd) int ©efentlicpen gegen bie £>auptänberungen
auSgefprocben, bie ber Entwurf einer Rooeße gum ©efep über bie
Fnoaliben* unb RlterSuerftcperMig oorfdjlägt. $)ie ^elegirten*
ocrfammlung biefeS BerbanbeS l)at ficf) gang auf beit Boben ber
rbeintfcb * ineftfälifc^en 2 Öefd;Iüife gefteßt, bie mir auSgugSroeife
bereits in 9fr. 20 ber „So*, ^rayis" ( 6 p. 543) mitgetpeilt paben.
FnSbefottbere würbe auch b^r betont, bah bie Errichtung ooit örl*
Iidjcn Rentenfteßen eine görberung ber fogialbemofratifcben
Agitation bebeute unb ber Borfdjlag einer anberroeiten Bertpeilung
ber Rentenlaflen „ben ©eg einer fo^ialiftifeben Ruftpeilung beS
Kapital*, ber gu ben bebenfliebften Konfequengen führen fann," be* j
trete. — £>ie oerbünbeten Regierungen, benen biefe Borroürfe
gelten, erleben barauS, wie Xeicfjt matt in ben klugen geroiffer Unter*
itebmerfreife gum „©affenträger ber 6 ogialbemofratie" wer*
ben fann. HitS ift nicht befannt geworben, bah bie RegierungSpreffe
bisher Steßung gegen biefe Befcblüffe grohinbuftrießer Berbänbe
unb ihre Begrünbung genommen b at i roer bie Berfilgutig offigiöfer
unb fapitaliftifcber Jntereffen in ber Breffe fennt, roirb ficb aßer*
bingS über bies 6 d)weigen nicht rounbern. — Fngroifdjen nehmen
bie KomtniffionSberatbungen über bie Rooeße ihren Fortgang; für
ein ©oebenbtatt ift es nid)t möglich, biefen Berbanblungeit 6 cbritt
für 6 cf)ritt 311 folgen, unb mir werben baher nach ihrer Be*
enbigung einen gufammenfaffenben Bericht mittheilen.
$ie beutfebe RrbeiterPerficberung stttb ihre Ergebuiffc. Dian
fann gar nicht oft genug auf bie Ergebniffe unb Erfolge ber 93er*
fidjerungSgcfepgebung hinroeifen, bie, fo fehr fie auch in (Singel*
heilen ©ängel, 6 d)roäd)en unb Süden aufroeifi, bodj ein bleibenbeS
i)enfinal ber ftaatlicben Fürforge für bie Arbeiter bilbet. 2)ie
3ahl ber Sßerfonen, bic auf ©runb ber RrbeiterocrficberungSgefepe
Renten unb fonftige Entfcbäbigungen erhalten fyabzxi, h^t im
3ahre 1898 bie erfte ©ißion überfebritten. Ruf ©runb ber Unfaß*
oerftdjerung paben 581 995 $erfonen Begüge erhalten, auf ©runb
ber FnoalibitätS* unb RlterSoerficberung 516 500, inSgefammt alfo
1 098 495. (SS ift bemgemäß napegu baS erfte .f)unberttaufenb ber
groeiten ©ißion erreicht roorben. Rn biefe Rentner mürben bei
ber Unfaßoerficberung 71 /? ©ißionen, bei ber SnoalibitätS* unb
SHterSoerficbetung 61,n ©ißionen, im langen 133 ©ißionen ©arf
gegahlt. Rßein an Renten finb bemgemäß täglich mehr als ein
drittel ©ißion ©ar! in SJeutfcblanb gegahlt morben. 3)abei ftnb
bie Moften, bie im Ucbrigen bie beiben BerficperungSgroeige, Unfaß*
fomie SnoalibitätS* unb RlterSuerficperung oerurfacben, nicht mit*
gerechnet. 3iept man fie in Betracht unb beS ©eiteren aud) bie
KranfenoerficperungsFoften, fo fommt man auf beiläufig 1 ©ißion
täglich- __ __
Äolllfnljrtseittririi hingen.
©oplfaprlSeittrübtMtgeu ber Königlich ^rettftifdjett ©afferbau*
Oertualtung 3)ie königlich Breußifcpe ©afferbauoerroaltung
(©tnifter Spielen) pat unter bent 31. Segember 1898 eine aßge*
meine Verfügung über ©oblfaprtSeinricbtungen für Arbeiter an
ihre Betriebe erlaffen, bie non fehr uerftänbigen ©runbfäben ge*
tragen ift. (Ss mirb auf bie RotpwenbijjFeit ftänbiger perfönlicper
Fühlung mit ben Arbeitern unb ber Schonung oon beren Rn*
fcbauuitgen pingeroiefen. 3n Begug auf bie mehr perfönlicben Rn*
gelegenheiteit ber Arbeiter möge man ficb darauf befepränfen,
ratpenb, anleitenb unb belehrenb gu roirfen. S)ie 9lrbeitSftätten,
bie ©afd)inenräume, namentlich auf 6 d)leppbampfern unb Baggern,
unb £aucberfcbäd)ie foßeit ben mobernen hpgienifchcn Sluforberungen
entfprecbeti unb auSreicbenben X?uftroed)fel ermöglichen, in ©erf* i
ftätten foß auf jeben Arbeiter minbeftenS 12 cbm Luftraum ent*
faßen, irinfroaffer unb ©afcheinricbtungen bgm. Babeeinricbtungen !
gu unentgeltlichem ©ebraueb gur Bcrfügnitg ber Arbeiter flehen.
(Ss werben Borfehrungen gegen Seuersgefahr, Unfäße unb
6 eud)engefahr anetnpfohien, besgleicben ein Samariterbienft. lieber
bie Befd)affenheit unb Benupung fisfaUfdjer ©ohnungen werben
Rormen anfgefteßt. 2)ie größte juläffige (Sntfernung ber ©ohnung
uon ber Rrbcitsftntte foß in ber Regel 4 km fein, ivür bie lieber*
nadjiung ber Arbeiter auf freier 6 trecfe unb für ihren gem'igenben
6 chup gegen ©itlerung unb Räffe foß bur<b ilebernacbtungsfähne,
2d)Iaf« unb .Uafernenfd)iffe, fefte unb transportable Baracfeu uor*
geforgt werben, bie tnSbefonbere auch eine geeignete unb gefunbe
Berpflegitng ber Arbeiter, thunlicbft in eigener ©enage, ermöglichen.
£rocfenräume, bie in ber falten 3 ah rc ^«t geheigt werben müffen,
fommen bei 2lrbeitSbetrieben auf bern ©affer hingu. 5)en Arbeitern,
welche einen ^ausftanb haben, ift, wo es angeht, Gelegenheit gur
Slnpacbtung uon ©arten* unb ?lcferlanb gu geben. ^Der (Srnährung
unb Befcpaffung oon RahrungSmitteln ift befonbere 9lufmerffamfeit
aewibmet. 6 omeit ber Arbeiter feine ©ahlgeiten nicht in ber
yfamilie einnehmen fann, foßen (Sfjräutne, ©ärmeuorriebtungen,
§euerfteßeu unb bei oorbanbenem Bebürfnip i^antinen ober 6 peife*
anftalten eingerichtet werben. Brennmaterialien fönnen aßgemein,
bei Steuerung ober Rothftänben auch ßebenSmittel (g. B. ©epl,
Kartoffeln) in größeren ©engen unb erftere für ben Betrag ber
burd)f<bnittlicben Selbftfoften, leptere für ben Betrag ber Rn*
fdbaffuugSfoften (fiehe § 115 Rbf. 2 b. ©.0.) an bie Rrbeiter
abgegeben werben, 3um 6 paren foß angehalten werben. (Sr*
merbSuitfähige Rrbeiter unb bie Hinterbliebenen erhalten auS be*
ftimtnten QonbS llnterftüpungen. ®ie BetriebSfranfenfaffen haben
nach ©öglicbfeit ihre Öeiftungen über baS gefeplidje ©inbeftmap
auSgubehnen bureb Berlängcrung ber S)auer ber Kranfenunter*
ftüpung, ©rhöhnng bes KraitfengelbeS, fowie ©ewäbrung freier
ärgtlicber Behanblung unb Rrgneten für bie Familienangehörigen.
Ridjt mehr uoßleiftungSfähigen Rrbeitern finb geeignete Be*
fcbäftigimgen anguweifen. Db bie Empfehlung bes „(Shnftlicben
3eitfcbriftenoereinS" unter ben ©itteln gur Förberung beS geiftiaeu
©ofileS niiplicb ift, fann begweifelt werben, ficber aber ift nüplicb
bie Befämpfntig bes RlfobolS burd) §erfteßung oon ©ärmeoor*
riebtungen, Kaffecfcbänfen u. f. w.
tteberttacbtungS* unb a«tfeittIjaftSr&ii»e für baS Elfeitbabitperfoital.
3 n ben lepten fahren ift in ^reupen oon ben Eifenbahnbtreftioncn bcr
2agc berjenigett Eifenbahnbcbienftetcn, bie genöthtgt finb, bie RrbeitS*
paufen außerhalb ihrer Familie gugubringen, ober bie währenb bcr Be*
febäftigung ben Unbilben bcr ©itterung ausgefept finb, befonbere Für*
forge gugewenbet worben. $>ies gilt gunächft oon ber gweefmäpigen
unb fauberen Einrichtung unb Unterhaltung ber UebernadjtuugS* unb
RufcnthaltSräume für bas Fahrperfonal, beren öagerftätten, Kodj* unb
Babecinridjtungcn an oiclen Orten oerbeffert würben. ?luch ben auf
ben Babuhöfen befebäfttgten Bebienftcten finb, wo nötbig, geeignete
Räume überwiefen, in beiten fie fid) währenb ber Ruhepaufcn aufhalten
unb ihre ©ahlgeiten guriepten unb einnehmen fönnen. 2lud) ben 2trecfen*
arbeitern wirb, foweit nirfjt Bahnwärterbuben benupt werben fönnen,
bureb Herridjtung einfacher, beit örtlichen Berbältniffcn angepaßter Unter*
funftsräumc 6dmp gegen bie Unbilben ber ©itterung währenb bcr 9lr=
beitspaufen unb Gelegenheit gur Erwärmung ber Speifen geboten.
Bereingelt finb aud) Äantinen eingerichtet, in benen gegen mäßigen
$reiS unter ber Ruffidjt ber Berwaltung Speifeit unb Getränfe — jebodi
unter Rusfcpluß oon Branntwein — oerabfolgt werben. Rmtlich wirb
hiergu bemerft: „Rad) ben bisherigen Erfahrungen hat biefe Fürforgc
einen günftigen Einflup auf ben Gefunbheitsguftanb ber Bebienftcten
auSgeübt." Ruch bet anberen Bahnoerwaltungen werben ähnliche Ein*
riebtungen getroffen.
Berliner Rfplnerein für Ofcbadjlofe 1898. Riebt ©opltbätigfeit üben
wiß ber Berein, fonberti er betrachtet feine ©irffamfeit als eine $fUdjt,
bie ftcb als bas ©iitimum beffcri barftellt, was ber ©ohlhabenbe bem
Rrmen fcbulbet. Er hält ben Grunbfap ber Rnonpmität aller Rn*
feebtungeu ungeachtet unoerbriidjlid) feft unb oerfagt bic Rufnahme nur
Betrunfenen ober oon anftetfenben Äranfheiten Befallenen. Born 12. Font
bis 31. 2>egem&er 1898 muhte 674 Betrunfenen ber Zutritt oerweigert
werben, b. b- 9,5% aller Befucper. Bor ber üblichen Stunbc liehen
ftep werfen, um ltocp oor ©orgengrauen opue Früpftiid auf bie 6ucpc
uaep Rrbeit gu gehen, 00 m 1. Februar bis 31. ^egember 10 644 ©änner,
ein Beweis, bah haS Rfijl nicht mit arbeitsfdjcucm Gcfinbel, fonbent
mit unoerfdjiübet Rrbeitslofcn gu tpun pat. Um fo fdjmerglicpcr ift cs,
bah hie ©eprgapl ber Befucper im leiftungsfäpigeu RItcr oou 20 bis
50 Fapreu ftept. 3m 3ahw 1898 waren es oon 232 555 Befmpern bes
©ämicrafpls 198 572 unb oon 36 007 Befucperimicn beS Frauenafpls
25 638. 3m Rlter oon 20 bis 30 Fahren ftattben oou ben ©ännern
80 955; 40 bis 50 Fapre waren oon ben Frauen 11 592. Fit ben
30 Fahren feines Beftanbes hat ber Berein 3 502 216 ^erfoueu gegen
Obbacplofigfeit unb Hunger 8d)itp gewährt. Fm ©önnerafql babeteu
mepr als bie Hälfte aller Bcfudier, im Frauenafpl über ein drittel,
^ie regelmäßigen Einnahmen beS BcreinS laffen immer nodj gu wünfepen.
„HauSpflegc^ beß Berliner FrsnetwereinS, bic im ©ärg 1897
nad) granffurtcr ©uftcr ins 2ebeu gerufen würbe, pat ficb nad) bem
gweiten Fabrcsbericpt beträchtlich weiter cutwicfelt unb wirb lebhaft tu
Rnfprud) genommen. Born 1. Fattuar bis 31. 8egember 1898 würbe
im Gangen in 915 Familien mit 7942 ^flcgefinbcm gepflegt (470 Fälle
©oepenbett, 352 Äraitfpeit, 73 Rbwcfenpeit ber Hausfrau). ES wirb
Hanb in Haub gearbeitet mit ben Gemeiubcfchwcftcrn unb beu 2d)ioeftcrii
bes eoangclifcp*fird)licpen Hülfsoerctri^. — Es fdietut, als wenn bie
Einrichtung ber Hauspflcgc außerhalb Radjahmung finbet; g. B. ift tu
Fena 1111 b ©icn und) ooraiifgegangcnen Erfitiibtgitngcn bic Einführung
einer Hauspflege uarf) glcirfjen Gruiib apru befdjloiieit worben. F”
E pari Ottenburg ift bic HauSpflegc bereits eingeführt, beren Rupen
bereits oon ber Stabt burd) einen ^nidniß uon UX )0 ji. auerfaunt
629
Soziale $raji£. Eentralblatt für ©ozialpolitif. Ar. 23.
630
rourbe. 2>tc ©tabtoerroaltung oon Berlin hat ber HuuSpjlege beS
berliner grauenoerentS aus ©tiftungsmitteln eine einmalige Unter»
ftüßung oott 821,60 Ji überroiefen.
$ie 3R.=@labbacßerBeremigmig für gemeuraä$tge Bmeife ßot in ißrem
©ebäube, roo fte am 1. ßftober ein BoIfSbüreau eröffnet h«i/ aucß eine
BoIfSlefeßaße mit getrennten Räumen für Sttämter unb grauen errietet,
roelcße Sonntags unb an ben 2Bocßentag*Abenben foftenloS benußt
merben fann. (Sin BoltS*$affee* unb ©peifeßauS roirb angeßßloffen,
roo billiger Bhttags* unb Abenbtifcß für Arbeiter geboten wirb. Bor*
läufig 14 3iwtmer bienen ju ermäßigten greifen jungen Arbeitern als
SBoßn* unb (Schlafgelegenheit.
Stiftung für S3oljlfaf)rt$3ttec!e ber ^mferfabril gtanfeuthalS. Aus
Anlaß ißres fünfunbjroanjigjäßrigen gubiläuntS ftiftete bie ©eneral*
oerfantmlung ber 3 U£jer f al &rif granfentßal, ber größten BaiemS, für
SBoßlfaßrtSeinricßtungen ber gabrif unb ber ©tabt 800 000 „lf .
3Utttettpß*gr.
(Sine bcntfcße Ecntralftefle für Ärmeitpfltge nnb 2Bofjltßätfgfeit
kürzlich ift als Abteilung ber fett fecßs Saljren befteßenben
(Sentralftelle für ArbeiterroohlfahriS Einrichtungen eine befonbere
Eentralfteße für Armenpflege unb Bßohlthätigfeit begrünbet roorben.
3h« äußere Berfaffung ift baßm geregelt, baß fte organifcß ber
enannten Eentralfteße in Berlin angegliebert, jeboch einem befon*
eren Borftanb unterteilt ift unb non einem befonberen ©efdjäfts*
fübrer geleitet wirb. Als Borfißenber beS BorftanbS fungirt ber
SBitfl. ©eh- Datß Dr. n. Sa^obi, als ©efcßäftsführer ber Bor*
ftßenbe ber Berliner Armenbireftion, Stabtratß Dr. SÄünfterberg.
®ie Begebungen gur Begrünbmtg einer Eentralfteße, bte
Iebiglidß ben eigentlichen ©ohltßätigfeitsbeftrebungen geroibmet ift,
ftnb fcßon einige 3aßre alt. SnSbefonbere fyattz fich baS 3nftitut
für ©emeinroohl in granffurt a/3ft. um bie (Schaffung einer folgen
©teile bemüht. Schließlich ift es bann gelungen, mit Hülfe beS
eben genannten 3nftihitS unb ber Eentralfteße für ArbeiterroohlfahrtS*
Einrichtungen bie Abtbeilung für Armenpflege unb BSohltßätigfeit
ins ßeben zu rufen.
Als Aufgaben ber Abtbeilung ftnb bezeichnet: 1. baS auf bie
©ebiete ber Armenpflege unb SSohlthätigfeit bezügliche SRaterial
foroobl beS SnlanbeS roie beS AuSlanbS zu fummeln, zu fisten
unb fpftematifcb z u oerzeicßnen; 2. auf Anfragen AuSfunft zu
ertbcilen; 3. burch Verausgabe periobifdß erfcheinenber Beröffent»
Iichungen, gelegentlicher Schriften unb in fonft geeigneter Äeife
auf bie roiffenfchaftlidße Behandlung ber fragen unb oie praftifche
Vanbbabung ber fjürforgetbättgfett anregend unb befrudjtenb zu
roirfen.
2)ie Abtbeilung für Armenpflege unb ©ohltßätigfeit be*
abftchtigt nicht, mie auSbrücfUch heroorgehoben merben mag, eine
ber beftebenben Eentraloereinigungen, inSbefonbere ben 2)eutf<hen
Berein für Armenpflege unb feohlthätigfeit, zu erfeßen ober einen
Sbeil ihrer Aufgaben, mie inSbefonbere bie Abhaltung ihrer roieber*
feßrenben Berfammlungen, z u übernehmen; fie roiß oielmebr bie
Begebungen jener Eentraloereinigungen in beftimmten Dichtungen
ergänzen. 2Birb burch beren Berichte unb Berßanblungen über
biejentgen ©egenftänbe Belehrung gegeben, bie gerabe zur Er»
örterung gefteßt finb, fo liegt ber BSunfdß nahe, auch über fol<he,
bem ©ebiet an unb für ftch zugehörige ©egenftänbe fi<h unter»
richten Z u fönnen, bie noch gar nicht, ober feit langer fyit nicht
mehr bebanbelt morben finb. ES ftrömt fortroährenb ein reiches,
ja überreiches ßJtaterial, baS zum großen Xheil ungenußt oerbren
geht unb beffen Sammlung für bte, bie feiner bebürfen, mit er*
lieblicher BUi|e oerbunben ift, roenn es ftd) überhaupt erlangen
läßt. 2Bie häufig motten öffentliche Berroaltungen, prioate 2Bof)i s
thätigfeitSoereine, Stiftungen ober auch einzelne Brioatperfonen
eine feohlthätigfeitS-Einridßtung begrünben, mte etma eine Siechen*
anftalt, einen änabenhort, eine Sßflegeftätte für ©enefenbe u. bergl.
mehr, ohne in genügenbem üRaße zu miffen, mie fte es anfangen
follen, unb ohne z u miffen, baß bergletcßen Einrichtungen fdßon
i ahlreich oorhanben, baß über ben ©egenftanb Erfahrungen ge»
ammelt finb, bie in ^rucfbericbten, Saßungen u. f. ro. in h l n*
reicßettber 3ahl norliegen. Aber febft menn ihnen biefe £h a if a <hen
befannt finb, miffen fte hoch nicht, an melcße Stelle fte fich ZUJecf*
mäßigerroeife zunächft menben, um baS gerabe für fie geeignete
Material zu erlangen, unb finb nicht fidßer, ob fte gerabe an ben
Stellen, an bie fte fich zunächft menben, baS ftnben merben, roaS fte
fucßen. 2öie anberS, menn ihnen eine Stelle zur Berfüguttg ftel)t,
bie feine anbere Aufgabe hat, als fortbauernb bie Erfcßeinungen
auf biefem ©ebiete zu beobachten, baS barauf bezügliche Material
Zu fammein utrb aus bem Material AuSfunft ju erteilen, auf be*
ftehenbe Einrichtungen hinzumeifen, Saßungen etnzufenben, Siteratur
nachzumeifen unb unter Ümftänbeit B^fonen namhaft zu machen,
bie ein facßmännifcheS ©utadjten über ben ©egenftanb felbft abzu¬
geben oermögen.
$)te Abtheilung für Armenpflege unb SSohlthatigfeit oerfügt
bereits gegenroärtig über ein z^ar nicf)t auf aßen ©ebieten gleid)*
mäßig umfangreiches, aber nicht unerhebliches 3Raterial, baS feinen
©runbftodf in ben Sammlungen beS oerftorbenen greiherm oon
Deißenftein unb beS StabtrathS Dr. SRünfterberg hat. 2)aS
Diaterial ift nach einem umfaffenben ©ruttbplan fpftematifch ge»
orbnet, in bem alle 3u>eige ber gfürforgethätigfeit nach ihrer SBe*
beutung Berücffithtigung erfahren. 2)aS gleiche EintheilungSprinrip
liegt auch ber Bibltotljef zu ©runbe, bie gegenroärtig etma 600 bis
700 Bänbe umfaßt. $>ie Sammlung befcßränft fich im Hebrigen
nicht lebiglich auf beutfches SRaterial, fonbern enthält auch utehr
ober roeniger oottftänbigeS 5ßaterial aus bem AuSlanbe, inS¬
befonbere aus Englanb, Amerifa, Sranfreich, 3talien, Belgien unb
ber Schmeiz- &ocß foü bie Sammlung nach unb nach auch auf
bie anbern Äulturlänber erftrecft merben.
Obroohl es überflüfftg erfcheinen foßte, bieS noch befonberS
heroorzuheben, fei AngefiStS ber herüber immer roieber auf»
tauchenben Srrthümer auSbrücflich bemerft, baß es fich bei ber
Abtheilung für Armenpflege unb BSohlthätigfeit nicht um eine
lofale Steße banbeli, bie bie lofalen UnterftüßungSoereine unb
berglei<hen zufammenfaffen foß — eine Befirebung, bie neuerbingS
auch utelfa^ mit bem AuSbrucf „Eentralifation" bezeichnet roirb.
®ie Abtheilung oerfolgt in erfter JCinie roiffenfchaftliche unb
archioalif^e 3u>ecfe unb ift feineSroegS auf Berlin befcßränft.
S)er Beitritt zu ber Abtheilung ftefjt S^bermann offen; für
Äörperfcßaften, Bereine unb Behorben ift ber Beitrag tytyx als
für Brioatperfonen. Bis auf Weiteres roirb auch SrichtmMiebem
auf fchriftliche ober münblidje Anfrage — Ießtere in bem Bureau
Berlin W., Äöthenerftraße 23 — AuSfunft ertheilt. Bon bort finb
auch biz Saßungen zu beziehen.
ettetarififc JCtijrige®
I. Bücher mtb Brofdjürett«
S)ie Ergebniffe ber BolfSzählung oom 2. Dezember 1895 unb
ber Berufs* unb Eeroerbezählung oom 14. 3uni 1895 in
ber Stabt Setpzig. Bearbeitet im ©tatiftifcßen Amt ber ©tabt
Seipzig. II. 2ßeil. ©onberabbrurf aus ben ftäbtifcßen Ber*
roaltungsberichten für bie 3®hre 1896 unb 1897. Setpzig 1899.
2)uncfer & $umblot. 73 ©. Breis 1 Ul.
Doch einmal ber gaß ftußnle. Ein Appeß an bie Eeroiffen. (gm
Aecßtsftaat. §eft 1.) Stuttgart 1899, Aobert 2uß. 95 ©.
EefchäftSberichte beS EcntraloorftanbeS beS 5)eutf^en S3crlmeifter*
BerbanbeS, beS AufficßtSratheS unb beS BorftanbeS ber Sterbe*
faffe pro 1897 unb 1898 nebft ben Haushaltsplänen, ber Soges*
orbnung, ber EefcßäftSorbnung unb ben Anträgen zur 11. $>ele*
girtenoerfammluug Dftern 1899 zu Eifenadj.
©reulieh/ H-/ ®te Arbeitsjammer ber ©tabt 3ürid^ oor bem ©roßen
©tabtratß oon 3ürich. Debe in ber ©ißung oom 14. 3anuar 1899.
3ürich 1899, in ÄommifftonSoerlag ber Buchhanblung beS
©tfjroeizerifiben ©rütüoereinS. 32 ©. Breis 25 EtS.
Ben bei, ®. SSinfe unb Anregungen für bas geroerbliche unb inbuftrieße
Bilbungsfpftem ber ©cßroeiz. Auf ©runb ber ©ruppen-gaeß»
berießte ber ©cßroeiz- SanbeSauSfteßung in ©enf 1896 bearbeitet.
Bern 1899, in Äommiffton bei Älicßel & Bücßler. 42 ©.
II« $nuffadjett Pots BcrtoaUuttgett, Bereittett ?c.
fieipzig, Berroaltungsbericßt ber ©tabt Seipzig pro 1897. Leipzig 1899,
Wunder & Humblot. 824 @.
Heibeiberg. Boranfcßläge über bie Einnahmen unb Ausgaben ber
ftäbtifeßen Waffen pro 1899.
SBürzburg. II. ©efcßäftsbericßt beS ©täbtifeßen Arbeitsamts 3Sürz*
bürg pro 1. ganuar bis 31. Dezember 1898. Bearbeitet oon
gofepß Xßürmer.
SBieSbaben. IV. gaßreSbericßt beS BereinS für ArbeitSnadjroetS in
SBieSbaben pro 1898.
Erfurt. Bericßt über bie Berroaltung unb ben ©tanb ber ©emeinbe*
angelegenßeiten ber ©tabt Erfurt pro 1897/98.
AecßenfcßaftSbericßt beS BerbanbeS ber beutfeßen Bud)*
bruefer — ©au Bapern — pro 1898.
gaßresberießt beS Berliner AfploereinS für Obbadjlofe. 30.gaßr*
gang. Berlin, Berlag beS Berliner Alpinerem* für £)bba<ßIoic.
fierantoortIt$ für bte ftebaftton: Dr. Crnft 3 ton de in »erlin W., »aqreut^erftrage 29.
SV“ $en ütejcr Kummer beiltegenben ^rofpett ber ■SettagäbuiBBai'öluug Otto l.iebmsnu, 'Berlin W. 35, eutfialtcnb ^jntjaltäoer^eicfnttä
beü 3a{jtgaiigcc> 1898 bei- „®eutfri)cn 3uriftcn=3citung" niib SBerjeicfjnis ber bisherigen SDHtnrbeiler, empfehlen mir bcjonbercr Scnrfjtimg "mä
Vin. fataprag.
©erlitt, ben 16. 2Rörj 1899.
Hummer 24.
Schale prajis.
glenttrafMaft für ^ogiafpofifiß
mit ber aftonatSbellage:
Das (Bewerbegevtcht.
©rgatt öes Oerbattbes beutfdjer (Betoerbegeridjte. ,
Sfleuc golgc bet „©lättcr für fokale SßrajtS" unb be$ „©oginlpolitifchen EentralblattS*.
Srf4ciK< an Jebem Somierflag. ^etauSgeberi $relS toietieljabrU* 2 SR. 60 *f.
fRcboftion: ©erltn W., ©abreutherftrage 29 . Dp. (Etttß StUUfot* ©erlag bon £>uncfer & {mmblot, Selbig.
Inhalt
©nttoideln ttitr int 8 jum „© j«
portinbuftrieftnate"? ©oit©rof.
Dr. SB. ©ombatt, ©teßlau. . 633
©<bufc bet angeftellten in of»
fenen Sabengefcbüften . . . 637
tUl g enteilt efeosial* unb VSUrtbfdMiftt*
>•««». 640
^»ert ö. üJiiquel unb bie ßattö*
arbeiter*©nquete be«©erdnß
für ©oaialpolitif. ©on Sßrof.
Dr. 2Raj HB eher, ^eibelberg.
antrag auf ©infübmng beS Hionnat*
arbeitßtageß in ftranfreidb
©«bwebifäe ©erufSltatifti! 1870—1897.
StaftwnuaJe ©o&talpoimf .... 642
Enquete übet fommmtale Unter*
nebmungen in Stallen.
Sie §rage bet ©ergeuieinblitbung in
©nglanb.
©t&btifcbe HRiöcetten.
••ftinle Sttflänbc .. 643
©efämpfung bet gett)erb8mä§lgen
ßinberarbeit bureb bie Sebter.
©ettiebötoerfftätten füt Sre<b«ler in
HBten.
Sfvbeitgebevbcfbänbe. 644
ßanbeßöetbanb HBüriteutberg beö
atbeitgebetbunbe« im ©augetoerbe.
Set „©eteiit füt bie bergbaulichen
3nteteffen w in (Sffen unb ber „@e*
merfberein djriftlidjer ©ergleute".
fHcbeiterbetnegnna. 644
©auarbeiterfcbub'jtongrefj.
©(bneibetberoegung in Seutfcblanb.
Set augftanb bet ©atnmeitoeber in
Ärefelb.
ßut ©etlinet ©Sderbewegung.
ein ©leg bet ©udjbruder in ©erlin.
©au eineä @cn>erlf(baft$bGHfeß in
©erlin.
arbeitgeber unb arbeitet bet ®cbub*
fabrifen in Tuttlingen.
Set Äampf im englifdjen ©augemerbe.
©tretfS in ©elgien 1898.
ttfbciterf*«*. 647
Regelung bet arbeitS^eit in ©etretbe*
müblen.
Sie arbeitSjeit bet 3ugenblt(ben in
ftabriFen.
©egen bie MRil^branbgefabr.
Sic grage bet «leiblichen ftabrif*
infpeftoren in bet ©djttieia.
Urt>eitert>crfid)mntf. ©pnrtaffen 648
©emeinnü feige an lagen bet
3nöalibenoerficberung8anftal*
ten int 3afere 1898. ©on 4?.
£orn, ©etlin.
Surcfefüferung bet UnfallDerftcfeerung
für bie getoerbltcfeeu arbeitet in
granfreiefe.
mvtttttnafttoet#. 650
©efinbeöermietfeer unb ©teilen*
Vermittler nab bet Htooelle
jur ©emetbeotbnung.
Set paritätifebe arbeitSnacfetoeiß unb
bie ©emetff(haften.
©täbtifdjer arbeitßnacfettieiß in ©fear»
lottenbutg.
©täbtifcfeeß arbeitßOennittelungßamt
in Söien.
CBobttttnaßteefett. 652
©etbefferung bet HBofenungß»
öerfeöltniffe in Hamburg.
©au tarn ©olfßttofenungen burefe bie
©emeinbe in ©trafeburg i. ©lf.
arbeitermofenungßtoefen im Sftfeeinlanb.
Errichtung »an HBofenfeäufem füt
atme in ©nglanb.
©efeitigung bet Slams in Sibetpool.
©ratcbnttfi hu» ©Ufensa. 655
©taatli(be©eibülfen für©oIfß*
bibliotfeefen. ©on Dr. ©rnft
©djulfee, ©etlin.
gortbilbungß* unb #außfealtungß*
fcbulen im pteufeifefeen abgeotbneten*
baufe; ©tatifti!.
©ine ©ilbetgaletie füt HBfettecfeapel.
Cejiile $t>gteite. 660
©cfeulörate in bet HJtagbeburger ©tabt*
betorbnetenbetfamntlung.
Erfolg bet ©eroegung jut ©efämpfung
beß aiFoboliSntuß in ©elgien.
©etocvbegeviflite. ©intgungtämter.
©diiebdgcrtdite. 661
abünberungen be« ©emerbegeticbtS*
gefebeß in bet 8teicb8tag«Fommiffion.
atttevavtf^« StHsctgen. 662
abbtud fftmmtlicbet attifel ift Seitunaen unb ßeitfe^riften geftattet, ieboeb nur
mit boUet Quellenangabe.
Cntniiibeln wir un? jmn „%portinbu(lrleftadte“?
Sn bem Stampfe um bie richtige SSirt^fd^afin (Sonberljeit
.Spanbel^politi! gehört ju bem eifemen Seftanbe ber SDi^fuffionö*
argumente ber bafe SDeutf^Ianb in unferer 3eit fid) auf bem
3Bege befinbe, je me^r unb me^r ben @cBmerpunft feiner inbuftrietten
©ntroidPIung auf bie Entfaltung ber E^portinbuftrie gu legen. S)ie
^Brafe uon ber Entmidtung gum „Snbuftrieftaat" ermeitert fid)
unter ber $anb gum w I)ogma uon ber Entroicflung gum „Export*
inbuftrieftaat". 3)a& biefe Entroicflung fid) t^atfäd)Iic§ uoDgieBt,
tuirb, foniel ic^ fel)e, non feiner ber beiben fampfenben ^Parteien
in Slbrebe gefteüt; ber Streit bref)t fid^ nur barum, ob biefe al£
e^iftent angenommene Entmicflung fjeilfam fei ober nid)t unb bem*
gcmäfj, ob pß 8« förbern ober aufgu^alten fei.
Botte nun aber bie behauptete Sljatfadje felbft für falfch,
bap ftch jene Entmidflung oollgiehe, unb fefce ber communis opiuio
bie Gegenbehauptung entgegen, bap unfer Export eine fort-
fchreüenb geringere Cuote unferer geroerblithen $ro*
buftion — benn um biefe honbett e3 fich ia nur — au^macht,
mir un$ alfo ttid^i gum, fonbern oom %portinbuftrieftaat meg
entmideln.
Eine genaue Sffrnfung ber gemerblithen Entmicflung in ben
üerfdjiebenen ßänbem lehrt, bap in ben Anfängen be8 Kapitalismus
ber Export gemerbli^er Ergeugniffe eine präponberante ©tettnng im
23irthfd)aftSleben ber eingelnen Station einnimmt unb erft in bem
SRape aus biefer ©tellung oerbrängt mirb, als bie roirthfehoftfiche
Entmidflung fortfehreitet. 2)ie fontinentalen Sänber Europas, oor*
nehmlidl) S)cutf<hlanb, hoben bis s ])titte ber 1880er 3oh*e hinein
ben ©(hmerpunft ihrer inbuftrieüen Entmidflung thatfäihlich in ber
Eyportinbuftrie mehr ober meniger gehabt; es mar bie ^eriobe,
roie man es nennen fann, ber 3nternationalifirung beS geroerblidhen
Kapitalismus, ber nun feit einigen Sah^gchnten bie ^eriobe ber
9tationaliprung gefolgt ift. 3 u ntal für S)eutfchlanb ift biefe
Sßeriobenfolge eoibent. SSon bem märchenhaften inbuftrietten 9luf*
fchmunge ber lefcten Qahrgehnte ift nur ein geringer £heil
Export gu Gute gefommen: ein madjfenber Sömenantheil entfällt
— auS leicht erfennbaren, meiter unten noch gu ftreifenben Griinben —
auf ben Snfanbsfonfum.
2BaS ber bisherigen Erörterung bie falftfje Dichtung gab, mar
bie oon oornherein oerfehlte ^roblemftettung. s JRan operirte mit
3 iff€m, mit benen gar nichts gu bemeifen mar unb mit benen man
hoch etmaS bemeifen gu föunen glaubte. Gang roh ift bie einfache
Slneinanberreihung ber 3iff cni unfereS Exports unb etma ihre
Gegeniiberftettung mit ben 3iff crn ber 23eoölferungSgunal)me.
fiehtere geben hoch nicht ben geringften ^luffchlup über irgenb eine
roirthfehoftliche £hatfa<f)e, oor allem nicht über bie Entmidflung beS
SfteidjthumS, auf bie es hoch anfäme, fottte jene ^Parallele irgenb
einen 6inn hoben. 9Htf)t minber bemeiSunfräftig finb jene 3iffcrtt
ber Serufsftatiftif, melche ben Slntheil ber oerfchiebenen Sernfs*
gruppen, infonberheit ber „Snbuftrie", an ber Gefammtbeoölferung
gum Slusbrucf bringen. Es ift befannt, bap fich banad) eine Ser*
fchiebung gu Gunften bcr 3obuftrie, beS .fianbels unb SBerFeprS
unb gu Ungunften ber £aubmirtbfthaft oottgicht, bafg bie Ermerbs*
©oktale $raji$. Eentralblatt für ©ogialpolitü. SRr. 24.
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635
tätigen im Hauptberuf in ber ßanbroirtbfcbaft im $>eutfcben SReid)
1882 noch 43,4 °/o, 1895 nur 36 /2 % aller ErroerbStbätigen aus*
machen, roäbrenb biejenige in ber 3ubuftrie non 33,7 % iw Sab**
1882 auf 36,i °/o iw 3faf)re 1895 geftiegen ftnb. Silber e§ ift bo<b
geroifj gang unb gar unerlaubt, aus biefen 3iff e ™ irgenb meld^e
©djlüffe gu gieren auf ba8 Serbältnift beS Exports gur ©efamrnt*
probuftion. Unb nur auf IefetereS ift bo<b ba$ Slugenmerf gu
rieten, wenn man non einer Xenbeng gum „Ejportinbuftrieftaat"
fpric^t.
©in befriebigenbeS Urtfjeil mirb fid^ über bie tt)atfädjlicf)e Ent-
roicflung unferer geroerblicben Serbälhtiffe erft fällen laffen, roenn
bie im SSerben begriffene SßrobuftionSftatiftif oottenbet fein mirb.
©cf)on heute jebodfj haben mir Seroeismittel genug, um ben ©a£
non ber finfenben Eyportquote als richtig gu ermeifen. SDiit
attberen SBorten: Es lägt fi<b fdjon beute eoibent machen, bafc
bie inbuftriette Sßrobuftion ftärfer geftiegen ift als ber Ejport.
2)afür haben mir oor Sittern bie 3iffent ber in ben ©eroerben
befebäftigten Sßerfonen. SRaeb ber SteidbS*©eroerbeftatifiif roaren in
fämmtli^en ©eroerben 1895 = 10, 3 Sföittionen Sßerfoneti gegen
1882 = 7,3 erroerbstbätig, fo ba& bie 3unabme ber geroerbetbätigen
$erfonen 3 Millionen ober 39,9 % beträgt, ©teilen mir biefen
Ziffern bie SluSfubrmengen gegenüber, fo finben mir
1882 = 17,2 SDtittionen Sonnen,
1895 = 23,8 * * /
b. fj. eine 3unabme in biefem 3eitraum oon 6, 6 SDtittionen t ober
38,4%. Sie SluSfubrroertbe finb in benfelben 13 Saften fogar
nur um 4, 4 % geftiegen. Sllfo fdf)on aus biefen 3iffern würbe
folgen, bafj bie 3abt ber geroerblid) befebäftigten Sßerfonen ftärfer
gugenommen bat als bie SluSfubr, oon bem SßrobuftionSinfrement
alfo ein geringerer £ljeil bem Export gugefallen ift. 9t un rnufe
aber in 33etracf)t gegogen merben, bajj in bem 3eitraum oon 1882
bis 1895 bie Sßrobuftioität ber geroerblicben Slrbeit gang ungeheuer
geftiegen ift, bcmnad) biefelbe Slngabl befdjäftigter ^erfonen ein
oiel größeres Sßrobuftenquantum repräfentirt. SRad| einer 3 Us
fammenftettung bes ©tatiftifcben Slmts (ErgängungSbeft gu $eft 1
ber ©tatiftif beS Skeutfdjen fReicfjö, Sabrgang 1898, bem mir auch
anbere 3abtengruppirungen oerbanfen, oon benen im Sfolgenben
noch ©ebraucb gemacht mirb) mar baS Serbältnifc groifdjen Sßer-
fonenfteigerung unb Sermebrung ber SßrobuftionSmengen für bie**
jenigen SßrobuftionSgroeige, für roelcbe eine giffernmäpige geftftcttung
möglich ift, mie folgt:
©8 betrug 1895 gegenüber 1882 bie 3uuabme (+), Slb**
nannte (—.) ber
für:
befebäftigten
^robuftionS*
er fönen:
mengen:
Sergmerle auf Erge, ausgen. Eifcncrgc .
-- 1,8 %
+ 4,i%
Eifenergbergroerfe.
— 31,o =
4" 49,5 *
©tlber=, Slei*,Äupfer**,9tidel*, Slrfenifhütteu
-1- 44,i *
-f 60,9 *
©alitiert ... *.
4- 0,2 *
4" 16,i *
©teinfoblenbergiuerfe.
+ 48,6 -
4- 51,9 =
Srauttfoblenbergmerfe.
+ 31,7 =
4* 86,9 =
Stübenguderfabritation.
4- 41,4 =
4194,6 *
Srauerei.
4- 43,2 *
4- 41,5 * .
Snfo faft burdigängig eine gang beträchtlidje ©teigerung ber
Sßrobuftioität, bie nur in bem Srauereigeroerbe abgenommen haben
fott. ®iefe Slbnabme ift aber gerabe in biefem Snijuftriegmeige
fidler nur eine fdjeinbare, bur<b irgenbmeld^e SerfdEpebungen in ber
©tatiftif fjeroorgerufene. 3« beachten ift ferner, ba& bie meiften
ber mitgetbeilten 3iffent fidf) auf Sergroerfe begießen, bei benen ber
Entfaltung ber Sßrobuftioität oiel engere ©djranfen gegogen finb,
als in ben eigentlich ftoffoerarbeitenben ©eroerben. 2für ledere
finb mafcgebenb oor Sittern bie 3iffent, roelcbe bie gcmaltige Se*
triebSfongentration in ben lefeten 3a^rge^nten gum Sluöbrucf bringen,
fomie bie ©teigerung ber in ber 3nbuftrie gur SSerroenbung ge**
langenben Elementarfräfte. Ebenfalls nac^ einer reid)3ftatiftif($en
Slufmad^ung fiaben oon 1875—1895 gugenommen:
bic geroerbetljätigen ^erfoncn um . . . 58,7 °/o,
«* ^ferbcftärfen ber Elcmentarfräfte um . 222,o -.
5ßan mirb ba^er eher gu niebrig al8 gu pod^ greifen, menn
mau bie ©teigerung ber Sßrobuftioität be8 gemerblid|en Slrbeiter8
oon 1882 bis 1895 im 2>ur<f)fd)nitt auf 50% bemifjt. Slt8bann
geminnen bie oben mitgetljeilten 3'ff ern n0( *) c ' ne 9 an 3 onbere
Bebeutung. ©ie mürben aisbamt ergeben, bap im grofjen ©angen
bie 3«naf)me ber gemerbli^en s ^robuftion um 50 % ftärfer gemefen
fei al$ bie be8 (%port$.
Sefonberö lehrreich ift e$, einigen mistigen Snbuftrien
im Eingetnen nad^guge^en, bie für bie S3ebeutung unferer
oon Ijeroorragenber SBic^tigfeit finb. ©o meift g. 23. bie Sfabri**
fation oon $ampfmafdjinen 2C. eine ©teigerung ber $er*
fonenga^l um 7, 0 %, eine Slbnaljme ber Slugfu^rmengen um
19,9% auf- 3n ber c^emifc^en Snbuftrie, biefer Eyport*
inbuftrie par excellence, ift gleic^mo^l oon 1882—1895 bie 3 fl ^
ber bcfchäftigten ^erfouen oon 71 777 auf 115 231, b. b- um 60,5%,
bie Sluöfubrmengen * 471218 * 615 341 t, * * 38,i *
geftiegen. ©tfjeinbar eine entgegengefefcte Entmitfelung 1)at bie
anbere mid)tige „Efportinbuftrie", bie Xeytilinbuftrie, in bem**
felben 3«^ u w genommen; aber bodfj eben nur febeinbar. 3o ifc
ftieg nämlidb bie 3W cr ber
^erfonen oon 910 089 auf 993 257, b. b- um 9,i %,
Äu8fubrmengen ** 210 464 * 253 749 t. * * 20, 6 *
roäbrenb bie SluSfubrroertbe um 6, s % fanfen.
E8 mup jebodb in ^Betracht gegogen merben, bafj bie beutf^e
^eytilinbuftrie in biefen 3a$ r S e] M cn einen oottftänbigen Sran8*
formationSprogefc burebmadbt: fie ftöpt bie gabflofen Kleinbetriebe,
namentlidb au(b bie bau$inbuftrietten betriebe, enblich ab unb fon*
gentrirt bie ^robuftion in rafch gröper roerbenben Etabliffement8.
Hat fub bo<h uon 1882—1895 bie 3afp ber Hauptbetriebe in ber
£eytilinbuftrie oon 344 482 auf 205 292, b. b- um 40, 4 % oer*
minbert, mäbrenb bie 3abl ber in ben ©rofebetrieben befebäftigten
^erfonen gang enorm geftiegen ift. E$ roaren Sßerfonen bef<häftigt
in Setrieben mit Sßerfonen:
51-200 201—1000 über 1000
1882 .... 160790 167 935 18983
1895 .... 237 283 307 539 42 777.
$>ie ©teigerung ber Sßrobuftioität in ber £eg*tilinbuftrie nach
biefen 3iffem auf 50°/ 0 anfefeen, b«6 c aufeerorbentlicb oorfubtig
oerfabren, gumal Slngefidf)tö berjenigen 3iff crn , mebbe uit8 über
bie Einfuhr ber SRobftoffc für bie Xeytiünbuftrie oorliegen.
^)ie Sütenge ber importirten gaferftoffe bat fidt) in unferm 3eitraum
annäbernb oerboppelt. E$ mürben eingefübrt an Saummotte,
3la<b$, Hanf, 3ute unb ©<bafrooHe
1882 = 392 964 t
1895 = 727 614 t.
SRebmen mir nur an, bafe bie 3Renge ber au§ $)eutfd)lanb
felbft ftammenben SRobftoffe für bie £eg1ilinbuftrie ftcb um 25o/ 0
oerminbert habe, roas ficberlich hoch genug gegriffen ift, fo mürbe
bie ©teigerung ber oerarbeiteten SDtengen immer noch etroa 60%
betragen, bie ^robuftion fomit bem Export auch in biefer ©tanbarb**
Snbufirie um etroa 60% oorauSgeeüt fein.
3u bemfelben Ergebniffe gelangt man, menn man bie 3°bt
ber ©pinbern unb SBebftüble in Setradf)t giebt, bie in ben lebten
Sabrgebnten eine faft no<b größere ©teigerung aufroeift.
2ßitt man in einer 3'ff er ben ©ang ber Enhoidfelung aus**
brüdfen, fo mirb man nad) ben gemadE)ten Sluöfübrungen fagen
bürfen: S)er Export ift in ben lebten beiben Sabrgcbnten
um minbeftenS 50o/ 0 hinter ber SluSbebnung ber gemerb*
li<hen &bätigteit in 3)eutf(blanb überhaupt gurüdf*
geblieben.
Söober erflärt fi<h bann aber ba8 raf<here SSatbfen ber in*
buftrietten Seoölferung? Sluö bem gang felbftoerftänblid) unb un*
oermeiblicb gunebmenben 3nlanbS!onfum geroerblicber Ergeugniffe.
2)ie ftoffoerarbeitenbe S^bötigfcit mup unabroeiölicb aus folgenben
©rünben einen immer breiteren ©pielraum in jeber Shilturnation
einnebmeit, mag nun ber Export eine Stolle fpielen ober nicht:
1. megen ber noch immer fortfehreiten ben Einfcbränfung ber
längft noch nicht oerfchrounbenen bauSgeroerbliehen Eigen-
probuftion;
2. megen ber gunebmenben Sfofprücbe an ben Komfort be^
fieben^. ÜRan merbe pth boch enblich einmal barüber
flar, bafc jebe Serfdjönerung unfereS 2)afein§, jebe materielle
mie ibeette Sereicherung unferer Efifteng mit SRotbmenbig*
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©ogiale prajtö- Eentralblatt für ©ogialpolitif. Rr. 24.
638
feit eine Vermehrung bcr ftoffoerarbeitenben
feit ooraugfefct, ja, bafe ber gortfcpitt aller materiellen
Sfultur nur in einer immer finnigeren unb funftootteren
Verarbeitung ber im ©runbe ftetö gleichen Roptoffe be¬
ruht. Vlumen unb Seltfateffen ift bag einzige, mag bie
ßanbmirthfdhaft gur Verfeinerung beg ßebenggenuffeg bei*
trägt. Sille ©ioilifation ift auch in biefem materiellen
©inne eine „ftäbtifche*, b. p geroerbliche. Sllfo Steiger*
merben, ftulturfortfcpitt — felbftoerftänblich nur in biefem
unbeftreitbaren Verftanbe oerfetnerten ßebenggenuffeg —
ftnb ibentifrf) mit madfefenber geroerblidher Veoölferung.
Siefe oermehrt ft<h aber noch rafdher:
3. roeil eg in fortfcpeitenbem Viafee gelingt, bie non ber
Sanbroirtfffdjaft gu liefernben Rohftoffe nicht nur immer
mannigfaltiger unb reifer gu ©erarbeiten, fonbem auch
gu erfefcen. ©ie per nur gu ftreifen, ift eg eine ber
©ntmicfelunggtenbengen ber ofonomifdfjen Sedhnü, bei ber
geroerblidhen £ljätigfeit mehr unb mehr auf ben Drgani*
ftrunggprogefe ber Ratur gu oergidpen; b. p immer mehr
unorganifirte Vlaterie gu ©ebraucpgütern gu nufeen.
Vttt anberen ©orten: mir fietten eine madhfenbe Vtenge
oon ©ebraudfjSgütcrn p*/ opte bafe bie betreffenben
©egenftänbe felbft guoor alg Pflange ober Sper hätten
eyiftiren, alfo mittelbar ober unmittelbar alg pflanglid&e
©rgeugniffe beg Vobeng Ratten guoor gemonnen merben
müffen, mag bei ben älteren Verfapunggmeifen ber gatt
geroefen mar. £>ierpr gehören Veifpiele mie bie ©rfafc-
rotte, bie oor allem bag ©ifen fpielt; man oergegenmärüge
fiep mie oiel fjolg in ©Riffen, Käufern, Vrücfen, ©erf-
geugen unb ©erätf>en, mie oiel Pflangenfafer in Sauen
unb ©triefen eg erfefet! Unb mie feine $erftettung felbft
in fortfcpeitenbem Viafee ohne 3nanfpruc^na^me organi*
firter Vlaterie erfolgt! Vlan oergegenroärtige ftdfe ferner,
mie bie ©teinfohle oegetabilifdje Vrennftoffe, mie Petro¬
leum unb ©ag oegetabilifdjje ßeudpftoffe, mie Sfnilin- unb
. anbere ^openpbratfarben bie natürlichen garbftoffe:
£rapp, Subigo, garbplger, ©aib k. oerbrängt pben,
um bie Sragmeite ber per ermähnten Reoolutionirung
unferer Vebarfggeftaltung gu ermeffen. ©rftcplich ift nun
aber, mie fie mit Rotpoenbigfeit eine Vermehrung ge-
merblidher, b. p ftoffoerarbeitenber Shätigfeü erpifdp.
3n Vergmerfen unb £>odf)öfen, in ©lagfeutten unb dhemi-
fd^en gabrifen merben jefet biefelben ©toffe ergeugt, bie
in früherer 3«* ber ßanbmann auf feinem Slcfer ober in
feinem ©albe gu geroinnen h^te-
Uebergang gum „3nbuftrieftaat", menn eg fdprn bei beut fdpefen
Slugbrucf fein Veroenben haben fott, ja; benn eg bebeutet Kultur*
menfthmerbung fthledhthin; gum ,,©rport-3nbuftrieftaat" nicht notp
menbig, thatfädpief) nidht. ©ürbe fich unfer Ejrport noch fang-
famer im Verhältnife gur ©efammtmirthfehaft entfalten, fo märe
eg eine auffattenbe unb ungefunbe ©rfepinung. Sag, mag mir
baoon haben unb in beut bigherigen Sempo fortfehreitenb be»
fommen merben, ift bag Vlinbefte, mag mir brauchen, um unfere
©lieber gefefemeibig gu erhalten, ©ag aber per nicht gu erörtern
ift, mo eg nur galt, einer merfroürbig gäben fable convenue bag
ßebengUdp auggublafen.
Vreglau. ©erner ©ombart.
Sdjntj &er &nge|teUten itt offenen £obeitgefd)äften.
Sie Rooette gur ©eroerbeorbnung, bie ben ©c^ufe ber Sin*
peftettten in ßäben begmeeft, hat eine lange Vorgefcpchte. Vereitg
m ber erften ©ifcung ber VeidE)gfommiffion für Slrbeitgftatiftif am
25. guni 1892 mürbe bem Aufträge beg Reicpfanglerg gemäfe be-
fdpoffen, eine Erhebung über Slrbeitggeit, Sfiinbigunggfriften unb
ßehrlinggoerhältniffe im §anbelggeroerbe gu oeranftalten, um feft-
guftetten, ob Vlifeftänbe auf biefem ©ebiete oorlägen, bie ein Ein¬
greifen gum ©efeup ber Singeftellten nothmeitbig machten. Siefe
Ermittelungen begannen fofort im ©eptember unb Dftober bc£
Qahreg 1892. 1 ) 3wei 3apc fpäter, Rooember 1894, mürben biefe
auf Fragebogen unb ©utaebten ber 3ntereffenoerbänbe fomie einer
Senffcpift beg Veidhg*©efunbheitgamtg beruhenben Erhebungen
burdfe bie Vernehmung oon Slugfunftgperfonen ergängt 2 ) unb im
folaenben Sah^e erstattete bie Äommiffion ipen Vericfet nebft Vor-
fd^fagen gur Regelung ber Slrbeitggeit. 3 ) Sie miepigfte Veftimmung
biefer Vorfchläge ging auf obligatorifdhen ©dhlufe ber offenen Ver-
faufgftetten in ber 3 c ü DOn 6 Uhr Slbenbg big 5 Uhr Vlorgeng.
3ur Slugarbeitung emeg ©efefeentrourfg fam eg inbeffen bamalg
nidht. 3war berührt bag neue £anbelggefefebudf) in feinen bereitg
am 1. Sanuar 1898 in ^raft getretenen Veftimmungen auch bag
©ebiet beg ©dpfceg ber Sfageftettten, eine Vegelung ber Slrbeitg*
geit, bie ^auptfadhe, mürbe inbeffen big jefet nidfet ooraefehen.
Safe bie oerbünbeten Regierungen nunmep enblicfe an biefe Sluf-
gabe hcrangetreten, ift abermalg ein Verneig bafür, bafe nach einer
3eit ber ©tagnation jefet aufg Reue ein frifeher 3 u 0
©ogialreform fommt. Unb biefer ©epitt oormärtg ift oon
foldh grunbfäfelicher Vebeutung, bafe für ung bie Slrt unb ©eife,
mie ber ©<f)ufe ber Slngeftettten in offenen ßabenaefchäften im ©in-
gelnen burdhgefiihrt merben fott, erft in gmeiter ßmie fommt.
Sie pringipielle ©iefftigfeit ber in Slugficht genommenen
Vorschriften gep fchon äufeerlich aug bem Umftanbe hcroor, bafe
fie eingeführt merben alg neue Slbtheilung VI beg Sitelg VH ber
©emerbeorbnung, ber oon ben „getoerblicpn Slrbeitern" hanbelt.
Ser Slbtheilung V biefeg Sitelg (Sluffidht) reiht fuh nun an VI:
„©ehülfen, ßehrlinge unb Sir beiter in offenen Verfaufg-
ftellen". Vach § 139c fott ber Vorfdjlag gum ©efefe erhoben
merben, monadf) ben in offenen Verfaufgftetten befdhäftigten ©e-
hülfen, ßehrlingen unb Slrbeitern, mie audf) ben ©efdhäftgbienern,
paefern :c., nach beenbetem Sagemerf eine ununterbrochene
Ruhegeit oon minbefteng gehn ©tunben gu gemäpen ift.
Slufeerbem ift allen biefen Perfonen eine angemeffene Vlittagg-
paufe einguräumen. Ser ©efefcentmurf oergidhtet auf bie geft-
fefeung beftimmter Ruhepaufen mährenb ber Sabenftunben unb be¬
gnügt fidfj bamit, bei folcfeen ©efchäften, bie ip Perfonal felbft
beföftigen, ben ßabeninhabern lebiglp bie ©emährung einer „an*
gemeffenen" Paufe gur Einnahme ber £>auptmahlgeit gur Pflicht gu
machen. Rur für bie aufeerhalb beg ©efchäftg beföftigten Perfonen
roirb eine fefte Vlittaggpaufe in Slugftcp genommen, beren nähere
‘Regelung ben mit ben örtlichen Sebenggeroohnpiten oertrauten
©emeinbebehörben überlaffen bleibt; bag ©efefe oerlangt einjig,
bafe für bie Vlittagggeit minbefteng eine ootte ©tunbe angefefet
mirb. gn §. 139 d merben Slugnahmen für bringenbe gätte oor*
gefehen. Rach §• *39e ift oon ber aefefelichen geftlegung einer all¬
gemeinen ©dhlufeftunbe für ben ßabenbetrieb ^bftanb genommen,
©enn aber bie ©efchäftginhaber felbft eine fefte ßabenfcblufe*
ftunbe roünfchen, b. p wenn minbefteng gmei Srittel ber betpi*
ligten ßabeninhaber für eingelne ober für mehrere örtlich unmittel¬
bar gufammenhängenbe ©emeinben einen bapngepnben Slntrag
ftetten, fo faitn bie höpre Vermaltunggbehörbe nach Slnhörung ber
©emeinbebehörbe für alle ober eingelne ©efdhaftggmeige ben ©dhlufe
ber Säben mährenb einer näher gu beftimmenben 3^it oon 8 Uhr
Slbenbg big 6 Uhr ober, menn ber ©dhlufe ber Verfaufgftetten auf
9 Uhr Slbenbg feftgefefct mirb, big 7 Uhr Vtorgeng anorbnen.
©ährenb ber ©cpufegeit ift bag geilbicten oon ©aaren auf öffent¬
lichen ©egen, ©trafeen, pläfeen ober an anberen öffentlichen Drten
foroohl im ftehenben ©emerbebetrieb alg im §aufirpnbel oerboten,
©benfo finben bie angeführten Veftimmungen auf Sfonfum* unb
anbere Vereine entfpredhenbe Sfamenbung, 3« ber Vegrünbung
heifet eg pergu unter Slnberen:
Surdh bie Erhebungen ber Äommiffton für Slrbeiterftatiftil ift feft-
geftellt morben, bafe bei ben in bie ftatiftifdje Slufnapne einbegogenen
Sabengefdhäften bie Sabengeit, b. p bie 3rit, innerhalb melier ber
Saben geöffnet ift, nur bei 14,9 °/o meniger alg 12 ©tunben, bagegen
bei 22 ®/o big gu 13, bei 17% big gu 14, bei 18% big gu 15, bei
21 % big gu 16, bei 6 , 5 % über 16 ©tunben beträgt unb fomit in
mep alg ber §älfte ber ©efdhäfte länger alg 14 ©tunben
bauert. Siefe Angaben enthalten Surdjfcfenittggahlett für bie Sauer
ber Sabengeiten in ben befragten ©efchäften. Roch ungünftiger ift
bag Vilb, bag fidfj bei ber Vetracpung ber Verbältniffc in eingelnen
Sfrten ergeben pt, ingbefonbere für oie ©efchäfte mit Sabaf unb
Sigarren, frifdhen Rahrunggmitteln, kolonial* unb Rtaterialroaaren.
Vei ben Sabal- unb ©igarreiigefdfjäften ift eine Sabengeit oon mehr alg
14 ©tunben in 72,7 %, oon mehr alg 16 ©tunben in 9,e % bcr be¬
fragten Vetriebe ermittelt morben. 3n ben Rahrungguiittelläbcn
1 ) Vgl. Rr. 2, 5, 7 ber Srucffachcn ber Sfontmiffion für Slrbeiter-
ftatiftif (Erhebungen), Verlag oon Earl Reumann, Verliu.
2 ) Vgl. |>eft 7 ber Srucffacheit (Verhanblinigeu).
3 ) Vgl. >oeft 8 u. 8a bcr Sritcffadjeu (Verhanblinigeu).
639
Soziale PrajiS. Ecntralblatt für ©ozialpoUtü. Ar. 24.
640
faub fidj bei 73,4% eine Sabcnzeit oon meßr als 14 ©tunben unb
in 48,4% bcr ©efdjäfte mar ber Öaben länger als 15 ©tunben ge*
öffnet. Sei bcn kolonial* unb 9Raterialroaarengefcßäften
fteigt bie 3ußl ber ©efcßäfte, in benen ber Saben länger als
14 ©tunben offen bleibt, auf 84,4%; bei 63,9% biefer ©efcßäfte
nnirbe eine Sabenzeit oon meßr als 15 ©tunben feftgeftellt, in 16,5%
bauerte fic länger als 16 ©tunben.
$ie Sabenjeit bebeutet allerbingS nicßt aucß bie Arbeitszeit. ®ie
?abengeit !amt nur jum Sßeil als eigentliche Arbeitszeit unb muff im
Uebrigen meßr als eine 3eit ber ArbeitSbereitfcßaft angefeßeit
merben. Anbererfeits ift zu berüdfidjtigen, baß bie angegebenen fahlen
ficß nur auf bie regelmäßige 2abenzeit beziehen. $n manchen fällen
bauert bie Arbeitszeit länger als bie Ütabeiifteit. Ebenfalls fießt außer
3meifel, baß in oielen ©efcßäften bie ©eßütfen unb Lehrlinge baS
ganze 3nßr ßinburcß, in anbrren ©efchäften menigftenS mäßrenb eines
SßcilS beffelben ben £ag über in beftänbiger anftrengenber
2 ßä Hg feit gehalten merben. 2)ie mit ber langen £abenzeit oer*
bunbcnen 9iac§t^eile merben burch eine Steife befonberer llmftänbe oer*
fchärft. ...
®ie Vegrünbung einer Verfügung ber Arbeitszeit ift, namentlich
roaS bie ©eßülfen unb ficßrlinge anlangt, feineSmegS auSfcßließlicß in
ber Sefeitignng ober SWiuberung gefunbljeitsfcßäblicßer Einflüffc zu
fucßen. Sei ben münblichen Vernehmungen ift oielmeßr mit noch
größerem Aacßbrucf als bie ©diäbiguug ber ©efunbheit bie Seein*
trächtigung ber geiftigen ftortbtlbung ber Sabengeßülfen auf
bie übermäßige $)auer ber Scfcfjäfiigung zurütfgefüßrt unb* hiermit oon
oielen ©eiten ber cinbringliih beHagtc 9Äangel an gut auSgcbilbetem
£abenpcrfonal in 3 u fammenßaug gebracht morben. ©ämmtlicße bei
ber llnterfuchung befragten faufmänutjdjen Serbänbe, unter bereu 9Rit*
gliebern fiefj in großer 3aßl aucß ©cfcßäftsinßaber beßnben, bie 2Reßr*
Zahl ber einzelnen Sercine unb nahezu alle oor ber kommiffion ge*
hörten Ausfunttsperfonen haben barauf ßingeioicfen, baß bie übermäßig
auSgebeßnten Arbeitszeiten bem jungen Äaufmanne meber 3 f *t noch
kraft, noch Sntereffe für bie pflege ber tßeoretifcßen AuSbilbuitg übrig
ließen. . . . $er ©eminn, ber auch für bas Familienleben oon einer
Äiirzung ber Arbeitszeit erhofft merben barf, ift bei ben mehrerroähnten
Unterjochungen oon ben uerfeßiebenften ©eiten betont unb mit als ein
mefentlidjer ©runb für ein foId)eS Sorgcijen bezeichnet morben. $ic
Maßnahmen, bie ßiernaeß zuut ©djuße ber ©eßülfen, Öeßrlinge unb
Arbeiter in ben offenen Säben erforberlicß erfeßeinen, machen ben Erlaß
neuer gcfcßlidjer Seftimmungen nothmenbig. 2>enn bie bisher unter*
nommenen Verfucßc, bie Sabenzeit unb bantit bie Arbeitszeit ber Ange*
[teilten auf bem SSege freimütiger Vereinbarung ber ©cfdjäftsinßaber
untercinaubcr zu oerfürzen, finb bisher an bem Väberftrebem eines
3ßeücS berfelben, nicßt feiten nur einzelner Sabentnßaber, gefeßeitert.
$iefelben Erfahrungen hat man im AuSlanbe gemacht.
SBäßrenb ber Entwurf ber kommiffton für Arbciterftatifti! barin
beiftimmt, baß eine Sefferung in ben feftgeftellten SEißftänben nur auf
bem 2Bege eines meiteren Ausbaues ber ©efeßgebung erreicht merben
fann, meicht er in ben einzelnen Seftimmungen, oon mehreren ntinber
nächtigen fünften abgefehen, barin oon ihren Sorfdjlägeu ab, baß er
auf bie Einführung eines allgemeinen Acßtußr*2aben*
fdjiuffeS vernichtet. 2)ie 3urüc!meifung, bie biefer Vorfcßiag bei ber
meit übermiegenben 3Reßrzaf)T ber ©efchäftsinhaber unb in ber öffent*
Hißen Meinung erfahren hat, mag zmar inzwifeßen hier unb ba einer
giinftigeren Scurtheilung geroießen fein; immerhin ift aber bie Abneigung
gegen ißu nod) fo ftart, baß es ben Sorzug oerbient, für bie Regelung
ber Arbeitszeit in ben offenen Stöben einen 3öeg zu fuchen, ber meniger
tief in bas ©efcßäftsleben eingreift unb babei boeß ben AngeftcHten unb
Arbeiten! bas ihnen billiger Seife zufommenbe 9Raß oon Auße unb
Erholung fi(ßert.
2 >ie oorgefcßlagene 9Rinimalrußezeit oon zehn ©tunben läßt
immer noch eine fehr lange Arbeitszeit zu. 14 ©tunben ober naeß
Abrechnung einer einftünbtgen VlittagSpaufe 13 ©tunben ArbeitS*
Zeit bebeuten felbft bann, rnenn in biefer nicht beftänbig ge*
arbeitet, fonbern nur fortmährenbe ArbeitSbereitfeßaft geforbert
mirb, eine fehr ftarfe Anfpannung aller geiftigen unb förderlichen
Kräfte ber AngefteHfen, oon benen fehr oiele noch im ©tabium ber
Entroicflung ficß befinben. Oft mirb mit biefer Vcftimmung ben
jungen Leuten ein liebermaß oon Anftrengung zugemuthet, baS bie
in ben äRotiocn auSgebrücfte Hoffnung auf Sefferung ber ©efnnbßeitS*
ocrßältniffe, auf -Hebung ber geiftigen unb fittlicßen Eigenfdjaften
foroie beS 3amilienIebeuS oereitelu mirb. Aber mir oerfennen
anbererfeits nicht, baß in ber gefeßlidien Einführung einer Minimal*
rußezeit an fich ein gemaltiger, fegenSreicher ^ortfehritt gegen bie
jeßigen, zum £ßeil troftlofen unb abfcßeulirfjcn Verßältuiffe liegt.
2Semt ber $Reid)Stag fuh baßer nidjt entfcßließt, bie 9)tinimalruhe*
Zeit noch um eine ©tnnbe z 11 oerlängern, fo -baß eine effeftioc
Arbeitsbereitfchaft oon 12 ©tunben erzielt mirb, fo möge er ben
Sorfchlag ber SßoocHe menigftenS mit ber Maßgabe annehmen,
baß bamit nicht eine Regelung auf bie 2 )auer, fonbern ein lieber*
gangSzuftanb gefd^affen mirb, bis bie Seränberutig in ben
Maufgeroohnheiteu beS ^ublifumS unb bie Einficht ber Vcibenbefißer
eine meitere Serlängeruitg ber 9tnf>e 3 eit geftatteu.
2öaS bagegen ben fiabenfcßluß auf Antrag oon gtoci ©rittel
ber fiabenbefißer betrifft, fo neigen mir, troß ber in beit 9Rotioen
angeführten ©riinbe, gleichrnoßl ber Anficht zu, baß, unter Serücf*
ftchtigung nothmenbiger Ausnahmen für geroiffe 3e*ten 3ah rej ^
unb für gemiffe ©efchäftSzroeige, ber obligatorifche Öabenfdßtuß
um 8 Uhr oorzuziehen unb auch bureßführbar ift. 3 n
meiten ©ebieten beS Reiches, z* 33- in ganz ^übbeuifcßlanb, haben
©itte unb Sraucß ben allgemeinen ßabenfehluß um 8 ober felbft
um 7 Ußr oßne ©efeß „obligatorifch" gemacht. &aß auch iu Drten
unb ©egenben, mo bie £äben bis tief in bie 9ta<ht bem ^ublifum
offen zu fein pflegen, ber früße ©cßluß fieß als möglid) unb oor*
tßeilßaft ermeift, it\$t bie (Gepflogenheit oieler großen Skaren*
ßäufer, bie mit bem ©locfenfcßlag 8 Ußr ißre Pforten fcßließen.
Nichtig ift, baß ber Sorfcßlag ber Äommiffion für Arbeitsftatifti!
f. 31* einen großen ©turnt erregt hat. Aber bamals finb nicht
nur maneße Hjcißoerftänbniffe untergelaufen, fonbern es mar auch
fehr oiel parteipolitifdje Agitation Damit oerbunben, bie auf SDiS*
frebitirung ber ©ojialreform überhaupt ßinarbeitete. 3 eßt finb bie
©emütßer oiel rußiger. Aucß in ben Ä reifen ber ßabeitbefißer ßat
bie oernünftige Erfenntniß, baß ein allgemeiner Acßtußrfcßluß für
Prinzipale unb Angeftellte eine SSoßltßat bebeutet, bie ge*
j fcßäftlicßen 92acßtheile faum in Setracßt fommen unb baS PubUfum
1 fi(ß halb an ben neuen Sraucß — ebenfo mie bei ber ©onntags*
ruße — geroößnen mirb, oon Saßr zu Öaßr an Soben gerooniten.
3n ben ©eßülfenoerbäitben aber ßerrfeßt einmütßig baS lebhafte
Verlangen naeß ber Scftfefenng einer £abenfcßlußftunbe. 9Bir ßoffen
bringenb, baß aus ben Streifen ber Setßeiligten ein ©türm oon
Petitionen um ben obligatorifcßen Achtußr*£abenfchluß bcn SReicßS*
tag oon ber SRöglicßfeit unb bcr üJlotßroenbigfeit biefer Maßregel
überzeugt unb baß bie oerbünbeten ^Regierungen ficß bann aucß
entfcßließen, ftatt einer halben Maßnahme ganze Arbeit zu machen.
$)ie 91ooeIIe bringt bann noeß einige SSorfcfjläge, bie uttbebingt
gutzußeißen finb. $>ie 9Rißad;tung ber Sorfcßriften beS |>anbelS*
gefeßbudjeS, monaeß bie ©efcßäftSinßaber oerpflicßtet finb, bie
©efd)äftsräume unb bie für ben ©efcßäftsbetrieb erforberlicßen
©erätßfcßaften fo einzuridßten uttb zu unterhalten, aucß ben
©efcßäftsbetrieb unb bie Arbeitszeit fo zu regeln, baß ber
^anblungSgeßüIfe gegen eine ©efäßrbung feiner ©efunbheit, foroeit
bie SRatur beS Betriebes es geftattet, gefdßüßt unb bie Aufrecßt*
erßaltung ber guten ©itten unb beS AnftanbeS gefießert ift, ßat
bisßer tebiglicß ©cßabenSerfaßpfUcßt zur Solge. fott ben
f ^olizeibeßörben baS fRecßt übertragen merben, für einzelne offene
äben bie 9J2aßnabmen anzuorbnen, bie zur Serroirflicßung ber
im §anbeISgcfeßbutß enthaltenen Abficßten erforberlicß finb, mäßrenb
bem SunbeSratß bcr Erlaß allgemeiner Anorbnungen zur Regelung
ber gefeßaeberifd^en Anforberungen zufteßen foll. Auf biefem Skge
fönnten Die Prinzipale aucß oerppießtet merben, für ißre Ange*
ftellten geeignete unb auSreicßenbe ©ißgelegenßeit z u befeßaffen.
Enblicß fott bie Verpflichtung beS Prinzipals, bie ©cßulbilbung
feiner ©eßiilfen unb ßeßrlinge unter 18 Saßren zu förbern, er*
meitert merben. 2)ie fießrßerren im £>anbelSgemerbe maren bisßer
nur gehalten, bie zum regelmäßigen Vefucß ber ÖortbilbungSfcßule
erforoerlicße 3«l 3 U geroäßren. künftighin foff ben Prinzipalen
bie Pflicht auferlegt merben, bie bei ißnen bebienfteten jungen ßeute
zum Vefucß ber SortbilbungS* unb fyacßfchule anzuhaltcn unb
Den ©cßiilbefucß zu übermachen, mie folcßes bureß bie ©eroerbe*
orbnung aucß oon ben ßeßrßerren in ber Qnbuftrie geforbert mirb.
SRacß ber ©efcßäftslage beS SReicßStageS mirb bie Slooefle oer*
mutßlicß erft naeß ben Dfterferien, alfo m ber zweiten §älfte bes
April zur Seratßung fommen. AHe, bie es augeßt, foßten biefe
Seit aufs Eifrigfte beuußeu, um ißre Anficßt öffentlid^ zur ©eltung
S bringen, llnftrcitig ift bie Vorlage ein ßöcßft erfreulicher 5ort*
ritt, aber nad) unferer Meinung fann oßne nennenSroertße 92atß*
tßeile ber ©efeßgeber auf biefem (Gebiete aucß heute feßon baS 3^1
meiter ftedfen, als in bem Entrourfe gefeßießt. E. 3*
Mgettteine Stojial- unö VÜrt|)Cd)aft^poUtik.
$err v. Wtqntl unb bie Üanbarbeitcr-Enqu^te beS Vereins für
©ozialpolitif*
2 Bir erßalten folgenbe Sufcßrift:
3n ber „25eutfd^en Snbuftriezeitung" (92r. 7 oom 15. $e*
bruar b. 3.) ßnbet ficß in einer Vefpredjung ber SanbtagSoerßaub*
langen oom 9.— 11 . Februar b. 3- über ben Antrag ©amp, be*
treffenb bie Uinblidjeit Arbeiteroerßältniffe, golgenbes:
SefouberS f)cruorlicbcn möditcii mir eine Acnßcrimg bcS Finanz*
miiiiftcrs über bcn Verein für ©ozialpolitif, auf beffen Erhebungen fid)
641
Soziale prajiS. ©entralBlatt für Sozialpolitik Rr. 24.
642
bic fretfittnigen ?lbgeorbncten ftirfcf) itnb BartB Bezogen Bitten, .$err
oon SRiquel fagte nämlich-wörtlich:
„Sd) Babe mich aber nicht beSroegen junt SBorte gemelbet, fonbern
um 3*ugnife aBjuIegen über ben Berein für Sozialpolitik beffen
glieb id) felbft noch bin, obwohl nirf»t mehr ein tätiges, unb baBer
genau weife, was bie Bücher, bie ber herein BerauiSgieBt, Bebeuten.
2Ran Bat nun gefagt/ biefe ©nqueten fänben ftatt unter ber Autorität
ber Regierung. Daoon ift utir nid)ts Befannt. 2Ran Bat Bann auf
einzelne Sendete non einzelnen Perfonen, bie bent BereüiSoorftanb unb
felbft ben Dezernenten, bie für Beftimmte ©egenben baS Dezernat über»
nommen Baben, oft nicBt mal perfönltdf) befannt ftnb, ein autoritatioeS
©emid)t gelegt, als menn ben großen SBaBrBciten biefer einzelnen Be*
rtdfjte überhaupt nid^t wiberfprochen werben fönnte. £>err Dr. Barth
Bat meiner Meinung nach ganz mit Unrecht biejenigen R ebner getabelt,
roeltBe beridjten aus iBrer eigenen 2ebenSfenntnife ber BerBältniffe in
Beftimmten ©egenben. äReine Herren, idB bin ber Meinung, bie ficherften
Berichterstatter finb bie, bie bie Sachen felbft gefeBen, gehört unb er*
lebt Baben. Aber ein Buch lefen oon einem einzelnen äRenfchen,*) ber
bem Sefer gar nicht Befannt ift, beffen SBiffen unb 3 uoer läffig*
feit, beffen «Stellung z u allen fojialeti fragen iBm oollfommen
fdBleierBaft ftnb, uno barauf ein foIdjeS ©ewidjt z u legen, wie man
legen mufe auf bas S^gaife eines SRanneS, ber bie Dinge aus eigener
SBiffenfcBaft fennt, baS ift eine Berwethfelung, bie i<B gar nicht Begreife.
Sßie mirb baS in bem herein gemacht? ©S wirb BeftBIoffen, eine (Sn*
quete über bie Sage ber SanoarBeiter in DeutfcBlanb. ^cB Balte es
für im Bödjften ©rabe wünfchenSwertb, bafe biefe Sage grünblich auf*
geflärt mirb. Sefct oertBeilt ber herein Dezernate für beftimmte ©e*
genben, unb ba übernimmt ein Dezerneut einen beftimmten Bezirf unb
roenbet fuB nun an eine ganze 3Renge ptrfoncn, bie iBm bem tarnen
nadB Befannt ftnb, oon roelcBen er annimmt, ftc oerfteBen etmaS, fie ftnb
aud) willig bazu, z« Berichten. ©r fennt biefe Perfonen oielfad) per*
fönlidB überBaupt nicht, unb bie Briefe, bie nun biefe Seute fcBreioen,
merbeu in baS Buch aufgenommen. Die ©efammtBeit ber Be*
ricBte macht gar nicht einen richtigen ©inbruef, aber fch wären
wie auf ein ©oangelium auf ben Bericht eines einzelnen SRanneS fällt
bem Bereiu unb bem BereinSoorftanb auch feinerfeits niemals ein. 3<h
glaube baBer, bafe bie Bebeutung ber einzelnen Berichte gänzlich oer*
fannt toirb. SBenn bie Herren feine Befferen Bemeife BeiBringen, fann
tch nicht oiel barauf geben."
Das ift eine flarc ABfage ber Regierung an jene „wiffenfebaft*
liehen" Beftrebungen, bie angeblich nur unparteiifch gefammeiteS 3Ra*
terial liefern mollen, in SSirflichfeit aber in ber preffe unb namentlich
auf ben ©etieraloerfammlungen beS genannten Bereins zu tenbenziöfer
gurechtmadjung ber DBatfacfeen unb 3aBlen füBren. SRit benfelben
JaBlen fann man je nach ber ©ruppirung bie oerfdjiebenfien Bemeife
erbringen; bie 3af)len beS „Bereins für Sozialpolitik ftrtb bis jept
Bauptfädjiich z u bent BemeiS gemifebraucht morbett, bafe bie Arbeiter
DeutfcfelanbS eigentlich eine rechtlofe unb unterbrüdte Klaffe feien. Diefe
DBatfadje fpricpi ja natürlich nicht gegen biefe Statiftifen felbft, fonbern
nur gegen ihre Ueberfcpäpung unb unbebingte Annahme als untrüglich-
Sollte biefe Anftcpt burch bie SBorte beS felbft als früher thätigeS SRit*
glieb bem Bereiu angehörenbett giuanzminifterS einen Stofe erlitten
Baben, fo märe baS ein erfreulicher ©rfolg.
Das Stenogramm ergiebt, bafe an ber gtpetten ber (oon mir)
efperrten Stellen §err o. SRiquel baS ©egentpeil beS im Beriet
er „Snbuftriezeitung" BBiebergegebenen fagte. Sonft ift bte
BBiebergaBe forreft. 3n Betreff beS BäertpeS ber citirten ©nquete
über bie fianbarbeiter barf t<p bie Rechte beS AbgeorbnetenpaufeS,
beren „lebhafter Beifall" bie abgebrochen BBorte begleitete, unb
bie „Snbuftriezeitung" wohl auf ben halb nach ©rfepeinen ber
©nquete erfolgten ßeitartifel ber „Kreuzzeitung" unb auf bie
Heufeerungen beS in biefem fünfte getoife unoerbächtigen früheren
Slbaeorbneten o. $ammerftein im Reichstage oertoeifen. Diefe fym
nod^mals abzubrudfen, märe zu weitläufig.
3öaS öerrn o. SRiquel anlangt, fo genügt es, auf feine nadfe Sorm
unb Snhaft gleich befremblichen Bemerfungen SolgenbeS zu fagen:
1. ©S ift ihm hinlänglich Befannt, bafe bie ©rhebungen beS
BereinS anberS, als er fte fchilbert, oorgenommen mürben, bafe
inSbefonbere bie Berichterftatter auSfdjliefelich oon ben Snter*
effenoertretungen ber ßanbmirihe als bie für bie Bericht*
erftattung geeigneten ^erfonen auSgeroählt unb bem Berein be*
Zeichnet morben waren. — Diefelben waren ausfchliefelich foldje
Berfonen, welche ber 3Rinifter jefet als bie allein zur Beurteilung
ber Öanbarbeiteroerhältniffe berufenen bezeichnet hui-
2. §err o. 3Riquel geftattet fleh, meine „3uoerläffigfeit" anzu*
taften, inbem er pe als eine (bem Sbgeorbneten §irf<h!) „fchleier*
hafte" bezeichnete. — ©S ift für $errn o. SRiquel aus guten
©rünben noch gewagter als für Slnbere, ben ©harafter irgenb
3emanbeS in Bfrage zu ziehen, auch wenn ihm berfelbe, wie er bies
bezüglich meiner offenbar anbeuten will, gänzlich unbefannt ift.
Diefe Unbefanntfchaft mit einem fo jungen Dozenten, wie ich es
bin, wirb ja Riemanb SSunber nehmen, nur ift fie ziemlich neuen
*) $err §irf<h Butte nur mich mit Barnen eitert.
Datums, ba er feiner 3eit mir bie — wie ich heute geftehe, hö<hft
fragwürbige — ©hre einer perföntichen ©inlabung im „engften
Greife" angebeihen liefe zu bem auSfdBUefelichen 3medfe, mir feine
hödhfte Befriebigung über meine ©nquetebearbeitung auSzufprechen.
BkiS biefe ©nquetebearbeitung felbft anlangt, fo brauche ich
im Uebrigen faum hiuzuzufügen, bafe ich f ie nicht etwa für eine
Befonbere miffenfchaftliche Seiftung anfehe, fonbern für fte lebiglich
ben ©harafter als einer unpartehfehen 3 u fammenftellung unb Ber*
arbeitung ber Angaben ber Beridfete in ^nfprudfe nehme. Bei einem
fo ungeheuren Bfaterial wäre baS Borfommett zahi re it cr ©inzd*
irrthümer an fich nichts B3unberbareS. Den gröfeeren Dheil ber
Arbeit hübe ich fdhft noch nach bem Drucf, folange baS ÜRaterial
mir zur Berfügung fianb, baraufhin nochmals prüfen fönnen. Rach
meinen Rotten hüben fidfe aber babei, abgefehen oon einigen fofort
als foldfee in bie Slugen fallenbett Drucffehlern in einigen Dabellen,
nur fo gänzlich gleichgültige SHeinigfeüen gefunben, bafe es nicht
ben aeringften fachlichen 3medf hütte, fie, wie ich hei Bornabnte ber
Prüfung beabfichtigte, bei etwaigen fünftigen Arbeiten auf biefem
©ebiete anzuführen. Die oon 5>errn ©i^fch citirten Berichtftellen
hatte ich S um ^h e it meines ©rinnernS im Original in mein Btanuffript
eingefügt, fo bafe hier felbft Slbfcfereibefehler auSgefchloffen ftnb.
£>eibelberg. 3Ray SSeber.
Antrag auf ©inführimg beS RormalarbeitStageS in 8rranf*
reich* 3)er franzöpfchen Deputirtenfammer liegt ein Antrag
(9R9R. ßoper unb Roper) oor, betrepenb bie gefefeliche ©inführung
beS elfftünbigen RormalarbeitStageS in 2franfreiÄ. Die Eintrag*
ftetter erflären fidfe allerbingS für Anhänger beS 3ehnftunbentageS,
hoch glauben fie, bafe bie gefefeliche §erabfepung ber Arbeitszeit
nur langfam unb fchrittweife erfolgen foH, um ber Snbuftrie 3eit
zur BerooHfommnung ber ^robuftion unb ©ntmidfelung ber
ArbeitSorganifaPon zu laffen. Sie oerweifen auch auf baS reiche
oorliegenbe SRaterial, baS beweift, bafe eine Rebuftion ber ArbeitS*
zeit ni^t unbebingt eine Berringerung ber Brobuftion bebeute, ba
p<h bei fiirzerer Arbeitszeit faft regelmäfeig bie gntenfttät ber
Arbeit, bie Arbeitsleistung, fteigere.
SchtoebtfdBe BerufSpatiftt! 1870—1897. Die Berfchiebung
Zwifchen ben oier grofeen §auptberufSgruppen; ßaubwirthfehuft
(mit Biehzucht unb gifcherei), Snbuftrie (unb Bergbau), $anbel
(unb DranSportwefen) unb öffentlicher Dieuft (nebft üterarifchent
unb fünftlerifchem Beruf, ^ranfen* unb Armenpffeae :c.) währenb
ber lefeten 27 Qahre zeigt für Schweben folgenbe Dabelle:
I. SanbwirtBfchaft . . .
II. Snbuftie.
III. fcanbel . . ..
IV. DeffentUchcr Dien ft .
1870
. 2 995 844
618 414
210 940
848 827
1880
8 078 274
810 841
826 091
350 962
1890
2 914 984
1087 072
426 911
356 014
1897
2 857 000
1290 000
500 000
368 000
Ober prozentuell:
4 168 525
4 565 668
4 784 981
5 010 000
1870
1880
1890
1897
I. SanbwirtBfchaft ■ • .
71,87
67,42
60,93
57,02
II. gnbuftrie.
14,71
17,75
22,72
25,75
III. .fpanbel.
5,oo
7,14
8,92
9,98
VI. Oeffcntltdjer Dicnft .
8,3G
7,G9
7,41
7,25
100
100
100
100
ftontnutnale $o}ial)>i>tltik.
©uquete über foutmunale Untemehtuungeu in pulten. Das
italienifche Btinifterium beS 3nnerit h fl t an bie B r °uiuzbehörben
ein Runbfchreiben gerichtet, baS auf bie ©nbe Dftober befcbloffene
©infefeung einer Äommiffton binweift, bie mit bem Stitbium ber
fommunalen Unternehmungen unb ber Örage eoentueller gefeplicher
Regelung ber 5Raterie betraut ift. Die ^ßräfefturen weroeit bem*
getnäfe attfgeforbert, ber ^ommiffion atteS einfcplägige Rlaterial
aus ihren Diftriften zur Berfügung zu fteHen, uttb zwar mit thun*
lichfter Befcfeleunigung, bamit bie bezüglichen RegierungSoorlagen
ehemöglichft fertig gepeilt unb bem Parlamente oorgelegt werben
fönnen. ©ingeforbert werben oor Allem alle Informationen,
Reglements unb Bilanzen fommuualer Unternehmungen, Betreffenb
Beleuchtung ber Stäbte, Strafeenbahnen, BJafferleitungen, eleftrifdie
Kraftanlagen, Schlachthäufer, Bäber u. f. w, fowie baS gleidic ein*
fchlägige uRaterial, betreffenb folcper in prioatent Betrieb bepnb*
lieber Unternehmungen, an welchen bic £)effentlid)feit iutereffirt ift.
©leichzeitig wirb auch baS ©utachten ber präfefturen in ber Srage
munizipaler Unternehmungen aboerlangt.
643
©ogiale $ra£t$. Eentralblatt für ©ogialpolittf. Br. 24.
644
Sie grage bet Bergeuteinblidjnng in Englanb. gn jüngfter
3cit fiep bic 3 a pl btx ©emeinben, bie bie Bergemeinblicpung
aller Unternehmungen, an toeldjen bie OeffentIid)Feit intereffirt ift,
roie ©trafcenbapnen, ^Beleuchtung, Wafferleituugert, ©cpladjthäufer 2C.,
in ibr Programm aufgenotntnen haben, roefentlicp nermebrt nnb es
ftnb aud) bereits in nielen Orten bie meiften berartigen Unter*
nehmen in ben Befip unb Betrieb ber Kommunen übergegangen.
Siefe Bewegung bat in manchen roopl als mancbefterlicb gu be*
geiepnenben Greifen Bebenfen erregt unb bie grage beS „Municipal
Trading“ ift in Englanb gur SageSfrage geworben. £>at bie Be*
roegung auch faum eine ernfte ©egnerfd)aft gefunben, fo roirb boch
non mancher ©eite bafür plaibirt, eine gefeplidje ©runblage unb
legale ©rengen ber fommunalen Betriebe gu fcpaffeit. Bon biefem
©tanbpunfte auS bat bie „Society for Encouragement of Arts,
Manufactures and Commerce 4 eine Eingabe an baS Home Office
gerichtet, bie bie Einfepung einer föniglicpen ^ommiffton gur Unter*
fuchung ber grage ber fommunalen Betriebe unb ihrer geglichen
Begulirung forbert. Aller Waprfd)einlid)feit nach bürfte eine Ett*
quete, betreffenb Municipal Trading eingeleitet roerben, bie jebenfaHS
febr intereffant nnb inftruftio märe.
©täbtifdje Bitßcefleit. Sie BJagbeburgcr ©tabtocrorbnetcn ge*
nepmigten am 2. Btärg bic WcfcbäftSorbnung für bie ftäbtifdjc ArbcitS-
nadjroeißftefle. — 3» Berlin lag gum Etattitel „Babeanftalten" eine
Bittfcfirift oor, bie ÄUaffeneintüeilintg befeitigeu unb einen 3 c b ns
Pfennigtarif für fämmtlidje Bäber einfüüren gu wollen. 25er mit ber
Beratung betraute Ausfdjuft tonnte mittpetlen, bap in golge ber Be*
fcfilüffe ber Berfamntlung bie Wannenbäber erfter klaffe in ben ftäbtifepen
Bolföbabeanftalten befeitigt feien, aud) mebijinifdie Bäber nidjt mehr
oerabfolgt mürben. Ser roeitergefjenbe Antrag auf Herabfepuitg bcs
Tarifs fei oofltg unannehmbar unb ein unberechtigter unb unjuläffiger
Eingriff in bie Bedjte ber ©tabtgemetnbe. Sie Petition mürbe burep
Uebergaug gur 2ageSorbnung erlebigt. — Bfanttljeim unb Deibel*
Berg riiften ficb gur Errichtung oon Eleftrigitätßiuerfen unb Ummaublung
ihrer ^ferbebabnen in eleftrifdje. gn Biamtfjeim mirb bie ftemcinbc
Wert unb Bahn felbft betreiben, in £eibclberg mirb fie oorerft nur baS
Wer! crridjten unb betreiben, ba bie s ^ferbebabn noch über ein gafirgepnt
tioiigeffion bat. — gn greiburg i. B. mirb ebenfalls Elcftrigitätsioerf
unb eleftrifdje ©trapenbabn oon ber ©tabt erfteilt unb betrieben merbeit.
$0}taie Juftänöe.
Bctämpfnng ber gewerbsmäßigen ®inb erarbeit bnrdj bie Seprcr.
Ser Seutfcpe Öepreroerein, ber fich bie Befämpfutig ber erroerbs*
mäßigen kinberarbett febr angelegen fein läßt, bat an bie Seprer*
fchaft einen Aufruf erlaffen, in benx es u. 51. peißt:
Ter gefepäftsführeube AuSfcpuß oermutljet, baß nodj braudjbares
9EateriaI, bie eriuerbsmäßige ftinberarbeit betreffenb, bei ben tfofaluer*
bänben unb in ben Rauben einzelner Kollegen ruht.geber Bei*
trag gur Beleuchtung ber immer unhaltbarer merbenben guftänbe ift
beute itod) mertboofl. Sie Berbanblungen im Acidjotag babeit gezeigt,
baß bie Auflagen um fo mudjtigcr mißfallen, je nmfaffenber unb beweis*
fräftiger bas Material ift, bas ben Befürwortern riueö ^citgemäfjen
unb aimreidjeuben .ftinberfdjn^eö, mie mir ibu münfdjen muffen, jur
Berfügungftebt. Bürfteben aber gait ,5 itub gar erft im Anfang ber Bcmcgmtg,
benn* uod) ift feine unferer ^orbermtgen burchgcfcpt. ^ic Arbeit jept
fchoit alö abgefdiloffcn , 31 t betradjtcn, märe aitgcfiihts ber in ben Debatten
bei? ^reufiifcben Jlbgeorbnetenbaufcö 31 t 2 agc getretenen 5lbfid)ten ber
Agrarier auf gefteigerte ^lurmnpung ber tinblidjen 5lrbeitsfraft ttabeju
ein Berratb an ben 00 m Xeutfdien l'ebrerocrein geftcctten fielen. 2 er
* 2 liiC’fcfjnf 5 bittet baber, ba» etufdjlägige Btatcriai ber (Scutralfteüe 31 er
meitereit Bcrarbeituug unb paffenben 5lu»nupuug 311 übermitteln.
3n einem unlängft im ^ebreroerein itn Blauen im Boigtlanb
gehaltenen Bortrage mürben (fibebungen über bie freie 3 e it ber
Bolföfchüler in btefern Qnbuftrieort mitgetbeilt. fönnen (nad)
einem Bericht ber „Örff. 3*9*") bort, notbmenbige Söege au§*
gefchloffen, 57 % jener Äinber nur an ©onntagen, unb meiftettS
aud) nur be£ 9tachmittag0, an bie £uft geben. 9iur 25 °/ 0 fönnen
biefc^ täglich; 13 °/ 0 gaben an, bafe fie nur gang roenig an bie
Vuft fäinen. 3n allen 'gälten, fo helfet eö in bem Bortrage, roirb
5lrbeit (gäbelit, 3ätfeln) al§ ©runb ber Abhaltung angegeben.
Bon 100 Slinbern maren fomit 70 faft immer an ba£ 3itnmcr
gefeffelt. 25er Bortragenbe fügte binju: „25ie Heroen ber unfere
einfachen Bolf»fd)ulen befudjenben ilinber arbeiten in einer BJeife
langfam, bie Beforgnifj einflöfet. 2)ie gunebntenbe Stumpfheit
fdjeint meiter um fich gu greifen, als man ahnt."
Betriebsroerfftättcu für Drechsler tu SBien. Um ben Hebel*
ftänben ber Heimarbeit gu fteuern, hat bie Wiener ©emerffchaft ber
ÄnopfbrechSler befcfiloffen, Hämarbeitergruppeu gu organifireti unb
©ruppcnmerfftättcu ,311 eröffnen. 3 11 nätf)ft beftef)t bie 5lbfid)t, ;
(^ruppenmerfttätten in BiViMing unb Cttafring gu crridjten, fobalb i
fid) eine geniigenbe 3al)l oon Heimarbeitern gefunben hat. Sen
©nippen füllen bie mobernften Einrichtungen gur Ergeugung ber
Berlrnutterfnöpfe allmälich gur Berfügung gefteHt merben, inSbc*
fonbere roiH man bie neu fonftrnirten ^nopftrommeln einführen.
Slufeerbem beabfichtigt bie ©emerffchaft, einen Unterricht in ber Er*
geugung oon aujjergeroöhtitid)™ tnopfmuftern in eefiger unb ooaler
gaejon, furg in ben oerfd)iebenften 5lrten unb gaconö burch gad) s
männer ertheilen gu laffen. Bei bem ernften Sßifien, ben bie ilnopf*
brechSler gurErrci^ung biefeS3' e l e ^ an ben Sag legen, ift gu erroarten,
bah ber Erfolg günftiger fein roerbe, als f. 3t- bei ben BUbhauern unb
^tauchroaarenbrechslern._
^tbeitgebemrbänbe.
£anbeSPerbanb Württemberg beS StrbettgeberbimbeS im Bau*
f ietoerbe« 3tn ©eptember o. g. ift befattntlich in Breslau ber Qu*
ammenfd)lu6 ber oerfdjiebenen Eingeloerbänbe ber Unternehmer im
Baugeroerbe gu einem großen einheitlichen Berbanb für gang
S)eutfd)lanb im Bringip befd)loffen roorben. gn golge beffen fanb
am 5. B?ärg in ©tuttgart eine Berfammluna beS BerbanbeS füb*
beutfeher BaugeroerfSmeifter ftatt unb bcfchlofj, bem beutfehen 5lr*
beitgeberbunb für baS Baugeroerbe beigutreten, fich als fianbes*
oerbanb für Württemberg gu fonftituiren unb als 3 ,oe ^ ^ crs
banbeS gu begegnen:
1 . 3 mtfd)fii ben gntereffen ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer einen
„billigen'' Ausgleich anguftreben; 2 . bei ©treitigfeiten groifdbeu Arbeit*,
geber unb Arbeitnehmer roontöglidj eine beibe 2f)cile befrtebigenbe Ber*
mittelung berbeigufübren; 3. unberechtigte Bestrebungen ber Arbeit*
nebmer, roeldje Darauf gerichtet finb; bie ArbettSbebiitguugen einfeitig
oorjufdjreiben, inSbefonberc bie gu biefem ^meefe geplanten ober »er*
anftaltetcn Ausftänbe gemeinfam abguroebren unb in ibrert golgen un*
fdiäblid) gu machen (ArbcitSeiuftellungeu, ©perre, BerrufSerflärunaen),
nnb 4. ein einbcitlidic» Hanbeln in allen gragen, roeldje für baß Bei*
bältniü groifeben Arbeitgeber unb ?lrbeitneljmer oon gruitbjäplidicr Be*
beutung finb (BJarimalarbcitßtag, @efd)äftßürbnungen 2 c.) gu fidjem.
S)er „Berein für bie bergbauliche« gutereffeu" i« Effen nnb
ber „©emerftierein cbriftlidjer Berglcnte'\ gn ber lepten Borftanbs*
Üfeung beS „BereiuS für bic bergbaulidjen gntcreffen" gu Effen
tarnen bie ©chreiben beS ©eroerfoereinS chriftlidjer Bergleute 00 m
19. gebruar biefeS galjreS, in benen eine Aufbefferung ber Berg*
arbeiterlöhne u. f. ro. gefordert roirb, gur Erörterung. $ad) ein*
ftimmigem Befchluffe beS BorftanbeS mürben bie Wünfche ber
Arbeiter abgelehnt. Auch roarb baS Bedangen nach ArbciterauS*
fdfjüffen abgclehnt mit ber Bcgrünbung: „2)urch ArbeiterauSfchüffe
mürbe lebtglich fogialer Unfrieoe herbeigeführt unb nicht ber fogiale
griebe geförbert." — Wirtlich?
\rhcUcrbtwegung.
Banarbetterfdjnp • ßougreü. Sie beutfehen Bauarbeiter rüftcu
gn einem allgemeinen Bauaroeiterfchnpfongrefj, ber 00 m 19. bis
21. b. in Berlin ftattfinben unb eine „impofanteSemonftration
gegen bie Blifjftänbe im Bangeroerbe in Begug auf UnfaHoerhütung
unb fonftige fanitäre Einrichtungen" roerben foK. Sie Einberufung
ift burch bk Hamburger Äommtffton für Bauarbeiterfchup erfolgt,
gür bie örtlichen Borarbeiten ift in Berlin ein &ofalfomite er*
nannt. Sie oorläufige SageSorbnung lautet: 1. Ser Baufchroinbcl,
bas ©ubmiffionSroefen, ihre Urfachen nnb Wirtungen. 2. Sie
Unfallgcfahr unb BJipftänbe tn fanitärer Begiehung im Bau*
geroerbe. 3. Anträge. Erroartet roerben gum Äougrep Selegirte.
ber BauhülfSarbeiter, Sachbecfer, 3Raler, SJiaurer, Ofenfeper, ©teilt*
feper, ©tuefateure, glmmerer. 5luch in Bieifterfreifen bringt man
bem tfoitgreft gntereffe entgegen, ©cforbert roerben foH baS Ber*
bot ber Arbeit bei offenem kotsfeuer unb bei unoerglaften genftern
roährenb ber falten gahreSgeit Aufhellung biepter nnb geniigenb
bebeetter Lüftungen, Errichtung eines oerfchliefibareit Baumes auf
allen Bauten gum Umfleiben unb gur Unterbringung beS Wert*
geugS 2 c. — s Auf einen Angriff beS Biiinchcner BerbanbeS ber
Arbeitgeber im Baugeroerbe, roegen feines BortragS über ben ©cpup
ber AroeitSroilligen, pat Brofeffor Brentano in B^üticpen unlängft eine
5(ntroort erlaffen, in ber fiep folgenbcr beincrfenSroertpe BaffnS fxnbet:
gerabe auf bem Eebiclc ber Baugeroerbe bic Ausübung bc*
Moalitioußiedjts ber Arbeiter ein befoubereß Arbeitsfelb pat, bewetfen
bic gunclunenben jiifjftäitbe im Baugeroerbe; ift bodj im Bereidjc ber
batjeriidicu Brtugeroerfß*Berufsgenoffenfif)aft bie ^abl ber Berlepten, für
roeldje Unfallniigcigcu erflattct mürben, 001t Juso bis 1 H 9 .'» oon lsil
auf ;ros 3 , b. 1 ). oon 36 /lU auf r>l0011 je KKio Berftcperten gefticgeit...
: c^erabe auj bem itelielc be» Baugeiocrbeß aber flcljt bie Arbeiterichup*
I aeicnqcbillig lialjryt blof; auf bem Bapier, 1111b feit gal)re 11 bereit» be*
null bie Acirijoregierung uergeblid) über ÄVittcI 311 einem geeigneteren
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©ogiale SßrajiS. Eentralblatt für ©ogialp olitif. 9h. 24.
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©djufc. ES fei nur barauf hingerotefen, ba& es für ®odj* unb $tef*
bauten eine ®eroerbe*3nipeftton gar nicht giebt. Hier ift ba8 ÄoalitionS*
rec^t gur Seit bie einige roirffante 28affe, bie bagu fuhren lann, Sßifc*
[taube gu befeüigen, njelcije in fteigenbem SÄafie bas Sehen unb bie
Eefunbheit ber Arbeiter, unter Untftänbcn aber auefj be8 fogenannten
weiteren AublifumS bebrotjen. Solche SDiifcftänbe tonnen nic^t aus ber
SBelt gefchafft merben, menn man bei Klagen unb Vorgehen ber Arbeiter
gegen fie non Berhepung ber Arbeiter fpridjt. Bielmehr ermerben fidj bic
Arbeiter ben Sanf, roelche gur Beseitigung biefer Bttfcftänbe fid) foaliren.
(Sdjiiciberbetoeöimg in Seutfchlanb. Sie ©chneiber finb in
oerfihiebenen ©täbten SeutfihlanbS, fo in Hamburg, BJündjen,
ßeipsig, Nürnberg, (Erlangen, £>eilbronn, Sßagoeburg, Bielefelb k.,
in eine Sohntarifberoegung unb fteEenroeife, fo in Seipgig unb
Biünchen, in partielle ©treils eingetreten. @8 fjanbelt fid^ theüs
um bie Sachführung früher aufgefteEter Sohntarife, tljeilS um bie
Abroehr ber Bertürgung früher bereits beroiEigter, theilS um bie
3urüdroeifung neuer oon ben Innungen aufgefteEter Sohntarife.
Berlin bürfte fich bemnächft au<| an ber Beroegung betheiligen.
Sßeben ben Sohntarifen ftef)t bie gorberung auf Einführung oon
BetriebSroerlftätten behufs Befeitigung ber ©chäben beS 3nnfchen*
meifterthumS unb ber HauSinbuftrie tm Borbergrunbe. 3nr Ber*
meibung unbefonnener AuSftänbe hat groar ber Berbanb ber
©chneiber unb ©chneiberinnen SeutfdjlanbS f. 3* ein AuSftanbS*
regiement befihloffen, beffen hanptfächliche Beftimmungen befagen,
bafi bei allen ©treitigleiten groifchen Unternehmern unb Arbeitern
bie Betheiligten unter 3ngiehung ber 0rtSoerroaItung eine Ber*
ftänbigung juchen follen, allein bie 0rganifation ber ©chneiber ift
eine fc|roache, unb bie Sßichtorganifirten bürften fich oielfach nicht
an baS ©treilreglement lehren. Born 1. April b. 3$- bis 1. April
1900 foE übrigens ber ©djneiberoerbanb Erhebungen über bie
Sohn* unb Arbeitsoerhältniffe foroie über bie ArbeitSlofialeit oer*
anftalten unb gu biefem 3 roe tf c am Beginn jebeS Quartals grage*
bogen ausgeben.
Ser AuSßanb ber ©ammeiroeber itt Ärcfclb mährt turn fihon
fieben ÜSochen unb nod) ift fein Enbe nicht abgufefien. Sie oon
ber ftäbtifepen fogialen $ommiffion eingeleiteten Berhanblungen
finb gefcheitert Begeicpnenb für bie ©timmung unter ben ©heilen*
ben ift bie Iepte Abstimmung, bie über bie gortfepuna beS Kampfes
entfeheiben füllte. Sn geheimer Stimmabgabe Stimmten oon
2400 ©treilenben 2398 für bie gortjepung beS ©treils. Sie Ar*
beiter fiheinen, ob organifirt ober nicht, ob <hriftUch s fogial ober
fogialbemolratifih, oöuig einig gu fein. Ser chrifiüche SBeber*
oerbanb hat feine jüngeren Sßitglieber aufgeforbert, fid) möglichft
nach emberer Arbeit umgufepen, ba ber AuSftanb noch lange bauern
lönne. Sie ©ammlungen für bie ©heilenben ^altert an. Bereits
hat ber ©treil fiep aufmpetjbt auSgebehnt. Sort paben bei einer
girma, bie auch in Ärefelb eine ©ammetfabril beftfet, 200 Arbeiter
gefünbigt. Auch auf anbere 0rte in ber Umgebung greift bie Be*
roegung über. Einige ftrefelber girmen füllen beabsichtigen, ihre
Betriebe gang aufgugeben unb fie nach Anterila gu oerlegen, unb
bamü theilroeife fd)on begonnen paben. Sie Arbeiter foEen tljeil*
toeife in anberen ©täbten Arbeit gefunben hoben ober auSgeroanbert
fein. Eine nachhaltige ©chäbigung ber Ä'refelber ©ammetinbuftrie
roirb mehrfach befürchtet.
Rnv Berliner Bfoferbettegnttj ift gu berichten, bafe neuerbingS
eine 9Jtaffenoerfammlung ber Baaermeifter bie gorberungen ber
©efeEen in ber §auptfache abgelehnt hat. 3 u 9 c ftanben mürben in
Uebereinftimmung mit ber Haltung ber SnnungSoorftänbe nur bie
Slbfchaffung oon Äoft unb Sogis für oerheirathete ©efeEen
unb eine freie 92ad)t oom erften gum gmeiten Sage ber hohen
gefte. Ein fogialbemohatifcher Bädermeifter trat für bie ©efeEen*
forberungen unb für eine Reform beS ©prechmefenS ber Stillungen
ein. Sie Seiter ber ©efeEenauSfchüffe oerroahrten fich entfehieben
gegen ben Bormurf, burch Befitrmortung ber ©efeEenforberungen
auf ben Buin beS BädergeroerbeS htnguarbeiten, unb lehnten
gleichgeitig ben Son ber ©efeEen*giugblättcr ab. Ein ©treil fei
ihnen nicht erroünfeht. 0b überhaupt ein fold)er eintritt, ift übrigens
immer noch gmeifelljaft. 3J?it BeifaE mürbe bie Btittheilung ber
beiben Dbermeifter aufgenommen, bafe begüglich ber Bcfäntpfung bes
brohenben ©treils unb BoplottS groifchen beiben Snnungen ooEeS
Einoerftänbnis herrfdje. Biit aEen gegen brei Stimmen mürbe
folgenbe Befolution angenommen: Sie Bädermeifter Berlins er*
Hären bie gorberuttg ber ©efeEenauSfchüffe für unberechtigt unb
unburchfiihrbar. Sie biEigen baher bas Berljalten ber SnnungS*
oorftänbe unb fpredjen ihnen für bie SSahrung ber Sntereffen beS
BädergemerbeS ihren Sani aus. ©leidjgeitig räumen fie ihnen
bie Befugnift ein, faEs bie ©efeEen an fie h^antreten, auf ©rnnb*
läge ber bisherigen Befchliiffe bie Berhanblungen fortgufefcert. —
Sluch in Seipgig unb 3Ritnd)en geigt unter ben ©efeEen fich ^ne auf
Hbfd^affung oon Äoft unb Sogis beim EEeifter gerichtete Bemegung.
Ein ©ieg ber Budjbnufer in Berlin. Ser Boplott, melchen
ber beutf^eBuchbruderoerbanb über ben „Berliner Solal*ängeiger"
oerhängt hatte, meil legerer BerbanbSmitglieber aus ber Arbeit
entlaffen hatte, maS gum SluSftanbe ber übrigen BerbanbSmitglieber
führte, ift am 10. b. BUS. burch Bergleich beigelegt morben, unb
gmar auf Beranlaffung unb unter Bcrmittelung bes oerbienten Bor*
fthenben beS BereinS ber 2lrbettgeber*Beififcer beS ©eroerbegerichtS gu
Berlin, tJabrilbefifcer 0. SSeigert. Sämmtliche ©treitigleiten haben
in Solgc biefeS BeraleicheS ihre enbgültige Erlebiaung gefunben.
2Sie roeiter mitgetheilt roirb, foE bie ßeitung beS „SolalangeigerS"
fleh oerpflichtet haben, ben bie BerbanbSmitglieber auSfchliefjenben
BeoerS faEen gu laffen. Bis gunt 31. b. 9Jtt8. foEen minbeftenS
30 Btitglieber beS BerbanbeS eingefteEt merben; meitere Ein*
fteEungen foEen nach Bebarf erfolgen. Bei oorlommenben Siffe*
rengen ober menn bie Arbeiter bte StbfteEungen oon 9Rihftänben
im Betriebe herbeiguführen münfehen, foE ihnen unb ihrer 0rga*
nifation ber B3eg ber Berhanblungen nicht mehr oerlegt, fonbern
foEen bie Berhanblungen birelt mit bem Betriebsleiter gepflogen
merben. SaS 2lEe8 mürbe auf eine Slnerlennung beS
^oaliüonSrechteS unb ber 0rganifation beS Buch*
bruderoerbanbeS hinauslaufen.
Ban eines ©emerffdjaftShanfeS in Berlin. Sie ber „BormärtS"
mittheilt, mirb in biefer Sodje mit bem Bau beS ©emerlfchafts*
haufeS begonnen. Sn einer engeren ©ubmiffion erhielt bie „Slttien*
gefeEfdjaft für Bauausführung" ben 3uf<f)iag; in bem Bertrage mit
iljr ift bie ErfüEung ber geroerffchaftlidjen gorberungen (neunftünbige
SlrbeitSgeit, 60 4 BHnbeftftunbenlohn :c.) fornohl für biefe als für
ehoaige Unterarbeitgeber oorgefchrieben. Ser SEohbau foE tm Sauf
beS Sommers fertiggefteEt, baS §au8 am 1. Slpril 1900 eröffnet
merben. — 2Bie aus bem BechenfdjaftSbericht ber Berliner ©eroerl*
fchaftslommiffion für 1898 heroorgehi, betrug im oerfloffenen Sahre
bie ©efantmtgahl ber gemerlfd^aftlid) orgamfirten Arbeiter 64 799
egen 56 747 im Sah« 1897. Sie ftärfften 0rganifationen ftnb
ie ber EßetaEarbeiter, ber §olgarbeiter, ber Eßaurer, ber Buchbruder.
Arbeitgeber unb Arbeiter ber ©chuhfabrilen in Tuttlingen. Sie
Arbeiter in ben gahlreichen ©d>uhfabrifen Tuttlingens (SBürttemberg)
ftreben feit Sah^n bana<h, bie gehnftunbige SlrbeitSgeit gu befommen.
Bisher hatten fte bamit roenig Erfolg, nur eine girma führte frei*
roiEtg biefe Acnberung ein. Nunmehr brängten bie übrigen Ar*
beiter auf eine ©eroährung ihres BerlangenS in ben attberen
gabrilen. Seiber finb bie Berhanblungen ergebnislos oerlaufen.
Sm Bringip finb bie Unternehmer mit ber gehnftünbigen ArbeitS*
geit einoerftanben, aber fie rooEen biefe nicht jeht, fonbern erft am
15. September oerfuchSroeife einführen. 19 girmen haben fich gu
biefem Befchlufj öffentlich belannt, gugleich aber oereinbart, bafi,
menn bie Arbeiter bie bei einer girma eingereichte $ünbiguttg
nicht gurüdgiefien, bann bie fämmtliehen Arbeiter auSgefperrt
merben. Am 5. 9Jtärg befchlofi eine gasreich befuchte Schuhmacher*
oerfammlung, bie Äünbigung bei ber einen girma aufrecht gu er*
halten. Sarauf antroorteten bie oereinigten Unternehmer mit ber
^ünbigung ihrer fämmtlichen Arbeiter, etroa 2000 an ber 3al|l.
Snbeffen ift erfreulichermeife noch in lefeter ©tunbe ein Ausgleich
gu ©taube gelommen. Sur<h Bermittelung beS ©etoerbeinfpeltors
mürbe feftgefefet, bafi bie ©djuhfabrifattten ben gehnftünbigen
Arbeitstag fefion am 1. Sali einführen rooEen, montit bie Arbeiter*
lommiffion einoerftanben ift. Aufierbem mürbe beftimmt, bafi ber
Sohn troh ber oerringerten ArbeitSgeit für bie im Taglofjn ar*
beitenben Schuhmacher nicht h er abgefefct mirb, auch e iae
regelung ber Arbeiter nicht ftattfinben barf. Siefe Bereinbarung
mürbe nach bem „Tuttl. AmtSbl." am 11. üßärg oon beiben Xheilett
untergeichnet.
Ser föwtpf im englifchen Baugemerbc Aus Sonbon mirb uns
oom 12. Eßärg geschrieben: Sie AuSfperrung ber 9)titglieber ber
©ipfcr*©eroer!fchaft hat am 6. 9ßärg begonnen, aber fie breitet fich
nur langfam aus. Sogar in Sonbon ift nur etroa ein Biertel ber
3000 organifirten ©tudateure abgelofint morben, unb bie Berichte
aus ben Brooingen geigen, bafi in oielcn Begirlen bie 3aht ber
auSgefpcrrten ©ercerffdjaftsleute gering ift. 9Beitn auch biefe Be*
richte noch nicht gang ooEftänbig finb, fo ift bod) feftgefteEt, bafj
gufantmen etroa 2200 Arbeiter ber Sperre unterliegen unb bafj
ffieroon runb 1500 unterftütjungSbercchtigt finb. ' 2BeitauS bic
iiehrgaht ber organifirten ©ipfer unb ihrer Hilfsarbeiter ftehett
alfo noch ia Arbett. 3^^ ^inqe finb Har: erffenS, baß bic SOtaffe
ber Unternehmer, bie bem Arbeitgcberoerbanbe angehören, feinev*
megS fo bereit i[t, gur AuSfperrung ber Arbeiter gu fihreiten, als
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Sogiale BrajtS. Eentralblatt für Sogtalpoliiif. Vr. 24.
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angenommen mürbe, unb groeitenS, bap baS fjfelb für Befchäftigung
bei nicht bem Verbanbe angehörigen Firmen jjrop ift, ba oiele ber
auSgefperrten ©eroerffdiafter anberSroo Arbeit finben. Aber ber
Kampf ift erft in feinem Anfang. (Einige LofalfomiteS beS Arbeit*
geberoerbanbeS erflären fid) für befriebigi mit bem ©ange ber Er*
eigniffe, unb eS giebt oft gewichtige ©rünbe, roeshalb bie Aus*
fperrung oon Arbeitern in oielen fallen auch Don fold^cn Unter*
nehmern oerfchoben wirb, bie in oöHtger Uebereinftimmung mit
ber friegerifchen ^olitif ihres BerbanbeS ftnb. 2)ie erfte &<he
einer AuSjperrung giebt baher nur feiten einen Vlapftab für ihre
Ausbeutung, unb' eS roäre ooreilig, ein Urtheil über ben AuSgang
beS Kampfes abgugeben. $)er Befchlup ber ©ipfer*©eroerffd)aft,
oon ihren noch in Arbeit befinblichen Vlitgliebern befonbere Bei¬
träge gu erheben, beroeift, bap fte eine lange $)auer bes Streites
annehmen. Erfreulich ift, bap bie Unternehmer aufs $eue ihre
Bereitroilligfctt erflärt hoben, mit ben Vertretern ber Arbeiter in
aemeinfamer Kottfereng gu oerhanbeln, oorauSgefept, bap biefe ihre
©egenoorfdjläge fchriftlich oorbringen.
3ngroifdjen hot fiel) bereits eine bemerfenSroerthe golge beS
Kampfes gegeigt. $>ie Leitung ber ©ipfer*©eroerffd)aft hot nämlich
befchloffeit, bie Anficht ihrer ÜDtitglieber barüber einguholen, ob eS
ftch empfehle, ein ©enoffeufdjaftSunternehmen auf eigene Rechnung
gu begrünben. 2)aS märe in jebem 3aH ein fühner Sdjritt, be*
fonberS aber in einem ©ernerbe, baS fo oöHig nur frölfSarbeit für
anberc 3weige beS Baugewerbes liefert rote bie Stucf arbeiten
AitbrerfeitS aoer eignet ftch bieS ©enterbe hoch roieberum in mancher
Begiehung für biefe gorm gewerblicher Organifation. Zeitig Ka*
pital ift notfjroenbig, unb baS hauptfädjltdje Erforbernip tft bie
Leitung unb Berantroortlidjfeit für bie übernommene Arbeit. 3eben*
falls roirb man bem Verlaufe biefeS VerfucheS mit befonberem
Sntereffe entgegenfehen.
Streif! tu Belgien in 1898. 3m 3oh rc 1898 hoben in Belgien
103 Streifs ftattgefunben, an benen 271 Betriebe unb 14 266
Arbeiter betheiligt roaren. $)ie meiften biefer Streifs entfallen auf
bie Vrooing Dftflanbern, nämlich 34, bann folgen ber |>ennegau
mit 23, Brabant mit 21, Lüttich mit 15, Antwerpen mit 5 unb
VSeftflanbern mit 2. AuS ben Vrooingen $amur, Limburg, Luyem*
bürg rourbett feine Arbeitseinteilungen gemelbet. Als Urfache gum
Streif roerben in 45 3äHen fiohncrhohungSforberungcn genannt;
hierbei rourbe in 7 Fällen ein ooller unb in 3 päUeit ein theilroeifer
Erfolg ergielt, roährenb in 35 Säßen bie Bemühungen ber Arbeiter
fcheiterten. 3m ©angen roaren 75 oon ben 103 Streifs gang er*
folgloS, 8 hatten einen theilroeifen unb 12 einen oollftänbigen Erfolg.
An ben erfolgreichen Streifs roaren 2172, an ben iheilroeifc erfolg*
reichen 716, an ben erfolglofen 11091 Arbeiter betheiligt.
3Ubeiferfd)tt£.
Regelung ber ArbeitSgeit in ©etretbemühlcn. Tritt BmtbeS*
rath ift ein Eittrourf oon Beftimmungen über ben Betrieb oon
©etreibemiihlen jugegatigen. danach ift, roie bie VeichSfontmiffton
für Arbciterftatiftif oorgefchlagen hot (oergl. Sp. 567) ben ©c*
hülfen unb Lehrlingen innerhalb ber auf ben Beginn ihrer Arbeit
folgenben 21 Stunben eine ununterbrodjene Vubegeit oon minbeftenS
8 Stunben gu geroähren. Auf BHnbmiihleit finbet biefe Borfdjrift
feine Attroenbnng. Lehrlinge unter 16 Sollen bürfen in ©etreibe*
tnühlen nicht in ber $achtgeit oon 8 Vl> Uhr AbenbS bis 5 l /2 Uhr
BtorgenS befchäftigt roerben. 5Die Beftimmungen füllen am 1. 3uli
1899 in .traft treten.
Tie Arbeitzeit ber 3itgeitblid}eit iu Sfabrilen roirb in Art. 7
ber 9looeßc gur ©eroerbeorbnung geänbert:
3ungc teilte grotfehen 14 unb 16 fahren bürfen na«h §. 136 ?lbf. 1
jept in gobrtfen nicht länger als 10 Stunben bcfdjäftigt roerben.
SBcrbcn fic täglich über fcdjs Stunben befrfjäftigt, fo »tup ihnen, auper
einer eüiftünbigeu SKittagspaufc Vormittags unb Aarfnnittag* je eine
halbftüubige $aufe gewahrt roerben, auch rocun bie Bcfdjäftigung am
Vor* unb Aadjuiittagc weniger als je fünf Stunben beträgt. Cm ^olge
biefer Auorbiiung fonntc cs oorfommen, bag Arbeitgeber, bie tl)rc
jugeublidjcn Arbeiter, um ihnen eine V'ohltfjat gu erroeifen, erft nach
Vcenbiguitg ber für bie crroadjfcneit Arbeiter cingeridjteten fvrühftüds*
paufc in ben Betrieb eiutreten liefen unb fic oon ba ab bis gur
Viittagspaufe, alfo rocfcntlid; fürgerc ;tcit als fünf Stunben, ohne Vaufc
bnreharbeiten liegen, gur gcrid)tlid)en Veftrafuug gegogeu mürben. Um
bics fütiftig gu oermetben, ift mm im 136 ber ©emerbeorbnungs*
iioocllc oorgcfdjlageii, bafj bie Vefrciung oon ber Cftcroahriing ber Vor*
unb lAatfjmittagSpaufen auf acht Stunben unb bie Vefdiäftigung am
Vor* unb Aadjmittagc auf je uier Stunben bcfchränft roirb.
©egett bic SRifgfcranbgefahr. o» einer Verfammlung ber Arbeiter
ber in Aürubcrg fein* oerbreiteten 'Ihierhaariubuftric rourbeu bie uoui
VunbeSrathe erlaffenen Vorfchriften gur Verhütung ber SBeiteroerbreitung
ber SKilgbranbgefahr befprochen. Es rourbe bargelegt, bap burd) biefe
Vorfdjriften in Nürnberg eine Verfchledjtcrung eintreten roürbe, inbem
bie jept beftehenben ortSpoligeilichen Vorfchriften bezüglich ber ^eS-
infeftion ber 2hierhaare roeiter als bie neuen Vorfchriften gingen, unb
befchloffen, bieS gur Äenntnifc beS SleichSfangleramteS gu bringen unb
ben 3J?agiftrat gu erfudjen, bie jepigen Vorfchriften über bie $>eSinfeftion
ber ^hierhaare aufrecht gu erhalten. Auch an ben Reichstag rourbe
eine Petition gefanot.
®ie ber tociblidjttt gfabrifbtfpeftorett itt ber Sihtoeig. $ic
permanente internationale 51ommiffiou in ©enf für bie 3ntereffen ber
ftrau unterbreitete ber VunbeSbehörbe bie Bitte um „Aufteilung oon
?fabrifinfpeftorinnen, oielleidit in bem Sinne, bap ben jept amienben
Snfpeftoren rociblidje AngefteHte beigegeben roiirben". 3?aS 3»buftrie-
bepartement befchränfte fi'dj oorläufig barauf, ber ftomntiffion ein oom
eibgcnöffifchen Tvabrifinfpeftorat auSgehcnbeS, gegen bie Anregung fid)
ausfpred)cnbcs ©utadjten gu übermitteln unb gu bemerfen, bap bie Ve*
oifion beS ^abrifgefepes ©elegenheit geben roerbe, bie aufgeworfene
grage grunbfäplid) gu erörtern.
JCrbettemerfli^ermig. Spocköffen.
©emeitmü^tge Anlagen ber ^ntmlibenoerficheniRgSanftalten
im 3al)re 1898.
9Rit Siecht hatte in früheren Sah^it ein SReidhStagSabgeorbneter
Befchroerbe barüber geführt, ba& bie LanbeSoerRcherungSanftalten
bie bei ihnen fnh anjammelnben großen Kapitalien auf ©runb ber
Borfdjriften über bie Anlegung oon Vlünbelgelbern faft nur in
SReidiS* unb Staatspapieren anlegten, bafe eS manchmal fehr
fchroierig fei, für eine gemeinnüpige Aufgabe innerhalb einer Vro*
oing bie ©elber gu befommen, tropbem bie betreffenben Einrich¬
tungen ber Allgemeinheit gu ©ute fämen. 2)iefe Klagen roaren
oor brei, oier fahren noch berechtigt. 3*pt hot fief) aber bei ben
3noalibitätSoerficherungSanftalten eine beffere VrafiS heraus*
gebilbet, für roelche, foioeit bie Vlannigfaltigfeit ber Aufroenbungen
in Betracht fornrnt, namentlich bie fübbeutfehen VerficherungS*
änftalten Baben unb Söürttemberg mit einem guten Beifpiele ooran*
gegangen finb, roährenb gerabe einige preuftifche Änftalten mit ber
jpegieilen gürforge für ben Bau oon Arbeiterroohnungen ftch in
auSgebehntem Blafce befafet ha&en.
Vlan braucht nur bie Abfchlufjgiffern ber Iepten brei 3ohre
(ich oergegenroärtigen, um bie fc^neHen Öortfchritte ber Entroicfelung
gu erfetjen! Bis gum Enbe beS 3ohreS 1896 hotten bic fämmt*
liehen 31 LanbeSoerficherungSanftaltcn für gemeinnüpige 3 roc ^ c
30 809 612 JL Kapital hergegeben; im 3ohre 1897 famen
18 286 284 ^inju unb im 3ohre 1898 weitere 35 796 721 Jt ;
biefe Art ber Kapitalsanlage machte 1897 10, 6 6 o. §. unb 1898
15,75 beS BermögenSbeftanbeS afler Änftalten auS; bie Vermehrung
biefer Anlagen im 3ohre 1898 betrug gegenüber bem Staube oon
1897 nicht roeniger als 72 ,90 0 . §. AlferbingS fmb nicht aüe An*
ftalten in gleichem Vlape baran betheiligt. 2)er AuSfchup ber Au*
ftalt für ElfafcLothringen hot fich bisher gang ablehnenb gegen
foldje Aufroenbungen oerhalten; in Schlefien Rnb 180 000^ gur
itnterftüpung eines KranfenhauSbaueS aufgeroenbet roorben, in
Vofen 18 500 gur görberung beS Baues oon Arbeiter*
roohnungen. 3n geringem Vla^e (mit roeniger als 10 0 . £>. ihres
Vermögens) hoBen fid) an foltpen Aufroenbungen betheiligt bie
Änftalten für Dftpreu&eu, SBeflpreupeit, Berlin, Dberbapent, bes
Königreichs Sadjfen, Vlecflenburg unb bie fmnfeftäbte; 10 bis 25
o. §. ihres BermögenS hoben gu biefen 3 * 0^0 h cr gcgcBen:
Vranbenburg 10,^, Schleswig * ^olftein 19,o 8 , Söeftfalen 11 , 40 ,
Vheinlanb 11, 6 o, Oberpfalg 17, Dberfranlen 14, Vlittelfranfen 16,85,
Schwaben 18,*>o, Baben 12 /60 , SD Ibenburg 17, 70 unb Braunfchroeig
13,so 0 . f>. ®ie anberen Änftalten finb gum Sheil roeit barüber
hinausgegangen; es hoben oon ihrem Bermögen für biefe 3 roc ^ €
feftgelegt: Vommern 75 o. Sachfen*Anhalt 29,n 0 . §., ^»annooer
39 o. §effcn*Aaffau 32 ,20 0 . •&., 9lteberbaperu 70 ,90 o. ©., Vfolg
37,07 0 . §>., Unterfranfen 38 0 . §., Söiirttembcrg 35, 46 0 . £., ©rop*
hergogthitm Reffen 29 /()4 0 . unb Thüringen 28, n 0 . §.
3iir bie Sörberung beS Baues oon Arbeiterroohnungen
roaren bis Enbe 1896 ausgegeben 12 086 765 < 1( \ es traten 1897
hingu 9 324 875 Jf unb 1898 13 980 478 J(\ fo bap jept
35 392 118 t ft für biefen 3n?ecf feftgelegt fmb.
3nr Befriebigung beS lanbroirt^fcfjaftlicfjen KrebitbebiirfniffcS
(§i)potl)efen, Kleinbahnen, Lanb* unb VScgeoerbefferungen, §ebung
ber Vicbgucht :c.) finb bis Enbe 1896 aufgeroenbet roorüen
12 830 736 . //; eS traten 1897 hingu 4 526 632 ,// unb 1898
weitere 18 462 695 J( \ es ift alfo im abgelaiifetten 3ahre etwas
649
0ogiale fragte. ©entralblati für ©ogialpoliti!. 9tr. 24.
660
mehr aufgewenbet worben als in ben gabren oorber; bie©efammt*
fwmntc fteßt fic^ jefet auf 35 820 063 dt .
Xie brittc ©ruppe umfaßte früher bic Slufwenbungen für bcn
Vau oon Kranfen* unb ©enefungSbäufem, Verbergen $ur £eiinatf),
VoIfSbäbern, Kleinftnberfcbulen, für Kranlenpfleger*, 0par« unb
Konfumoereine unb anberc SSoblfabrtScinricbtungen; es finb im
gabre 1898 bingugefommen: VoIfSbeilftätten, ©emeinbepflege*
ftationen, VlinSenbeune, 0cbiacbtbäufer, SöafferleitungS*, 5tana(i«
fationS* unb ©ntwäjftrungSanlagen unb 0traßenbauten. ViS
©nbe 1896 batte man in biefer ©ruppe aufgewenbet 5 892111 c/#;
im gabre 1897 traten bingu 4 434 777 dt. unb im Iefcten gabre
weitere 3 353 546 dt,
Xie Beteiligung ber einzelnen Slnftalten an ben Stufmenbungen
für bie brei ©rupp$n ift eine febr oerfc^iebenartige; für Die
görberung beS Baues oon Slrbeiterwobnungen oerwenbeten ben
überwiegenbenBetragibrer bergegebenen Kapitalien: Berlin unbPofen
S 100 o. £>., 0cbIeSwig*Holftrin gu 95, &f)einlanb gu 99, Braun*
meig gu 95, bie ^anfeftäbte gu 94, Baben gu 89, Hannooer
gu 80, Dlbenburg gu 74 unb |>effen gu 61 o. £.; ben Bau oon
Kranfenbäufera 2 C. liefen fi<h befanberS angelegen fein, inbem fie
biefem ben allergrößten Xb?ü i^rer Kapitalien gumenbeten:
0<hlefien mit 100, Dftpreußen mit 86, SBefipreußen mit 72 unb bie
Pfalg mit 89o.g). Xern lanbroirt^fd^aftliAen Krebite führten oon ihren
Anlagen gu bie Slnftalten «Schwaben unS 0achfen*Slnhalt 96 o. £>.,
Dberpfalg unb Sommern 91 o. H-, ^^iiringcn 88 o. Stieberbapern,
Dberfranfen unb Unterkonten 80 o. H- unb Vtecflenburg 72 o. H-
£>b bie Slufwenbungen fämmtlich ber Beftimmung entfpreeben,
bie nach ber bem ^Reichstage gemachten Vorlage in ben §. 129
aufgenommen werben foö, ift nunbeftenS groeifelpaft; benn banacb
füllen bie ©etber ber VerficherungSanftalten nur für fotd)e Veran*
ftaltungen bergegeben werben, „welche auSfchließlich ober überwiegenb
ber oerficberungspflicbtigen Beoölferung gugute fommen".
@3 ift aber jebenfaßs erfreulich, baß man ben engbergigen 0tanb*
punfi, bie Slnftaltsoermögen nur in 0taatSpapieren angulegen,
enblich faft überaß aufgegeben bat.
Berlin. H- §orn.
Drtfi|?is®| ber U*fafltocrft<benui(j für bie gewerblichen
Arbeiter in grattfreidh SluS Paris wtrb uns gefebrieben: Xie
Slnwenbung beS UnfauoerficberungSgefeßeS oom 9. Slpril 1898, baS
nach ben Söünfchen beS Parlamentes ftbon feebs Monate nach feiner
Promulgation in Kraft treten füllte, würbe bureb bas lange SluS*
bleiben ber abminiftratioen SluSfübrungSoerorbnungen febr oergögert,
fdf)eint aber nunmehr für ben 1. guni b. g. gefiebert. SöenigftenS
finb biefe SRegierungSoerorbnungen — brei an ber 3abl — fürglich
erfebienen unb fteHen biefen Xermin in SluSficbt, wenn fie auch nicht
baS ©ange ber gur JDrganifation unb ftänbigen gunftion ber
neuen ©inridjtung nötigen XiSpofitionen geben. ©S fehlen
namentlich noch alle näheren Beftimmungen über bie SluSgeftaltung
beS notbwenbig werbenben fpegiellen SÖebörbenorganiSmuS. gm
Parlamente fürchtete man fich befanntlicb febr oor jeglicher Ver*
mebrung ber bureaufratifdjen Vcrwallungsbeamten unb woßte bie
Hanbbabung beS ©efeßes fooiel als möglich in bie |)änbe be*
ftebenber Sebörben legen. Biicbt gum menigften aus biefem ©e*
fichtSpunfte oergidjtete man auf ftrajfe unb fonfequente Drganifation
ber llnfalloerficherung, wie fie in Xeutfchlanb egiftirt. Söäbrenb
ber SluSarbeitung ber SluSfübrungSbebingungen, bie im |)anbels*
minifterium unb im 0taatSratbe unter 23eibülfe fachoerftänbiger
0 pegialfommiffionen oorgenommen würbe, gewann man aber bie
Uebergeugung, baß ein redbt umfangreicher SermaltungSförper ge«*
fdjaffen werben müffe. Xie ©entralfteHe beffelben foU bem £>aubels*
minifterium angegliebert werben. XaS leßtere ftubirt gur geit bie
„SSerficherungSämter" im SluSlanbe, um barnach bie eingebenben
Slnorbnungen treffen unb bie nötigen Krebite in einem Nachträge
gum ©ubget forbern gu lönnen. ©inen „SerficherungSratb", b. b-
eine aus 0achoerftänbigen beftebenbe Konfultatiofommiffion gur
Unterftüßung beS 3)tinifterS in ber oberften Verwaltung, ift übrigens
bereits Jonftituirt. 0ie feßt fich aus 24 Vtitgliebern gufammen,
welche fich gur £>älfte in gweijäbrigem XurnuS erneuern. Sicht
baoon befißen bie SJtitgliebfchaft oon rechts wegen, bie übrigen 16,
unter benen fich gwei Slrbeiteroertreter beßnben, fraft minifterießer
©mennung. Xiefe Kommiffton bat ihre Slrbeiten bereits begonnen
unb wirb gunäcbfi bie Prämientarife feftftetten, welche für bie oer*
fthiebenen ©ewerbegweige in Slnwertbung gu bringen finb. Xa bas
frangöfifdbe UnfaßoerficherungSgefeß, obwohl bie Haftpflicht aner*
fennenb unb alle formen unb ©arantien für llnfaßSrenten
fchaffenb, auf ben VerficherungSgwang ber Unternehmer oergichtei,
fo wirb feine SluSfübrung giemlich fompligirt, unb bie eben er*
wähnten brei SRegierungSoerorbnungen beßbäftigen ftcb barum ge*
fonbert mit ben oerf^iebenen SRaßnabmen, welche in ben oer*
fthiebenen Stefforts gu treffen finb. Xie erfte berfelben regelt bie
Vilbung unb Verwaltung ber ©arantiefonbs, welche aus einem 3« s
fcfjlage gur ©ewerbefteuer gewonnen werben unb für haftpflichtig
geworbene, aber infoloenfe Unternehmer eintreten. XaS jweite
Xefret organifirt bie 0taats!ontrole über bie egiftirenben pnoaten
VerficherungSgefeßfchaften unb freien Vereinigungen, in benen bie
Unternehmer fich für bie Slufbringung ber Renten oerfichern. ©S
werben barin genaue Vorfchriften über bie Kautionen unb fßeferoen,
über baS 9tefrutement ber ©entralbeamten :c. gegeben. XaS britte
Xefret enblich trifft Vorfebrungen gegen ©efäbrbung laufenber
UnfaßSrenten burct) eoentuefle ©efchäftSaufgabe oerpflichteter Unter*
nebmer. XaS finb nur bie ©runbgüge ber VerwaßungStbätigfeit,
welche bie neue Verficherung oerurfachen wirb. 0oweit fich bar*
aus fdjließen läßt, wirb fie feineSwegS einfacher ausfaßen als bie
berufSgeno[fenf<baftlicbe 0elbftoerwaltung beS beutfehen 0pftemS,
unb ber fo febr gefürchtete VureaufratiSmuS wirb in granfreicb
oiel größere Ximenßonen annebmen, als man bei ber Slbwefenbeit
beS VerficherungSgwangeS gu erwarten fich berechtigt glaubte. Xie
SluSfübrung ber frangöfifchen Unfaßoerficherung feßt, wie ftd) nun
fchon erlennen läßt, gunächft bie Kommunalbebörben, fobann bie
SReffortS ber ftaatlicben ginangoerwaltung, ber guftigpflege, ber
SJlinifterien beS gnnern, beS Hanbels unb ber öffentlichen Slrbeiten
unb außerbem bie mehr ober weniger autonomen, aber beauffid)tigten
prioaten VerficherungSanftalten m Bewegung, unb baS in einer
Söeife, bie augenf<heinli<b oiel gormalitäten, 0chreibwerf unb ©e*
bübren im ©efolge bat.
3CrbeU£itiut)ttiei£.
©efinbebermiether tmb Steßenbermittler nach ber 9tobeße gur
©ewerbeorbttmtg»
Xie föooeße gur ©ewerbeorbnung, bie nach i& rcr ©enehmigung
im VunbeSratb jeßt bem Reichstag gugegangen ift, bringt eine Ve*
ftimmung, bie tief in baS ©ebiet beS SrbeitSnachweifeS eingreift.
©S wirb gu §. 34 ber ©ewerbeorbnung oorgefchlagen, baS ©efebäft
eines 0teßenoerniittlerS unb ©ermbeoermietberS oon ber ©rtbeilung
einer ©rlaubniß abhängig gu machen. Xiefe foß oerfagt werben,
wenn Xbatfachen oorliegen, bie bie Unguoerläffigfeit beS Stach*
fuchenben in Vegug auf bie beabficfjtigten ©ewerbebetriebe bartbun.
gerner werben bie ©entralbebörben Durch §• 38 befugt, über ben
Umfang ber Vefugniffe unb Verpflichtungen, fowie über ben ©e*
fthäftsbetrieb ber ©efinbeoermietber unb 0teßenoermittIer Vor*
fchriften gu erlaffen, fomeit barüber bie ßanbeSgefeße nicht Ve*
ftimmungen treffen, ©nblich legt ein neuer §. 75a ben ©efinbe*
oermietbern unb 0teßenoermittlern bie Verpflichtung auf, baS Ver*
gcichniß ber für ihre gewerblichen Seiftungen aufgefteßten Xajen
ber DrtSpoligei eingureid^en unb in ihrem ©efchäftslofal angu*
fthlagen. Xie Xagen bürfen gwar jebergeit abgeänbert werben,
bleiben aber fo lange in Kraft, bis Sie Slbänberung ber Poligei
angegeigt unb in ben ©efchäftSräumen angefchlagen ift.
Xurd) biefe Veftimmungen ber Stooeße wirb alfo nicht nur
bie oon jeher beftanbene gewerbepoligeiliche Slufficht unb ©in*
wirfung auf baS ©efebäft ber gewerbsmäßigen SlrbeitSoermittelung
oerftbärft/ fonbern es tritt neu bingu bie KongeffiouSpflidbt.
VegrünSet ift biefe Vtaßnahme in ben gahlreidjen Vefchwerben über
ernfte unb weitgreifenbe äRißftänbe, bie in biefem ©ewerbe berrfthen.
3 unächft wirb mit Stecht geltenb gemacht, baß bie Xbätigfeit ber
SlrbeitSoermittelung oft oon böchft gweifelbaften unb unguoerläffigen
Perfonen auSgeübt wirb. Stach Sem ©rgebniffe einer ©rbebung in
Preußen, bie bie Regierung 1895 angefteßt bat, finb oon 5216
gewerbsmäßigen 0teßenoermittlern 632, alfo über 12 %, wegen
Verbrechens ober Vergebens oorbeftraft (Xiebftahl, Hehlerei, Ve*
trug, Uuterfchlagung, Körperoerleßung, Kuppelei, Vteineib u. f. w.).
Unter ben 30 Xbeateragenten, über bie bie ©rbebung berichtet,
waren 7, oon 350 perfonen, bie für Keßner unb Keßnerinnen
6 teßen oermütelten, 72 oorbeftraft. Xagu fommen noch 345 Ver*
mittler, bie nach Slnficht ber Vebörbe berechtigterweife in fcf)Iechtem
ßeumunbe ftanben, obwohl fie nicht beftraft waren. Leiter ergab
bie ©rbebung aber, baß auch Klagen über gu hobe ©ebübren bei
ben gewerbsmäßigen 0teßenocrmittlern feßr bäußg waren. Xurcf)
befonberS 0äße fenngeichnete fich bie Xheateragentur. „Xiefc
©rgebniffe ber amtlichen (Ermittelung — fo fagen bie Üßtotioe ber
Stooeße mit Stecht — laffeit gur ©enüge ernennen, baß bie Ve*
tbeiligung gweifelhaftcr ober gang uugitoerläffiger perfönlichfeiten
651
©oktale ißrajtS. Gentralblatt für Sogialpolitir. Sr. 24.
652
an bcm ©enterbe bcr ©efinbeoermiether unb ©tettenoermittler im
3$erglei<he gu ben fjoben Änforberungen, bie gerabe ^ier an bie
perfönlidje 3uoerläffigFeit beS Unternehmers geftettt roerben müffen,
ree^t ausgedehnt unb baher roohl geeignet ift, bte Gntroicfelung
ungefunber Rerhältniffe in biefen (Gebieten in ^öcf)ft bebenFlid)ci
s Beife gu förbern."
Sun giebt bereits ber §. 35 ber ©eroerbeorbnung ben 5*e*
börben Mittel gur AuSfd)Iiehung unlauterer Elemente an bie $anb.
Aber mie bie Dhatfachen geigen, roerben fie entroeber nidjt in ent*
fprechenbem Umfange gehanbhabt ober aber ihre Anroenbuttg er*
forbert oiel Seit unb Umftänbe. Aus biefen ©rünben fcf)lägt bie
Sooette bie ©enehmigungSpflicht oor: Die Rerfagung ber
Grlaubnifg fott an fold^e thatf Üblichen SSorauSfeputtgen gebunbcn
roerben, bie bie UnguoerläffigFeit beS Sachfuchenben in 33egug auf
ben beabftd)tigten ©eroerbebetrieb ergeben. AuSbriicflich roirb be*
merft, bah gu ben ©tettenoermittlern auch bie .fteuerbaafe gehören.
Gine roeitere Äontrotte bringt bie Söeftimmung, bah bie Gentral*
behörbe fachlich ben Umfang ber Rechte unb Pflichten ber ©teilen*
oermittler gu orbnen hat; beim auch h* er hüben bie bisher er*
laffenett SSorfchriften über bie poligeiliche Aufficht ftch als unge*
nügenb erroiefen. Der Gntrourf roitt baher ben ßanbeSregierungen
bie Vollmacht geben, je nach ben SSerhältniffen eingelner Orte ober
SBegirFe bie erforberlichen SBor fünften, foroeit nicht bie ßanbeS*
efepgebung bieS bereits thut, i|rerfeits gu erlaffen. §ierpin ge*
ört baS SBerbot ber Seherbergung unb SBeFöftigung oon Arbeit*
fuchenben burch bie ©tettenoermittler, ferner baS Serbot boppelter
oom Arbeitnehmer unb oom Arbeitgeber geforberter Gebühren,
Seftimmungen fobann über baS Serbingen oon ^erfonen, bie
FontraFtbrüd)ig finb ober anberroeite FontraFtliche Verpflichtungen
haben u. f. ro. Gnblich roitt bie Vorlage burch ben neuen §. 75 a
eine Art Äontrotte über bie Dajen bei ber ©tettenoermittelung er*
gielen; es roerben groar bie Gebühren roeber oon ben Vehörben
feftgefeht, noch bebürfen fte ber Genehmigung, aber burch bie Vor*
fchnft, bah oie Dagren ber DrtSpoligei eingereicht unb aufeerbem
burch Anfc|lag in ben ©efdjäftSräumen befannt gemacht roerben
müffen, roerben bie ©tettenoermittler gur Ginhaltung ber oon
ihnen aufgeftettten Dayen genötigt unb aufeerbem roirb mittelbar
auch eine ©chranfe gegen ungebührliche Ueberforberungeit errichtet.
Dies finb in großen 3ngen bie neu oorgefchlagenen Veftim*
muncjen über bie DhätigFeit geroerbSmäfeiger ArbeitSoermittelung
unb ihre Vearünbung. GS mag uns geftattet fein, hieran einige
Söorte ber ÄritiF gu fügen. 28ir flehen grunbfäplid) auf beut
©tanbpunft, bah Sad)roeis unb Vermittelung oon menfdj«
lieber Arbeit, abgefehen oon geroiffen ©pegialitäten, nicht
gunt ©egenftanb gefchäftlichen GrroerbeS gemacht roerben
füllte. 'Die Regelung oon Angebot unb Nachfrage hat für ben
Staat, ben Äreis, bie ©emeinbe eine folche Vebeutung, bah nach
unferer Sin ficht als 3iel ber oöttige AuSfcpluh bcr prioaten GrroerbS*
thätigfeit auf biefem Gebiete anguftreben ift. 3nbeffen tragen roir
ber piftorifchen Gntroicfelung unb ben tbatfäd)iichen Verpältniffen
fo roeit Rechnung, bah roir gugeftehen, ein Verbot ber prioaten
©tettenoermittelung fei gur 3eit unmöglich. 3ebe VFahnahtne
aber, bie auf eine GinfcpränFung pinarbeitet, oerbient ootte
llnterftüpung. Unb roir erblicfen in ben oben fFiggirten Vorfdjlägcn
nicht nur Veftimmungen, bie fchroerc RFihftänbe im Bereiche ber
prioaten ©tettenoermittelung befeitigen helfen, fonbern auch Vor*
fchriften, bie eine Vegrengung ber gefchäftSmäfeigen ArbeitS*
oermittelnng beroirfen Fönneit unb hoffentlich auch bewirfen roerben.
3Sir gehen aber noch einen Schritt roeiter! Sür Sfanbleiher,
mit benen fünftig ©efinbeoermiether unb ©tettenoermittler in bem
$. 34 ber ©eroerbeorbnung genteinfam ber ©enehmigungSpflidit
unterroorfen roerben, ift ben ßanbeSbepörben bie Vefngitih ertpeilt,
ihre 3nlaffung oon bem Sadjroeife eines VebürfniffcS ab*
hängig gu machen. $ür ©efinbeoermiether unb ©tettenoermittler
aber fott ein folcher SacproeiS in 3nFunft ebenforoenig roie jept be*
flehen. UnfereS GrachtenS fottte ber Reichstag barauf bringen,
bah auch für fie bie Grlaubnife nur im Vebitrfnihfalle ertheilt
roerbe. V$o ein gut geregelter öffentlicher ^IrbeitSnacbroeiS ober
eine 2lrbeitSoermittelung burch Serbänbc ber Unternehmer be*
giehungSroeifc ber Arbeiter befiehl, fottte bcr geroerbSuuifugen
prioaten Slrbcitsoermittelung uiöglichit roenig Saum gelaffen roerben.
Unb um ber hoben roirthfdjaftlicben, fogialeit unb' fittlichen ^rag*
roeite beS 3lrbeitSnad)roeifeS im allgemeinen Sutcrcffc gerecht gu
roerben, muh enblirf) bie Grrichtung gemeinblicher uneut*
geltlicljer 9lrbeitsnachroeisftelleu unter 3 u -^ e h li ng oon !
Arbeitgebern unb Slrbeitern foroic unter Sorfip eines j
llnparteiifcf)en mit allen gu Gebote ftebeitben SDiittelu geförbert i
roerben. Sn biefem Sinne bilbet bcr befaunte, oon Sreifinnigeii !
unb Sationalliberalen im Seichstag eingebrachtc Antrag Soefitfe
eine äufeerft roerthootte Grgängung unb Unterftühung ber Sttafe*
nahmen, bie bie Sooette ber ©eroerbeorbnung gur ©anirung ber
prioaten SlrbeitSoermittelung oorfchlägt. G. 0.
2)er paritätifdje 9rBettSnad)ttietS unb bie ©etoerff(haften, ^ie
3rage ber paritätifchen HrbeitSnachroeife Befcfjäftigt gur 3^1 bie
i)elegirtenfonferengen ber ^Berliner ©croerffchaftsfommiffion. ®en
Slnlaft bilbet bie entaegenfommenbe §altung ber Slrbeiteroertreter
im Äuratorium beS berliner GentraloereinS für ^IrbeitSnachroeiS,
begro. bie 3nftimmnng biefer Sertreter gu bem oon einem 2tuS*
fchuft biefeS GentraloereinS ausgearbeiteten Sormalftatute für un*
parteiifche ßacharbeitSnathroeife. 3Bährenb ein ^h^^ ber ©eroerf*
fchaftsfiih rer grunbfählich bie 5lrbeitSnachroeife in bie §änbe ber
orgaitijirien Arbeiter gelegt roiffen roitt, ift ber anbere, anfdjeinenb
gröfeere £heil ber 3lnficht, bah bie Grrichtung unparteiischer HrBeitS*
nachroeife unter ben gegebenen SSerhältniffen unb roeil fte gur 33e*
feitigung oerfchiebener ttttihftänbe bei ber HrbcitSoermittelung ge*
eignet feien, auch feitenS bcr Slrbeiter Unterftiihung oerbiene, ^ic
Dppofiiion gegen bie unparteiifchen 9lrbeitSnachroeife roirb in ben
©elegirtenfonferengen ber ©eroerffchaftsfommiffton oon bem ßeiter
ber organifirten ©aftroirtbSgchülfcn, SebaFteur ^ßöfefch, geführt,
toährenb bie Vertreter ber SBuchbrucfer, §utmacher, Former unb
Metallarbeiter bisher aus praFtifchen ©rüuoen für bie unparteiifchen
SlrbeitSnachroeife eingetreten finb. ^)er Sormer Äörften machte
unter Snberen geltenb, bie Arbeiter hatten fttf) geirrt, roenn fie
früher glaubten, ber ^IrbeitSnachroeiS Fönne ein Äampfmittel in
ihren §anben roerben. Sicht einmal bie gutorganifirten Metall®
arbeiter Fönnten mit ihrem WrbeitSnachroeiS gegen ben ber Unter*
nehmer auffommen. ®ent £erroriSntuS ber Unternehmer Fönne nur
burch uuparteiifche SlrbeüSnachroeife entgegengeroirFt roerben. $>er lebte
©eroerFfchaftSfongreh,ber oor brei Salden in Berlin abgehalten rourbe,
hat allerdings erflärt, bah ^IrbeitSnachroeiS als nothroenbiges
Äampf* unb s $ropaganbamittel in ben §änben ber 9lrbeiterorgani*
fationeit bleiben müffe; allein feitbem hat ftch groeifelloS einSöanbel
in ben Änfchauungen oottgogen. 3m Seichstage g. S. hat ber fogial*
bemoFratifche 5lbgeorbnete 3Öurnt fich Samens feiner Partei für bie
unparteiifchen 3lrbeitSnachroeife auSgefprochen, unb in Berlin fteljen
bie einfluf^reichften ©eroerffchaften gunt GentralarbeitSnachroeiS.
ßXnd) bie Haltung ber ©eneralfomntiffton ber ©eroerFf(haften ^eutfeh*
lanbs ift bem unparteiifchen 5lrbeitSnachroeiS giinftig. Unter biefen
Umftänben fcheini es gar nicht auSgefchloffen, bah ber nächfte ©e*
roeriffchaftsFongreh, ber im SSai b. 3S. ttt granFfurt a/M. ftatt*
finben fott, einen anberen StanbpunFt einttehtnen roirb roie ber
berliner Äoitgreh unb beffen 23efcf)tuh rücfgängig machen roirb.
Sorläufig bauert bie S)isFuffion innerhalb ber berliner ©eroerF*
fchaftSFotntniffion fort unb eS ift über bie Refolutionen für ober
gegen ben unparteiifchen 9lrbeitSnachroeiS noch nicht abgeftimmt
roorbeit.
©täbtifdjer Xrbett^nadüttietS in Gharlottenbuirg. Der Magiftrat hat
auf Antrag ber Deputation für ben ftäbtifhen HrbeitSnachroeiS bc=
fhloffen: 1. Dem SSerbanbe beutfdjer ?lrbcitsnacl)roetfe in Berlin betgit«
treten; 2. tu ben Verträgen mit Unternehmern biefen aufgugeben, ge*
eignete 3lrbcitsfräfte fo oiel roie möglich nur burch ben ftäbtifd)en
Arbeit Sn ach ro eis gu begiehen; 3. bie ©efdjäftSräunte beS 3lrbeitSnadj*
toeifeS oom 1. 9lpril ab Sonntags nicht mehr offen gu halten.
©tabttfcJjeS 9fcbett$bermittfowfl8amt tn aSBie«. Seit Söegimt ber 33er*
mittluugSthätigfeit, b. i. oom 12. September 1898 bis Gnbe gebruar
biefeS Jahres haben firfj 35 593 ftellenfuchenbc Arbeiter, Arbeiterinnen
unb Sehrftellenberoerber oormerfeu taffen. Stellenangebote finb toährenb
biefer 3 p i* ^ 959 eingelaufen. Arbeitspoftcn mürben an 10 787 $er*
fonen oermittelt. Dicfe Grfolge finb faft burdjgehenbs bei bcr Stetten*
oermittlung für geioerblichc Arbeiter unb Arbeiterinnen ergielt roorben,
hingegen ift bei ber ©rnppc bcr unqualifigirten Arbeiter nur geringe
Radjftage, toährenb baS Angebot oon ©efdjäftsbienern, Mutfdjern, ^ülfs*
arbeiten! aller Kategorien, Jaglöhnern, ja felbft oott einfadjen ©hreib*
fräften ein überaus ftarfeS ift. ^often für Sehrftcttett ftnb ftets in groher
Angaljl angemetbet, boch fehlt es an Sciuerbcrn hiefiir.
tBoJjuutt^tncrcn.
^erbefferung ber SBohttmtgSoerhältttiffe in Hamburg.
Die burd) 23cfd)Iuh oon Senat unb 23iirgerfd)aft oont 5. Stärg,
7. unb 14. April 1897 eingefepte gemifd)te Äommiffiott für bie
SJerbefieruug ber s BohnungSoerhälfntffe in Hamburg hat nun
ihren elften iöeridjt erflattet. Die Kotmniffiott glaubte baoon aus*
gehen gu bürfcit, bajg ihre Auftraggeber barin einig finb, bah
1. bie 2>erbefferuitg ber ^ohnuugSoerhältniffe nicht allein burdj
654
653 ©ogiale ^SrariS. Eentralblatt für ©ogialpolüif. Br. 24.
baS in$nriftf)en gur Annahme gelangte B$ohnungSpflege*©efeß, aut
nitt etwa allein burt ^crfteüung befferer BerfehrSmittel ober burd)
bie drbauung oon Arbeiterwoßnungcn in größerer Entfernung oom
Büttelpunft Der ©tabt, fonbern oor Adern burd) bie Befeitigung
ungefunber B*oßnungett gu bewirfeit ift, baß ferner 2. für ben
SBieberaufbau ungefunber BSoßnungen burd) oon ben Staate
beworben ju treffenbe Btaßnaßmen, geeignetenfads unter Stuf*
toenbuug oon Staatsmitteln, gu forgen fein roirb unb baß ettblicß
8 . biefe neuen B*oßnungen tßunlitft an ber alten ©teile unb für
bie[elben BeoöIferungSflaffen, weite bafelbft anfäffig geioefeu finb,
errietet werben follen. 3)er unter Btitwirfung beS Btebiginal*
fodegiumS, ber Baupoligei unb beS ftatiftifihen BureauS aus*
gearbeitete Berid)t befagt, baß in ber Slitftabt unb Beuftabt in be*
ftimmten Begirfen eine große Angaßl oon „BSoßnungen ber*
artig itngefunb feien, baß ber Abbruch unb bie Beuerbauuna ber*
[eiben im fanitären 3ntereffe erforberlkß erfteine." ®ie 3oßl ber
in biefen Begirfen enthaltenen BJoßnungen, bie aus gefunbßeitliten
Bücffitten niebergelegt werben müffen, beträgt 12 000, bie 3 a *ff
ber Bewohner etwa 70000. Bon ben 51000 Bewohnern ber
Altftabt entfallen allein 33 000, oon ben 88 000 ber Beuftabt
37 000 auf bie genannten Begirfe. 2)er Berußt fonftatirt gwar,
baß nicht alle B$oßuungen innerhalb ber betreffenben Begirfe gum
Abbruch reif finb, baß aber anbererfeits auch nicht alle BSoßnungen
außerhalb biefer ®iftrifte als gefunbßeitlit guläffig angufehen
feien. S^h^tfäd^Iich fehlen eine gange Angaßl „©änge", bie eben*
fads „ben in fanitärer Begießung gu ftedenben Anforberungcn
nicht genügen, auch burch bauliche Beränberungeti nicht wefentlicf)
oerbeffert werben fönnen".
3)ie gunächft gehegte Abfitt, mit ber Bornahme einer Be*
fichtigung fofort in affen brei Begirfen gleichmäßig oorgugeßen,
mußte bei näherer Prüfung aufgegeben werben, ba bie Äommiffion
fit baoon übergeugen mußte, baß cS ihre SeiftungSfälfigfeit über*
fteigen unb ben Beginn beS praftifißen BorgeßenS gu weit hinaus*
fchieben werbe, wenn bie Befichtigung ber iitSgefammt in Betracht
fommenben etwa 12 000 BJoßnungett gleichseitig in Angriff ae*
nommen werben follte. 2)ie tiontmiffion entfißieb fich auö biefen
©rünben bafür, ihre S^ätigfeit gunächft auf einen ber brei Begirfe
gu befißränfeit. Als ben für biefen Qmed geeignetften erwählte
bie $ommiffion ben im Bkfentlicßen bie fübliche Beuftabt um*
faffenbeit Begirf, einmal mit Büdffitt barauf, baß hier .in Solgc
ber tiefen Sage gablreicßer ©traßen unb ber baburd) bei l)ö^ercn
Btafferftänben oielfacf) ßeroorgerufenen .^ederüberftmemmungen be*
fonbere Uebelfiänbe obwalten. 92acf> Abftluß biefer Berichtigung,
bie in brei Unterabteilungen geftaß, trat bie ©efammtfommiffion
wieber gu qemeinfamer Beratung gufammen unb fam gu bent
Befultat, baß in bem befidjtigten Begirf bur<h bauliche Aenberungen
in oielenÖnden nichts gu erreichen fei, fonbern man gum Abbruch
fchreiten muffe. Borßer muffe man aber bei bem Mangel
an fleinen BSoßnungen für Erfaß forgen. 3)iefe Erwägungen
ließen es ber Äommiffion notßwenbig erfeßeinen, fid) gunädfit mit
ber 3*age gu befcßäftigen, an welcher ©teile bie ©ebäube gu er*
ritten fein würben, bie gum Erfaß ber nat einem aufguftellenben
Arbeitsplan etwa in erfter fiinie niebergulegenben Btoßnfomplej'e
gu bienen beftimmt finb. 3)ie Aufm er ff am feit ber ft'ommiffion
richtete fit oon oornßerein auf bie beiben an ber 3.eugßauSftraße
belegenen Blöße mit gufammen 4858 qm ?fläte, bie gelegenst
ber im 3oß*e 1893 befcßloffenen unb ingwiften gur Ausführung
gelangten BSadregulirung gwi[ten §afentßor unb fwlftentßor ae*
feßaffen worben finb. Es wirb nun barauf anfommen, bie Be*
bingungen für bie Bebauung fo gu gehalten, baß bie ^erftellung
unb bauernbe Erhaltung oon BBoßnungen ber niebrigften BftetßS*
flaffen, alfo oon einem, gwei unb brei ^mwern nebft 3 l i& e ßör
mit einer nußbaren Släcße oon etwa 20 bis 65 qm, in einem bem
oorßanbenen Bebürfniß fit möglitft anpaffenben progentualen
Berßältniß gefitert wirb. 3)a biefe Bebingung aber ben 'ißreis
ber Baupläße meßr als nötßig ßerabbrücfen würbe, liegt es —
nat bem Beritt — in ber Abfitt, bei ber Bebauung außer Nieder
unb Erbgeftoß oier Etagen gugulaffen unb für bie Heller unb
einen £ßeil beS ErbgeftoffeS eine AuSnußung gu gefißäffliten
3*oecfen gu geftatten. Aud) fofl baS ©dfiafftellen* unb Einlogirer*
wefen nat ÜÄöglitfeit ferngeßalten, ferner Beftimmungen getroffen
werben, unter weiten bie Bäume gu ocruiietben finb. S)ic Moni*
miffion empfiehlt nun Bürgerftaft unb ©enat, bie beiben $läße
unter ben in beg«t nc ^ em ^inne feftgufteHenben Bebingungen beft*
möglitft gu oerfaufen.
3Sie man uns aus am bürg ftreibt, begegnet biefer Bor*
ftlag manten Bebenfen. 2Ran befürttet namentüdj, baß fit au f
biefem 3öege troß aller BorfittSmaßregeln Bobenfpefulationen unb
Btiethefteigeruugen nußt hintanßalten laffen werben. Bian fragt
warum bie Okmeiubc nid)t felbft bie Söoßnungen auf ißrem Terrain
baut? £ber warum fie bie Baupläße nitt an eine Baugenoffen*
ftaft oerpatte? Uns will bebünfen, als ob AngefittS eines folcßen
BotßftanbeS ber ©tabt*©taat Hamburg bie BfUti ßabe, felbft
energift bie £anb gur Befeitfgung beS s BoßnungSeIenbeS gu
rüßren, inbem er guoörberft felbft in tßunlichfter Eile billige, ge*
funbe unb bequem gelegene Arbeiterßänfer mit etwa fet§ bis att,
ßötftenS geßn SSoßnungeit, aber feine ÜRieißSfafernen mit oier bis
fünf Etagen baut unb bann bie grünblite ©anirung ber abbrueßs*
würbigen Begirfe burtfüßrt. Aut wwn baS Söerf feßr ßoße Auf*
wenbungen erforbern follte, würbe eS fit burt bie Sörberung
ber BolfSgefunbßeit, 3Riuberung ber ©eutengefaßr unb Ber*
ftönerung beS ©tabtbilbeS reitet befahlt maten.
Bau Oon BotfStoohtmttoctt bureß bie ^emeiube tu ©trafi*
Burg t. Elf, ^er Eemeinberatß ber ©tabt ©traßburg ßat in
feiner ©ißnng oom 6. IRärg beftloffen, aus Bütteln ber gur
Unterftiißung oon ftäbtiften Beamten unb beren Hinterbliebenen
beftimmten ©pachftiftung 200 BolfSwoßnnngen gu erbauen. ^)aS
erforberlitc Eelänbe in ©röße oon 6100 qm tritt bie ©tabt ge*
nannter ©tiftung gu bem feßr niebria bemeffenen greife oon
12 , K.. für ben Duabratmeter ab. %m laufenben Sößre follen gu*
nätft 96 Söoßnuitgen unb 4 Säben fertig geftellt werben. Bon
biefen BSoßnungen foden 25 je 3, 54 je 2 unb 17 je 1 3”«nier
enthalten. 3 11 i c ^ er 3öoßnung geßört eine geräumige £üte unb
ein Abort. 3>er tymä ber hjpiften gwcigimmerigcn 2$oßnung
wirb fit int 2>urtft n ttt auf etwa 200 <//f. im3aßrc fteden. ©ie
©tabt oerbürgt ber ©patftiftung eine Bettooerginfung beS auf
400 000 c/#. oeranftlagtcn BaufapitalS oon 4%.— 3n berfelben
©ißung ßat ber 0)emeinbcratß ber „EefeÖftaft für BolfS*
woßnungen" ein Eelänbe gu bem bebeutenb ermäßigten greife oon
18 , ii für ben Cnabrafmeter oerfauft, auf welcßem 40 BolfS*
woßnungen erfteüt werben follen. 3« früheren Saßren ßat bie
©efeOftaft berciis 170 berartige Söoßnungen errittet. — Biegen
Erbauung oon 24 SBoßnungen für Samilien mit gaßlreiten
^inbern burt ßte Armenoerwaltung [tmeben gur 3eit bie Ber*
ßanbluugeu. — Aut eine gweite geuteinuüßige Eefedfd)aft ßat fid)
wegen Ueberlaffung oon ©elänbe gur Erbauung oon etwa 50 Ar*
beiterwoßnungen an bie ©tabtoerwaltung gewenbet.
Es barf erwartet werben, baß in 1 bis 2 Saßreit gu ben
bereits bewohnten 500 „BolfSwoßnungen" über 300 neue ßingu*
getreten fein werben. Auf biefem ©ebiete fogialer Sürforae bürfte
bie ©tabt ©traßburg oon wenigen beutfeßen ©täbten übertroffen
werben.
ArbeiterUfoßnuttgSttiefeu tut Bhetulaub, $)ie Begebungen bes
„Bßeiniften BereinS gur görberung beS ArbeiterwoßnungSwefenS
in ®üffelborf haben aut in neueftcr 3eit gu manten praftifißen
Ergebniffen gefüßrt. Es finb in ben leßten fet^ Bbnaten inner*
halb ber Bßeinprooing 13 neue gemeinnüßige Bauoereine entftanben
unter gaßlreiter Betßeüigung fowoßl ber woßlßabenben Greife als
aut b^r Arbeiter. Ebenfo ßaben bei ber größeren 3 a (tf ber Ber*
eine bie ©emeinbebeßörben ißre finangieHe Ünterftüßung beftloffen
begw. gugefaat, fo g. B. in Belbert, HeiligenßauS, Eronenberg,
Emmerit uno ©od). 2)ie ©rünbung mehrerer Bauoereine fteßt
unmittelbar beoor, u. A. matt fit in tföln eine rege Bewegung
in biefer Bittung geltenb. Aud) bie lanbwirtßftaftliten Steife
wenben ißr ^ntereffe meßr unb meßr ber ArbeitermoßnungSfragc
gu, g. B. ift. eine hierauf begüglitc Anregung oon mehreren' ©ut's*
befißern im Sanbfreife £öln gegeben worben. 35ie auf Ertbeilung
oott Batß unb AuSfünften in ber ArbeiterwoßnungSfrage gerichtete
Sßätigfeit bes genannten BereinS ift in ftetem Brachten Gegriffen.
Aut bie BerwaltungSbeßörben neßmen biefe 2:ßätigfeit meßr nnb
meßr in Anfprud), wie aut in ben leßten Btonatcn eine große
3aßl biefer Beßörben ißr Öntereffe an bem Bereitt burt @rmer*
bung ber Bütgliebftaft befunbet ßat. Aut meßrere Bauoereine
nnb Eingelperfonen hoben wieber ihren Beitritt erflärt.
Errittimß »on S&oßuljöitfern für Arme ttt Englattb. Enbe Februar
paffirte bie „Cottage Home Bill“ bic gweite Sefimg im englifrfjcii s pnr*
lameute 2^cr Entwurf begweeft bie Errittung oon Eottagc*Aulageii
für erwerbsunfähige alte teilte, bie beute lebigiidt auf bas 'BSorfftouic
augewiefen finb. Jie Befdtaffung unb Bcrwaltung biefer Eingelarmeu*
ßäufer fofl ben 6kmcinbcn übertragen werben.
Befeitiguug ber Slums in Stberpool, Ein beatteuSwertbcS
Beifpiel baoon, in weiter BJeife bie engliften ©eineinbcii an bie
©anirung ber ©täbte unb Biobernifirung ber Arbcitcroiertcl heran#
treten, giebt £ioerpool, beffen ©emeinberatl) eben bie ©untuic oon
655
Sogiale $ra£tS. ©entralblatt für Sogialpolttil. $r. 24.
656
50 000 £ für beit Anlauf unb bie Xemoliruna fanitätScjefäbrlicber
§äufer notirt bat. XaS Sßrojeft bebingt bie Xelogiruitg unb
anberweitige Unterbringung non 3000 SJkrfonen. Xie Stabt*
gemeinbe bat in ben lebten 10 Saßren nid)t weniger als
4200 grnufer nieberaeriffen, oon welken bloß 830 neugebaut
würben. Xergeftalt Dürften bie „Slums“ halb gang befeitigt fein.
(EQie^ung mtb fiUbtutg.
Staatliche beihülfe» für bolfSbibliotbefen.
3m. bieSjährigeit ©tat beS preußifdjen $uItuSminifteriumS
finbet fi<h gum erften 9Me eine Summe oon 50 000. // gur gör*
berung uon bolfSbibliotbefen unter bem Xitel ,,©lementar*Unter*
ricbtswefen". Xie begrünbung biefer Ausgabe, bie als einmalige
gebaut ift, ift gang !urg in folgeitben gwei Säßen gufammengefaßt:
„Xie ^orberung ber bolfSbibliotbefen ift eine wichtige fogiale
Aufgabe ber ©egenwart. Xie bcreitfielhing eines einmaligen außer*
orbentlid)en Betrages non 50 000 M. erfefjeint besljalb gweefntäßig."
Xie $reffe erinnert bei biefer Gelegenheit baran, baß fd)on
nor 100 Sauren ein preußifeßer bttnifter bie $otf)wenbig!eit ber
Straffung guter Sefegelegenbeiteit für alle klaffen ber beoölferung
erfannt habe, nämlich Der Nachfolger ©öHner’S unb boraänger
Wilhelm non £>umbolbt’S in ber ßeitung beS preußifeßen unter*
ricbtSwefenS, SuliuS non SRaffow, ber fchon als $räfibent ber
nommerfdjen Regierung im Sabre 1797 in einer umfangreichen
Xenffdjrift „3been gnr berbefferung beS öffentlichen Schul* unb
©rgiebungSwefenS" an bie ©rrid)tung non ßefebatten gebaebt bat.
©S ift febr erfreulich, baß Me preufeifc^e Regierung ficb bagu
entfcbloffen bat, für bie Sörberung ber allgemeinen bolfsbilbung
in einer Art unb Weife eingutreten, wie bieS non einstigen
Kennern ber berbältniffe febon lange, bisher leiber nur febr oft
oergeblicb, aeforbert worben ift. Xte Bewegung für bie ©rrießtung
non bolfSbibliotbefen unb ßefeballen, ober, wie man fte auch
nennt, öffentlicher büeßer* unb SefebaHen, bat fi<h in biefem Sab**
gebnt in Xeutfdjlanb fraftnott entwickelt; nicht nur bie „©efeEfd)aft
für berbreitung non bolfsbilbung" unb bie ,,©omeniuS*©efeH*
fdjaft" finb bafiir tbeoretifd) unb praftifd) eingetreteu, fonbent aud)
bie „Xeutfcße ©efellfcbaft für etbifdje Kultur" unb eine gange
beiße anberer gemeinnütziger Vereine, fowie boebbergige ^rinatleute
haben bie Bewegung geförbert unb oerbreitet, fo baß bas leßte
Qabrgebnt eine Aera beS SortfcßrittS für bie bolfSbibliotbefen in
Xeutfd)lanb bebeutet, wie feines ber Sabrgeßnte norber.
Xiefe Sörberung ber Bewegung unb bie praftifeben befultate,
bie fie ergielt b fl t, haben wohl auch bem preußifeßen Kultus*
minifterium beutlid) genug gegeigt, ein wie ftarfes bilbungS*
bebürfniß in allen klaffen unferer benölferung norbanben ift, unb
in ihm bie Anficbt befeftigt, baß es nid)t genug ift, einen Wenfcßen
baS fiefen gu lehren, fonbern baß man ihm aud) bie btöglicßfeit
ber benußung nerniinftigen CefeftoffeS gewäbrleiften muß.
Xie ©infteHung oon 50 000 JC. in ben preußifeßen ©tat, nach 5
bem bis jebt nur einige NegierungSpräfibenten (in ßiegniß unb
Dppeln), einige öanbrätße unb Scbulbebörbcn ficb ber $olfS*
bibliotßefen angenommen batten, ift besßalb mit großer Sreube gu
begrüßen. ^öffentlich ift eS bie Abficßt beS WinifteriumS, biefe
50 000 JL nicht nur einmal aufguwenben — fie ließen bieSmal
unter ben einmaligen Ausgaben — fonbern fie gu einer regel*
mäßigen Ausgabe für bas bolfSbibliotßefSwefen ber gangen
Monarchie gu machen.
3u ßod) wäre biefe Summe fußeilicb nicht; man bebenfe, einer
wie großen benölferung fie gu ©ute fommen foH. 3<b benfe habet
nicht etwa an bie gefammte beoölferung beS preußifeßen Staates,
benn ich bin ber Anfid)t, baß bie größeren unb großen Stabte für
biefe Anftalten felbft auffommen fönnen unb muffen — fonbern
lebiglicb an bie fleinen Stäbtd)en unb namentlich an bie nieten
Xörfer, in benen eine gute 33ibIiotbef faft noch uotbwenbiger ift,
bie aber nielfach faurn in ber i^age fein biirften, fi<h gute s ^otfS*
bibliotbefen noÜfommen aus eigenen Mitteln gu befchaften. s DJan
muh bcSbalb auch bringenb hoffen, bafe bie 50 000 , i( beS preufci*
fdjen ©tats nicht etwa irgenb einer beftitnmten Stabt ober irgenb
einer beftimmten $rooing (etwa ben polnifchen Groningen) gu (v)nte
fommen füllen, fonbern bafj fte wirflicb über baS gange i ? anb bi»
nertbeilt werben unb natnentlidj ben £anbeStbeileit gu Olutc fommen,
benen fie am notbwenbigften finb.
Xafr eine einmalige SScrwenbung non 50 000 , // bann nur
ein Xropfen auf einen b«&en Stein ift, liegt wotjl auf ber $anb.
s i)iait wirb Sab* für Sab^ biefelbe Summe aufwenben ntüffen, um
bie ^tiefen auSgufiillen, bie im ÖcfUfe ber 3 e ü auf biefem ©ebiet
entftauben ftnb, unb es wirb nur ftetiger unb forgfamer Slit*
ftrengung gelingen, ben ßeiftungeit anberer Sänber auf biefem
©ebiete einigermaßen nad)gufomtnen. Seicht etwa nur ©nglanb
unb ben bereinigten Staaten non 9?orbamerifa, bie uns ja beibe
in biefer begießung meilenweit norauS Tutb, fonbern auch einigen
unferer beutfdjen 9t v a<hbarlänber. 3roar in SJtecflenburg bat bie
Regierung Ms jeßt noch feinen Pfennig für bolfsbibliotbefen ner*
auSgabt, obwohl fie — nterfwürbig genug — nor gwei Sahnen
bie ©rünbung länblicber bolfsbibliotbefen empfohlen bat. Slucb
braunfehweig, baS bis jeßt ben bolfSbibliotbefen eine beibülfe
non inSgefammt nur 6820 bewilligt bat, ift Preußen nicht
aUgu febr norauS; aber Sacbfen unb äÖürttemberg haben fchon
feit Sab^en beftänbig für ihre bolfSbibliotbefen gu forgen gefucht
unb haben eS baburdj erreicht, baß faft jebe länblicbe ©emeinbe
bort bereits eine foldje ^Inftalt beftßt.
3n Sachfen beftanb fchon in ben 60er Sabren eine giemlicb
rege bewegung für bie ©rridjtung non bolfSbibliotbefen, fo baß
im Sabre 1875 fchon 196 bolfSbibliotbefen b^r eyiftirten. Xa
ftellte im Sabre 1874 ber ?lbgeorbnete Dr. Pfeiffer ben Antrag,
bie Regierung möge eine jährliche Summe gur ©rünbung uttb
Unterftüßung non bolfSbibliotbefen auSfeßen. Xer Eintrag würbe
angenommen, unb nom Sabre 1876 an ein jäbrlidher betrag non
15 000^ bafiir nerwenbet; feit bem Sabre 1889 ift biefe Summe
auf 18 000 Jt erhöbt worben, im norigen Sabre fogar auf
20 000 o 4L
2lu<b gab baS fächfifche ^ultuSminifterium im Sabre 1876
eine fleine Schrift „Heber bebeutung unb ©inrießtung non bolfs*
bibliotbefen" heraus, bem eS einen SKufterfatalog beifügte, ber
bereits im Sabre 1882 (in ber Stärfe non 92 Seiten) in gmeiter
Auflage erfdjien unb oon bem binnen Bürgern eine britte Auflage
herauSfommen wirb.
Natürlich genügen bie nont fächfifchen Staate aufgewenbeten
Summen nicht, um bie länblichen bolfSbibliotbefen biefeS Staates
gänglich gu unterhalten; fte füllen auch 9 fl r nicht bafiir genügen,*
benn jebe ©emeinbe foH auch aus eigenen Mitteln einen beitrag
gu biefen Slnftalten liefern. Xurchf^nitt nerfügen bie fächfifchen
bibliotbefen über je 10Q Jl jährlich, noti benen ber Staat niel*
fad) bett britten Xbeil ober and) bie £>älfte tragt. Urfprünglich
erhielt jebe ber oben erwähnten 196 bolfSbibliotbefen in jenem
Sahr eine ftaatliche Subnention, wäbrenb b c nte gewöhnlich sniei
Xrittel ber fächfifchen bolfSbibliotbefen ohne eine foXd^e anSgeben
unb auch bie Unterftiißung, bie jebe ber übrigen erhält, uid)t mehr
fo hoch ift als im 2lttfange. XaS liegt einfach baran, baß bie
3abl ber bolfSbibliotbefen in Sachfen in febr erfreulid^er Söeife
gugenomtnen bat: wäbrenb im Sabre 1875, wie erwähnt, nur
196 bolfSbibliotbefen beftaitben, betrug bie 3®b^ berfelben (nach
bem trefflichen „^anbbuch beS bolfSbilbungSmefenS" non ^ßrofeffor
©b. Sftetjer) im Sabre 1893 bereits 1065, fo baß fie fid) in
18 Sabren mehr als nerfünffacht batte, wäßrenb bie Staatsunter*
ftüßung nur um ein fünftel geftiegen war. Nebenbei bemerft,
empfiehlt beper, bie ©ewäbrung einer ftaatlichen Subnention im
Allgemeinen an eine aewiffe beitragSpflicbt ber ©emeinben unb an
bie ©rfteHung eines AuSweifeS über ben betrieb ber bibliotbefen
gu fnüpfen — eine Maßregel, bie fid)erlid) außerorbentlich gweef*
mäßig wäre.
Sn SBürtteinberg hat ein Spnobal * AuSfcßreiben nom
13. Xegember 1869 bie begirfsfcbnlinfpeftoren angewiefen, ihr
Augenmerf auf bie Anfchaffung einer angeineffcuen bücherfammlung
für bie SaQcnb, fei eS ans Mitteln beS SdhulfoitbS, fei eS aus
anberen innerhalb ber eingelnen ©emeinben hierfür gu ©ebote
ftebenben .^ülfsquellen, gu richten. Xemgemäß finb in einer
großen 3ahl ber württembergifchen ©emeinben Drtsbibliotbefen ent*
ftanben, bie in niclen Sälien fi^ an bie Sdhulbibliothefen anlebnen,
in anberen Sälien auch gefonbert non ihnen befielen, unb bie
tbeilS aus lleberfchiiffen ber Sdjulfonbs, theils ans beiträgen ber^
©emeinben, tbeilS enblid) aus beihülfen ftaatXidfjer bel)örben, inS*
befonbere ber ©entralftcHe für bie Öanbwirtbfd;aft unb ber ©entral*
leitung für bie SSohlthätigfeit unterhalten werben. Xie jährliche
©tatfumme, bie ber ©entralfteHe für öanbwirtbfdjaft gur Unter*
ftüßung ber CrtSbibliotbefen gur Verfügung ftebt, beträgt 3000 JL
Sadifen unb Württemberg ftnb jcbenfalls biejenigen beutfehen
Staaten, bie in biefer begiebung am weitesten norauS ftnb. Xie
bolfsbibliothef burd)brinqt in ihnen weite}©ebiete fchon faft in
ähnlicher Art wie bie bolfsfd)iiIe, gitmal fie non großen berbänbeit
theilwcifc in ausgiebigfter Weife unterftüßt wirb: fo wenbet g. b.
ber fäd)fifd)e VanbeSnerbanb ber bolfSbübungSnereiue jährlich etwa
Co 000 c U. fiir bolfSbibliotbefen auf. Selbftoerftänblich finb aber
657
©oktale $rajtS. ©cntralblatt für ©ogialpolttif. $r. 24.
658
beibe ßänber notß bei Leitern mißt an ber ©renje beS ©rreießbaren
unb SBünftßenSroertßen angelangt; oielmeßr blctbt bis baßin nodfj
bicl gu tßun übrig — namentlich roaS bie ©inridßtung ber 93iblio*
tiefen, oor allem bie gfeftfeßuna ißrer auSleißegeit, anbetrifft.
Siber auch einige Staaten oeS auSlanbes fönnen Preußen
geigen, baß es mit einer einmaligen Ausgabe für SSolfsbibliotßefen
niept getßan ift, unb baß bie Summen, bie bafür aufgeroenbet
merben, feine oerlorenen ftnb.
Sehen mir nach Sranfreicß trüber. Sfcadßbem bort tum
ben SDftnifierien unb Unterbeßörben roieberßolt auf bie Sttotß*
menbigfeit unb ben Stuben oon bolfsbibliothefen aufmerffam ge*
macht morben mar, richtete bie Regierung oom 3a§re 1863 an
foaenannte Bibliotheques scolaires etn, bie in ben Sdßulgebäuben
aufgeftellt unb oon ben ßeßrern oermaltet mürben. Sie ftnb für
bje Spüler, bann aber auch für ißre ©Item unb $erroanbten unb
für bie übrigen ©rroadßfenen beS betreffenben DrteS beftimmt.
$>er Staat menbet jährlich bafür eine gemiffe Summe auf,
aber auch bie ©emeinben unb $rioatleute fteuern meßt unerheblich
m ben Sfoften bei. 3n ben Soßren 1863—69 bat ber Staat gu*
fammen etroa 4 097 000 gfrcS. für bie Bibliotheques scolaires aufs
menbet, roäßrenb ©emeinbe, Sßrioatleute u. f. m. gufatnmen
7 289 000 gfrcS. (faft nocß einmal fo oiel) ber Äoften trugen. S3e*
merfenSroertß ift, baß bie Slufroenbungen beS Staates für biefe
93itbungSanftalten nach bem unglücflictjen Kriege mit ©eutfcßlanb
erheblich erßößt morben ftnb, mie ja überhaupt granfreieß aus
biefem nationalen Unglücf bie ßeßre gezogen hat, baß es fein
UnterricßtSroefen auf aUen Stufen erßeblicß oerbeffem müffe. 33iS
gurn 3ab r e 1871 hatte he* Staat jährlich 100000 gfrcS. für bie
Bibliotheques scolaires aufgeroenbet: oon 1872 an erhöhte er biefe
Summe auf 120 000 3rcS., oon 1878 an auf 200 000 gfrcS. jäßr*
lieh, enblich 1882 fogar auf 250000 gfrcS. — oom 3<*ß*e 1885
an ift biefe Summe bann roieber gefunfen. $>ie Bibliotheques
scolaires, bie im 3&h*e 1889 gufammen etma 5 TOHionen 3$anbe
befaßen, ßabeu in ben 3aß*en 1863—89 etma 52 9Riüionen SBänbe
auSgeliehen; mie fehr fte ihre Schulbigfeit gethan haften, geht fchon
barauS ßeroor, baß ein fo fompetenter 23eurtßeiler mie ©uftao
gfreytag baS ftarfe geftßalten eines £ßeils ber elfäffif<h*Iotßrin*
gifchen SSeoölferung an frangöfifeßem SBefen unb frangöfifeßer Slrt
unb ihre Sympatßteen für granfreieß auf bie SSirffamfeit biefer
öibliotßefen gurücffüßrt.
3 n ©nglanb, mo man oon einer berartigeu ©entralifation,
mie fie in gfranfreieß ßerrfeßt unb oon ber ©inmifeßung beS
Staates im allgemeinen nur menig roiffen roill unb mo es fchon
bie größten Scßroierigfeiten gefoftet hat, bureßgufeßen, baß baS
Ungeheuer Staat für bie ©rgießung ber Stinber feiner Bürger
etmaS thun barf, hätte man ben ©ebanfen einer ftaatlichen 33ei*
hülfe für 93olfSbibliotßefen, ber meines SöiffenS in ben erften
Saßrgeßnten ihrer ©ntroidfelung überhaupt nie aufgetaucht ift,
roaßrfcheinlidß mit ©ntrüftung gurüefgeroiefen. auch mar eine folcße
iöeihülfe beS Staates ja hier bei Weitem nicht fo nothmenbig, ba
bie große Sföehrgaßl felbft ber fleinften englifchen ©emeinben oon
ber Siothmenbigfeit oon Public Libraries feft überzeugt ift, fo baß
baS SSoIfSbibliotßefSroefen jenfeits beS Kanals blüht, mie nur nod)
in ben bereinigten Staaten. SDodfj mehren ficß in ftßter 3 e lt hie
Stimmen, bie menigftenS für Keine unb leiftungSunfähige @e*
meinben eine ftaatliche Unterftüßung forbern.
3 n ben englifcßen Kolonien mieberum fiitft ftaatliche bei«
hülfen für SSolfSbibliotßefen felbft in größeren Stäbten etmaS
burchauS ©eroöhnlicßeS. So gemährt g. b. bie Regierung ber
Sfapfolonie nach einer neuerlichen SluffteUung in einem ber blau®
büeßer beS Colonial Secretary’s Department 10 größeren Public
Libraries biefer Kolonie eine jährliche Unterftüßung oon gufamtnen
74000 iAf,
Sluch in ben bereinigten Staaten oon ütforbamerifa,
bie bie prädßtigften unb befuchteften bolfsbibliothefen ber ganzen
SBelt beHhen, ift ber Staat Ijelfenb für biefe anftalten eingetreten,
obroohl tyex baS bebürfniß banach oerhältnißmäßig nicht fo groß
fein fann, ba in Vlmerifa bie ©emeinben unb roohlhaftenbe bürger
gemeinnüfcige ©inrichtungen, mie befannt, in ber auSgegeichnetften
feeife förbern.
§ier mar es ber burch fein oortrefflidß auSgebilbeteS bilbungS»
mefen auch fonft h^oorragenbe Staat biaffachufettS, ber Den
Stnfang madfjte. 3« 2Raffa<hufettS hatten im 3ah*e 1890 oon
352 Stabt* unb ßanbgemeinben nur 102 noch feine Public Library;
ba aber biefe 3ahl noch als oiel gu hach erfdfjien, feßte ber Staat
eine ^ommiffion ein, bie bie befugniß hatte, jebe ©emeinbe, bie
eine bibliothef einrichten mollte, mit bucheraumenbungen bis jum
Serthe oon 400 d(, auf Staatsfoften ju unterftüßen. 2)iefe £om*
miffion gab in ihrem erften bericht eine genaue Ueberficht über bie
©efchidfjte ber öffentlichen bibliothefen in jeher ber ©emeinben,
mäßrenb fie bie ©emeinben ohne boffsbibliothef nur mit bem
lafonifchen bermerf aufführte: „this town bas oo public library“.
3)ie gfalge mar ein rafdß fteigehbeS Sntereffe an biefen $lnftalten,
unb fchon nach jmei Salden n>ar bie 3ahl ftcr Stäbte ohne bibtio*
thef auf 53 gefunfen lauter Keine ©emeinben, bie jufammen nur
4<Vo ber beoölferung umfaffen.
Hnbere Staaten (gumeift SDftftaaten) ßnb bem beifpiele oon
btoffachufetts gefolgt ober haben fonft Maßregeln ergriffen, um
bas bibliothefSmefen ber Keineren unb ärmeren ©emeinben gu
forbern. Originell unb erfolgreidß gugleich ift eine ©inrichtung beS
Staates 9fero*?)orf, beffen bibliothefSmefen oon 2Rr. SKeloil
S)emep, einem ber genialften bibliothefare, geleitet mirb. 3ut
3ahre 1889 richtete hier bie Staatsbibliothef fogenannte ,,2Banber*
bibliothefen" (Travelling Libraries) ein, bie entmeber bücher aus
allen ©ebieten ber ßitteratur ober aus beftimmten SSiffenSgebieten
enthalten unb an jebe ©emeinbe oerfanbt merben, bie fich barum
bemirbt. SaSbefonbere haben ßch biefe ©anberbibliothefen auch
für bie University Extension als ein großer SRußen ermiefen, unb
baS Sgftem mirb oielfach (mie g. b. oon ber University Extension
Division ber llnioerfität ©fpeago) nachgeahmt. S)er Staat 9iero
g)orf gab bereits im erften Sabre bafür bie Summe oon 200 000 <siL
aus, bie feitbem noch mefentlicß erhöht morben ift. —
bon fonftigen ftaatlichen llnterftüßungert für bolfsbibliothefen
ift mir nichts befannt; außer baß einige Staaten ©elehrten unb
bibliotbefaren beifeunterftüßungen gugeroanbt haben, um baS eng*
lifdhe unb norbamerifanifche bibliothefSmefen, baS ja roefentlich
ein bolfsbibliothefsroefen ift, ftubiren gu fönnen. 3^bath feheinen
in mehreren Staaten ähnliche ©rmäaungen gepflogen gu merben,
mie fie jeßt für baS preußifeße ÄultuSminifterium für feine be*
roittiaung maßgebenb gemefen ftnb.
2 Ran fießt aus ben oorfteßenben angaben beutlicß genug, baß
eine jährliche aufmenbung oon 50 000 Jf für bolfsbibliothefs*
groedfc für einen Staat mte $ reu ß eit mabrlicf) nicht gu ßach 9 e *
griffen ift unb baß bie Summe nicht nur burch bie birefte unb mate*
rieEe £>ülfe, bie fte gemäßren, fonberit auch burch bie anregung,
bie fte gmeifelloS mit fich bringen mirb, oiel Sßußen ftiften mirb.
9Sie baS beifpiel beS Staates biaffaeßufetts geigt, fann eine folche
materielle Unterftüßung befonberS bann oon bem größten ©influß
fein, menn bamit bie §erftellung einer Statiftif beS SSolfS*
bibliotßefSmefenS oerbunben mirb.
©ine foldße Statiftif befißeit mir in ©eutfdßlanb leiber erft über
einen eiugigen Keinen Staat — baS £>ergogtßum Sraunfchmeig.
S)aS braunfdhmeigifche StaatSminifterium ßat oor einiger 3 C ^
eine ftatiftifdße ©rßebung barüber angefteHt, mie oiel Solfsbiblio*
tßefen in biefem Staate befteßen, mie fte fuß über baS ßanb oer*
tßeilen, mie oiel S3änbe fte enthalten, mie ftarf bie SSeitußung ift,
rnelcße aufroenbuitgen gemaeßt merben *c. 2)er ©eneralfefretär ber
„©efeUfd^aft für SSerbrettung oon SSolfSbilbung" äußerte fteß in einer
^efpreeßung biefer Statiftif, auf bie felbft eingugeßen mir ßier ber
Sftaum feßlt, baß es „feine überfliiffige arfteit fein mürbe, menn
fämmtlicße UnterricßtSoermaltungen über baS SSolfSbibliotßefSmefen
in gang berfelben Söeife regelmäßig berichteten mie über baS Schul*
mefen". 3n ber Sßat fann man biefen ©unfeß nur auf baS ßeb*
ßaftefte unterftüßen. Solange mir in ®eutfcßlanb, mie bis oor ein
paar 3<*ß*en faft allgemein, nur gang embryonale bolfsbibliothefen
befaßen, ßätte ein folcßeS Verlangen menig 3^ e cf gehabt; jeßt aber,
mo fieß attentßalben bie ©rfenntniß bureßguringen beginnt, ein mie
notßroenbigeS unb mertßooHeS ÜöilbungSntiüel Die SSolfSbibliotßefen
barftetten, unb baß bie Schulen eigentlich nur halbe arbeit tßun
fönnen, menn ben ©rroaeßfenen meßt ©elegenßeit gegeben mirb,
bie in ber Schule ermorbenen Sfennhtiffe gu üben, gu ermeitern
unb gu oertiefen — jeßt fönnten folcße oon 3*it gu 3eit gu roieber*
ßolenben amtlichen SBeröffentlicßungen ben größten Sftußen ftiften,
meil fte einen lleberblic! über bie ©ntmicfelung eines mießtigen
3meigeS beS 93ilbitngSmefenS geroäßren unb meil fte baS Gemußt*
fein oerfdßärfen mürben, mie otel uns in S)eutfcßlanb noeß gu tßun
bleibt, um biefen SBilbungSgroeig feiner $ebeutung entfprecßenb
auSguaeftalten unb fo in ftettger angeftrengter arbeit nadßgußolen,
roaS §iorbamerifa forooßl mie baS britifeße Sufdreicß in biefer
üöegießung jeßt noeß oor uns oorauS ßaben.
^)aß in 5ßorbamerifa mieberßolt feßr genaue unb brauch*
bare Statiftifen über ben Stanb ber Dortigen Public Libraries oer*
öffentlicßt morben ftnb, mirb ben nicht feunber neßtnen, ber ben
©ifer unb baS Sntereffe ber S^orbamerifaner an allen SSolfSbilbungS*
beftrebungen fennt. aber aueß in ©nglaub bat man gu roieber*
ßolten Stalen ein gleicßeS gctßan. ©S ift oiclleicßt am s ^laße, ßier
659
Sogiale $raji3. ©entralblatt für Sogialpolitif. Sr. 24.
660
barauf ^irijunjcifcn, ba& bcr crftc Hnftofc, ber bem Parlament unb
ber öffentlichen Meinung ©ttglanb« in bcr Sichtung bcr Bol!«*
bibliotheF«beroegung (burd) 3Kr. William ©wart) gegeben würbe,
gur ©rftattung jene« berühmten tfommiffionSberidhte« im
englifdjen Unterhaufe am 23. 3uli 1849 führte, ber bann bie
Sinnahme ber erften BibliotheFSafte (ber fogenannten (Smart« BiH)
veranlagte. tiefer Söeridjt befd)äftigte fic^ aud) eingebenb mit ben
Berhältniffen be« 2lu«lanbe« unb leitete au« biefen Urfadjeu unb
au« ben in ber Sadje felbft Iiegenben ©rünben bie SothroenbigFeit
bcr, für bie Schaffung non BibliotheFen für alle Bevölferung«*
Freife in ©nglaitb felbft energifcf) gu forgen. Söeld^en Huffchmung
feitbem bie englifdhen BolF«bibliotheFen genommen hoben, mag
man fijb an ber £>anb ber ^§atfacf»e norfteHen, bafc e« beute etwa
600 bi« 700 grofje englifebe BolF«bibliotheFen giebt, bie in«*
aefammt etwa einen Büdjerbcftanb non 5 Millionen Bänben be*
nfcen, baß fte biefelben- jährlich etwa 25 bi« 30 Millionen mal ver*
leiben, unb ein jährliche« ©inFommen non 4 bi« 4 V 2 Millionen
SRarF (in Äommunalfteuern!) aufjuweifen höben.
Xiefer rapibe Shiffchwung ber Public Libraries jenfeit« be«
$anal« ift neben ber raftlofen Energie aller groFtoren, bie an ihrer
©ntroicfelung mitgearbeitet höben, nicht gum menigften auch bem
Umftanbe gu nerbanfen, baft ba« englifd)e Parlament fid) in regel*
mäßigen 3wif ^räumen Berichte über ben gfortgang biefer ©in*
riebtung erftatten läftt. Unb man braucht nur etnen BlidF in ben
amtlichen 3ahre«berid)t be« Education Department gu werfen, um
eine Borfteüung banon gu erholten, welche WichtigFeit auch bie
ftaatlidje englifebe Uuterrid)t«behörbe ber gortentroicFelung ber
BolF«bibIiotheFen beimifet. ©« wäre aufterorbentlidj erfreulich,
wenn auch bie beutfeheu $tultu«minifterien in ber gleichen ©rFennt*
nift ihre SlufmerFfamFeit biefen Bilbung«anftalten juwenben unb in
gleicher Weife, wie ba« Braunfcf>weiger ÜRinifiertum, ©rhebungen
über ben Stanb ber BoIF«bibliotheFen anftellen wollten. 3n«*
befonbere ba« preuft. $hUtu«minifterium follte fid) bie Gelegenheit
nicht nehmen Iaffen, in einer grünblichen Arbeit über bie preufti*
[eben BolF«bibIiothefen gu geigen, welche Slnfähe gu BolF«biblio*
tbeFen — benn um foldje bonbelt e« fl<h jo Ieiber bi« jefct in
Xeutfdjlanb faft nur — febon bei un« oorbonben ftnb. Xiefe
Arbeit würbe ficherlich gux gförberung unferer BolFöbibliotheFen fo
manche« beitragen.
Berlin. Dr. ©ruft Sd)ulfce.
gfortftUbirag«* tntb $an«^altmt6«fcbulen im ^reufifchett H&geotbtteten»
Ijattfe; Stifffttf. Sei ber gweiten Beratfjung be« ©tat« ber §aubel«*
unb (Gcwcrbeverwaltung im B rfl uftifcben Hbgcortmetenhaufc leitete am
7. HWärg ber Hbgeorbnetc ©ruft von ber freifinnigen Bereinigung in
eingebenber Bebe eine Berljanblung über ba« gortbilbung«mefen ein.
Xie gortbtlbung«fd)ule ift banadj nothwenbig au« FultureHen, wirtf) B
fdjaftlidjen, fogialen, fittltd)cn unb politifchen (Grünben. Xem f>anb*
werter erweitert fie hie geiftige Schulung, fie wirft ber Berroljung
ber gugeitb entgegen unb entgiefjt fie gerabe in ihrem gefähr*
Iichften ©ntwicfelung«alter bent ©ittfluft ber Sogialbemofratie, in
beren Hrme fie oielfach ber Bilbung«trieb führe. gn ber gortbilbung«*
fchule muffen bie Berfaffimgcn non B^euhen unb bem Xeutfdjen Seid)
unb ba« SfögUchfte über bie (Gefcfcc«Funbe gelehrt werben 1897 gab
e« in $reuften 1425 gewöhnliche gortbilbungöfcbulen mit 140 006
Schülern, barunter 671 obligatorifd)e mit 72 461 Schülern unb 754
freiwillige mit 67 645 Schülern, gm ©tat ift bafiir ein 3»fd)uft non
700 000 M au«gemorfen, abgefehen non ben länblichen gortbilbung«*
fchulcn. 1896 betrugen bie & offen pro Stopf ber Bevölferung in f reuffen
13 4 , bagegen in Baben 60 /$, in Bauern 44 4 , in Sadjfen 26 /$,
in Defterreich 21 /£. Sad) bent .'oanbbuche be« beutfeheu ^ortbilbuug«*
fchulwefen« non 0. $ad)e fommen 1897 im gangen Stonigreid) Breuhen
auf 1000 ©inwohner nur 6 ^ortbilbung«ichü!er, ^preuüen fteht erft an
19. Stelle auf biefern (Gebiete unter ben beutfeheu Staaten. 2luf 1000
©inwohner fommen in Württemberg 50 3ortbilbiutg«fchüler, in Baben
36, in Reffen 34, in Sadifeu 28, in Bremen 10, in Seüfj 12, in Wal*
beef 22, in Sachfen*Stoburg=Wotha 22, in Berlin 21. $er Scbner
fchilberte bann, wie burch nerfehrte 2)?ahnahmen ber ?lnfftdit«behörbc —
unO einen Lehrling oorübergehenb gu beurlauben, mußten Sh*ei«fchul*
infpeftor, SFuratorium u. f. w. in Bewegung gefept werben, fo bafj 8 bi«
14 2age bi« gur ©ntfdjeibung uergingen 2 c. — ba« bliiheube Jyort*
bilbung«fd)ulwefen in Bnfen unb Weftpreufcen fdjwer gefchäbigt worben
fei. Xie Sefolutiou be« früheren 2lbgeorbncten oon Schcncfenborff, bie
am 6 . s ?(prü 1897 angenommen würbe, forbere, ba« ftortlnlbuug«* unb
gachfchulwefen weiter au«gubehncn, unb uerlange 00 m l.&pril 1898 ein
beftimmte« Beitrag«uerhältnif 3 be« Staate« auf bcr Oiruublage, bafj bie
ÜJcmeinbe (Innung, Bereinigung) vorweg bie Stoften für bie Säumlicb*
feiten, Neigung unb Belcudjtung trägt, ber Staat bagegen unter Beriicf*
fichtigung be« Bebürfuiffe« bei ,'vortbilbung«fd)uIcn mit freiwilligem
Befud) bi« gu 3 / 3 / bei ben obligatorifdieu bi« gu 3 /4 bcr uid)t burdj ba«
Sdutlgelb gebeeften übrigen Höften übernimmt, tiefer Sefolution fei
nodj nicht voll entfprod)cit. Sbthig fei, biefc Schulen obligat oft fd)
gu machen, wie c« in Sadjfen, Baben, Reffen, Weimar, Hoburg unb
Sonber«haufen bereit« gefchehen fei. Sebner trat bann für bie fauf*
männifthe gortbilbung, bie 8 ortbilbung«f<hulen für Stab*
djen unb für bie von ber Sedjten (Slbgcorbneter von 9Renbel*SteinfeIs)
bereit« befürworteten §au«haltung«fd)ulen ein, mit bem national*
Iieberalcn ?lbgeorbneten Hrawinfel für bie C^eröngichung von mehr an*
gufteflenben gad^mäunern gur Seauffidjtigung be« gewerblid)en Unter*
ridht«wefen«, für ein Seminar gur ?lu«bilbung bcr gortbiIbung«Iehrer,
g. B. ben ?lnf(hluh von Bibliothcfen an bie gortbiIbung«fd}ulen unb
eine beffere 2 lu«ftattung ber Öehrcr wie bcr Säumlichfeiten. ^er frei*
Fonfervative ?lbgeorbnete Hraufe (Walbenburg) unterftiipte warm biefe
Slnregung unb forberte einbringlich SWittel für bie weiblid;en gort-
bilbung«* unb bie ^)au«haltnng«fd)ulen. *3)er Mangel an wirthfdjaft*
lid^er ?lu«bilbung ihrer grauen unb bie barau« henwrgebenbe Unge*
müthlichFeit feiner $äu«lichfeit treibe ben Arbeiter, wenigften« be«
Walbenburger Bergrevier«, in bie Schnap«*Hneipen, währenb bie tiich*
tige £>au«frau ben B?ann fparfam unb gufrieben ntadien unb gegen bie
Rodungen ber Sogialbentofratie wappne. I'er fonfervative ?lbgeorbnete
gehlifrf) befürwortete neben Befähigung«ttachwei« bie 2lu«behnung ber
Baugcwerf«fdhulen, bie ber 2lbgeorbnete Broentel gu aewerblidjen Bttttel*
fd)ulen au«geweitet fehett möchte. £>anbel«minifter Brefelb interpretirte
bie Scfolution v. Sdjenfenborff bahin, bafj nur im galle be« Be*
bürfniffe« ber ©emeinben ber Staat eingufpringen höbe. (Gewerbliche
SÄäbchettfchulen gehörten gwar gu feinem Seffort unb eine foldje habe
er in B°f c n errichtet unb weitere würben folgen, bagegen fei e« nicht
feine Aufgabe, fpegieüe £>au«haltung«fd)ulen gu errichten. 2ev ©entrumö*
abgeorbnete Dr. ©lattfclter empfahl bie Wahlfreiheit ber Sdiulen unb
©infügung be« Seligion«unterrichte« in ihren Lehrplan. (Geheimrath
Simon machte barauf aitfmerffant, bafe feit Einnahme be« Anträge«
Schencfenborff bie gortbilbung«fchulen um 76 geworfen feien, ba& e«
feitbem 45 obligatorifche faufmänuifche unb 63 obligatorifchc gewerb*
liehe mehr gebe; bie fafultativen feien allerbing« um 14 begw. 18
gurüdgegangen. SFurfe gur ^lu«bilbung ber geeigneten 2ebrer fänben
gur geit in Berlin, Hannover, ©Ibing unb Bofen ftatt unb fie würben
noch vermehrt. 5)ie Sehrer feien auch gu gachfonferengen gufammen*
berufen, eingelne auf Stubienreifen gefdiidt. 2luf bie pflege religiöfen
Wefen« Südficht gu nehmen, fei empfohlen unb and) mehrfad) einge*
leitet. Huf BibIiotf)efen fei Bebadjt genommen, in B°l cn SSeft*
preuhen fei bie Sache bereit« entfd)ieben, benn bort fei bcabfidjtigt, an
atten gewerblichen gortbilbuug«fdjulen Bibliothefen einguriditen unb
biefe auch ben Hngel)örigen bcr Schüler gugänglidj git mad)en. Xer
Hbgeorbnete Seid)arbt (nationalliberal) wiberfprad) bcr Interpretation
be« Scinifter«; c« müßten, fo forbere ber Hntrag Sd)endenborff> ohne
Siidfidjt auf bie 2eiftung«fähigFeit ber (Genteinbc vom Staate 3ufchüffe
gu ben gortbilbuug«fd)ulen gegeben werben. Xie gortbilbung«fd)üler
blieben weiften« bod) nidjt in berfelben Stabt. Xa« Obligatorium
fei ba« eingig richtige. (Geheimer ginangratf) 2cipolbt beftritt bie
Sichtigfeit biefer Huölegung. Bon ber greifinnigen BoIf«partei fprad^
Hbgeorbneter Äopfch, ein Schulmann, für bie Bflichtigfeit, Hbgeorbneter
Dr. 2angcrhan« im )pinblid auf ba« bliiheube gortbilbung«fd)ulwefcn
Berlin« für bie Wahlfreiheit be« gortbiIbung«untcrrid)t«. Xer Hbge*
orbnete Schaffner (nationalliberal) begeidjnet bie Schaffung von grei*
ft eilen in ben beftebeubcu ^au«haltung«* 2 c. Schulen al« erforberlid),
um bie Xöchter be« Hrbeiterftanbe«, befonber« be« lättblidjcn, ber Wohl“
thaten biefer ©inridjtuug theilhaftig gu machen. — Xie Berhanblung
ift ein erfreuliche« 3 eid)en bafiir, wie allgemein bie Sothwcnbigfcit be«
gortbilbung«fdjulwefen« von ber BoIf«vcrtretung empfunben wirb.
©ine BÜbergalerie für Whiteihopef« Seit einigen fahren veran*
ftaltet ©annou Baniett gu Oftern eine Bilbcrau«fteflung in Xopnbee
$atl. Xer lebhafte 3ufprud), ben biefe Beranftaltung in ben Hrbeiter»
Greifen gefunben hat, lieft ba« Brvjcft ber ©rridjtung einer permanenten
Bildergalerie in Whitedjapcl entfiehen, ein Brojeft, beffeu Hu«fiihrung
auch balb gefiebert war. gm vorigen gaftre würbe bereit« mit bem
Bau bcr (Galerie in Whitechapel Soab begonnen unb e« ift beffen Soll*
enbung in fürgefter grift gu erwarten. Xie (Galerie, beren Leitung ben
Charity Commissioners obliegen wirb, beftnbet fleh neben ber Public
Library in Whitechapel Soab.
«ojtale $i)glette.
Sihulür^te tu ber BFageburgcr Stabtverorbnetenverfammlung.
21m 2. Btärg aenehtnigten bte Biagbeburger Stabtverorbneten einen
Antrag, betreffenb bie ©infiihrung von Sdjulärgteit für alle Schulen
ber Stabt. Xie Berhanblung ergab, baft in manche Slöpfe ber
fogialpolitifche gortfd)ritt nur fdftwer hinehigeht. So fntg ein
Stabtoerorbneter entrüftet, ob benn bie Stabt etwa SHnberbeilftätteu
einridjten ober ben Arbeitern ,f>au«ärgte holten foüc? ber
©Itern fei e«, bie Hin ber reinlich in bk Schule gu fd)icFcn unb
auf ihren ©efunbheit«guftanb gu achten. Xie oielen Ausgaben für
Bereine, Waffen unb Bcrfammlungen füllten bie Arbeiter lieber ben
Hinbern guwenben. Btan möge ftdj hoch Berlin gum Btufter
nehmen; bort beeile man fitf) mit ben Schnlärgten gar nicht. Xer
Stabtfchulratl) Blatcu erflärie, bie ftäbtifdftc Berwaltung höbe fid)
fcfjoti lange mit bcr grage bcfchäftigt. Hi über, bie mit llngegiefer
661
©ogfole B*ajiS. ©entralblatt für ©ogialpolitif, Br. 24.
662
in bie ©dfjulc fämen, mürben in bcr ftäbtifdjen ArbeitSanftalt
arünblic^ gereinigt unb nach Bebarf neu eingefleibet. $>ie Serien*
folonien berüdfficptigten jährlich ljunberte twn Ktnbtrn. $)er Antrag*
fteHer, ©tabtoerorbneter (Mrtner, foroie ber ©tabtoerorbnete ©ombart
malten geltenb:
©Item, bie 18, 14 unb 15 JC tn ber SBoche oerbienen, fönnen
nid^t immer gleich gum Argt laufen. SBernt fte ben Armenargt in An*
fpruch nehmen, oerlieren fte ftaatsbürgerliche Beeilte unb baoor greifen
Biele gurücf. Senn beibe Eltern ben Sag über auf Arbeit müffen,
habe bie Kommune fo ein ©tücfchen Bfttoerpflichtung, ftcfj um bie ©e*
funbheit ber Kinber gu flimmern, don im gntereffe oer anberen Eltern,
bie fd um ihre Kinber flimmern unb bp<h nirfjt münden fönnen, bafj
auf biefe Kranfheiten non anberen Kinbern übertragen merben. HJlan
fönne wohl etwas non gludjtünien unb ©runbftiicfen oerftehen, brauche
aber beShalb fein Berftänbnifc für fogialpolitide fragen gu bejtjjen.
$>iefe fogialpolitiden gragen müffe man mit ©ruft aufnebmen unb be*
banbeln. Alle Sage fornme bar(n was BeueS. ©r erinnere nur an. bie
SBohnungSfrage. ©erabe weil bie Sohnungen fo dlecht feten, trieben
ficb bie Arbeiter in Berfammlungen unb Kneipen h e ntm. (lebhafter
SBiberfprud) unb Unruhe. Stufe: Unerhört!) ©einig, tnenn ber Arbeiter
eine orbentlde Sohnung habe, bleibe er auch gu §aufe unb fümmere
fd um feine gamilie.
(Erfolg ber 83ewegnng jur BefäutPfung bei Sllfoboltimiiö in
Belgien, ©S ift befannt, bah foroohl ote oelgifche Regierung wie
bie ©ogialbemofratie feit einer Beitje non Sühnen einen fpftemati*
den gelbgug gegen ben AlfoholiStnus führen. S)iefe Bemühungen
finb, rote fürglirf) gunt erften Sale ftahftifcb feftgeftellt werben
fonnte, erfolgreich geroefen. 3nt abgelaufenen 3fah rc 1898 ift ber
Alfoholfonfum in Belgien um 15 Millionen ßiter gurücf gegangen.
S)a ber ©efammtfonfum noch auf 46 Sillionen ßiter angegeben
roirb, fo roürbe bie Abnahme in.bem einen gahre oollc 25 %
auitnachen, was in ber S^bat ein gewaltiger (Erfolg ift. $ie oor*
ftebenben Berechnungen finb nach ben (frträgniffen ber Srannt*
roeinfteuer angeftellt, welche fi<h non-47,3 Sill. grcs. auf 36,<» SiH.
grcS. oerminbert haben. Satnterhtn ift ber Konfum oott geiftigen
©etränfen in Belgien noch aufcerorbentlich ftarf. ©r fam in 1898
einem Söertb oon 298 Sill. §rc8. gleich, roooon 73 Sitt. gfrci.
auf ©chnapS, 185 SiH. grcS. auf Bier unb 40 SiH. grcS. auf
Sein entfallen. Senn man grauen unb Kinber mitrechnef, fo be*
trug “ber Konfum pro Kopf noch immer nicht weniger als 50 gfrci.
•etaerbtgeridjtr. CfctoigmigsSrater. äd) triggert djtc.
lllttberungett bei ©ewerbegerichtigefchei in ber Sieichitagi-
fommifftom $n Kürge ift ber Inhalt ber non ber Kommiffion
gefaxten Bef<f)Iüffe folgenber: 3 un ächft foU beftimmt werben, bafc
tn ©emeinben mit mehr als 20000 ©inwohnern bie (Errichtung
einei ©ewerbegerichteS oon ber fianbeScentralbehörbe auf Antrag
beteiligter Arbeitgeber ober Arbeiter angeorbnet werben muh-
©obann ift bie 3afiänbigfeit ber ©emerbegerichte, wie auf bie
Beiträge gu ben ^ranfenfaffen, fo auch auf bie gu ber Snoali»
bitäts* unb AlterSoerficheruna auSgebehnt worben; ferner auf ©nt*
fchäbigungSanfprüdbe aus gejehwibrigen ©intragungen in ArbeitS*
bücher, 3eogniffe, Uranienfaffenbüeher unb JüuittungSfarten ber
Snoalibitäts* unb AlterSoerficherungSanftalten, fowie wegen wiber*
rechtlicher SSorentbaltung biefer Rapiere. SaS bie SSerbefferung beS
Sahloerfahrens anlangt, fo ift befchloffen, bafe bie ©emetnbe*
bebörbe auf Antrag beS ©eroerbegerichteS eine ßifte ber Sahl*
berechtigten aufgufteuen hat. ^oligetbehörben, ^ranfenfaffen, weldbe
im SÖegtrle beS ©croerbegeridbtS beftehen, follen oerpflichtet fein, ber
©enteinbebehörbe auf Verlangen bie für bie Fertigung ber Sähler*
lifte für Arbeitgeber unb Arbeitnehmer erforberlichen AuSfünfte gu
geben, inSbefonbere ©inficht ber -ühtglieberoergeichniffe begw. ber
©eroerbeangeigen gu gewähren. $>ie Sifte ift oier Soeben oor bem
gur Sahl beftimmten S^age gu 3ßbermamtS Anrnhl auSgulegen,
unb ift bieS guoor öffentli<b befattnt gu machen. Ser bis gur
Saht feine Sahlberecbtiaung naebroeift, ift nachträglich in bie
Sählerlifte eingutragen. S)er le^te 23efd)Iuh hat bann gum ©egen*
ftanbe bie ©rweiterung ber tompeteng ber ©emerbegerichte als
©inigungSämter; fünftig follen bie ©emerbegerichte auch ohne
Anrufen ber Parteien für bie Beilegung oon ©treitigfeiten wirfen
fönnen. — Sie bie „Äöln. BolfSgtg." mittheilt, finb biefe Befchlüffe
in bie $orm itner SRooelle gum ©eroerbegeriebtsgefehe gebracht
worben.
£ttetarifd)t 3ta)etgett.
I« Süilier wtb Srofdlüren.
Drganifation ber Arbeit. Bon Söuls Blanc. Ueberfeht oon Bobert
$rager. (Berlin, Berlag oon B. 2. $rager 1899, $reiS brofebirt
5 Jt , gebunben 6 JC).
Siefe als 8. Banb ber „Bibliotbef ber BolfSwirthfchaftSlehre unb
©efellfcbaftSroiffenfcbaft" erfchienene treffliche Ueberfchung be§ berühmten
frangöfifdjen SerfeS wirb gerabc gegenwärtig, wo bie grage ber 0r*
ganifation ber Arbeit wieber fo oielfach gefteHt wirb, Sntereffe erregen.
$)a§ Seutfche BolfSthum. Unter Mitarbeit oon Dr. §elmolt, $ro*
feffor Dr. Äfircbboff, Brofeffor Dr. Äöftlin, 2anbrid)ter Dr. 2obe,
Brofeffor Dr. STOogF, B^ofeffor Dr. ©eil, Brofeffor Dr. Sh°be,
Brofeffor Dr. Seite, Brofeffor Dr. Spdjgrarn herausgegeben oon
Dr. £anS SKeper. 2Rit 80 2afeln in garbenbruef, $olgf<hnitt
unb Ifupferäfcung. (Bibliograph- Snftitut, 2eipgig. 679 ©. —
13 2ieferungen gu je 1 M. ober in §albleber gebunben 15 M.)
©in fchönes unb werthoolles Buch, bas in Sort unb BUb bie
S>eutfdE)en, ihr Sefen, ihr 2anb, ihre ©efchidhte, ihre ©prad|e, ©iiten
unb Bräuche, ihre religiöfen Andauungen, ihr Becht, bilbenbe Äunft,
Bhiftf unb Dichtung fchilbert. ©S bringt in feinem Snhalt unb in
feiner AuSftattung felbft bie befte ©mpfehlung mit fich-
B. glerowSfp, 2)aS AB© ber fogialen Stffenfdjaften. 2)ie gegen*
wärtige weft*europäifche ©ioilifation. 2eipgig, §. §aacfe.
S)er ftattliche Banb oon über 600 $rucffeiten ift nur ein $heü
eines umfaffenben SerfeS, bas fdjon 1870 in Bufelanb erfdhienen ift
unb bort oerboten würbe. Sebcr biefer leptere Umftanb, noch bas
Alter oon 30 fahren, baS bas Buch erlebt hat, noch auch Schalt unb
gorm ftheineit uns bie Bothwenbigfeit gu begrünben, baS Serf beutfehen
2efern gugängiidj gu machen, ©ewife enthält eS manche geiftooüe Aus*
führungen, aber wir oermiffen oor Attem einen flaren ©ebanfengang
unb ein fichereS 3rcl-
Bcnbfa, ©arl, ^ie wichtigften gragen beS BolfSwohlS. 3 ur Be*
Ieljrung für Srbermann. ©in Beitrag gur Befferung unferer
wirthf^aftlichcn unb fogialen Berhältniffe. 2eipgig, Silhelnt
griebrich- 50 @. fyvetö 80
2ewS, g., 2)te ©ntwicfelung beS preujjifchen BoüSdulwefenS in bem
Saljrgehnt 1886/96 (©ammlung päbagogifcher Borträge, heraus*
gegeben oon Silhelm SReper»B?ar!au. XI. Bb. $eft 10). Bonn,
g. ©oennecfenS Berlag. 32 ©. B^eiS 60 4-
St eil, St., ®ie Benorbnung beS ^anbwerfer* unb 2ehrlingSwefenS.
©ine gemeinoerftänbliehe ©arftellung ber oom geltenben Bechte
abweiihenben Borfchriften beS BeichSgefepeS, betreffenb bie Ab*
änberung ber ©emerbeorbnung, oom 26. guli 1897. SBit einer
XegtauSgabe beS ©efefeeS. 2eipgig 1898, ©buarb AoenariuS.
120 ©.
§echt, Dr. gelij, ©rohh- Bab. ©eh- ^ofrath in 9Kamtheim, ®ie ©nt-
dulbung beS länblichen ©ruubbeftfecS (25ie §gpothefentilgungS*
Berpcherung). Als SBanuffript georueft. SWannheim, §ofbuch*
bruderei 3)?aj §ahn & ©o.
gahrbüdjer für Bationalöfonomie unb ©tatiftü. ©egrünbet
oon Bruno §ilbebranb. §erauSgegeben oon B^of. Dr. g. ©onrab
in Berbinbung mit B^of. Dr. 2oening unb B^of. Dr. SB. 2ejiS.
III. golge. 17. Bb. gena 1899, ©uftao gifchcr. SRonatlicij ein
©eft, 6 §efte bilben einen Banb. Breis beS BanbeS 15 M. t
eines eingelnen $efteS 3 M.
STOittheilungen ber B*eu&ifd)en ©cntral*@enoffenfdhaftS*
laffe. f>eft II. ©tatiftifche ©rgebniffe beS ÄatafterS mit ©in*
f<htu& beS I. BachtrageS ber im Königreich B^ eu 6 e ä oorhanbenen
eingetragenen ©enoffenfehaften. Berlin 1899, ©arl £>egmannS
Berlag.
II. ^ntiffacheit mm Bertoalttwgeit, Bereineti ic.
Amsterdam. Bureau van Statistiek der Gemeente Amsterdam. —
Statistische Maandberichten en Recapitulatie over het jaar 1898.
30 S. Prijs f. l,oo.
©tettin. ©tabthauShalt oon ©tettiu pro 1. April 1899/1900.
granlfurt a. 3Ä., Beiträge gur ©tatifti! ber ©tabt granffurt a. 3Ji.
©rgängungsblatt Br. 5. Aus bem ©rgebniffe bcr ©rljebung über
bie SohnungSoerhältniffe gelegentlich ber BoltSgählung oom
2. 2)egentber 1895.
—, ©rgängungsblatt Br. 6. AuS ben ©rgebniffen ber ©emerbegählung
oom 14. guni 1895.
—, $abellarif<he Ueberftchten, betreffenb ben ©ioilftanb ber ©tabt granf*
furt a. SB. im ga|re 1898.
3Bannhrim, Boranfdjläge über bie ©innahmen unb Ausgaben ber
ftäbtifchen Kaffen pro 1899.
Breslau. ©ifcungSberichte ber ©tabtoerorbneten oom 26. ganuar bis
2. SBärg 1899; btergu Beferate oon ©. 35—106.
gr ei bürg i. B., Borlage beS ©tabtratheS ber ©tabt greiburg i. B.
an ben BürgerauSfchufj.
SSerantmortlld) für bie Slebaftton: Dr. örnft grande tn SerUn W. f Sagreut^erftrafee 29.
gering Mit giiRfittr & gumhlot in geizig:
Mit h
$on
Cubtnig ^elir.
--- Ißreiä 2 2». 40 $f.-
Serantroortltcf) für öle attjclflen: ^cUmutli «ctbei, ttctpjia. Vertag uou Juncfcv vV $uwblu|, gcipiig. — öcbrutft bet guituS eittenfelb, Berlin-
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Trosctael in Berlin W.
Arbeiter-Versicherung
im Auslande.
Bearbeitet von
Dr. Zacher,
Kais. Geh. Reg.-Rat im Reichs-Versicherungsamt
Die Arbeiter-Versicherung in Italien.
Preis 2 Mark.
Verla g von Gustav Fischer in Jena.
Soeben erschien:
Die Lehre vom Organismus
und ihre
Beziehung zur Sozialwissenschaft.
Universitätsfestrede -**=3
mit erklärenden Zusätzen und Litteratumachweisen
von
Oscar Hertwlg,
Direktor des anatomisch-biologischen Instituts der
Berliner Universität
-- Preis: 1 Hark. -
SwfiraultS ött ©affen
Fl 5«
demjenigen bet
„kleinen ICeure“,
bet DSoTjltjabenben
unb Jüeidfjen
uiib hie
marxl$tf$cbe Doktrin.
Bon
R. e. may.
jMmberiibtutit
auf
^cßmoiletf
9efjrbu<fc für
40efet5O<kung |c.
Jpreig: i 43&arft.
Xeiyjig,
Deriag bon UPunAet & ©umblot.
1899 -
VIII. fJajjrgang.
Ser [in, ben 23 . iDiäq 1899 .
ilummer 25 .
Soziale ptayis.
@enf*afMaff ^ogiafpoJHfiß
mit ber SftonatSbetlage:
Vas Gewerbegericpt.
©rgatt bes Derban&es beutfdjcr (Beroerbegeridjte.
Reue golge ber „Vlätter für fojtale ©röjiS" unb beS „©oatalpolitiftpen GentralblattS*.
Crfiteittt an febem ®owaerfl«S* $€Cait§gcber: $ret* tittlelittrli* 4 SR. 50 $f.
Rebaltlon: ©erlitt W., ©apreutherftraße 29. Df* cftötllfet» ©erlag Oon Sünder & £>um6lot, Sep^ig.
äntjalt
©et ©djufe „bet Sltbeitßtoil*
ligeit* in ©Sweben. ©on
Dr. 8 ljel Rappael, Redjtßamoalt,
©todljolm.665
VCDaa*etae ©«stob *»b
»0lttif.668
gtnansmtnifter Dr. ö. SRiquel
unb bet ©erein für ©oaial*
polt tif.
ßur JDrganifation bet Stibeit.
©te örtlichen «RentenfteHen „fojial.
nefabtlidi"?
©ie ©eroetll^aften unb bet paritätifepe
flrbeit§nai®ei§.
3 mmet mepr neue Slibeitetfefietatiate.
koututuuaU «ostalpolitil .... 671
Siegelung bet ©ienft- unb ßobnöer»
böltniffe bet ftäbtifäen Arbeiter in
ÜDlannljehn.
©te ftabtifc^en Arbeitet in (Sannftatt.
©OiialbetnofratifdfjeS ©emeinbetoaljl*
Programm in ©arfjfen.
©oataliitiftbefi SDlinimalptogtamm im
Sßatifer ©emeinbetatb.
8ldjtftunbentag bet gemeinblidjen 81 t»
beitet in SSeftbam (Sonbon).
kommunaler ©elepponbienft in ©ng*
lanb.
«• ilalt Snftönbe :.673
ßur Siegelung bet GTigarren * £>auß*
inbuftrie in ©eutfdjlanb.
©erein jum Setup ber kinber bot
Slußnupung jmb ÜJti&panblung in
©etlin.
Slrbeitßjeit unb 8 ltbeit 8 letftung im
©teinfoblenbetgbau 3 U Rofftp.
IHrbeitdlofenunterftÜbung burtb Arbeit
in Sille.
Sobnfteigetungen in ben Sereinigten
Staaten.
iUfbeitgeber* unb Unieritebraerbet»
bänbe ..676
©rünbung beS beutfdjen SHrbeitgeber«
bunbeß für baß ©augeroetbe.
Slgitation für ben ©pitituSting.
.676
©ie Sobnbemegung in ©eutfd&lanb.
Redjenfdjaftßberic&t bet ©etliner ©e*
merffdjaftßfommiffion 1898.
©et beutle ©tetaflarbeiterberbanb.
©er baperifdje (Sifenbaf}ner»©erbanb.
Sflrbeiterfefcetariat aJliindjen.
©aß ©tuttgarter 8lrbeiter*©efretariat.
©aß Drgan ber öftetreitbiiepen ®e-
»erffdjaftßfommiffion.
Sltbeiterbemegung in $ßatiß.
RttbeitetberfUbetung. ®patf affet» 680
©erQefcpaftßbeiidjtbeßReidpß»
©etficberungßamtfi für baß
gapr 1898. ©on b. Uranien-
berg, ©tnbtratb, ©taunfebweig.
©ie ©etfieperung gegen Slrbeitßlofigteit.
UnfaUPerficberung in ben Riebetlanben.
Slrbeiteroerficbetung in IRu&lanb.
«ItbettfnadMuei».683
©ie Sage beß beutfdjen Ärbeitßmarfteß
im Februar.
Slrbeitöpermittlung im ßieglitgetoerbe.
©tabtiftpeß Slrbeitßamt SÖßündjen.
©et 8lrbeitßmar!t in Unterfranlen.
fBobumtgßtoefett .684
SJlangel an fleinen 2Bopnungen in
SJlagbeburg.
Sltbeitermobnungen in ^oHanb.
kleinpauß»©efep in ©nglanb.
StSiebuna unb ©Übung.685
ffiropenbet ©lange! an Sept*
fräften für bie pöljeten Sepr»
anftalten in ©teuren. ©on
Dberleprer Dr. ©. pudert, Sleifce.
Sttteravifdie ftuflctgeu. 686
titbbrud fflmmtlicpet Ärtifel tft ßeiiungen unb ßeitfeptiften geftattet, febotp nur
mit PoUet CuieHenangabe.
Bet Sdjufe „öer ^rbeitsmiUlgen“ io Sdjweöen.
^ic fokale ßagc in ©d^tüeben fängt an fid) gu 3 ufpifeen. ®ie
ungemein lebhafte unb im ©rofeen unb ©angen erfolgreiche @treif®
beroegung im ©ommer unb £>erbft 1898, bie rafcf)e (fntroicfelung
unb 9teubilbung oon ©eroerfoereinen, ber Sefchlufe enblid) be 0
@eroerffchaftSfongreffe£ über ben Slnfchlufe ber Vereine an bie
iojialbemofratifche Arbeiterpartei, mooon feiner 3 eit in biefen
Slättem*) berichtet mürbe: bieg Sllleg ruft jefct bie Slntroort
außerhalb fomohl als innerhalb ber ßegislatioe h crüor - ®i e
reifte ©timmung ber anberen Parteien über „bie liebergriffe" ber
Slrbeiterberoegung fommt 31 t mehrfachem HuSbrucE. @ine 3 u*
fammenfchltefeung fcfjroebifther Arbeitgeber ift im Serben, unb bie
grofeeit ©ägemerfsbefifeer in ber $ähe oon ©unbSoaH hoben neuer*
bingS ben Austritt aus ben ©emerfoereinen ihren Arbeitern als
unerläßliche Sebingung für meitere Befchäftigung in ihren 9$e*
trieben gestellt; eine ©chilberung beS Verlaufs biefeS eben auSae*
broebenen Kampfes mitjutheilen, roirb fich bem ©chreiber biefeS
eine Gelegenheit hoffentlich halb bieten. i)ann hot ber Reichstag in
ben leßten 28o<hen 3 met Slnträge angenommen, um auch an feinem
£heile ber bropenben Semegung dinpalt 3 U tpun: GrftenS eine
3 iemlich unpraftifche Dlefolution, bie Regierung möchte einen Gn U
rourf 3 U „erforberlichem ©chuße ber in gehöriger Drbnung abge*
fcploffenen ArbeitSoerträge" bem Reichstage unterbreiten — gerabe
als ob folcpe Verträge, bie übrigens auch bei uns äußerft feiten
oorfommen, nicht fepon jeßt allen notpigen ©cpuß befäßen! © 0 *
bann aber eine bebenflicpe AuSbepnung ber fepon an fiep siemlicp
ftrengen GefeßeSbeftiinmung über Gemalt unb $)ropung.
®ie bisherige Gefeßgebung beftraft im Rtayimum mit 3 uc Pt*
pauS bis 3 U 3 ioei Sopten Seben, ber einen Anberen burep Gemalt
ober burep 23ebropung roiberrecptlicp 3 U einer ^onblung, ©ulbung
ober Unterlaffung nötpigt, unb überläßt außerbem — menn bie
Rötpigung Speilnapme an einem AuSftanbe ober |>inberung, 3 ur
Arbeit 3 urücf 3 ufepren ober bargebotene Arbeit 3 U übernehmen, be*
abfieptigt — feit 1897 baS SBerfolgungSrecpt bem ©taatsanroalte.
3eßt erroeitert ber ReicpStagSbefcpluß bas Gebiet ber ©trafbarfeit
bapin, baß er ben Rerfucp bem oollenbeten Rerbrecpen in
beiber .f)inftcpt gl ei cp ft eilt.
Gine bebenflicpe Reuerung ift bamit in bie fepmebifepe ©traf*
gefeßgebung eingefügt. An unb für fiep ift nadfj fdfjmebifdjem
Recpte ber Rerfucp nur in einigen, befonberS gefährlichen gälten
ftrafbar. Rerfucpe 3 U ©lorb ober $>iebftapl 3 . 33. gepören niept
hierher. Aber niept genug bamit: 3n jenen menigen Säßen, mo
ber SScrfucp überhaupt ftrafbar ift, ift er es nur ba, mo er ooll*
enbet ift unb ber Später nur oon llmftänben, bie oon feinem
SBißeit unabhängig roaren, in ber Ausführung beS ÜBerbrecpenS
gepinbert roorben ift. 33ei ©treifs aber fällt naep bem neuen
^rüuipe ber Später, auch menn fein böfer 3Siße niept ftarf genug
gemefen, bie oerbreeperifepe Abftcpt burcp 3 ufüpren, ber ©träfe an*
peim. S5aS Graebitiß mirb alfo, menn ber Antrag Gefeß roirb,
folgenbeS: 33erfucp 3 U Siebftapl ober SRorb bleibt immer noep
ftraffrei, 33erfucpe 311 Rötpigung, eine Arbeit 3 U oerlaffen, fann
fogar mit 3ocptpauS beftraft roerben. 3 eu 0t i a boep biefeS „Ver¬
brechen" naep ber Auffaffung beS GefeßgeberS noep oon einer roeit
gefährlicheren 33ißenSricptung als ein „bloßer" ©lorboerfuep! Sie
nötpige Äonfequen 3 , auep ben 33erfucp 3 ur Rötpigung, in ber
Arbeit 3 U oerbleiben, in gleicher Söeife 3 U apnben, ift freilich niept
ge 3 ogen. Ser Gparafter einer AuSnapmegefeßgebung, bas
Vemiipen, ben 33cftrebungen ber Arbeiterflaffe fiep roirtpfcpaftlid)
unb fo 3 ial 3 U peben, auf bem Vkge ber Recptfprecpung entgegen*
^ .©oktale ©rarts" VII. oobrg. ©p. 1*2*21 n. r.
667
Soziale <ßra£is. (Scntralblatt für 0ogialpoütif. 9»r.
66S
gutreten, ift barnit gu Dotter MIarpeit gebracht. „BSaS bem ©inert
reept ift, ift bem Anbern niept billig." 2Benrt ber Arbeitgeber gut
BerfucpSnötpigung fcpreitet, „ja, Sauer, baS ift gang waSanbereS!"
3n ber übrigens ungemein mageren Segriinbung bdS ©efeßeS*
auSfcpuffeS beS SReicpstageS burfte biefer ©eficptSpun ft freilief) niept
gum.Ausbruc! Fommen. 0tatt beffen mußte man fiep mit ein paar
nieptsfagenben ^ßprafen begnügen. X)a Reifet eS 3 . S„ baß bem
betreffenben Berfuepe „an unb für fiep eine bebeutenbe ©efapr für
bie SReeptSorbnung innewopne", unb „bei ArbeiterauSftänben ift
ber Unterfcpieb gwifdjen Berfucp unb ooHenbetem Berbreepcn faft
gleiepgiltig". Unb bie Debatte im BeiepStage, in ber man offen*
bergiger fpraep, mußte auf beit mit fcpwebifcpen Berpältniffen Un*
bcfannlen ben ©inbruef maepen, baß uitfer 0 trafgefeß 3 wan 9 unb
©ewalt bei AuSftänben ungeapnbet läßt, benn barüber — über
allerlei Ausbreitungen, beroiefenen unb unberoiefenen — panbelten
bie Debatten. Unb boep werben mit ben jeßt geltenben SRecptS*
beftimmungen bie BepörDen febr leicf)t mit ben (Jrceffen „ber Auf*
roiegler" unb „ber Xqrannei" ber ©ewerfoereinSorgane fertig!
dagegen ift mit bem nagen unb bebnbaren AuSbrucfe „Berfucp"
ben mannigfaltigfien Xracafferien, ber weitefigepenben SSiüfür ber
ritf)ferlicf)en Auslegung Xpor unb Xpür geöffnet. 3öaS läßt fub
nicöt alles in ben nebelhaften BFantel beS „BerfucpS" einpüllen?
23ann gebt 3 . B. bie Ueberrebung in bie SRötpigung über? Auf bie
0 (pwierigfeiten ber richtigen ©rengbeftimmung brautbt man beutfd)e
ßefer, bie baoon felbft ein ßieb gu fingen wiffen, am allerrocnigften
aufmerffam gu maepen.
Aber nid^t einmal bie Begeiepnung als „unnötpig, unflar,
nngereept, gefährlich", womit fogar fonferoatioe peroorragenbe
SRccptSgeleprte unb Beamte ben Antrag eparafterifirten, fonnte
bie Majorität i er gweiten, „oolfSermäblten" Kammer oon ihrem
roaprfepeinlicp fepon im BorauS gefaxten Beftpluß gurücfpalten,
bie MriegSerflärung ben oerpaßten „Agitatoren" ins ©eftepi gu
fchleubern. X)enn man täufepe weber fiep noep ben Außeitftepen*
ben: Meine befepönigenben ^prafen oermögen bie Auffaffung 3 U
befeitigen, baß eS fief) barum panbelte, bie BSirffamfeit ber ©e*
wertoereine lahm gu legen unb bie Arbeiterbewegung ins 0tocfen
gu bringen. 3 » biefer £>inficpt fpielt bie übrigens pöcpft unfluge
unb im ©runbe giemlicb unpraftifepe SßroFIamirung beS Arbeiter*
oereinSfongreffeS 00 m Anfcpluß an bie fogialbemofratifcpe Partei
nur eine fefunbäre Botte. 23aS feheren fid) ruhige ©cfcpäftsleute
unb praftifepe Bealpoliüfer im ©runbe ihres £>ergenS um bie
poeptönenben Xiraben oon Mongreßrefolutionen? Biel ©efeprei unb
wenig Stolle!
XaS beftimmenbe ^auptmotio für bie SReicpStagSmeprpeit
bürfte oielmehr ber Auff<|mung ber gangen Arbeiterbewegung unb
ber ©rfolg einer SReipe oon AuSftänben fein, barunter freilich uuep
folche, bie rein aus Unfug unb SRücfficptSlofigfeit peroorgegaitgen
finb. 0o ift baS Aergerniß gewaepfen, bis bie fonft fo flugen
unb bebächtigen ßanbleute 0cpwebenS neroöS würben, ben Mopf
oerloren unb ben ßoeftönen ber agrarifchen Sunferniajorität ber
erften Kammer, bie fchon oor gwei 3uh r ^n gu biefer Ausnahme*
gefeßgebung bereit war, enblicp naepgaben. Xiefelbe Berfatnmlung,
bie noch im oorigen 3<*pre einen ähnlichen Antrag mit erheblicher
©timmenmeprpeit oerwarf, geigte fiep jeßt bereif, als dichter in
bem fogialen Mampfe ipr Botum gu ©unften beS 0tarfen gegen
ben 0 d)mad)en abgugeben. Xie 3 eiten finb längft ooriiber, wo
ein peroorragenber Bauernfiiprer ben ©egnern beS allgemeinen
0 timmrecpts gurief: „9?icf)t fdjrecfet 3 h r uns mit bem fcpwebifcpen
Arbeiter, er ift Sein 001 t unferm Sein unb Sleifd) oon unferm
gleifdj!" Xie raupe s Mrflid)Feit mit ihren Sntereffenfonfliften ift
feitbem bebeutenb näher gerüeft; ber mittelgroße ©runbbefißer fiept
ben fommenben 3 ufawmenfchluß auep ber lanbmirtpfcpaftlicpen
Arbeiter mit Angft entgegen, unb mit ber ©emütplicpfeit pat eS
auep hier ein ©nbe.
Xaß ber SReicpStagSbefcpluß, wenn er wirfliep ©efepeSfraft
erhält, oon fcpwermiegenben folgen fein wirb, brauept nid)t in
biefen Blättern peroorgepoben werben. £)ie Arbeiter werben fidp
als in ber Steicpsoerfammlung nicht oertreten unb als ber oollen
^Bürgerrechte nicht tpeilpaft betrachten. Xie bisher mancherorts
nod) befriebigenben, patriard)alifd)en Serpältniffe werben ben Mlaffen*
fäntpfen geöffnet. Xie fogialbemofratifdjen 0 äemänner haben in
ihrer Arbeit eine treffliepe Miilfe befommen. Hub bei allebem wirb
bem 3 ufatnmenfcptuß ber Arbeiter fein ©inpalt getpan; er wirb
nur oorfidjtiger unb mehr iuSgepeim, organifirt werben. £)er ein*
gige ©ewinn beS ©efepeS wirb oermeprte Ungnfriebenpeit unb ©r*
bitteruua fein.
3nbeffen ift mit ben Abftimmungen im SReicpStage ber Antrag
nod) nidjt ©efep. 9?od) pat er gwei ©tappen gu paffiren, wobei
er waprfcpeinlicp nicht mit peiler ^>aut baoonfommeit wirb, ©ie
jebe ©efepesänberung wirb auep biefer ©egenftanb bem ©utaepten
beS 9teicpSgericptS unterbreitet, unb eS ift faum gu erwarten, baft
fie ber unparteiifepen £riti! ber peroorragenbften wiffenfcpaftlicp
gefcpulten fd)webifd)en ^ecptSgeleprten 0tanb palten wirb. Söürbe
aber bieS aud) ber gall fein, fo bleibt boep noep eine lepte AuS*
wapl übrig: bie Regierung !ann ipre 0 anftion oerweigern. 3 pr
jepiger ßeiter, §err Softröm, pat mepr als einmal feinen praf*
tiftpen Slitf, feinen füplen Mopf bewäprt. ©r ift ein aUgu Huger
0taatSmann, um niept bie Mrone poep über ben fogialen $artei-
gegenfäpen palten gu wollen. Xen Sranb ber ^laffenfämpfe wirb
er, was auf ipn anfommt, poffentlicp niept fepüren!
0todfpolm. Afel SRappael.
SUlgemeine Sozial- unb ttirtljfdiafl^polltik.
^inangminifter Dr. tum iRiquel unb ber Serein für Sogialpolitif.
9Sir erpalten folgenbe 3ufcprift beS g>errn StinifterS Dr. oon
Stiqucl:
S)ie oereprlicpe SRebaftion ber „ 0 ogiaten ^rayis" würbe miep
oerpflitpten, wenn fie bie ©üte paben wollte, gur Söiberlegung ber
Sefcpwerbe beS §errn SrofefforS 3Beber in ber 9£r. 24 ber
„0ogialen ^rayiS" über meine Aeußerungen im Abgcorbneten*
paufe in Sctrcff ber Sebeutung ber ©nquete beS SereinS für
0 ogialpolitif über bie ßanbarbeiter bie betreffenbe 0 teOc aus bem
anltegenben ftenograppifepen Sericpte abgubruefen. ©S wirb barauS
für jeben unbefangenen ßefer peroorgepen:
1 . baß id) oon £>errn ^rofeffor ©eher weber gefproepen noep
nur an ipn gebaept pabe;
2 . baß id) ben ©efammtberiept über bie länblicpeit Serpält*
niffe niept für unrieptig, fonberit im ©angen für ridptig
erflärt habe;
3 . baß icp oielmepr nur miep gegen ben in ber Debatte ge*
machten Serfucp gewanbt pabe, ber Slittpeilung ober
Xarjteüung eines einzelnen — gur Mlarfteüuitg will icp
ipn fo nennen — HnterbericpterftatterS eine autoniatioe,
00 m Serein oertretene Sebeutung beigulegen unb feine
oiclleid)t Iotale SRicptigfeit gu generalifircn.
$err ^ßrofeffor s Beber pätte meiner Meinung naep wopl beffer
getpan, fid) oorper über meine wirfliep aefproepenen 2 Borte gu
unterriepten, ftatt aus ungenauen 3 e i tun Q3foricpten einen perfön*
liehen Angriff gegen miep gu fonftruiren unb fogar in meinen
^Sorten, obwopl felbft fein irrtpümlicper 3 eitun 93 bericpt baS gerabc
©egentpeil erfennen läßt, eine flare Abfage ber ^Regierung an bie
wißenfcpaftliepen Seftrebungen beS SereinS gu erbliden. Siept ber
Angriff beS §errn ^rofeffor Söeber, fonberu bie leptere Sepauptung
pat mir. ben Shmfcp einer Sericptigung nape gelegt.
Stiquel.
Xie betreffenbe 0teHe ber SRebe beS Siinifters in ber 0ipuug
beS preußifepeit AbgeorbnetenpaufeS 00 m 11. Jebruar lautet naep
bem ftenograppifepen s $rotoFoH folgenbermaßcu:
3 rf) habe midi aber niept beswegen gittu ÄÖortc gcmclbct, fonberit
um ^eugniß abgult'gen über ben Seretn für Sogialpolitif, beffen SDiit*
glieb id) felbft noch bin, obwohl niept mehr ein tpätiges, mtb baper
genau weiß, wae? bie Siidier, bie ber Sereilt herauSgiebt, bebeuten.
an hat mm gejagt, biefe (iiiquctcn fänbeit ftatt unter ber Autorität
ber Regierung. Xaooit ift mir nidits befanitt. f.^ört, hört! reeptS.)
3)1 au hat bann auf einzelne Serieptc oon cingelncn ^erfonen, bie bem
Sercim?oorftaiibe uub felbft ben Xegcrncnten, bie für beftimmte ©egenbeu
ba^> Xegcruat übernommen haben, oft nid)t mal pcrföuUcp befannt fmb,
eilt autoritatioeS Wewidjt gelegt, als wenn ben großen Wahrheiten
biefer einzelnen Serieptc überhaupt nidjt wiberfprocijeii werben fönnte.
( 0 ehr gut! rechts.) ^err Dr. Sartß hat meiner ^iciiumg nadj gang
mit llured)t biejeiiigcn Aebner gctabelt, weldje berid)ten aus ihrer
eigenen ^ebeiisfenntniß ber Serhältuiffc in beftimmtcu ©egenbett. SRciitc
Herren, id) bin ber Stciuuug, bie fid)erften Scricpterftattcr fmb bie, bie
bie 0adien felbft gefehen, gehört unb erlebt haben, i 0ehr wahr! red)ts.)
Xer Augenidieiit ift immer nod) bas beffc Beweismittel. ( 0 epr richtig!
redits.) Aber ein Bmp lefen oon einem eingeluen iWenfdjcu, ber bem
2 efcr gar nicht befannt ift, beffen Wißen uub 3 uü crläffigfeit, beffen
Stellung gu allen fogialen fragen ihm ooüfommen fdjleierpaft fmb,
uub barauf ein foldics ©ewidit gu legen, wie man legen muß auf bas
3 eugitiß eines foldjeu Biaunes, ber bie Dinge aus eigener Wiffcnfcpaft
fennt, bas ift eine Bcrwedjfelung, bie icp gar nicht begreife. (Sehr
rieptig! repts.) Wie wirb baS in bem Bercitt gemadjt? ©S wirb be*
fdjioffcn, eine ©nquete über bie i'age ber 2aubarbciter in Deutfd)Ianb.
£sd) halte es für im höcpften ©rabe wünfd)enSwertp, baß biefe Sage
griinblicp aufgeflärt wirb, ^eßt uertpeilt ber Beretn Degcmate für bc=
669
©ojiale $ra|i8. Eentralblatt für ©ogialpolitil. 9h:. 25.
670
ftinunte ©egenben, unb ba übernimmt ein Element einen beftimmten
Besirf unb menbet ftcfj nun an eine ganse Stenge non ^erfonen, bie
ibm bem tarnen nach befannt finb, oon welchen er annimmt, fte »er*
[teben etwas, fie finb aud) willig bap, 31 t berichten. Er fennt biefc
Bctfonen otelfad) perföitlicf) überhaupt nicht, unb bie Briefe, bie nun
biefe 2 eute fcbretben, werben in ba§ Bud) aufgenommen. Tie ©cfammt*
ijeit ber Berichte macht gcwt [3 einen richtigen Einbruch aber fchwören
wie auf ein (Soangelium auf ben Bericht eines einseinen Cannes, fällt
bem Bcrein unb beut BereiuSoorftanb auch fcmcrfeits niemals ein. 3<h
glaube baber, bah bie Bebcutung ber einzelnen Berichte gänslicb oer=
rannt wirb. BJenn nun in einem einseinen Beridjt aus einer einseinen
©egenb mellei^t mit Besug auf ein einsclneS perfönltdjes Erlebuifj oon
ber Unfittlicbfeit auf bem 2 anbe gefprochen ift, wie fann man eine folche
Aeufcerung autoritatio uerallgemeinern unb in [olchent ^ufammenhang
gebrauchen. (3cf)r wahr! rechts.) Ta$ ift mir oollfommett utterfinblich.
BSenit bie Herren feine beffcreit Beweife beibringen, fann ich nicht uiel
barauf. geben. (Braoo! rechts.)
* *
*
£)h«e uns in bie perfönliche $ontrooerfe swifchen bem §errn
Sinanminifter unb #errn ^rofeffor Dr. Meber su mifchen, gellen
mir feft, ba& §>err Dr. non Miguel in feinem Schreiben an uns
ben non ber „Teutfchen Snbuftrieseitung" in ihrer ÜRr. 7
unternommenen Berfuch, aus ben Ausführungen beS MinifterS im
Abgeorbnetenbaufe „eine !lare Abfage ber Regierung" an
ben Berein für Sosialpolitif su fonftruiren, mit aller
Entfdjiebenheit als falfch surücfweift.
3nr Organifatüm ber Arbeit Ten im Reichstag eingebrachten
Anträgen Sieber*£>ifce unb Baffermann*o. £>epl auf reichSgefefcliche
Errichtung oon Drganifationen, in benen geroerbliche Arbeitgeber
unb Arbeiter gemeinfam über beftimmte Angelegenheiten beraten
unb befchliefjen (»gl. Sp. 582), tritt nunmehr ein britter, »om Ab*
georbneten Boeficre mit llnterftüfcung ber fretfinnigen Bereinigung
eingebrachter Antrag hüt 3 u ber folgenberma&en lautet:
Ter Reichstag wolle befchie&en, bie oerbiinbeten Begierungen
Su erfudjen:
Sur Erfüllung ber in ben Erlaffen beS ÄaiferS oom 4. Februar
1890 ber ©efefegebung geftellten Aufgaben bem BeidjStag ferner
einen ©efepentrourf oorsulegen, burd) roelchen
1. ben sur Wahrnehmung oon BerufSintereffen ge*
grünbeten Bereinen BechtSfähigfeit oerliehen roxrb,
roenn fte ben §§. 50 bis 60 beS Bürgerlichen ©efefebuchs
genügen;
2. ben im §. 152 ber Beid)S*©eroerbeorbnung ermähnten
Bereinigungen unb fonftigen sur Wahrnehmung oon
BerufSintereffen gegrünbeten Bereinen geftattet roirb, ihre
Begebungen sunt 3 ro ecfe ber Berbefferung ber
Sage ber Arbeiter auch auf Beränberungen ber
©efefcgebung su richten unb miteinanber tn Ber*
binbung su treten.
ES ift in biefen Blättern ftets betont toorben, bafc eine ge*
meinfame Drganifation oon Arbeitgebern unb Arbeitern nur bann
lebensfähig unb roirffam fein fönne, roenn fie auf bem Unterbau
oon Sonberorganifationen ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter rube.
liefen Stanbpunft oertritt offenbar auch ber oorftehenbe Antrag.
Er bofumentirt ittSbefonbere, bajj bie gforberungen ber BechtS*
fähigfeit unb ber Bewegungsfreiheit ber BerufSoereine, für bie fich
ber BeichStag roieberholt ausgefprochen hat, burd) bie Anträge beS
EentrumS unb ber Bationalliberalen nicht erfefet roerben, fonbern
bie Erfüllung ber erfteren bie BorauSfe^ung unb bie ©runblage
für Iefctere btlben ntufj.
Tie örtlichen BentenfteUcn ,,forialgefährlhh" ? $er ®iber*
ftanb gegen bie örtlidjen BentenfteUen, bie bie Booette sur Sn*
oalibenoerficberung oorfchlägt, roirb befanntlich in ben Befolutionen
grofeinbuftrieller Unternehmeroerbänbe mit ber Behauptung be*
grünbct, bafe mit biefer Einrichtung fosialbemofratifchen Agitationen
Borfchub gcleiftet roerbe. Auch auf fonferoatioer ©eite fteKt man fich
auf biefen enghcrsigen Stanbpunft. 6o hut in ber^ommiftionSfifeung
oom 14. Märs ber fonferoatioe Abgeorbnete Freiherr oon Bid)tbjofen
firfj mit großer £>eftigfeit gegen bie BentenfteUen geroaubt; er
nannte fie eine fo.siatgefäfjrlicfje Maßregel, roeil fte ben Arbeitern
eine neue (Gelegenheit s u wählen unb gewählt su roerben gebe unb
bamit sur ©tärfung ber ©osialbemofratie führe, Solrffe fürs*
fichtigen Andauungen roieS nach bem Bericht beS „BorroärtS" ber
Staatsfefretär ©raf BofaboroSft) wie folgt surücf:
„Tie prcufüjchc Begimmg fei einftimmig für bie Beuteuftellcu.
'Beim man fich auf bett ©tanbpuuft BirfdhofenS [teile, bann ocrlaffe
mau beu Bobou ber faifevlidjeti Erlaffc ooit 1*90. Tenn bann
bürfte man bie Arbeiter auch nicht als BertrauenSntänner unb 3<hiebs*
richter hmsu$iehen, roie bteS jefct ber ffall fei. Sefct geben fte einseln
unb fcbriftlich ihr ©utachten ab. Bei ben Bentenftellcn würben fte ge*
meinfant unter bem Borfih unb ber Autorität eines föniglicben Beamten
ihr ©utadjten abgeben. Unb bas iei eine fosialgefährlichc HRaferegel?
^enn man bie Agitation ber Arbeiter ausfdjließen will,
ntitffc man bie ganse fo 5 iale ©efepgebung sum ©tillftanb
bringen, was mau ihm ja als fein Borhabctt nadjfage, aber
mit unrecht, beim bann mühte er sum offenen Brudj mit ben
faiferlicben Erlaffen fotitmeu — unb bafür fei er nicht su
haben."
BHr wollten eben unferer $reube über biefe einftchtiaen Söorte
AuSbrucf geben, als wir in ber „Borbb. AUg. 3*9-" Iafett, bie
Aeufeerung fei „in ihrem ©tblufefah oöHig mifeoerftänblich roieber*
geaeben". ^)ieS Dementi öffnet neuen Bermutbungen Xhür unb
Thor, fo bajj es jebenfads beffer geroefen wäre, mitsutheilen, was
ber ©taatsfefretär roirflid) gefagt hat. Bielleicht, bafe roir’S in
ber ^ßlenarberathung beS ©efefeentrourfeS nach Wochen unb äRonaten
noch einmal erfahren! — lieber baS ©chicffal ber BentenfteUen
berichten mir f. 3*- uafh Abfchlufj ber MommifftonSoerhanblungen
im 3ufatnmenhange mit ben übrigen Befchlüffen.
^Die ©eroerff(haften unb ber parttätifche ArbeitSnachtoeiS. 9Sir
haben unlängft berichtet, bafe bie Stellung ber ©eroerffchaften sum
paritätifchen Arbeitsnachweis ©egenftanb langroieriger Erörterungen
im Berliner ©erocrffchaftsfartell geroefen ift. Bun ift bie Ent*
Reibung gefallen, unb 3 u>ar ftitb bie Anhänger beS unpartei*
ifchett ArbeitSnachweifeS mit 43 gegen 23 ©timmen in
ber Btajorüät geblieben. 9Bit ber Blehrheit ftimmten bie
aro&en ©eroerffchaften ber Bfaurer, Bfetall- unb .frolsarbeiter, Buch*
orurfer, 3iutmerer 2 c. Bon befonberem 3ntereffe waren bie 9Bit*
theilungen eines Telegirten über bie Stellung ber fosialbemo*
fratifchen BeichStagSfraftion su ber Srage. T)er Telegirte hat fich
an beit fosialbemofratifchen Abgeorbneten BBurm geroenbet, ber,
roie mitgetheilt, im BeichStag für ben unparteiifchen ArbeiSnach*
weis eingetreten ift. $err ©urm hat erflärt, bafe bie Sraftion
nach langer Berhanblung ben oon ihm oertretenen Stanb*
punft eingenommen habe. Er ftefje nach roie oor auf bem
Stanbpunft, bafc, menn ber paritätifche Arbeitsnachweis auch für
bie Unternehmer obligatorifch gemacht roerbe unb biefe ihre Ar*
beitSnachroeife auflöfen müßten, auch Arbeiter baS ©leicfje
thun fönuten. — Qusroifchen aeroinnt bie 3bee ber unparteiifchen
ArbeitSuachroeife immer mehr Boben. 3n Berlin oerhanbeln s- 33-
Telegirte beS §olsarbeiteroerbanbeS mit ben Unternehmern roe^en
ber Einführung eines oon beiben Theilen geleiteten SacharbeitS*
nachroeifeS. .^öffentlich gelangt im Beid)Stage ber Antrag Boeficfe
auf reidjSgefehliche Begelung beS unparteiifchen Arbeits*
nachroeifeS in biefer Seffion noch S u r Berabfchiebung! Seben«
falls aber befifet bie Haltung ber organifirten Arbeiter in biefer
wichtigen Srage eine grunbfähliAe Bebeutung unb seugt für auf*
richtiges Bemühen, auf bem ©eoiete ber ArocitSoermittelung ben
fosialen Stieben su förbern. Tie fosialpolitifche Einftcht ber Ar*
beiter ftid)t in biefem 8aHe höchft oortheilhaft ab oon ber in weiten
Unternehmer!reifen noch herrfchenben Auffaffung beS ArbeitSnach*
roeifeS als eines Äampf* unb Machtmittels, roosu ihn bie oiel*
berufene Berfammlung oon Arbeitgeberoerbänben Anfang Sep*
tember 1898 in Seipsig auSbrücflid) geftempelt hat.
Sntmrr mehr neue Arbeiterfefretariate roerben in ben 3u*
buftrieftäbten oon ben ©eroerffchaften errichtet. Es beftehen folche
jefct in Biirnberg (feit 1894), Stuttgart (feit 1897), in München,
^annooer, Beutpen D.-S. unb granffurt a. 9R. feit oorigem Sah«/
unb in Altenburg feit Beginn biefeS 3ah«$- Weitere Arbeiter*
fefretariate foHen am 1. April b. S- in Tarmftabt unb am l.Suli
in §aHe a. S. in Thätigfeit treten. Sn Breslau ift ebenfalls ein
Arbeiterfefretariat in Borbereitung. Su Tarmftabt follen ftch bie
Arbeitgeber finanziell betheiligen rooUen. BHe fehr baS Bürnberger
Sefretariat oorbilblich geworben ift, geht fchon aus ber einen
Thatfache beroor, bafe s* ber Leiter beS Altenburger ScfretariatS,
ein ©laSfchleifer $arbt, sur Suformation acht Tage nach Bürn*
berg ging. Su Berlin hat man smar oorläuftg oon einem Ar*
beiterfefretariat abgefehen unb fich sunä^ft mit einer Erweiterung
beS ©eroerffdjaftSbureauS begnügt; es bürfte inbeffen nach S^tig*
ftellung beS im Bau begriffenen ©eroerffchaftshaufes bie Jnigc
roieber auftauchen. Tie fosialbemofratifdje Bartei ift an biefen
Arbeherfefretariaten theils burch Tclegirte im AuSfchufe, thcilv
burch bie B^fonen ber Arbeiterfefretäre betheiligt. Tie Sefretariatc
oermitteln Bath unb Bechtsfd)ufe in allen Arbeiterangelegenheiten,
auch befdjäftigen fie fich mit ArbeitSftatiftif :c. Berichte liegen
I neuerbingS oon ben Arbeiterfefretariaten in Stuttgart unb München
oor. (Sgl. unter ber SRubrtf „Arbeiterbewegung" biefer Kummer
Bp. 678.) — Huf fatboIifcf)er (Seite ift man fchon Enbe ber
80 er galjre, fjauptfäcfjlid) auf Setreiben beS VolfSoereinS für baS
fat^olifdje deutfchlanb, mit ber Errichtung non VolfSbüreauS,
bie ähnlich roie bie Hrbeiterfefretariate funftioniren, oorgeganqen.
Es hefteten fold)e u. 21. in Effeit, $öln, düffelborf, S'refelb,
Had^eit zc. gn Ulm befteljt ein ftäbtifd>e^ Hrbeiterfefretariat,
baS an baS bereite beftebenbe ftäbtifche HrbeitS- unb VöohnungS*
VermittelungSamt angefchloffen ift. die „Sogiale $rajis" hat
hierüber eingehenb 0p. 363 MefeS gahrgangS berichtet.
fiotntmntale StojtalpolttUt.
Regelung ber dien ft- unb LoljnfeerliältmfTe ber ftäbtifchen
Arbeiter in 9Ranitljttm. Vom Vürgermeifteramt ber £>auptftabt
Mannheim roirb uns gefd^rieben: Sßadjbem feit gahren feitenS ber
ftäbtifchen Vehörbe in Mannheim Verhartblungen über eine SRege*
lung ber Entlohnung ber ftäbtifchen 2 lrbeiter ftattfanben, ftnb nun*
mehr auch hier — mie im Laufe bes oergangenen gapreS in
Stuttgart unb Karlsruhe — bie ®ienft- unb EinfommenSoerhält*
niffe ber ftäbtifcben Hrbeiter bur(b Erlaffung einer ArbeüSorbnung
natb feften ©runbfäpen geregelt roorben. gnSgefammt erroächft
ber Stabtgemeinbe aus ber Regelung ber Verhältniffe ihrer Hrbeiter
im 0inne einer burcf>greifenben Aufbefferung ein jährlicher
Mehraufroanb non 47 779 Jf unb einfcfjUefelid^ ber innerhalb ber
brei lebten Sabre gemährten Lohnerhöhungen unb Vortheile fogar
ooit 126 642 - // die roefentlichften Veraünftigmtgen ber neu auf*
gefteHten 2lrbeitSorbnung ftnb bie folgenden:
1. Einführung be§ ©ochettlofjnS mit Entlohnung ber in bie
©odpe fallmben gcfeplichen geiertage als Arbeitstage (gufammen 8).
2. Vergütung jeber Ueberftunbe mit 12,5 °/ 0 be$ normalen Jage*
lof)ncS, bei Nad)t* unb Bonntagsarbeit tnbeffen mit 16 % beffelben.
3. Einführung eines Minbcfttagelof)ncS oon 2,70 für alle
ooß arbeitsfähigen ftäbtifcben 2lrbeiter.
4. ©ewährung ber Jifferettg groifchert gefeplichett Stiftungen unb
oollem Jagclohn bei ntilitärifrfjcn Uebungeu unb Äraniheiten
non achttägiger bis breimonatlirfjer Jauer an Arbeiter mit eigenem
ftauSfjalt unb mehr als groei* begro. fünfjähriger ftäbtifcher dienftgeit.
6. ©ewährung oon 81 erbe gelb an bie .'Hinterbliebenen eines
'Arbeiters, weldjer ntinbeftens gwei Sahre int ftäbtifdjen Jienft geftanben
bat, im Vctrage beS ooDen JagelohneS mährenb gweier Monate.
6. Vefugttip ber AmtSuorfteher gur Ertheilung oon Urlaub an
Arbeiter bis gu acht Jagen im 3a|r
dte genannten Vergünfiigungen gehen gum Jheil nocf) erheb*
lieh über bie anöerroärts gebotenen ^tttau^, fo bie generelle Sohn*
Zahlung an gefeplid)cn getertagen unb bie J)auer ber ©ewährung
oon Bterbe* unb Äranfengelb. Sn Ergänzung ber neuen Veftirn*
rnnngen unb als "Abfchhtp ber ganzen Regelung ber dienfioerhält*
itiffe ift fobantt bie ©rünbung einer 2lrbeiter*i|SenfionS*
faffe in balbige 2üiSfid)t genommen. Vefanntlidj begroeefen bie
Btäbte burch bie materielle $ebung unb Sidjerfteßung bergufanft
ihrer 2lrbeiter and) eine Vefeitigung beS gegenmärtigen 3nfinnbeS,
bap nämlich ber ftäbtifche dienft in meitem Umfang nichts anbereS
ift, als eine gform ber 2 lrmenunterftüpung. 2 Sie ungiinftig bie
3ufammenfepung beS ftäbtifchen 2lrbcitSförperS burch biefe ^ßrayiS
beeinflupt roirb, geht aus einer oom Mannheimer ftäbtifchen
ftatiftifepen Amt aufgefteßten Arbeiterftatiftif unb beren Vergleichung
mit ben in Stuttgart unb Karlsruhe bei bemfelben 2lttlap ge*
funbenen Ergebniffen h^oor. Mehr als 15 % aller ftäbtifchen
Arbeiter roaren bamach in Mannheim über 60 gapre alt, über
50 Sah« fcpon 32, 3 % gegenüber 14, 5 % ber burch bie Verufs*
gäplurtg ermittelten ©efammtarbeiterfepaft. Spegieß oon ben 203
burch baS Jiefbauamt bei ber Strapenreinignng befchäftigten
"Arbeitern roaren 119 nicht mehr im Voßbefip ihrer 2lrbeitSfraft.
Von welch roeittragenber Vebentung bie befcploffene burch*
greifenbe 2lufbefferung ber Sohnoerhältniffe ber ftäbtifchen Arbeiter
ift, läpt fiep enblich aus ber Jpatfacpe entnehmen, bap 311 Enbe
beS Vorjahres in Mannheim 2477 ^erfonen ober 2 , 3 % ber ganzen
Veoölferung oom ftäbtifchen Jaglohn lebten.
$ie fitübrtfihett Arbeiter tu Eaunftatt. J>ie gemeinblichen
Sloßegien in Eannftatt ein Statut, betreffenb bie 2lrbeitS*
4 orbnung für bie ftäbtifchen Arbeiter, unb im 21nfthlufe baran ein
Statut, betreffenb 2llterS* unb 3noalibitätSoerftd)crung, für biefe
2lrbeiter angenommen, gm erfteren Statut ift beftimmt, bap bje
Stunben oon 8 Upr AbenbS bis 5 Uhr Morgens als Nachtarbeit
^u entlohnen finb. VechtSroibrige Angabe beS Arbeitslohnes
roirb mit bem breifaepen Vetrage beS ortsüblichen Jagelohnes ge*
ahnbet. Sonntagsarbeit roirb mit einem Auffd)lag oon 50 %
gahlt. denjenigen Arbeitern, roclche oom Arbeitspläne entfernter
roohnen, foß geftattet fein, bereits 10 Minuten oor 12 Uhr bie
Arbeit eingufteßen, um rechtzeitig um 1 Uhr roieber jur Stefle fein
gu fönnen. den Lohnarbeitern, welche roegen gu großer Ent*'
fernung ihrer Wohnung überhaupt nicht gum Mittageffen gehen
fönnen, ift fchon feit einiger 3*it 30 4 Vergütung geroährt roorben.
dies foß auch für bie 3 u ^ un ft beibehalten roerben. denjenigen
Arbeitern, welche hirroon feinen ©ebraudj machen rooßen, foß ge*
ftattet fein, ihre MittagSpaufe oon 12 bis IV 4 Uhr auSgubehnen.
gn Vegug auf 2llter unb gnoalibität roirb beftimmt: geber
ftäbtifche Arbeiter, welcher minbeftenS 300 SBocpen in einem 2lr*
beitSoerhältnip gur Stabt geftanben hat, erhält bei Eintritt ber
gnoalibität begro. Erreichung beS 70. Lebensjahres gu ber reidjS*
S efeplichen Aente einen ftäbtifchen Saf^S oon ^ diefer 3«“
hup erhöht ftch für jebe bie oorgenannte 2Bartegeit überfchreitenbe
2 Soche um 10 4 ^.
Sogialbemo!rattf4eS Gfemetnbettahfyrogramttt in €a<hfe« s ©ie
in früheren gahren, tauchen gur 3 e (t non ©emeinbe*$euroahlen
fogialbemofratifd)e Programme auf, bie neben ber 2luffteßung rein
parteipolitifcher ©runbfäpe ben fogialen 0fo.rtfd)ritt forbern. So
enthält bas ©emeinbcroahlprogramm ber Sogialbemofraten beS
12. unb 13. fächfifdjen NeichStagSroahlfreifeS (Stabt unb Lanb
Leipgig) u. A. folgenbe Sortierungen, bie tpeilrocife in fchroeiger
Kantonen, in Velgieit unb anberSroo fchon oerroirflicht finb, ja
Sorberungen, bie felbft in norbbeutfehen Stäbten fchon oielfad)
thatfächlich erfüßt ftnb ober hoch eifrig erwogen roerben:
Schaffung einer einheitlichen s l*oIfSfd)uIe mit obligatorifdjem Vefud),
Unentgeltlich feit beS Uuterrtd)tS unb ber Sehrmittel in ben VolfSfchulen,
foroie in ben höheren VilbungSanftalten für biejenigen Schüler ber
VoIfSfdjulen, bie frajt ihrer gähigfeiten gur weiteren AuSbilbung ge*
eignet erachtet werben. Errichtung oon Sd)iiifantinen gur Verpflegung
ber 3d)ulfinbcr, Sdiulärgte gur regelmäßigen Prüfung unb ärgtlichen
Veauffidjtigung ber Sdjiiler, ber Sdjulen uitb Sdiuleinrichtungen. Er*
richtung oon Sdiulbäbern. fserienfolonien für fränflidje Äitiber. geff*
fepung ber Schülcrgaljl in ben einzelnen .Ulaffen auf eine ntäpige .frohe,
bie einen gebcihlidjen Unterricht ermöglicht. Vefonbcre Sdjulfliiffen für
Minbcrbefähigte. Verbot jeber ErwerbSthätig f eit für fchulpflühtigc
Slinber. Dbligatorifcher gortbilbungsfdjuluntcrridjt für beibe 6)cfchlcditer
bis gum 17. Lebensjahre. Ertheilung beS gortbilbungsfchulnutcmchts
an SiBodjcntagen roäprenb ber Arbeitszeit. Errichtung unb AuSbilbung
oon Volfsbibliothefen unb Lefchallen. — VelcuchtungS*, VerfehrS*,
Äraftergcugungc’*, foroie fonftige für bie ©emeinbe nothwenbige Vetriebe
ftnb ber ^rioatauSbcutung gu entziehen unb auf eigene Rechnung ber
©emeinbe gu erridjten unb gu betreiben. 2lu<h ftnb bie ©emcinbearbeiten,
fotoeit angängig, in ©etneinberegie auSguführeit; fo inSbeionbere bie
regeltnäpigett ©as= unb SBafferleitungS*, Schleufett* unb Strafen bauten.
— Regelung bes SubmiffiottSwcfenS in ber Dichtung, bap bie Ver=
gebuttg ber ©emeinbearbeiten unb Lieferungen für bie ©emeinbe nur
unter ber oertragSntäpigeu Verpflichtung ber Unternehmer erfolgt, baf?
fie für bie ©cfamintheit ber oon ihnen befchäftigten Arbeiter bie gwifdjen
bett ©eroerffdjaftsorganifatioueu ber "Arbeiter unb Unternehmer oerein*
barten Lohn* unb Arbeitvbebingungen enthalten. 2ln Viitgliebcr ber
©emeinbeoertretung bürfen feine 2lrbeiten ober Lieferungen für bie ©c=
nteinbe übertragen werben. Ebettfo bürfen bie Vcitglieber ber ©ettteinbe*
oertretung in feiner SBeifc an prioaten Unternehmungen betheiligt fein,
bie in einem Vertrags* ober Liefermtgsoerhällniß gnr ©emeittbc ftehett.
— gür bie im ©emeinbeauftraq befchäftigten 2lrbeiter unb Veamten ift
auSreichettbc (?) Vegaljlnng fowie eine Arbeitszeit oott nidjt länger als
adpt Stunben täglich unb in jeber SBorfje einmal eine Vuhcpaufe ooii
minbeftenS 36 Stunben eiitgnführcn; beSgletdjeu finb VettftonS*, fowie
©ittwen» unb ©aifenuutcrftüpungSfaffcn für bie ^Arbeiter gu erridjteu
unb bie it ran fett*, Unfall*, ?Utcrs* nnb 3noalibitätSoerfidternng für
fäntmtlidte in ©enteinbebetrieben befdjäftigten "Arbeiter in Anroenbung
gu bringen. JaS Moalitionsredjt ber Arbeiter ift fidicr gu ftelleit unb
barf in feiner ©eife cingefdjränft locrbctt. gtt allen ftäbtifdjeu Vctriebeu
finb Arbcitcrausfdiüffe burd) birefte unb geheime ©al)l ber Arbeiter gu
crridjten. — Enidjtung oon Etcroerbcgeridjten. giirforge für ?lrbeito*
lofe. pflege ber fogialen Statiftif. ©emeinnüpige ©ohmmgopolitif.
Verhinberung ber Vaufpefulatiou unb bex^ ©ohnuttgswuchers burd) Er*
Werbung bec^ innerhalb ber oorhanbeneu ober projcftirtcu Vebauungs«
plätte liegenbeu Areals?, eoent. auf bem ©ege ber Enteignung. — Ein*
richtung unb Unterhaltung einer geregelten .(trauten pflege unter
Veadjtuug aller uorbcugcubcu ilAittel. Ais? foldtc finb gu forbern:
Ccffcntlidfc Vabeanfialten, Spielpläpe, görberutig bec' Jurnrocfens,
©ohnuugs* unb Strnfteuhijgienc, unentgeltliche Jesinfcftion oon ©oh=
mutgen, Möbeln unb Mleibiingf'ftücfen bei (Gefahr oon anfteefenbeu
Sfranfheiten. Sdjaffuug oott Verufsfeitenochreit unb Anftalten gur
Lebensmittel=llnterfinhnng. Laufeube bchörblidic ,(tentrolle ber Lebens*
mittel. Ausbeutung ber .(tranfenoerfidjerung auf bie .^auSiubuftric unb
^rioatarbeit. Uebcruahute unb, too uöthig, Errichtung oon Apotbefeu
tu eigener Vegte ber ('lemeinben. Unentgeltltdjfcit ber ärgtlidjcu $iilfe*
leiftnug, ctufchlicplidi ber ©cburts?hülfe nnb ber .v>eilmittel. Ueberttahme
ber grtebhöfe in bie Verwaltung ber politifdjen oiemeiubc unb Uttenl*
673
Sogiale SßrajiS. ©entralblatt für Sogialpolitif. Ar. 25.
674
geltlicpfeit beS BeftattungSwefenS. — Uebernapme bcr Sinnen* unb
SBaifeupßege mit auSreicpenben UnterftüßungSfäßen burep ben Staat.
Atenfdjenwürbige ©inricptung non Afqlen für Cbbacplofe unb ©£*
mittirte.
Außerbem werben bie Sßeltlicpfeit ber Scpule, progreffioe
Mrefte Steuern als aßeinige ©innapmequeße unb baS gleiche geheime
birefte Bßaplrecpt für alle uKünbigen opne Unterfcpieb ber ©efipledpter
in Berbinbung mit bem „^ßroporg" geforbert. — Ser „BorwärtS"
erfennt felbft an, baß einzelne ber Sömerungen nur im Stammen
ber fianbeSgefeßgebung oerwirf licpt roerben formen unb bie meiften
ber Sömerungen über bie ßeiftungSfäpigfeit fleinerer ©emeinben
roeit pinauSgepen, es alfo ber Schaffung non ©emeinbeoerbänben
bebürfe, bie im Programm niept oorgefepen ift.
SogialiftifcpeS üRintmalprograuitn im fßarifer ©emeinberatp.
Sie 3crjplitterung ber frangöfifcpen Sogialiften in fünf auSgefprocpene
unb rioalifirenbe ©ruppen beeinträchtigt oielfacp bie energifcfje Ber*
tretung iprer Sntereffen unb man bemüht fich fepr, bie centrifuai*
renben Kräfte gu einheitlicher unb fonfeguenter Aftion gu fammeln.
Söäprenb beS ießten 3apreS ift es — freilich nur unter bem Srudf
ber augenblicfUipen Söirren SranFreid^S — auch gelungen, eine
©ntente ber oerfcpiebenen Parteileitungen perbetgufüpren, bie jeboch
nur in gfragen allgemeiner politif roirffam roirb. Sie fogialiftifcpen
Atitglieber beS Parifer ©emeinberatps, unter welchen bie fämmt*
liehen Scpattirungen oertreten finb, folgen jeßt bem Beifpiele ber
SanbeSorganifationen. Sie paben Rep über ein Sßinimalprogramm
geeinigt unb gu einer Bereinigung mit giemlich rigorofen Statuten
gufammengefcploffen. Sas aufgefteßte AHnimalprogramm, gu beffeit
Anerfennung jebeS 3Kitglieb ber ©ruppe fich oerpflicpten muß,
begreift bie folgenben punfte: 1. Umwandlung beS fapitaüfti*
fchen in ©emeineigentpum; 2. Eroberung ber politifchen Atacpt;
3. internationale Berftänbigung ber Arbeiter; 4. Sorberung fom»
munaler greipeiten; 5. Bergemeinbtichung ber Atonopole (Srarn*
bahn 2C.); 6. moralifche unb materieße ©arantien für bie ftäbtifchen
Arbeiter (Penftonen zc.); 7. ftrenge ^ontrole ber BerwaltungS*
behörbe, befonberS ber Sangen; 8. gleichmäßigere Bertheilung
ber Steuern; 9. Aeorganifation ber Armenpflege unb Ueberfüprung
berfelben in auSfcpließUcp ftäbtifche Berroaltung.
Acptftunbentag ber aemciuMüprn Arbeiter in 28fftpam (Soubott).
SDer ©emeinberath oon feeftpam (Borort oon Sonbon mit 205000
©inwopnern) hol befchloffen, baß oom 1. 9Rai 1899 ab fein
Arbeiter im Sienfte ber ©emeinbe länger als acht Stunben im
Sage ober achtunboiergig Stunben in ber BSocpe befepäftigt werben
foß, ausgenommen in Aotpfäßen, welche Süße ben betreffenben
$ommifRonen beS AatpeS unb oon biefen bem Aatp felbft gu
melben Rnb, mit genauen Angaben über bie Art ber Arbeit, bie
Sauer unb, wo folche erfolgte, bie Begaplung ber Uebergeitarbeit.
kommunaler Selepponbienft in ©nglanb. Sie englifche Aegie*
rung hat oerlautbart, bap fämmtlicpen ©emeinben oon mehr als
50 000 ©inwopnern bie ©rrieptung unb ber Betrieb fommunaler
Selepponneße freifteht. Somit erfepeint baS Monopol ber National
Telephone Company, baS bisher praftifch e^iftirte, aufgehoben.
©laSgow unb ^ubberSRelb bürften bie erften Stäbte fein, bie
fommunaleS Seleppon beRpen werben.
Sajide Juffödie.
Aegclunq ber ©igarren*$anSinbttftrie. Aus AH n ben iS.
wirb uns getrieben: ©s war angunepmen, bap bie Petition ber
Atinbener gianbelsfammer (ogl. Sp. 581) nicht überaß ungetpeilte
3uftimmung Rnben würbe. 3war hat eine gange Angapl §anbels*
fammern fiep ber Petition angefcploffen. gebodj in £eiligenftabt hat
man Bebenfen geäupert. Sie Sorberung gefonberter Arbeitsräume
fei gleicpbebeutenb mit ber ooßftänbigen Unterfagung ber §auS*
arbeit, woburep gahlreicfje Streife, befonberS länbliche, gu hart be-
einträchtig! würben. Sa aber oorerft ©rpebungen angefteßt werben
foflen, fo hat man bie Petition unterftüpt. Sn Berlin haben bie
Aelteften ber ^aufmannfepaft eine Angapl Berliner ©igarren* unb
SabafRrmen um ©utaepten gebeten. Siefe Rnb in bem Sinne er*
ftattet worben, bap in Berlin bie Atinbener Sorberungen einem
Berbote ber £muSinbuftrie gleicpfommen würben. Sie Uebelftänbe
feien pter, wenn auch oorpanben, fo boep weniger fcplimm als an*
fcpeinenb in ber Atinbener ©egenb. SebenfaUS fei ber Seg ber
freien Bereinbarung unter ben Sabrifanten ber obrigfeitlicpen An-
orbnung oorgugiepen. Bon einer Unterftüpung ber Petition pat
man abgefepen. — ©S war oon oornperein gu erwarten, bap niept
aße ©igarrenfabrifanten fiep auf ben weitfieptigen Stanopunft ber
BUnbener fteßen würben, ^öffentlich fommen bie ©rpebungen
beSpalb boep gu Stanbe, bie Rcper für bie ©efepgebung genügenbeS
Material liefern werben. Sie „Ser Sabafarbeiter" mittpeilt, läpt
bie Regierung bereits eine Umfrage oeranftalten an eingelnen Drten,
wie ftarf bie 3apl ber in ber Sabafinbuftrie tpätigen oerpeiratpeten
Srauen ift. Sie bem Blatte oerfiepert würbe, beabfieptige bie
Begxerung ein Berbot ber Arbeit oerpeiratpeter Srauen. Sir palten
bieS entfepieben für übertrieben. Sür ein ArbeitSoerbot oerpei¬
ratpeter Srauen ift bie Regierung jept niept gu paben. Qtfbenfaßs
ift bie Umfrage nur fepr befepränft unb ungureiepenb. Sagegen
wirb poffentlid) bie ^ommifRon für Arbeiterftatiftif mit ber Auf*
abe ber Btinbener ©nquete betraut werben. Auch im fßeiepstage
öte Rep wopl ©elegenpeit, bie Sache gur Spracpe gu bringen.
Sereitt gum Stpup ber ^tnber bot AuSmtpimg trnb Bfippanbluitg
in Berlin. Am 13. HKärg oeranftaltete ber Beretn einen BortragSabenb,
unt über feine Abfnpten weiteren Greifen Aufflärung gu geben. ®er
erfte Aebner war Generalleutnant g. i. o. $elct*Barbonne, ber über
bie 3iele beS neuen BereinS fpradj. Siefe ftnb: Sie Gefahren gu bc*
fämpfen, weld;e für Äinber entftepen 1. aus oentacpläffigter ©rgiepung,
begiepungsweife Rttlicper Berwaprlofung, 2. aus bem SÄtpraudj bcr
elterlichen Gewalt, bie fiep in übermäßiger 3ü t Ptigung unb törperlicper
SRißpanblung ober in Berwenbung gu Arbeiten uno Öeiftungen, bie
über baS Btaß ber finblicpen Kräfte pinauSgepen ober baS Stinb fittlicp
aefäprben, geltenb maept; 3. aus ber Unterbringung oon tf inbem in
Bflege bei $erfonen, berett Auf, SSopnungS* unb SebenSoerpältniffe
feine Gewäpr für eine gebeiplicpe gortentwicflung ber Pfleglinge bieten.
Ser Bortragenbe wies barauf ptn, baß bie gorberung immer bringenber
werbe, ftep ber weprlofen Äinber gu erbarmen, bie oermaprlofte Sugenb
gu retten, epe Re fpäter bie Gefängniffe beoölfere. 3m Saufe beS 3apreS
finb in Berlin wieber meprere SäDe oon ^inberfelbftmorb oorgefommen.
Ueberbürbung mit Arbeit unb Bftßpanblung waren bie Urfacpen, welcpc
ben ftarfen ^ebenstrieb, ber einem jungen Safein innewopnt, fo oöUig
oernieptet patten. Aebner oerlaS eine Angapl GericptSuerpanblungen
über Äinberntißpanblungen unb fittlicpe Gefdprbungen. (Sr füprte aus,
baß leiber bie über bie unnatürlichen Reiniger oerpängten Strafen in
gar feinem Berpältniß gu ber bewiefenen Graufamfeit ftepen (gewöpn*
Ucp nur einige Sftonate Gefängniß) unb baß ipnen bisper naep Ber*
biißung ber Strafe bie $tnber meift wieber überantwortet würben unb
baburdp noep fcplintmerei Bepanblung auSgefeßt waren. (Sine fcpwere
Scpäbigung beS SfinbeS ift auep feine AuSnußung gur Lohnarbeit. ©S
ift baS Berbienft ber Leprerfcpaft an ben Bolfsfdjuleit, auf biefe HJtiß*
ftänbe pingewiefen unb fte burep ftatiftifepe ©rpebungen flargefteßt gu
paben. Bielfacp bropen ben ftinbern babei fittlicpe Gefahren. Geiftig
fommen biefe Slinber natürlich auep gurücf, weil fte bereits abgefpannt
unb mübe in bie Scpule fommen, ppqfifcp werben Re gerabegu ruinirt,
weil ipnen ber nötpige Scplaf eittgoaen wirb, gür wenige Pfennige
täglicp wirb alfo bie Gefunbpeit ber fünftigen Generationen aufgeopfert.
Auep in ber Besorgung ber Saifenfinber bleibt oiel gu wünfdjen übrig;
ebenfo in ber pflege ber unepelicpen. SanbgcridjtSratp Dr. Simonfopn
fpraep über ben Scpuß ber Sltnber im beutfd)eu Aecpt, ber nodj reept
mangelhaft ift. Sie Gefeße weifen lofale Berfcpiebenpeiten auf, naep
bem preußtfepen Sanbrecpt ftößt bie Aberfennung ber elterlichen Gewalt
auf große Scpwierigfeiten, in ber Saifenpflege ift oicl mepr auf bie
Sicherung ber materiellen als ber geiftigen unb fittlicpen Güter Bebacpt
genommen. Sie präge bcr 3mangSergiepung bebarf befferer Aegelung.
Sie pabrifgefeßgebung weift gwar bie Äinber unter 13 ßapren aus ber
gabrif, treibt fie aber bafür ber gang aufßcptslofen Heimarbeit gu, in
ber in Thüringen fepon 2Vajäprigc ^inber befepäftigt werben. Audj
baS Bürgerliche Gefeßbucp geigt feine wefentlicpen Berbefferungen. Ser
Bortragenbe weift auf baS Beifpiel ©nglanbs pin, wo ber „Berein gur
Berpiitung ber Graufamfeit an Stinbem w niept aßein ©influß auf bie
Gefeßgebung gewonnen pat, fonbem auep burep feine ungeheure 2pätig*
feit ein gaftor im öffentlichen Leben geworben ift, bem oie Abnapme
bcr ftinbermißpanblungen unb ber jugenblicpen Berbrecper gu banfen
ift. B^bigcr Brofeffor greiperr o. Soben rief in feinem Schlußwort
gum Beitritt in ben Berliner Berein auf, ber fidj über gang Seutfcp*
lanb oerbreiten miß. Seine 3ide Rnb gunäepft: Sd)ärfung bes öffent*
liepen GewiffenS, Bitten an bie Bepörben, BeeinRuffung ber Gefeß*
gebung, auep gur härteren Beftrafung be» an Äinbern begangenen Ber*
gepenS, Klärung beS Spatbeftanbes, 3)?efbefteßen für jcbcS an Äiitbern
oerübte Unrecpt, Grünbung oon 3nflucptsftätten für fepneße Unterbringung
efäprbeter Äinber, 3 u f am menarbeit mit jteiwißigen Hiilfsfräftcn, mit
eprern unb Leprerinnen, Siafoniffen unb Stabtmiffionaren, unb enb*
liep Anfteßung oon befolbeten Beamten unb Beamtinnen, bie ben Stinber*
fcpuß gur Lebensaufgabe maepen, unb ben ©Item als nidjt amtlicpc
Drgane mit befonnenem Aatp unb auep tpatfräftig gur Seite ftepen.
Arbeitzeit unb ArbeitSleiftmtg im Steinfoplenbergbau gu fRofftp»
Ser eben erfepienene Sopwsbericpt ber Brünner Hanbelsfammer für
1898 Bringt neuerbingS eine betaiflierte Sabeße über bie BHrfuitgen
ber §erabfeßung ber ArbeitSgeit im Aoffißer Aeoier, wo 1891
bie Scpicptbauer oon 117*2 auf 9 unb bie ejfeftioe ArbeitSgeit oon
11 auf 872 ©tunben perabgefeßt würbe. ©S geigt fiep aus ben
unten folgenben Säten, baß troß biefer Aebuftion bie ArbeitS*
leiftung wie auep ber ArbeitSocrbienft eine Steigerung erfahren paben.
675
©ogiale $raji$. öentralblatt für ©ogialpolitif. Rr. 25.
676
Ös betrug bie bunhfcfenittlidje .ftäuerleiftung:
1882—1884 . .
.20,83
Aieter*Öeiitner
1885—1888 . .
.21,11
*
1891—1893 . .
.22,72
=
1894—1896 . .
.24,08
=
1897 . .
.22,io
=
1898 . .
.21,45
*
unb ber Xagcsucröicnjt (in
.Strenger») für ben
kälter
AÖrbercr
Sauberer
1882-1884 .
121
87,i
60,8
1S85—1888 .
. 120, r,
86,5
60,9
1891—1893 .
. 147
99
74,3
1x94—1896 .
. 146
100
70
1897 .
. 146
96
63,7
1898 .
. 150
90,4
62,8
Ter 5Berid)t fonftatirt übrigens, bafe bie Bergarbeiter bei öin*
tritt größerer Berbienfte weniger ©chidjten »erfahren utib fief) bem*
itad) aus eigener Snitiatioe einen gewiffen Bünimaloerbienft feft*
fefeen, woburd) Arbeitslohn unb ^robuftioit rebugirt erfd^eint.
ArbeitSlofnninteTfitüpmig burdj Arbeit in Sitte. Aus $ariS
wirb uns gefthrieben: Tie gürforge für bie ArbeitSlofen hat fidj
in granfreid) oorgücjlich in ber 3orm ber Berfd)affung oon Ar*
beitSgetegent)eit entroicfelt. Tiefe öntwicfelung ergab fid) gang oon
felbft aus ber goribilbung unb Anpaffung ber alten, ftetS in
großer AuSbehnuttg geübten prioaten Armenpflege, an bie wirtl)*
fchaftlidjen Bebingungen beS mobernen örwerbSlebenS. Aus ber
©tatiftif, welche ber oberfte Arbeitsrat oor einigen Sahnen auf*
nehmen liefe, ift befannt, bafe in granfreid) beretts mehr als 50
befonbere ©efettfehaften eyiftiren, welche bie Befchaffunq oon Ar*
beitSgelegenfeeit gum eingigen 3a>ecf gabea. 3a ber Abficfet, ber
Brioatinbuftrie feine Slonfurreng gu machen, begnügten fich biefe
©efettfd)aften bisher meift, bie örwerbslofen mit allerlei unbe*
beutenben Belüftigungen gu erhalten, bie ben Almofencharafter
reefet fichtbar an fich tragen. Tie im laufenben ©inier in Sille
gegrünbete Assistaoce lilloise par le travail geht nun fomeit, bie
^oHe eines ^au^inbuftriellen Unternehmers gu fpielen unb ihre
©chüfeliuge mit wirHid) probuftioer Arbeit gu oerfefeen. Tie gür*
forge ber ©efettfefeaft ift in erfter Sinie ber weiblichen Arbeiter*
beoölferung gugeroanbt. Tie oerfchaffte Arbeit befteljt in ber An*
fertigung oon SÜnberfleiberit. Tie Rohmaterialien werben im
©rofeen angefauft, ben ArbeitSlofen gur Berarbeititng guqeftellt unb
bann nad) Öntlohnung ber §>erfteller gu ortsüblidjen Ööhnen an
bie Berfauf»ljäufer oerfauft, wobei man haaptfächlid) bie Keinen
©efchäfte beriicffichtigt. ÖS befiehl fogar bie auSgefprodjene Ab*
ficht, ben lefeteren baburch bireft Beiftanb gu liefern gegen bie
Sfonfurreng ber grofeen ©aarenhäufer, inbem man ihnen bie gleichen
öinfaufSbebingungen fiefeert, welche bie ©aarenhäufer bur<h baS
önaroSgefchäft geniefeen, Ter Sitter Berfud) fieht fid) nad) glän*
genbem Gelingen fdjon genötigt, gu ben logifchen Slonfequenjen
forUufehreiten: Tie blofe geitwcifige Belüftigung ber ArbeitSlofen
wirb gu einer bauernben Berforgung ber Arbeiterfrau mit einer
Arbeit, welche fie in ber eigenen ©ofenung oerrichten fann. ©o
fonftituirt fich bie Sitter ©efettfd)aft bereits als Aftiengefettfdjaft
mit angeftetttem TireftionSperfonal, welches bie bisherigen halb j
charitatioen Bestrebungen nach jeber ©eite hm gefchüftsmüfeig ■
ausbilbet. An Angebot oon Arbeitskräften ift fein Btangef, !
wührenb bie Keinen Tetailgefchäfte willige Abnehmer ber gefertigten
i*robufte finb.
Soff »prigeruiigen in ben Bereinigten ©tüten. 3 » ben Iefeten
Blochen haben fi<l in oerfchiebenen Qnbuftriegweigen in Amerifa
erhebliche Steigerungen ber Arbeitslöhne oottgogen, wie fie fonft
S meift nur nach mehr ober minber harten Stümpfen ber Arbeiter*
oft burdjgefefet werben. ÖS geigt offenbar oon einem oorge*
feferittenen fogialpolitifdjeit Berftänbnife ber beteiligten Streife, wenn
j'olche oermieben werben fonnten. Tic Sobnjteigerung betrifft circa
110 000 Arbeiter, bereit Söhne um etwa 10% erhöht würben.
ÖS finb oorgugSweife Arbeiter ber öifen* unb ©tahlinbuftrie, beren
Söhne atterbing* autoinatifd) auf ©runb einer glcitenben Sohn*
ffala geftiegen finb, bod) finb auch bie Arbeiter im St ohlenbergbau
unb ber Baumwottinbuftrie an ben Sohnfteigerungen betheiligt, unb
eS waren in letztgenannter 3nbuftrie blofe einige Behandlungen
nötfeig, um ben gorberungen ber Arbeiter gum Turchbrud) gu oer*
helfen.
Arbeitgeber* itttb tlnterneijmeraerbSniie.
©rünbung beS bcutfdjeu ArbeitgeberbunbcS für baS Ban«
getoerbe. Tie am 15. 3Jtärg in Berlin abgehaltene, oon über
hundert Bertretern beS Baugewerbes aus allen ^heilen Teutfd)*
lanbs befugte fonftituirenbe ©eneraloerfammlung beS beutfehen
ArbeitgeberbunbeS für baS Baugewerbe würbe oon bem pro*
oiforifdjen Borfifeenben, Baumeifter unb SanbtagSabgeorbneten
gelifd), eröffnet. Rath einem furgen Bericht über bie bisherige
^hütigfeit ber oorigeS Sah* 1 in Breslau gewühlten Sfonuniffion
unb beS prooiforifchen gefchüftSführenben AuSfchuffeS betonte er,
bafe eS fid) feineSwegS um einen Dffenfiooerbaitb gegen bie Arbeit*
nehmer im Baugewerbe hanble, fonberu, wie es in ben 3 e üungS*
berichten heifet, „lebiglidj um einen BertheibigungSoerbanb gegen
bie Uebergriffe unb ungerechtfertigten gorberungen, welche fid) bie
fogialbemofratifchen Agitatoren antnafeen." Tem Bunbe traten
fofort 31 bereits beftehenbe Berbünbe bei. Tie Bertreter weiterer
Berbänbe waren gur Abgabe ber BeitrittSerflürung nicht bireft be*
oottmüchtigt, ftettten jeboch balbigen Anfchlufe in AuSficfet. ferner
würbe berichtet, bafe eine grofee 3 a hl oon Sofaloerbänben in ber
Bilbung begriffen fei, weld)e beuxnüchft bem Bunbe ebenfalls bei*
treten würben. — Sn ben Borftanb würben gewühlt: B. Selifch«
Berlin, als Borfifcenber; ©imon*BreSlau als ©tettoertreter beS
Borfifeenben; < 3)öbler*Berlin, Äelm*©tettin, ^raufe*Branbenburg
a. b. £>aoel, ©choefel*BZagbeburg unb s Beftphal*©teglife als Bei*
fifeer. — 2)ie nächfte orbentliche ©eneraloerfammlung beS BunbeS
fott Anfangs ©eptember b. S- im Anfchlufe an ben $>elegirtentag
beS SnnungSoerbanbeS beutfefeer BaugewerfSmeifter ftattfinben.
Agitation für ben ©pirituSring. 3« Aachen ber öcntral*
©pirituS*BerwerthungS*©efettfchaft ift ber „Boff. 3tg." eine genaue
Anweifung mitgetfeeilt worben, wie bie Brenner, ob fie wollen ober
nicht, bem Ringe gugefüfert werben fönnen. Auf jebe Srage beS
fich ©trüubenben ift eine paffenbe Antwort bem ©erber guredjt ge*
macht, öine B*obe möge nur bie Antwort auf bie Qrage fein,
ob ber $>raufeenbleibcitbe fich nicht beffer ftefee? 2)ie Antwort lautet:
ör wirb, er unb feine Abnehmer, wie ein ©ilb gehept
werben, benn Wnabc fenneit wir nicht. £>ier heifet eS mit in
Rctl) unb ©lieb ober als Syeinb niebergefämpft. Bleiben gange ©nippen
am, fo finb fie halb firrc gentad)l. Run ber eingelnc Brenner in einer
^rooing, bie ber ^auptfache nach beigetreteu ift: Öutwebcr er hat nad)
Berliner Rotig oerfauft; fie fchwanfle idjon bisher willfiirlich, fobalb
fich ftarfe ^ntereffengriippeu an bem (^cfd)äft betbeiligten. Run aber,
wenn brei Biertel ober mehr ber öftlichen s probuftion in einer .v>aub
ift, wie benfft Xu Xir bas berühmte Angebot unb bie berüchtigte Rach*
frage in biefent gall? Xie Berliner Börfemtotig wirb ein ©pielball in
ber .^anb ber ©efellfdjaft fein, unb alsbalb loirb fie oollftänbig ocr*
fchwinben. Alfo ift bie gange ^robuftion gu feftem greife ober bie ein*
gellte Öabutig gu oerfaufeu.
©reifen Arbeiter gu foldjen Bütteln, um für ihre Berufs*
oerbänbe gu werben, fo getert man über „Terrorismus", bei
Unternehmern aber heifet man baffelbe Berfabren „©olibarität"!
Arfaeitetbeniegmtg.
®te Sohnbetoegnng in $eutf<hlanb war im oergangenen Bionate
eine rege. Ter „ArbeitSmarft" oergeichnet für biefen s JWonat 38 neu
ausgebrochene ©treifs gegen 35 im Sanuar. Tie meiften Aus*
ftänoe (8) fielen auf bie Btetattinbuftrie, baS Tejtilgewerbe hatte 7,
bie £)olginbuftrie 6, bie Snbuftrie ber ©teine unb Örbeit, baS
Baugewerbe 3 2 C. Tie meiften biefer, übrigens nicht fetjr umfang*
reichen ArbeitSfämpfe entftanben toeqen Sofenbifferengen, nicht wenige
bienten ber Abwehr einer Sohnoerfrirgung.
3m Strefelber ©eberauSftanb ift bisher feine Aenberung
eingetreten. Auf beiben ©eiten wirb ber Stampf mit .£>artnäcfigfeit
geführt. Ter ftäbtifchen fogialen Sfommiffion ift ein Ausgleich bis*
her niefet gelungen. 3a ben Arbeiterblättern ergeht beSfealb neuer*
lid) wieber ber Ruf nach llnterftüfeiing. öinigermafeeit fotnmt cS
beit ©treifenben gu ftatten, bafe bie Tertilarbeitcr iit ben Radhbar*
orten ebenfalls in eine Sohnbewegung cingetrcten finb, gum Tfeeil
mit örfolg, fo in Bi\ ©Iabbach, Rhepbt, Tiilfen, Bierfen,
Sobbenid) :c.
Tie ©ehneiberbemegung geht in einer egrofeen Reihe oon
©täbten mit wechfelnbein Örfolg weiter. 3a Seipgtg, unb neuerbingS
in Bremen unb Hamburg, wirb theilweife geftreift. Tie Berliner
©djnciber haben befchloffen, oon einem allgemeinen AuSftanb ab*
gufeben. 3a Hamburg broht auch ein ©treif ber ©chuhatacher.
677
Sogiale BrajiS. Eentralblatt für Sogialpolitif. 9tr. 25.
678
Der Berliner SBäcfcrftrcif ift wegen Mangel an Mitteln
unb wegen bcr Schwäche ber Drganifation auf ctnc fpätere 3 e ü
oerfcpoben worben.
fRccpenfdjnftSbencpt ber berliner ©rtocrffcpaftSfotmmffton für
1898. Dem fürglicp, 150 teilen ftar! erfcpienenen Bericht ift gu
entnehmen, baß bie Äommiffion non ber berliner Arbeiterfdpaft in
fteigcnbem EJtafie benupt mirb, pie unb ba auch oon Arbeitgebern
(in 128 gälten), Es oerlangten 6811 ^erfonen Auskunft. Sieben
ber AuSkunftSertpeilung führte baS Bureau eine umfangreiche
St'orrefponbeng unb roibmete fiep ber Sammlung oon Material für
bie Unfall*, ©ewerbegericpts*, Snoalibität#* unb Alter#*, foroie bie
3nnungSgefepgebung. Die gatjreöeinnaljme betrug 47 096 </H ,
bie Aufgabe 42 674 Jt Die agitatorifc^e Dpätigteü ber Korn*
tniffton kam in ber Beranftaltung oon ^ßroteftoerfautmlungen gegen
ben BofabowSkp’fipen Streikerlafc unb bie 3 u 4^ a u#oorIage gurn
Ausbrucf. Die Arbeiten bes ©ewerkfcpaftSfekretärS paben fiep fo
gehäuft, bafc oom 1. April er. ab ein gweiter Beamter angefteEt
werben fofl. Einer foE bann bie geroerkfcpaftlicpen, ber anbere
bie fogialpolitifcpen Angelegenheiten beforgen. Die ©efammtgapl
ber in Berlin gewerkschaftlich organifirten Arbeiter betrug im
oorigen %a\)tc 64 799 gegen 56 747 im 3ah rc 1897. ®ie an
3abl ftärlften Drganifationen waren: EJtetaEarbeiter 13 651 EJHt*
glieber (1897: 10 561), £>olgarbeiter 8300 (6000), Eftaurer 6093,
Bucpbrudfer 5000 (4720), Zimmerer 2625, ^>anbcXö|)UfSarbeiter 2400,
Bucpbinber 1937 2 C.
Der beuifepe EÄetaEarbciterberbaiib gäplte nach btx foeben er*
fcpieneneit Anrechnung be# BorftanbeS für 1898 gu Enbe
oorigen Sah**# 75 431 EJiitglieber, unb ift fomit bie ftärffte beutfepe
©ewerkfepaft. Die EJkitgliebergapl ftieg oon 49 001 Enbe 1896 auf
59890 Enbe 1897. Am Schluffe be# lepten ©efcpäftSjapreS oer*
fügte ber Berbanb über ein Bermögen oon 391360 M Die
3apl ber weiblichen EKitglieber ift trop ber immer fteigenben Ber*
wenbung weiblicher Arbeitskräfte in ber s JJtetaEinbuftrie noch fehr
gering: blofj 1274 weibliche EJiitglieber gählt ber Berbanb. ßep*
terer pat einen überaus ftarfen EJÜtglieberwecpfel aufguweifen: oon
ben 23 205 EJiitgliebern, bie 1891, bem ©rünbungSjapr beS Ber*
BanbeS, biefem angehörten, finb ihm bloft noch ninb 2500 oer*
blieben unb im oergangenen 3ap* finb fogar 37 046 EJlitglieber
ausgetreten. EJian erhofft oon bem gu Dftcrn in ^aEe a. S. ftatt*
finbenben BerbanbStage eine Befferung infofern, als bort hierin*
füprung ber ArbeitSlofenunterftüpung behufs Berminbe*
rung ber ungefunben ftarfen Sluftuation in ber E)iitgliebergapl be*
fd)loffeit werben foE. ES oerbreitet fnh in gewerkfcpaftlicpen Streifen
überhaupt immer mehr bie Anficht, bafc man burch görberung
beS UnterftüpungSkaffenwefen# n acp englifchem EJiufter
ber gluktuation ber EJiitglieber am beften fteuern unb ben ©c*
werkfepaften gugleich mehr Anreig geben könne, (fine Eticptung
oertritt freilich noch immer ben Staubpunkt, bafc oon ber pflege
beS UnterftüpungStaffeuwefenS eine „Bermifchung ber Bringipien
beS ÄlaffenkampfeS" gu befürchten fei. Die Berliner BermaltungS*
fteEe beS BerbanbeS hat fid) in einer aufjerorbentlüpen ©eneral*
oerfammlung bereits für bie Einführung ber ArbeitSlofenunter*
ftüpung auSgefprochen. 3n ben lebten beiben 3ahren fanben
95 AuSftänbe ftatt, an benen aber nur 5550 Berfonen betheiligt
waren. Es hanbelte fich um 54 Abwehr* unb 41 AngriffSftreifS.
Beenbet würben mit Erfolg 16 Abwehr* unb 12 AngriffSftreifS,
ohne Erfolg 28 Abwehr* unb 15 AngriffSftreifS, burch Bergteich
ober mit tpeilroeifem Erfolg 10 Abwehr* unb 14 AngriffSftreifS.
Die Streifs wegen einzelner EJiafiregelungen waren afle ohne Er*
folg. Siir bie Streifs würben oom Berbanb 159621 jft. aus*
gegeben. Heber bie bei AuSftänben gemachten Erfahrungen be*
richtet ber Borftanb:
„0)ar gu wenig wirb bei Einleitung eines Ausftaube* in Bctradjt
gegogen, baß nicht aEein feine Berechtigung, fonbern oielmcpr
bie Biöglidifcit feiner Durchführung eine gewichtige EioEc fpiclt. Siirbe
bies gefcfichen, fo würbe mancher Kampf nicht infeenirt unb manche
bittere Erfahrung ben Betheiligten erfpart bletben. Dies trifft nament*
lid) auf Kämpfe gu, bie auf ©icbereinftcEung ober Eutlaffung einzelner
Berfoncn abgieleu. Jpicr hat fich auch in ber uerfloffenen ©efdjäfts*
periobe gegeigt, bafj biefc Kämpfe in ben feltenften fällen erfolgreich
ausgehen. Der Borftanb hat auch in biefem Saljre in faft allen ber*
artigen fällen oon einem Ausftaub abgerathen, ift aber Ieiber in ben
feltenften fällen oorber baoon unterrichtet worben, unb fo befanb er
fid) meift einer oollgogeneit Dpatfacpe gegenüber, an ber nichts mehr gu
änbeni war."
Der iiperifepe Eifenbahner*Berbanb gählte nach feinem gweiten
Sapresbericpt am Schlufe beS SahreS 1898 runb 16 000 Biitglieber
in 83 Dbmannfchaften. 3m lebten 3ah r ber Berbanb
6500 BUtglieber gewonnen. 3« ber Bheinpfalg finb 1500 Eifen*
Bahner im Bat>erif<hen Eifenbahner*Berbanb organifirt. DaS8ra<h*
Blatt „Der EifenBahner", baS am 1. Oktober o. 3$- 3w m erften
3D?al erfchiett, gählt 11000 Abonnenten. Die BerBanbSfaffe ^atte
eine Einnahme oon 11081 < ft unb eine Ausgabe oon 8982 ,4i
Das BerbanbSoermögen betrug am 1. 3^bruar 2098 <AL ®ie
Drganifation beS BerbanbeS ift in bent lebten 3ahre foweit aus*
gebaut worben, bafe in gang Bauern nur noch gwei Dbmannfchaften
gu grünben finb. lebten 3abr h«t «>ie ber Bericht befagt,
ber Berbanb an ber Berbeffcrunj ber Sage feiner Biitglieber tüchtig
gearbeitet. Eine umfangreiche Erhebung über bie ©ohnungS*
oerhältniffe beS EifenbahnperfonalS lieferte baS ERaterial gu einer
Denffdjdft an ben ßanbtag. Auf ©runb biefer Erhebungen b<*t
ber Berbanb in einer Eingabe bei ben guftänbigen Behörben nach*
gefucht, eS mödjten oon Seite be# Staate# für ba# Eifenbahn*
perfonal Dienft* unb Arbeiterwohnungen gebaut werben. Die
©eneralbireftion gab auf biefe Button Antwort, bah bk 5Ee*
gierung oom nächften Sanbtag eine größere Summe gum Bau
oon Eöohuungen für bas Eifenbabnperfonal forbern werbe. Die
oor 3ab*eSfrift gegrünbete UnterftüpungSfaffe gählt 7860 9Mit*
glieber unb gahlte über 11000 f l( an Unterftüfeung aus. Ein
eigener UnterftüfeungSfonb# würbe gegrünbet, um jene BHtglieber
unterftüfeen gu fönnen, bie wegen Sfranfheit, Alter 2 C. nicht in bie
Unterftüpungsfaffe aufgenommen werben fönnen. Eßit bem gemein*
farnen Begug oon Steinkohlen würbe in Eßünchen im lepten .'perbft
eine Brobe gemacht. Bisher haben fich innerhalb be# BerbanbeS
oier Baugenoffenf<f>aften gegrünbet. Diefe wollen an ihrem Drte,
ber für oa# Eifenbahnperfonal befonber# fühlbaren EÖohnungS*
noth abhelfen. Weitere ©rünbungen finb in Bbrbereitung. Enbe
EJiärg ^ält ber Berbanb in Nürnberg feine ©etteraloerfammlung
ab. Die 38ünfcf)e be# EifenbahnperfonalS an ben nächften ßanb*
tag, ber Ausbau ber Drganifation unb ber UnterftüpungSfaffe ftnb
bie^auptpunfte, über bie in ber©eneraloerfammlung oerhanbeli wirb.
Arbeiterfcfretariat EHüudjen. 3« einem ßehrbuch für bie Arbeiter
Münchens unb Umgegenb ^at fich ber erfte 3ahreSbericht*J be#
ArbeiterfefretariatS EKüncpen 1898 auSgeweitet. Er befepränft fiep
niept auf ben ©efepöfts* unb ^affenberxept, fonbern giebt Auskunft
über bie ©ewerffdjaftSorganifationen in Bfüncpen, fiopnbewegungen
unb ArBeitsbifferengen, infonberpeit auep über bie Dpätigfeit beS
©ewerbegeriepts EJiüncpen, ben Scpreinerftreif, ba# UnterftüpungS*
wefen in ben ©emerffepaften unb fonftigeS BöiffenSwertpe für ben
Arbeiter in EKüncpen, wie bie Abreffen ber Bepörben, Berufs*
genoffenfepaften, ©ewerffepaften u. f. w. Die Sefretäre finb
A. Bhiplbauer unb 3- Simm. Die ©efammtbefucpergapl wirb auf
8000 gefepäpt. Bon ben AuSfunftfucpenben waren nur 225 ober
3,82 °/o in felbftänbiaer Berufs* ober ßebenSfteEung, barunter
mehrere 0fabrifanten, bie übrigen 95, oc 0 o Arbeiter. Die Arbeiter*
oerficperungSfacpen überwiegen bei ©eitern. — Bei einer ©efammt*
gapl oon 2377 Streifenben finb nur 15 gerichtliche Klagen gegen
ftreifenbe Arbeiter eingelaufen; nur in 12 gäEen baoon erfolgten
Berurtpeilungen. Jür bie fogialpolitifcp oielfacp entwicfelteren Ber*
pältniffe in Sübbeutfcplanb ift intereffant, was ber Bericht über
ben Berfepr bes Sekretariat# mit ben Bepörben melbet:
„2Rit Befriebtaung mu| fonftatirt werben, bafj im AEgemeinen bie
Bepörben ba# Arbeiterfefretariat, wo immer ba# Erfordern gefteEt
würbe, in feiner Dfjätigfeit crfolgreid) unterftüpten. ^nSbefonbere mufi
anerfamtt werben, bafi fämmtlicpe Beamte ber Königlichen Eiegierung
oon Cberbapeni, bie .'perren Sd)iebSgerid)tSoorfipenben, bie Beamten
beS EHagiftrats unb ber Boligcibepörbe auf an fie gerichtete telephonifcpc
Anfragen bereitmifligft Auskunft crtpeiltcn. 3cbenfafls in Berfennuitg
ber Aufgaben be# ArbeiterfefretariatS lepnten im Anfang einige untere
Berwaltungsorgauc es grunbfäplid) ab, Befcpwerben telephonifd) ent-
gegengunehmen. Die Befdjwerbefüprung bei ben bienftlicpen Borgefepten
patte in aflen Mafien ben Erfolg, bafi ffi e dn Abpiilfe getroffen würbe.
SJfehrfadi würben ooit ben perren SchiebSgerichtSoorfipenben B cr )° n e n
in UnfaEfadjen an baS Arbeiterfcfretariat oerwiefen. Ebenfo bebienten
fiep Eemeiubebehörbcn, Amtsgerichte :c. unferer Bermittelung. ©runb*
fäplid) ablepnenb, ja bireft feinblid) oerpalten fiep unferem ^nftitute
gegenüber nur einige ©efdjäftsfübrer oon Bcrufsgeuoffenfcpaftcn, bie,
nad) uns oon guoerläffiger Seite mehrfach geworbenen 3)?itthcilungeu,
Unfafluerlcpten baoon abratpeu, bas Arbeiterfcfretariat in Aufprudj gu
nepmen. ES finb bies aber auep nur folcpc Beamte oon Bernte*
enoffenfcpaften, bie, feftgeftelltermapeu, oielfad) nidjt ben guten BMflcn
oben, bie Beftimmungen bes UnfaEoerficpcruugi?gefcpeS loi>al awögu*
füpren. Daß bas Arbeiterfefretariat mit Entfdficbenbeit folipem Bor*
paben entgegengetreten ift, mag oieIlcid)t ein befouberer ©runb bcr
©eanerfepaft biefer ©enoffenfcpaftSorgane fein. Ausbrüdlid) feftftellen
miiffen wir, bap trop aEer pringipieEen öegenfäpc in ber Beurteilung ber
# ) Biiincpcu 1899. 9ft. Ernft, Seuefclberfir. 4. 99 Seiten.
679
•Soziale prajtS. Eentralblatt für ©ogtalpolitil. 9h:. 25.
680
einseinen Unfälle unb ber Berieten, ber Berfeljr mit ben Organen ber
meiften BerufSgenoffenfchaften ein burdjauS guter mar."
$öS Stuttgarter Arbeßerfefretartat hat in feinem gweiten ©efdjäfts*
ja^r 1898 7478 münblicfje unb 1048 fdjriftltdie AuSfünfte erteilt. Unter
ben Befudjem beS Arbeiterfefretariats befanben ftdj 5910 mämtlidje,
1568 weibltdic, 5278 Stuttgarter unb 2200 auswärtige. $>ie Unfall*
fadjen nahmen mit 1027 9htmmern ben .£>auptauff)et( ber Arbeit in An*
fprueb- Aud) bie Alters« unb SnoalibitätSoerfidierung weift 828 Bum*
mern auf, bie ftranfenuerfidjermig nur 446 9himmern. Auf bie fcßlerfiteu
SSöbnungSüerfjältmjfe Stuttgarts ^oerfen bie 620 SftietijSftrcitigfcitS*
fachen ein fycücä Öidjt. Baturgemdß [teilen „gewerbliche Ungelegen»
beiten" (968 Hummern) einen hoben ^rojentfap. 2)er oahreSberidjt*)
giebt burdj bie Dielen eingeftreuteu Betfpiele ein anfdjaulicheS 5öüb ooit
ber Sljätigfeit beS Sekretariats, beut bie befanntett ©ewerffdjafiler BetdjS*
tagSabgeorbnetcr 91 g ft er unb £>. 9Jcattutat norfteben. £ie Einnahmen
unb Ausgaben balangiren mit ber Summe non 3878,7a M.
$aS Organ ber öftemidjifdjett ©etmffdjaftcfommifftoit „£ic Oie wer!«
fdjaft" wirb Dom 1. April b. an in oeränberter ©eftalt erfebeinen.
XaS Blatt wirb itt erweitertem Umfange jroeimal monatlich Ijerau#*
tommen unb in roiffenfdjaftlich, bodj allgemein oerftänblidjer Beife
fogialpolitifdjc fragen non allgemeinem gntereffc bebattbeltt. 3uS*
befonoere wirb baS Blatt ben ©ewerbegeridjten unb ihrer BedjtS*
fpreebung feine Aufmerffamfett fd>en!en.
Arbeiterbewegung {tt Paris. AuS Paris wirb uns geftbrieben:
93ei jeher ber bisher oeranftalteten Parifer BettauSfteßungen würben
burdb bie umfaffenben BorbereitungSarbeiten giemliche Bewegungen
unter ber Arbeiterbeoölferung oeranlaßt. Es ift gang natürlich,
baß bie Arbeiter ihren Anteil an ben materiellen Bortheilen be«
gehren, welche bie AuSfießungen bem ßanbe unb befonberS ber
Hauplftabt bringen, unb inöalichft hohe Söhne gu erringen fuchen.
t)er AuSftanb im Baugewerbe oom Oftober oorigen SahreS bilbet
nur eine ©tappe in biefen Beftrebungen, bie feitbem burch lebhafte
Agitation oiel an $raft gewonnen unb, wie e S fheint, mit bem
Srühjahr gu neuen Berwicfelungen mit ben Unternehmern führen
wirb. $>ur<h baS SPlifegliicfen beS ©eneralftreifs im lebten §erbft
würbe man belehrt, bei erneuten Berfudjen methobifdjeroorgugehen.
2)ie leitenben ©ewerffchaftSorganifationen haßen barum eine be*
fonbere $otnmiffion ernannt unb mit bem Aufträge betraut, bie
Qfrage beS geplanten AuSftanbeS in allen Eingelljeiten gu berathen
unb einen betaißirten AftionSplan auSguarbeiten. Sn mehreren
ftarf befuchten Arbeiteroerfaminlungen würben bie Borfchläge ber
enannten ^ommiffion gutgeheißen. Sie gehen im Befentlichen
arauf aus, einen effeftioen unb gleichgettigen AuSftanb aßer
©ewerbegweige gu fichem, falls bie Unterhanblungen mit ben Unter«
nehmern ben BefurS gu (Gewaltmitteln erheifdjen. 3 U biefetn
Berlangen ber Arbeiter — über beffen Legitimität h^ r nicht bisfu«
tirt werben fotl — nach entfprechenben materiellen Bortheilen an
ber BeßauSfteßuna gefeilt fid) als weiteres Dtotio ber gegen«
wärtigen Arbeiterbewegung bie Abficht, gewiffe Arbeßerfchufc«
beftiminungen in bie Submiffionen öffentlicher Arbeiten einguführen.
®iefe Stage fteht überhaupt im Begriffe, lanbeSgefefclidj geregelt
gu werben. Bereits im oorigen Sabre fpradj fich ber oberfte
ArbeitSrath barüber in arbeiterfreunblichem Sinne aus, unb im
Parlamente würben mehrere entfprechenbe Snitiatioanträge einge«
bracht, welche übrigens fchon feit 3afjren in ber $ommifftonS«
berathung ftehen unb oor Burgern einen günftigen Bapport er«
gielten, fo baß bie $>eputirtenfammer halb im Plenum fid) bamit
befchäftigen bürfte. (Bir fommen bei biefer (Gelegenheit auSfübr*
lieh barauf gurücf unb erwähnen h^ nur, baß in bem in Bebe
fte|enben ©efefcentwurf ein BtajimalarbeitStag, Regelung ber |
Annahme frember Arbeiter, Sicherung oon Bormallöhnen unb
Sonntagsruhe befürwortet werben.) &ie augenblicfliehe Agitation
unter ben Arbeitern richtet fich benn auch mit ooßem Bewußtfein
barauf, bie parlamentarifche Beßanblung ber Btaterie gu be*
fchleunigen. 3 U oerfchiebenen 5Dtalen fdjon würben petitionS«
Delegationen an bie guftänbigen Btinifter gefanbt, währenb bie
2 )eputirten ber Parifer s Bahlbegir!e felbft üd) fehr aftio an ber
Bewegung betheiligten, fei eS burch Unterhanblungen mit ber par«
lamentsfominiffion, fei eS burch birelte Agitation unter ben be«
theiligten ©ewer!fd)aften. ^)er grofee 3ufU’om frember Arbeiter,
welcher burdj bie BeltauSftellungSarbeiten oeranlajjt wirb, nahm
überbieS in ben lebten Bochert gang enorme 2)imenfionen an, fo
bafe bie Begirung aus eigenem Antriebe fich oeranlafct fühlen wirb,
irgenb welche SBafenahmen gu treffen.
*) Stuttgart. Otto Barner in Stuttgart, 1899.
3UbeitrnurfidjrniJtg. Äparkofjcn.
$)er ©efdjüftSbericht beS Bei(hS*BerficherungSaiittS für baS S a 4 r 1398.
SDie unlängft oeröffentlichte Ueberficht beS BeichS*BerficherungS*
arntS betreffs beS ©efchäftSjahrS 1898 enthält mancherlei be«
merfenSwerthe Punfte, wenngleich eS in Abweidjung oon ben Be«
richten früherer 3oh re mit einer gewiffeit Abfichtlichfeit unterblieben
gu fein fcheint, Anregungen gu befonberem gefefcgeberifcben Bor«
gehen gu geben. £)a bte nach mehrfacher Anhörung beS BetdjS*
oerficherungSamtS ausgearbeitete SnoalibenoerficherungSnooetle gur
3eit ben BeichStag beschäftigt, fo bepnbet fich infofem bie An«
gelegenheit ohnehin im Sluffe. ^öffentlich erfüllt bie Beidjä*
regierung troh aßer AbmiegelungSoerfuche auch betreffs ber öort«
entmirfelung ber Unfalloerficherung bie Erwartungen, welche wieber«
holt oon oerfchiebenen Seiten in biefem Blatte auSgefprodjcn finb
unb gum ©egenftanbe eine Erweiterung auf bie bisher rücfftänbigeti
©ebiete ($anbel, ^anbwerf, Haushaltungen u. f. w.), fowie bie ge«
rechtere Betheiligung ber Arbeiterfctjaft an ber Berwaltung beS
gangen BerfeS unb bamit bie Bermetbung ber jefct fo oft be«
obadjteten Einfeitigfeit in ber ©efchäftsbehanblung ha^en.
$er oorlieaenben Beröffentlichung ift gunäd^ft in Begug auf
bie Unfalloerficherung gu entnehmen, bafe ber Berhütung
oon Unfällen fortgefefct erhöhte Aufmerffamfeit gefchenft wirb:
nachbem gwei BerufSgenoffenfchaften, bie oorher feine Unfatt«
oerhütungSoorfchriften befaßen, gu bereit Erlafe gefchritten finb,
entbehren gegenwärtig nur noch 3 oon ben 60 auSfchlie&lid) bem
BeidjS«BerftcherungSamteunterteilten gewerblichenBerufSgenoffen«
febaften berartige Beftimmungen; eine berfelben, bie Straßenbahn«
BerufSgenoffenfchaft, ift mit ber Ausarbeitung befdjäftigt. Bährenb
ferner 12 gewerbliche BerufSgenoffenfchaften eine Aenberuna ober
Ergängung ihrer fchon beftehenben begügticben Anorbnungen bewirft
haben, h fl l fi<h i n ben lanb« unb forftwirthfehafthehen Be«
trieben bie Ucbergeugung oon bem großen Berthe biefer oor«
beugenben Maßregeln feineSwegS attgemein Bahn gebrochen; man
begnügt fich oielfach mit ber Entgegnung, baß ein wirffames
Strafmittel gegen ben ßeidjtfinn ber oerficherten Arbeiter nicht ge¬
geben, unb baß eS beSbalb einftweilen ungerechtfertigt fei, bie
Unternehmer mit Strafen gu bebroben — ein bequemer Einwanb,
beffen Hinfäßigfeit bie 3nha& er inbuftrießer Betriebe, bei beneit er
fchließlich boch audj gutreffen müßte, fchon feit langen Sohren ein«
gefeben haben. $)aS BeichS«BerficherungSamt erwähnt nichts ba-
oon, baß neue Borfchriften in ber ßanb« unb gorftwirthfehaft er¬
laßen ober in näcbfter 3eü 3^ erwarten finb, unb eS befcfjränft
ftch auf bie Bemerfung, baß auch im Berichtsjahre auf weitere
öörberung ber Unfafloerhütung für jene Betriebe Bebadjt genommen
fei, wo immer ftch ©elegenheit bagu geboten habe.
2)ie rechtfprechenbe ^bätigfeit beS Amtes ift in fortgefefcter
Steigerung begriffen, obwohl ber 3uwachS nicht mehr ein fo
ftarfer war, als in ben beiben oorangegangenen Sah^a.
Es würben neu anhängig:
1896 1897 1898
9273 10 343 11 183 Aefurfe.
$)a am Anfang beS 3afjreS 1898 bie außerorbentlidj hah e
3ahl uon 4586 progeffen (33, 3 %) unerlebigt übernommen werben
mußte, fo überfteigt bie ©efammtfumme aßer gu bearbeitenben
Behtrfe mit 15 769 bie 3iff cr a beS BorjahreS um ooße 2000.
Eine merfwürbige Beobachtung macht man bei ber Prüfung
beS BerhältniffeS gmtfdjen bem Anteil, welchen bie Berfidjerten
einerfeits, bie Berufegenoffenfchaften anbererfeitS an ber Einlegung
beS BeditSmittelS hatten, unb bem Erfolge, ben fie bamit ergießen.
Bährenb nach ber Batur ber Sache unb nach ben fonft gewonnenen
Erfahrungen bie Abnahme ber Betheiligung ein Steigen ber AuS*
lichten auf Erfolg mit fich 3 U bringen pflegt, ift bieSmal ber Ber«
lauf umgefehrt gewefen. $)ie Bereicherten haben in Unfaßfadjeit
feit einigen Sahren immer feiten er ben BefurSmeg befchritten
(1896: 80, 4 ; 1897: 78, 6 ; 1898: 77, 9 % aßer Befurfe). 3hre Er¬
folge aber finb beffen ungeachtet immer geringer geworben
(25,6*, 22,i; 19,6%). $>ie BerufSgenoffenfchaften erreichten
bagegen, obgleich fie oon 3abr gu 3abr häufiger bie Entfdjei*
bungen ber SdjiebSgeridjte burch Anrufung ber oberften Spruch«
beßörbe angefochten haben, fortfdjreitenb günftigere Ergcb«
niffe: oon ihren eigenen Befurfen finb gu ihren ©unften ent«
feßieben:
1896 1897 1898
42 /8 48,6 54,7 %.
Es liegt mir fern, ber Besprechung beS BeidjS-BerfidjerungS«
atnts ben Borwurf 311 machen, baß fie un Bergleiche mit früheren
681
(geniale $raji8. dentralblatt für Sogialpolitif. Br. 25.
682
3 cüen an SöoplrooHen unb Berftänbnife für bic ©runbgebanfen
ber beutfepen Arbeiterfürforge oerloren $atte, fo auffällig auep bic
angeführten 3<*plen finb. drft eine längere Beipe non fahren
mirb es möglich machen, gu fieberen Schlußfolgerungen über bie
©rünbe biefer drftpeinung gu gelangen. $>enfbar fonnte eS auf
ben erften S3ücf fein, baß ber Bücfgang ber ben Berficperten
günftigen dntfepeibungen ber oberften Snftang mit bem gunepmen*
ben, oxelfacp oon Erfolg begleiteten Beftreben ber Arbeiterfreife gu-
fammenpinge, fepon in bem BerufuitgSoerfapren burep bie AuSroapl
geeigneter ScpiebSgericptSbeifißer möglichst großen (Einfluß auf bie
Zubilligung unb Bemeffung ber Unfallrenten gu geminnen. Wenn
bann baS Scpiebsgericpt bei aller pflieptmäßigen Sorgfalt öfters
über bas 3^ I)inauSfd)öffe unb Renten gufprädje, bie gefeßlicp
nicht gerechtfertigt erfepeinen, fo mürbe um fo häufiger baS Reichs**
BerficperungSamt in Anfprucp genommen merben müffen, um baS
lepte Wort gu fagen unb bie Qorberungen ber Berficperten auf
baS richtige Blaß gurüdgufüpren. 3ttbeß biefer Berfucp einer dr*
Härung ift abgulehnen: eine 3«fötnnienfteHung ber fcpiebSgericpt»
liehen Becptfprecpung aus ben Iepten brei fahren lagt Har erfennen,
baß auch bie BerufungSinftang ben SBerfichertcn eine all¬
mähliche Berfcplecpte^ung ihrer AuSficpten geboten pat.
BöHig ober theilroeife mürbe eine Abänberung beS angegriffenen
genoffenfcpaftlicpen BefdjeibeS erreicht:
1896 1897 1898
bei 28 27 25% oller Berufungen.
Bei ber SnoalibitätS- unb AlterSoerficperung hot baS
Berpältniß gefeproanft, unb es ift beSpalb noep roeniger ein Bücf*
fepluß geftattet. Bon ben in ben brei Iepten Sofien ourep Urtpeil
beS BeicpS-BerficperungSamtS erlebigten 2384, 2703 unb 2577 Be*
oifionen ber Berficperten fmb gu beren ©unften entfliehen: 443,
419 unb 462, alfo 18,58 begm. 15,so unb 17,97 %, mäprenb bie
BerficperungSanftalten unb Kaffeneinricptungen mit 64, 7 begm. 64 ,9
unb 65,8 °/o iprer eigenen Beoifionen burepbrangen.
9Rit lebhaftem 3>ntereffe mirb in ben beteiligten Greifen eine
Neuerung aufgenommen merben, bie baS BeicpS*BerficperungSamt
bei bem oorliegenben Bericpte eingefüprt pat. dS ift nämlicp, um
ein fortlaufenbeS, gur Bergleicpung geeignetes Bilb über bie Be*
fepeibe ber eingelnen Anftalten in Sooaliben-, in Altersrenten- unb
in BeitragSerftattungSfacpen fomie über bie drfolge ber eingelegten
BecptSmittel gu geben, eine 3ofommen]teHung ber Spätigfeit ber
31 BerfidjerungSanftalten unb ber 9 Kaffeneinricptungen in ben
Iepten brei Sapren angefertigt, $iefelbe läßt erfennen, baß jept
in benjenigen Begirfen, in roelcpen bei Snfrafttreten beS Snoali-
büäts* unb AlterSoerficperungSgefeßeS außerorbentlicp oiel Alters¬
renten beroilligt finb, mit größerer Strenge oerfapren mirb; ins*
befonberc fiepen in Dftpreußen ben 2917 Beroifligungen einer
Altersrente 1760 Ablehnungen gegenüber (38 %), mäprenb in Berlin
28 0 / 0 , in ben fmnfeftäbten fogar nur 11 % auf bie abroeifenben
Befcpcibe entfallen. 3n gleicper Söeifc ift eine Ueberficpt betreffs
ber Strafoerfügungen (roegen unterlaffener Btarfenoerroenbung
u. bgl.) geliefert, aus ber mir fepen, baß man in eingelnen Bunbes*
ftaaten, melcpe baS dingugSoerfapren (§§.112 ff. beS ©efepeS)
eingefüprt paben, oon ber Strafbefugniß faft gar niept ©ebrauep
gu maepen genötpigt ift: bas Königreich Sacpfen roeift feine eingige
Strafoerfiigung, Württemberg beren nur 2, Baben 11 in ben Iepten
brei Sapren auf, unb boep fmb bie ginangoerpältniffe ber Ber*
ficpernngSanftalten biefer gtaaten fo erfreuliche, bap fie bie AuS*
gleicpsoorfcpriften ber Booelle gern entbehren mürben. $>ie din*
riepung ber Beiträge burep bie Kranfenfaffen unb fonftigen £>ebe*
(teilen bietet, roie immer mieber betont merben mup, bie befte ©e*
mäpr für bie orbnungSmäpige £>anbpabung beS ©efepeS. 28enn
fiep babei pier unb ba BeitragSmarfen anfammeln, bie mangels
BorliegenS ber Karte niept oermenbet merben fönnen, fo ift ber
in bem Bericpte ermäpnte AuSmeg eingnfcplagen, bap bie Btarfen
bemjenigen Anftaltsoorftanbe überroiefen merben, auf beffen Manien
bie ßuiitungSfarten lauten; bieS Dtittel pat fiep naep ben bisherigen
Beobadjtungeu burcpauS bemäprt, meil bie Btarfen bann fcplieplicp
bod) nod; gur richtigen Bermenbung gelangen.
0epr gu beflagen märe eS, roenn bie Bemühungen beS Beicps*
BerficperungSamtS, bic Arbeiteroerficperung beS beutfepen BeicpeS
auf ber ^arifer BkltauSftellung im fomnienben Sapre roürbig
unb einheitlich) gur Anfcpauung gu bringen, aus SBangel an oer*
fügbarem Baume fepeitern foulen, ds ift erflärlicp, bap bie Be*
rufSgenoffenfd)aften gegenüber bem Borfcplage, fiep an einer niept
ooHfiänbigen ober tn meprere getrennte Bäume gerftreuten Aus*
fteHung gu beteiligen, einftroeileit einen ablcpnenben Stanbpunft
eingenommen paben. ilnfere BeicpSregierung mirb eS poffentlicp
als eine dprenpfliept betraepten, mit bem nötpigen Bacpbrucfc
barauf pingumirfen, bap bie für anbere Staaten oorbilblicpen
0cpöpfungen ber beutfepen Sogialpplitif auf ber AuSfteHung an*
gemeffen unb überficptlicp oertreten Tinb.*)
Braunfcpmeig. oon granfenberg.
^ie Bcrfidjerttng gegen UrbetiSfoftgfeU pat eine Petition an
ben BeicpStag geforbert. Bei ber Beratpung in ber BetitionS-
fommifrion erflärte ber BegierungSfommiffar, biefe gnige befepäftige
bie oerbünbeten Begierungen fepon lange, inbeffen fei man in ber
facplicpen Bearbeitung noep feinen 0cpritt oorroärtS gefommen; eS
fei auep beSpalb noep niept in AuSficpt genommen, bie Sacpe bem-
näcpft gefepgeberifcp gu bepanbeln. Hm bie befonbere grage ber
fiaftcnoertpeilung — auf biefe rieptete fiep bie Bittfcprift — panbele
eS fiep jebenfaÜS noep lange niept. $ie Petition foll, mie auep ber
BegierungSfommiffar empfohlen patte, bem BeidpSfangler als
Btaterial übermiefen merben.
Unfattoerfidjcnuig itt ben Biebcrfanben« Aus Amfterbam
mirb uns gefeprieben: Bor längerer 3^it paben mir pier oon bem
Brojeft einer obligatorifcpe'n Unfalloerftcperung in ben Biebenlanben
beridptet. (Bgl. Soprg. VI, 0p. 1229.) Seitbem ift ber bamalS
eingebraepte dntmurf oon ber neuen Begierung in einigen Butten
abgeänbert, mieberum eingebraept unb nad) ben AuSfcpupberatpungen
ber gmeiten Kammer abermals geänbert roorben. ®ie drrieptung
einer BeicpS*BerficperungSbanf, bie §>öpe ber B^dmien unb ber
dntfcpäbigungen Tmb beibepalten; bie Karenggeit jeboep ift oon
fetps Söocpen auf brei perabgefept, unb bie Arbeiter foüen bas
Becpt paben, fiep auep für bie 30 % ipreS ßopneS, melcpe bei ber
dntfcpäbigung niept berücffnptigt merben, gu oerfiepern. S)urcp
0pegialaefep follen fpäter BerufungSrätpe eingefept merben als
pöpere §nftang gegen bie dntfepeibungen beS BanfoorftanbS. 2)ie
Arbeiter merben als 2Ritglieber ber BerufungSrätpe bei ber BoII*
giepung beS ©efepeS oertreten fein. Sept paben jeboep groei ber
größten unb als Arbeiterfreunbe auep im AuSlanbe befannte 3n-
buftrieöe (oan 9Jtarfen in $>elft unb 0torf in £>engelo) in einer
Abreffe ber gmeiten Kammer bargelegt, bap fie niept nur iprenAr*
beitern bei oorübergepenber Snoalibität ben gangen ßopn roeiter
gaplen unb bei bauernber Snoalibität fie für benfelben ßopn anber*
meit befepäftigen, fonbern bap auep bie obligatorifcpe Unfall*
oerpeperung ungeadptet ber dntfcpäbigung oon nur 70% bes
ßopneS ipnen meit mepr Koften oerurfaepen merbe, als fie jept
freimiHig gemäpren. S)aper ift es niept unmöglich, bap benjenigen
©ropbetrieben, bie bem 0taate beftimmte ©arantieen geben fönnen,
Ausnahmen oon ben gefeplicpen Berpflicptungen geftattet merben.
^ebenfalls mirb ber dntmurf in biefem Qapre noep ©efep merben.
Arbetterocrfifpernng in Bnplanb» SDie Berficperung oon
?yabrifarbeitern bei prioaten BerficperungSgefellfcpaften entroicfelt
fiep im fiiblicpen Buplanb in erfreulichem Btape, mobei bie ©efefl*
fepaften biefem Bebürfnip burd) drleicpterung beS BerficperungS*
mobuS fepr entgegenfonimen. 0o erpebt bie Buffifcpe Berfidpe*
rungSgefcllfcpaft oon je 1000 Bbln. 3aprcSlopn eine B^ämie oon
11 Bbln. unb übernimmt bafür niept allein bie Berpflicptung, bie
feftgefepte dntfcpäbigung an etma oerlepte Arbeiter gu entrichten,
fonbern auep biejenigen Summen, melcpe auf gericptlicpem Wege
in enifpreepenben fallen beftimmt merben, moburep bie Sabrif*
leitung oon allen Bfacfereien unb ber dntrieptung unoorpergefepener
Ausgaben befreit mirb.
3lrbeit5tttuJ)ttiete.
®ie Sage bcS beutfepen ArbeitSmarfteS im Februar pat fid)
feit Anfang gebruar noep roeiter gebelfert. $)ie 3iff e rn ber ArbeitS*
nacproeisoermaltungen meifen gegen ben Bormonat fomopl mie
gang befonberS auep gegen ben enifpreepenben BJonat beS BorjapreS
einen erpeblicpcn Bücfgang ber Arbeitfncpenben naep. 3^ N Äonat
gebruar 1898 fanien auf 100 offene Stellen 134,2 Arbeitfucpenbe,
im Sanuctr biefeS 3apreS 131, 6 , bagegeu im Qebruar biefeS 3apreS
nur lll,i. din folcper ^iefftanb beS Angebotes ArbeitSfucpenber
ift bisper eingig baftepenb. Bon 58 ArbeitSnacpmeifen meifen im
Bergleicp gum Februar oorigen 3aprcS niept meniger als 41 (4- 1
auSlänbifcper) eine Abnapme unb nur 14 ( 4 - 2 auSlänbifcpe) eine
3unapme bes AnbrangeS auf.
Arbeitsvermittlung im 3^ö^ cr 9 ctofr ^ f o” einer Borftanbs*
fipung beS ©emerfoeremS ber ^{icgler in IMppe am 1. BJäig in
s £>ic mir börni, beftebt eifienitcln* AusmbP biefer '^imfdj
in drfüUung gcljt. Tte 9ieb.
688
«Soziale ffrajis. Eentralblatt für «Sojialpoltttf. 9tr. 25.,
6s4
Detmolb rourbe bcr Entwurf ju * einer Eingabe an ben BunbeS*
rat!) oorgelegt, bafjingehenb, baß bei ber gefefelidjen Siegelung ber
Berhältniffe ber ArbeitSoermittelung, autf) bie ArbeitSoermittelung
in ber 3i f gdki s 3ubuftrie mit beriicffidjtigt roerben unb im 58e*
fonberen bie BermittelungSagenturen fongeffion§pf!id)tig gemacht
roerben möchten. D)aS Statut be$ am 1. April zu eröffnenben
2lrbeit^nad>roeifeö rourbe feftgeftellt. @8 rourbe befd)Ioffen, baran
feftzuhalten, baß ber Arbeitsnachweis ein paritätifd^er, b. f). non
Arbeitgebern unb Arbeitnehmern gemeinfam oerroalteter fein foH.
D)ie Berhanblungen beS ©eroerfoeretnS mit bem Berbanbe beutfdjer
Xhon*3nbuftrteuer haben zu einer Einigung geführt.
©täMifdjeS Arbeitsamt SRümhcn.
München roieS auf:
Stellen*
aitgebote.
1895 (2 STOonate). 2 689
1896 . 80 057
1897 . 34 726
1898 . 38 99 t
Das ftäbtifche Arbeitsamt
©teilen*
©teilen*
gefuche.
bejepungen.
9 661
1 965
47 008
25 586
41 002
28 855
54 994
32 336
Diefe fahlen geigen, welchen 5Rupen ein richtig geleiteter Ar*
beitSnadjroeiS ju leiften oermag. Die llrfac^en biefes Aufblühens
fanben bie §erren non ber Eentralfteüe für ArbeiterroohlfahrtS*
einrichtungen in Berlin, bie auf ihrer fünften JnformationSreife
München befugten, nach bem non Wilhelm Klebe, ©efretär bes
Anhaltifchen ArbeitgeberoerbanbeS, h^uuSgegebeiten Bericht u. A.
in ber ftrengen UnparteiUchfeit unb ber Eentralifation beS Amtes.
Der 58ericht fchreibt:
„Es muß lobenb heroorgeljoben roerben, baß es bas Alündjener
Arbeitsamt, banf einer zielberoußtcn unb nerftänbigen Leitung, nach ben
eigenen Porten bes lebten, streiten Jahresberichten „beute ber nad) Be*
nupung unb Bermittclungsthätigfeit bebentenbfte Arbeitsnachweis
Deutfdjlanbs" ift. Daß ihm biefes gelingen tonnte, bürfte wcfentUdj
auf jinei llmftänbc jurüdsuführen fein. Einmal auf feine unparteiifche
Stellungnahme in Siiobitfämpfcn, inbem es bem oott Arbeitgebern mtb
Arbeitnehmern gleidjcrmeife als gerecht unb richtig anerfannien föruiib*
fape hulbigt, beim Ausbruch eines folchen Kampfes fofort öffentlich be*
fannt z» machen, roo Differenzen sroifcfjen Unternehmern unb Arbeitern
befteben. Sobamt hat cs bie Leitung neben ihrer prinzipiellen ©tel*
lungnahnte für abfolnte Cbjeftioität in einer ber roicijtigften fragen bes
ntobernen BHrtbfdjaftSlebcnS oerftanben, burdj cncrgifdjc eigene Sffätig*
Feit unb cntgegenfommenbeS Verhalten ber betheiligten Greife firf> zu nt
Afittelpunft einer erfolgreich burchgeführten Ecntraiifming beS Arbcits*
nachroeifes für bas ganze Komgreidj Batjeru zu machen."
Der ArbeitSmarft in Unterfranfen. AuSgehcub oon bent Olebanfen,
bah bie Arbeitsämter nicht nur lofale SöohlfnbrtSeinrichtungcn, fonbern
auch foziale BcobadjtungSftatiouen fein follett, fügt baS ftäbtifche Ar*
bettsamt ©iirzburg ((tfcfdjäftsführer Jofeph Dhünn er) feinem
II. ©efdjäfteberidjt alle Erfahrungen bei, bie es im Berichtsjahre 1898
gemacht hatte. Der Beridjt ftidjt bamit roohlthuenb ab oon ben troefenen
fahlen, mit benen oielfad) bie Berichte firfj begnügen, unb leiftet einen
weiteren Beitrag ju ber Aichtigfcit ber Anfchauung, baß in ben füb*
beutfehen Einzelftaaten bas fozialpolttijdje Berffänbniß erftarte. „Bor*
ZugSroeife in Bauern hat," fo fagt ber Bericht, „bie föniglidje Staats*
regierung mit thatträftiger Unterffüpung berjenigett ©täbte, bie jept
.^auptarbeitSuermittelungsftellen befipen, eine Crganifation gefdjaffen,
bie burch ihre Eentralifation fo oerzroeigt unb zergliebert ift, baß fte
auf bem fojialen (Gebiete einen gerabezit heroorragenbett Bläh einnimmt.
Daburd), baß alle Oiemeinbebeljörbcn als Crgane beS ArbcitSnadjroeifeS
in Bauern beigezogen unb jnr gemeinfanten Mitarbeit an biefer groß*
artigen Schöpfung berufen würben, ift ber Arbeitsnachweis Z u nt felbft*
ftän bi gen Berroaltungszroeig geworben."
Das Amt BMirzburg ift bie Eentralftelle bes AegierungsbezirfS
Unterfranfen unb Afchaffenburg für foftenlofc ArbeitSoermittelung mämi*
lidjer unb weiblicher Arbeitsfräfte. Um bie Erhaltung unb Zuführung
oon Ianbroirthfd)aftlid)en Arbeitern z» förbern, follen bie Batanzcnliften
ber Eentralfteflc möglichft in allen politifrijen ftemeinben bes BezirfeS
angefchlagen werben. Als wnnfdienSroerth wirb bie birefte Berfenbung
— ohne Bermittelung ber Bezirksämter - bcr Giften an bie Olemeinbett
bezeidinet; bie bazu erforberlicfjeu Bortofoften oon über 1000 *//., um
800 (ttcmeinbrn z u oerforgen, müßten im Jntereffe ber länblidieu Ar*
beitsoermittelnng aufgewenbet werben. 47 Leitungen nnterftüpten baS
Unternehmen mit beftnn Erfolge. Das Amt beriicffidjtigt bie in ben
Leitungen angebotenen offenen Stellen ebenfalls. Befriebigt warben im
Bcridjtsjahre 62,s % Angebote nnb 88,4% Andjiragcn; nnihrenb ber
‘JOntonatlidien Dffätigfctt bes Amtes warben 12 145 oiefudje nnt ;pt*
weifnng oon Arbeitskräften nnb 9077 Otefudjc um Juweifuug oon Arbeit
geftellt unb 7303 Stellen befept. Beflagt wirb ber AJangel an BJarte*
nnb ©predjrätunen, insbefonberc für bie roeiblirfje Abtheiluug, bie
Diciiftboten. 43,5 °,'o ber (^cfudje bcr Dtenftherrfdjaftcn, 74,5 % ber
Dicuftbotcu warben erlebigt. Es zeigt firij alfo ein Atangel an Dienft*
boten. Aus 18 3täbtcn ift bem Amt ein SKangel au Diciiftboten mit*
gethcilt, theilweife fogar ein großer Ataugel. Aur ^anbsljut hatte eher
Üeberflnß als A?angel. Eine Tabelle giebt über bie ortsiiblidjeu Dienfi*
boten ziele nebft üiohnfäpeu für bie einzelnen Dienftbotcnfategorien in
ben fübbeutfehen ©täbten Afchaffenburg, Bamberg, Darmftabt, granffurt
a. 9Ä., ftreiburg (Baben), ^eibelberg, ^aiferSlautem, Karlsruhe, Bab
Äifftngcn, Äipingen, Btainz, Biannljeim, München, Aürnbcrg, AegenS*
bürg, 3djweinfurt, ©traubing, ©tuttgart, Ulm, BJiesbaben iinb S^ürz*
bürg Auffdjluß. ifaiferSlautern weift bie hödjftcn ©äpe für Köchinnen auf.
Aach Aufidjt beS Amtes fmb es nicht roirthfchaftlidfje unb öfono*
mifche (ilriinbe, weldje baS weibliche Bei'foual bent (^eftnbebienft eni*
Zieijen. Bon beit ftellenfudjenben Diciiftboten treffen nur ca. 12 % auf
t eborene ©täbter, wäljrcnb baS 2anb ca. 88 % au bie ©tabt abgiebt.
)a8 Amt fpricht bie Bermutljung aus, „baß ber A?angel ber häuslichen
Dienftboten noch fo lange befteljen wirb, bis ein Abftrömen oon Ar*
beiterinnen oon ben Jnbuftriebetrieben eintritt. Erft bann wirb eine
Beziehung z u fünften bcr fianbwirthfehaft eintreten, weil bann
wahrfcheinlidj oon ben ©teHenfuchenben auf bem 2anbc nunmehr ein
geringer Brozentfap in ben ©täbten aufgebracht werben fann. Dafe
ftch eine Berfdjiebung z um Bortheil ber Sanbwirthfdjaft mit ber 3°^
ergeben wirb, ift mit ©icherljeit anzunehmen; aber unftcher ift bie Be*
rechnung bezüglich beS ^eitpuntteS".
Die interlofalc OJefdjäftsthätigfeit madht erfreuliche gortfdjritte.
Die beigefügten reichlichen Formulare geben Arbeitsämtern, bie biefeit
BerFeljr in Ujre Dljätigfeit mit auf nehmen wollen, gute Anleitung. Die
Aefcroiftenoermittclung hat — ähnlich wie in Aiündjcn — einen
nennenSiocrthen Umfang nidjt erreidht. Aach ben Erfahrungen beS
Amtes fehren bie weiften Aeferoiften in ihre .£>eimaif) unb iljren Beruf
Zurücf, ohne ein Arbeitsamt in Anfprudj nehmen z» müffen. — Aeifc*
oorfdhüffc werben gewährt, aber feiten in Anfpruch genommen, ein
.Beweis oom ©tolz unb ber Eharafterfcftigteit ber .Ülienten beS Arbeits*
amteS. ©ie reifen lieber z» als baS Amt in Anfpruch z u nehmen.
Ein befonbercr Abfchmtt benennt ftd) „bie Sage ber 2anbwirth*
fdjaft unb ber ArbeitSmartt". Diefer wiberfpridjt ber Auffaffung, als
ob bie Eentralifirung bes ArbeitSmarfteS bie ^reizügigfeit befdhnitte,
[teilt eine Begleichung über bie s 2SoIjn* unb 2ohuoerhältniffe ber länb*
liehen unb ftäbtifche» ungelernten Arbeiter bzw. Dienftboten an, bie
nicht eben za Uttgunften beS 2anbeS ausfällt, nnb weift enblich auf bie
guten Erfahrungen hin, bie ©roßgrunbbefiper jenes BezirfeS bamit gc*
macht haben, baß fie ihren Dienftboten bur<h Bercitftellung oon
^ami lieuwohaungen bie (Hriinbung oon Jamilien ermöglidjt haben.
Arbeiterwohnungen müßten auf bem 2anbc errichtet werben, unb ba*
burdj tonnten auch bie Kapitalien ber BerficherungSanftalteit in ganz
nupbringenber Steife angelegt werben. Diefclbe Maßnahme ift bei ben
Berhanblunöien über bie 2eutenoth im Bi’eußiidjeu Abgcorbiietcuhaufe
oom Bicepräfibenten beS ©taatsminiftcriumS Dr. o. AJtquel, unb bem
uationallibcrnlen Abgeorbueten unb Sanbwirth ©eer empfohlen worben.
Die Bermehrung ber Arbeitsämter würbe weiter bazn beitragen, bcr
2anbwirthid)aft Arbeitsfräfte z« erhalten unb zuzuführen. Die ©täbte
Afchaffenburg unb ©djweinfurt z- B., bie feine Aernter befipen, fämen
für bie fleißigen Bewohner bes Ahött unb bes ©peffart in Betracht, bie
fo gezwungen wären nach ftranffurt a. A?. unb Aiimberg zu roanbern,
um Arbeit zu finben. Ungelernte Arbeiter feien feine ^reunbe großer
^anbertouren.
AHt bem Amte war eine AuSfunftsftetle für bie ©ozialgefcpgebuug
oerbunben.
Das Amt entmicfelt fidj erfreulich. Es wirb allmählich bie ge*
werbSmäfjige Bermittelung oerbrängen. Bon ben 3000 Dieuftljcrr*
[(haften ber ©tabt SSürzburg benupten es fd;oit 2351.
Äöljaujigsaieftn.
Mangel an fleinen B^ohnnngen in SRagbeburg. Das ftäbtifche
ftatiftifche Amt in Aiagbeburg giebt in ,J>eft 8 feiner „Aiittfjei*
lungen" Anffchlnffe über ben ©tanb ber Wohnungsfrage. Es
roiro barin eine ganz bebentenbe, rapib eingetretene Berfchlechterung
ber Berhältniffe feftgeftellt. J[n ben lepten oier fahren ift bas
©ohnungSangebot oon 3522 auf 617 zuritifgegangen, eine Ab*
nähme, roie fie unter ben größeren ©täbten, bie berartige Er*
hebungen regelmäßig oeranftalten — es fitib bicS unfereS WiffenS
Köln, ßiibecf, Hamburg, Königsberg, Leipzig, D)reSbeti, ©tuttgart
— in ähnlichem Umfange niir noch in Leipzig feftzujtellen ift.
©rabezu rapibe roar in ARagbeburg bie Abnahme bcS Angebots
an fleinen Wohnungen: oon 2053 int Jahre 1894 auf 176 im
Jahre 1898. Aber auch felbft biefes geringe, fdtjon an fidj oöUig
ungeiutgenbe Angebot — es ftcllt nur 0,n2% ber oorhanbenen
| fleinen ©ohmmgen bar — ift, roie befonbere Ermittelungen er*
: gaben, zum Dl)etl auf llnocnntethbarfeit in Jolge befottberer
i Aiängel ^urüif^ufübren. Jn einzelnen D heilen bcr ©tabt, ift ber
j Atoft an Heineren Wohnungen faft oollftänbig crfdjöpft. Aber auch
; bei ben Aiittelroohnungen mit zroei bis oicr heizbaren 3tmmern ift
j bie AngebotSminberung fcljr ftarf. D)ie BeftimmungSgrüiibe biefer
: Entroicfelung finb roefentlid) barin zu erblicfen, baß' bie Brobuftion
; Heiner B^ohnüngen and) nod) nad) erfolgtem Aufbraitd) bes Bor*
i ratl)‘S bcr früheren Jahre nur für einen fleinen Brud)tl)eil beS
KonfuntS ©orge zu tragen fortfuhr. Bon ber gefamtnten Bro*
i buftiott ber lepten fedjs Jahre tm Betrage oon »o 'Bohnungen
686
685'
0ogiale ^ßrajfis. ©eniralblatt für Sogialpolitif. Ar. 25.
entfällt nur ein Keiner SBrudjtfjeil non 7 , 7 % auf Bie Qerabe am
meiften Begehrten Keinen ©oBnungen, ebenforoenig B a * fte bem
SBebarf Keinerer dÄittelroohnungen auSreid)enb entfprochen. „Aach
Adern", fagt bie „SAagbeb. 3*9-" „ift Bie Signatur ber SAagbe-
Burger SBoBnungSfrage in bem nun fchon im größeren £f)eil ber
Staot BefteBenben Mangel an fleinen Ouartieren gu er*
Bliefen. ©S roirb mit aller 23efcBleunigung auf umfangreichere
©rftedung Keinerer ^Bohnungen SebacBt gu neBmen fein, bantü
unfer gerabe in ben lefeten 3aB**n innerlich fo oerheifeungSood
fi<B entroidfelnbeS ©emeinroefen oor jenen Schäbigungen Bewahrt
BleiBe, bie ein cBronifcBer 2BohnungSmangel ftets im ©efotge führt."
Arbeiterioohnnugen in ^ottanb. SSoh ber „Adgemeinnüfeigen
©efedfehaft" (Maatschappy to Nut van ’t Algemeen) finb oor
einigen Wochen Abgeordnete non Vereinen, bie fid) mit ber
SBohnungSfrage befdjäftigen, nad) Amftcrbam Berufen, um eine
„centrale Äommiffion für juriftifchc, öfonomifihe, ted)nifd>e unb
finanzielle ©utaefiten über bie Arbeiterroohnungen" gu Begrünben.
Die Stommiffion BefteBt aus fünf SKitgliebern unb bereit Stedoer-
tretern. 2113 Sßorfifeenber ift Dr. £). fi. Drucfer, Abgeorbneter
ber groeüen Kammer, al3 SRitglieber ein SBaumeifter unb ein
Sinangmann, ein Arbeiter-Baugenoffenfchaftler unb eine Auffeherin
non Arbeiterroohnungen, al3 Stedoertreter groei Söaufadjoerftänbige,
ein ©enoffenfdjaftler, ein Arbeiter unb ein weiblicher Argt ernannt
roorben. Die ftommiffion roirb über iBre Drganifation unb iBre
Arbeit bemnäcBft ben Abgeorbneten ber Vereine einen Antrag oor-
legen unb roirb fpäter mit bem gu errifBtenben Sogialen
SAufeum in SSerBinbung treten.
ftleinljaiiS * ©efefe in ©nglanb. ©in non un3 fd>on oor ge¬
raumer 3«it angefünbigter ©efefe&itrourf, Small Houses Bill ge¬
nannt, ift am 14. SAärg im UnterBaufe gur erften £efung gelangt.
Danach füllen bie SoFalbehörben gur ÄreMtgeroäBrung an ^erfonen
ermächtigt roerben, welche bie non ihnen bewohnten Keinen Käufer
gu ©igenthnm erwerben wollen. Diefe 23id erftrecFt fid) auf ©ng*
lanb, Sdjottlanb unb Srlanb unb ift nicht obligatorifd), fonbern
fafultatio. Der SBertl) BeS fmufeS barf 300 Sftr. nicht überfteigen.
Die non ben £oFalbehörben gu leiftenben SSorfcBüffe finb auf oier
fünftel be 3 SlaufjdjidingS BefiBränft. Die Vorlage entBält Feine
23efdjränfung Binfidjtlid) ber ©efedfdjaftsflaffe ober ber 23efd)äftignng
be3 Käufers. Die Soften für bie Durrf}führung be3 fjSrojeFteS
bürfen 1 $ennp pro Sßfunb ber £oFalabgaben nicht überfteigen.
Die Vorlage fdjlägt ein BiHige3 unb leicBte3 Spftem be3 $er-
!aufe3 unb ber Uebertragung be3 fÖefifeeS oor. — Der SSater be3
©efefeeS ift ©hamberlain. Subeffen ftofeen feine SSorfcfiläge auf
SBiberftanb in ber ArbeiterbeoölFeruitg. 2Senigften3 fagt „Dailg
(SBrouicle": „2Bir glauben, bafe bie SAeferheit ber Arbeiter, bie ben
Bebingungen be3 mobernen £cbenS unterliegen, ben Skfife eine3
eigenen £>aufeS nicht roünfcfit; biejenigen aber, bie anberer Anficf)t
finb, haben reichliche (Gelegenheit, burdj 23augefellfcf)aften unb ©e-
uoffenfcBaften eigene Käufer gu erwerben."
dcjieljung unb fiUbung.
DroBettber Mangel an fieBrfräften für bie ^d^erest ürBranfialten
in $renfien,
HudB in biefer 3«itfcBnft Babe icB oor meBreren 3aB r ßn barauf
Bingeroiefen, bafc mit bem 2lblauf be3 3aB*Bunbert3 ßin SKangel
an SeBrfräften für bie Böfieren SeBranftalten in ^reufcen em-
treten roerbe. SSiel 3uftimmung Bat biefe Stufftellung bamal3
nicBt gefunben. Sat oorigen 3aB« bat bann ^rofeffor fiefi3
barauf Bingeroiefen, bafi bie amtlicfien 3[nciennität3liften oom
1. Sanuar 1898 gegen bie ßiften nom 1. 3Kai 1897 bereits roieber
eine 3 unaBme ber £)ülf3leBrer ooit 1294 auf 1311 erfahren Baben.
„3m ©angen geigt fid) alfo Bereits roieber eine 3nnaBme ber
ManbibatengaBl" fügte ^rofeffor £efi3 Bingu. 1 ) 3n bem ,,^äb.
SSocBenblatt", öeipgig 1899, $lv. 13 Babe icfi bemgegenüber ge¬
geigt, bafi bie3nnaBme oom 1.3Kail897 Bi3 gum 1.3anuarl898
fuB feBr rooBl oertragc mit einer SlbnaBme im ©angen, roie ber
Befannte Slunge-^alenber oon 1898/99 fie erFennen liefe. Die
neuerbingS ü er offen tlid^ te n amtlichen 2 lnciennitätSliften für ben
1 . 3Rai 1898 geigen tBatfäd)lid) auch eine 2lBnaBme ber $ülf3-
leferer oom 1 . ußai 1897 Bi3 gum 1 . 3Jtai 1898 um 161.
(1294—1133). SRacB bem Äunge-Äalenber waren am 1. 2)2ai 1898
im ©angen 692 §ülf3leBrer, ^robeFanbibaten unb Seminar*
mitglieber ooübefcBäftigt unb ooflbegaBlt, roäBrenb 103 eine ge¬
ringere SegaBlung erhielten. ©3 waren alfo nur noch gegen
340 |>ülf3leBrer ohne (BegaBUe) 23ef<Bäftigung oorBanben. 9iun
finb in ben 272 Safiren oom §erbft 1895 Bi3 gum 1. 9Rai 1898
na^ 2lu3roei3 be3 £ungc*$alenber3 im ©angen 830 ^ülfslefirer
entroeber befinitio angefteüt roorben ober anberroeitig abgegangen.
Die 3aBü ^cr in $reufeen befinitio angeftellten ßeBrFräfte wäre
noch BöBtt/ rociin Bie üoflBefdjäfhgten unb ooDBegaBlten
§ülf3fräfte auefi im lefeten SaBoe roie m ben oorBergefienben
roieber fdjneder gugenommen Batten, al3 bie 3afil Ber befinitio an-
S eftellten fiefirer. Die 3 una Bme ber erfteren Beträgt naefi meiner
läBlung 1897—1898 ungefähr 8 , 5 %, bie ber lefeteren nur 1,9%.
2Benn in ben groei SaB^en oom 1. 9Kai 1898 Bis gum
1 . 9)tai 1900, roie es roaBrfcfieinticB ift, ungefähr eben fo oiel fdjon
oorhanbene befinitioe Steden erlebigt unb neue eingerichtet roerben,
unb gubem ungefähr eben fo oiel §ülfslehrer anberroeitig (in
Hamburg, Sübetf unb anberen nichtpreufeifcfeen ©ebieten, foroie an
höheren 3Käbchenfthulen) Slnftedung finben, als in ben oorher»
gehenben groei Safiren, fo roerben gegen 650 §ülfslehrer angeftedt
roerben, Begro. anberroeitig abgeBen. 33iS gum 1. 3Kai 1900 Fönnen
aber BöcBftenS bie am 1. 3&ai 1898 oorhanbenen 293 $robe*
Fanbibaten unb Seminarmitglieber anftedungSfähig roerben. Dar¬
nach merben alfo etwa 360 ,£>üIfSleBrer mehr aus ben Siften oer*
fchroinben, als bagu Fommen, b. %. am 1. 2J?ai 1900 roirb ber
heutige Ueberfihufe an «ipülfsFräften, Bei welchem ein empfinblicher
Mangel in manchen gädeti fich fchon gum SfcachtBeil für bie
ßehrer roie für bie Scfeüler fchroer BemerFBar macht, einem ad*
gemeinen Mangel $lafe machen, roenn es nicht gelingt, ben „anber-
roeitigen Abgang an ^iilfslehrem" mögiiehft gu oerringeni. Dies
Faun aber nur gefdjeBen, roenn oon ben oorhanbenen ^ülfslehrem
eine feBr grofee ÖngaBI fchon gu Dftern biefeS SaB^eS eine
befinitioe 2 lnftedung finbet, fo bafe für alle bie SluSficht, an
preufeifchen höheren fiehranftalten befinitio angeftedt gu roerben,
fefir nahe gerüdt roirb. Dann bürften oerhältnifemäfeig wenige
©ülfslehrer anbere Steden annehmen, unb ber Mangel an £eBr-
Fräften roirb für bie preufeifche UnteftidBtSoerroaltung nicht gu
grofe fein.
©ang wirb ber Mangel aderbingS auch Bann uidjt ausbleiben,
obwohl ^rofeffor ßeyiS bie 2lnficht auSgefprochen Bat, bafe „anftatt
eines Mangels oielmefer ein übermäfeiger 3uBrang gu bem Böfiern
Mehrfach in 2lu3ficht ftefee" ( 1 . c. S. 93). Die 3unaBme ber
Abiturienten, auf welche Sefis Binroeift, Fann fich noch nicht fo
halb BemerFBar machen, unb gubem fteht ihr für bie 3 u hmft eine
gewaltige 3nnaBme beS 2lbgangS an ÖeBrem gegenüber. 2Senn
ich früher aus bem Alter ader £ehrer, welche 1895 im 2lmte
roaren unb bem Alter ber £ehrer, welche 1894—1896 burch Dob
unb ^enfionirung abgegangen finb, mit einer für berartiae fragen
Binreicfienben Sicherheit berechnet Babe, bafe im ^afergehnt
1897—1907 roenigftcnS 1000 EberleBrer mefer abgeBen roerben,
als im oorhergehenben SaBrgehnt, 2 ) fo roerben biefe 23ered)nungen
burch bie Angaben oon £egis unb Scfiröber 8 ) über baS Alter ber
DireFtoren unb DberleBrer beim Dobe ober ber ^enfionirung im
lefeten SaB^gehnt nur beitätigt.
Das Streben, bie jefeigen ^ülfsleferer burch mögiiehft Be*
fchleunigte befinitioe Anftedung ben preufeifchen höheren Unterrichts¬
anftalten gu erhalten, ift um fo berechtigter unb nothroenbiger,
weil eine ©ntlaftung ader ßehrFräfte begro. eine SSerminberung ber
StunbengaBl burch bie heutige frühe Abnufeung ber £ehrFräfte
immer gebieterifcher geforbert roirb.
Reifee. ©. ,f)ucFert.
Ctternrifdie 3Ut}etgen.
Drucffachen ber Äomntiffiou für Arbeiterftatiftif. 2>crf)anb=
Iimgen Ar. 16. ^rotofode über bie ^erhanblmigcn ber 51om-
ntiffion für 2lrbciterftaüfti! oom 17., 18., 19. unb 21. Aou. 1898
unb bie SSerneBmiutg oon Auofunftsperfoneu über bie ^erhältniffe
ber in ©aft- unb SdjanfinirtBfcBaften befchäftigteu fcrfoncu.
Berlin 1899, Carl §ei)manns Verlag.
Aeue 2)cutfchc Aunbfchau. |>cft 3. SAärg 1899. Berlin, S. gifcher.
^?reiS 1,50 M.
The Quarterly Journal of Economics. Vol. III. Jan. 1899. No. 2.
London, Macmillan & Co.
Die ^efolbungsocrhältuiffe ber fieferer an ben höheren Untrrridjts-
anftalten ^rcufecnS. 3ena, gifefeer. 1898, 0. 99.
2 ) Blätter für höheres Sdjulroefen, 1897, Ar. 4—6.
3 ) Der höhere fiebrerftanb in ^reufeen, feine Arbeit unb fein Sohn.
Äiel 1899.
«erantiDortlit5 für bie Äebaftlon: Dr. Cm ft Stande tn Berlin W., »agreutljerftrafee 2U.
HST ©ojiale $ra$i8. ßentral&latt für ©ojialpolitif. 9h:. 25. 688
Sic lürari«*' erfdjeint an jebcm ©onnerStag unb ift bur$ alle Sucbbaitblungen unb fpoftämter {^oftjeitungSnummer 7072) ju bejfefjett. Ser greift
fiit ba8 Siettelja^T ift 9Ji. 2,50. Sebe Kummer foftet 30 $f. ©er Änaeigeitpret« ift 60 $f. für bie breigefpaltene ^3etit^eile.
$0tbtn erföienen:
Grundriss
(S»tiCttf|ß uni in «1.
SBoit
Dr. tttetor Htataja,
!. !. SDhniftcrialrat in SBten.
(©runbrifj be8 Defterteid&ifdjen SRei^tS in fgftematifdjer SSearbeitung III. 5)
- «Preis 3 SW. 60 *|Sf., geb. in fieinroanb 4 SK. 20 «ßf. -
Das Recht d« Schadensersatzes ß r0$$m agazine * *
vom Standpunkte
der Rationalökonomie. % Kleinhandel.
tHctov Htataja*
1888. «ßreiS 4 2K. 40 «Pf.
tHctor Htataja.
1891. «Breis 2 «DI. 40 «Pf.
<*»» §u Befrieden öuv<$ aCCe J>ortiOTe«f»6ttd?$att&fttnge«. «e»
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
Wörterbuch der Volkswirtschaft
in zwei Bänden.
Bearbeitet von
Prof. Dr. von BELOW-Mnrburg. Prof. Dr. M. Biermbr-< d eifswald.
Prof. Dr. van her Borüht-A achen. Prof Dr. Karl Bui HEK-Loipzii:, Geh. Keg.-R it Prof. Dr. Ludwig
El stkr -Berlin, Grh. Med.-Rat Prof. Dr. Flügge - Breslau, Prof. Dr. Fuchs- Freiburg i. Br., Geh. Reg.-Rat
Prof. Dr. Freiherrn von der Goltz-Boui», Gerichtwerretür und Privatdoccnt au der Universität Dr. CARL
GkÜN BERG- Wien, Privatdoccnt Dr. Max von HHCKEI.-Wiirzburg, Forstmeister Dr. |i NTSCH Hann.-Münden,
Bergrat LenGkmann, Ilirector d. K«.d. Berginspektion, Clausthal, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Lt-xis-Göttingrii,
Bibliothekar Dr. PAUL Liefert-B erlin, Prof. I)r. LOT7 München, Prof. Dr. MtscHLER (.iraz, Landgerichts! at
Dr. NEUKAMf-Geittintren, Prof. Dr. PlERS TORFE-Jena, Prof. Dr. RATHGF.N-Marburg, Hofrat Prof. Dr. ScilANZ-
Würzburg, Dr. Schott, Vorstand des stat. Amtes, Mannheim, Prof. Dr. Skring -Berlin, Dr. Wirminghaus,
Syndikus der Handelskammer. Köln, Konsul Dr. Zimmermann Berlin, Prof. Dr. Zuckerkandi.-Pi.io;,
herausgegeben von
Prof*. Dr. Ludwig Elster,
Geh. Reg.-Rat und vor tragend. Rat im Ministerium d«-r Geist I., Unterrichts- und Medicinalangelegenhciten
in Berlin.
Das Werk, welches sofort vollständig bezogen werden kann , erscheint,
um die Anschaffung zu erleichtern, auch in 20 Lieferungen zum Preise
von je 1 Mark, die bis zum 1. November 1899 zur Ausgabe gebracht
werden im Gesamt-Umfange von 133 Druckbogen. Preis für das brosch.
Exemplar 20 Mark, elegant ln halbfranz gebunden 25 Mark.
Jlrbr ttr ritr r | trljr rang
nadj öftcrreic^ifc^ent Recht.
Bon
|L plrit}cl.
1893. fttiS 10 3R«tf, getunben 12 Watt
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel in Berlin W.
Zusammenstellung
der
Entschädigungssätze,
welche das
Reichs-Versicherungsamt
bei
dauernden Unfallschäden
gewährt hat.
Zweite Auflage.
-- 1899. Preis 1,20 Mk. -
crantroortlLl) für t>te ?in»c;gcn: vcUumti) t&cibel, ßeipjig. — äkrlag uou Xuncfer & $umblot, ßcipsig. — Ocbructt bet gulluS Sittcnfclb, Serliit
V’IIf. falprgang.
©erlitt, ben 30. SKärj 1899.
Stummer 26 .
Soziale prarts.
{$enf*a£6fatt für ££>ogialpofifiR
mit ber SRonatSbellage:
Das ©etoerbegericht.
®rgatt bes Derbanöes beutfdjec (Betoerbegeric^le.
SRcue golge ber „Blätter für fogtale spwqriS" unb beS „©ogialpolftifcben (SentralÖlattS*.
CK ithm »•wirrfl«|. ^ecauSgeber: freu HierietjilflUI 2 IR. 50 ff.
SRebaftion: Berlin W., Vabreutberftraße 29. Df* Ctllft IffDtlht ©erlag bon SDumfer & Humölot, Selpglg.
3«balt.
Der Atbeiterfchufc in bei Aon«
feltion unb Dertoanbten Be¬
werben. ©on Affeffot Dr. Alfreb
Söeber, (Short Ottenburg .... 689
iUtflcwctetf »|tol* ««5
»•Uttt.694
©osialrefotnter unb ®ewalt*
politifer in ©eutfchlanb.
©er ©lan eines nationalen
©erföhnungSamteS in Eng«
lanb an bem Söiberftanbe bet
Unternehmer gefch<üert
ArbeitSftatiftifche Erhebungen in
Defterreich.
«•Stole 3»mnbe t .698
©ie Sage in ber ©efafcftein*
inbufttie be« SfergebirgeS.
©on Stöbert ©teufcler, ffiien.
8efd)tönfunfl ber Öffentlichen Suftbar«
feiten im IRheinianbe.
«tfettetictoetniif.700
Elfter beutfchet ©auarbeiter«
f<huh*£ongte|. ©on ®. $aube,
©erlin.
©er brüte Aongrefe ber ®ewetff<haften
©eutfchlanbS.
©eneraloerfammlung ber ©erbänbe
ber Zimmerer unb ber ©fernerer
©eutfchlanbS.
©ermittelung im Ärefelber Söeberflreif.
UnS ber Arbeiterbewegung in ©erlin.
©er oierte beutle .fcanblungSgebllfen*
tag.
©ereinbarung atoifdjen Arbeitgebern
nnb Arbeitern ber Spinnerei bon
Sancafhire.
Bewegung unter ben £anbelSgel)ilfen
oon ©aris.
WMeiUrVm .706
Schüfe ber ^anbelSangefteQten; obli»
gatorifcfeer Sabenfchlufe.
Arbeiterfchufe in ber Shierhaarinbuftrie
gegen ©iilabranbgefahr.
Shftematlföe Bearbeitung bon Arbei«
terfchufebeftimmungen im 9tei$Samt
beS Innern.
EifcnbafenarbeiteTftfenfe in-^ollanb.
VvbetteunevfUtevtm«. «pftrtaffen 707
Sinb^auSberwalter unb^auS*
Warte berfidjerungSpfltdjtig?
©bligatorifche Arbeitsoerficherung für
©ienftboten in Söien.
ftäne für eine ftaatltc&e AlterSoer*
forgung in Englanb.
flviettiBn«t»ct5.709
Stübtifche ArbettSnacbweiSftelleSBormS
1898.
ßur ©rganifation beS ArbeitSnach*
roeifeS.
We tomto ef«.710
©er (Entwurf eines allgemeinen
©augefefeeS für baS ftönig*
reich Saufen, ©on Dr. $aul
©oigi, ©erlin.
•fStolnng muh muhrnm .712
©et Schüfe ber 3u0*nbltefeen bar ©er*
roljung; ©erhanblung im preufeifcfeen
Herren häufe.
AuSbehnung ber »olfSthümUchen
fefeulfurfe in ©eutfdjlanb.
ftrcroenftnbium an ben beutfcfeen Uni*
berfttäten.
©er granffurter AuSfefeufe für ©olfS*
borlef ungen.
S$ulpflid)t in $oHanb.
©ewerbegeriifite. Sitsig« nt Sünder.
MiebOgerURte.714
©ochmalS ein ©eitrag surAoni*
petenjer Weiterung ber ©e»
Werbegerichte. ©on 5R. bon
Schulj, ©orflfeenben beS ©ewerbe*
gerichts Berlin.
Ablehnung ber Errichtung eines ®e*
Werbegerichts in SBeinheim.
tHttncrifRi Haarigen.718
Abbrad f&mmtlicher Artifel tft Bettungen nnb Settföriften geftattet, feboch nur
mit bollet Quellenangabe.
Her 3UbeiterfiJ)tt1j tu ber ßonfehtton nnb ner-
umnbten •enterben.
2)em VeübStag liegen gur Qtxt non grnei ©eiten Vorfdjläge
gur Regelung ber HauSinbuftrie oor: non ber ^Regierung bte
Vooelle gur ©etoeroeorbnung, bie fi<b in einem igrer Artifel
fpegiell mit ber $onfeftionStnbuftrie unb nertnanbten ©emerben
befafct, unb non ©eiten ber nationalliberalen fjraftion ein Antrag
gepl n. Herrnsheim unb ©enoffen oom 12. ©eiember norigen
Saures, ber tbeilroeife parallele, tbeiltoeife aber fepr niel roeiter*
gebenbe Seftimmungen für bie ^auSinbuftrie enthalt. 93eibe ©nt*
toürfe geben in ihren SSurgeln jurüc! auf ben $onfeftion$arbeiter«
ftrei! non 1896. $>ie SSorfcbläge ber ^Regierung finb ein £b e ü
Programms, mit bem bie ^ommiffion für Slrbeiterftatiftif ihre bureb
biefen ©trei! neranlabten @rb e & u ngen abfcblofe; fie mürben guerft
etma gleicbgeitig mit bem @rlab ber aus bemfelben Programm
entfprungeneit SÖunbeSratbSoerorbnung über bie ^onfeftionSiubuftrie
bem Sfteidjstag noraelegt, ohne bamals (Frühling 1897) erlebigt
ju merben. ßbenfo mar ber Antrag §>epl bereits bem norigen
itteicbstag unterbreitet, unb autb er ift nur ber roeitere Ausbau eines
febon in ber 3eit bes ©treifeS fcfjnell guredjtgemacbten ©elegen*
beitSantragS. ©eibe ©ntmürfe finb alfo red^t gut „abgelagert".
&ietnanb roirb non einer mangelhaften Vorbereitung, gumal ber
VegierungSnorlage gegenüber, fpreeben lonnen.
Srohbem merben nun in Solgenbem gerabe nad^ ber te<bnif<beit
©eite an bie norgefcblageuen Veftimmungen 3rocifel gu fnüpfen
unb biefe 3roeifet oielfadE) gur ©runblage ber gefammten ©etraebtung
gu nehmen fein. ®S liegt baS einfach an ber SRaterie. S)ie gefep*
geberifibe Vebanblung ber ^auSinbuftrie ift an fidf) burebaus nic^t
btofj ober auib nur norgugSroeife ein Noblem ber ©efebgebungS»
teebnif, fie mirb aber gerabegu ein $reiSrätbfel berfelben, menn
man [\t ohne ben @ntf<blufj, eoentuett bis gu einem beftimmten non
ben gegenroärtigen 3uftänben nielleicfft giemlicb meit abliegenben V«üft
norgugeben, anfafet. ®as Sehlen eines berartigen ©ntfibluffeS ift
ber $ern ber Äritif, bie fomobl an ber HiegieniugSoorlage mie am
Slntrag g>epl mirb geübt merben müffen.
@S ift befannt, bah bie VunbeSratbSoerorbnung oom 31.Vtoi
1897 bie SlrbeitSgeit ber Söerfftattarbeüerinnen unb ber in 28er!*
ftätten tbatiaen juaenblicben Arbeiter ber Äonfeftion gefeblitb ge*
regelt unb Damit oen roid)tigften 3 roe iö ^ cr weiblichen bouSinbu*
ftrieHen ^bätigfeit unter baS ©efeb gebracht bot, fomeit baS bureb
bie einfache 9luSbebnung ber Sabrifgefebgebung möglich mar. @s
ift nun ber SluSgangSpunft bes gegenmärtigen gefeilteren Vorgebens,
bafe bamit febr* menig erreicht ift. Vor ber Verorbitung mar bureb
bie beftebenbe Sobrifgefebgebung bie SlrbeüSgeit für etma 32 000
Arbeiterinnen ber ÄonfeftionSbrancben geregelt. §eut ift fie es,
menn ich richtig febäbe, für etma 60 000, in ber ©aifon oieUeidE)t
20 000 Arbeiterinnen, alfo für nicht oiet mehr als hoppelt fo oiel.
©ie ift nach mie uor ungeregelt für etma 15 000 gumeift Heine
unb baber übermiegenb ebenfalls fdjubbebürftige 3wifrf)emneiftcrinnen
unb bereu Somilienangebörigeit, fomie für bie ©ebaaren ber ein*
fachen Heimarbeiterinnen, bie man, je nach ber Örudjtbarfeit feiner
$bontafte, ba alle ftatiftifeben ©runblagen fehlen, auf 50* ober
1 Ö0 000 oeranfcblagen fann. Sür fämmtlicbe — auch bie ge*
febüpten — Arbeiterinnen ift an ber funbamentalen Cobnfrage
aar nichts geänbert, unb felbft ber ArbeitSgeitfcbub, ben man ber
fterfftattarbeiterin brachte, ift problematifcb, oa man fie mobl
oor ArbeitSüberlaftung in ber 28erfftatt, nicht aber oor einer
Uebertaftung, bie möglicherroeife in ber ©eftalt oon Vtitgabe oon
Arbeit nach H öuS f tc b baran anfcbliefjt, gefebübt bat. S)ies ift bie
©ituation, ber bie VegierungSoorlage, mit ber im Solgenben bie
691 Sogtale $ra£t3. ©eutralblatt fiir SogialpolttiF. $r. 2(5. 692
paradellaufenbeit Xßeile beS Antrags ,g>ei)I gufammenbetracßtet
werben füllen, gerecht gu werben oerfucbt. Sie tßut baS, inbem
fie notbgebrungen über baS ©ebiet ber Söerfftattarbeit hinaus unb
in bas (Gebiet ber Heimarbeit ßtrteingreift, unb fie ift baßer, gang
abgefeßeit oon ißren unmittelbar praftifdßen folgen, wichtig als
©ingeftäitbniß, baß bie ber SSerFftättenregelung über fuß
felber binwegfüßrt unb baS Problem ber Heimarbeit nidbt gu um*
geben ift. ©S fragt ficß, wobin bat bie Regierung biefe ©rfenntniß
geführt?
Sie bat gunäcbft gu einem, wenn auch oorficßtigen Anfaffen
ber fioßnfrage geführt. $>ie tfommiffion für Arbeiterftatiftif batte
oerlangt, baß für 953erfftatt* unb Heimarbeiterinnen „überall burcb
Tarife, fioßnbücber ober ArbeitSjettel eine fidlere ©runblage beS
ArbeitSoerßältttiffeS gu fdßaffen fei". Auf ©runb biefer gorberungen
fiebt bie SdegierurtgSoorlage unb äßnlüb b$r Antrag H e 9^ öor,
baß ber BunbeSratß „für bie Kleiber* unb 353äfd)eFonfeftion unb
anbere ©ewerbe, in benen bie Unflarßeit ber ArbeitSbebingungen
gu Vtißftänben geführt bat", fiobnbücßer, unb ArbeitSgettel
einfübren fann,
„in welken 5lrt unb Umfang ber übertragenen Arbeit, bet
AFForbarbeit bie Stürfgaßl, ferner bie Sobufäße unb bie
Vebingungen für bie Lieferung oon SBerFgeugen unb Stoffen
gu beu übertragenen Arbeiten oon bent Arbeitgeber ober bem
bagu BeoolImäd)ttgteu eingutragen finb."
®ie £oßnbü<her ober ArbeitSgettel, bie man fo einfübren will,
füllen in ben Hänben beS Arbeiters bleiben unb burcb Straf*
beftimmungen gegen etwaige mißbräuchliche Berwenbung gur .Stenn*
geicßnung DeS Prägers bewahrt werben.
3föan riebt, es banbeit fid) äußerlich nicht um eine materielle,
fonbern nur um eine lebiglicb formale Suteroention in bem Sohn*
btlbutigSprogeß, unb gwar nur um eine folcbe, bie felbft bem Ab*
georbneteit dichter, bei ber Beratßung ber analogen föooede 1897,
„harmlos" erfcßien. ©ine llntftülpung ber bisherigen Verßältniffe
werben bie Vorfcßläge, wenn fie ©efejj werben, benn and) fidjer
nicht bringen. Sie werben aber hoffentlich gang fo harmlos nicht
fein, wie fie fcbeinen. ©S ift gu baffen, baß ihre materielle
V3irfung hoch weiter geben wirb, als nur bis gur Vorbeugung
gegen etnige inbtoibucde £obttüberoortbeilungen unb £oßnftreitig*
feiten. ©rfüHen fie ihren 3mecf — ben 3metf, ben audj bie $om*
miffion für Arbeiterftatiftif ohne 3frage gewollt bat —, fo wirb
ihre Solge bie AuSbilbung eines gleichmäßigen, burcb
gange Branchen binburebgeßenben £oßnnioeauS fein.
Hub baS wäre bie erfte ©runblage gu einer fünftigen, fei eS burcb
Selbftßülfe, fei eS burcb ftaathehen 3*aang erfolgenben plan*
mäßigen ©inwirfung auf bie £obnßöbe.
freilich ift bagu eins nötßig! ©S muß außer ber gi^irung
ber £ößne auch bie Publicität ber fifirten £oßnfäße berbeigefübrt
werben. Schon burcb bie ©infübrung oon £oßnbüd)ern unb
Arbeitsgettelu wirb baS bis gu einem gewiffen ©rabe erreicht, ©in
eigentUd) wirffameS Mittel würbe aber nur ber 3mang gu Tarifen
fein, bie in ben 353erfftätten unb ArbeitSauSgabefteden auSgeßängt
werben muffen. Sie würben bettu auch oon ber ^ommiffion für
Arbeiterftatiftif oerlangt.
$>ic 9tegierungSoorIage meint, „baß bie Aufteilung folcßer
Tarife in ber Kleiber* unb 353äfcßefonfeftion bei ber Viantiigfaltig*
feit ber haaren unb bem häufigen 3ßecßfel ber gacjonS unb ber
greife in ber prajiS auf erhebliche Schwierigfeiten ftoßen würbe",
itan fragt fid) oergeblich, weshalb? ©s banbeit fi<b ja nicht
um bie Aufteilung burebgeßenber £obntarife burcb bie Beßörbe;
hier würbe ber Berfaffer oielleicbt in ber £ßat unter Umftänben
ber Vfannigfaltigfeit ber 353aaren unb ben oielfachcn Aenberungen
erliegen. Sonberu eS banbeit ftd) barum, baß ber ein gellte
Unternehmer unb VJeifter, ber feinerfeits bod) immer nur eine be*
feßränfte 3ab* nun SBaarenforten ßerfteden läßt ober auSgiebt,
in feiner 353erfftatt, feiner AitSgabeftelle eine £afel ausbängt, auf
ber er — ebenfo wie bas beute in ber gabrif mit ber Arbeitsordnung gu
gefdjeßen bat — womöglich mit treibe ben £oßnfaß für jebe
Sßeilarbeit unb jebe SBaarenforte, bie gu machen ift, auffchreibt.
SDas aber ift in 253irflid)feit boeb eine recht einfache Sache. ©S
ift etwas, was g. 23. in ©nglanb für eine gange Angaßl oon
©ewerben, cor adern für bie mit einer giemlidj weitgebenben
Arbeitsteilung unb einer Ungabi oon £ualitätsfortcn arbeitenbe
£e;rtilinbuftrie längt Borfcßrift ift, 1 ) unb gwar eine 23orfcbrift, bie
ficb oorgiiglicß bewährt bat. s D2an bat auch bort ben 3matig gu
Tarifen mit ber ©infübrung oon Arbeitsgettelu in Berbinbung ge*
bradjt, um — was ein weiteres Bebenfen, baS in ber VegieruttgS*
l j Seftion 24 F. A. 91 litib Seftion 40 F. A. 95.
oorlage enthalten ift, fc^Iägt — bei fompligirten Tarifen bem
Arbeiter in bem ArbeitSgettel eine fefte Hanbbabe gu geben. SDer
©rfolg ber gefammten ddaßregel aber ift gewefen, baß beut bie«
Spfiem ber particulars, wie Der SabrifinfpeftionSberidjt oon 1897
ergäblt, bie populärfte Maßregel ber gefammten Sabrif*
gefeßgebung ift.
£>iefe recßt bidig erfaufte Popularität fönnte man fteß auch
in ©euffcf)Ianb oerbienen; man fönnte eS um fo eher, als man
bei ©infübrung oon Tarifen ja für einfache haaren, b. b- für
Sßaaren, bei benen feine Arbeitsteilung unb Cualitätsunterfcbiebe
im Spiele finb, oon bem 3roang gu £obubüchern unb ArbeitS**
etteln abfeben unb bamit gientlich oiel Schreiberei, bie man ein*
übren wid, ungefdjrieben fein laffen fönnte. 3a, man ergielte
babei noch ben weiteren Vorteil, baß man xu einer Vorbelaftung ber
Heimarbeit fäme; benn für H eim arbeiter, oenen ein £obntarif, ber
beim Vfeifter bängt, ja niemals ben auSgebänbigten ArbeitSgettel
erfeßen fann, wäre bie Befreiung natürlich nicht oorgufeßen, unb
eS hätte fonaeß ber Unternehmer ober SReifter um eben fo oiel
weniger gu feßreiben, als er VSerfftattarbeitSfräftc ftatt H clin *
arbeitsfräften oerwenbet. 3t werbe unten auf bie Verftärfung
biefes in ber gebatten gorm ja nur erft leidsten 3)rudfS gur
Söerfftattarbeit gurüeffontmen. 3ut Augenblicf ift nur not S u
fagen, baß bie oorgeftlagene Regelung eine perfoneile 2Dren*
nung ber SBerfftatt* unb Heimarbeitsfräfte gur VorauSfeßung bat.
2>aß eine folte aber fo wie fo nötig ift, wirb bie Vefpretung
ber gweiten Vfaßreael ber SRegierungSoorlage ergeben.
®iefe Maßregel befteßtin Veftimmungen über bie Heimarbeit
oon 2ßerfftattenarbeiterinnen. Sie wirb in ber VegierungSoorlage
eingefüßrt als eine „bunß ©rfaßrung als notßrpenbig erwiefenc
©rgängung ber biSßer erlaffenen Stußoorftriften für V3erfftatt*
arbeit", bie ben 3wecf ßaben fod, gu oerßinbern, „baß burt
Vfitgabe oon Arbeit nach HauS bie in ben Sabrifen unb V3erf*
ftätten befteßenben Vcftränfungen ber ArbeitSgeit iduforift gematt
werben".
5)ie Verbinbung oon SSerfftatt* unb Heimarbeit burt biefelbe
Arbeiterin ift in ber gefammten Hausinbuftrie unb oor Adern
in ber SfrmfeftionSinbuftrie gang unb gäbe. Sie ift eS fowoßl in
ber Öorm, baß an ben abenblicßen Sd;luß ber SBerfftatt fit uot
bie H e imarbeit ber Söerfftattarbciterin anfeßtießt, wie aut in ber
gorm, baß bie regelmäßige H e imarbeiterin gewiffe Arbeiten, bie
ber Auffitt beS Vteifters bebürfen, in ber Vkrfftatt auSfüßri, täg*
üt einige Stunben in biefer „fißt". 5Ran greift mit ben Be*
ftimmungen ber n e imarbeit oon SBerfftattarbeiterinnen alfo in
ein giemfit weites unb fompligirteS ©ebiet ein.
®ie Anregung aueß bagu ift oon ber ^ommiffion für Arbeiter*
ftatiftif ergangen. $)iefe ßatte geratßen, bie SBerfftättenurbeiter
oor Ueberlaftung burt H c darbeit „tuntitft", „wenn nitt anberS
möglit aut burt baS Verbot ber VHtgabe oon Arbeit nat
Haufe gu ftüßen". S)er erfte ©ntwurf ber Regierung faß barauf
ßin oor, ber BunbeSratß fode anorbnen fönnen:
„baß ben Arbeiterinnen unb jugenblicßeu Arbeiteni, fofern
ißre täglicße Vcfcßäftigung in ber gabrtt ober SBerfftatt fed;s
Stunben überfteigt, Arbeit nießt mit nadj Haufe gegeben
werben barf."
©r wodte alfo für bie Verbinbung oon Vkrfftatt* unb
Heimarbeit in Anfeßung ber 353erfftättentßätigfeit ben SecßS*
ftunbentag ftaffen; bei beffen ©inßaltung fodte bie gufäßlite
Heimarbeit frei, bei feiner ÜRitteinßaltung aber oerboten fein.
$)ies ift ber ©ebanfe, ber nod) gegenwärtig im Antrag H c 9*
o. H crr usßeim oertreten wirb.
^ie Regierung ßat ißn, „ba eS uitbidig fei, bie Sditgabe oon
Arbeit bereits nad) fet^ftünbiger Arbeit in ber $abrif ober
V3erfftatt adgemein gu unterfagen", oerlaffen; 2 ) fie fdßlägt beute
oor, baß ber BunbeSratß bie Vodntatt erhalten fod, anguorbitcn, 3 )
2 ) SKerfwiirbigerweifc maeßen fieß bie SKotioe babei ben audj im
9tcid;Stag oorgebraeßten (Sinwanb au eigen, baß ber Arbeitgeber ben
oorgefcßlageneu Scdjsftuubentag baoureß umgeben Fönne, baß er feine
Arbeiter ftatt 6 nur 5 1 /*j Stunben befdjäftige, in wcldjeut ^aüe er für
ißre weitere Vcrwenbung als Heimarbeiter oon allen SdjranFen befreit
fein foll. 2s3mn er nadj bem ©ntwurf bei fedjsftiinbigcr Verwenbung
in ber Serfftatt fdjoit oon allen ScßranFen befreit fein füllte, fo muß
es bod) woßl bie Abfidjt beS ©efepgebcrS gewefen fein, baß er bei
nur o'/aftiinbiger Befcßäftigung erft recßt befreit fein fodte. $)iefe Ab*
ficht fdjeint bem ©efeßgeber aüerbings felbft nießt redjt gunt Bewußtfein
geFoinmcn gu fein.
3 ) Triefe Vollmacht, bie in bem oorigeu ©ntwurf etnfaiß iffimitirt
für „beftimmtc ©ewerbe" gegeben würbe, ift auf ©inwenbungeu im
Acicßstag ßin jept befeßräntt auf bie tfonfeFtioit unb anbere ©ewerbe,
in benen „SWifjftänbe" bei ber SRitgabe oon Arbeit naeß HauS ßinfteßt*
603
Sogtale $ragi3. ©entralblati für 0 ogialp oliitf. Ar. 26.
694
,,baft Arbeiterinnen unb jugenblichen Arbeitern oom Arbeitgeber
— für bie Jage, an welchen fte in ber ftabrtf bie gefeftltcft
guläffige ArbeitSgeit ftinburcft befd^äftigt waren, Arbeit 3 ur
Berricfttinig aufterftalb ber Sabri! überhaupt nicht,
— für bie Jage, an welchen fie in ber ^abrif fürjere geit
befcftäftigt wären, annähemö nur in bem Umfange
übertragen ober für bie Stecftnung dritter iiberwiefen
werben barf, in welchem ©ureftfeftnittsarbeiter ihrer Art
bie Arbeit norauSficfttlicft in ber ^abrif währeitb beS ÄrfteS
ber gefeftlicft 3111 äfft gen Arbeitzeit würben fterfteöen fönnen,
— unb für bie Sonn- unb gefttage nur in foweit, als bie
Befchäftigung biefer ^erfonen in ^abrifen geftattet ift."
©er SunbeSratft foß alfo, wo er eS notftwenbig finbet, für
aüe Arbeitskräfte, bie tagsüber irgeitb wann in einer „geregelten"
2Berfftatt tftätig finb, breierlei gu ftatuiren oerpflid)tet fein: ©aS
Verbot ber Heimarbeit nad) ooßer gefefelid^er Söerfftattarbeit, bie
23ef<hränfung ber Heimarbeit Bei nicht notier gefetlicher 2öerfftatt*
arbeit auf baS Ausmaß beS gefefelxd^en Arbeitstags unb baS Ver¬
bot ber Heimarbeit Sonntags. Altes baS in ber 3orm, bah ber
bie Arbeit 311 bem betreffenben auSgebettbe Unternehmer be*
ftraft wirb. ©aS heifjt nun nichts aitbereS als: ©ie Heimarbeit
non SBerfftattarbeiterinnen folt, wo bie betreffenbe Anorbnung er*
geht, mit unter bie geferlich juläffiae ArbeitSgeit faßen, ober um*
gelehrt auSgebrücft: ©er SRayunalarbeitStag unb bie Sonntagsruhe
foßen für SBerfftattarbeiterinnen auf bas (Gebiet ber Heimarbeit aus*
gebehnt werben.
SRan wirb junächft etwas erftaunt fein, ben BunbeSrath auf
biefem anfeheineno recht rabifalen Siege gu fuiben; benn man fagt
ftch non felbft: 38enn bie AuSbeftnung oon SRajimalarbeitStag unb
Sonntagsruhe auf bie Arbeit außerhalb non BÖerfftätten überhaupt
möglich ift, warum bann nicht auch für bie reine, nicht non SSerf*
ftattarbeiterinnen ausgeführte Heimarbeit, für bie fie fd)on lange
non fojialbemofratifcher Seite nerlangt wirb? ©urchfüftrbar mühte
fie, wenn überhaupt, für biefe ebenfo gut fein unb fie wäre für fie
fither am aßernothwenbigften.
Aber bie Regierung ift in Böirflichfeit auf biefem rabifalen
Sßfabe gar nicht gu finben; fie ift eS nicht, benn — fie glaubt an
bie ©urchfüftrbarfeit ihrer Borfchläge auch in bem befdjränften
Sinn, in bem fie fie oorbringt, nicht. 3n ben Sftotioen fteiht eS:
„©egeniiber bem ©inwanb, oah Umgehungen ber norgefcblagenen
Beftimmungen möglich feien, werben bie gefeftgebenben gfafioren
fich mit bem Sewujjtfein begnügen müffen, baS 3h*ige gethan gu
haben, um in ben ©rengen Des Möglichen bem äßifcftanb (ber
ungefeftlichen Heimarbeit) ein 3iel S u feften". — ßeiber ift feftr
wahrfcheinlich, bah biefeS Söewuhtfein wirflich faft bie eingige
©rrungenfehaft ber SSorfdjläge wäre.
©ie oorgefcftlagene Arbeitsgeitregelung hat ihr Borbilb in ©ng*
lanb. 1 ) ©ort befiehl fie feit 1895 mit ber hier gleichgültigen Ab*
weichung, bah für nur ^alb^eit arbeitenbe, über mcrgehnjäbrige
Söerfftattarbeitsfräfte eine Ausnahme eingeführt ift. 2 ) ©ie ©rfolge
finb jämmerlich, ©er Snfpeftor für ©laSgow fagt 1896 3 ): „3ch
glaube nicht, bah bie ungefeftiiefte Heimarbeit je wirb befeitigt
werben fönnen, wenn man ihr nicht fchärfer gu £eibe geht. 2 Sie
ift eS möglich, wenn in ber $abrif nicht bie ooße gefeftlicfte Arbeits*
geit gearbeitet ift, fich S u nergewiffem, ob ber Arbeitgeber mehr
Arbeit mit nach H auS 9*^ in &em S^eft ber gefehlten
ArbeitSgeit ausgeführt werben fann ober nicht." ©ie ©rfaft*
rungen ber übrigen 3nfpeftoren beftätigen, bah baS unmöglich
ift. Unb eS finb heute, wie ber SBericftt fagt, „bie ehrlichen, gur
©efefteinftaltung geneigten Öabrifanten ber Anfnht, bah bie SJiit*
S tabe oon Arbeit nach H.°n2 aus ber SBerfftatt gang gu oerbieten
ei, ober bah man bie Singer überhaupt hätte baoon laffen foßen."
©er erfte ©heil biefer Alternatioe ift tftatfächlid) ber eingige
Ausweg. Auch bem abfoluten Verbot ber $?itgabe oon Arbeit aus
SSerfftätten unb an SSerfftättenarbeiter würben in ber ©urchfüftrung
Schwierigfeiten begegnen. ©S würbe ftauptfäcftlid) noch möglich
fein, bah ber Snfpeftor über ben ©barafter ber Arbeit*üDtitncftmenben
als Söerfftatt* ober Heimarbeitsfräfte getäufcht würbe, ©em liehe
fuh aber burcf) bie fpäter noch näher gu befpredjenbe ©infüftrung
auf Aamen lautenber HeimarbeitSfarten begegnen unb man erhielte
hoch eine Borfchrift, beren ©urchführung wenigftenS nur oon ber
lief) ber Arbeitzeit 311 Jage treten füllten. Analoges ift wie wir fallen,
and) oben bei ber Boßmacftt für £oljngrtteI gefefteften.
l ) Seftiou 16 F A. 95.
a ) ©ie analogen Beftimmungcn in einigen Schweiger Mau tonen
finb in ihrer Jragweite nnflar unb über ihre B?irfung ift — mir
wenigftenS — nichts befannt.
3 ) 8. 38 beS $abrifinfpefHonS&eritfjtS 1896.
Schärfe ber Snfpeftion abhängen würbe, währenb bie oorgefchlagene
AuSbehnung ber Arbeitsgeitregelung auf bie Heimarbeit niemals
gu fontroliren fein würbe.
Aber auch ftier mühte man weiter gehen, ©ie perfoneße
©rennunp oon Söerfftatt unb Heimarbeit bürfte nicht baS eingige
fein. Sie würbe ohne weitere ©rgängung bie gefammte Heimarbeit
auherhalb beS ©efefeeS belaßen, unb bah bas oermiebeit werben
foß, ift gerabe ber wefenllichfte, ja oielleicht eingige Sortfchritt in
ber SRegierungSoorlage. ©iefer Sortfchritt barf nicht oerloren
gehen. 3£aS aber fann nun eine Sßolitif gegenüber ber Heimarbeit,
wenn biefe, wie wir fahen, nicht gu regeln ift, anbereS fein, als ein
Hinarbeiten auf ihre 93efeitigung? — ©ie Söefeiiigung ber Heim*
arbeit in ber ^onfeftion! ©aS Hingt nun äuherft phantaftifch,
wenn man an bie oben mitgetheilten 3 öhien jurüefbenft, nach benen
eS oielleicht 50 000 ftänbige unb ebenfooiel gelegentliche Heim*
arbeiterinnen in biefer Snbuftrie giebt — oon ben oielleicht 50 bis
60 000 männlichen berartigen ArbeitSfräften gar nicht gu reben.
Sßielleicht ift eS mir aber hoch möglich, in einem nächften Artifel
gu geigen, bah man fein „Schwarmgeift" gu fein braucht, um
Daran gu benfen, gumal bann nicht, wenn man gunächft nur oer*
langt, bah einige wirfief) wirffame ©rfchwerungen ber Heimarbeit
eingeführt werben.
©h<rclottenburg. Alfreb ©eher.
JUlgettteitte Sojtttl- trab Äictljfi^aft^polUik.
Sogtalreformer unb ©ettmltpolitifcr*
©ie publigiftifchen ©iener beS Sabriffeubalismus fämpfen mit
jener blinben H ar i ll äcfigfeit, bie gerabe in oerlorenen $often bie
Stüfepunfte ber eigenen Schla<htrei()e erblicft, gegen jebe -IRahregel
ber Sogialreform, bie auf bem 23oben ber gefefelichen ©leith*
berechtigung oon Arbeitgebern unb Arbeitern ftaatlidje 3nftitutionen
gur görberung beS gewerblichen griebenS einrichten wiß. ©ie
©ewerbegcrichte, bie ©inigungSämter, bie ArbeitSfammeru, bie
örtlichen 9tenteiifteßeu u. A. m. erfahren oon biefer Seite fortgefefct
bie fetjärffte J^efehbung — angeblich weil baburdp bie fogialbemo*
fratifche ^ropaganba unterftüfet werbe, in 3öirfltcf)feit, weil man
ein faftifcheS H'crrfthaftSoerhältnih über ben Arbeiter nicht aufgeben
wiß, bas baS ©efefc bem Arbeitgeber längft abgefprochen hat.
©erabegu flaffifch ift in biefer c m c längere Ausführung
ber „©. SSolfSw. ©orr.", bie aus Anlah beS ilrefelber 23eberftreifs
in ArbeitSftreitigfeiten „eine SScrmittelung ©ritter, mag fie oon
23ehörben, fogialen Sfommiffionen ober l’onft wem auSgehen",
perhorreScirt;*) ber Anfprud) ber Arbeiterorganifationen, in ben
ArbeitSoertrag hineingureben, wirb natürlich ebenfaßs abgewiefen.
Unb in einem anberen Artifel beSfelbeit Blattes wirb gefagt: „©ie
3nbuftrie ftehe auf bem Stanbpunft, bah bie fragen beS ArbeitS*
oertrageS, Lohnhöhe, ArbeitSgeit u. f. w. jebem eingelnen Unter*
nehmer überlaffeit bleiben müffen, unb wiß bas Sahrtaufenbe alte
SRecht beS Unternehmers, über biefe ©inge mit feinen Arbeitern
aßein gu oerhanbeln, nid)t oerfürgeit laffen!"
Auf ber einen Seite ruft man unter Hinweis auf baS burch
Streifs gefährbete ©emeinwohl nach bem fcptienben unb ftrafenben
Arm beS Staates, auf ber anbern aber ftemmt man fich 9 e 9 en jebe
©imnifchung „unberufener ©ritter", auch beS Staates unb ber
©emeinbe, wenn biefe gu Stuft unb frommen beS ©emeinwohlö
ben frieblicften AuSgang eines ArbeitSfampfeS anftreben. Audh bie
Arbeiterberufsoereine foßen fich nicht um bie oitalften 3ntereffen
ihrer s Dtitglicber fümmern biirfen, unb bem Staat wirb fogar baS
Stecht abgefprochen, 33eftimmungen über ben ArbeitSoertrag aufgu*
fteßen, ba bies bem 3ahAaufenbe alten Siechte ber Unternehmer
wiberfpreche. ©er gute SRann, ber bieS gefdjrieben, weih offen*
bar weber etwas oon ben früheren £oftnta;ren, nod) oon bem
Artifel VII ber jeftigen ©ewerbeorbnung, ber tief in ben ArbeitS*
oertrag eingreift. Solche Anfchauungen, wie fie bie „©. SSolfSw.
©orr." gu ©aae förbert, fönnen nur bie Söeftrebungen ftärfen, ben
gewerblichen ArbeitSoertrag gang in bie Sphäre beS öffentlichen
StecftteS gu oerfeften.
©ie oiclgenannteu Anträge Hjbe s Üieber unb H^^off^mann
aber laffen erft recht nicht ben SabrifieubaliSmu* gur Stufte fomuien.
©ie „©eutfefte Snbuftriegeitung", bie „ s ]5oft", bie „berliner Sieueften
*) \NU Mrcfclb [clbi't benft inan aiigcnidjcinlidi aubers«; beim cö
wirb in ber ^reffe mitgetljcilt, baf? bie 8täbtifdje 3ogialc Moumiiffion
mit ihren Bemühungen, eine Bermittelung angulmbueu, auf beiben
Seiten Wrbör finbet.
695
Sogtale $raji$. Centralblatt für Sogialpolitif. Nr. 26.
696
SRacf)richten" [eben mit ben ArbeitSfammern bereite ben Untergang
ber SBelt hereinbrechen. Eine ruhige unb fachliche 3Hftiramung ber
fonferoatioen „Kreuggeitung" gu bem ©runbgebanfen jener Anträge
ruft Herrn ©eneralfefretär Vuecf roieber in ber beliebten NoHe beS
getreuen Ecfarbt auf ben Vlan; er oerfünbet, bafe „bie Qnbuftrie"
folgern Beginnen ber Konferoatioen ben fdjärfften V&iberftanb ent*
gegenfefeen mürbe. „Die Snbuftrie" ? H err Buecf Ijat hoch höd&ftenS
ben Auftrag, im tarnen beS EentraloerbanbeS gu reben. Denn
bie Einträge £)ifce unb Baffermann merben auch non gasreichen
Qnbuftriellen unterftüfet. Sehr ritfjtig bemerft bie „NationaI*3eitung",
bie Denbeng ber Hintermänner jener Blätter gehe „auf ein Spftem
ber Unterbrücfung, bes 9Runbtobtmad)enS, baS in unferer 3eit bit
mit ben fogialen ©eaenfäfeen nerbunbenen ©efahren nur fteigern
fann. ES mirb ftdj bei ber Verhanblung im Neichstag geigen, bafe
biefe Volitif nur noch oon einer Keinen Gruppe fonferoattoer ©e*
maltpolitifer nach ber Art bes Herrn ®on ®tumm oertreten mirb".
Den 3 nbuftriemagnaten, bie eine grünblid^e Sogialreform
negiren, rücft mit ber gforberung pofitioer ©eroalt ber ^eubaliSmuS
ber äufeerften Nedbten gu Hülfe- ©raf iUincforoftröm als ihr VBort*
fübrer h<ü am 23. Niärg im Vreufeifchen Herrenhaufe bie
brafonifchften Mittel oerlangt, um bie Sogialbemofratie gu oernicbten.
Vkber ber Staat noch ein bürgerlicher Arbeitgeber befd^äftige hin¬
fort einen fogialbemofratifdjen Arbeitnehmer. 2ßan menbe nicht
ein, bafe bann bie Arbeitgeber ohne Arbeiter fein fönnten. Denn
bie Sogialbemofraten, oor bie 2öabl gefteßt, gu oerbungern ober
bie Sogialbemofratie abgufthmören, merben nachgeben unb baS
lefetere tbun. „28o Strenge ift, ba ift auch ©ehorfam!" ©leich*
geitig giebt ber Staat ein „febr fcharfeS Sogialiftengefefe", ber
Suftigminifter erläßt generelle Anroeifungen an StaatSanroälte unb
Nid}ter über befonberS ftrenge Anmenbung ber Strafgefefee gegen
Sogialbemofraten, befonberS fogialbemofratifdbe Vrefefütiber. ©eift*
lichfeit unb ßehrerfchaft, Kirche unb Schule muffen halfen, um ber
Sogialbemofratie baS KainSgeichen auf bie Stirne gu brüefen. Auch
bie Eiufchränfung bes V3ahlre<hteS, bie ©raf 9Rirba<h feit Sängern
proflamirt, fehlte nicht auf ber Sifte.
Abfichtlich nnterbrücfen mir unfere eigenen Bemerfungen hiergu
unb laffen attberc Seute reben. Die „tägliche Nunbfdbau", bie fon*
feroatioen ©runbanfehauungen recht nafcfteht, fagt: „Das ift eine
Banferottcrflärung ber traurigften, oerbängnifeoollften Art", menn
©raf SUincforoftröni erflärt, „bafe bie beftebenbe Drbnung nur burch
baS Mittel ber NedbtSoerlefeung unb ber ©eroaltpoütif gehalten merben
fann". Der „Hamb, Korrefp." fpriebt oon Negepten a la Doftor
Eifenbart, „beren Konfequengen uns in eine ©emaltpolitif hinein*
treiben müßten, in beren Stürmen ben mirtbfchaftli^en unb
militärifchen ©mnblagen unferer VöeltmachtfteEung bie febroerfte
©rfchüttexnng broben mürbe". Die „Kölnifche Bolfsgeituna" meint,
bieS fortmäbrenbe Samentiren über bie fogialiftifdje ©efabr unb
bieS immer erneute Nufen nach bet ©eroalt müffe ja in ber Ntenge
ben ©lauben beroorrufen, Alles gittere oor ber Sogialbemofratie:
„Das oerfdjafft ihr einen ungebührlichen Nimbus, unb es ift roahr*
lieh fein Söunber, menn ihr immer mehr Seute nachlaufen; benn
bie SJtenae läuft gar gu gern bem nach, & CIt R c fü r ben Stärfften
hält". &raf ^lincforoftröm oerbiene oon Rechts megen eine ©auf*
abreffe Seitens ber Sogialbemofraten. Uttb er erhält ftc auch-
$>enn bie fogialbemofratifche treffe bat nichts ©iliaereS gu tbun,
als foldpe Sieben gu oerbreiten mit ber Auffcbrift: „2Sie baS H e ^en*
haus für bie Sogialbemofratie agitirt!" (Seipg. SSolfSgta. 9hr. 70.)
3n ber 2:bat, baS 2Sort 23ebcls, bie Sogialbemofratie lebe oon ben
Sehlem ihrer ©egtter, bemabrbeitet fidj mieber bei biefem Verhalten
ber Seubalen bcS ©mnbbefipeS unb ber ©rofeiubuftrie. Sie finb
bie beften 3?unbeSgenoffen ber Partei, bie ftc oernicbten rooHen!
_ (5. S.
Der ^Slatt eines nationalen SerfShunngSamteS in ©nglanb an bem
23iberjtanb ber Unternehmer gefcheitert*
©ine äufjerft lehrreiche ^orrefponbeng, bie gmifchen bem eng*
lifdjen H an ^ c t 0s ©emerbeminifter SEitchie fomie ben $arla*
mentarifdien AuSfcbüffeu beS ©emerfoereinSfongreffeS unb beS
UnternebmeroerbanbeS geführt morben ift, mürbe biefer Dage in ben
englifchen blättern oeröffentlicbt. Das furge ©njebnifc monatelanger
SSerbanblungen ift, bafe ber $latt S'MtchicS, etn nationales Ser*
föbnunasamt (Sp. 533 ber „Sogialeit SrariS") gu errichten, um
ArbeitSttreiiigfeiten gu oerbinberu ober gütlich beigulegen, oon ben
organifirten Arbeitern freubig gebilligt, oon ben Arbeitgebern aber
gurüefgemiefeu morben ift. Der H er gang ift folgenber:
gm Degember oorigen 3ab re3 empfing ber Slinifter eine De*
putatiou beS ^ßarlamentarifcben AuSfchuffeS beS Drabe Union*ton*
reffeS unb eröffnete ihr, bafe er einen $lan ermäge, um ben an*
auernben Sfonfliften gmifchen Kapital unb Arbeit unb ben barauS
entfpringenben Serluften für baS Sanb oorgubeugen. Der Aus*
fd)uf} ber ©eroerfoereine liefe fchon am 16. Degember bem SRinifter
bie 9)fittbeilung guaeben, im tarnen ber Drabe Unioniften beS
SanbeS fpreche er bem SRinifter für feine Anfünbigung ben Danf
aus unb füge bie SSüte bingu, eine Äonfereng oon Arbeitgebern
unb Arbeitern einguberufen, um bie beften ißittel gur SSerminberung
ber ArbeitSfämpfe gu ermägen. Am 10 . Sebruar 1899 bat ber
SKinifter ben Sefretär beS Ißartamentarifcben AuSfchuffeS ber Ar*
beiter, baS ^arlamentSmitgfieb S. 3SoobS, gu fid) unb eröffnete
ihm, er fyabt fith mit bem Unternehmer*^arlamentSratb in 33er*
binbung gefefet unb hoffe bie TOtroirfung beiber AuSfchüffe bei ber
Errichtung eines Nationalen $erföbnungSamteS gu erhalten. Am
13. Öebruar fanbte ber 3Rinifter H c ^ rn 3BoobS eine fcbriftliche Auf*
geichnung über feinen $lan, bie mir hier in roörtlicher Ueberfefeung
miebergeben:
Die beiben ©runbgüge beS oon mir ermogenen planes jinb:
1. feine Einmifchung oon Aufeen, meber oon ber Negierung
noch oon anberer Sette;
2 . fein 3*oang.
Die Safes jeher Vereinbarung mufe gegeufeitige Verftänbigung
gmifchen ben betbeiligten Parteien fein.
Deshalb münfehe ich, bafe in jebem ©emerbe bie Einrichtung ge*
troffen roerbe, bie in oerfefeiebenen fefeon beftebt, nämlich ein VerföbnungS*
amt, an baS in erfter gnftang jeber Streit gebraut merben füll. Kommt
hier eine Einigung niefet gu Staube, fo gebt ber Streit an ein Central*
Verföbnungsamt, bas aus Arbeitgebern unb Arbeitern als Vertretern
aller ©eroerbe gufammengefefet ift. ViS gunt Erlafe eines enbgültigen
SprudjcS burrf) biefeS Eentralamt barf fein Streif unb feine Aus*
fperrung erflärt merben.
Durch biefen Vlan mürbe erreicht toerbeu:
1. bafe fein fcinblicfier Schritt oon irgenb einer V^rtei unter*
nommen mirb, beoor bie Streitfragen grünblich oon einer
Vcrtretungsförperfcfeaft erörtert morben finb, bie grofeeS ©c=
micht befefet, oon lofalen Schmierigfeiten nicht beljinbert mirb
unb oon inbioibueHen Neibuitgeit frei ift,
2 . bafe unbebautes unb übereiltes Vorgehen auf ber einen ober
attberen Seite — oft burch eine Vttnberheit btef °^ er b° rt
oeranlafet — oermieben merben.
Stach meiner Anfecbt mürben ma^rfdjciitltch biejenigen, bie
fed) oor bem örtlichen ©emerberath b c tfe bcfauipft ^aben, bie Eyifteng
eines EentralratbeS begrüfeen, an ben bie Vcrufung gehen fann unb bei
beren Verhanblung ruhiges Urtbeil unb grofecs gefcpäftlicbeS Söiffen gu
33orte fommt.
SBenn ein folcber Eentralratb gebilbet mürbe, miifete er mit jeber
Eigenfdjaft begabt merben, bie feine Vebeutung oermebrt. 3Ran fönnte
mit Necbt ermägen, ob nicht manche ber Vefugniffe unb Richten, bie
jefct baS äRinifterium für Hanbel unb ©emerbe befe^t, mit Nufeeit auf
ben Eeutralratf) übertragen merben fönnten.
3<h h a ^ e fo bie Hauptgüge beS oon mir ermogenen flaues fftggirt.
Seiner Schmierigfeiten bin ich «ü* bemufet, aber id) glaube bennoch,
bafe, faHs bie leiienben Vertreter oon Kapital unb Arbeit fich in einer
Konfereng gufammenfenben, fee einen ^eg gnr görberung beS gemerb*
Ud^en grieoenS finben mürben, ber im 3«l^ffe Veibcr gu fechern
nötbig ift.
Auf biefeS Schreiben erflärten bie Ntitglieber beS Varianten*
tarifdben AuSfchuffeS beS ©emerfoereinSfongreffeS ihr ooHeS Ein*
oerftänbnife, an einer gemeinfamen .tonfereng theilgunehmeu. Durch
Herrn SBoob mürbe biefer Vefdjlufe bem 5Dtinifter mitgethcilt. Am
18. SNärg ermiberte inbeffen H err 3^it<hic, bafe ber Unternehmet*
$arlamentsrath folgenbe AefoUition angenommen unb ihm über*
fanbt fyabt: „Vei ooüer Söürbigung unb Sympathie für bie
fünfte in bem Schreiben bes s DtinifterS uub bei allem Eifer, ben
für bie nationale Wohlfahrt fo nothroenbigen geroerb liehen gfriebeu
gu fidbern, ficht ber Unternehmer*$arlamentSrath gegenmärtig
feinen gangbaren 2öeg gur Vilbung einer oollftänbigen unb be*
friebigenben Vertretung oon Arbeitgebern unb Arbeitern in einem
VerföbnungSamt, mie es in bem angeführten Vricfe beS SWinifters
oorgefdblagen mirb."
Der Sefretär beS Varlamentarifdben AuSfchuffeS ber Drabe
UnionS, Abgeorbueter SBoobS, bemerft bagu: „ 3 )Hiüfter Nitchie
oerbient ben Danf ber Nation für feinen Eifer unb bie IobenS*
roertben Bemühungen, jene unfeligen ArbeitSfämpfe gu oerbitibern,
bie bie höchften mirthfd)aftlichen 3ntereffen unb bie ber Arbciterflaffen
gerftören. Er hot fein VefteS getban, ein praftifcheS Heilmittel an*
gugeben. Unb eS mufe feftgefteUt merben, bafe bie Srfjulb an bem
Sdbeitern biefer Verhanbluiigen in feiner ^Beife auf bie organifirten
Arbeiter fällt, bie AUeS, roas in ihrer 3Radjt ftanb, getban haften,
um beS 3RinifterS rühmliche Begebungen gu unterftüfeen. Die
697
Sogtale $raji$. Eentralblatt für Sogtalpolitif. Nr. 26.
698
Verantwortung für baS Sdjeitern bleibt auf bem BarlamentSratl)
ber Arbeitgeber haften."
SDie hier veröffentlichten £hatfa<hen oerbienen aufmerffamfte Be*
achtung nicht nur in Ettglanb, fonbern auch in 2>eutfd)lanb. Sin
VMnifter ooll fogialpolitifd)er Einfidht unb SThatfraft geigt einen
Seg, ber möglicherweife gu einer frieblidjen Beilegung oon Streitig*
feiten gwifcfjen Arbeitgebern unb Arbeitern führt unb fo ber
nationalen Sohlfafjrt, bem ©ebenen oon §anbel unb Sanbel
unb ber Ejrifteng oon £aufenben oiel Noth unb 3amtner erfpareit
fann. S)ie in Xrabe UitionS organiftrten Arbeiter greifen mit
beiben Hänben gu, fie wollen reblidh an bem Verfuge, ben aewerb*
liehen Trieben gu fiebern, mithelfen. $5ie Vertretung aber oer Ar*
beitgeberoerbänbe weift baS Anerbieten mit höflichen Vhrafen ab unb
miß fid) nic^t einmal auf einen Verfuch einlaffen. Ser ift nun in
biefent Salle Anhänger unb görberer beS fogialen griebenS: bie fo
oiel gefchmähten Arbeiterberufsoereine ober bie Unternehmer*
oerbänbe? gür $>eutfjhlanb hat biefer Vorgang in Englanb mit
Nücffidfjt auf bie Anträge ^ifce unb ^e^l auf Errichtung gemein*
farner Drganifationen ber geroerblichcn Arbeitgeber unb Arbeiter
noch befonbere Vebeutung.
ArbeitSfintiftifdie Erhebungen in Defterreiib. $>er Veirath beS
Arbeitsftatiftifchen Amtes berietf) in feiner Sifcung oom 20. Vtärg
über bie oorliegenben Anträge betreffenb bie Einleitung oon En*
queten über bie £age ber Heimarbeiter in ber KonfeftionSbranche
unb ber Bergarbeiter im JDftrau*Karminer Steüifohlenreoier. Be*
güglid) festerer war beantragt worben, eS foße ein gragebogen an
bie Serfsleitungen gur Einfefcuitg ber aus ben SerfSoerfdjreibun*
gen :c. erfid^tlichen $)aten burdf) bie Serfleitungen gefchitft werben.
Sobann hätte bie Begehung beS NeoierS felbft burch S)elegirte beS
Arbeitsftatiftifchen Amtes unb ber Berabehörben gu erfolgen, wo*
bei burch münbtid)e Befragung ber Arbeiter jene $)aten gu er*
heben feien, bie in ben gragebogen nicht enthalten ftnb. Begüglid)
ber Enquete wirb beantragt, bah an ihr nicht nur Vertreter beS
Arbeitsftatiftifchen Amtes unb ber Bergbehörben, fonbern aud; Ver*
trauenSmänner ber 'Berfleitungen unb ber Arbeiter theilgunehmen
haben. £er Eentraloerein ber Bcrgwerfbcfifjer wehrte fich in einer
3uf<hrift an baS Arbeitsamt gegen bie Bergarbciter*Enquete; er
meint, gur Vermeibung einfeitiger Ergebniffe mühten fleh bie Er*
hebungen auf fämmlliche inbuftrieüe unb gewerbliche Betriebe beS
BegirfS erftreefen. Von fogialbemofratifdjer Seite warb auch bie
Einbegiehung ber Bruberlabenoerhältniffe in bie Enquete ge*
forbert. Nach längerer Debatte würben bie AuSfchufeanträge
fowie einige Abänberungen beS gragebogenS, ber ber Enquete
gu ©runbe gelegt werben foß, angenommen, bie übrigen An¬
träge hingegen abgelehnt. — 3 lir Verhanblung gelangte fobann
ber AuSfchupericht über bie Vorbereitung einer Enquete über bie
Sage ber Heimarbeiter. ®er Beridjt führt auS, bah gur $ur<h*
fiihrung ber oom Plenum feineneit gefteßten Aufgaben gunädjft
bie Veranftaltung einer münblichen Enquete über bie Sage ber
Heimarbeiter in ber Kleiber* unb Söäfchefonfeftion gu empfehlen
fei. Eine Befchränfung berfelben auf 2öien fei f<hon beShalb nicht
gu empfehlen, weil bie Wiener ©roßfonfeftionäre oielfath Arbeit
nach aufjen oergeben, fo bah bie ©efahr ber ©ewinnung eines nur
einfeitigen uno unooßftänbigen ViaterialS naheliegenb wäre.
AnbererfeitS oerfannte man nidjt, bah bie Herangiehung auswärtiger
Experten nach V$ien mit mannigfachen Schwierigfeiten oerbunben
fei. ES würbe beShalb befdjloffen, bah Ijiuficfjtlic^ ber Erhebungen
auherhalb SßienS unter Befchränfung auf bas burchauS 9^oth**
wenbige insbefonbere bie charafteriftif^en UnternehmungSgebiete gu
berücffichtiaen feien. $>ie Enquete foß im Ntonat April abgehalten
werben. &ie Deffentlidjfeit ber Enqueteoerhanblungen werbe eine
befchränfte fein. Begüglid) ber grage, ob bie Einoernehmung ber
Unternehmer, 3 ro ifdhenmeifter unb Arbeiter getrennt gu erfolgen
habe, unb ob es ben Experten geftattet fein foße, ben Ein*
oernehmungen innerhalb ihrer Kurie beiguwohnen, glaubte ber
AuSfchuh, bie getrennte Einoernahme ber brei in ber Heimarbeit
berufstätigen $erfonenfategorien gu empfehlen unb ben Experten
bie Beteiligung an ber Einoernehmung innerhalb ihrer Kategorie
gu geftatten. ®abei machte man aßerbinaS ben Vorbehalt, bah
bei fid) ergebenben BHberfpriichen in ben AuSfagen ber Ausfunfts*
perfoneit bie öeitung ber Enquete burch geeignete Hinmeife ©eiegen*
heit gu aufflärenben Ausführungen gu geben hätte, unb bah aßen*
faßs eingelne Experten aus bem Arbeüerftanbe, bie fich hiergu
bereit erflären, auch ben Unternehmern gegenübergefteßt werben
fönnten. 2)ie AuSfchuhanträae würben nach furger ^Debatte genehmigt,
fowie auch bie oon fogialoemofratifcher Seite gefteßten Anträge,
bah mit ber Enquete auch bie Berichtigung oon Sohnungen unb
Serfftätten oerbunben unb bah baS m>n ben Kranfenfaffen ju
liefernbe ßRaterial oerwertet werbe, fowie ber oon einem Arbeit*
eberbelegirten eingebradjte Antrag auf Einhaltung beS fontra*
iftonfehen Verfahrens bei Einoernahme ber 3roif<|enmeifter unb
Arbeiter.
Sojliile Jnßänlie.
Sie Sage in ber Befahfteiuinbuftrie beS 3f^geBirgeS.
3>ie Befahfteininbuftrie bilbet einen 3u>«9 ©laSfurgwaaren*
inbuftrie SfcorbböhmenS, über welche bie „6oüale $rayi8" in ihrer
9ir. 48 oom 1. September 1898 einen ausführlichen unb überficht*
liehen Bericht brachte. Unter Befafcfteinen oerfteht man jene aus
oerfchiebenfarbigem ©las, gumeift h^fdd baS SchwargalaS oor,
ergeugten Artifel,*) bie als Befah auf Hüte unb anbere BefleibungS*
gegenftänbe oerwenbet werben.
i)ie 3ahl ber Arbeiter, welche bireft mit ber Ergeugung ber
Steine befchäftigt finb, beträgt annähernb 3000. gaft eoeufooiel
Arbeiter finb mit bem Anreihen unb Aufheften ber Steine auf
Kartons befdjäftigt. Senn man in Betragt gieht, bah auch fjjbtt
bie technifchen ArbeitSmethoben ben $robuftionSprogeh befchleunigen,
erfennt man, bah biefer 3nbuftriegweig feineswegs unbebeutenb ift.
®ie Saaren werben in oiele ©egenben ber Bofamentenergeugung
geliefert; u. A. in erheblicher Vtenge nach Annaberg, Buchholg uno
anbere ©egenben in Sachfen.
5)ie Befahfteininbuftrie h a * Betriebsformen aufguweifen,
bie fleingewerbliche, in ber bie Steine mittels Stechmafchinen in
ben $>rücfhütten ergeugt werben, unb bie huuSinbuftrieße, welche
bie Ergeugung am Blafetifch mit Stichflammen unb Selbftftecher*
formen barfteßt. $)ie Heingewerbliche Betriebsart herrfcht in ben
beutfehen Drtfchaften oor, tn benen bie Arbeiter keinerlei Sieben*
erwerb haben, währenb bie hauSinbuftrieße faft auSfchliehlich P<h
auf bie aitgrengenben cgechifchen Drtfchaften erftreeft, beren Arbeiter*
beoölferung bei einem Ianbwirthfchaftlichen Nebenerwerb äußerft
bebürfnihlos ift unb beShalb auf bie Ööhne ben unhcilooßften
Einfluh auSübt.
Nachbem überbieS baS ArbeitSoerfahren in ber HauSinbuftrie
burch Einführung beS weichen ©lafeS unb burch bie gormen
barauf gerichtet ift, recht große Saarenmengen gu ergeugen, muhten
auch bie Kleinbetriebe nach ähnlichen Vtitteln gur Vtaffenprobuffion
fuchen. ^)ie golge baoon war bie Einführung ber ^boppelformen
in ben ©rücfhütten. ®er hauSinbuftrieße Arbeiter ergeugt auf
einen $>rucf 30 bis 40Stücf oiertelgößige unb halbgöflige glühh
aber auch bie $5oppelform hat fich als ein 3uftrument ber SRaffen*
ergeugung „bewährt".
®aburch finb nun gwei Uebel entftanben, welche bie Dueße
eines NothftanbeS würben, ber in feinen Sirfungen furchtbar ift.
$)iefe Hebel finb bie Ueberprobuftion unb bie Verfdjlechterung ber
Saarenqualität. 5)as weiche ©las oerfchlechtert bie ©raoirung fo,
bah ber Stein oft nur einer oerfchwommenen Vtaffe ähnlich fieht.
S)ie Steine, bie aus ber ®oppelform fommen, müffen in einem
Sacfe gefchüttelt werben, bamit fid) bie Brodfen, welche bie Steine
umrahmen, loslöfen. 2)aburch wirb ein roher Nanb ergeugt unb
Stücfe aus ben Steinen h^rauSgeriffen. Dh ne i^be weitere Ver*
eblung fommen biefe Steine auf ben SRarft unb eine Saare, bie
früher burch Schliff unb ®eforation bie ©eftalt oon Ebelftein*
gmitationen annahm unb ftch grober Beliebtheit erfreute, wirb
burch biefe Schunb* unb Vtaffenergeugung bisfrebitirt; man nimmt
fie nur noch, weil fie um einen Spottpreis gu haben ift. S)ie
beffere Saare wirb mit ber fdjledjten gemifcht, weil bie greife bie
Lieferung oon unoerfälfehlen Saaren nicht geftatten. ®er Ex¬
porteur ergwingt burch immer finfenbe Bißigfeit ber Saare bie
Aufträge unb ber Arbeiter oerfudht fid; baburdh fchabloS gu halten,
inbem er bis gur ooßften Erfd)öpfung arbeitet.
Um ben ungeheueren Vücfgang ber Arbeitslöhne beutlich oor
Augen xn führen, führen wir ben Staub ber fiöhne für Nauten*
flühl oon 1894 unb 1898 an. Es würbe begabt ben ©laSbrücfern
im Kleingewerbe:
1894 für_2^_2Vs"__8 1 /*"_4^_ _ _6"_
5 5 6 7 9 “ 15 ’ 23 fr.
1898 für 1—1'/4 l 1 /«—1 3 A 2 2’/a 3\ 9 6 11 fr.
*) wie ö'IÜBh ^djiffl, Sedj^ede, Bierccfe, Spipooatc, Virul, Pfeile
u. bgl.
699
Soziale ^rajds. ©entralblatt für Sogtalpolitif. Ar. 26.
700
Die SerfaufSpreife ber Lieferanten in ber fiauSinbuftrie,
ioeld)e bie SJaarenoerinittler gioifd)en ben Lampenarbeitern unb ben
©jporteuren finb, roaren:
1894 fiir
iv«" i 3 /i"
2"
2 W
3" 3Vs"
15V« 17‘/ 2
20
26
“32 42 fr.
1898 für
5 V« 6 1 /«
S'/a
14
49 27 fr.
©ntfprechenb bem Siicfgange ber SerfaufSpreife finb felbft*
oerftänblich auch bie Arbeitslöhne in ber £>ausinbuftrie aefunfen.
®ic ©laSbrücfer erhielten noch im Sommer 1898 bei 17ftünbiger
Arbeitszeit ben hanrenben Lohn oon 3 — 4, bis 4 fl. 50 fr.
pro Söodje. gür bie Lampenarbeiter ber §auSinbuftrie mar
biefer Lohn ein 3beal. gür baS SÖnnb, gleich 1200 Stücf IV 2
bis l 3 / 4 " glüfcl erhält ber Lampenarbeiter 5 bis 6 fr. Sei 16 bis
17 ftiinbiger Arbeitszeit famt man 15 Sunb fertigfteHen, roaS einem
©rlöfe oon 75 bis 90 fr. gleichfommt. Son biefem Setrage fommen
in Abzug: 30 fr. für ©las, 20 fr. für Petroleum, 22 fr. für ben
Hefter unb Anfdbler. ©S oerbleibt fomit im günftigen galle ein
täglicher Aeingeroinn oon 18 bis 20 fr. für ben felbftftänbigen Se*
fiper feines SßerfgeugeS, ber Aohftoffe unb SBerfftätte. Die £>efter
unb Anfäbler oerbienen ungefähr baffelbe.
Das Leben ift nur baburd) noch möglich, inbetn bie ganze
gamilie: Stänner, grauen, $inber unb ©ropeltern, gufammen
arbeitet, grüh um 5 Uhr gebt bie Arbeit an unb enbet um
11 bis 12 Upr 9facbtS. Saft ieben greitag mirb bie 2^acf)t bunt)*
gearbeitet. Die ©opnungen unb ArbeitSlofalitäten hefteten zumeift
aus niebrigen grolgpütten mit einem einzigen „3immer". Drop*
bem ein normal gemaebfener SJann in einem fold)eit 3immer nicht
aufrecbtfteben fann unb bie 9faumfläd)e fanm 15 qm überfteigt,
fiepen barin oft groei bis brei Salfentifcfje mit ad)t unb noch mehr
^etroleumftid)flammen. Da mit Sücfficpt auf bie flammen bie
nicht ben leifeften Luftzug oertragen, nicht gelüftet roerben barf,
fann man fiep bie ©efunbheitsfchäblichfeit folcher IBohn* unb
Arbeitsräume oorfteüen.
Die Seoölferung biefer Drtf (haften mar no<h oor Sahnen
burchgebenbs fräftig. Doch Daufenbe finb zu Scpattenbilbern ge*
morben unb bie Lunaentuberfulofe oernichtet hier junge unb alte
Scanner unb grauen |oroie £inber zugleich- Sur bie Lage ber
Arbeiter in ben Sdjroefelgruben Siziliens fann ungefähr einen
Sergleich mit ber Lage ber Lampenarbeiter in ber Sefapftein*
inbuftrie auShalten. Das Sippen lanbroirt^fd^affUd^en Sefip,
.melcheS h^ bie Arbeiter ihr eigen nennen, fonnte unter biefen
Serpältniffen bie Serelenbung ber Arbeiter nicht aufbalten, fonbern
bat fi<h gerabezu als ein Sttttel erroiefen, ben Sotpftanb unter
ihnen z u vergrößern. Die ©laSarbeiter in ben beutfeben Ort«
fdpaften, bie feinen Sefip haben, meifen trop ihrer fcbledjten Lage
eine größere SHberftanbSfäpigfeit auf unb buben fich baburch hoch
noch beffere Arbeitsbebingungen gefebaffen.
Dies bemeift u. A. auch bit ©eroegung ber ©laSbrücfer, bie
im Auguft 1898 zur Sefämpfung beS SotpftanbeS in ber Sefap*
fteininbufirie entftanb. 3« golge biefer Semegung traten am
4. September bie Lieferanten, ©yporteure unb AopglaSergeuger zu
einer Serathung gufammen unb fcploffen eine Sereinbarung ab,
baß bie gorberungen ber Arbeiter anerfannt unb zur Durchführung
aller biefer Sereinbarungen foroobl in ber Drud* roie in ber
Lampenbranche ^onoentionen abgefchloffen merben foHen. Die
Doppelformen unb baS meiche ©las füllten abgefcf)afft unb bie
ftonfurreng burch Einführung oon Siiuimallöhnen unb Attnimal*
oerfaufSpreifen befeitigt merben. Die Slonoentionen famen unter
SHtroirfuug ber Seicpenberger £>anbelsfatnmer zu Stanbe. Da ber
Sebarf niept fo groß mar, um alle Arbeiter zu ben neuen Löhnen
befchäftigen zu fönnen, oereinbarten bie Lieferanten unb Arbeiter
einen ^Srogentfap, ber an bie ArbeitSlofen bezahlt merben mußte,
bamit biefe nicht gezmungen mären, billiger gu arbeiten.
©S fepien, als ob fiep alles in bie rechten Sahnen leiten Iaffen
follte. Die ArbeitSlofen hielten, Danf ihrer Drganifation, uolle
21 Söochen Stanb, benn fie mußten, baß bie 3ufimft ber Arbeiter
unb ber Snbuftrie auf bem Spiel ftanb. Leiber haben foroopl
Lieferanten als Exporteure unb SopglaSergeuger nicht nur ihr
SSort, fonbenx aud) bie oertragSmäßigen Seftimmungeu ber $on*
oeution gebrochen. DieSaifon mürbe burd) ben ©influß ber neuen
^ßreisfäpe auf bem SJarfte um einige SSocpeu hinauSgefcpoben unb
als zur erroarteten 3eit ber geroünfepte Sebarf nid)t eintrat, begann
baffelbe unfinnige Spiel ber 0d)imb* unb Siaffenergeugung, baS
nidjt nur ben Arbeiter ins bitterftc ©leub gebradjt, fonberrt auch
bie Lieferanten unb Exporteure gefdjäbigt hatte. Die 3 a hl ber
Lieferanten ber Sefap jteininbuftrie beträgt in ber Drucfbrauche 50,
in ber Lampenbranche 34. Diefe 84 Lieferanten fönnten fich ge*
miß mcit eher über bie ©inhaltung ber MonoentionSbeftimmungeii
einigen als 3000 flcingemcrbliche unb hau^inbuftriellc Arbeiter.
Auci) ben ©zporteuren, bie hoch als itaiifleute miffen müffen, baß
man gleichzeitig auf Moften ber 3nbuftrie fünbigt, menn man ben
Arbeitern baS Lefete nimmt, hätten mir fooiel ^urgfichtigfeit unb
©goiSmuS nicht zugetraut. Sie alle fägen ben Aft ab, auf meinem
fie fifcen.
©lücflichermeifc ift es ber Union ber ©laSarbeiter gelungen,
feit ber Semegung beS SorjahreS bie geroerffchaftliche Drganifation
im Sfergebirge gu fräftigen, menn auch in biefer Segiebung noch
oiel gu roünfd)en übrig bleibt. 2)ie Sertreter biefer Drganifation,
bie burch ih* Eingreifen ein michtigeS inbuftrietleS ©ebiet unb eine
gro&e Seoölferung oor ber Seröbung unb Serarmung beroahrt
haben, roerben auch bafür forgen, ba& bie Semegung in ber Se*
fahfteininbuftrie nicht im Sanbe oerläuft. ®ie ^aubelsfammer in
Steichenberg, foroie eine 9teihe oon Lieferanten unb ©zporteureu
haben gugefagt, biefe für alle gaftoren ber Subuftrie mistige
Sache gu förbent, bis bte im Sorjahre abgefchloffenen ^onoentioneit
burchgeführt finb. 3Öir roerben bie Lefer ber „Sozialen $rayis"
über ben gortgang biefer Angelegenheit auf bem Laufenben erhalten.
©ien. Robert ^reu&ler.
SefchtSnfung ber üffetttHd^en Luftbarfeiten im fRfjtinlaube.
Som Serein ber 3nbuftriellen beS 9tegierungSbegirfS £öln mar im
t erbft 1898, mie feiner 3 e ^ gemelbet, angeregt morben, ob eine
efdjränfung ber öffentlichen Luftbarfeiten empfehlenSmerth fei.
Son ben Sehörben, an roeldje fid) ber Serein mit ber Sitte geroenbet
hatte, bie empfunbenen 9Ki6ftänbe gu befeitigen, hat bie Segiernng
gu ^'öln einen oorläufigen Sefcheib ertheilt. ©S heifet barin:
bereits früher unb neuerbingS anaeftcHten ©rmittclungeu Iaffen
jebod) feinen 3meifel baruber auffonunen, baf} bie oollfommen mit Accht
beftagten llebelftänbc oorgugsmeifc auf-bie geftlid)feiten ber zahlreichen
überall beftehenben Sereine unb ©efelffdiaften gurüdguführen finb.
Scptere fönnen jeboef) einer behörblidjen ©iuroirfung nur nach voraus*
gegangener Slbänberung ber ©efepgebung, inSbcfottbere ber prenfei*
fclien SerfaffungSurfunbe unb beS SereinsgefcbeS, ftärfer als tu ber
bisherigen SSeife untermorfen merben. Son ber Aföglidifeit, mcld)e erft
burch §- 15 beS ommuualabgabengefebeS gefefjaffen morben ift, bie
2uftbarfeiten ber gefchloffenen Vereine unb ©efellfdiafteu im SSege ber
(^cmcinbebefteucrung cingufdiränfen, ift gmar otelfad), aber nidjt mit
beut ermarteten ©rfolge ©ebraud) gemadit morben."
2)er AegierungSpräfibent merbe nicht ermangeln, auf bie ©e*
meinben meiterhin eingumirfen, folche LuftbarfeitSfteuern eingu*
führen unb ihre Sähe, menn angängig, noch gu erhöhen. 2>ie
grage einer 3nfammenleaung ber $ir<hroeihfefte fei bereits beS
Defteren oon ben SermaltungSbehörben erörtert morben, fönnte
aber nur in Uebereinftimutung mit ben firdjltthen Sehörben unb
bei thunlichfter Schonung ' alteingemurgelter SolfSgebräuche gelöft
merben. 3)Üt bem Sfarbinal * ©rgbifchof fei bie Sehörbe beShalb
bereits in Serhanblung getreten.
^tbeUetbeuegung.
©rfter betttfeher Sanarbetterfchuhfongre§.
Som 19. bis 21. Stärg hat in Serlin ber erfte beutfd;e Sau*
arbeiterfchupfongreß ftattgefunben, um über bie Siittel gur ©r*
Ianguitg eines mirffamen SchupeS gegen bie SerufSgefahren gu
berathen. SDelegirte aller Srandjen beS SaugemerbeS maren in
großer 3ahl erf^ienen. 315 ^elegirte mit 338 5ftanbatett oertraten
nid^t toeniger benn 16 ©emerffchaften: Staurer, 3inttnerer, 9Kaler,
Söpfer, Stucfateure, Steinfeper, SDadjbecfer, Santifd)ler, Sauflempner,
Steininbuftriearbeiter, ©ementarbeiter, Saufchloffer, ©lafer, Silb*
hauer, Stafchiniften unb feiger, foroie SauhülfSarbeiter. 2)aS
Seichsamt beS gunern mar oon bem ©inberufungsfomite um ©nt*
fenbung eines SertreterS gebeten morben, bodh ift biefem ©rfuepen
iciber nicht entfprochen morben, meil, roie eS in ber Antroort beS
©rafeu 0 . ^ofabomSfp hkfe, bem ©efud) mit „Sücffid)t auf bie
Lage ber 2)ienftgefchäfte" nicht ftattgegeben merben föitne. Sicht
gang mit llnredjt mürbe biefe Ablehnung 00 m ftongreft als eine
SH&ad)tung empfunben, ba auf ben Untentehmer*Xagen bie Regierung
in ber Segel oertreten gu fein pflegt, dagegen hatte bie fogial*
bemofratifd)e SeichStagSfraftion gleid) brei Sertreter entfanbt.
"Die Atifeftänbe tm Saugeroerbe finb auf ©runb umfaffen*
ber ©rhebungen fchon oor Sahnen oon ber Hamburger ©eneral*
fomntiffion ber ©emerffchaften DeutfdjtanbS bargcftellt unb in
zahlreichen Serfamntlungen ber Sauarbeiter erörtert morben. Aud)
ber SeidjStag hat baS Serlangen ber Sauarbeiter nach einem mir!*
701
©o$iale SßrajtS. Eentralblatt [ür ©ojialpoliti!. Ar. 26.
702
ferneren ©cßuß gegen Unfälle unb ©efunbheitSgefaßren als bered)*
tigt anerfannt. Säßrenb aber bie Sauarbeiter ein umfaffenbeS
SeicßSgcfeß für ben Sauarbeiterfcßuß unb eine wirffame Kontrole
ber Ausführung unter 3 u 3^ e ^ un 9 oon SSertretern ber Arbeiter
forbern, erflärte erft unlängft ber ©taatsfefretär beS Snnern im
Reichstage, baß an eine reidjSgefefelid^e Regelung ber Staterie nicht
Zu benfen fei unb baß nur bureß SanbeS- unb lofale Polizeioer-
orbnungen eingegriffen werben fönne. 3m preußifeßen Abgeorb-
netenhaufe hat jüngft ber ©ewerbeminifter barauf hingemiefen, baß
ber Stängel einer guten baupolizeilichen Aufficht ein roefentlicher
©runb für bie große 3 a ßl ber Sauunfäße fei. ES finb jmar in
oerfeßiebenen SunbeSftaaten oerfeßiebene Sauarbeiterfcßußoerorb-
nungen erfchienen, aber es fdjeint meiftenS an einer genügenben
Kontrole ber Durchführung m fehlen. AßerbingS erfeßwert bie
Eigenart beS Saugewerbes ©cßuß unb Kontrole außerorbentlicß.
Der Sauarbeiter hat feine fefte fSerfftätte, fonbern geht non Sau-
fteße zu Sauftelle, ©inb auf bem einen Sau bie gröbften Stiß-
ftänbe befeitigt, fo geht er oiclieicht feiner Sollenbung entgegen, unb
beim nächften Sau geht ber Kampf oon feuern an. §äufig fehlt
es an ber itothroenbtgen Lüftung, bie Sauf- unb Seitergänge fmb
ganz primitioer Satur. 3u fchminbelnber f)öße oerrießteu Dach*
beefer ober Klempner ihr Dagewerf, ohne gegen ben |>erabfturz
gefiebert zu fein. Staurer unb 3immerleute arbeiten über Deff-
nungen, welche unter ihnen bie SauhülfSarbeiter mit ihren Saften
paffiren müffen. ©eiten bewahrt ein ftßüßenbeS Dach bie unten
Saufenben oor ßerabfaßenbem Staterial. Döpfer unb ©tuefateure finb
genötßigt, bei Suftzug ober bei offenen KofSöfen zu arbeiten. Die
Aborte, ferner Saububen, in benen bie Arbeiter effen, bie Reibung
wechfeln, fich wafeßen unb bei ungünftiger Witterung fleh aufhalten
fönnten, entfpredjen feiten ben fanitären Anforberungen, obgleich
eS um felbftoerftänblicße Kultureinrichtungen fieß hanbelt. Ebenfo
mangelhaft finb im Allgemeinen bie ©cßußoorricßtungen gegen
SetriebSunfäße. Die ©chilberungen, bie oon allen biefen llebel-
ftänben auf bem Kongreß oon ben Delegirten ber oerfchiebenen
Sranchen in bemerfenSioerther Uebereinftimmung gegeben mürben,
laffen aßerbingS balbigfte Abhülfe bringeitb geboteirerfcheinen.
Seoor mir bie Serhanblungen beS Kongreßes furz ffw rcn ,
muß hier bie Süße unb ©acßlicßfeit heroorgehoben werben, mit
ber bie Delegirten ihre ©achc führten, bie Stißftänbe fchilberten
unb bie Stittel ber Abhülfe flarlegten. Am eingehenbften befcßäf-
tigte fleh &er Kongreß naturgemäß mit ben befonberen gragen beS
SauarbeiterfcßußeS im weiteften ©inne. Stan erfuhr hier, baß
gerabe in Serlin unb ber Prooinz Sranbenburg feitenS ber Sau-
fpefulatiten unb profitfücßtigen Unternehmer in unoerantwortlicher
Steife gegen Seben unb ©efunbßeit ber Arbeiter gefünbigt werbe,
fo baß bte norböftliche Sau-SerufSgenoffenfcßaft bie meiften Unfäße
Zu oerjeießnen habe. Ein Djelcgtrter Däßne machte Stittßeilung
über ferne Dßätigfeit als Arbefteroertreter im Seicßs-Serficßerungs-
amt. Dort habe er bie gorberungen ber Sauarbeiter oertreten.
Der Ptäfibent Dr. Söbifer habe ihm aber erflärt, baß er nichts
tßun fönne, weil er bie SerufSgenoffenfcßaften Z u irgenb etwas
nicht zmingen fönne. Auch bie Sefcßäftigung oon grauen auf
Sauten würbe feßarf fritifirt, wobei namentlich h e morgehoben
würbe, baß in Sägern unb ©aeßfen noch heute grauen mit
ferneren Saften Seitern befteigen müßten. Diefer Sanft trat je-
boeß mehr in ben §intergrunb, unb es würbe fdjließlicß eine Ae-
folution, bie fich auf bie Einfcßränfung ber grauenarbeit unb ber
Arbeit oon jungen Seuten unter 18 Saßren bezieht, ber Kommiffion
für Sauarbeiterfcßuß in Hamburg- überwiefen. Den §auptpunft
bilbete bie große Unfaßaefaßr. Es würbe heroorgehoben, baß bie
UnfaßoerhütungSoorfcßriflen ber Sau-SerufSgenoffenfcßaftcn nicht
genügten, meift gar nicht befannt gemacht würben, unb baß ihre
Durchführung ebenfowenig geniigenb fontroßirt werbe, wie bie
Durchführung ber polizeilichen Sauoorfcßriften. Die Döpfer (Cfen-
feßer) flagten befonberS barüber, baß fie bei faltem Sktter bei
uuoerglaften genfiern ober bei KoafSöfen auf ben Sauten arbeiten
müßten.
Der Kongreß erflärte fich fcßließlicß zuuäcßft einftimmig für
ein befonbereS ReicßSbauaefeß, welches neben fanitären Se-
ftimmungen befonberS bie Unfalloerhütung z u regeln habe,
eoentuell für eine Abänberttng beS AbfcßnitteS beS llnfall-
oerficßerungSgefeßeS, ber oon ber ttnfaßoerßütung unb ber
Setriebsüberwadjung hanbelt, bahin, baß befthnmt wirb: Dieoer-
ficßeruitgSpflicßtigen baugewerblichen Setriebe unterliegen einer be¬
fonberen regelmäßigen Kontroße in Sezug auf Unfaßüerßütung.
Diefe ber aßgenni: eit ©emerbeauffießt anzugliebernbe Kontrolle
wirb ausgeübt ooi. Iv'oubcren Kommiffioiieu, welche oon ben Se-
auftragten ber Sern ^giuoffenfcßafteu unb bei* Arbeiterorganifationeu
Zu gleiten Dßeilen gebilbet werben unb unter Seitung fach»
männifeßer ftaatlicßer Scamten fteßen. Diefe Komntiffionen haben
auch bie UnfaßoerhütungSoorfchriften zu erlaffen, bie Unfaßunier-
fuchung in jebem einzelnen gaße unaefäumt oorzuneßnten unb bem
Unfaflmelbemefen oorzufteßen. Die Koften biefer Einrichtung, auS-
fcßUeßlicß ber ©eßälter für bie faeßmännifeßen ftaatlicßen Seamten,
trägt bie Saugemerfs-Serufsgenoffenfchaft für ben Umfang ißreS
Sezirfs.
3n aßen Orten, wo nennenswerte Sauten auSgefüßrt werben,
foßen außerbem Kommiffionen, befteßenb aus Sertretern möglichft
aßer Sauberufe, gebilbet werben, um bie ©cßäben unb SJHßftänbe
auf ben Sauten aufzubeden. Zugleich würbe ein Antrag ber
©teinfeßer unb ©traßenbauaroeiter angenommen, in welchem
©cßuß oor Ueberfaßren bureß eleftrifcße ©traßenbaßn-
wagen bureß befonbere Soliz^oerorbnungen geforbert wirb. Des
Sküeren erflärte fidß ber Kongreß für Abfcßaffung ber Afforb-
arbeit unb für rolle Koalitionsfreiheit, gn ber leßteren 9te-
folution, in welcher auch gegen bie angefünbigte „3ucßthauSoorlage"
proteftirt wirb, werben alle Sauarbeiter DeutfcßlanbS einbringlicß er¬
mähnt, bis auf beit leßten 9)tann fteß ißreit Serbänben anzufdjließen,
weil ber mirffamfte Arbeiterftuß in ber ©egenwart aßein in einer
ftarfen Organifation ber Arbeiter gewährleistet fei. DieKommiffion
für Sauarbeiterfchuß in Hamburg, welcßc ben Kangreß ein¬
berufen, foß befteßen bleiben unb als Eentralfotnmiffion bie Kongreß-
befcßlüffe bureßfüßren, wobei fie bureß bie möglicßft an aßen Orten
einzufeßenbcit Sauarbeiter-Kommiffionen (Sofalfommiffionen) unter-
ftüßt werben foß.
Serlin. ©uftao Daube.
Der brtttc Kongreß ber ©etoerffeßaftest DentfcßfanbS, ber am
8. SOßai b. 3. in granffurt a. ftattfinbet, wirb oon bem „Kor-
refponbenzblatt ber ©eneralfoutmiffion ber ©ewerffcßafteu Deutfcß-
lanbS" in einem Artifel befproeßen, bem wir golgenbeS ent¬
nehmen :
©oweit bie nußbringenbere ©eftaltung ber 3nftitution ber
©eneralfommifffon in Setracßt fommt, liegt ber oon ber Konferenz
ber Sebafteure ber ©ewerffcßaftSpreffe gefteßte Antrag oor, bie
SerficßerungSgefeßgebung gcmeiiioerftänblicß z u bearbeiten, bte
Arbeiter mit ißr meßr oertraut zu macßeit unb babureß ber
Serfcßledjterung biefer ©efeße oorzubeugen unb für beren Ser-
befferung z u wirfen. Eine weitere Anregung geßt bahin, bas
„Korrefponbenzblatt" zu erweitern unb zu einer gewerffcßaftlicßen
Reoue umzugeftalten. An erfter ©teße fteßt bie grage beS Koa-
litionSrecßteS. Es ift unbebingt erforberlicß, baß bie Vertreter ber
organißrten Arbeiter eine Antwort ertßeilen auf bie ^eßereien
egen bie ©ewerffeßaften, bie oon Seuten auSgeßen, wel^e offen
ie ©efeße übertreten unb ben Arbeitern ben winzigen Reft beS
Sereinigungsrccßtes rauben woßen, um bie Ausbeutung ber ArbeitS-
fraft ungeftörter betreiben zu fönnen. Der DageSorbnungSpunft:
„Die ©ewerbeinfpeftion", foß weniger zu einer Erörterung ber
Stängel ber hierauf bezüglichen ©efeßgebung unb zur gormußrung
oon SerbefferungSoorfcßlägen, als oielmeßr zu einer Sefprecßung
barüber fiißren, welcßen Antßeil bie ©ewerffeßaften an ber Aus¬
führung ber 3^fpeftion neßnten fönnen. Es ift beSßalb aueß oor-
gefeßen, baß bie in ben einzelnen Snbuftriegruppeu notßmenbige
unb mögliche ©ewerbeinfpeftion in befonberen Referaten beßanbelt
werben foß. Sieben einem Seferat über bie ©ewerbeinfpeftion im
Aßgemeinen foßen befonberS erörtert werben: Die Kontrole ber
Sauten, bie Serginfpeftioit, bie ^afeninfpeftion unb bie ©ewerbe*
auffi^t im Kleinßanbwerf unb in ber |)auSinbuftrie.
Der ©treit über bie Darifgemeinfcßaft im Sucßbrudgemerbe
gab inbireft Seraulaffung, ben $unft „Darife unb Darifgemein-
feßaften im gewerffcßaftlicßen Kampfe" auf bie DageSorbnung beS
KongreffeS zu feßen. Keineswegs aber foß ber Sudjbrudertarif
bie Srunblage für bie Seßanblung biefeS DageSorbnungSpunfteS
abgeben. Er wirb, ba er ber einzige Darif ift, ber für ganz
Deutfcßlanb ©ültigfeit erlangen foß, aus ber Debatte nießt ganz
auSzufcßeiben fein, boeß bürfte fteß biefe in ber §auptfacße baßin
bewegen, bie ©renze zu beftimmen, bis zu welcher Darifgemein-
feßaften oon Süßen für bie Arbeiter finb. prinzipielle ©eg-
ner ber Darifgemeinfeßaft bürfte eS unter ben gemerf-
fcßaftlicß organifirteu Arbeitern faum geben.
Die ArbeitSoerinittclung ßat ben leßten ©ewerffeßaftsfongreß
bereits befcßäftigt, bodj fonnte bort bie ©aeße nießt in bem Staße
befproeßen werben, wie bieS bringenb erforberlicß ift. Die An-
r theilnaßme ber ©ewerffdjaften in ©iibbcutfcßlanb an ben ftäbtifeßen
ArbeitSnacßweifen, baS Eintreten größerer ©ewerffeßaftsfreife in
Serlin für paritätifeße ArbeitSnadjweife unb oor Aßein ber Sor-
703
Sogiale $ragi£. Eentralblatt für Sogialpolitif. SRr. 26.
704
ftofe ber Unternehmer, bie ArbeitSoermittelung gu einem SRonopol
für fich auSgugeftälien, matten eine erneute unb eingeljenbere Be*
fjanblung ber Sfrage abfolut erforberlid). Die Meinungen finb in
©eroerffepaftsfreifen äußerft getrennt unb es roirb gerabe hier
fdjroer faden, eine alle Steile befriebigenbe Löfung herbeiguführen.
SDie ArbeitSoermittelung roirb fo lange ein SchmergettSfinb ber
©eroerfßhaften bleiben, als biefe nicht ftarf genug finb, ben
ArbeitSmarft fogu beeinflußen, baß bie ArbeitSnachroeife ber Unter*
nehmer giaSfo machen. Hier ift nicht bie 3af)I ber Viitglieber ber
Drganifation, fonbern auch bie innere Einrichtung ber lefeteren,
Ausbau beS UnterftüßungSroefenS 2 c. auSftf)laggebenb.
Begüglich ber Arbeiterfefretariate foll ber Kongreß nicht nur
über 3n> e <fmäßigfeit unb innere Einrichtung, fonbern auch barüber
berathen, ob ber SRufeen biefer Einrichtung nur ben organiftrten
Arbeitern, welche bie Hofieit tragen, gufaden foff, ober ob allen
Denen, roelche bie Hülfe ber Sekretariate in Aufprucf) nehmen
wollen, folche geboten roerben foH.
Der ©eroerffchaftsfongreß bürfte fidfj neben anberen, in ber
DageSorbnung nicht ermähnten fünften auch mit ber SRegulirung
ber ©ehälter ber ©eroerffdjaftsbeamteu unb SRebafteure ber ©e*
roerffdjaftSpreffe befchäftigen. Diefe ßfrage ift für bie gortent*
roicfelung unb innere ^eftigfeit ber ©eroerff(haften oon eminenter
Bebeutung.
@o baS „ftorrefponbengblatt". ©egen 1892, roo ber erfte
©eroerffchaftsfongreß abgehalten rourbe, h fl t bie 3<*hi &er geroerf-
fd&aftlich organifirten Arbeiter fid) ungefähr oerboppelt; fie beträgt
je^t 487 000 Arbeiter. Die AufroärtSberoegung hält gur 3 ß it noch an.
©enerafoerfammlungat ber Verlink ber 3imnierer rntb Maurer
DeutfchfattbS. 3nt Anßhluß an ben Bauarbeiterfdjub^onareß
fanben in Berlin bie ©eneraloerfantmlungen beS Ver¬
banbeS ber 3itumerer DeutfchfonbS unb beS VerbanbeS ber
dRaurer unb oerroanbten Berufs genoffen ftatt, bie beibe ftarf be¬
fugt roaren.
Die Situiuererberoegung funn bereits auf ein breißigjährigeS
Beftehen gurücfblicfen. Der jeßige Berbanb, ber fich als eine gort*
feßuna ber unter bem Sogialiftengefeß unterbrächen Drganifation
barfteüt, rourbe 1883 in Berlin begrünbet unb gäßlt jeßt 22 104 9Rit*
glieber in 408 3 a &W c ^cn. Da faft bie §älfte ber 3iutmerer in
Reinen Stäbten unb Dörfern arbeitet, fo ftößt bie Drganifation
auf große Schroierigfeiten. Der ^affenbeftanb beS BerbanbeS, ber
feit 1889 über ein eigenes Drgan „Der Simtnerer" oerfügt, betrug
Enbe 1898 103 459 dt Die ©eneraloerfammlung roar oon
93 Delegirten unb einem 3Ritgliebe ber Hamburger ©eneral*
fommiffion ber beutfehen ©eroerffeßafien befucht unb befchäftigte fidfj
oomehmlich mit einem neuen Streifreglement unb ber Ein*
führung ber ArbeitSlofenunterfiüßung. 3iir bie leßtcre rourbe
u. 21. geltenb gemacht, baß fie geeignet fei, bie Streifs gu oer*
minbern, benn gerabe bur<h bie Lohnorücferei ber in SRotß befinb*
liehen Arbeitslohn mürben nicht feiten Lohnfätnpfe oeranlaßt. Da
eS an Vorarbeiten fehlte, rourbe ber Berbanbsoorftaub beauftragt,
fpäteftenS bis gur nächften ©eneraloerfammlung Statuten für Die
ArbeitSlofenunterfiüßung p entroerfen. Eine Angaßl oon ®elegirten
erflärte fich grunbfäßlidj für bie ArbeitSlofen-ltntcrftiißung. 3n
Betreff ber Streifs rourbe befeßtoffen, ben SBocßenbeitrag um 5 4
gu erhöhen. Dafür fott auch bei Streifs bie Unterftiißung erhöht
roerben. ©eflagt rourbe über bie Öeinbfcßaft oieler Unternehmer
gegen ben Berbanb. Um in ber Agitation mehr Einheitlichfeit gu
erzielen, rourbe bie gefammte Leitung ber Agitation bem Ber*
banbSoorftanb übertragen.
Der Berbanb ber 3Raurer gäljlte im Durchfcßnitt beS
3aßreS 1898 60175 ERitglieber, ber ftaffenbeftanb betrug Enbe
oorigen 3ah rß 8 286 015 dt Um bie Loßnöriicferei burch
italtenifchc Arbeiter,*) beren fidb baS Unternehmerthum in immer
*) 3n ben Iotbringifdjen Sitbuftriebejirfen hat bas ^ufammenflromen
italientfcher Arbeiter, bie bort bei Eifenbahn* unb Strafienbautcn, in
Steinbrüchen unb bei ben Neubauten für bie in fo aufierorbentlicb
rafchem tluffchroung begriffenen VergroerfS* unb .^üttenbetriebe be*
fchäftigt roerben, in biefem grühjahr ganj ungeheuere Ximenfionen an*
genommen. $Rod) immer treffen bie Sohne beS Sitbens in groften
Trupps, oft ju mehreren ^unberten, in jenen Drtfchaften ein. 3)ah
unter folchen Untftänben bie äSohnuugSoerhältniffe biefer fteüenroeife ju
Xaufenben auf roenige flciuc Orte jiifaimnengcbräugteu Arbeiter faft
burchroeg bie benfbar traurigften ftnb, läf;t fich leicht oorftellen. ^ie
?trt unb Steife, roie fich biefe Sicutc pfantnteupfercheu, fpottet, roie
?lrbeiterblätter berichten, feber Vefchrcibung. 20—30 3Katm liegen in
^achftuben auf ^ritfehen, bie nothbürftig aus Vrettcrn jufammeii*
genagelt finb. Um ftd; gegen bie ungeroohute .Heilte unferer 9?äd)te
ju f^ü^en, h a lten bie teilte, bie fich in ben meiften 3ä9en beim
auSgebehnterem ERafee bebiene, p oereiteln, h<*t ber Vorftanb ein
italienifc|eS Vlatt „L’Operaio Italiano“ gegriinbet, baS fchon einen
bemerfenSroerthen Einfluß auf bie italtenifchen Arbeiter ausübe.
Sluch mit ben „©enoffen" in Böhmen höbe ber Vorftanb ^ühlong
genommen, um p oerhinbern, bafe cgechtfche Arbeiter ben fämpfen*
ben beutfehen Brübern in ben SRüdfen fielen, ^ie ©eneraloerfammlung,
bie fich für energifche Agitation für ben Berbanb erflärte, roar oon 171
$>elegirten befucht. Befchloffen rourbe: ftaliftifche Erhebungen über bie
Sage ber Arbeiter im ERaurergeroerbe burch ben Borftanb, Äampf
gegen bie Slccorbarbeit, Erhöhung ber Beiträge um 5 4 pro
feoche. Bon befonberer SSichtigfeit roar bie Erörterung ber
über bie ^arifgemeinfehaft mit ben Unternehmern. 3)enBer*
banbsphlftellen rourbe bie Verpflichtung auferlegt, bet Ueberrcichung
etroaiger Sorberungeit unb SBünfche an bie Arbeitgeber auch utn
Unterhaublungen nachjufuchen, unb, falls am Drte eine Arbeiter*
organifation befteht, oon biefer p oerlangen, mit ben ©efellen*
Organisationen einen cooperatioen ArbettSoertraa (baS Sßort
„$arifgemeinfchaft" ftiefj auf 2Biberfpruch) oon ein* bis l)ö<hftenS
groeijähriger ^Dauer ab^ufchliefeen, mit ber Vtafcgabe, ba& nach
tauf beS Vertrages bie beiberfeitigen Drgane pfammentreten, um
über Verlängerung beS Vertrags, bejro. Aenberung beffetben Be*
rathung p pflegen unb Vereinbarungen p treffen. Das Streif*
regiement rourbe bahin abgeänbert, ba& bei Streifs, bie ber Vor*
ftanb nicht genehmigt hat, Unterftüfcunaen ans VerbanbSmitteln
nicht geroährt roerben. Diefer Befchluß richtet fich 9 ß 9 ß n oo*
befonnene Streifs. Die £muptfa<he bleibt aber bie ©enehmigung
ber Darifgemeinfchaft.
AuS ber Arbetterbewegimg m Berlin. Eine grofje Berliner Bä cf er*
gefellen-Berfammlung hat befchloffen, bie Sammlung pmStretffonbsfo
lange fortpfepen, „bis beren Ertrag ben enbgiltigen Erfolg öerfpridfjt." ^ro*
teftirt rourbe gegen einen AuSfpruch in ber Icpten Bkifteroerfammlung,
roonad) baS Hoft* unb Bogisroefen beim äReifter fdjon beShaib ntd;t ju
befeitigen fei, roeil bie SReifter nicht ftdter roären, bafj „jeber Arbeiter
für 50 fßf. Badroaare im B?agen mit aus bcr Bäcferei trage".
£ie organiftrten Berliner 2)rofehfenfutfeher (rmtb 1200 Hutfcher
in 110 §öfeu) haben befchloffen, einen Dclegirten ju bem p Cftern in
Seipjig ftattfinbenben Hongreh ber ^anbcls* Hilfsarbeiter p fenben,
roeil biefer Hongreh fid) mit bem auch bie Drofdjfenfutfcher interefftrenben
gefefclichen Auhetaa im BertehrSgeroerbc unb mit ber ©efährbutig oon
Straßenbahnen befchäftigen roerbe:
Die Berliner Steinfepcr oerlangen burd; ihre Bohnfommiffton
oon ben Bfeiftern ben neunftüubigen Arbeitstag, 65 $f Stunbeniohu
unb Abfchaffuug ber Ueberftunben unb Afforbarbeit. Die Bfeifter roollcn
bie bisherigen Arbeitsbebingungett: phnftünbige Arbeitspit unb 60 ^f.
Stunbeniohu aufredjt erhalten.
Vermittclttug im Ärcfelber B3eherftreif. Vom 25. dRärs roirb
ber ,,Äöln. VolfSgtg." aus Hrefelb gef<hrteben, baß es ber
Stäbtifchen Sozialen fommiffion nunmehr gelungen fei, eine
Einigung groißhen ben ftreifenben Sammetioebern unb ben
3?abrifanten anpbahnen. Viait h ß 9 ß bie Erwartung, baß noch oor
bem Dfterfefte ber AuSftanb beenbigt fein roerbe. Die Sammet*
roeber feien bereit, bie Sohnlifte ber Sabrifanten, bie fich I,cr *
pflichten, ben 3ufaß für tabellofe SSaare als einflagbaren £ohn p
garantiren, anjunehmen. Die Höhe beS 3«fabeS bleibe ber Ver*
einbarung jroifchett ben einzelnen Sabrifanten unb ber Vertretung
ihrer Arbetterfchaft überlaffen. Vtan hatte auch bie 3£eber ber
Sammetfabrifen in ben moliegettben Drteu, roie ßobberid), Vierfen,
9thepbt u. f. ro. oeranlaßt, ihre Solibarität mit ber Hrefelber
Streifberoegung bureß Qorberungen oon Lohnerhöhungen gutn Aus*
bruef p bringen. 3u einigen Jabrifen erreichten fie baS, anbere
Sirmen aber lehnten bie Öorberung ab, fo baß auch hi cc ^er
AuSftanb begann. Das ©eroerfßhaftsfartell forberte angeßchts
biefer AuSbehnuna ber Lohnberocgung p reichlicher Unterftüßung
auf. Der Eentraloorftanb beS Siteberrheinifchen VerbanbeS djrift*
licßer Textilarbeiter faßte aber in Hempen folgenbe Befchlüffe:
Der am 24. SRärj oerfammelte Eentraloorftanb beS Aieberheintfcheu
VerbanbeS chriftlicher Sc^titarbciter erflärt einftimmig: a) baß er ooll*
ftänbtg einoerftanben ift intt bem VermittelungSoorfdjlag ber Sogialeu
Hommiffton, bie Arbeit roicber aufpuehmen, roenn bie gabrifanten ben
in ihrer Bohnlifte oorgefeheneit 3 u ? a b bis p 10 4 für tabellofe Arbeit
Schlafen nur mit ihren wenigen Hleibuugsftücfen p bebeefen in
ber Sage ftnb, bie fpärüdjeu ?feufter ber Sdjlafräumc bicht ge*
fchloffen. Bleiche Luft baritt entftcljt, faitn man fich leicht benfeu.
B?ie fidj bie fanitären Berhältniffe in biefen beifpicllos oernadjläffigten
Arbeitermaffeuguartieren roährettb ber heißen oafjrcspit gcftalten foüen,
ift nietet abgufehen. Der Ausbrudj einer Epibcmic müßte oon ben ge»
fäl)rlichfteu folgen begleitet fein. ES ift unter foldjen llmftäubeu nicht
gu ocriounbern, roenn bie anfäffige Eiuroohuerfdjaft ber lothringifchen
3»buftriegegeubeu bie Verroaltungöbebörbcn gu burdjgreifeitbeu SWaß«
regeln gegen biefe traurigen SBohuungSguftänbc gu oeranlaffcn fudjt.
705
Sogtale $ragt8. CentralBIatt für Sojialpoltttl. Rr. 26.
706
berart in flagbaren Lopn (Ergämungslopn) oerroanbeln, baß er unter
aßen Umftänben o^ne 9lüdtft<^t auf bie Befpaffenpeit ber Arbeit gegaplt
roerbett mtt&, unbefpabet beS RepteS ber ftabrifanten, für fc^lecf>te
Arbeit Abgüge eintreten 311 Iaffen; b) er nimmt mit Befriebiguttg baoon
tfenntnip, bafe bie gabrifanten (folgen fünf 9?amen) bert ooßen Ergeht*
gungslopn oon 10 4 be^oplen unb meift ipre bort bekräftigten »er*
banbsfoßegen an, in biefen betrieben fofort bie Arbeit aufgunepmen,
fobalb bie gabrifantenoereinigung ben BermittelungSüorfplag ber
fojialen tiommiffton angenommen paben mirb; c) er meift bie in ben
anbercn betrieben befpäftigten BerbanbSfoflegen an, in betreff ber (Sr*
gänguitgSlöpne iprer betriebe mit ber fojialen Aiommiffion unb ipren
firmen meiter gu oerpanbeln unb nap Befanntgabe beS ErgebniffeS
biefer Berpanblungen ebenfaßs fofort bie Arbeit aufgunepmen.
$et liierte beutfpe $aitbltmgSgepilfeiitag mirb am 8 . April in Raffel,
Stabtparf, abgepalten merben. Rap ben bisherigen Anntelbungen
bi'trften etma 600 Stäbte oertreten merben unb über 1000 .franblmtgs*
gepilfen an ben Beratpungen teilnepmcn. $ie Sagesorbitung umfafet
tolgenbe fünfte: 1. Sarenpäufer nnb $anblungsgepilfen", Beripter*
ftatter 9t. o. Bein-Altona; 2 . „Rooeße gur toeroerbeorbitung,"
Beripterftatter B- Elberbing-Elberfelb unb 9t. £öring*$>amburg;
3. „Raufmännifpe SpiebSgeripte," Beripterftatter gr. Spneiber*
Leipgig. — $ent .Jmnblungsgepilfeittag gebt in üblicher feeife am Cfter*
fonntag ber BerbanbStag beS 23 000 TCitglieber gäplenben 2)eutfp*
nationalen .franblungSgepilfen-BerbanbeS ooran.
Bcretnbaruug gtoifpen Arbeitgebern nnb Arbeitern ber Spinnerei
non Lancafpire* feie förmlich fifopnbifferenjen in ber englifd^eit
Äoplenbiftrirten burp Berpanblungen grotfpen ©rubenbefipem
unb Bergleuten auf frieblipem feege beigelegt morben ftnb,
fo jept in ber Spinninbuftrie. gn 3Ranpefter fanb am 20 . 9Rarg
eine feonfereng groifpen Arbeitern unb Arbeitgebern beS Spinnerei*
geroerbes oon Süboft*Sancafpire. ftatt, um über bie gorberung
einer ßopnerpöpung oon 7 $ence pro $funb Sterling gu beratpen.
2>ie Arbeiter patten faft einftimmig befploffen gu ftreifen, faßS
eine ßopnerpöpung abgelepnt mürbe, gept fplugen bie Arbeit*
geber oor, bie graae einem SpiebSgeript 311 unterbreiten. Rap
3 roeiftünbiger Beratpung unter fiep lepnten bie SDelegirten ber Ar»
beiter ein SpiebSgeript ab. (Sin offigießer Splußbeript jebop
befagt, bafe bie Arbeitgeber um bes griebenS toillen eine ßopn*'
erpöpung oon 7 fßence pro Bfunb Sterling bereinigten, in ber
BorauSfepung, bafj bie Arbeiter ein Spfteni aboptiren, bas fünftig
bie ßopnpöpe nap Sage beS ©efpäfts regelt. 3)ie Bertreter ber
Arbeiter geben bie 3 u f^9 e / ernftlidp in biefer Riptung fiep 3 U bemüpen.
Beroegung itttter Pen #aiiblimgSgepUfeii non Baris» Seit
einigen 2&open perrfpt in geroiffen Brattpen bes ^arifer £>anbelS*
geroerbes eine Iebenbige Agitation, foroopl in ben Greifen ber Unter*
nepmer als ber Angefteflten. $)ie Saeplage ift bie folgenbe: gn
Bariö paben befanntlicp bie meiften ber 3)etailoerfaufSgefpäfte,
fomeit es bie Statur iprer SBaaren geftattet, fogenannte Etalagen,
b. p. Auslagen, melepe über bas {muSalignemeut pinauS in ben
öffentlichen Strapenraum pineinragen. Bielfacp oerfperren biefe
Etalagen baS Trottoir unb bie Bolis^ibepörbe fap fiep baper fepon
öfters oeranlafjt, eingepenbe Reglements über bie AuSbepnung 3 U
erlaffen, melepe ben 9BaarenauSlagen geftattet ift. Bor £i urgent
mürben burep Boli^iücrorbnung, Iebiglicp im gntereffe ber Drbnüng
auf ben öffentlichen Strafen, oerboten, bie (Stalageu länger als bis
8 Upr AbenbS an BJocpentagen unb bis 12 Upr Mittags an Sonn*
tagen aufreept 31 t erpalten. &iefe s D?aferegel fant natürlich einem
£peü ber Angeftettten 3 U ^ute unb mürbe oon biefen als einen
Sdpritt 3 ur gefepliepen Begren 3 ung ber ArbeitS 3 eit begrüpt. $)a*
gegen proteftirten bie Unternehmer fepr halb bagegen unb appeflirten
an ben ©enteinberatp um 3 ur ü^ na ^ mc BerboteS, roäprenb
anbererfeitS bie OJepilfen eine peftige Agitation entfalten, um ben
errungenen Bortpeil niept roieber 3 U oerlieren.
Ärheiter(iJ)»i^
Sepup ber ^anbelSangeftetftcit; obligatorifeper Sabenfeplup.
Aus ben greifen oon fiabenbefipern liegen einige beacptenSmertpe
tunbgebungeu oor, bie fiep für eine (Srioeiterung ber 3 unt Scpup
ber §anbelsangeftellten oorgefcplagenen gefepliepen Beftimmungen
auSfprecpen. So ‘pat bie Bereinigung oon ^etailüften ber
9Ranufafturenbranepe in ©üffclborf befcploffen, in einer öinaabc
an ben Reichstag bie gefeplicpe Einführung beS einheitlichen üaoen*
fd)luffeS fpäteftens um 9 Upr Abenb? bei gleichzeitigem ArbeitS*
fcplup für bie Angestellten 3 U forbern; pieroon auSgefdjloffcn füllen
alle Samstage foroie bie Sage oor Dftern, feeipnaepten 11 ub
Bfingfteit fein. —■ 2)er Berein ber Vabenbefiper in Barmen pat
bereits bem ReicpStagc eine 'Petition eingereiept,
w bap ein empeitlicper, früherer Scplup ber ©efepäfte, nämlicp um 8 Upr,
gefephep feftgefegt merbe. äSenn aup oon anberer Seite oielleicpt ber
9 Upr^Scplup befürroortet mtrb, fo fönnen mir bies bop itipt für
praftifp erapten, ba einerfeitS ben Lehrlingen bie gortbilbuitg
unmöglip gemapt mürbe, anbererfeitS bie lifpjeit AbenbS im
Aßgemeinen nipt fpäter als um 8 Upr ftattfinbet. Seit gapren fpon
arbeitet ber Berein oergeblip an ber Söfung biefer tfragc unb pat feine
Opfer an ®elb unb SRüpe gefpart, um eine freimiflige Einigung auf
ben 9 Upr»Öabenfplup 3 U er 5 ielen. Leiber fpeiterte btc Ausführung
immer mieber an bem Eigenmißen einiger Weniger. 9Senn fpon bas
Arbeiten in Laben, mclpe nipt immer genügenb gelüftet ober im
SBinter nipt auSreipenb gepezt ftnb, an unb für fip ber ©efunbpcit
nipt bienlip ift, fo biirfte aup für bie Angefteßten mie für bie OtcfpäftS»
inpaber felbft eine Arbeitsjett oon 12 Stunben, bie meiftcnS ftepenb
auSgefiißt mirb, fpon piitreipenb lang fein. Statiftifp ift napgemiefen,
bap eine lVjtnal fo große gapl uon Angefteßten in Labengefpäftcn
mäprenb berfelben 3 e *t erfranfte, als in Baitfen unb Bureaus, ^itr
meibltpe Angefteßte ift bas lange Arbeiten gerabe 3 u ruinös, unb ben
Angefteßten mirb überhaupt bie 9Röglipfeit genommen, an iprer
toeiteren Aimbilbung 31 t arbeiten. §eroorragenbe gnbuftrieße foroie bie
Barmer .franbelsfammer paben ftp ebettfaßs für ben Eefpäftsfplup um
8 Upr auSgefpropcn, unb Erftere ftnb gern bereit, tpre ^abrifen am
Sonttabenb früper 3 U fpliepen, um tprett Arbeitern Eelcgcnpeit 31 t
Eiitfäufen 3 U geben. $a nun bie gntereffen meber eines Einzelnen nop
einer Eefammtpeit gefpäbigt merben, fonbern nur gefunbpeitlipe Bor*
tpeile 3 U ermarten ftnb, |o bitten mir einen popeit ReipStag um
geneigtere Unterftüpung unferer Begebungen."
Aup in Braunfpmeig ftnben bie Beftrebungen, einen aß*
gemeinen ßabenfplufj einsufüpren, einen fruptbaren Boben; bie
|mnbelsfammer unterftiipt fie nap Graften, gn Altona pat ber
©etaißiften*Berein befploffen, burp ben „Eentraloerbaub beutfper
faufmännifper Bereine" beim BunbeSratp 3 U beantragen: 2)ie
fiabengefpäfte öffnen früp um 8 Upr unb fpliefjen fpäteftens
abenbs 9 Upr, abgefepen oorn Sonnabenb Abenb, an bem eine
Befpränfung nipt ftattfinben foß. gerner mirb oier BSopen
oor ©eipnapten unb 14 £age oor Dftern be 3 m. ^fingften jebe
Befpränfung aufgepobett. 3)te „3)eutfpe §>anbelS 3 eitung", bas
offi 3 icße Organ beS BereinS ber Berliner Molonialmaaren*
pänbler fpreibt 3 U bem Spupgefep ber |>anblungSgepülfen: „2Lir
meinen, ein obligatorifper Abenbfpluß ift oor 3 U 3 icpen, bann
pat aup ber Brin 3 ipal etroaS oon bem Spupc, ben er unter
Umftänben mepr braupt mie bie Angefteßten." $5aft oon Seite
ber ©epülfen-Berciniguitgen bie alte gorberung jept aufs Reue
erpoben mirb, bebarf feiner toeiteren Berftperung. Unferc eigene
Anfipt paben mir fpon auSgefpropen (Sp. 637); mir ftintmen
üößicj mit ben 'Borten beS „Rtanufafturift" in Barmen überein,
ber nt einer öug Brin 3 ipalSfreifen atn Spluffe fagt:
„Birb ber Labenfplup bemnäpft gefeplip geregelt fein, bann mirb er
gerabe fo fegensreip unb mopltpuenb für §crr unb
äoept roirfen, mie bie SonntagSrupe, gegen bie fip aup
3 uerft fooiel Iapme Biberfpriipe unb Einroenbungen erpoben."
Arbeiterfpnp in ber Spierpaartnbnfitrte gegen Wlgbranbiefapr.
Bie in Eingaben oon Unternehmern unb Arbeitern an ben Reips*
tag, fo fatn aui bei ber britten fiefung bes ReipSpauSpaltcS am
21. 9 Rär 3 bie befannte, am 1. guli in £raft tretenbe BunbeS*
ralpSoerorbnuttg über ben Arbeiterfpup gegen 9 Ril 3 branb (ogl.
„So 3 iaIe ^ßrafis" Sp. 505) 3 ur Sprape. Bon ber einen Seite
mürbe bie Rotpmenbigfeit beS ^)eSinfeftionS 3 mangeS für Xpierpaare
oerneint, oon ber anoern nop grünblipere Rfapnapmen geforbert.
^)er Staatsfefretär bes gnnern erflärte:
^arin, baß attberc Länber ben $eSinfeftionS 3 toang für Roßhaare
uitb Scptoeineborften nop nipt burpgefiiprt haben, fann für uns fein
®runb liegen, 3 ttm Spabcn ber Arbeiter eine folpe hßflienifpe Riap*
reget 3 U unterlaßen. 3Lir in $)eutfplanb ftnb, (')ott fei ianf, auf
oielctt (Gebieten aitberen Äulturläitbern oorangegangett unb poffett bies
aup in gufunft 3 U tpun ... ES ift eine alte Erfahrung, bap, memt
folpe Spußntaßregeln eingefüprt merben, bte betheiligten gnbuftrien
fagett: £as ift gatt 3 unmöglip, bie gange gnbuftric mirb ruiitirt. Xie
gnbuftrien haben aber aup bie Berpfliptung, im gutereffe iprer Arbeit»
nehmer Düigeng augumenbeu unb erft m oerfupen, ob es geht, mie cs
angeorbitet ift. Eine mcitere Prüfung oer grage bleibt oorbehalteu.
2)aS ift eine fepr erfreulipe Erflärung!
Spftematifpe Bcarbeitnttg oon Arbeiterfpupbeftimmnugen iiu
ReipSamt beS gnnern. RegterungS* unb ©eroerberatp Sprenger-
Berlin mürbe ber „9Rünp. Aßg. ytg." gufolge ins RcipSamt bcS
gnnern berufen, um als bemäprter gapmann bie fßftematifpc Be*
arbeitung oon Arbeiterfpnpbeftimtnungen für oerfpiebenc (Memerbs*
gtoeige in Angriff 311 nehmen. — Aup bies ift ein Angeipen, baß
nap längerer B au f e »an roieber ein frifperer 3»ß in bie Sogial*
reform fommt.
707
©ojtale $ra£i$. ©entralblatt für Sojtalpoliiif. Ar. 26.
708
©ifeiiBahttflrBetterfdjnß in $oftanb« ©in königliches .Defret oom
9. Jyebruar, bcffen Veftimmungen am 1 IDftober 1899 in Straft
treten, beftimtnt, baß Arbeiter auf Vahnfiationen (5Beicf)enroärter,
©ignallcute 2 c.) nicht länger als 10 ©tunben innerhalb 24 ©tynben
bcfchäftigt roerben bürfen. 5ür anbere Vaßnarbeiter roirb eine
AtayimalarbeitSzeit non 16 ©tunben fijrirt, bodj bürfen fie inner*
halb breier £age nicht länger als 42 ^tunben ober in 14 Sagen
nicht länger als 168 ©tunben befdjäftigt roerben. S^U^cn $roei
Arbeitszeiten muß eine roenigfteits gef)nftünbige Aufjepaufe geftattet
roerben unb außerbetn Bat jeher ©ifcnbahnarbeiter Anfprud) auf
26 Aufjetagc im Qtohre, roooon roenigftenS 8 auf einen ©onn* ober
3feiertag ju fallen tjaben.
^rbcUcrorrpd^ernng. Sparhallen.
©tob HauSbermaltcr mtb $anStoarte berftdjermtgSpflidjttg?
öS roirb uns gefdjriebcn: Siefe ftragc hat fdjon manchem Haus*
wirth arge Verlegenheit bereitet. VefonberS fjerrfdjt bariiber Zweifel,
ob aurfj telbftftänoige Ha tibroerfSntetfier unb ©efdjäftsleute, welche bie
Hausucrwaltung ober £>auSretntgung nur nebenher beforgen, unter bte
VerfidjerungSgefeße fallen. And) ben oom Viagiftrat unb oom Cbcr*
präftbenten für Verlin erlaffenen öntfebeibungen gilt nun ftolgenbeS:
VSer 3etnanb als HauSoerroalter ober Hauswart (portier, ^»auSreiniger)
bcfchäftigt, ift oerpflidjtet, für benfelbert Vtarfen zur SnualibttätS* unb
AlterSoerftdjerung ju oerroenben, rocntt er ihm
a) bic ©teßung burch münblicheti ober fd)riftlid)cn Stontraft auS*
brücflich übertragen hat unb
b) entroeber baaren Sohn (Ölehalt) ober eine freie V*oljnuug ge*
roäbrt, bie minbeftenS aus zroei bewohnbaren Aäunten beftel)t.
©ernährt ber $ausroirtlj alfo ftatt beS VaarlofjneS nur eine ein*
jelne Äü^e ober ein einzelnes ^ im nt er, fo liegt feine VcrftcherungSpflidjt
oor. ©iebt er bagegep zwei ©tuben nebft Sfüchc, fo ift bic Verftdje*
rungspflicht begrünbet. ©ernährt er nur eine ©tube nebft Stäche, fo
tfjut er gut, bic AuSfunfi ber Vcrfichcrnngsanftalt einjuholett, ba es in
einem folchen gafle erft einer eingehenben Prüfung ber in Vetradjt
fomtneuben Verfjältniffe bebarf, um mit Sicherheit angeben ju fönnen,
ob VerfidjcrungSpflidjt oorliegt ober nidjt. £ie etroaige Aufrechnung
bcs Lohnes mit ber oom Vermalter ober Hauswart z» sah^aben
Väctfjc bebt bie VerfidjeruiigSpflicht nid)t auf. Örhält ein ftauSreiniger
feinen feftett ^oljn, fonbern ift berfelbe lebiglidj auf bie Srcppettgelber
angeroiefen, rocldje bie Väcther auf Attorbnung bes HauSroirtljS an ben
Hausreiniger zahlen muffen, fo ift leßtcrcr troßbent oerfidjerungspflichtig.
5ft bie Verwaltung ober ^auSreinigung einer ©Ijefrau fontraftlidj
übertragen, fo ift nur biefe z« ucrfidiern. 3ft fic beibett ©Ijeleutcn
übertragen, fo fmb beibe oerftdjerungspflidjtig, oorausgefeßt, baß nidjt
ber ©bemann bereits oon einem anberen Arbeitgeber Vfarfeit erhält.
Vkr bie Arbeiten auSfüljrt, ift gleichgültig. 3ft z- V. eine Haus*
reinigung bem Vianne iibertraaen, roährenb bie Arbeiten in VMrflidjfeit
oon ber ©Ijefrau beforgt roeroeit, fo ift troßbent nur ber Vfcntn zu
oerfichern. Vezieht ber HauSoerroalter ober Hauöroart eine ©taatS*
penfion ober Unfaßrenie oon minbeftenS 114 M 70 &f jährlich, fo be*
freit ihn biefer Umftanb nicht ohne 2SeitereS oon ber VerfidjerungS*
Pflicht. ©rft oon betn 2agc ab braucht er nidjt mehr oerfidjert zu
werben, an welchem er feine {Befreiung oon ber Vcrftdjcrungspflidjt bei
ber zuftänbigen Veljörbc (in Verlin V?agiftrat) anSbrütflidj nadjfudjt.
$ie Herren Hausroirtljc mögen ja nicht oerfäumen, Venfionäve unb
UnfaHrentenempfänger hierauf aufmerffam z u machen, ba bie ge*
beichten Vertanen feinen Anfprudj auf Alters* ober ^noalibenrente
haben, fo lange ihre Venfton ober Unfaßrente ben Vetrag oon 415 Jt
jährlich erreicht. Xie für fic gezahlten Veiträge finb meiftenS weg*
geworfenes ©elb. £hne Steiferes befreit oon ber VerfidjcrungSpflidjt
finb nur biejeuigeit Verwalter unb Hauswarte,
a) welche in golge Mranfljeit bauernb nidjt mehr im ©tanbe finb,
minbeftenS ein drittel bes ÜagelohneS gewöhnlicher 2agearbeiter z«
oerbienen — biefes drittel beträgt in Verlin bei Viännem 90 unb bei
weiblichen V er f° ncn r>0 Ar
b) welche bie gefeplidfie ^noalibenrcnte beziehen,
c) weldjc aftiöe Acidjs*, ©taats- ober mit Vcnftonsbercdjtigung
angefteflte Mommunalbeamte finb.
3ft ein Verwalter ober Hauswart im Hauptberuf felbftftänbiger
HanbwerfSmeifter, ©efchäftsmanu ober bergleidjen, fo ift er trohbem
für feine ^Ijätigfeit als Verwalter unb Hauswart 31 t oerfidjern. Xer
Unfall* unb Mranfeuoerfidjerung brauchen Hausocrwaltcr unb Haus*
warte nidjt anzugeljören.
Obligatonfche 9(rbettSPcrfithernng für ^ienftboten in 2§icn.
^ie öfterreichifdhe Arbeiierfdjaft oerfiiat h^ute erft über bie Giranten*
unb Unfalloerfidjcnmg, gegen bie Arbeitsunfähigfett im Alter fehlt
jebe ftaatlidje Vorforgc. 4)ics mtb bic Shatfache, bafj entgegen !
bent reidjSbeutfdjen Vorgänge bas Mausgefinbe in ben kreis
ber Arbeiteroerfidjerung Ceftmeidjs bisher feine Aufnahme ge*
fiiuben Ijat, bebingt beibes, baß bas hurtige HanSgefittbe jebweber
Verforgung im Alter entbehrt, tiefem Viifeftanbe roitt ein in alle
Einzelheiten ausgearbeiteter Vorfchlag abhelfen, ber in ber SBienet
fföod^enfchrift ,,^)ie 3eit" (9h:. 232 oom 11. SRärz) geäußert roirb.
$>anadj zählt bas HauSgcfmbc SKMcnS gegenwärtig mcljr als
100 000 töpfe. ^em Anträge gemäß foß eine oon ber ©emeinbe SBicit
ZU ocrroaltenbe obligatorifche AlterSoerficherunc(S=Anftalt für $ienftbotcn
in 2Sten trtS fieben gerufen roerben. ©ie hätte alle im regelmäßigen
Sohnbezuge fteheitbeu Xieuftboteu beiberlei OlefchledjteS zu umfaffeu unb
ihre Äoften zu oier Fünfteln hei ben $icitftgebent, z u einem fünftel bei
ben Verficherten Ijeräusubringeti. ^i P i ber Vcrfidjerung foll eine fdjon
mit betn 65. Sabre begimtenbe jährlidje Altersrente oon je 200 ©ulbeti,
eoentueß ein Vegräbnißgelb oon 75 ©itlben fein. Hierfür foß eine monat*
liehe ©runbprämic oon 50 Ärcuzerit (Vs ber ^ieuftgeber, ber ^ienft*
neunter) cingeljoben werben. ^Diefc ©runbprämic foß tnbeß Ijinfichtlidj
ber ^ienftgcbcranthetle progrefftoeu (Sharaftcr erhalten, fic foß um 20 ,
refpeftioc 40 % roadjfen, je nach ber 3 a f)l ber Dieuftboten bes ^ubiotbual*
HauSftanbeS. ©in Haushalt mit zmei ^ienftboten hätte banadj ben
©inheitsbeitrag jebeS feiner Vrämienantljeilc um je 20 °/<> (48 Kreuzer)
unb'ein Haushalt mit brei unb mehr Xienftboten eilten 40prozeittigcn
3ttfchlag (40 Kreuzer uttb 16 Kreuzer = 56 Äreuzer) zu entrichten. 5)icfe
Vrämieubeträgc finb um ein kleines niebriger, als es ftdj aus ben
©runbfäßeu ber Verfichcrungsmathematif ergiebt. *5)cr Antrag rechnet
tnbeß mit ber Xljatfadje, baß oicle £ieuftboten einerfeits fchoit oor bem
20. Lebensjahre, bem ©rmtbjahre ber Veredjmntg, in ben 2)ieitft, alfo
auch iu bie Verfidjcrungspflicbt eintrelen, anberfeitS oor ©rrcidjcit bes
AeutenbezugsalterS aus bem Greife ber Vcrfidjertcn burch Heirath
— tm ^ahre 1896 waren unter beit in Söien getrauten VZäbdjeu 3230
Xienftboten —, burch Wegzug oon SBiett 2 c. ausfdjeiben. 3 m llcbrtgen
foß es folchett $>icnftboten frei fteheu, bic Vcrftdjeruitg auch fpäterpin
fortbauern z u Iaffen, fofern fie bie Vezaljlung ber V^ätuie (6 aI. pro
3 ahr) auf fief) nehmen, ©oentueß foß ihnen auch bie Aebuftion auf
bte Vegräbntß*Verftcherung (für 75 ©ulben 1 ftl. 44 jährliche V r ämie)
frei fteheu. Sie ©djroicrigfeit, bie Ttdj aus ber häufigen ©teßeulofigfeit
unb bem ©teßemoethfel ergiebt, foß baburjh umgangen werben, baß
ntan oornherein nur 48 ^ahlungswodjen (in $cut)d}lanb 47 Socßen)
unb bte Aadjzahlung ber rüdfftänbigen Prämie beim VMebcreintrittc in
eine neue ©teßung oorgefcljeu bat. Vemerfenswerth audj für ^cutfcß*
lanb, wo gegen ba§ „Älebe"=©tjftem fo oiele Vcfcfjwcrben erhoben
werben, ift bie Art, wie bie Veiträge cntridjtct werben foßen. Aach
bem erwähnten Anträge folleu bie VJonatsbeiträgc mittelft „prämiert*
Anweifefartcn" (ähnlich ben V°ftfarten) entrichtet werben, bie tu ben
©etnetiibcbezirfs*Aemtern, beit ftaatlidjen $abafläbeu, Volizä-Aemtern 2 c
oorräthtg gehalten toerbett würben. $)iefe „V r ämicn*Anwcifefarten"
foßen auf jene Vkrtfjbeträge, bie beit einzelnen Vrämicnfäfeen eittfprechen,
lauten unb wie eine gewöhnliche Voftfarte franfirt ber V°ft übergeben
werben. 2)ie V r ämienfnrte, wie fic ba oorgefdjlagen ift, entfpridjt bet*
läufig ber ©eIb*Anwei|ungSfarte, bie in einzelnen ©taaten,nntcr Attberem
auch in Italien, zur ©infüljrung angenommen würbe, ©ine mißbräuch*
Itdje Verweubnng biefer V l 'ämien*Amoeifcfarteu nach ihrem ©ttiwnrf in
ben Voftfaften erscheint wotjl auSgefchloffen, ba fte ja mit bem Aameit
beS SDienftgcbcrs uttb bes XienftueljmerS oerfeljen finb. £ic ©oibenz
über aßc Vcrfidjertcn foß im V.*rge ber polizeilichen, um ein ©tiief ju
oertiieljrenben Vielbezettel geführt unb bet jebesmaligem ©teßeumedjfel
ber bis bahitt eitigelaufeue Väimienbetrag im Tienftbuchc bes Verficherten
oerzeidjnet werben. 2)ie Auszahlung ber Aenten foß entroeber im ©elbc
ober bitrdj ©eroäljrung eines Aentiierplaßes in ben aus ben VerfidjcrmigS*
Prämien zu erridjtenbcn 2:ieuftbotcn*Alterslj c i mcn gefdjeljen. 36te
Anlage ber Voämicngelbcr foß außerbem aber auch in fonftiger fadj=
bicnlicher Aichtung, in 5)ienftboten*Afijlen, *©djulen, »kranfen*
Häufern 2 c. erfolgen.
fßlänc für eine fiaatlichc AlterSberforgnng in ©»glaub, ©eit
1893, roo eine föntglidje ^ommiffton mit ber Aufgabe betraut rourbe,
bie Viöglichfeit einer ftaatlidjen AlterSoerforgung in ©nglanb z u
unterfudhen, roirb bie Aothroenbigfeit, für bie mitiellofen ^ r f° nen
hohen Alters eine anbere öürforge zu treffen, als fie nach bem
Armengefcß oon 1834 tnöglid) ift, mit immer fteigenbem Aach*
bruefe betont. Viag burd) bie große AnSbehnnng ber ©enofien*
feßaften unb ©eroerrfdjaften mit ihren roohlgeorbneten unb reidj
botirten UnterftüßungSfaffen eine Regelung ber AlterSoerforgung
für bie Greife ber qualifi^irten Arbeiter nidrjt fo bringenb fein rofe
in ^)eutfchlanb nnb anberen ßänbern, fo bricht ftd) hoch and) in
©nglanb immer mehr bie lleberzengung Vahn, baß es ^fließt beS
©taates ift, hier eiuzufchreiten. 3m v Bahlfampf oon 1895 hat bie
Örage eine große Aotte gefpielt; ©hamberlaiit erflärte fie als Ae*
gierungSforberung. $>ann rourbe and) eine neue föniglidje £om*
miiTtoit eingefeßt, bie oerfdjiebene Vorfdjläge zu prüfen hatte; baS
©rgebniß war aber ein feljr bürftigeS. Aun aber bat, nachbem
eine roadjfettbe Agitation, namentlid) unter (SfjarleS VoothS Rührung,
baS 3ntereffe neu belebt hatte, and) baS Parlament fid) roieber mit
ber AlterSoerforgung befcfjäftigt. Anlaß gab bagu ein Antrag
2. .fjollattbs, ber am 22. Viärz im Uuterbaufc z ur Vcrljanbliing
faut. 2)ariii rourbe oorgefdjlagen, baß allen Viitglicberu oott
privaten lliiterftitßnngsfaffen, bie oott ihrem 25. 3ab ie an Veiträge
gezaljlt hätten, ein Aecht auf eine penfion oon roödjeittlidj 5 sh
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©ojiale $raji3. ©entralblatt für ©osialpoliti!. 9tr. 26.
710
itacß ©rreidjung beS 65. ßebenSjaßres haben füllten. SDer Vlinifter
©ßamberlain erfanute aufs 9Jeue bie SRotßwenbigfeit einer ftaat*
licken Regelung an. 3n Dielen Vesirfen beS ßanbeS, erflärte er,
feien bie §älfte aller ^erfonen über 65 Süßte unoerforgt, oßne
baß ein eigene« Verfcßulben oorliege. Aber bie große mtb
fcßwierige Aufgabe fei mcßt auf einem einzigen ©ege gu Iöfen,
fonbern müßte non oerfcßiebenen ©eiten angefaßt werben. $)ie
Regierung beaBfic^tige bemnädjft eine neue Kommiffion einsuberufen,
um baS ©er! ernftlicß in Angriff ju nehmen. $)er Antrag
§ollanb fönne babei als Material bienen. ©S fei auch ju er*
wägen, ob man mcßt eine grünblicße Aenberung beS ArmengefeßeS,
baS oielfacß für bie heutigen ^uftänbe nießt rneßr paffe, oorneßmen
tnüffe. 3 u näcßft fei eS aber erforberlicß, baß bie 3 obl ber in 23e*
traeßt fommenben Vebürftigen ermittelt werbe. $>aS würbe aueß
erft einen fixeren Anßait für bie Koftenberecßnung ergeben. Von
ber ©ießtigfett ber grage fei bie Regierung ebenfo burcßDrungen wie
oon ber ©eßwierigfeit. ©ie fönne nur gelöft werben naeß grünblicßer
Prüfung unb bei gutem ©illen aller Parteien. — $)ie öffentliche
Agitation für Old Age Pensions feßt nun mit boppelter Kraft ein.
©täbiifcße ArbeitSiwdjloetSfteße ©ormS 1898« An baS
fiäbhfcße Arbeitsamt ©ormS würben 1898: 2200 ©efueße non
Arbeitgebern (1897: 1615) unb 4600 (4020) non Arbeitnehmern
gerichtet. 3184 (3117) offene ©teilen waren gemelbet, für bie
3417 (3379) Arbeiter mit Anweifungen oerfeßen würben. Von
ben surücfgelangten Anweifungen lauteten 1367 (809) auf „ein*
gefteHt", 1053 (1185) auf „nießt eingefteüt". 997 (1485) An*
roeifungen famen nicht surücf. 23ei auswärtigen Arbeitszeiten
traten 117 (59) Arbeiter ein. Einige Vermittelungen erfolgten
bureß bie Verbinbungen mit ben Wac^weiSfteKen §eibelberg, Vtann*
beim, ©ieSbaben, Karlsruhe unb ©ießen. ©ine Aeibe Arbeitgeber
aus bem günterlanb oon ©ormS wenben ftch bireft an baS Amt
in ©ormS felbft, oielfacb telephonifch- ^)ie weibliche Abteilung
(©afd)* unb Vußfrauen, VtonatSfrauen, ^ienftmäbdjen) ift noeß
wenig entwicfelt. — ©ehr bemerfenSwertß ift, baß in ber ©ruppe
ber Unechte, ©eßweiser unb lanbwirtßfcßaftlicßen Ar*
beiter bie Arbeitfucßenben fich in ftarfer Uebersaßl be*
finben — ein VeweiS, baß eS entweber an offenen ©teilen fehlt,
ober baß bie oorßanbenen nicht gemelbet werben. — 2 )er mit ber
ArbeitSnacßweiSfteHe oerbunbene $acßweis für fleinere Familien*
wobnungen fanb bei bem gu Anfang beS 3aßte3 befteljenben
©oßnungSmangel großen 3ufpnicß oon ©eiten ber Vttetßer,
welkem nur ein fehr geringes Angebot oon ©eiten ber Vermieter
gegenüberftanb. Viele Vermietßer unterließen fogar abficßtlicß ben
©intrag, ba ihre freiwerbenben ©oßnungen oßne jebeS 3ntfjun
ßinreicßenb befannt würben unb fie einen großen Anfturm oon
Vtteißern befürchteten. 3n ber ^weiten £>älfte beS Saßteä würbe
ber bringenbften ©obnungSnotb Abbülfe gefchaffen bureß bie
Aftieugefellfcßaft ^ur ©rbauunq billiger ©obnungen, namentlich
311 m Veften oon Arbeitern, wobin fi<b jeßt oiele ©oßnungSfucßenbe
bireft wenben.
3«r Drganifatton beS ArbeitSnaeßtoetfcS. S)ie preisgefrönte
©dßriZ*) Hermann ©eferts s u greiburg i. V. faßt ihre Aus*
fiibrungen in folgenben ßeitfäßeu jufammen:
1. $ic btrufSgeiioffcnfdjafilidjen ArbeitSnadjweife oerfolgen ein*
fettige ^ntereffen unb tragen ben ©ßarafter beS ©treiteS; fie
finb nießt oeranlagt, bie ArbeitSoermiitelung [0 burchsufüßren,
wie es im öffentlichen ^nterefje für notbwenbig eradjtet
werben muß.
2 . $ic ftäbtifdjen bejicljungSweife gemeiitnüßigen Arbeitsnachweis*
Auftalteu tragen einen unparteiifeben (Syarafter; ihre 2 Birf*
famteit bewegt ftch in frteblidjen Valuten; es ift ieboch überall
bafiir ju f orgeit, baß Arbeitgebern unb Arbeitnehmern gleich®
mäßiger ©influß auf bie Verwaltung eingeräumt wirb.
3. $ie bernfSgenofFenfd)aftlidjen Arbcitsuachwcife finb an bie
ftäbtifcheu bejiehungsweife getneinnüßigen ArbeitSnadjweife
anjufchließen, um ber bort oerbürgten Vorteile theilljaftig
311 werben.
^)aS fehr lefenSwertbe ©eßrifteben giebt in einem Anbange
©ittbeilungeu aus ber reichen ©rfabrung, bie ber Verfaffer als
Verwalter beS ftäbtifeben ArbeitSnad)weifeS in QZeiburg ge*
fammelt bat.
*) Ueber bie hefte Drganifattou beS ArbeitSnacbweifeS t ^ur görbe*
rnug beS fojialcn ^riebens jwifdjeu Arbeitgebern uno Arbeitern. £rei*
butg i. V., ©chufterftr. 21. 3m ©elbftoerlage beS VerfafferS; ^reiS 1,20 M.
üoljnting&incftti.
2)er ©itttourf eiueS adgemeineu VaugefeßeS für baS Königreich
©aebfen.
$)ie föniglicb fädhftfcbe Vegterung bat, wie in ber „©o^ialen
$ra£is" fdßon öfter erwähnt worben i)t, bie ßöfung ber ©obnungS*
frage feit einigen Sab^n ernftbaft in Angriff genommen, lieber
bie 1896 oeröffentlichen neuen VauorbnungSarunbfäße b fl t Dr.
0 . ©angolbt an biefer ©teile feiner 3 c it (VI. 3ab^Ö- ®P* 371 ff-)
ausführlich berichtet. ®as Vorgehen ber Regierung ift oon ein*
feinen ©täbten, namentlich oon Bresben, eifrig unterftüßt worben,
wäbrenb es auf ber anberen ©eite in ben Kreifen ber intereffirten
§auSbeftßer oielfadh auf heftigen ©iberfprudß geftoßen ift. (Vgl.
„©ojiale V^fiS" VII. Sabrg* 1270.) SDie Regierung bat ftch
aber erfreulicher ©eife bur% baS ©efchrei ber Sntereffenten nicht
beirren laffen, fonbern bat nunmehr („®reSbener Sournal" $r. 44
00 m 22. pebruar 1899) bie „©runbjüge eines Allgemeinen Vau*
gefeßeS für baS Königreich ©atbfen" (2. ©ntwurf) oeröffentlieht, bie
junädhft, bem ©unfeh beS ßanbtageS entfpredhenb, einer Kommtffion
oon Verwaltungsbeamten, Vautedbnifent, Aenten, ftäbtifeben unb
länblichen ©runbbefißern unb fonftigen Vetheiligten jur Vegut*
adhtung oorgelegt werben foHen.
©aS ben ©ntwurf oor allen übrigen beutfeben Vauorbnungen
auSseicbnet, was ihn namentlich tburmboeb über bie fämmtltcben
preußifeben Vauorbnungen, einfcblicßlicb ber neuen Veftimmungen
für bie Berliner Vororte, erbebt, ift bie grunbfäßlidhe Vefämpf ung
ber Vtietbfafernen. SDieS Veftreben trat ftbon in ben Vau*
orbnnngSgrunbfäßen oon 1896 b^roor; ^S bat im neuen ©ntwurf
glücflicber ©eife feine Abfcbwädhung erfahren, fonbern ift im ©egen*
tbeil fpftematifcb unb fonfequent bis in alle ©inselfjeüen bureb*
gebilbet worben, ©äbrenb in Vr eu 6 e n bie Vauorbnungen baS
©affenmietbbauS grunbfäßlicb begünftigen, ba bie maßgebenben
gaftoreit immer noch aller ©rfabrung jum ^roß oon ber unglücf*
feligen 3 btt beberrfeßt finb, bie Viietbfaferne oerbiKige bie VÜetbcn,
bat man in ©aeßfen erfannt, baß bie SJtietßfaferne nießt nur fanüär
unb moraüfeß, fonbern aueß wirtbfcßaftlicb böcßft irrationell ift,
baß nießt bie boßen Vobenpreife bie Vtietbfaferne erzwingen, fon*
bern baß umgefeßrt baS ©ljftern ber ©ietbfaferne erft ben Voben*
preis fünftlicß in bie ^öße treibt:
„5)te Aiicfftißtcn ber ©efunbheitSpflege unb einer oorauSficbtigeu
©ojtalpoliti! oerlangen audj, baß einer übermäßigen AuSnußuna beS
VaugrunbeS eittgegeugetreten unb wentgftenS in länblichen ©ebteten
unb ben Außenbejirfen ber ©täbte eine entfprecßenb weiträumige Vau*
weife fcftgehalten werbe. ©S ift hiergegen wieberholt eingehalten
worben, baß $ur ©rsielung billiger ©obnungen eine größere ©efdjoß*
jahl, bie ©rrid)tung oon ©eiten* unb ^intergebäuben nothwenbig feien,
ba hierburch ein wcfentlichcr 2heil ber Vaufofteu, ittsbefoitberc ber
Kaufpreis für ben Vaugrunb, auf eine größere Anjaljl oon ©obnungen
oertbeilt werbe, hierbei wirb jebod) außer Acht gelaffen, baß nach aller
©rfahrung gerabe ber ^reis beS VaugrunbeS fidf) nad) bem Umfange
ber juläffigen, baulichen AuSnußung beftimmt unb jebe ©teigerung biefer
eine alsbalbige erhebliche Verthcuerung ber ©runbftüdfe nicht nur in
bem betreß'enben Vaugebiete, fonbern auch in ben nach außen gelegenen
Äadjbargebieten herbeiführt."
3)aS ©efeß erftrebt aber überhaupt nießt in erfter ßinie ©oß*
nungen, bie nur ben Vorzug ber Villigfeit ßaben, ba bereu ©ir*
fung oermutßlicb fein würbe, ben 3«9 nad^ ber ©tabt unb bie
©ntoölferung beS platten ßanbeS ju beförbern. 2)aS 3i^
fäißfifcßen ©efeßeS pnb nießt billige unb fdhlecßte, fonbern gute
©oßnungen ju ben ^erftettungSfoften angemeffenen greifen.
©obalb man baS Vböniom ber billigen Viietbfaferite in feiner
ganzen S^icßtigfeit erfannt ßat, wirb jebe gefunbe ©osialpolitif aus
allgemein pohtifeßen, aus fanitären unb wirtbfcßaftlicben ©rünben
ju einer energifeßen Vefämpfung beS ©affemnietbbaufeS fommen.
©S fann fein beffereS Vorbilb für bie Art unb ©eife, wie biefer
Kampf su füßren ift, geben, als ben ©ntwurf beS fäcßfifcßen Vau*
gefeßeS.
3)aS ©efeß foU für gans ©aeßfen gelten, fann aber mit Vücf*
fußt auf bie Verfcßiebenßeit ber Verßältniffe auf bem platten fianbe
unb in ben ©täbten nießt gleichmäßige, feßematifeße Veftimmungen
treffen; eS foU beSßalb bureß lofale Vauorbnungen, bie ben inbi*
oibueKen Verßältniffen jebeS DrteS 9ted)ttung tragen, ergänst
werben. 3)er Snßalt biefer lofalen Vauorbnungen wirb aber bureß
ben ©efeßentwurf fo genau feftgeftellt, baß bas oorauSficßtlicbe Ve*
ftreben ber örtlichen 3ntere[fenten, ben 3u>ecf beS ©efeßeS su oer*
eiteln, faum ©elegeußeit sur Vetßätigung fiitöen bxirfte. ^ie Ve*
ftimmungen beS ©efeßeS bilben ein woßlburcßbadjteS ©pftern, beffeit
3iel bie Veförberung beS Kleinbaues, bie 3»rücfbränguitg beS
©affenmietßßaufeS uns in jeber ©inselßeit entgegentritt.
711
Sogtale SßrajtS. Eentralblatt für Sogialpolitil. Rr. 26.
712
Sei ber Rufftellung bcr SebauungSpläne fuib bie einzelnen
Saublöcfe fo gu bemeffen, baft fie eine gweefmäftige baulidje
SluSnuftuna beS Erunb unb 33obcitö ermöglichen, ohne gur
Bebauung oeS ©interlanbeS gu nötigen. ©rötere Slocftiefen follen
in ber Siegel nur für folche Sauflächen oorgefeften werben, bie gur
Anlage oon Fabrifen 2C. ober für h^fcftaftliche Lanbftäufer be-
ftimrnt finb. 3n Iänblidjen Drtfdjaften, in Ruftenbegirfen ber Stäbte
unb in ben DrtStheilen, welche nbertoiegenb mit Lanbl)äufern be*
baut fmb, ift in ber Siegel nur offene Sauweifc gu geftatten.
FebenfaDsJft überall barauf Sebacftt gu nehmen, bah bie gefd)loffene
Sauweife in auSreidjenbem Umfang burch Strafen mit offener
Sauweife unterbrochen unb bie Sauoicfttigfeit eoentuell burch Feft-
feftung oon Saugonen ftufenweife nach aufteit gu oerminbert wirb.
Sei gefchloffener Sauweife follen £intergebäube nur gu wirthfehaft*
liehen unb geroerblichen 3roedfen geftattet werben; bei gx öfteren
Saublöcfen Fann bie ^oligeibehörbe bie Einlegung oon SBoljn*
ftraften geftatten, an benen aber nur gweiftöcfige Käufer in offener
93auweife errichtet werben biirfen. 2So bie angemeffene Sebauung
eines EelänbeS burch bie gform ber Erunbftücfe oerhinbert wirb,
fann eine gwaitaSweife Reueintheilung beS EelänbeS burch Um*
legung ber Erunbftücfe oorgenommen werben. (Lex $bicfeS.)
Die Errichtung oon SKiethfafernen ift bereite burch biefe
Sorfcftriften über bie $uSmeffung ber Erunbftücfe unb burch baS
Serbot ber ^interhäufer äufterft erfchwert; nicht minber energifd)
gehen bie Sorfdjriften über bie ,j)erftcllung ber Eebäube bem
uRaffenmiethhauS gu Leibe. 2tlS RorinalhauS wirb bas gweiftöcfige
£>auS (Erbgefcftoft unb ein Dberaefchoft) angenommen; burch Orts*
gefeft fann allerbingS bie 3 a hf ber Eefdjoffe bei offener Sauweife
auf brei, bei gefchloffener Sauweife auf oier erhöht werben, in
welche baS Erbgefchoft unb ein gu 5öohngwecfen ausgebautes Dach*
gefeftoft eingurechnen finb; in älteren SebauungSgebieten mit höheren
Käufern fönneit auSnahmSweife auch fünfftöcfige Eebäube erlaubt
werben. Sehr wichtig ift bie Seftimmung, baft unmittelbar hinter
jebem Sorbergebäube in beffen ganger Sänge ein freier £ofraum
ober Earten gu beiaffen ift, beffen Tiefe ber £>öhe beS Sorber*
haufeS minbeftenS gleichfommt; baburch bürfte bie Errichtung
hoher Käufer faft ooflftänbig oerhinbert werben. Sehr ein*
fdjneibenb ift weiterhin bie Sorfdjrift, baft in jebem Eefcftoft nicht
mehr als gwei Fantilicnmohnungen ihren SluSgang auf ein gemein*
fd)aftUd)eS Treppenhaus hoben follen. Sebe Wohnung muß einen
befonberen Abtritt haben; Ä'ellerwohnungen unb Dachwohnungen
finb nur auSnahmSweife burch DrtSgefefc gu erlauben. Die licftte
$ötje eines ftäbtifeften SSohn* unb RrbeitSraumeS muh minbeftenS
2,85 m betragen (in ben Serliner Sororten — auch bei Lanb*
bäufern — nur 2,50 m!). Slufterbem fönnen burch DrtSgefefc noch
weitere SRinbeftanforberungen an bie Sefchaffen heit oon S$ohn*
räumen geftellt werben, fowie Sorfchriften über bie Qnftanbhaltung
unb Seauffid)tigung oon SRietljwohnungen unb ber gum Aufent¬
halte oon Dienstboten, Lehrlingen ic. beftimmten Räumen erlaffen
werben. • Damit finb bie gefeftlid)en Unterlagen für eine allgemeine
2£obnungSinfpeftion gefchaffen.
2Rit großer Entfcftiebenheit wirb ber Erunb) aft aufgefteüt, baft
ber Staat aus allgemein politifdjen unb fogialpolitifcften Erünben
alle llrfache höbe, auch *> en SRinberbemittelten ben Erwerb eines
eigenen §aufeS gu erleichtern. Deshalb werben bie übrigen Se*
ftimmungen auch no<h hurd) bk Sorfcftrift ergängt, baft bie Sau¬
abgaben für Straften, ^läfte, Srücfen 2 c. nicht nur — wie in
Sreuften — nach ber Rtiliegerlänge ber betheiligten Erunbftücfe,
fonbern auch nad) ber Sauweife, bem Umfang ber bebauten Fläche,
ber Eefdjoftgahl unb ber 3ahl ber eingebauten Wohnungen gu be*
meffen finb. Enblich werben auch bie Eebühren für bie baupoligei*
Iid)e Eenehmigung unb Sefichtigung nach ber Saufoftenfumme ab*
geftuft.
Das fäthfifdje Eefeft hot fich in umfangreicher Skife alle Er-
rungenfehaften ber SMffeufd)aft unb ^rariS auf bem Eebiete ber
SBopnungSfrage nuftbar gemacht.
2öirb ber Entwurf ohne wefentliche ?lenberungen 00 m Canb*
tag gum Eefeft erhoben unb werben feine Seftimmungen oon ben
SerwaltungSbehörben nachher fachgemäft burchgeführt, fo wirb un-
gweifelhaft in Sachfen gufünftig bie s 3)?iethfaferne burch baS
fleine 9RicthhouS unb bas EinfamilienhouS erfeftt werben.
SünfcftenSwerth wäre nur noch, baft gu bem.Sorgehen auf bau*
rechtlichem Eebiete eine s $aralleIaftion trete, bie auf Sefdjaffung
auSreid)euber Saugelber gu niebrigem 3inSfuft abgielte.
Die ungeheuere fogialpolitifcfte Sebeutung ber in Sacftfen er*
ftrebten Umwanblung beS gangen SSohnungSmefenS braucht hier
nicht näher auSeinanbergefeftt gu werben; es fei nur noch barauf
hingewiefen, baft mit ber 3Riethfaferne auch alle ihre unerfreulichen
Segleiterfcfteinungen, ber Saufchwinbel in allen formen, oerfeftwinben
würben. Die „Sogiale $rajis" hat oft Seranlaffung gehabt, fid) mit
aller Entfchiebenheit gegen bie allgemeine reaftionäre Solitif ber
fächfifchen Regierung gu wenben. Das fann aber nicht oerhinbern,
anguerfennen, baft ber jeftt oon ihr aufgenommene $ampf gegen
bie ungefunbe ErunbftiicFS* unb Saufpefulation, baS energische
Eintreten für eine burdjgreifenbe SBohnungSreform oon eminenter,
fogialpolitifcher Sebeutung ift unb ein Ruhmesblatt für bie fädjfifche
Regierung bilbet. 9Jtöd)te eS hoch ben übrigen Staaten, nament¬
lich ober Sreuften, halb nach ähnlichen ßorbeeren gelüften!
Serlin. Soul Soigt.
(Er^ietjung tttti OiUmug.
Der 61 h»b ber Augenblicken bor Serrobung im ^reuftifhett
^emnftattfe« Am 21. 3Kärg oerhanbelte baS §errenhouS über einen
Antrag ber Herren 0 . SeIow*SaleSfe, Dr. o. fieoeftow unb Schlutoto
gegen bie Serrohung ber Sugenb (ogl. „Sogiale Srafis" ®P- 605).
Der mit bem einleitenben Referat betraute Eraf o. Sf«l s $ouSborf
erweiterte biefen Antrag bahin, baft ber fcftulentlaffenen männlichen
unb weiblichen Sugenb bis gum 18. Lebensjahre ber Slufenthalt in
Schanfftätten oerboten werbe unb baft bie fommunen bei gleich*
geitiger Eewährung eines 3ufchuffeS aus Staatsmitteln bagu an*
gehalten werben follen, ?leIteftenfoHegien gu errichten, welche im
Sercin mit ben OrtSgeiftlichen beiber djriftUchen ^onfefftonen Ein¬
richtungen treffen follen, um ben jungen Leuten es gu ermöglichen,
an Sonn* unb gefttagen in angemeffener Söeife eine erfrifehenbe
unb oerebelnbe Unterhaltung gu erlangen. SllS neue Llbfchnitte
fügte er bie Seftimmung bei, bie Sorfchnften ber EewerbeorbuungS-
nooelle über bie SluSgahlung bes oon ntinberjährigen Arbeitern
oerbienteu Lohnes an bie Eltern ober Sormünber auch ouf baS
Eefmbe auSgubehnen. Das Sebenflichfte waren aber bie Sorbe*
rungen, fdfjleunige Seftimmungen gu erlaffen, wonach
1. junge 2eute unter 18 fahren nicht ohne auSbrücfliche Ee-
uchtnigung berjenigen, unter beren oäterlidjer ober oormunb*
fdiaftlicher Eemalt fte ftehen, aus ihrem §eimatbsort allein
fortgiehen bürfen;
2. bie Eemeinbe gur 2lbwcifung eines Reuangieheitben bann be¬
fugt ift, wenn berfelbe nidjt ben RacftweiS einer ben ftttlichen
uiib hugienifdjen Hnforbermtgen entfprechenben ^Bohnung er¬
bringt. hierbei ift bas Sdilafftellen-Uiiuieien gu befdiränfen.
Slbgefehen oon bem Sorftoft gegen bie Srcisügigfcit ftellt ber
leftte Antrag baS s $fIichtenoerhältnift für oiele Eemeinben gerabegu
auf ben Stopf. Statt baft bie Eemeinben in oernünftiger 2öoh*
nungSpolitif für Sehaufungen forgen, bie fittlichen unb fpjQienifchen
Rnforberungen entfprechen, foll ber neuangieftenbe 0rtSunfunbige,
ber oieHeicftt mit feftem 9lrbeitSfontraft in ber Tafche erft im leftten
5lugenblitf oor Antritt feiner neuen Stellung aus ber alten ent*
laffen ift, ben RadjmeiS einer gefunben Söohnung führen. — Der
Serichterftatter fcftilberte ben Umfchwung beS Familienlebens in
ben arbeitenben Älajfen, ben bie Qnbuftrie herbeigeführt hat. Früher
fei nach ben Lehrjahren eine geregelte Söanberfchaft gefommen,
nicht eine planlofe Freigügigfeit. 2ltt Stefle beS Lebens in ber
Familie beS 2ReifterS fet oaS Leben in Schlafftellen unb Kneipen
getreten, wo fich auch ^ie Solfsbeglücfer unb Umftürgler einfinbett.
3n Deutfchlanb werbe jährlich für 496 Rtittionen 9Rarf ScftnapS
getrunfen. Die Statiftif geige ben groften Einfluft beS XrunfeS
auf Fnrfinn unb Serbrechett. Xhee unb Staffee müffe ben Srannt*
wein oerbrängen. Allein im ruffifeften Eouoernement Twer feien
322 ftarf befud)te Dheebuben errichtet. SSäftrenb weiter Lonbon
allein 6700 Spielpläfte für bie Fogenb höbe, hätten in Deutfchlanb
nur 282 Stäbte je einen Spielplaft, 182 je gwei. Der Sortragenbe
forberte, Rtaftnahmeit gegen bie leichtfinnige Ehefd)lieftung, gegen
eine gewiffe Serwahrlofung unter ben Schullehrern, unb enblich
bie Einführung ber $rügelftrafe.
£err 0 . Selow-SaleSfe, ber gweite Rebner, warnte baoor, bie
Ratur ber Fuaenb, bie heiteren Sinnes bleibt unb baS Schul*
meifterliche flicht, gu oerlennen, wie eS bie firchlidhen Sereine oiel*
fadh tftun, ftimmte im Uebrigett bem Sortragenben aber bei,
währenb .f)err Schlutow richtig berauSgefüftlt hatte, baft bie neuen
Anträge „in ber SSelt beS Scheins immerhin ÜRiftoerftänbniffe
heroorrufen" unb man immer benfen lönne, „baft bei biefer Ee-
legenheit man auf einem Umwege an eine Regelung bes Frei-
gügigfeitSgefefteS h^rangehen wolle". Der Eegenftanb würbe einer
löglieberigcn föommiffion iiberwiefen.
Diefe Serhanblungen gewinnen baburch bebenllichereS Ee-
ftd)t, baft ähnliche Sorftöfte, bie fchlicftlid) auf eine Sefd^ränfung
ber Freigügigfeit unb beS iloalitionSred^teS hiuauSlaufen, hu
713
©ogiole $ra£t$. Eentralblatt für Sogialpoltiif. 9fr. 26.
714
SReitStage unb im Abgeorbnetenbaufe gemalt roorben fiitb, unb
gmar unter woblmottenbcr Beurteilung burt bie Regierung. X>er
Kriegguiinifier führte eine SRatmeifung über bie S^re 1882 big
1897 an, rnonat bie 3 al SP bcr oor ber Augbebung beftraften
heiraten fit um 82o/ 0 im Berbältnip oermebrt buben foll, eine
©tatijti!, beren geringe Bemeigfraft in ben Blättern oerftiebener
Parteien natßemiefen worben ift unb beren Anroatfen ingbefonbere
auf bie gunabme ber Boügeiftrafen gurücfgufübren ift. Unb ber
BkepräRbent beg ©taatgminifteriumg, Dr. o. SRiquel, erffärte im
Abgeorbnetenboug, bap gu ber Oanbflutt ber hohe Erab ber Ber«*
mabrlofuna bmgufomme, fdjunerige unb bebeutenbe fragen, bie
nid)t nur für bag Saab, fonbem aut für bie ©tabt nat unb
nat gelöft werben müßten.
Anlehnung bet twlfgtbimliteit Iwtftulfnrfc in ©eutftlanb.
Am 18. SRärg fanb im ©enatggimmer ber Berliner Kömgliten
Unioerptät unter bem Borfip beg SReftorg B*of. Dr. Salbeper
eine Konfereng non ßebrem fämmtliter beutften §otftulen ftatt.
Xer 3mecf ber Konfereng mar, bie bigber bei Der Einrichtung
oolfgtbümliter Kurfe an ben eingelnen Unioerfitäten unb tetniften
^otftulen gematten Erfahrungen gu befpreten unb über eine
etroaige meitere Augbebnung beg nolfgtbümiiten Unterrittg burt
^otftullebrer m beratben. X)er non bem Berliner Komitee er*
S enen Einlaoung maren 30 B^ofefforen gefolgt, eine gleite
w bl, bie am Erft einen nerbinbert mar, ^atte in tbeilmeig febr
eingefjenben ©treiben ihre ©qmpatbien für ben gur Beratung
ftebenben Eegenftanb unb tre Anptten über benfelben auggebrücft.
X)ie Bertreter ber eingelnen ^otft.ulen beritteten über bie bigber
in ihren ©täbten getroffenen Einrittungen gur Augbebnung beg
populären Unterrittg. ben meiften Urten finb faum bie Sin*
fange oorbanben, befonberg fehlen faft gänglit bie Einrittungen,
bie in erfter ßinie für Arbeiter beftimmt fmb. Qn ber X)igfufpon,
an ber fit namentlit bie §erren ©tmo!ler*Berlin, B°P s Serlin,
Eonrab*§aHe, $Rein*3ena, X)ieIg*Berlin, £eyig*Eöttingen, Engler*
Karlgrube, B r ufe*$öniggberg, Beterfen*Kiel, ÖutS s 5reiburg u. a.
beteiligten, b°b uian bie Wotbmenbigfeit berartiger Einrittungen
beroor unb betonte befonberg bie Bflitt ber §otftullebrer gur
Btitarbeit. Xie Antoefenben erflärten fit bereit, in ihren ©täbten
für bie ©ate meiter gu roirfen. Eg mürbe beftloffen, im nätften
3ab re in ben Cfterferien mieber in Berlin gufammengulommen
unb über bie ingmiften gematten Erfahrungen unb gortftritte
gu beraten.
Sraucuftabmut an ben bentfdjcn Uutocrptäteu. Sie aug
Aeuperungen eineg SRegierunggoertreterg in ber Betitiongfomraifpon
beg preupiften Abgeorbnetenpaufeg gu entnehmen ift, finb bie Ber*
banblungen wegen 3ulaffung ber grauen gu ben mebiginiften
Brüfungen, fomie gu ben Brüfungen ber 3<tnärgte unb Apotbefer
bem Abftluffe nabe gerütft. Xie überroiegenbe Btebrgabl ber
Bunbegftaaten put Pt oafür auggefproten, bap ben Bewerberinnen,
melte auf Eruitb beg Epmnapalreifegeugniffeg, gmar nitt alg
immatrifulirte ©tubentinnen, aber alg .fmfpüantinnen einen orb*
nunggmäpigett ©tubiengang gurücfgelegt buben, bie3ulaffung nitt
gu unterfaaen fei. Eine entfpretenbe Borlage an ben Bunbegratb
tft in Borbereitung. X)ie 3apl ber gum |)ören oon Borlefungen
gugelaffenen grauen betrug im lebten Sinterfemefter an beit
preupippen Unioerfttäten 414, melte fit auf bie eingelnen Uni*
oerfitäten mie folgt oertbeilten: Berlin 238, Bonn 26, Breglau 32,
Eöttingen 26, Ereifgtoalb 17, £aHe 15, Kiel 17, Königgberg 33,
Btorburg 10. 276 befaßen bie SReitSangepörigfeit. Bon ben
Auglänberinnen entpelen 59 auf SRupIanb, 50 auf Amerifa. Alg
©tubienfäter maren genannt (oon eingelnen Kombinationen ab*
gefeben) bei 159 Eeftitk unb BWofoppie, bei 92 Kunft unb
üiiteratur, bei 72 neuere ©praten, bei 48 SRaturroiffenft affen unb
SRatpematif, bei 14 SJtebigin, bei 3 3abnpeilfunbe, bei 13 Stetig*
unb ©taatgmiffenftaften, bei 9 Steulogie, bei 4 alte ©praten.
SKifjftänbe, bie fit aug bem aleiAgeitigen Befut ber Borlefungen
burt männlite unb meiblite ©tubirenbe ergeben bitten, fmb
— nat amtlitem Beritt — nitt befannt gemorben. — Bei
biefer ©atlage mirb bie iefct not oermeigerte 3 u laffung oon
grauen gur gmmatrifulation baffentlit in Bälbe natfolgen.
©er granlfnrter Wilfi|t| für BoUgoorlefttttgeit erweiterte nat
l'ctnem Sabregberitt 1^97/98 feine Aufgaben. 3 U ben bigberigen Bolfg*
oorlefnngcn in ber Stabtljalle, Bocfenbeim unb Bombeim, ben Bor*
trägen in eingelnen Eemerfftaften unb gatoereinen, Btufeuiugfübrungcn
unb Bolfgoorfteflungen traten Borlefungen in ber Umgcgenb granf*
furtg, Sebrfurfc oon 10 biß 12 Borträgen unb Bolfsfongertc bingu.
Ungebahnt mürbe eine iHugbebnuug ber Bolfeoorlefungen auf «atfeu*
häufen unb bag äufjerfte SSeftenb, Bolfgerfurfionen, bie ©ritnbung eines?
Bolfgtoreö unb bie Errittuug cineg Berbanbeg ber Boltguorlefungeit
ber Stbein* unb Btaingegenb. ©ie je 800 Einlagen für bie 2beatcr=
oorftellungen würben auf 30 big 40 für bie Opern baneben ein
Steil auf 1 M . angefebt. gür bie eingelnen Kongerte würben etwa
je 1900 Blä^e anggegeben uitb gmar ruitb 400 Bläpe 3 U 1 JL (Sogen),
nmb 900 gu 40 ^ (Saal) unb runb 600 gu 30 ^ (Eallerien); bie
1500 harten gu 30 unb 40 mürben faft augftlte&lit an Arbeiter*
oereiuigungen vergeben, bie 1 JC .*,harten an Heinere faufmännifte,
Beamten* :c. Bereinigungen. 3uftimmenb gu ber Slufforbcnmg, einen
Berbanb ber Stbein* uno SRaingegeitb gu bilben, mar gur 3eit beg
Berittgabftluffeg geantwortet worben aug getenljcim, ^ranfcntbal,
Oliebcu, EroB*6lerau, &eibelberg, .^ötft a. B?., ^öln, Königftein, SRaing,
Stieberrab, Cffenbat a. 3R., Stuttgart, Bilbel, Siegbabeu. ©ag Organ
beg Berbanbeg finb bie „Btittbeilungen über bie Bolfguorlefungcn unb
oermanbten Beftrebungen im SUjein* unb SRaingebiet", bie monatlid)
erfteinen. Beguggprcig 3 M. jährlit* ©er Berbanb betreibt eifrige
Serbearbeit, (üebatt ift fton an eine Eefammtorganifation für gang
©eutfdjlanb.
tu ^oüanb. 3)er Entwurf eineg Eefefeeg, betreffenb
bie ©tulpjlitt (fiebc „©ogiale Sabrg. YU ©palte 662),
ift in golge ber Slugftufeberatbungen in ber gmeiten Kammer oon
ber ^Regierung babin abgeänbert, Dap jefet nitt mehr ber ©tul*
befut oom 6. big gum 13. 3ab re geforbert mirb, foubern bafe
entmeber ein ganger ßebrgang non fe*S 3abreit burtgematt ober,
wenn bieg nitt gelingt, bie ©tule Big gur Bouenbung beg
13. Sabreg befutt werben mup. Sluperbem ift jefct ein obli*
gatorifter Siebcrbolunggunterritt mäbrenb nier Btonate beg
§abreg unb ad)t ©tunben in jeber Sote in ben Entwurf aufge*
nommen, ber wenigfteng oier 8futer umfaffen, roonon gmei aut
in ber ©tule gelehrt werben. Eg ift jebot fröglit, ub biefe
Beftimmung Eefefe werben mirb, ba fie ben prioaten ©tnlen
grofee ©tmierigfeiten unb Koften bereiten wirb.
(Sraerbegeridjte. dinigungsömtet. gdjtebsigeridjtc.
Stotmalg ein Beitrag gur Kompetengerwetteruug ber ©etoerbegeritte.
Ein ebemaligeg Btitglieb beg StitterfoHegiumg beg Berliner
©eroerbegerittö, §err ©tabtratb Euno in Königgberg, matt aug
^nlap meineg Slrtifelg in Str. 16 biefer 3eitftnft (©p. 423ff.) bie
Stettfpretung beg biefigen Eeroerbegerittg gmn Eegenftanbe einer
Erörterung. 1 ) Eg foH in ben non mir utitgetbetUen brei Ent*
fteibungen, benen bie Berufungginftang bie Slnerfennung oerfagt
bat, „ber aeiftige gnbalt ber gefeglitcn Borftriften" nitt ge*
würbigt; „baarfpaltenbe Siftelei^ unb „§aarfpalterei" getrieben
fein. S)em Berfaffer ift inbeffen meineg ©afürbalteng bie Ber*
ibeibigung ber lanbgerittliten Urteile mißlungen.
©ton bei bem erften Urteile ift f>err Euno gunätft unfiter
unb im 3meifel, ob bie im Kantinenbetriebe ber Brauerei an*
efteüte SRamfefl Eeroerbegebülpn fei. ^a jebot ber Brauerei*
efter a ig Briuutmann, abgefeben oon feinem Eemerbebetriebe,
bie Kantine nitt beroirtbftuften laffen mürbe, feien bie Slug*
fübrungen beg SanbgerittS, monat ber Kantinenbetrieb alg ©teil
beg gefammten Eeroerbebetriebeg beg Unternebmeng angefeben
werbe, gutreffenb. Senn biefe Darlegung mirflid) rittig märe,
miipte ja aud) jener B^ebiger, ber oon einem Berliner Arbeitgeber
(Botte’ft^ SReierei) angefteHt ift, um in ber gu Eunften ber Ar*
beiter auf bem Betriebggrunbftücfe erbauten Kirte ftänbig Eotteg*
bienft abgubalten, alg ein gemerbliter Arbeiter gu eratten fein.
^)ie Kirte foroobl alg bie Kantine fmb cingig unb allein
Soblfabrtgeinrittungen. Ebenforoenig mie bie Kantine
fann bie Kirte „alg ben Eefammtbetrieb förbernb, alg ein ben
oerfticbenen Eeftäftggroeigen biefeg Betriebeg gleitgeftettter XI)eil
beffelben" gelten. 2 ) Eg ift ferner nitt auggefdjtojfen, bafe ber
Unternehmer bie Berfügung über bie Kirte unb über bie in ihr
ftattpnbenben religiöfen banblungen unaeattet beg Berfaufeg feineg
Eeftäfteg Pt oorbebielte. Ebenfo benr6ar ift eg, bap ber Brauerei*
beftper bei ber Beräuperung feiner Brauerei aug roirtpftaftlidjen
Erünben oon bem Berfauf ber Kantine abftebt. Enblid) liegt
eg febr mobl im Bereit ber SRöglitfeit, bap SRenftenfreuitbe für
Arbeiter mit Erlaubnip ibreg Arbeitgeberg auf beffen Erunbftiiefc
eine Kantine anlegen ober eine Kirte errieten, ohne fonft mit bem
Eeroerbebehriebe oeg Unternebmerg irgenomie in unmittelbare Be=
rübrung gu fommen unb ohne babei felbft Eeminn ergielen gu
roollen.
M Sir. 6 Des? „(StMuerbcaeriditv" oont 2-, äRärg isuu ©p. r.r* ff.
-) Sir. 16 biefer 3eit[dmP oom 19. Januar b. ^s. Sp. 125.
715
Sogiale $raji$. ©entralblatt für Sogialpolitif. Ar. 26.
716
Die gegnerifdjeit Ausführungen ^abcn formt bic ©ntfdheibung
Des berliner ©eroerbegerichtS bo<h roohl nid^t als irrige ?enngeidf)nen
fönnen.
Vergebens mirb man in bem groeiten ©eroerbegeridhtSurtheil
unb in meinem Artifel bie ©rflärung fuc^en, bag ;/ bte 3ufjdherung
bes Arbeitgebers, er raerbe bem treuen unb fleißigen Arbeiter eine
Spareinlage als Prämie gum Arbeitslöhne machen, ein oom Ar*
bettSoerl)ältnig unabhängiges SdhenftmgSoerfprcchen barftelle." Der
Öefer finbet Spalte 427 am Schlug oielmeljr folgenbe Borte:
Bäre Kläger befugt getoefen, bie Prämie ju forbern,
fo läge bie Sache anberS; bann fönnte man bie Prämie
als eine bureb Bohluerhalten bebingte ßohngulage an*
[eben. Kläger mar nämlich, fobalb er nur 20,.// Üofm begog,
forberungöbereebtigt. Bährenb er, menit er mehr als 20 JL er*
hielt, einen Aedf)tSanfpruch auf bie ©eroährung oott Sparguthaben
nicht batte, Dhotfädhlidl) ftanb ihm ein höherer Sohnfag gu. 3it
biefem Salle mar es nach ber Fabriforbnuttg bem freien ©r*
meffen beS Aeflagten überlaffen, für .ftläger Spareinlagen gu
machen. — DaS fcbmücfenbe Seimort als „baarfpaltenber Diftler"
binbert mich nicht, babei gu oerbletben, bag burdf) ben 3nbalt ber
Sefanntmacfjung bem Kläger ein bebingtes renmueratorifcheS
SchenfungSoerfprecben abgegeben ift. Benn Scflagter in Der
Folge bem Kläger ein Sparfaffenbuch anlegte unb für biefeu fparte,
fo erfüllte, er fein SchenfungSoerfprechen, nahm bemnach eine
0<ben!ung oor. ©S ift unrichtig, bag, mie baS Öanbgericbt meint,
nadj SBottgug biefeS ©efdhäfteS, baS in einzelnen .^anblungen be*
ftanb, baS AechtSoerhältnig beS Klägers ebenfo mie baSjentge ber
geringer befolbeten Arbeiter gu beurtbeilen fei. Der ©harafter ber
Scbenfung haftet uuentfembar jeber einzelnen Spareinlage an.
Ban mag immerhin bie ©ntfdheibung beS berliner ©emerbe*
geridjts, bag ein Beihnadf)tS* unb AeujabrSgefchenf an einen Ar*
beiter eine, menn andb freiroitlige ©egenleiftung für bie im Saufe
beS 3ahreS geleisteten Dienfte fei, billigen, ohne barutti, mie es
§err ©uno ttjut, biefe ©ntfeheibung gui Sefämpfung beS in meinem
Artifel angeführten ©emerbegericbtSurtbeilS oermenben gu fönnen.
Denn BethnadüS* unb AeujahrSgefchenfe finb, foroeit menigftens
,§au8biener 2 c. in Setracht foinmen, meines BiffenS allgemein
üblich; fie entfpreeben einer fittlidjen Pflicht unb einer auf ben
Anftanb gu nehmenden Aücffidht, mie Drin f gelber 2 c. (§. 534 beS
bürgerlichen ©efefcbuchS), fo bag ber Arbeitnehmer beim ArbeitS*
antritt auf fie als einen Dheil feines Arbeitslohnes mit Sicherheit
rechnen fann. Ferner merben biejenigen dichter, bie bas Beih*
nad)tSgefd)enf als Arbeitslohn betrachtet roiffen motten, bem Ar*
beiter bie £lage auf feine ©eroäbrung geben, 3 ro eifelloS wirb
bieS bei ber im „©eroerbegeridht" ermähnten Prämie, bie ben
3infarbeitern in AuSficht geftellt mirb, gefdgehen müffen. Niemals
mürbe eS bagegen in ber Bad)t beS MlägerS gelegen haben, fofern
er über 20 < u Sohn begog, im $ro$egroege Den beflagten gu ber
erften Spareinlage gu gmingen. Darin liegt ber groge Unterfchieb
groifchen bem besprechen oeS beflagten, baS er nur eingulöfen
brauet, menn es ihm pagt, unb ben BeihnachtSgefdgenfen unb
ber Prämie für bie ©eminnung eines größeren 0uantumS 3i n t
auf bie ber Arbeiter einen obligatorifchen Anfpruch hat. Sei ber
gegebenen Sachlage fommt eS auf bie ©rünbe, bie ben Arbeitgeber
gur Erfüllung feines SerfprecbenS oeranlagten, gar uid)t an. Die
Spareinlagen finb ein ©efchen!, auch menn fie eine ©jrtraoergütung
für bie Arbeitsleiftung bilben.
Auch bie* bin ich burch ben im „©eroerbegericht" erfebienenen
Auf fab nicht übergeugt morben, bag bie bieSfeitige Auffaffung gu
oerroerfen fei.
3nm Schluß fomrne ich nun gu ber brüten ©ntfdjeibung beS
Serliner ©eroerbegeridjts. Sei biefer biirfte gerabe baS ©emerbe*
ericht ben „geiftigen 3»halt ber gefeblidjen borfdjriften" beachtet
aben, mäbrenb baS ßanbgeri<ht nicht über ben ftrengen Wortlaut
beS ©efefeeS hinroeggefommen ift.
Streitig ift babei, ob im Jyalle ber Aerroeigcrung ber A 11 S*
häubigung beS 3 cu 9 n ÜK^ refp. beS Arbeitsbuches baS ©eroerbe*
geriet guftänbig ift.
Jpcrrn ©uno, ber leugnet, bafg bie 3aftänbigfeit beS ©eroerbe-
gcrid)tS baburdj bebingt merbe, bag bie „Sei|tungen unb © 11 t*
fchäbigungSanfpritche aus bem ArbeitSocrhältniffe" in bem Arbeüs*
oertrage ihren AechtSgrunb haben, finb bie ftommiffionSberatbungen
gum §. 3 beS ©eroerbegerichtSgefeheS entgegeuguhalten. S3ährcnb
biefer Serathungen mürbe beantragt gum §. 3 bei Abfafc 1 am
Sd)lufc bie Sporte: „infofern fie fid) aus bem ArbeitSoertrage
ober aus bem ArbeitSoerhältniffe ergeben," ^in^ugnfcbcn. S3enn*
gleich man gugab, bafe biefe Öaffuug bie grunbfäplid)
ri di tigere fei, mürbe bennodj ber Antrag guniefgegogen, in ber
©rmägung, baft ein foldjer allgemeiner Sab in ber $ra?:is unge*
lebrter dichter gu großen Unguträglichfeiten führen fönnte.
§ 105 ber $Rei<hSgeroerbeorbnuitg oerorbnet aufjerbem, baß bie
geftfe^ung ber Serljältniffe grcifdjen ben felbftftänbigen ©e*
merbetreibenben unb ben gcmerblichen Arbeitern, oorbehaltlich ber
burd^ SieichSgefeb begrünbeten Sefcbränfnngen, ©egenftanb freier
il ebereinfunft fei. 3 ) 3)as „ArbeitSocrhältnib" mirb fomit aDein
burdb ben ArbeitSoertrag ergeugt unb burch bie Seftimmungen beS*
felben bem Umfange nach feftgefteUt. hiernach ift baS ArbeitS*
oerhältnife bie Art unb Steife beS burd) ben ArbeitSoertrag ge¬
regelten thatfächlichen SerbaltenS beS Arbeitgebers unb Arbeit¬
nehmers gu einanber mäbrenb ber $auer biefeS SertrageS. ©in
meiterer Segriff mie ber ArbeitSoertrag ift baS „ArbeitSoerbältnift"
nicht. ©S ift berfelbe Segriff in anberer 3unftion.
Sngleidjen ifi nach ber ©ntftehnngSgefchichte beS §. 3 beS ©e*
merbegerichtSgefeheS baS ArbeitSoerbättnift ftreng nach ben Se¬
ftimmungen bes ÄrbeitSoertrageS abgegrengt, fo bafe unter Seiftnnaen
aus bem ArbeitSocrhältnih nur biejenigen gu oerfteben finb, meiche
mäbrenb beS SeftebenS beS ÄrbeitSoertrageS unmittelbar aus
biefem gefdbulbet merben. ®ie „©ntfchäbigungSanfprüche 2 c." beS
§. 3 a. ä. 0. treten lebiglich an Stelle ber oerabfaumten Seiftungen. 4 )
§. 120a ber $ooelle oom 17. 3uli 1878 hat nicht, mie bieS
©uno annimmt, ben Segriff „gegenfeitige Seiftungen mäbrenb ber
5)auer beffelben" (bcS ArbeitSoerhältniffeS) 5 ) burch bie Borte
„gegenfeitige Seiftungen aus benfelben" ermeitert. $)ie Aenberung
ift nur oorgenontmen, meil bie iefetgenannten Borte forrefter finb
als bie ermähnte gaffung beS §. 108 a. a. 0. 3a ber maftgebenben
^teichStagSfipung mürbe befonberS fonftatirt, „bafj ber §. 120a genau
biefelbe Seftimmung mie ber 108 enthält, fo bafe bie gemerb*
lidhen Sd)iebSgerid)te nach mie oor unter benfelben Sebiiigunaen
mie bisher fortbefteben mürben." $err ©uno hat am Schluß
feines AuffaJeS aus ber Xbatfache, bafe im §. 3 bes ©emerbe*
geridhtSgefeheS $r. 2 bie „©ntfchäbigungSanfprüche aus bem ArbeitS¬
oerhältniffe" als gemerbliche Streitigfeiten angefprochen fmb, un¬
richtige Folgerungen gegogen. 'Die &otioe gum §. 3 bes ©emerbe*
gerichtsgefehes befagen menigftens, bafe bie Segeichnungen ber
Streitigfeiten, auf roeld)e bie 3uftänbigfeit ber ©emerbegerichte fich
erftrerft, im Befeutlicben ber Seftimmung im $. 120a ber ©emerbe*
orbnung entfpreeben. 9hir fei bie 3 u fiänbigfeü iiifoferu be*
ftimmter begeichnet, als ausbrücflieh audb ade Anfprüd)e auf
©ntfehäbigung, einfchliefelich berjenigen, meld)e erft mit bem 3 e ^ s
punfte ber ©ntlaffung ober beS Austritts beS Arbeiters entfteben,
oor bie ©emerbegerichte geroiefen merben. ©S lägt fich bie Abficht
bes ©efefegeberS aber nicht nad)meifen, ber ermeiterten Faffung eine
auSbehnenbe Auslegung bahin gu geben, bag auch ©ntfcbäbigungS*
anfprüche roegen oermeigerter AuShänbigung beS 3 e ugniffeS oor
bie ©emerbegerichte gehören. Die ^ontraftsflage ift ftreng oon
ber Sakreffenflage gu f<heiben. r> )
Als enblich ber Reichstag befchlog, in $r. 1 beS §. 3 a. a. 0.
bie Borte: „foroie über bie AuShänbigung ober ben 3nbalt beS
3 ) §§. 107 imb §. 113 Der ©cmcrbeorbmmg enthalten banad) nidit
eine ©riocilerung ber Aed)tc unb ^fltd)ten ber Parteien beim ArbeitS*
oertrage. Fm umgefchrtcn Falle mürbe übrigens bei etmaiger Aidütg*
feit bes' ÄrbeitSoertrageS ber Arbeiter ein gengnig nidit oerlangcn
fönnen 3 U berüeffiditigen bleibt and), bag bas ÄrbeitSgeugnig poligei»
rechtlichen Burgein entftammt unb bag ein Derartiger ISImrafter im oer*
ftärfteu A?age noch heute bem „Arbeitsbitdi" auhajtet. ^ei Sdiabens*
anfprüdien, meld)e Durch Olcjep bejonbers gemährt merben, ift bas
©emerbegeridit unguftäubig (A.©. Ab. 41, 3. 138.) Beil eben aus
Dem Xienftoertrage allein'bie DienftpfUditigen ein ^euguig gu forbern
nicht befugt finb, macht §. 630 Des Aiirgeriidien ölefepbudirs bie Aus*
häubigung bes ^eugniffes allgemein gur ^flidjt bes Dienftbercd)tigteu.
Audi 630 a. a. 0. hat eine Aertragspflidit bes Arbeitgebers nicht
fonftituirt, ebenfomenig mie baS burd) 539 a. a. C. gegebene ^fanb*
redit ein fontraftlidjes ift.
4 ) A.©. Ab. 41 3. 137. Fa Ar. 52 ber „Afätter für Sogiale
^rai:iS" oom 27. Negern ber 1803 3. 232 hat ber Aorfipcnbe bes
©emerbegeridits 6aIle bie Mompeteng für Den ©ntfdjäbiguugs*
aufprud) eines Arbeiters megen oermeigerter AuShänbigung bcS v 3 cu g s
uiffes oerneiut, meil es fich nidjt um ©utfrfjäbigung „aus Dem ArbeitS*
ocrbältnig" haabclt, foubern um einen aus allgemeinen Aed)tsgrunb*
fügen bergitleitenbeu ©ntfdiäbiguugSanfprud); aubernfaris miigte mau
bas ©emerbegeriebt aitdi für alle erbenflidien Folgen für fompetent er*
flären (menn g. A. ber Arbeiter burdi Aermeigerung beS Lohnes oer*
binbert mirb, einen beoorfteheitbcn Untgug aitsgufübren.) Faftrom in
ben Fahrbiidiern für Aationafüfonomic unb Siatiftif; dritte Folge
Ab. XIV ILXIX) S. 343.
5 ) §. los ber ©emerbcorbuung oom 21. Fani 1S69. 1
6 ) ©ccius, $rcng. ikioatred)!, 6. Auf!., Ab. 1 3.741. Siege auch
„Alätter für fogialc ^raris" 1893, 3.232, CSntfdieibuug bes ©emerbe*
geridits 6afie.
<§ogtale $r<t£t$. ©entralblatt für ©ogialpolitif. Br. 26.
718
717
. . . ^uantffei?" aufguneßmcn, fo aefdjaß bieö — mcßt etiua
in ber Boraugfeßung, baß and) bie ©ittfdßäbigungganfprüihe
wegen verweigerter Slughänbigimg beg-*3cugniffeÄ 2 c. ber Slompeteng
ber (Geroerbegericßte unterftänben — fonbern, um für bie aug
‘biefem £ßatbeftanbe refultirenben Brogeffe eingig unb allein ein
befdßleunigtereg Berfaßren gu fdßaffen. 9räcß bem Sußalt ber Be*
ricßterftattuug, meinem mcßt wiberfprocßen roorben ift, muß bieg
unter öden Ümftänben angenommen werben. Slug ben Damaligen
Berßanblungen erhellt ferner, baß man bie Slugßänbigung oon
3eugni[fen unb Skbeitgbüdßern nicßt für Seiftungen aug bem
Slrbeitgoerhältniß tjielt, benn fonft hätte fic^ bie ©infcßiebung ber
beregten SBorte in $r. 1 beg §. 3 a. a. D. erübrigt.
@nblid) ift nicht außer Sicht gu Iaffen, baß Dag unb
bag Slrbeitgbuch nur auggehänbtgt gu werben brauchen, nadß Be*
enbigung beg Slrbeitgoerhältniffeg unb Söfung beg Slrbeitgoertrageg.
S>ag gorberunggrecht ber Arbeiter ent ft eh t er ft nach Aufhebung
beg Slrbeitgoertrageg. ©g ift bieg bereitg in ber ©ntfcheibung beg
©e werbeg er ich tg herooraehoben worben.
3)ie britte ©ntfcheioung beg ©ewerbegericßtg mit ben oon ihr
entwidelten (Grünben bürfte nach allcbem mit Unrecht beanftanbet
worben fein. SBenn £>err ©uno in feinem Sluffaße nicht auch noch
bie ©ntfcbcibungen beg (Geroerbegerichtg in Begug auf einige
anberen fünfte bemängelt hätte, würbe ich fd)Ue&en Fönnen. 6o
muß ich mbeß noch mit wenigen Porten auf biefe fragen gurüdf*
Fommen.
©in ©chabenganfprudß ift nur bann ein folcher „aug bem Sir*
beitgoerhältniffe", wenn er in biefem Ießteren feinen SRedßtggrunb 7 )
hat, nicht aber fchon bann, wenn er nur gelegentlich beg Slrbeitg*
oerhältniffeg entftanben ift. Slllerbingg wirb bei (Gelegenheit beg
Slrbeitgoerhältniffeg bag Äaffenbudß, bie Duittunggfarte u. bergt,
übergeben, ein gefeßlidßer 3wang auf (Grunb beg Slrbeitgperbält*
uiffeg befteht aber nicht hi er 3 u - ^batfächtidf) pflegen auch
Slrbeihteßmer in Berlin ihre Rapiere bem Arbeitgeber nur oorgu*
legen unb bann wieber an ftch gu nehmen.
2Benn bie Slüghänbigung beg 3«ugniffeg :c. nicht gu ben
Seiftungen aug bem Strbeitgoerhältniffe gehören, fo Fann meineg
Dafürhalten^ bieg noch weniger oon ber Sughänbigung ber Kleiber,
beg fmnbroerFggeugcg, ber öuittunggfarte unb ber AlranFenFaffen*
büdßer behauptet werben, ©abei ift ingbefonbere baoon auggu*
gehen, baß bie (Gewerbegeridßte ©onbergeridßte ftnb, baß fic alfo
atg (Gerichte nur innerhalb beg engen SRahnteng ber ihnen burdß
bag (Gefeß gugewiefenen gefeßlidjen SFompeteng fungiren unb gelten
Fönnen. £ieraug eraiebt fidß bann weiter, baß eine eytenfioe $nter*
pretation ber gefeßlidßen 3uftänbigFeitgnormen für bie (Gewerbe*
gerichte unguläffig ift. 8 ) 28ie fich £)err ©tabtrath ©uno eg benFt,
baß ein Berwahrunggoertrag ohne SSeitereg oon bem Slrbeitg*
oertrage aufaefogen werben [olle, fyabt ich nicht einfehen Fönnen.
©aburch, bafe er roirthfdßaftlich unb geülidß mit bem Slrbeitgoertrage
gufamnje.nhängt, Faun hoch feine juriftifd)e ©truFtur nicht alterirt
werben. Qngbefonbere wirb ber §. 242 beg Bürgerlichen (Gefeß*
budßg hieran nidßtg änbern Fönnen. $>enn biefe Beftimmung be*
Sieht fich auf bie Sluglegung beg Bertrageg, nicht auf ihre bog*
matifdfje SlonfiruFtion. S)eg Weiteren Fann ich nur auf bag oer*
weifen, wag ich in meinem Sluffaße („©ogiale Brayig" ©p. 427
a. ©.) begüglidß mehrerer Ber träge, welche äußerlich in einem
AlontaFte gufammengefaßt ftnb, geäußert habe.
©g wirb hiernach, fallg man £ßatbeftänbe wie bie oben ge*
fchilberten ber SKedßtfprechung beg ©ewerbegerichtg guweifen wtH,
Faum etwag Slnbereg übrig bleiben, alg, wie ich in meinem StrtiFel
oorgefchiagen, bie Äompeteng gu erweitern, ©egwegen wirb im
Steichgtage neuerbingg oer Berfuch gemad)t, bie ©rengen ber 3 Us
ftänbigFeit ber ©ewerbegeridbte in oer oon mir unb Dem Berliner
©ewerbegericht oertretenen SBeife hinauggurücFen. $a<h ber Slnftcht
beg §errn ©tabtrath ©uno wären allerbingg bie nach biefer
Dichtung hin ftattfinbenben Berhanblungen ber !dei<hgtaggFommiffton
gur ^eoifion beg ©ewerbegerichtggefeheg überflüfftg.
Berlin. _ o. ©<hulg.
SIfilehttmtg ber ©rridjtmtg citteg ©eioerbegeriihtg in föeinheim. SfuS
Baben wirb ung gcfchrieben: Sie gwecfmäfttg eine obligatorifche ©in*
führung ber ©ewerbegerichte ober Doch eine wefentlidfjc Bcrbefferung
ber begüglichen gefe^lichen Beftimmnngen fein bürfte, geigt recht Deutlich
bie wieberljolte Ablehnung eineg ©ewcrbegcridjti? in Seinheim an ber
Bergftrabe in Baben.
7 ) Dtto, 2 )ie ©treitigfeiten ber felbftänbigen ©ewerbetreibenben
mit ihren Slrbeitern :c. ©. 37 unb Silhelmp unb gürft gum §. 3 ^r. 2
SlnmerFung 6 .
8 ) Bb. 13 ©. 342.
Sowohl Die ©robiubuftrieUcn al^ bie f^emcinbebchörbe, bie oon
biefen beeinflußt ift, lehnen bic Bothwcnbigfeit eineg ©eioerbcgendhtr«
ab, währenb bic Arbeiter unb mit ihnen auch öaubwerFer unb Allein*
inbuftrielle etn folcßeg für bringenb nöthtg erachten.
®ic großen Eeberfabrifeit unb bie 3J?afdhinenfabri! haben allein
einen fo großen Slrbeiterftanb, baß eg Faum begreiflich erfdjeint, baß
man in biefem ©täbtdjen fein ©ewerbegericht einrichtet, aber Die Dbcr*
beljörben fdhetnen fid) lebiglich auf ©utaeßten beg Bürgermeiftcramteg
gu fräßen unb bie ihatfaeßen nicht felbft git prüfen
£ittcmrird)t Stn}eigett.
3u Bigmarcf’g ©ebäd)tniß. Bon ©uftao ©chmoHer, Blay Seng,
©rteß Blarcfg. ©rfte unb gweite Auflage. Setpgig 1899, Wunder
& $umblot. 174 ©.
3 n einem trefflich auggeftatteten Budße fmb] htff bie Sluffäße
©dfjmoKerg in ber w ©og. $raftg", ein ©ffap unb eine afabemifdhe Bebe
oon Sem unb gwei Beben fornie ein Sluffaß oon HÄarcfg oereint. 5)rei
bebeutenbe Bertreter ber beutfehen Siffenfcßaft haben bem großen Bräun
SorBeem aufg ©rab gelegt, unb man muß ber Berlaggbucßhanblung
banfbar fein, baß fic bie eingelnen 3weige in biefem Banbe oereint hat.
Sahrbücßer für BationalöFonomie unb ©tatiftiF. ©earünbet
oon Bruno §übebranb. §erauggegeben oon Brof. Dr. J. ©onrab
in Berbiubung mit B*of. Dr. ©bg. Soening unb B^of. Dr. S. Serig.
III. «folge. 17. Bb. 2 . £>eft. Jena 1899, ©uftao gifeßer. Btohat*
Heß erfdheint ein .^eft, 6 §eftc bilben einen Banb. B***# beg
Banbeg im Umfange oon 60 Bogen 1 B J(. f eineg eingelnen
|>efteg 3 M.
Bucßenberger, Dr. 91., ©runbgüge ber beutfeßen SlgrarpolitiF. 3weit c
Sluflage. Berlin 1899, Baul Barcp. 299 ©. B^eig 6 M .
^ag bei feinem erften ©rfdjeinen oor Jaljregfrift oon greunb unb
©cgner mit großer Slufmerffamfeit entgegengenommeue Buch, eine fnappe,
aber erfdhöpfenbe 3afammenfaffung bcr leitenben ©ebaufen aug bem
großen Scrfe ,,|>nnbbud) beg Slgrarwefeitg unb ber Slgrarpolitif" beg
Berfafferg, hat jeßt eine ©rgäugung beg wid)tigcrcn ftatiftifdjeu unb
fonftigeu agrarpolitifcßen Bräterialg erfahren. $er Berfaffer, Jinang*
minifter in Baben, oertritt bic Slnficßt, „baß eine auf mittlerer Siittc
unb unter woßlmeinenber Bücffichtnahme auf bie Jntereffcn anberer
Berufgftänbe fid) bewegenbe Bolitif ber Slgrarpflegc unb ' beg Ägrar*
fdjußeg nachhaltig auch ben Ianbwirtljfthaftlidjen Berufgintereffen am
beften unb wirffamfteit biene".
Bohl/ Johanneg, ©tiftgard)ioar in ©t. ©aüen, ©taatgmoral unb
©taatgpäbagogif. Borlefung. 3ürid) 1898, ©. ©peibel. 18 ©.
Breig 30 4 .
©ummarifdjer Bericht bcr £>anbclg* unb ©ewerbcFammer in
Brünn über bie gefdjäftlidjen Berhältniffe in ihrem Begirfe
wäßrenb beg Jaßrcg 1898. Brünn, Bcrlag ber Brünncr $anbelg=
unb ©ewerbefamnter. 223 ©.
Sl. ^artlebcit’g ©tatiftifd^e 2abeEe über alle ©taaten ber ©rbe.
VII. Jaßrg. 1899. Breig 30 Air. = BO 4 = 70 ©tg. = 30Äop.
— All ein eg ©tatiftifcheg Safcßenbuch über alle Sänber bcr ©rbe 1899.
9rädt) ben neueften Angaben bearbeitet oon Brof. Dr. Jriebrid)
Umlauft. Sien, B e fh Öeipgig, Sl. §artleben’g Bcrlag. 96 ©.
©perling, Dr. Slrthur, .©hrengeridjt unb SJtebiginalreform. $>enf*
feßrift iiberreid)t bem ®oßen &aufe ber Slbgeorbneten. Berlin
1899, gifcßer’g Blebiginifcßc Bucßhaublung, §. Alornfclb. 32 ©.
Revue Politique et Parlamentaire. 6. Annee. Fevrier 1899. Paris, Ar¬
mand Colin & Cie.
3 weiteg Begifter gu ben ©timmen aug 3ßaria*Saacß. Banb
XXVI— L ber Seitfcßrift. Banb VJI—XVII (fteft 2B—68) bcr
©rgängunggßefte. greiburg i. B., .&erberfdhe Berlaggbucßhanb*
lung. Brtt^ 7 Jt, geb. 8,40 JL
$elnt, Äarl, S)er Sanbegerfcßließung näßere ©rläuterung. Badjwort
gu „©in Jahrßunbert Arbeit", ©tettin 1898, Seon ©aunicr’g
Bucßhanblung. 23 ©. Breig 1,20 J/.
Buppredht, ©onrab, ®ie Soßnunggfrage. Beferat, bem Sanbeg*
oerßanbe für Soßltßätigfeit in ©teiermar! erftattet. ©rag 1899,
in Aiommiffton bei Seufcßner & Subengfi). 60 ©.
©pielberg, Dtto, S)ie HRoral ber freien Brämtegart. 3üridß 1899
©. ©peibel. 316 ©. Breig 3, 20 M.
©ießen. ©ntwurf beg Boranfcßlagg ber Brooingial-^auptftabt ©ießen
pro 1899/1900.
Br eg lauer ©tatiftiF. Jm Sluf trage beg Brägiftratg ber &g(. §aupt*
unb Befibengftabt Breslau ßerauggegeben 00 m ©tatiftifeßen Slmt
ber ©tabt Breglau. 17. Banb. 3. §eft. — 18. Bb. 2. ©eff.
Breglau 1899, ©. Blorgeuftem. 306 ©. unb 172 ©. Breig 6 B?.
unb 4,io 2JI.
Branbenburg a. f>., Berwaltunggbericßt ber ©tabt Branbenburg a. £>.
pro 1 . April 1897/98.
^armftabt, Berwaltunggbericßt ber ©roßßcrgogl. Bürgermciftcrci Der
Ǥaupt* unb Befibengftabt 5)armftabt pro 1897/98.
»erantro ortete für bte Äebaltion: Dr. «rnft $ tarnte tn ©erltn W., »agreut^erftraße 26 .
719 Soziale $ra£tä. GeutralOIatt für Sojialpolttif. 9ir. 26. 72«)
©ie |£lravi* M erfdjeint an jebem ©onnerötaa unb tft buri^ aUv öudjlwnMungcn unb 4 ioftamter (^oft^eitungSnummer 7072 ) au bejicljen. ©er 'Preis
für ba« ©ierteljatjr tft SW. 2 , 50 . ^ebe Kummer Foftet 30 Sßf. ©ec läiijeiflenpreiö ift 60 für bic breigefpaltenc gJetitjeile.
Soeben erfdjieneti:
3 u Bismarcfs < 5 e 8 äcfytnis +
(V, 174 ©. 9tot)aI 8°.) 1899. 5ßrei8 3 3K. 60 $f„ gebb. 4 3R. 80 $f.
ffirjü bi« brüte jlttfiag*.
^vnljaltSüeraetd^niS:
«ßrofeffor Dr. (Ouftato ^djjtneUet in Serlin:
I. SBicr ©riefe über ©iSmarcfS focialpolitifcb^ unb uolf^u'irifdinftlidie Stellung unb Sebeutung.
Horbemerfnng.
1. ©ic ^erfönlidjfeit.
% ©er SBanbcI in Sltöniarcf* 9(u|*id)tcit über Staat, ©oiettiebnft unb 9>olteiuirtirf)ajt.
3. s £iemarcf$ Socialpoütif.
4. ©ic Jyhiau^, bie §aubelä* unb bte Gijenba^ttpolitif. ©te ^iftorifcf)=polttifd>e (^etamttcifnmg.
II. Ucber bic „($cbanfen unb (Erinnerungen“ non Ctto Tvürfl non SMSmaut 2 ©änbe. Stuttgart 1898.
^rofeffor Dr. SJlag Senj in ©erlitt:
I. ©>cr ©djöpfer non ^aifer unb 9?eid).
II. 9iebe, gehalten bei bet WebädjtuiSfcicr ber Möniglicben Tvviebrid) 2BiI^eIniö=Uniner|ität 31 t ©erlitt
atu 22 . ©'e^einbcr 189s.
Sßrofeffor Dr. iSttäf SBflatäS in Setpaig:
I. Webcnfioorte, gefprodjen bei ber Xrauerfeicr bcs ScreinS beutfc^cr Stubcuten gu üeipjig am 2.Huguft 1898.
II. ^ürft ©temarcf unb ba$ ,£)au8 .{to^en^oüern.
III. $Jebe, gehalten bei ber (tfebad&tntefcicr ber llnincrfität £cip;,ig in ber Hula am Xoteufomttag,
20. ^ooember 1898.
——. • 3u hejie^rtt bnrd) alle ^ortimentsbndjIjanMiuigtn. -r-r tt ■—
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel in Berlin W.
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im Auslande.
Bearbeitet von
Dr. Zaclier,
Kats. Geh. Reg.-Rat im Rcichs-Ver&iclierungBamt.
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Verlag von Gustav Fischer in Jena
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giebt einen Jahresbericht über alle
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als Beilage zu den Jahrbüchern für
Nationalökonomie, wird aber am
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Verlag von Duncker Sc Humblot, Leipzig:
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Dr. Victor Mataja,
k. k. Ministerialrat, Wien.
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Revue d’ tconomie
Politique.
Hgg. von GauwrdSß GldO§ Schwi&diand und K/flejr« Redactionssecretäre:
Jay und Sonchon. Diese Monatsschrift brachte bisher u. A. Beiträge von Beauregard,
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Manro, y. PhillppoYleh, Piernas, Pigeonnean +, Rabbeno +, Sanzet, Schmoller, Walras,
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SRebaftion: Berlin W., Bahreutherftrafee 29. DP« «fttUtcke* Berlag Pon Wunder & Humblot, ßeipatg.
©efdjtänlung ber Heimarbeit in
ber AoitfeftionSinbuftrie. öoit
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lottenburg.721
flott»*«*««»«**’ mto wrnmmmm«
»tfttif.729
Arb eiterberuf S ber eine unb ©ar*
teipolitif.
Au« ber Arbeit«*©efe&ßebun 0
©eufeelanb« bom Sahre 1898.
> nwwih «Pjtelpoltttl .... 729
gffirforge für ftftbtifche ©ebienftete unb
Arbeiter in SDlaiitj.
Soziale g-ürforge ber Stabt Strafe bürg,
©ie ft&btiföe ftnaben • ArbeiiSanftalt
3 U ©armftabt.
€t5btif(be üioiie für antialloholifcbe
©etränle in ßanbSberg a. SB.
©täbtifdbe Armeminterftüfeung für
ftreüenbe Arbeiter in ©ngtanb.
•»Stele 8 nftft«»e ;.730
©ie ArbeitSlofiflleit in ©rofebritannlen
im 3abre 1898.
©öEige Unterbrüdung ber ©ettelei in
gfranfreicb-
•ebeUgebev« unb ttttteritcbmevber*
büttbe.731
©er ©ereilt ber ßnbufirteEen be«
©eßienntßSbejitfS Adln,
©efammtoerbanb beutfd^er SMaE*
inbuftrieEer.
©etbanb bet Arbeitgeber für ba«
$>$neibergetoetbe in Sflümhen.
9aM*ttbmt%uni .732
©er ©etfuch beb allgemeinen
AuSftanbe« in 0rran!reicb int
Oltober 1898. ©ott Octabe
§eflp, ©eamter be« Arbeitsamt«,
©ari«.
Arbeitgeber unb Arbeitet im Serliner
©augemerbe.
©rauerfireif in Qfranlfurt a. 2R.
©ie ©tudarbeiter • AuSfperrung in
©nglanb.
©ine fattjolifdje Bereinigung ber
Arbeiter be« ©udjgetoetbeS in ftranf*
reich.
S^ütigfett bet ©arifet Arbeitßbörfe
im Sabre 1898.
Brtctterf*»*.737
©er Arbeiterfcbufc in bet ßünb*
bolafabrilation.
Arbeiterbertretung in ber preufetfefeen
©ergroetlSinfpeftion.
tlfbetttiiafttorit.739
^abrpreißermübigung für ßttede ber
Arbeitsvermittlung in SBürttemberg.
Erhöhung be« ftäbtifchen 3 u fä u ffe 8
für bie AEgemeine Arbeitönochmei«*
anftalt in A 6 ln.
Stübtifche« Arbeitsamt in ßürig.
•enofTe»fd)*ft«*efeit.740
staatliche ©efd&üftigung ber
Arb ei ter«Aooperatibg;en offen*
fchaften in Stalien.
©enoffenfchaftliche ©erlauf«häufet in
Hamburg.
©roöultibgenoffenfdjaften in grtanlreich.
ittteMrtVfte 742
Snhalt be« ©etoerbegerichtS 9h. 7.
Orilufle: ,»©a# •etaterbegerteftt“ Re. 7.
Abbrucf f&mmtlicher Artilel ift ßeihmgen unb geitfthxiften geftattet, feboch nur
mit boEer QueEenangabe.
jßefiferänkung ber Heimarbeit in ber
jftottfcktionaittbujfcie.
$)aS Ergebnifj ber Erörterungen beS ArtifelS in SRr. 26 war
anfe^einenb recht rabifal. 3ebe $olitif, bie auf bem ©ebiete ber
HauSinbuftrie, auch ganj abgefehen non ber ßohnfrage, 1 ) irgenb
etwas erreichen miß, ntufe bie UeberfüEjrung ber ^auöinbuftrie in
Bterfftättenbetriebe — bie übrigens natürlich burchauS nicht Qfa«*
brifen, fonbern ebenfogut 3mii<henmeifterbetriebe fein fönnen —
herbeiführen, b. Ij. gegen bie Heimarbeit oorgefjen. Einer folgen
^ßolitif werben gunädjft non aßen 0eit?n ihre $äffe abnerlangt
werben. 3Jian wirb fragen, wohin fie in ihrer lefcten ^onfeguenj
eigentlich führen foß, ob inSbefonbere gur Sefeitigung jeglither
Heimarbeit, aum nößigen SSerfchUefeen ber heute nießeicht breiteften
ErwerbSqueße ber ans H au ^ gebunbenen Ehefrau.
darauf ift nun au fagen: Eine Sßolitif, bie bie Sefeitigung
ber Heimarbeit in fidj fdh^efet, !ann ihrem ©efammtgebanfen na^
niemals auf bie Heimarbeit als ein ©anacS gerichtet fein. 6ie
mufe ftch auf beftimmte H ai| 3i n & u ffrien befchränfen, unb nur in
biefer SBefchränfung hoi fie, } ur 3 e it wenigftenS, ihre Berechtigung.
9Ran mag non ben überwiegenben 9tac|theilen, bie bie Heim*
arbeit auch für bie ferner anberS iu befdhäftigenbe Ehefrau
hat, burchauS überaeuat fein; jebenfaßS ift es ein Unbing, ftch
bas SSerfchwinben biefer Heimarbeit, ja auch nur ihre wefent*
lieh quantitatioe Einfchränfung für bie nächfte 3eit ooraufteßen.
ES fprechen a u üiele moberne EntwicflungStenbenaen, oor Slßem
bie fteigenbe wirthf<haftliche Entlaftung ber Arbeiterfrau burch bie
ftäbtifche Efiftena, ber eine anbere Pflichten an bie 0teße fehenbe
t ebung bes ^ulturnioeauS nicht entfpricht, im ©eaentheil für ihre
ermehrung. 3ebe oernünftige ArbeiterfchuhpoUtir wirb alfo heut
mit ber £hatf af h e bcS BorliegenS eines als ©anaeS nicht a^ Be*
feitigenben ©remgebietS rechnen, in bem baS gewerbliche in baS
häusliche fieben hineinwäd)ft, unb baS für fie mit ihren wichttgften
Beftimmungen nicht %u betreten ift.
Aber foß fie nun beShatb biefeS ganae ©ebiet als ein noli me
tangere anfehen unb bamit iebern wtrffamen ^inübergreifen über
bie ^Regelung ber gobrifinbuftrie, jeber hauäirtouftrießen Arbeiter*
fchuhgefehgebung entfagen? B5enn bie Heimarbeit wegen beS Bor*
UegenS eines SRebenerwerbSbebürfniffeS ber Ehefrauen gewiffer Be*
oölferungsfchichten eine nothgebrungene Schonung erforbert, fo
hoch gana ficher nur für biejenigen ©ewerbe, wo biefe Ehefrauen
mit ihrem Befd)äftigungSbrang wenigftenS ÜRiemanbem fchaben
aufeer ftch felber unb ihrer gamilie, b. h- für fleine ©ewerbe, bie
fie gana 3 « behenden oertnögen. $)ie Heimarbeit aber auch
bort a« fronen, wo biefe Ehefrauen burch ihren 3ubrang eine
ganae grofee Arbeiterfchicht hoffnungslos in ben Abgrunb
niebriger ßöhne, langer ArbeitSaeiten unb ungefunber ArbeitS*
ftätten herunteraiehen, baS ift praftifcher iRonfenS. Eine gefunbe
^ßolitif wirb ft^ hi^ niä)* bebenfen, burch Sefeitiguttg ber Heim*
arbeit aanächft wenigftenS ben langen ArbeitSaeiten unb ungefunben
ArbeitSftätten ein Enbe au machen, unb fie wirb froh fein, wenn
fte bamit gleichaeitig bie lohnbrüefenbe Ehefrau auSgefcf)loffen unb
bie Arbeiterinnen oon ihren ärgften ?$einbinnen { m eigenen ßager
befreit hat. $)aS unb nichts Anberes ift bie Bolittf, bie liier
oertreten wirb, bie einige, bie man heut forbern fattn, aber
auch mufj.
! ) Eine Drganifation ber Arbeiter, bie hier wohl aEein helfen
lönntc, wie erfreulicherweife auch oont Abgeorbneten Aöftcie heroor*
gehoben würbe (©eichstag, Sifcung oom 24. 2Rai 1897), ift natürlich
erft nach ©efeitiguug ber Heimarbeit möglich. Heimarbeitcube Ehefrauen
I ju organiftren unb fte eoentueE ju einem 3trcif bringen ju wollen,
i |eibt ungefähr ebenfootel, wie Hennen baS Eierlegen ocrbietcu.
©ogiale Sßrai’iä. (Ecutralblatt für ©ogialpolitif. 9h\ 27.
724
Sie Besteht fidfj, wie «ton otjne Weiteres fieht, nur auf einige
arofce ©ebiete ber heutigen HauSinbuftrie, biejenigen, in benen bte
gntereffen Breiter Slrbeitermaffen unter ber (Eyifteng ber f>eintarBeit
leiben. (Es fommt gur $t\t au&er ber Äonfeftion oor Sittern
bie £abafinbuftrie in Vetracht, in ber bie gabrifanten, roenigftenS
tljeilroeife, felbft bie Söefeitigung ber £>ennarbeit forbern. 2 ) — Unb
biefe Volitif Iä|t, roie befonberS bie im ©ang befinblidje (Enquete
beS „herein# für Sogialpolitif" geigen roirb, gasreiche fleine, fefet
theilroeife nur burdf) bie Äonfeftion gurüefgebrängte ©ebiete, bie
uor Sittern auch in ben ©rofjftäbten bei bem Verfdhroinben ber
Äonfeftion einen ootten (Erfab bieten fönnten, für bie roeiblidje
Heimarbeit frei. 2ßie oerftänbig ober roie tpridjt fie aber in ihrer
praftifdjen Slnroenbung märe, baS mirb am beften ihre ^Beleuchtung
gerabe an ben Verhältniffen ber Äonfeftion geigen.
Soll hi^ etroa in ihrer Äonfequeng bie gefamntte H^nmrfwi
burcf) einen geberftrief) beS ©efefcgeberS oon h eu * auf morgen
„abgefdjafft" merbett? S)aS märe in ber £h a t ein alberner Vor*
fdjlag; aber baran h<d auch wohl bis heu* noch 9hemanb gebacht.
Söoratt man gebacht hat/ ift Iebiglich, baf; in biefer gnbuftrie bie
Heimarbeit unter Schonung ber (Erroerbsiittereffen ber gegen*
märtigen HeimarbeitSfräfte unb unter Veriicffichtigung ber Sin*
paffungSfäfigfeit ber gnbuftrie allmählich befeitigt, in ber einen
ober anbereu gomt auf ben StuSfterbeetat gefegt merben fotten.
Sebiglid) barauf hinaus läuft g. 23. ber Vorfdjlag, bafg bie SluS*
gäbe oon Heimarbeit an bie gegenmärtigen Slrbeitsfräfte auf
©runb perfonefler HeimarbeüSfarten meiter erlaubt, für fünftig
aber oerboten fein fott, b. h- int fiebrigen bie SluSgabe oon Slrbeit
nur noch an Sßerfonen guläfftg fein fott, bie eine SSerfftattfarte,
einen Schein barüber, bafe fie eine poligeilich abgenommene SBerf*
ftatt befi^en, oortoeifen fönnen. 3 ) — ®aS mürbe eine Umbilbung
ber sßrobuftionSform im Xempo ber Slbfterbeorbnung ber gegen*
märtigen Slrbeitsfräfte, alfo fagen mir gang grob in einem $eit*
raum oon fürgeftenS 20—25 gahrett bebeuten. Unb fein SJienfd)
toirb bcftreüen: gn einem folgen geitrautn mirb fidf) foroofil bie
Veoölferung mie eine gnbuftrie in fogar fehr roefentliche Veräube«
rungen gu finben oermögen.
2ßie groft aber unb melcher Slrt mürben bann bie 25er*
änberungen in ber Äonfeftion fein? 33ie grofe oor Sittern bie
Verengerung ber (ErroerbSgelegenheit, bie ihre oottftänbige Ueber*
fiihrung in SBerfftätten braute? 2)iefe grage ift ungefähr gleich
ber anberen, roie roeit oerheirathete grauen heut als Arbeiterinnen
in ihr thätig finb; benn bie männlichen Arbeitskräfte unb bie
lebigen grauen ftnb Iebiglich geroohnheitSmäjgig, nicht nothroenbig
HeimarbeitSfräfte. gür fie ift ihre Verroenbung in SSerfftätten
gerabe fo gut möglich, eine Vefeitigung ber Heimarbeit alfo fein
Abfchneiben ber Slrbeit.
(ES gab nun 1895 51 856 ftänbige Heimarbeiterinnen in ber
Äonfeftion; oon ihnen maren 34 219 lebig, 7062 oerheirathet,
10 625 oermittroet ober gefchieben. 4 ) Söieoiel oon ben 2SHttroen
ober geriebenen grauen burd) HauShaltSpflichten ober Äinber*
ergiehuna an ihre SBohnung gebunben maren, ift groeifelhaft. Söir
motten fie fämmtlich als unabfömmlith behanbeln. $)attn haben
mir 17 687 unabfömmliche oottermerbSthätige Heimarbeiterinnen.
Unb mieoiel nebenermerbenbe grauen treten an ihre Seite? geh
habe bie ©efammtgaljl ber unftänbigen toeiblichen HeimarbeitSfräfte
im oorigen Slrtifel, um nid)t in ben ©eruch ber Verfleinerung ber
Schmiertgfeiten gu fommen, fo hoch als nur irgenb benfbar: auf 50000
oeranfchlagt. Von biefen 50000 haben im ©angeu nur 4672 ihre
^hätigfeit bei ber VerufSftatiftif 5 ) überhaupt angegeben. $ur für fie
ift alfo — baS mar bie grageftellung — ber $ebenertoerb aus ber
£onfeftion eine roef ent liehe (Einnahmequelle. Nehmen mir aber
felbft an, bafc baS thatfächlich noch für ebenfo-, ja hoppelt fo*
oiel anbere ber gall mar, bie ihre (ErroerbStbätigfeit tro^bem nicht
angegeben haben, unb bafe bann oon biefen etroa 15 000 unftänbigen
9?ebenerroerberinnen nicht, roie oben, nur ein drittel, fonbern fo*
gar groei drittel an baS HauS gebunbene oerheirathete grauen
maren, fo erhalten mir immer erft 10 000 roeitere Arbeitskräfte,
bie eine unmittelbare Ueberfiebelung ber gnbuftrie in Söerfftätten
nicht mitmachen fönnten. S'en 9teft oon aufterorbentlid) hoch ge*
2 ) Vgl „©ogiale ^rajriö" Sir. 22 ©p. 5^1.
3 ) Siatürltdj märe für tfontraoention Icbiglid) ber SlrbeitaiiSgcbenbe
gu beitrafen.
4 ) ©tatiftif bcS 2reutfchen SteichS Si. Vb. 113 ©. 290. ©s finb
bas jämmtlidje mctblichc „felbftänbtgc" Hausinbuftriette ber S?äl)erei,
©d^neiberei, Äonfeftion. Unb es ift nicht berücffidjtigt, bafj barunter and)
2S79 ^mifchenmeifterinnnen (ogl. eodem Si. %. 113 ©. 363) cnt=
halten üab.
5 ) Eod. Vb. 102, ©. 90, 91.
fdjäfct 20 bis 25 000 nur gelegentlichen H e imarbeitSfräften motten
mir auch noc h gang unb gar als unabfömmlich behanbeln. 2)amt
ergiebt fich eine Verengerung ber ©noerbSgelegenheit ber HauS*
fronen — mohlgemerft für gang $eutf<hlanb — um 15 000 oolle,
10 000 halbe unb 20 000 bis 25 000 gelegentliche SlrbeitSftetten.
Söentt man baneben fteQt, bafj bie lange fchon gang ruhig inS
Sluge gefaxte Vefeitigung ber gabrifarbeit oerheiratheter grauen
eine Verengerung um circa 134 000 SlrbeitSftetten barftetten mürbe, 6 )
unb baf; bie burdf) baS ©efefe oon 1891 herbeigeführte Vefeitigung
ber SHnberarbeit ben Slrbeiterfamilien bie (ErroerbSgelegenheit aus
2? 000 £inberarbeitsftetten thatfächlich entgogen hat, 7 ) o|ne bafj
bieS auch nur ben geringften 97achtheü gehabt hat, fo fieht man
bie gange „Vhantaftif" ber Vefeitigung ber Heünarbeit in ber
Eonfeftion. 3Ran rnufe auf bem abnormen Stanbpunft beS Slb*
georbneten Richter ftehen, ber in bem „ungenügenben Umfang ber
(ErmerbSfähigfeit beS roeiblichen ©ef^lechtS" ben ©runb aller
Uebel ber £onfeftion fieht, 8 ) um hiernach noch irgenb roelcfje Ve*
benfen aus SRücfficht auf eheroeibliche 9?ebenermerbSintereffen gu
haben.
ga, mirb man fagen, aber bie Velaftung ber gnbuftrie, bie
bas gange bebeutet! $)ie gnbuftrie fott erftenS gegmungen merben,
bie (Erhöhung ber Söhne gu tragen, bie auS ber Stbftofeung ber
t eimarbeit folgen mufe, fie fott groeitenS gegmungen merben, bie
rhöljung ber ©eneralunfoften gu tragen, bie aus ber ©rrichtuitg
oon Vkrfftätten folgen mufe, unb ihr fott brittenS audh noch bie
ttttöglichleit abgefchnitten merben, burch Vermenbung oon H c * ms
arbeit in ber Saifon menigftenS etroaS an ben ©eneralunfoften gu
fparen.
VkiS gunächft baS britte betrifft, fo braucht ihr bie Saifon-
heimarbeit feineSroegS oöttig abgefchnitten gu merben. (Es ift fehr
roohl benfbar, ja märe oorerft fogar roünfchcnSroerth, bafe man auf
eine beftimmtc Slngahl Soeben tut galjr für Vrandtjen, bie auS*
gefprocheuen unb nothmenbigen Saifoncharafter befthett, bie SluS*
gäbe oon Slrbeit ins H°uS — natürlich nicht für Söerfftattarbeiter,
fonbern nur für reine HeimarbeitSfräfte — neben ber Uebergeitarbeit
unb in ähnlicher SSeife mie biefe geftattet. 5)aS märe einfach eine
grage ber engeren ober meiteren Sdjranfen ber ^Regelung, bie
nicht gu entgroeien braucht.
SDie beiben anberen Velaftungen aber, bie ©rhöhung ber Söhne
unb ber ©eneralunfoften oertnödjte bie gnbuftrie, tote i d) an an*
berer Stelle auSfiil)rlid) gu geigen oerfucht höbe, 9 ) nach ber Sohn*
läge u-itb gegenmärtigen Vn>buftionSform in ihren Hauptpläfceit
burd) eine oeräuberte Crganifation ber Slrbeit, ben ilebergang gut«
gabrifbetrieb, gu pariren; unb — baS ift bie H^uptfache — roo fie
bentnad) nicht mett gemacht merben fönnie, mo alfo eine (Erhöhung
ber VrobuftionSfoften unb ber greife erfolgte, ba märe baS nicht ein
9la<htheil, fonbern ein Vortheil: SJur bie H er itcttung ber bittigen
unb bittigften 2Saaren fu^t gur 3 e ^ 9 <*ng auf ber H e iniarbeit, alle
beffere unb mittlere SBaare ift fchon heut — bas ift in ber gangen
ft'onfeftion fo 10 ) — V5erf)tättenarbeit; nur ber Bittigen unb billigten
2Baare broht alfo eine Verteuerung. 9?un hütte eine Vertheuerung
ber $robuftion bodE) nur ein Vebenfett, infofern fie ©yportartifel
beträfe; eine Vertheuerung ber Vrobuftion unb ber greife ber gn*
lanbSartifel ber fonfeftion märe im ©ffeft nichts meiter, als eine
bei ber foloffalen Verbilligung, bie bie $onfeftion gebracht hut,
faum fühlbare Steuer auf bie foitfumfähigen Arbeiter unb SJlittel*
ftanbsfreife gu ©unften beS SßioeauS ber unterften Slrbeiterfdjicht.
Unfer ©yport aber beruht nidjt auf SBaaren, benen eine Ver*
theuerung broht, er beruht nicht auf ben bittigen unb bittigften,
fonbern auf ben SBaaren mittlerer Cualität.
Söir hüben einen gang geringen (Eyport oon Slrbciterfonfeftion
alfo ber bittigften SSaare, fo gut mie gar feinen (Export ber billigen
an bie Stonfeftion iibergegangenen fetvetn* unb ^nabenangüge; n )
beträchtlid) ift unfer (Export bagegen in VMfcbeartifeln, oon benen
mir Söaaren mittlerer Qualität (1897 g. V. für 12,i Millionen SRarf)
ß ) Vierteljahrshefte für ©tat. b. 5). 9t. (Erg. Heft I ©. 22.
7 ) Vgl. meinen Sluffafc in „©djmotterS gahrbud)" 1897 ©. 1184..
8 ) 2Sas er bamit gemeint hat, ift roohl/ baf3 bie uielberufene Äon*
furreng ber (Ehefrauen bes VtittelftaubS eine 5olge eines mangelnben
Umfangs ber (ErroerhSfähigfcit biefer Äreife fei. 2:ie Vebeutung biefer
Äonfurreng roirb aber erftenS fehr übcrfchäpt, unb groeitens ift 'es hoch
ein etroaS fomifdj anntuthenber ©ebanfe, ben H a uSfrauen biefer
Äreifc (es arbeiten hetuptfächlid) berartige grauen) neue (ErroerbSgebicte
eröffnen gu rootten.
9 ) gn „VraunS Slrdhio^ Vb. 10 ©. 493 ff.
10 ) £as Nähere ftcl)c in „©chmotterS gahrbudh" 1897 ©. 296 ff.
11 ) 3 u f(f mmc nftcllung ber (Ergebitiffe ber (Ermittelungen über bie
SlrbeitSoerhältniffe in ber Äleiber* unb Säfhcfonfcftion. ©. 8.
725
Sogiale $rajts. Eentralblatt für Sogialpolitif. 9h:. 27.
726
eyportiren, 12 ) unb einen roirflich großen Ejport haben wir in Damen-
tnänteln unb DamenjacfetS, bie roof)! etwa 9CM>/ 0 unfereS ©efamrnt-
ejportS an Kleibern itn Betrage oon 1895: 80,i, 1896:105,g unb
1897:97 Millionen SRarf fteUen mögen; and) baS aber finb
roieber — unb groar gunehmenb 18 ) — beffere unb mittlere Sorten,
Baaren, bie in jebem ber brei beutfehen Exportpläne, unb groar
in Erfurt gänglid), in Breslau faft gänglüh unb in Berlin, bem
Hauptejportplah, roenigftenS weit übermiegenb in Berfftätten |er*
gefteHt merben. Durch bie Befeitigung ber Heimarbeit mürbe baher
unfere Ejportprobuftion gar nicht ober nur am Aanbe getroffen,
©etroffen mürben baoon — aber auch nur in einer Beife, bie
burch eine oerbefferte Drganifation ber Sßrobuftion mett gemalt
merben fönnte — bie ©efchäfte, bie heute bie bidtgen Baaren
für ben SnlanbSfonfum probugiren; unb getroffen mürbe — unb
groar ^offentüd) töblid) — bie efelhafte Sorte oon Sdhleuber*
gefchäften, bie mit fd)Ied)t auSgebilbeten eitnatrB e itöfräftcn ber
Ausbilbung entfprec^enben Sdfjunb probugiren. Das ^ei§t bie
^onfeftion mürbe einfach oon ben Sd)tnufcpefd)äften befreit, bie
ihrem tarnen Ijeute einen unappetitlichen Betgefd)madf geben.
Drohbem roage ich auf bie unmittelbare Inangriffnahme ber
Befeitigung ber Heimarbeit in ber Sfonfeftion niefjt gu hoffen. Biels
leicht aber fieht man hoch ein, baß es roenigftenS fein Bebenfen
hat, oielmehr bringenb roünfdjenSroerth ift, -fie eingufdhränfen unb
ihre Befeitigung oorgubereüen. 9)tan führe baher gunt Btinbeften
einige roirffame Erfchroerungen ber n eiTnar & e ü ein, bie Uleich*
geitig geeignet finb, bie Durchführung ber Berfftättenregelung in
ber Sfonfeftion mirflich gu fidjern. Diefe Erfchroerungen müßten,
roie mir im oorigen Artirel gefeben, oon ber ©runblage ber perfo-
nellen Trennung oon Berfftatt unb H.einütfbeit* auSgehen.
ber Heplühe @ed)«ftunbentag fiir Arbeiter, bie in ber Berfftatt
unb gu Haufe gugleich thätig finb, mürbe jebe roirffame Sfontrole
auch nur beS SchufceS ber Berfftattarbeiter oerhinbern. URan
fann es einem Arbeiter nicht anfehen, ob er 6 ober 11 Stunben
ober roie lange er überhaupt in ber Berfftatt gearbeitet hat, e b c
er feinen Bad Arbeit noch mit nach Haufe nimmt. Unb eine gu*
treffenbe AitSfage oon ihm felber barüber ermarten, heißt oon
ihm forbern, baß er fich feinen ©algenftrid felbft fnüpft.
Aur ein Spftem, baS bem Arbeiter erfpart, Denungiant feines
Arbeitgebers gu merben, ift roirflich burdhführbar, unb ein fold>eS
Spftem hat man nur, menn man Berfftatt unb Heimarbeit
perfoneil oollftänbig trennt unb jebe HeimarbeitSfraft
gu bem AachroeiS ihrer befonberen Legitimation groingt.
Dagu finb auf ben tarnen lautenbe, jährlich gu erneuernbe Heim*
arbeitsfarten, bie felbftoerftänblich gu Soften unb Saften beS Unter*
nehmerS auSgufteüen mären, nöthig. ES genügt bann bie Dhat*
fac|e, baß eine mit einem ArbeitSbünbel anaetroffene Berfon eine
folche $arte nicht oorgeigen fann, um ben Arbeitsausgeber ftraf-
fällig gu machen.
Um biefem aber bie Luft gu benehmen, womöglich auch
Berfftattarbeitern eine folche Starte gu geben unb bamit baS ©efeß
gu umgehen, unb um oor allem einer Erweiterung ber Heimarbeit
entgegen gu treten, fie fomeit es gehl 3u erfchmeren, unb um enb-
lieh auch gleichgeitig bie nötigen Bfittel für eine mirffame Stontrole
ber Berfftattregelung gu geminnen, führe - man eine nicht gu
niebrige ©ebüßr für bie AuSftedung foldtjer SahreSheimarbeitS-
farten ein, eine ©ebühr, fagen mir einmal, oon etroa 10 JL ©ine
folche ©ebühr märe genügenb, um bei ber Einführung oon Heim*
arbeitsfarten auch nur in ber Stonfeftion unb nur für bereu roeib-
liehe HeimarbeitSfräfte, ba es heute etroa 80 000 ftänbige unb eine
große Angabi unftänbiger berartiger ArbeitSfräfte in biefer giebt,
eine Einnahme oon minbeftenS 500 000 <M. pro 3abr fither gu
fteUen. Sie mürbe mit anberen Borten bie dßittel gur Aufteilung
oon über 100 meiblidhen gabrifinfpeftorinnen geroähren; 14 )
unb mit biefer Armee an ber Hanb. fönnte man enblich guten
BtutheS an eine oodftänbige Durchführung ber burch bie befteuerte
Heimarbeit fo fehr erfchroerten Berfftattregelung gehen.
ES fott nicht behauptet merben, baß man nid)t oielleicht bei
großer Anfpannung au<h mit einer ehoaS geringeren 3ab* wä*
fommen fönnte. 3 n,ei f e ^ og a & cr ift, ba| eine fehr erhebliche Ber*
mehrung beS QnfpeftionSperfonalS, roie fte h ie r möglich gemacht
ift, bie beinahe nothmenbigfte gegenmärtige üföafcregel ift; fie ift es
13 ) Seig, HauSgemerbe unb Sabrifbetrieb in ber Berliner Bäfdje*
iubuftrie. 0. 13.
13 ) Berichte ber Aeltcften ber ßaufmannfhaft in Berlin für 1895
S. 200 (CS-yport nad) Gnglanb), für 1896 &. 223 ((Sjport nad) §oUanb).
DaS finb bie $aupteyportlänber.
u ) Der gefammte ©tat ber Eemcrbeinfpeftion beträgt heut in
Breußen Oll 500 Ji.
nidht etroa megen ber h^ oertretenen neuen Reformen — biefe
mürben im ©egentheil lebiglich als Erleichterung ber 3afpe?tion
roirfen — fonbern fte ift es in fjolge ber Aufgaben, bie bie Sn*
fpeftion bereits bei ber geaenroärtigen Sage gu Iöfen hat. Btan hat
burdb bie AuSbehnung ber ArbeitSgettregelung auf bie Berfftätten ber
^onfeftion bie biefer Regelung untermorfenen Betriebe um etroa
50 °/o oermehrt, inbem man gu 40 339 gabrifen etroa 20—25 000
in SDtiethSfafernen unb auf Dörfern oerftreute ä^ifthenmeifterbetriebe
gefügt hat. 15 ) Das bis bahin aus 278 Beamten, b. h- unter Be*
riieffuhtigung ber Äeffelreoifionen etroa 160 BoHarbeitSfräften be*
ftehenbe QnfpeftionSperfonal aber hat man nur in bem gewöhnlichen
Dempo, b. h- ®on 1896 bis 1897 um 6 Beamte weiter gu oer*
ftärfen oermocht. 16 ) BaS alfo foH bie gange neue ©efehgebung unter
biefen Umftänben ohne eine Btoferegel, bie eine Bermehrung im
großen Stil möglich macht, helfen.
Das ift nun bie Einficht, mit ber man auch an bie Beur*
theilung ber $läne gu gehen hat, bie über bie in ber SRegierungS*
oorlage oorgefebene Regelung ber Äonfeftion unb oerroanbter ©e*
roerbe hiaauSgehen. Sie finb, roie bemerft, in ben noch nicht be*
fprodheiten Dheilen beS Antrags Hepl gu Herrnsheim enthalten.
Die Borfhläge, bie hier gemacht roerben, finb ber Berfuch,
eine Regelung für bie gefammte Hausinbuftrie, foroeit fie in
Berfftätten betrieben roirb, aufgufteUen. Auf „ade gur geroerbs*
mäßigen Be* unb Berarbeitung oon ©egenftänben bienenbe ArbeitS*
ftätten, welche nicht als Sfabrifen ober Betriebsftätten ber Hanb*
roerfer gu betrachten finb", füllen, wenn ber Arbeitgeber in ihnen
nicht nur Samilienglieber befdjäftiat, bie ArbeitSgeitbeftimmungen,
bie bie Sabrifgefefegebung für Arbeiterinnen unb jugenbliche Ar¬
beiter hat, mit ber eingigen Btojjgabe auSgebehnt roerben, bafe
„oon ben BerroaltungSbehörben für beftimmte ©eroerbe unb
©egenben Ausnahmen beftimmt roerben fönnen". 17 ) Es fod für
biefe Berfftätten ein befonberer Schuh ber Arbeiterinnen gegen
roidfürtiche Hebergeit, ein befonberer Schuh für fchroangere Ar¬
beiterinnen, ein Schuh für jugenbliche Arbeiter gegen gu lange Be¬
kräftigung hauptfächlich an Sßähmafchinen (Dretmafchinen), für
fämmtliche Arbeiter gegen Sohnabgüge gefchaffen, eine Auffi^t für
jugenblid)e unb roeibliche ArbeitSfräfte, bie in $oft unb SogiS
ftehen, in Sftücfficht auf ihre Ernährung unb Unterfunft einge¬
führt unb enblich bie dRithaftung beS möglidherroeife oom Arbeit¬
geber oerfchiebenen EigenthümerS ber ArbeitSftätte für bereu fanitäre
Befchaffenheit feftgefefet roerben; furg es fod ein ganges Südhorn
wohlgemeinter Borfchriften über bie Snfaffen folther Berfftätten
auSgeleest roerben. 18 )
Bie haben ft<h aber wohl bie Antragfteder bie Durchführung
biefer Borfchriften, foroeit fie berart finb, bah de eine Snfpeftion
ber Berfftätten erforbem, gebadht? Es mürben burch fie gu ben
etroa 25 000 Betrieben, bie bie ÄonfeftionSoerorbnung neu unter-
ftedt hat, gang fidler nicht weniger als etroa 50000 weitere un*
groeifelhaft h.auSinbuftriede betriebe hingugefügt 19 ), Betriebe, bie,
ba fie übermiegenb ber alten Deytilinbuftrie angehören, auf ©e-
birgSbörfer unb abgelegene Stäbte oerftreut finb. Unb baS roären
erft bie Betriebe, über Deren Unterftedtfein feine Sroeifel beftünben.
3u ihnen fäme noch vid giöfeere 3af)l ber Betriebe, bie äußer¬
lich noch hanbroerfsmäfcig, in Birflichfeit aber ebenfadS hauS-
inbuftried finb, oor adern bie gange große ddaffe ber Schuhmacher-,
Schneiber* unb Difchlerbetriebe, bie ja augenblicfli^ in bie Ab¬
hängigfeit oon Berlegem unb Säben oerfmfen. ©erabe in biefen
1J> ) Aach ber ©eroerbeftatiftif gab es 1895: 11 227 bauSinbuftrielle
©ebülfenbetrtebc ber Aäherei, Schneiberei unb tfonfeftion; gu ihnen
treten aber 7129 in weiblichen Hänben befinbüche „Aähftuben", bie fxdj
nicht als HcutSinbuftrielle hcgeidjnet hatten, unb wohl fid)*r giemlich
ebcnfooiele in männlichen ©änben befinbüche 3wifdjenmeifterbetriebe,
bei benen bieS ebenfalls „aus Stolg" unterblieben ift.
16 ) 3» ^reufeen weiter 1898 um 6, 1899 um 7 etatSmä&ige Stetten.
17 ) Dag auch bie AuSbehnung ber Sonntagsruhe, bie für biefe
Betriebe ja Iängft gilt, oorgefhlagen wirb, ift ein lapsus.
18 ) ES wirb ferner nod) bie AuSbehnung ber Berpflichtung gum
Aushang einer ArbeitSorbnung unb bie Einführung ber Berpfüdjtung
gur Siftenführung über Aufcenarbeiter oerlangt. ' ’
19 ) Die ©ewerbeftatiftif oon 1895 giebt 27 351 berartige Betriebe.
Sie fragte aber nur nach bem gu $auS für frembc Aedjnung
arbeitenbeu Hausüibuftriettcu, beachtet alfo bie gangen Hausiubiiftrien,
in benen bie HauSinbuftrietten ben Aohftoff übermiegenb felbft liefern
(Äleineifeninbuftrie, torbmadjerei 2 c.) gar nicht. Außerbem haben fidj
natürlich auch hier fehr oiel rein hausinbuftriette SWeiftcr, gumal in ber
Dcjtilinbuftrie, „aus Stolg" nid)t als folrfje begeidjnet, fo baß bie gu
berüdfichtigeube 3ahl, wenn mau aud) nur bie reinen, b. h- aus-
fcbliefjlich für Berleger arbeitenbeu hausinbufirietteu Betriebe 'gunädift
ins Auge fafete, fidjer minbeftenS gu oerboppelu ift.
727
Sogtale prajiS. (Eentralblatt für Sogialpolitif. SRr. 27.
728
betrieben ift fyuk bic allerftärfftc Ausbeutung ber jugenblichen
Arbeitskraft bei ber Sehrlinggoerwenbung gu finben, unb fie,
wenn man überhaupt oorgeht, auSgufchliefeen, märe unbenfbar.
2Bo alfo füllte wohl in abfehbarer 3eit baS für bie Durchführung
ber Arbeitsregelung in all biefen über baS ßanb oerftreuten Ar*
beitSwerfftätten nothwenbige Perfonal herfommen. Unb nüt einer
blofjen Beroielfältigung beg AuffichtSperfonalS märe bie©acf)e noch
nid)t einmal gethan; es märe oielmehr eine oöllig oeränberte
Drganifation biefeS ®ienfte^, überhaupt eine fogialpolitifdje Aftion
umfaffenben ©tilg unb non einfdjneibenber s Birfung nothwenbig,
um biefe Ausräucherung ber gefammten £>auginbuftrie unb ber ge*
fammten gu ibr ^erabfmfenben Steile beS §anbwerfg gu leiften.—
3n allen Beftimmungen, bie für ihre Sßirffamfeit bie fortgefefete
Snfpeftion ber eingelnen SSerfftatt erforbern, mirb man baher beffer
thun, auf bie wohlgemeinten SSorfdjIäge beg Antrags §epl gu ner*
giften unb bei betn bisherigen ©pftem beS BorgehenS in eingelnen
£auSinbuftrien, in benen man bann aHerbingg um fo gründlicher
auSf ehren foüte, gu bleiben.
©omeit aber nun ber Eintrag §epl SSorfd)täge enthält, bie
auch ohne fortgefefcte (Eingelinfpeftion ber ©erfftätten unb baljer
generell burchfüijrbar ftnb, ift gu fagen, bafj biefe Borfcfjläge nicht
in ben Nahmen einer allein auf bie ,£>auSinbuftrie befdjränften
©efehgebung paffen. (Es ift nicht eingufehen, warum bem jugenb*
liehen Arbeiter bag treten an SRähmafchinen in bem Betriebe beg
banbroerfgmähigen ©chneiberg meiter geftattet fein fott, wenn man
eg in bem hauStnbujtriellen Betriebe gu oerbieten für nöthig b?It,
marum ber f>anb werter meiter bag prioileg haben fott, ßobnabgüge
für ttRiethe, Reinigung, Neigung unb Beleuchtung beg ArbeitSraumS
unb für fdjulblog oerborbene Arbeit gu machen, roenn man an all bem
ben bauginbuftrieüen Bleifter oerhinbert, marum enblich bem §anb*
werfSmeifter nicht ebenfogut mie bem $auginbuftrietten bag Siecht
ber Befchäftigung oon Arbeitskräften gu entgiehen fein fott, bie er
burch ungenügenbe Ernährung unb Unterfunft in ihrer ©efunbheit
oerfürgt. All bag finb Borfchriften, bie generell burchfübrbar unb
baher auch ohne Stücfficht auf einen mifeoerftanbenen £)anbwerfer*
fdfjufc generell gu erlaffen finb. Unfere ©ewerbeorbnung fennt big*
her in biefen ©efunbfjeit unb ßohnrecht beg Arbeiters betreffenben
fragen einen folchen „£anbwerferfchufc" nicht; ebenforoenig feniten
ihn bie fthmeigerifchen Borbilber, benen bie Antragftetter ihre
neuen Borfchtäge entlehnen. (Es märe eine Berungierung unferer
©efefcgebung, menn mit biefen an fid) ja febr nüfclicben unb
münfehengroertbeu Borfchriften ein berartigeg Pringip feinen (Ein*
gug gu halten oermöchte.
9Han führe alfo bie Borfchriften — eg banbeit ft<b ja bei ber
beoorftehenben Beratung um eine generelle 9£ooette gur ©ewerbe*
orbnung — ohne Bef<brän!ung auf bie f>auginbuftrie ein. Bor
Allem aber gehe man in einem anberen, im Eintrag §epl ebenfalls
gu eng gefaxten unb für bie fmuSinbuftrie äufcerft wichtigen
punft einen ©chritt meiter: 5J?an locfe enblicb einmal bie &e*
gierung aug ihrer Sleferoe gegenüber ber nid)tfabrifntä&igen Kinber*
auSbeutung heraus! Dag generelle Berbot ber Befchäftigung fchul*
pflichtiger Kinber, bag eine burch §erangiehung oon ßebrern unb
©chulärgten febr gut gu fontrolirenben Biaferegel märe, ift b e ut
überreif. B3er eg burdjfefct, tbut auch für bie gefaminte £>auS*
inbuftrie mehr, alg alle biefe betreffenben Paragraphen beg An*
tragg SSenl gu .frerrnSheim befagen.
©hcnrlottenourg. Alfreb SBeBer.
Allgemeine Sozial- tndt SHrtljfdjaftepolütk.
ArbeiterberufSoereinc nttb porteipolitif.
©ine bemerfengroertbe Aeufeerung ber „Deutfchen Berg* unb
Öüttenarbeitergeitung" , beg DrganS beg fogenannten „Alten
BerbanbeS ber Bergarbeiter", möge hier piafe finben. Das Blatt
fchreibt:
bie ©ewerfidjaftsberoegung fid) ant weiften ber fogialbemo*
fratifdjen Partei nähert, liegt einfach baran, bab biefe oor allen anberen
in ben Parlamenten oertretenen Parteien es uerftanben hat, bas 3 ll=
trauen ber Arbeiter gu gewinnen. SSenn bie fouferuatinc, national*
liberale, nltramontane ober freifiunige Partei bagu übergeht, bei jeber
(Gelegenheit thath’äftig unb folgerichtig für bie Arbeiter eingutreten,
bami mirb fid) bas Bilb halb änbern. Serben bie Arbeiter (Belegen*
heit haben, ginäiiiucifcu auf bas arbeiterfreuublidie B.Urfcn ber be=
treffeuben Parteien, bann werben bic allgemeinen ©i)mpathien fchon
fommen. Unferes (iradjtens befiehl bas BcrhältniB ber C^ewerffdiafteu
gnr parteipolitif barin, bau bie (^ewcrfichaften als fold;e jebe politifd^e
Partei benufeen, oon ber gu erwarten ift, bafj fie bie Jorberungen ber
gemerffchaftlich organijtrten Arbeiter thatfächlich unterftüfct. (SS ift
baher eine 2lnma{3una, wenn Bertreter einer beftimmten Partei berfelben
ein befonbereS HuffuhtSredht über bie ©ewerffebaftert eingeränmt roiffen
wollen. unferent Berbanbc finb gahlreiche Anhänger ber SentTumS*
partei unb beS greifinns, ja nationallibcrale Parteigänger finb oor*
banben (wir hatten fogar im oorigen 3ahr e ein nationalliberales Bor*
ftanbSmitglieb). Blit welchem Siechte fattn nun ein Anhänger ber
©ogialbemofratie oerlangen, feine Partei muffe allein maftgebenb fein
bei uns?!"
BHe aber anbererfeitg bie Slugriffe gegen jebe Drgani*
fation ber Arbeiter oon ©eiten gemiffer ©rofeinbuftriellen unb
©rofegrunbbefther roirfen, bafür möge eine ©timme im Bereing*
organ ber chriftlichen Bergarbeiter 3 eu Qni& oblegen: „S)er Berg*
fnappe fchreibt:
3ut Uebrigert mögen fid) bie Herren „©charfmacher" nur tnS
©tammbud) cintragen, bah ber ©ewerfoerein gewillt ift, ohne bie ©ogial*
bemofraten bie Sage ber Arbeiter gu oerbeffem unter Nahrung ber be*
redhtigten^ntereffen ber Unternehmer, ba§ er aber auebnotbgebrungen, wenn
le^tere bie guten Begebungen gu oereiteltt fucljcn unb fid) benfelben fchroff
entgegcnfteUen, mit ben ©ogialbemofraten $anb iu^anb für bie bercd)tigten
Beftrebungen ber Arbeiter fämpfen mu| unb wirb. 0b man bann
barüber geter unb Blorbio fchreit tm grohfapttaliftifchen Säger, wirb
ben ©ewerfoerein gar nicht berühren unb ihm gleichgültig fein. Blögen
bann bie Scharfmacher unb B?and)eftermänner, benen hoch jeber
ernfte SBille unb bas Beftreben, auch bem Slrbeiterftanbe gerecht gu
werben, fehlt, bie Beantwortung für etwaige unliebfame golgen über*
nehmen."
2Jian hört aug biefen Bßorteu bie (Erbitterung heraus, bie
chriftli^e, ber ©ogialbemofratie feinblich aegenüberftehenbe Slrbeiter*
berufgoereine erfaßt, wenn oon einer Befchränfung ber ^oalitiong*
freiheit bie Sftebe ift. 3n btefem Punfte benfen alle Slrbetter, bie
ernfthaft für eine $ebung ihreg gefammten ©tanbeg eiutreten,
gleid), unb bag Organ fathoüfcher Slrbeiteroereine 9iorb* unb Oft*
beutfchlanbg, ,,^)er Arbeiter", fafet biefe allgemeine Uebergeugung
oöüig richtig in bie Böortc gufammen:
„©ewth war bie (Srregung berechtigt, bie ftch angefichts ber Sin*
fünbigung weiterer Befchränftmgeu ber Koalitionsfreiheit ber Arbeiter,
fogar unter guchthauSaubrohttugen, ber wetteften Bolfsfreife bemächtigte.
Unb bie fo eifrig bafür eiutreten, benfen wohl weniger an ben Sdmfe
ber SlrbeitSwültgen, für ben ohnehin genügenb geforgt ift, als an bie
weitere Berbcfferung ber fchon ungleich günftigeren Stellung ber Slrbcit*
geber auf bem SlrbeitSmarfte. .^eute im gcitaltcr beS gewerbltd)cu
©ropctrtebeS, wo ber eingefne Arbeiter fein natürlidjes Stecht, feine
SlrbeitSfraft möglichft gut gu oerwerthen, nur im gufammenfdjlufg mit
ben Slrbeitsgenoffen wahren fann, ba ©erlangt bie einfache ©eredjtigfett
wohl eine Befeitigung ber noch beftehenben Befchränfungen ber
Koalitionsfreiheit, wenigftenS eine Befeitigung beS obwaltenben Stus*
nahmerechts, nicht aber So^thauSoorlagen gur weiteren (Sinfchränfung
ber Koalitionsfreiheit."
2Bie oon oerfd)iebenen ©eiten gemelbet wirb, foH ber ©efeh*
entwurf gum ©chufce Arbeitswilliger im SfeichSamt beg Innern nun*
mehr fertiggefteHt worben fein. (Es foH bereits bie ©enehmigung
beg KaiferS gur ©inbringuna im BuubeSrath erfolgt fein. 9?ach
einer 9Mbung würbe ber (Entwurf bie oielbeutige Bezeichnung:
©efefe über ben „©cfjufe Arbeitfucheuber" führen. ®te £h*on*
rebe fünbigte befanutlich eine Borlage „gum©chuh beg gewerb*
liehen ArbeitSoerhältniffeS" an.
$lttg ber ArbeitS*©efehgebnng ^eufeelattbs Pom 3toijre 1898.
2)ie ungemein rührige ©efefegebung ber auftralifchen Kolonie
Sfteufeelanb h Q i au( ^ S^hre 1898 mieberum oerfchiebeue, bie
Arbeiterfürforge betreffenbe Borfchriften neu gur ©infühmng ge*
bracht. 3unächft fommt in biefer Begiehung bie mit bem 1. $e*
bruar 1898 in Kraft getretene Mining Act 1898 in Betracht, welche
unter Anberent befonberS bie Befchäftigung ber Arbeiter oberhalb
ber (Erbe eingehenber regelt; baS ©efefc finbet übrigens auf bie
Kohlenwerfe feine Anweitbung, fonbern nur auf bie fonftigen
Bergwerfe. Alle biejenigen Perfouen, welche bie in Berbinbung
mit bem BergwerfSbetriebe ftehenben Btafchinen gu bebieuen h^öen
ober irgenbmie bei ber weiteren Behanblung ber BergwerfSprobufte
in unmittelbarem Aufruf) an baS Bergwerf felbft befchäftigt finb,
bürfen, abgefeheit oon gang befonbereu fßotI)fäIIcn, wie ©tnfturg,
Berfaufen :c. nicht länger als acht ©tunben ununterbrochen in
Arbeit gehalten werben, wobei bie BtoblgeitSpaufen unb bie 3^1
beS SDampfan* unb AbfteüenS fowie beS ^eueranblafenS nicht mit
in 9tedjuung gegogen werben; nach einer folgen ©chpt foU min*
beftenS eine paufe oon 4 ©tunben fein, beoor wieber mit einer
Arbeit begonnen werben barf. Anwerbern h a &en bie in Öraae
ftehenben Perfouen, wenn fie fchichtweife fteben £age bec ^oc|c
arbeiten, für je acht s Bod)en, mögen biefelben aufeinanber folgen
729
«Sogtale PrajiS. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Nr. 27.
780
ober nicht, je eilten ootten Qrcicriag ober iioei halbe geiertage gu
beanfprudjen. VBeiber unb Wählen jebroeoen Alters unb Knaben
unter 14 3taljren bürfen roeber unterhalb noch oberhalb ber Erbe
int VerawerfSbetrieBe befchäftigt werben, ausgenommen ftnb nur
Vureauoienft. Perfonen unter 18 Sahnen ftnb oon beut ®ienft
am ©eracht abfolut auSgefchloffen unb foHen abgefehen oon aufeer*
orbentlichen Nothfätten nicht länger als 48 ©tunben in ber Söodfje
uttb nicht mehr als 8 ©tunben innerhalb beS ©ageS gu 24 ©tun»
ben mit AuSfchlufe ber Wahlgeitpaufen arbeiten.
©obann ift bie Wohnungsfrage für bie ©djaffcheerer, eine
für Neufeelanb bebeutungSooDe Arbeiterflaffe, in ber Shearers Ac-
comodation Act 1898 näher geregelt morben. ©er ©ouoemeur
ber Kolonie fann banach befonbere 3tofpeltoren ernennen mit ber
Verpflichtung, bie ©ebäube, bie oon ben ©chaffdjeerern benufet
werben, unb fpectett bie ©d)laf* nnb ©peiferäume berfelben gu
unterfuchen unb bafür ©orge gu tragen, bafe biefelben nach jeher
Dichtung hin ben Anforberungen entsprechen, melche man billiger*
weife mit Nücfficht auf bie ©efunbheit unb bie Vequemlid)feit ber
fraglichen Arbeiterflaffe fteHen mufe. ©er ©d)lafraum, welcher
nicht gleichseitig als ©peiferaum bienen barf, mufe minbeftenS
240 Kubiffufe für jebe barin einquartierte perfon enthalten. Wo
djinefifdje Arbeiter oerwenbet werben, ftnb für biefelben befonbere
©djlafräume, abgetrennt oon benen ber übrigen ©d)affd)eerer, h er *
gurichten.
(Snblich ftnb noch bie Altersrenten heroorguheben, welche bur<h
bie Old-Age Pension« Act 1898 gur Einführung gebracht ftnb.
Seber, welcher baS 65. ober ein höh«*3 ßebenSjahr oottenbet hat,
fott, fo lange als er in ber Kolonie aufhältlich ift, bie Verewigung
auf bie gefefelich näher feftgelegte AlterSpenfion haben. Vor*
bebingung für bie AlterSpenfion ift aber, bafe ber biefelbe Vean*
fprudjenbe minbeftenS 25 Sahre lang ununterbrochen in ber Kolonie
anfäffig gewefen ift unb bafe er währenb biefer 3eit weber eine
Veftrafung mit gfreiheitSentgiehung oon 5 Sahren wegen einer
ehrenrühngen Vergehung, noch innerhalb ber Iefeten 12 3ahre eine
Veftrafung oon 4 Monaten ober gu brei oerfchiebenen Walen wegen
einer mit greiheitSentgiehung bis gu 12 Wonaten ober barüber
ftrafbaren Vergehung erlitten hat. Einen Anfprud) auf bie Alters»
penfion haben ferner nicht biejenigen Ehemänner, welche ihre Ehe»
frau oerlaffen baben ober welche ihre Alimentationspflicht gegen
ihre Ehefrau ober ihre Kinber unter 14 Sahren oernachläfftgten,
fowie biejenigen Ehefrauen, weldje ihren Ehemann ober ihre
Kinber oerlaffen haben. Nur biejenigen follen fi<h ber penfton
erfreuen, welche ein gutes moraIifd)eS Anfehen geniefeen unb ein
ehrbares unb oorwurfSfreieS £eben führen unb minbeftenS bie
lefcten fünf Saljre oor Snanfpruchnahme ber Penfton geführt haben.
Hat Semanb ein jährliches Einfommen oon 52 £ unb barüber
ober ein gefiebertes Vefifcthum oon 270 £ unb barüber, fo fann
er feinen Anfpruch auf eine AlterSpenfion machen, ©ie Alters*
penfton ift gefefeltth auf 18 £ für baS 3ahr feftgelegt; für jebeS
Pfunb ©terling, welches gemanb über 34 £ hinaus jährlich ein*
gufommen hat, ober für jeben Veftfe oon 15 £, welchen Semanb ftch
geftchert hat, wirb 1 £ oon bem genannten Nentenbetrage jährlich
übgefefet. Örentbe, Naturaliftrte, fofern fte nicht fchon fünf Qahre,
beoor fie Attfpruch auf penfton erheben fönnen, naturalifirt finb,
fowie Ehinefen unb anbere Afiaten, mögen fte naturalifirt fein
ober nicht, haben niemals eine Verewigung auf bie AlterSpenfion.
fiommimale Sozialpolitik.
P?f«we für JtäbtifdJe.VeWenftete trab Arbeiter in Waiitg.
Am 1. April tritt für Waing (Dberbürgermeifter Dr. ©afener)
ein OrtSftatut in Kraft, welches bie gürforge für ftäbtifche Ve*
bienftete unb Arbeiter bafelbft fowie für beren Hinterbliebene in
fnapper, flarer unb anerfennenSmerther Weife regelt, ©ie im
©ienfte ber ©tabt Waing gegen ©ehalt ober ßohn bauernb be»
fchäftigten Perfonen, bei benen bie gürforge nicht fchon anber*-
weit geregelt ift, werben banach 3 u f<hüffe gn ben Unfall* unb
gnoalibenrenten, ihren Hinterbliebenen Wittmen* unb Waifengelb
ernährt, ©ie gfürforge tritt ein, wenn ber Vebienftete ober Ar*
eiter nach oollenbetem 21. ßebenSjahre minbeftenS gehn gahre
ununterbrochen im ©ienfte ber ©tabt befchäftigt war. Wilitärifche
Hebungen unb ärgthd) befcheinigte Kranfheiten, bie im Eingelnen
bie ©auer oon brei Wonaten nicht überfteigen, bleiben aufeer Ve*
rücffidjtigung. ©er 3 u f^ u & fteigt oon 20o/ 0 beS ©ienfteinfommens
jährlich nrn 1 o/ 0 bis gum Hödjftbetrag oon 40 %• ®er Winbeft*
beitrag ift auf jährlich 240 JL feftgefefet. ©aS Wittwengelb be*
trägt 20o/ 0 beS ©ienfteinfommens beS WanneS, mag berfelbe im
©ienfte ber ©tabt ober als 3nfd)ufeempfänger geftorben fein, min*
beftenS jeboch 180 Jt ; baS Waifengelb 10 °/ 0 , bei mehreren Kütbern
gufammen 20o/ 0 . ©er Vegug beS Wittwen* unb WaifengelbeS
beginnt mit bem ©obestage bes Ehemannes ober Vaters. — Ein
9teWSanfpruch ift ben Vetheiligten niW gegeben, grobes Ver*
fchulben bei Eintritt ber ErwerbSunfähigfeit fott ben ©enufe aus*
fchliefeen, hoch barf wohl angenommen werben, bafe nur in ben
feltenften ÖäHen bie gürforge oerfagt werben bürfte. ©ie Qürforge
fott ben Vetreffenben felbft gu ©ute fommen; ^fänbung unb Ueber*
tragung biefer ßeiftungen ber ©tabt ftnb auSgefchloffen.
©ogtale Mrforge ber ©tabt ©trafebnrg. Abgefehen oon ber
Witwirfung ber ©tabt bei ber Ausführung ber fogialen ©efefe*
gebung h at bie ©tabt ©trafeburg nach bem Verwaltungsbericht
1889/94*) fid) im Wefentlichen auf bie Unterftüfeung gemeinnüfeiger
Vereine unb Waffen, an bie Sugenbhorte un 5 genenfolonien, auf
Errichtung oon Wärmeftuben für Arbeiter unb S^othftanbSarbeiten
(Einebnungsarbeiten auf früherem 3feftungSterrain, ©chneefchaufeln,
©teineflopfen) befchränft, nicht eben oiel für ben Wittelpunft beS
! Elfafe. 9ieuerbingS ift atterbingS bie Wohnungsfrage fo fräftig in
Angriff genommen, bafe ©trafeburg barin gerabegu als Vorbilb
bienen fann.
©ie ftäbtifdje ShtobenarbeitSaitfitalt ga ©annftabt**) hat einen äljn*
liehen 3roed, w« er neuerbtngS in ben VorfWägen gegen bie Ver*
rohung ber gugenb in ben Parlamenten auSgebnicft würbe, nämlich
Änaben oon unbemittelten (Sltern, bie in ber oom ©cbulbefudfje freien
3 f tt nicht gehörig überwacht werben fönnen, unter Aufficht gu befcfeäf*
tigen, fte hierburdj oor ben (iinflüffen nachtheiliger ©efettfdjait gu be*
wahren, an nüfelidje ©h^tigfeit, Drbnung, Aeinlichfeit, Eehorfam unb
gute ©itte gu gewöhnen, fowie ihnen ©elegenheit gu einem Verbienfte,
nach Verhältnife ihres J^leifeeS unb Vetragens, gu geben, ©ie Vefcfeäfti*
gung ber Ä'naben befteljt in gelb* unb ©artenarbeiten unb, währenb
ber Wintermonate, oorgugSweife in ©trohfleWereien; bie 3eü ber Ve*
fchäftigung ber Knaben ift auf Nachmittags oon 4 bis 7 Upr, mit Aus¬
nahme ber ©onn* unb geiertage, feftgefept. ©ie Anftalt war 1897/98
oon 195 Knaben befudjt. An 17 aus ber Anftalt im April 1898 aus¬
getretene tfonfirmanben würben, aufeer bem baar ausgegahlten 1897/98er
ArbeitSoerbienft im Vetrage oon 186,ia JC, beren ©parfaffenbiieher über
eine ©efammteinlage oon 543,79 M. oerabfolgt. ©as ©efammtguthaben
eines Änaben beim Austritt aus ber Anftalt ftcüte fid) hernach im
©urchfdjnitt auf runb 43 JC. ©er für 137 3öglinge ber Anftalt in bie
©parfaffe eingelegte 1897/98 er ArbeitSoerbienft beträgt 1233,i 8 M. unb
beläuft fid) fomit im «bgelaufenen 3ahre ber ArbeitSoerbienft eines
3öglingS im ©urdjfdjnitt auf runb 9 M. ©ie Ausgaben ber Knaben*
arbeitsanftaltsfaffe belaufen fid) in 1897/98 auf 35 872,98 JC 3 ur
©eefung biefer Ausgaben war aus ber ©tabtfaffe ein Sufdjufe oon
3352,39 M. erforberlich- Vebenflicfe ift babei, ob nicht bei einer brei*
ftiinbigen ErwerbSbefchäftigung neben ßftüubiger ©chulgeit, alfo gu¬
fammen 9ftünbiger ArbeitSgeit Der Shtaben bie häuslichen Arbeiten ber
Knaben gu htrg fommen.
©täbtifche SHoSfe für antiolfoholifche ©etrMe, wo Kaffee für 5 &f .,
Vriihe für 10 &f. oerfauft wirb, werben nach bem Verwaltungsbericht
1897/98 in SanbSberg a. W. errichtet, ©olche SUoSfe, wie fie für
Äaffee beifpielSweife in granffurt a. 3». befteheu, finb wirffame SNittel
bem Vranutweingenufe entgegen gu wirfen unb, befonbers im Winter,
für bie unoerheiratheteu Arbeiter eine Wohlthat.
©tättifdje ArmenunterftÄ^nit® für ftreifettbe Arbeiter in Eaglanb.
Eine Älage ber ©teuergahler oon SRerthqr ©nboil in Wales gegen bie
bortige Armenbefjörbe, welche ftreifenben Äoplenarbeitem Armenunter*
ftü^ung gegeben hotte, würbe nach ber »grffr. 3*9-" in ber VerufungS*
inftang mit ber Vegrünbung abgewiefen, es fei nicht erwiefen, bafe bie
Armenbehörbe nach irrigen Erunbfäfeen gehanbeit höbe.
Söziolt
©ie ÄrBeitSlofiafeit tu ©rofebritamnen tm 3affte 1898. Nach
ben regeltnäfeigen geftftettungen beS Labour Department beS Board
of Trade für ©rofebritannien, welche auf ©runb birefter monat*
lieber Wittheilungen oon etwa 120 theilS gröfeerer ©rabe UnionS
mit einer Witgliebfdjaft oon nahegu einer halben Willion erfolgen,
hat ftch bie ArbeitSloftgfeit innerhalb ber ©Äoerffdhaften unb ba*
mit im Wefeutlidjen übereinftimmenb auch wohl in ber ©efammt*
arbeiterfchaft bes oereinigten Königreichs im Allgemeinen oon
einem höhnen nach ein c ni nieberen ©afe hiabewegt, währenb für
*) Vearbeitet oon Dr. Earl Vuecbel im Aufträge ber ©iabtoermal*
tung nach amtlichen Quellen, ©trafeburg. Elfäffifche ©ruderet unb
VerlagSanftalt norm. &. gifchbad).
**) Vgl. ben Verwaltungsbericht ber ©labt 1897/98. (©armftabt
1899).
731
©ogiale SßrajiS. Gentralblatt für ©ogialpolittl 9h. 27.
732
baS 3aßr 1897 in bcr Hauptfadje bic entgegengefefcte ©ewegung
gu fonftatiren war; bas 3aßr 1898 fteUt fid) alfo in biefer
Richtung an ficf) fcßon als ein güuftigeS bar. Rad) ben berührten
0fe[tftellungen hatte lief) ber ^rogentfafc, welken bie Arbeitslosen
bcr ®efamtntheit ber Arbeiterschaft gegenüber ausmachen, im
3abre 1897 non bem AnfangSfafc gu 3 /3 % int Januar nach einem
anfänglichen ©infen Bis auf 2 , 3 % im 9Rai attmälig in fort*
wäßrenber ©tetgung bis auf 5,. } % im $>egember gehoben; 1898
fällt nun ber ©afe oon biefer Höße gunäcßft bis 3uni ununter*
broeßen; fchon im Januar geht er unter 5%, im Sebruar Bis auf
wenig über 4 %, im ©Järg bis auf 3,i °; 0/ im April auf 2,9 %,
im uftai auf 2 /7 % unb im 3uni auf 2, 6 %; im 3«li bleibt fo*
bann ber Ießtere ©ah fonftant, um allerbingS im Auguft auf 2,g %
gurüefgugehen, welcher Rücfgang bann aber im ©eptember, ber
wieberutn 2, 6 % geigte^ fchon eingeholt wirb; Dftober unb Rooember,
bie als SSiittermonate im Allgemeinen nicht gu ben günftigften gu
gäßlen finb, haben aber hoch noch ein weiteres Herabgehen beS
©rogentfapeS ber ArbeitSlofigfeit auf 2, ö °/o unb 2, s %; im $)egember
enbücß h*bt fuß ber ©ah allerbingS wieber auf 2,9%, er bleibt
aber mefentliiß hinter bem $>egemberjaß oon 1897 unb in geringerem
©Jaße auch noch hinter bem oon 1896 gurücf. 3m 3ah^e 1896
fam ber ©rogentfafc nur in einem ©Jonat etwas unter 3 %, baS
3ahr 1898 erweift fich bemnach in ber §auptfadje als wefentließ
ünftiger als biefeS unter ben lebten Sahnen oortheilhaftefte 3aßr;
as 3ah^ 1895 hat ein Minimum oon etwas über 4 °/o, baS 3ab*
1894 ein foId^eS oon 6 °/ 0 . 23erücfftc§tigen wir nun bie ©erfdjieben*
heit ber ArbeitSlofigfeit innerhalb ber etngelnen bie ©lelbungen er*
ftattenben £rabe UnionS nach bem ©tanbe oon Gnbe $)egember 1898,
fo betrug bei 32 berfelben mit 22, 4 ü / 0 ber gefammten Arbeiterfcfjaft
bie ArbeitSlofigfeit unter 1 o/ 0/ bei 32 mit 22,4 % ber Arbeiter*
fdßaft 1—2 o/ 0/ bei 9 mit 2,i o/ 0 ber Arbeiterfcßaft 2—3 o/ 0 , bei 22
mit 47,5 % ber Arbeiterfcßaft 3—5o; 0 , bei 4 mit 1, 2 % ber Arbeiter*
feßaft 5—7 o/ 0 , bei 7 mit l, 6 0 /o ber Arbeiterfcßaft 7—10o/ 0 unb
bei 12 mit 2, 8 o/ 0 ber Arbeiterfcßaft 10 n /' 0 unb barüber. ^er ßoße
©tanb ber ArbeitSlofigfeit gu Gnbe beS SaßreS 1897 unb gu Sin*
fang beS 3<*hreS 1898 ift wefentlidE) auf ben beseitigen großen
unb umfangreichen ©treif ber ©Jafcßinenbauer gurüdgufüßren.
Völlige ttnterbrfitfung ber ©ettelei ttt ffranfreteß wirb Durch
ben ©arifer ‘Seputirten ©errp oon feuern Durch einen Antrag in
ber ^eputirtenfammer in Anregung gebracht. SDer Antragfteller
geht hauptfäcßlicß oon ben ©Ußftänben aus, i#eld^e bie weitgebenbe ]
Dolerang gegenüber bem berufsmäßigen ©ettlertßum in ©aris er» i
geugt hat. H err ©errp beschäftigt fidj fcßon feit 3aßren mit biefem
Problem, unb fein Antrag wirb, obwohl er nur ßöcßft unbeftimmt
unb allgemein Abhilfemaßnaßmen oorfchlägt, intereffant, weil barin
mit großer ^etailfenntniß bie ©raftifen unb ©efcßäftSgeheimniffe
beS profeffionSmäßigen ©ettels aufgebeeft werben, ©errp oerlangt
üööige Abfcßaffung aller gefehlten ©eftimmungen über ©aga*
bonbage unb ©ettelei, einfaches ©erbot unb Unterbringung Der
©eitler in 3mangSarbeitShäufern begw. Arbeitsformen.
Arbeitgeber- tutb MnteroeJjmemrbimbe.
$cr ©ereilt ber dtobttflrtettett beS RegierungSbcgirfS Äöl«
hat in feiner legten ©ihung auf ©runb eines ©ortrageS beS frei*
foitferoatioen SanbtagSabgeorbneten ©orfter gu ben im Reichstage
eingebrachten fogialpolitifdjen Snitiatioanirägen ©tellung genommen
unb folgenbe Grflärung befchloffen:
„Güte geniigcitbe frtdjlidje ©eranlaffung gu btefen Anträgen fann
ber ©erein nad) bem ©tanbe ber Arbeiterfrage, [oweit ber ©ereinS*
begirf in ©etradjt fommt, nidjt anerfennen; ift oielntehr ber lieber*
gciigung, baß burch bic Ausführung ber beantragten Glefeßc baS hier
im Allgemeinen frieblidje ©erßältniß gwifdjen ben ftiroßgewerbetreibenben
unb ben Arbeitern ohne Roth geftört werben würbe, ' $er ©erein hält
au bem Wrunbfah feft, baß ber unmittelbare ©erfeßr gwifdjen Unter*
itehmer unb Arbeiter bcr hefte ©.‘eg gunt Aitögleidj etwaiger ©treitig*
feiten ift. Gr fprießt gd) baßer entfehieben gegen neue fogialpolitifche
Giuridjtungen, wie Ginigungsämter :c., aus, bie feine befriebigeitbc
Grlebigiutg etwaiger ©treitigfeiten gewäßrlcifteu, Dagegen bem ohnehin
burd) ÜERitwirfung bei bcr Ausführung ber Arbeitergefeße^oßnebicS ftarf
belaftetcn Öewerbetreibenbcn noeß weitere Opfer au\^cit unb Mraft gu*
mutßen würben. Gr weift namentlich and) bic ©diaffuug neuer ©>aßl=
förper gurücf, bie lebiglicß bie mit ben fdjon befteßenben ©>aßlgcfd)äften
nerbunbeue Aufreigung gegen bie Arbeitgeber unb btc ©erfeinbung unter
bett oerfeßiebenen Arbeiterparteien noch oerftärfeu würben."
(Gemeint finb in erfter fiinie bie Anträge o. £epl * ©affennann
unb lieber *^)iße auf ©ilbung gemeinfamer Drganifatiorten oon
Arbeitgebern unb Arbeitern gur ßöfung oon beftimmten Aufgaben.
(Sntfleibet man bie gegen biefe Einträge gerichtete Refolution ber
lofen §ülle euphemiftifchen ©eiwerfs, fo tritt als ihr $ern bie
rücffichtslofe ©roflaniation beS Rechts auf Ijerrfchaft beS Slrbeit*
geberS über ben Arbeiter naeft gu Xage. ®ie „$ßoft" jubelt natür*
lieh über btefen ©efchluß beS rßeinifchen gabriffeubaliSmuS unb
hofft, baß „man fich au % benjenigen nationalliberalen Greifen,
welche aus wahlpolitifdjen Rücffichten ben Anträgen ber Herren
©affermann unb 3*hr. o- *&ct)l gu folgen geneigt waren, ber lieber-
geugung nicht mehr lange oerfdjließen fönne, baß jener ©eiten*
fprung aus ber bisher oon ber nationalliberalen Partei inne*
gehaltenen fogialpolitifdjen Richtung nicht baS ©krf eines ©JeifterS,
fonbern eines argen Dilettanten auf bem ©ebiete ber politifchen
Xaftif war." Auf einen ähnlichen Appell hot ft<h <$eneralfefretär
©ueef fchon früher eine feßr fdjarfe 3urücfweifung burch ben Ab*
georbneten Srßr. o. |?et)l im Reichstag geholt. 2öir hoffen, baß ber
,,^oft" unb ihren Hintermännern je^t baS gleiche SooS wiberfahrt.
GtefammtPerfiaiib beittfdjer FletaÄiitbulrieÖer. ^olgenbes ©cßreiben
geßt bureß bic ©ewerffcßaftSpreffe:
©crltn, ben 13. ^egember 189S.
Runbfcßreiben Rr. 12 pro 1898.
gufolge einer uns uom ©erbanbe ©erliner RJetaHinbuftrieüer gu*
gegangenen ©httßcilung nehmen wir ©eranlaffung, unfere ©litglieber
ßierbnrcß oor ber Ginftellung beS SormerS A .... $ ... ., geb. am
17. SÄai 1859 gu G . . . ., gu warnen, unb empfehlen für etwa ge*
wünfdjte nähere AuSfunft in biefer Angelegenheit ben bireften ©erfeßr
mit genanntem ©erbanbe (©erlin N., Oiarteuftraße 160).
Hocßadituiigsooll
©efammtoerbanb beutfdjer SRctallinbuftrieller.
5)er ©orfißenbe: HReßmann.
3Ber fd)iißt nun biefen Arbeiter, wenn er arbeitswillig ift, Arbeit
fließt unb überall abgewiefeit wirb?
©ertaub ber Arbeitgeber für baS ©djtteibergetoerbe in Sttfiwhnt.
^ie fclbftftänbigen Rlcifter für baS ©cßneibergewerbe in HRüncßen haben
fieß, ocraulaßt burch ben ©treif ber (Heßülfcn, gu einem ©erbaub gu*
tammcngefdjloffcn, beffeu 3*oecf es ift, bei ooller Anerfennung etwaiger
beredjtigter ©eftrebungen ber Arbeitcrfcßaft unbereeßtigten Jforbenmgen
unb Ansfcßreitungen entgegengutreten.
JCtbetterbttaegnitg.
^er ©erfueß beS allgemeinen AttSftanbeS tn gfranfreicfj
tm Oftober 1898.
Racß neuen Cuellen bearbeitet.
©Jan wirb fuß erinnern, ’) baß am 13. ©eptember oorigeu
3aßreS bie drbarbetter oon ^aris ißre Arbeit einfteüten. GS
bauerte nießt lange, fo ergriff bie ©emegung bie ©auarbeiter, felbft
bie Arbeiter attberer ©ewerfe, unb bei bem Umfang, ben ber Aus*
ftanb annahm, fonnte man ftd) fragen, ob man fieß nießt am ©or*
abenb beS allgemeinen AuSftanbeS befänbe, biefer „Reoolution ber
S efreugten Arme", oon ber ein großer £ßeil beS organifirteu
IroletariatS tu granfreieß bie ©eroefferung feiner ßage erwartet
Gtnen eifrigen Qelbgug gu (fünften beS allgemeinen AuSftanbeS
führte feit mehreren 3ah^n baS Allgemeine ©pnbifat ber
Gifenbahnarbeiter ÖranfreicßS unb feiner Kolonien
(„Syndicat National des Travailleurs des Chemins de Fer de
France et des Colonies“) gegrünbet 1890 unb oft nach feinem
leitenben GJefchäftSfüßrer ©pubifat ©uerarb genannt ©tolg
auf feine angeblid)en 70 000 ©Jitalieber 2 ) unb bereu oorgeblidße
^iSgiplitr, uaßm es für fieß bie Gßre in Anfprucß, im aünftigen
Augenblic! baS 3 e i^ en S ur ßinfteÜung ber Arbeit gu geben; alle
Maßnahmen füllten getroffen fein; am 2^age, wo feine ©Jitgltebcr
ißre ^often oerließen, würbe ißr ©cifpiel nidßt allein Diejenigen
Angeftellten ber Gifcnbaßnen mit fortreißen, bie einem ber betoen
anbern unter beit Gifenbaßnerit noeß befteßenben, mtnber bebeutenben
©pnbifate angeßörten, fonbern audj bie Arbeiter oon 350 anbereit
©ercintgungen. ^5ie ©erßältniffe lagen im Anfang Dftober 1898
Derart, baß baS ©pnbtfat, oon allen ©eiten gebrängt, fteß in bic
3wangSlage oerfeßt faß, Den allgemeinen AuSftanb gu erflären.
©eiten ift eine ©ewegung in fo fläglidjer 2Bcife gefeßeitert, unb
bie oöllige Rieberlage beS ©nubifats Oluerarb ßat unter ber
Arbeiterbeoölfcrung unb aud) fonft im ijanbe einen ungeheuren
Ginbrud ßeroorgernfen.
©gl. „©ogialc ©rajris", oaßrg. VII, 3p. 1343, 1375 unb
vsaßra. VIII, 3p. 12, 41.
“0 ^it 5i?irflidifcit gählt bas ©nnbifat ('hierarb nur l9-2()ono
gaßlcnbe ©titglicber.
733
Sogiale $ta£tS. ©enfralblatt für Sogialpoütif. 9Jr. 27.
734
ViS jeftt mar matt, roenigftenS itt ber Deffentliepfeit, nur un*
genau über bie Vebütgungen unterrichtet, unter benen ber Ver*
roaltungSratp beS Spnbifats beit MuSftanb oorbereitet uitb erfiärt
batte. 3eftt finb mir beffer unterrichtet. $>as Spnbifat pat fürg*
lieb, am 20. unb 21. Januar b. 3$-, in Baris eine §auptoerfamm*
lung abgebalten, um baS Verhalten beS VerroaltungSratpeS anläft*
lieb beS MuSftanbeS gu prüfen unb geroiffe fragen gu erörtern,
bie aus bem Scpeitern ber Veroegung erroacbfen maren. $er 93er*
roaltungSratp bat ber §auptoerfammluitg einen ausführlichen
Bericht über bie ©reigniffe beS OftoberS 1898 oorgelegt. 8 ) Mn ber
$>anb biefeS Scpriftftücfs, baS ich naep meinen eigenen Ermittelungen
ergänzen toerbe, roitt icp oerfuepen, bie fmuptpunfte biefeS MuS*
ftanboerfueps no(b einmal oor Mugen gu führen.
3m ^Ipril 1898 hielt baS Mttgetneine Spnbifat in Baris feine
neunte §>auptoerfatnmlung ab. 3n biefer mürbe am 30. Mpril
ber allgemeine MuSftanb bitreb bie Vertreter oon 54 gegen 13 (Gruppen
befcbloffen. ®ie Vertreter oon 28 ©ruppen batten fttb Mangels
einer Vottmaept ber Stimme enthalten; 3 ©ruppen enbHcb roarut
im Mugenblicf ber Mbftimmung rti<bt oertreten geroefen. Hm ber
Jmuptöerfatntnlung bie gange VerantroOrtung für ihren Vefepluft
nt übertaffen, hatte es ber VerroaltungSratp oermieben, in bie
Verpanblungcn eingugreifen. 2)ann nahm bie ^auptoerfatnrnlung
folgenben Antrag an; „^ie §auptoerfatnmlung beauftragt ben
VermaltungSratp, oon ben ©i[enbapngefettfcpaften eine beftimmte
Mntroort auf bie feit 1893 mieberbolt gefteElten Öorberutttjett gu
oerlangen, unb fte iiberläftt es ihm, in tpunlieper grift bte ihm
geeignet erfcbeiitenben Vtaftnapmen gu treffen, im Sinne ber ©nt*
fcpUeftungen unb Söefcblüffe ber £auptoerfammtung". ©nbliep nahm
bie |>auptoerfammtung oor ihrem MuSeiitanbergepen bie nach*»
ftehenbe £ageSorbnuttg an: „$)ie beoollmä(btigten Xpeilnepnter ber
neunten §auptoerfammlung finb beS unleugbaren böfen SöittenS
ber ©ifenbapn*©efettfcpaften tnübe unb entftbloffen, nicht länger gu
märten; fie geiebnen bem VerroaltungSratp unb bem Spegial*
auSfcpuft bie Dichtung oor, bie fie gu oerfolgen haben unb rechnen
auf ihre ^patfraft." ©S ergab ftep alfo aus biefen groei Vefcpliiffen,
baft ein leftter Schritt bei ben ©efettfepaften oerfuebt, unb im Satte
beS VliftlittgenS ber MuSftanb erfiärt merben fottte.
Unmittelbar barauf unb noch ehe er ftcb an bie ©efettfepaften
gemanbt hatte, unternahm es ber VerroaltungSratp für baS
Stjnbifat Stimmung gu machen, um fiep für ben eintretenben Satt
^ülfstrnppen gu febaffen unb ben ©ifenbapitgefettfcpafteit bie $änbe
gu binben. So fuepte er ftcb gegebenen Sattes bie Unterftüpung
ber StjnbifatSoerbänbe ber anberen ©eroerfe gu fiebern. 3 U biefem
3mecfe fanbte er an jeben oon ihnen ein Statbfcpreiben mit ber Sin*
frage; 1. Ob man im Satt eines MuSftanbeS ber ©ifenbapner ge*
neigt fei, bie barauS für ben Mugenblicf entftehenben Unantiepmlicp*
feiten auf fiep gu nehmen; 2. ob man entfeploffen fei, fiep ber Ve*
megung beS ©ifenbahn*SpnbifatS angufcplieften, um bie eigenen
Sorberungen burcpgufefcen.
Mm 12. Soli richtete ber Verroaltungsrath an bie fieben groften
Vapngefellfepaften unb an bie tthngbapn*©efettfcpaft ein Schreiben,
in bem er fie erfudpte, einer Mborbnung feiner VJitglieber eine
Unterrebung gu geroäpren unb ihr einen Vefcpeib gtt geben über
bie oerfepiebenen fünfte einer längen fiifte oon Sorberungen, bie
baS Stjnbifat ben ©efettfepaften tm Sah« 1893 oorgelegt batte,
©ingig ber 2)ireftor ber StaatSeifenbapnen gemäprte ber Mborb*
nung eine Unterrebung (28. 3uli), roelcpe übrigens opne praftifepe
©rgebniffe blieb. Mtte anberen ©efettfepaften metgerten ftcb, in Ver*
pattblungen mit bem Spnbifat eingutreten.
SRacpbetn biefer Scpritt fruchtlos geblieben mar, patte ber 33er«
roaltungSratp, um ben Mnroeifungen ber neunten §auptoerfammlung
gu folgen, fofort ben MuSftanb erflären müffen. Sr tpat nichts
bergleicpen. Um gu panbeln, ermartete er, mie er feitbem erfiärt
pat, bie Mntroorten ber SpnbifatSoerbänbe auf fein Bunbfcpreiben.
Mucp als am 13. September ber MuSftanb ber ©rbarbeiter aus*
braep, blieb feine -Spaltung abroartenb. Mm 22. September patten
oon 2000 angegangenen Stjnbifaten nur 198 ipre Vteinung funb*
gegeben. $>ie einen erflärten fiep gegen ben allgemeinen MuSftaitb;
bie anbern erflärten fiep bereit, bem Vorgepett beS ©ifenbapn*
Srjnbifats fiep angufcplieften, aber nur unter geroiffett Vebiitgungen;
anbere gäplten bie ©riinbe auf, bie fie oon ber VetpeÜigung ab*
hielten; 3 4 ) 46 enblicp fünbigten ipren Sntfcplup an, gleichzeitig mit
ben Sifenarbeitern in ben miSftanb gu treten.
3 ) 3» ber „Sogtalen ^raris'' fitrg crioäfjnt. psaljrg. VIII 0p. 451.
4 ) So baö Srjnbifat ber" Straften reinig er non SWarfcifle, bie er=
flärten, baft gcrabe bitrd) gortfepung ber Arbeit im Hugenblicf be« all*
gemeinen Slusftanbes fie „meit entfernt banon, ber OlcfcUfrf^aft „^Jnrio*
9focp in biefem Slngenblic! hätte ber SSerroaltungSratp bie
©inftettung ber Arbeit für bie aßüglieber beS SpnbifatS befcplieften
unb baburep roeniaftenS einen £peil ber 46 Spnbifate beftimmen
fönnen, ben SluSfianb ju erflären. (Sr getraute ftep niept bas
SBagnift. Später pat er ben begangenen S«hfcr eingefepen unb
ihn mie folgt befepönigt: „S53äprenb mir unfere 3^it mit unnüpen
33eratpungen oerloren, mürben unfere ^ameraben, bie Bapnarbeiter,
feproanfeno." Slber er felbft, ber SBenoattungSratp, feproanfte; beim
er nahm mit allen gegen eine Stimme bie folgenbe ßntfeptieftung
an: „$)er S3erroaltungSrath entfepeibet, bap es am $lape tft, bie
©rflärung beS allgemeinen SluSftanbeS aufgufepiebett".
tiefer Söefcpluft, im Slugenblicf, roo in $aris eine ©eroerf*
fepaft naep ber anbern in ben SluSftanb eintrat, rief ©rftauneu
unb in geroiffen Slrbeiterfreifen fogar eine feparfe Sfritif peroor.
3öar eS alfo roapr, bap bie Bereinigung, oon ber man baS
ßeicpeu gum ßanbeln ermartete, fiep meigerte, ber bereits opne fie
begonnenen Semegung fiep angufcpliepen! $)er uns oorliegenbe
33eri<pt gept flüeptig über biefen äbfepnitt ber ©reigniffe beS DftoberS
pinmeg, aber mir fönnen ipn ergängen.
2lm 8. SDftober mar ein ©entralauSfcpup ber 5luS«
ftänbigen gebilbet morben, ber fiep auS je groei Vertretern ber
bamals auSftänbigen ©emerfe gufammenfepte. Vom Slugenblicf
feiner dinfepung ab, bemüpte fiep ber SluSfcpup, bie Vemegung gu
befcpleuniaen, um gum allgemeinen SluSftanb gu gelangen. Eines
ber Vtittel, auf bie er rechnete, um bieS 3iel gu erreichen, mar, bie
Slrbeitseinftettung in geroiffen öffentlichen Vetrieben burepgufepett.
3u biefem 3a)ccf manbte er ftep an brei Spnbifate, oon benen
groei namentlich oorgüalicp organiftrt unb oon groper VHcptigfeit
ftnb, ttämlitp baS ber Arbeiter ber $arifer ©aSgefettfcpaft, baS ber
Slngeftettten ber DmnibuS unb Strapenbapnen unb enblicp baS ber
Barifer ©ärtner. 2)ie brei ©efcpäftsfüprer biefer Vereinigungen,
alle brei ber „Sogialsreoolutionären 5lrbeiter*Vartei" 5 )
(auep genannt „BttemansVartei") angepörig, prüften gemeinfatn bie
ßage unb fanben fte fepr ernft. Sie roottten es niept auf fiep
nepmen, ben allgemeinen SluSftanb gu erflären, hingegen entfepieben
fie, bap baS @ifenbapn*Spnbifat megen ber Vebeutung beS VetriebS,
ben eS gum Stillftanb bringen fonnte, unb megen feines fo oft
bemiefenen ©influffeS unb feiner SÄacpt ben Anfang mit ber Ve*
megung gu maepen pabe unb bap fiep ber ©entralauSfcpup gu aller*
erft an bieS Spnblfat roenben foffe. 2)er ©entralauSfcpup eignete
ftep biefe VetracptungSroeife an unb ftettte ben VermaltungSratp beS
©ifenbapn*SpbifatS oor bie entfepeibenbe S^age. 9Jun gehörten
aber bie pauptfäcplicpften ttttitglieber biefeS VermaltungSratpS
ebenfalls ber „Sogial* reoolutionären Arbeiter ^ Partei" an.
Sie fanben fiep oor bie SöapI geftettt, enttoeber ipre ©runbfäpe gu
oerleugnen unb ftep bei ipren politifepen Sreunben unmöglich gu
maepen ober ben Stusftanb gu erflären. 3 u at Iepteren mupten fte
ftep gegen ipren Sitten entfepliepen.
©eftüpt auf bie ipm oon ber neunten §auptoerfammlung oer*
liepenen Vottmacpten, hätte ber VermaltungSratp bie fofortige ©in*
ftettung ber Arbeit oerfügett fönnen. ©r gog eS aber oor, gunäepft
bie Meinung ber ©ruppen eingupolen unb fte gu befragen, ob fie für
ben SluSftanb mären — ein Vunft, fc er au f fc cr neunten §aupt*
oerfammiung oöttig flar geftettt morben mar. S)ie ©nippen fottten
binnen brei ^agen antmorten. Slm 11. Dftober patte ber Ver*
roaltungSratp 74 Antmorten erhalten, oon benen 29 bem SluSftanb
günftig. 31 bagegen, 14 unbeftimmt maren. $acp langer ©rroägung
unb einer Sloftimmung, roorin ber SluSftanb mit 12 gegen
11 Stimmen unb einer Enthaltung befeploffen mürbe, entfeplop fiep
ber VermaltungSratp, bie enbgiiltige ©ntfepeibung bis gum folgenben
Xag gu oerfepieben.
?lm 12. Dftober oertpeilten ftep bie cingelaufenen Antmorten
folgenbermapeit: 36 ©ruppen maren für ben äuSftattb, 34 bagegen
unb 18 feproanfenb. ®er VermaltungSratp mürbe immer unent-
fcploffener; ein Vrueptpeit mottte bie Antmorten ber noep
übrigen ©ruppen abmartett, ber anbere neigte, im Vertrauen auf
bie fampfluftige Stimmung, bie bei geroiffen ©ruppen gunt Mus*
bruef gefommen toar, gu fofortigem panbeln. ^iefe Ieptere Partei
fiegte, unb ber MuSftaub mürbe mit 13 gegen 11 Stimmen unb
2 Enthaltungen befeploffen. ©r fottte in Baris mie in ber Vrooing
Freitag, ben 14. Dftober, VtorgenS, beginnen. 3« berfelbeit Mad)t
(12.—13. Dftober) mürbe ben ©ruppen ber Vefepl, bie Mrbeit ein*
guftettett, übermittelt. ©S fepeint, baft bie ilnentfcploffenpeit beS
VermaltungSratpS fid) bis auf bie ßifte ber {vorbernugen in ber
Viiou^ittcluiecr'' Vorfdjub gu letflcn, oielmclir bereit ('Helfe täglid) mit
2<) äBaggonS oevfperreu miirbeu, bte tlir Xietift beitötliigt".
5 ) Mid)t gu ocrmed)jeIn mit ber ^graugöfifdjcit Arbeiterpartei".
Soziale Bra;rtS. Eentralblatt für Sogialpoüttf. Br. 27.
736
735
Anfüubigung beS AuSftanbes anSbefjnte. Der BerwaltungSrath
fd;rieb: „Der AuSftanb wirb nur unter folgenbeii Hauptbebingungeit
aufhören: 1. Mein AuSftänbifdjer barf benachtheiligt werben, alle
fotleu roieber eingefteKt werben, ebenfo wie biejenigen ©enoffen,
bie neucrbingS auf ©runb ihres Eintretens für baS Spubifat ent«
taffen finb. 2. Allgemeine Aufbefferung ber Arbeitslöhne unb ©e*
hälter. 3. Allgemeine AlterSoerforgung. 4. AlterSoerforgung im
Berhältnife jum Einfommen. 5. "Berfürgung ber ArbeitSgeit. —
Die Sage tft oorgitglid), niemals werben wir eine aünftigere
©elegenljrit haben". Am 13. Dftober würben anbere Bunofd)reiben
oerfanbt, mit ber Btahnung, jebe AuSfchreituug gegen bie Bor*
gefegten unb jebe 3 er ftörung b 11 oermeiben.
Btan fann o^nc llebertreibung fagen, bafe biefer AuSftanb im
Meint erfticft würbe, Schon am AbenbbeS 13. DftoberS nahm
bie ipoli^ei eine HanSfuchung am fokalen 0ife beS 0i;nbifats oor,
bie wobluerftanben rechtlich nid)t auf ber Dhatfadjc bcS AuSftanbeS,
fonbern auf gewiffen Unregelmäfeigfciteit im ©cfd)äftSgang beS
Spnbifats beruhte, Ebenfo fanbett HauSfud)ungen bei beut leitenben
©cfdjäftsfiihrer unb einigen Biitgliebern beS BerwaltungSrathS
ftatt. Der ber 1899 er Hauptoerfammlnng oorgelegtc Bericht be*
hauptet, bafe bie oom BerwaltungSrath in Baris angebefteten
Biaueranfd)Iäge auf Befehl ber Boligei nnoergiigtich abgeriffen feien,
bafe alle an bie ©ruppen in ber ^rooinj gerichteten Briefe, welche
bie Aiigeige beS AuSftanbes enthielten, unterfdjlageit feien u. f. w.
©ir wiffen nicht, was an biefen Behauptungen ©ahreS ift: 0o*
uiel ftebt feft, bafe bie Regierung, genau auf bem Saufenben über
bie Beratbungen beS BerwaltungSrathS, fdjon oor bem Beginn
beS AuSftanbes bie Bahnhöfe unb beren Umgebungen in Baris unb
in ber Brooing militärifcb beferen liefe.
25er 14. Dftober war ein UnglücfStag für baS Eifenbahn*
Spnbifat. „Sagen wir es ohne Umfcbroeife", fo lautet es in bem
Bericht, „baS Sefelfchlagen beS AuSftanboerfud)S war ein fläglicheS".
Abgerechnet einige oiergig Arbeiter im Dienft einer Bafen*©efeE*
fcfeaft in ber Boootng, belief ficfe nach bem oorerwähnten Bericht
bie ©efammtgaf)! ber AuSftänbigen auf 89, nach ben bem „Office
du Travail* gugegaugenen Berichten nur auf 22. ©eher in ber
Brewing noch ™ Baris felbft, bem Sife beS Spnbifats, hatte biefeS
Borfehrungen für ben Eröffnungstag beS AuSftanbes getroffen.
3n ben Departements warteten bie ©ruppen, bie burch Boten bes
BerwaltungSrathS redjtgeitig benachrichtigt worben waren, auf
weitere Aittoeifung aus ber §>auptftabt. Baris feinerfeitS rechnete
auf bie 46 ©ruppen, bie fich gum Manbeln bereit erftärt batten.
Anbererfeits hatten bei ber Erflärung beS AuSftanbes bie Ber*
waliungSrätbc ber beiben attbern Eifenbahn*0i;nbifate ihren Ab*
theitungen ©eifung gegeben, bie Arbeit nidjt eingufteEen.
Drob bcS ScheiternS feiner Hoffnungen woEte ber BerwaltungS*
vath oerfud;en, einigen Bortbeil aus feinem uttbefonnenen Unter*
nehmen gu gieren. 0chon am 14. Dftober, AbenbS, fchrieb er an
ben JvriebenSrichter beS X. BegirfS, um bie Anwendung beS ©e*
fepeS oom 27. Degember 1892 betr. BermittetungSoerfnche unb
0d)iebSgerid)te, gu oertangen. Diefer 0chritt hatte fein praftifcfjeS
Ergebnis; bettn bie paar auSftänbigen 0tjnbifatSmitgIieber nahmen
ihre Arbeit am folgenben Dage fefjon wieber auf. Der BerwaltungS*
ratf) berief eine Berfammlung auf Sonntag, ben 16. Dftober, um
gu ocrfuchett, ben Btuth feiner Anhänger wieber gu heben; bod)
baS war oergebliche Btiihe: Maum 300 Eifenbahner wohnten ber
Berfammlung bei; ber Btifeerfolg war enbgiiltig. Der Ber*
waltnngSrath fah bieS auch ein unb legte fein Amt nieber. Der
AuSftanb ber Erbarbeiter war foeben beenbigt (15. Dftober), unb
währenb ber näcbften oiergeljn Dage nahmen aEe anbern aus*
ftänbifcheu Bereinigungen bie Arbeit wieber auf. 0d)on am
18. Dftober hatte ber EentralauSfchu§ ber AuSftänbigen felbft feine
Auflöfuitg auSgefprod)en.
Die am 20. unb 21. Januar 1899 in Baris tagenbe Haupt*
oerfammlung beS Eifenbabn*HpnbifatS bat ben oon bem gurücf*
getretenen Berwaltungoratb oorgelegten Bericht über bie näheren
ihnftänbe biefeS Auoftanboerftuhs erörtert. 9)?an muh beut Ber*
mnltungSratb bie ©eredttigfeit wiberfaljrcu taffen, bafe er nicht
uerfudtt bat, bie Berantwortlidifeit abgnwälgeit, bie für ihn aus
feiner Uuentfcfiloffcnbeit unb feinen SBiufelgiigen entfprang. Die
Haiiptoerfamntlung iialim gu feinen ©uuften ein Botum bes Ber»
traueus unb ber 0o(ibaritiit an. Darnach fchritt fie gur Ernennung
bes neuen Berwattnngsratbs, ber babiit gu neigen fefeeiitt, feine Er*
folge in einer anbern Haltung gu fliehen als fein Borgänger.
Es ift noch gu früh, um gu feljen, inwieweit biefer miftglücfte
Bcrfud) eines allgemeinen AusftanbeS geeignet ift, ben blinben
('Hauben gu erfd)üttern, ben ein großer Dheil ber frattgöfifdien
Arbeiteroerbänbe in bies Bcittel ber Berbefferung ihrer Vage fefet.
Sngwifdjen barf man oerfid^ert fein, bafg mehr als einer über bie
folgenben 3 e ^ cn iu bem Bericht bes gurüefgetretenen BerwaltunaS*
ratheS nadjbenfen wirb: „Sange 3^1 hatte man geglaubt, bafe ber
aEgemeine AuSftanb bie Öolge ber ArbeitSeinfteflung in ben Berg*
werfen fein würbe; fpäter, als man unferem 0i;nbifat wegen feiner
Bebeutung unb ber Dhatfraft, bie es an ben Dag legte, bie
führenbe SftoEc in ben Leihen beS B r aMariatS guwieS, bürgerte
fich bie Anfchauung ein — unb oiele oon uns haben gu ihrer
Berbreitung beigetragen — bafe ber AuSftanb ber Eifenbahner baS
3ei<heu gum aUgemeinen AuSftanb fein würbe. Die Erfahrung
hat ber Arbeiterfchaft bewiefen, baft fie auf unfern Berbanb nicht
mehr gälten fann".
Baris. Dctaoe 5*ftp.
Arbeitgeber «nb Arbeiter im Berliner Bangetoerbe. Dte Berliner
3immerer unb EJfaurer erheben Broteft gegen bie Aufforberung
beS neuen Bauarbeitgeber*BunbeS, bie „arbeitSwiEigen" Bauarbeiter
möchten fid) in bie Siften bes BunbeS eingeidjnen, um bann ben
0chuh beS BunbeS gu geniefeen. 2Bie in ben Berfammlungen ber
Biaurer unb 3immerer mitgetheilt würbe, fittb ootn Unternehmer*
bunb Siften an aEe Unternehmer mit ber Aufforberung oerfanbt
worben, biefe ben auf ben Bauten befefeäftigien Biaurern unb
3immerern oorgulegen unb fie gur Eingeichnung gu oeranlaffen.
3n beu Siften würben ebenfo, wie fürglich an ben Berliner An*
fchlagfäulen bie „arbeitSwiEigen" Arbeiter aufgeforbert, fich öur<h
Unterschrift unter ben 0d)ufe beS UnternehmerbunbeS gu fteEen,
auch werbe ihnen bauernbe unb beoorgugte Arbeitsgelegenheit oer
fprothen. Befthloffen würbe, bie „0treifbrecf)er*Siften" gurücfgu*
weifen. Abgelehnt hat ber Arbeitgeber*Bunb für baSBtaurer» unb
3immereraewerbe oon Berlin bie oon ben Sohnfommiffionen ber
Btaurer, Zimmerer unb B u fe e ^ fö r hie Baufaifon 1899 ein gereichten
Öorberungen, bagegen golgenbes befdjloffen:
„Die neunftünbige Arbeitzeit wirb währenb ber eigentlichen Bau*
faifon für baS Btaurcr* unb 3immerergewerbe aufrecht erhalten, bod;
fleht eS beu Arbeitgebern frei, mit ihren Arbeitern eine längere
Arbeitzeit ju oereiiibarcn. ^iir bie Söintertnonate tritt, unter Bei*
behaltung ber üblidjen ArbeitSpaufen, eine fiirgere Arbeitszeit ein. Die
Höhe bes Sohnes mufe fich nad; ben Seiftungen ber eingelnen Arbeit*
nchnter richten. Die ^orbenmg eines feften Bf in im al lohn eS mufe
prinzipiell gurücfgewiefen werben. Der ^orberung ber grünbfäglichen
Befeitigung ber Afforbarbeit, wcldje einen unguläffigen Eingriff in bas
freie Bcrfiiguugsrcdjt ber Arbeitgeber, wie aud) ber Arbeiter barftellt,
tann ber Bunb feine 3 u ftimiming nicht ertheilen. Die Aiierfennung bcS
1. B?ai als ^ciertag wirb entfehieben oerweigert. Begiiglid; ber B^ünfchc
ber Arbeitnehmer in fanitärer Begichung (Baububen, Aborte) empfiehlt
ber Bunb ben Unternehmern bas thunüdjfte Entgegenfommeii. Enblich
erflärt er ftd) aud; bereit, bei etwaigen Differengen auf Anrufung beiber
Barteien bie Bermittelung gu übernehmen."
Brouerpreif in Sfranffuri a♦ 9R. Eine Bewegung unter ben
Brauereiarbeitern in granffurt a. Bf. gur Erlangung befferer Söhne
unb fürgerer ArbeitSgeit hatte Btitte Bfärg gu einer ArbeitSnieber*
legung in brei Brauereien geführt, benen fich fpäter noch bie Arbeiter
einer eierten anfdjtoffen, fo bafe im ©angen 350 Arbeiter ftreiften.
3roifchen ber Sohnfommiffion unb bem Berbanb ber Brauereien
würben oom 23. bis 25. Biärg Berljanblungen gepflogen. Die
Arbeitgeber erflärten fich bereit, für Brauer, $üfer, ^fahrburfchen
unb H e ^ er e ^ne Sohnerhöhung gu bewiEigen, für Dagelöhner
würbe eine foldje abgelehnt; beS ©eiteren foEte auch auf eine Ber*
fürguug ber ArbeitSgeit feingeroirft werben. Dagegen foEten bie
Arbeiter fich oerpflichten, 5 3ah« lang fich i^ber gorberung auf
Abänberuug ber ArbeitSbebingungen gu enthalten unb baS Bechi
fofortiaer Äünbigung für beibe Dheile anerfennen. Die Sohn*
fommiffion woEte inbeffcn eine Darifoereiitbarung nur auf 2 Sahre,
oerlangte bie Eiufefeung eines paritätifd)en DarifauSfchuffeS, for»
berte eine Sohiterhöhung oon 3 ,.// wöchentlich für aEe Arbeiter
unb bie ©iebereinfteEung ber 0trei!enbeit. Eine Einigung fam
nicht gu 0tanbe, beibe Parteien oerwarfen bie Borfdhläge ber
©egenfeite. Darauf haben am 27. Bfärg fämmtliche Brauereien,
beren Arbeiter bisher nicht ftreiften, ein Biertel ihrer Arbeiterfchaft
entlaßen. „Auf ben erfteu Blicf — I;eifet es in einer Erflärung
bes BerbanbeS, ber fid; bei biefem Borgehen auf feine Statuten
beruft — mag biefe B?aferegel hart erfreuten, wenn man aber in
Beriicffidjtigiing giel;t, bafe mitten im ftärfften Betriebe bie Arbeit
eingefteflt würbe unb baburch ein mafelofer Drudf auSgeiibt werben
füllte, fo blieb uns fein anberer Ausweg übrig, als gu biefem
Btittel gu .greifen." Der Boligeipräfibent erliefe eine Befanuhnad^itg,
worin er unter Hinweis auf ben „©roben llnfug"*Baragraphen
bes Strafgefefebuchs unb bie Strafeenpoligeioerorbnung aufmerffam
macht, „bafe baS fogenanute Streifpoftenftcheii, b. h- baS AuSfteEen
737
73«
Soglale Sßrajt*. ©eniralblatt für Sogialpolitil. Rr. 27.
oon ^crfoncn auf öffentlichen ©tragen unb $Iätjeit, inSbefonbere
aber an ben 3u$ängen gu oen Bahnhöfen, in ber Slbfuf)*, frembe
Arbeiter gu oerfjuibern, ^ter in Arbeit gu treten, wegen ber bamit
oerbunbenen Belüftigung beS ^ublifuntö unb etwaigen BerfehrS*
ftörungen niefjt gebulbet werben fann." Xie „granffurter 3«tung"
berietet, bafj bas Benehmen ber auSftänbigeit ein feljr ruhiges ift.
$ie Stoßarbeiter . auSfpemtng in ©«glaub h a * nicht bie
auSbehnuna angenommen, bie man oielfach befürchtete. Xie Mit*
glieber beS arbeitgeberoerbanbeS im Baugewerbe haben fich größten*
theils nicht an ben Befchlufj ber BerbanbSleitung gehalten, be*
fonberS wenig ©ebraud) würbe oon ber auSfperrung tn ber B*o*
oing gemacht. 3m ©äugen finb oiefleicht 12—15 % ber Mitglieber
ber Xrabe Union ber ©ipfer auSgefperrt worben, unb auch oon
biefen haben oiele fofort wieber Arbeit gefunben. X)er ©ang ber
©efdjäfte im Baugewerbe ift oon bem Streif faum berührt worben.
Sluch geigen fich jefct auf beiben Seiten oerfohnliche ©cfinnungen.
auf Borfchlag ber arbeiter haben bie Unternehmer befchloffen, bafj
12 Mitglieber ihres BerbanbeS am 6. april in Sonbon mit eben*»
fooiel Bertretern ber arbeiter gu einer Konfereng gufammentreten
foflen, um bie Streitfragen gu erörtern.
©ine fatljolifche Bereinigung ber arbeitet bcS Buchgewerbes
in gfranfreich h at fi<h fürglich in Baris aebilbet. Sn ihren Statuten,
nach benen bie 3u9*hörigfeit gur fatholifdjen Konfeffion unb B*ä*
fentation burd) gwei Mitglieber aufnahmebebingung ift, erflärt bie
neue Korporation als ihre Bestimmung, bie wirthfchaftlichen Suter*
effen ber Mitglieber gu wahren, ein auSfnnftSbureau unb un*
entgeltliche Stellennermittlung gu organifiren, fowie eine fnilfsfaffe
eingurichten. Sieben ber Bß c 9 e biefer gewerblichen Qntereffen fcheint
jeboch bie abficht gu beftehen, ber grofeen unb gut organifirten
Federation franQaise des travailleurs du livre entgegenguwirfen.
tiefer SanbeSoerbanb, ber bisher faft allein bie betheiligte arbeiter*
fdjaft oertreten unb mit einem ber Unternehmeroereine eine ftänbige
Kommiffion gur Seftfefcung ber arbeitsbebingungen gebilbet hat,
hulbigt fehr ftarf fogialiftifefien Xenbengen. Sn ber erften Kummer
ihres „Bulletins" erflärt oie neue Bereinigung übrigens gang
beutlich, bafe f lc an Stelle eines „tprannifchcn unb inbifferenten"
ein „freies unb djriftlicheS" Spnbifat fefcen wolle. Monarchiitifd)e
Xeputirte begiinftigen biefe Bewegung unter einem Xljcil ber bud)-
inbuftriellen arbeiterfchaft fehr auffällig, woburth übrigens oon
allem anfang an oerhinbert wirb, bah ber beftehenbe fogialiftifche
©ewerffchaftsoerbanb oiel ©intrag erleibe.
Xhatigfeit ber B tt *ifer ärbeitsbörfe tut Sahre 1898. ÜBir
entnehmen einem im Bulletin de Toffice du travail veröffentlichten
Rapporte folgenbe ©ingelheiten: Xer Börfe gehörten an 231 ©e*
werffchaften, 37 mel;r als im Borjahre. 152 berfelben haben ein
ftänbigeS, bie übrigen nur ein gu gemiffen Stunben geöffnetes
Bureau. Snt Xurchfchnitt fommen auf eine ©emerffajaft pro
Sßoche 16 Stunben, in benen bie Bureaus für ben Xienft unb
ben Berfehr mit ben Mitgliebern geöffnet finb. — Xie 3<thl ber
forporatioen Berfammlungen belief fich auf 2525 gegen 1803 im
Borjahre, auherbem fanoen 324 Sifeungen ftatt, welche ben oon
ben ©ewerffchaften organifirten UnterridjtSfurfen unb Borträgen
bienten. Xie Räume ber ärbeitsbörfe (es giebt ein §>auptgebäube
unb einen in einem aubern Stabttheil gelegenen anttej) waren
bemnach burchfehnittlich pro Xag für 7,8 getrennte Reunionen be*
nufct. — Xen arbeitSnachweis pflegen 117 ©ewerff chaften, oon
benen jeboch nur 90 genauere Statiftif führen, darnach würben
im ©angen 32 426 Stellen befept unb gwar 16 144 bauernb unb
16 782 oorübergehenb. — Xie Bibliotfjef ber ärbeitsbörfe enthält
3500 Bänbe, Karten 2 C. Sie wirb hauptfächlich im SSinter
frequeutirt. Xie Nachfrage richtet fich h<*uplföd)lid) auf Bkrfe aus
bem ©ebiete ber BolfSwirthfdjaft unb Sogialpoliüf, fobann ber
©efdhichte unb ©eographie fowie ber öitteratur im engeren Sinne.
ärbetterftyitfe.
Xer arbeiterfchnh tn ber 3ünbhoIgfabrifation.
Xie Brofefforen Xhorpe unb Dlioer unb Dr. ©uningham
haben bem britifchen Minifterium bes 3»nern einen Berid)t über
bie Berwenbung oon BhoSphor in ber 3ünbhölgchenergeugung er*
ftattet. Xer Report, ben ein Memoranbuni beS l$bef*Sabrif*
infpeftorS Dr. arthur 'Bhitelegge einleitet, ift als Blaubud) oer*
öffentlid)t worben, ©r beruht nicht bloh auf Erhebungen unb Ber*
fliehen in ©nglanb, fonbern auch auf perfönlith oon ben Bericht*
erftattern gefammelten Snformationen in ben übrigen Staaten
©uropaS unb ben Bereinigten Staaten oon amerifa. Sin folgen*
ben fei baS ©rgebnih ber Unterfuchungen in Kürge mitgetheilt.
Befanntlid) liegt bie Urfache ber Sfcefrofe in ber Berwenbung
oon B^aSphor bei ber ©rgeugung oon 3ünbhölgd)en; rother
Bha^phor ift aHerbingS nicht gefunbheüsfchäblid), aber er fann
nid)t für bie ^erftellung oon 3ün&fyi>lgd)en, bie an allen Beib*
flächen entgünbbar finb, oerwenbet werben. Solange fein ©rfafc
für ben gelben Bhnäphar gefunben ift, wirb man bemnach bie
©efahr ber SRefrofe mit Schuhmahregeln einbämmen müffen; wäre
xwar baS Berbot ber Berwenbung oon gelbem Bh° g pW
oer ©rgeugung oon an allen Reibflächen entgünbbaren 3ünbhölg*
chen ber ficherftc arbeiterfchujj, 1 ) fo fteht bem baS nationale §anbels*
unb ©gportintereffe entgegen, nachbeni allerorten bie größere Rad)*
frage eben folgen Bhoöphorgiinbhölgchen gilt. £)od) ift ber Bericht
ber anficht, bafj bie ©efahr ber Refrofe burch eine Reihe oon
Bfafenahmen ftarf oerringert werben fönne. Dr. Xljorpe oerweift
barauf, bafe bie Bha^Phaniefrofe auf bem Kontinente oiel weniger
Opfer als in ©nglanb forbere unb bafc ©egenmafjnahmen giem*
lieh einfach f c i cn - ftärfere auf treten ber Refrofe in englifchen
gabrifen wirb oorgugSweife bem alter ber Öabrifen unb ber ab*
geneigtheit ber gabrifanten gugefchrieben, bauliche unb technifche
Berbefferungen einguführen, wie namentlich gefährliche $anbarbeit
burch SÄafchinenarbeit gu erfe^en, wogu iiberbieS nod) üäffigfeiten
in ber Beljanblung ©rfranfter hingutreten; Dr. Söhitelegge fon*
ftatirt, bafe oiele Säße oon Bho^bhön^ergiftungen nur baS Rcfultat
langer Berheiuilichung ber ©rfranfuitg waren, ©ine entfprechenbe
Snfpeftion fönnte baher bie meiften biefer Uebelftänbe aus ber
BSelt fchaffen. Dr. ©unningham fonftatirt, ba§ gelber Bh°^Pht>r
gefunben 3ähnen gar nicht fchabe, unb weiter, bafc fein Saß oon
Refrofe befannt fei, wo nicht fchle^te 3ähn* oorhanben gewefen
wären, feien es fariöfe, fchlecht plombirte ober fonftwie oerlefete.
Dr. SBhitelegge’S Rfemoranbum giebt eine Ueberficht über bie
in ben eingelnen flänbern eg’iftirenben Sthubmaferegeln, bie gum
Xheil in ©nglanb gu aboptiren wären.
Sn Belgien ift es oerboten, eine SRaffe gu oerwenben, bie
über 8% gelben Bh^phor enthält (in £oßanb 5%); in ©nglanb
wirb biefer B r0 3 e ntfab nicht Übertritten. Sn Rufclanb muß für
3ünbbölgdjen mit gelbem Bh°^Phor eine eigene Xare gegablt werben,
was allmählich 3 n ihrer Bcrbrängung burd) Sicherheitsgünbhölgchen
führt. Xurd) Berwenbung oon Rfafd)inen, wie fie auf bem Kontinente
unb in amerifa in©ebraud) finb, ift es möglich, bie3ünbmaffe faft ohne
$anbarbeit an ben 3ünbhölgd)en angubringen unb fo bie bei biefen
efährlichen B^ogeffe oerwenbeten arbeitsfräfte möglichft gu re*
ugiren. X)odh bleiben immer noch bie Bh oS Phorbämpfe. Xiefen
ift burch ooßfommene Separation ber eingelnen arbeitsräume, burd)
eine wirffame Bentilation unb technifche 5)?afjnahmen gu begegnen;
gu festeren gehört bie Bornahme oon Rötungen in gefchloffencn
©efäfeen, burch Riebrighalten ber Xemperatur, was bas dampfen
oerringert, fowie burch einen 3wW Xerpentin gur BhoSphor*
maffe, was einen gleiten ©ffefi fyat aus gleichen ©riinben ift
eS nothwenbig, bie 3önöhölgchen oor weiteren Manipulationen
änglich auStrodnen gu laffen; baS ©intauchen ber gölgchen an
eiben ©nben, worauf baS äuSeinanberfchneiben unb ©infchad)teln
mit ber $Sanb erfolgt, ift nicht gu empfehlen, weil biefer B r ogefe
ein gängiges auStrocfnenlaffen erfchwert.
Rotl)wenbig erfcheint eine |>erabfefcung ber arbeüsgeit bei bem
gefährlichen arbeitSprogefe unb ein aiterniren ber arbeiterfchaft
hierbei, ©benfo wichtig ift bie auSwaljl ber arbeiter. Kinber unb
jugenblid)e arbeiter bürften nicht gu befchäftigen fein, obwohl ber
3uftanb ihrer 3ähne meift beffer als bei ©rwachfenen ift; bod) ift
oon ihnen Rachlöffigfeit unb fchled)t angebrad)te Sorglofigfeit gu
befürchten; ebenfo finb fchwächliche B^fouen, namenlich lungen*
franfe, fowie B er fonen mit uitgefnnben 3öh ncn oon ber Be*
fchäftigung in 3önbholgfabrifen auSgufdjliefjen. ©ine ftrenge unb
periobtfehe Unterfuchung ber arbeiterfchaft erfcheint unauSweithlid);
eS empfiehlt fich bie anlegung eines ©efunbf)eitSregifterS, wo äße
©ingelf)eiten eingutragen finb, wie fold)e auf bem Kontinente bereits
beftehen unb auch freiwillig in manchen englifdjen ^abrifen bereits
eingeführt würben. Dbligatorifche 3fll)opflege, coentueß auf Moften
ber Sobril, würbe ftd) empfehlen, ©ine angcigepflidjt für BhoSphor*
erfranhittgen befteht bereits, hoch mü^te fie ftrenger eingehalten
werben. Xie periobifd)e Unterfuchung unb baS Regifter würbe ev
unmöglich mad)en, ©rfranfungsfäße gu oerl)eimlid)en.
an Schutjmafcregeln empfiehlt fiel) peinliche Reinliddeit: bie
Jabrif muh bequeme 2Baf<hgelegenheit bieten, bie arbeiter miiifen
fid) regelmöfeig mit einem antifeptifchen Munbwaffer ben Munb
V) 'Sit Xänemarf ift bie Berwenbung oon gelbem s l?liOöohor rin*
fad) oerboten, nub in ber 3d)ioeig foll ba* Berbot benumdijt in Minft
treten.
739
Sogiale $ra£t3. Gentralßlatt für 6 ogialp oütif. 9?r. 27.
740
QitSfpiilen, fic ittüffen Ueberfleiber bei ber Arbeit tragen, barnit ihre
Kleiber nidfjt mit ^ß^oap^or in Berührung fommen unb fd)ließltd)
muffen bie Arbeitsräume fe^r rein gehalten merben.
6o bie Borfchläge für Gnglanb. — 3n $)eutfd)lanb ift
bie gabrifation non ^^oSp^oqünbpIgern burch Gefeß oom
13. ÜWai 1889 unb BunbeSrathSoerorbnung oont 8. Quli 1893 ge*
regelt. $)ie Anfertigung barf nur in Anlagen ftattfinben, bie aus*
fdjließlich biefem 3 TOC( ^ e bienen; in Räumen, roo baS 3 u bereiten
ber 3ÜNbmaffe, baS Betunfen ber §ölger unb ihr Srocfnen ftatt*
finbet, bürfen jugenblid)e Arbeiter, in Staunten, welche gum Abfüllen
unb gur erften Berpacfung bienen, bürfen ftinber fid) nicf»t auf*
galten. Für jebe biefer Verrichtungen müffen gefonberte Bäume
oorhanben fein; in biefen finb für Beinltchfeit, Ventilation, genügenben
Suftraum Beftimmungen getroffen. £)er Arbeitgeber hat für eine
befonbere ArbeitSfleibung gu forgen, ebenfo für auSreidjenbe ©afd)*
gelegenl)eit. Gr barf nid)t bulben, baß in ben Arbeitsräumen
BahrungSmitiel oergehrt merben, unb muß bie Arbeiter oor ben
Blaßheiten gur grünblichen Steinigung anfalten. Stur foldje Ar*
beiter finb gu oerroenben, bie eine ärglitfje Befdjeinigung beibringen;
ihre Gefunbheit ift fortroährenb gu übermalen, jebe Grfranfung
an $f)o3pl)ornefrofe ift fofort angugeigen. Steue Anlagen bürfen
erft in Betrieb gefefct merben, menn ber Fabrifinfpeftor fte per*
fönlid) reoibirt hat. (Sine Befdjränfung ber Arbeitszeit ift aber nicht
oorgefeben. — £)ie Jahresberichte ber Gewerbeanffid)tSbeamten
üagen wieberholt über mangelhafte Befolgung ber Borfdjriften, Fälle
oon ^ßbo^pbontefrofe fommen and) in 2)eutfchlanb immer noch oor.
Arbeiteroertretnng in ber prcnftifdjeit BergtoerfSinfpeftiou ©te
oerfcbiebene Blätter melben, wirb biefe Frage int fmnbelS*
minifterium feiiteSwegS als erlebigt betrachtet, troß ber Dppofition,
welche biefe Art ber Berftärfung ber Gritbenaufficht mehrfach in
ben pariamentarifd}en Berhattblungen gefttnbcn h fl t- 3n biefen
Sagen trifft ber $anbelsminifter im fdfjlefifc^en Btontanbegirfe ein
unb mirb ficf) bei biefer Gelegenheit mit ben Drganett ber Berg*
rocrfsinfpeftion — unb, fo fügen mir fungu, hoffentlich auch mit ben
Arbeitern felbft — in näheret Ginoernehmen barüber gu feßen fuchen,
inwieweit ihnen bie 3ngiehung oott Bertretern ber Bergarbeiter
gwedmäßig erfcheint. „Hieroon mirb ein roerthooflereS SJtaterial
für bie Beurteilung biefer Frage ermartet, als eS aus ben im
AuSlanbe angeftellten Ermittelungen firf) ergeben f;at. Sticht gu er*
märten ift jeboch, baß fchon in näherer 3eit ein praftifcher Schritt
in biefer Angelegenheit gethan roerbe. Es mirb bagn oielmehr noch
monatelanger Arbeit bebürfen", jagt bie „$ölti. BolfSgtg.". — 3u
ber „0ogialen BrayiS" mar f. 3*- (oergl. 0p. 585) befürwortet
roorbett, ber SJtinifter möge bod) nach bem belgifdjen Bi u ft er
probemeife Arbeiter in fisfalifcfen BergroerfSbetriebeti in 0chlefien
unb Bf)einlanb*©eftfalen gum AuffidjtSbienfte herangiehen. Somit
märe auf bem Boben praftifcher Erfahrung bie ÜKögIid)feit gu
meiterem Borgehen gemonnen. @3 fcheint, als ob ber SJtinifter ber
artige Berfuche nicht oon ber £anb roeift.
Arbeitern! dj niete.
fJfrhtyreiStrsnftfpgiittg für 3toetfe ber ArbettSüermittelung in
Württemberg, Aus 0tuttgart mirb uns gefchrieben: Sie württein*
bergifcfe 0taatSregierung, bie bet fommunalen ArbcitSocrmittelung
oon Anfang an befonbere Auftnerffamfeit unb Sorgfalt gugemenbet
hat unb in Begiehung auf bie Gentralifirung beS ArbeitSnachmeifeS
bahnbredjenb oorgegangen ift, h fl i ih r Sntereffe an ber Gntwicfe*
lung ber Arbeitsämter neueftenS baburch betätigt, baß fie bem
oon bem ftäbtifchen Arbeitsamt 0tuttgart gefteUten Antrag auf
Fahrpreisermäßigung für Arbeitfuchenbe ftattgeaeben fyat Stach
bem foeben ausgegebenen Sarif für bie Beförderung oon B er =
fönen auf ben mürttembergifd)en Staatseifenbahnen merben mit
©irfung oom 1. April 1899 an Berfoiten, benen’ burch Bermitte*
lung ber oon Gemetnbcbehörben erridjteten Arbeitsämtern Gelegen*
heit gur Erlangung einer auSroärtigen Arbeitsstelle oerfchafft merben
foll, für bie III. ©ageitflaffe ber ^Pcrfonengüge eine Fahrpreis*
ermäfeigung burd; Ginräumung ber halben einfachen gafjrtaje nach
SJtafegabe ber folgenben Bestimmungen gemährt:
L. Gs merben ^ahrfarten gunt halben greife mit Aufrimömtg bee;
Grhcbungöbetrageö auf eine burrf) 5 Pf. ttjeilbarc ^aljl aiiögegebcu.
2. tic gohrtarte gum ermäßigten s pretö mirb gegen Beringe beS
oom Arbeitsamt ausgufertigenben Auömcifca über bie Olclegcuhcit gur
Grlnngung einer aucnuärtigeu Arbeitsfteüe oerabfolgt. ^n beui Aim*
mctS finb bie s per|oit bcs Arbeitfudjenben, ber Steifetag unb bie gu be=
fabrenbe Gifenbahnftrecfe angngeben. Xer AuSmetS mirb non ber
Aalirfartenftelle bei Söfung ber gahrfarte abgcftentpelt unb mit biefer
guriirfgegebeu.
8. Bei ber gafjrfartcnprüfung ift ber AuSmeiS bem 3ugbegleituugS=
perfonal mit ber gabrfartc felbft oorgugetgen; er rotrb mit ber Äarte
bei Beenbigung ber gahrt eingegogen.
4. Ser Ausweis berechtigt nur für ben barin angegebenen Steifetag
gur Grlanguita ber Fahrpreisermäßigung.
B. Für Steifen auf Streden oon meniger als 25 km unb oon mehr
als 100 km mirb bie Grmäßigung nid)t bemiHigt. Auch bürfen bie
.Starten für Sdjneügüge nid)t b'enupt merben.
Grhdhung beS ftäbtifchen 3«f(huffeS für bie Aüflememc ArbeitSnnch*
lociäanftatt in Äöln, Sie int Segember 1894 ins fieben getretene prioate
ArbettSnachraeiSanftalt erhielt bisher oon ber Stabt einen Beitrag oon
6 600 M. unb mietfjfreie St ämn lieh feiten. 3n Folge ber madjfenben
Shättgfeit ber Anftalt, über bie mir mehrfach berichtet hoben, h°ben
ftch auch bie llnfoften fo gehoben, baß bie Bermaliung um eine Gr*
Ijöfjung beS ftäbtifchen ^ufdjiiffcS gebeten hat. gu ber Stabtoerorbneteu*
oerfantmlung befürmortete fitrgUd) Bcigeorbneter 9ugg biefen Antrag:
Sic Anftalt bltcfe jeßt gurüct auf 4 oolle GcfchäftSjahre; im erften Fahre
feien burch fie 8869 Stellen ocrmittelt morben, 1898 aber 16 352. Fhre
SBirlfamfeit |ci alfo innerhalb 4 Fahren faft um bas Soppelte geftiegen.
Sie Btireau* unb lluterhaltungsfofteu feien erheblich geftiegen, bie An*
fteüung eines AuffefjcrS fei nothmenbig gercorben unb eine meitere
Büreaufraft fei für bie Folge brinqenb erforberlich- Auch muffe bei ber
ftarf guuehmenben Shätigfeit beS Anftaltsperfonals eine Grhöhuug ber
Begüge beffelben eiutreten. Ser Bermaltcr begiehe jeßt ein (Erhalt oon
2 000 Jt ., eS merbe beabfichtigt, biefeS auf 2 700 M. gu erhöhen, für
ben Sdmlterbeamten, ber bisher 1 200 Ji. begiehe, merbe eine Grhöhung
auf 1 5(K) Jt. beantragt. Sie Finang* tommiffion habe fid) günfttg gu
bem Anträge auf Grlföhung beS ftäbtifchen JJufcfjuffeS geftellt, oon ber
Anficht ausgehenb, baß bie Anftalt, maS audj allgemein befannt fei,
außerorbentltdj erfolgreid) geroirft habe. — Sic Berfammhmg genehmigte
beim and) bie Grhöhung beS Beitrages auf 8 600
StäbtifcheS Arbeitsamt in 3ttrich. ^er 3üricher Stabtrath
hat ben BerorbimngS-Gnhourf für bie Errichtung eines ArbettS*
nadjmeifeS ausgearbeitet, ber unentgeltlich fein unb oon einer elf*
glieberigen BerroaltnngSfommiffion beauffid)tigt toerben foll. 3n
biefelbe rnählen bie Arbeiter unb bie Unternehmer je 5 Bedreter,
toährenb baS elfte Biitglieb, ben Borftßcnben, ber Stabtrath
(SJiagiftrat) ans feiner BJitte roählt. Bei Streifs 2 C. foll ber Stabt*
ratl) auf Gutachten ber BermaltungSfommiffion h^ entfeheiben,
roie fich ber Arbeitsnachweis bagu oerhalten foll. SieS ift ber
Borfchlag beS Stabtratheö, joähreitb bie oorberathenbe ^ommiffion
proponirte, ber ftontiitiffion als einer Art fachmännifcher Behörbe
bie Gntfd)eibung barüber gu Beiaffen, ob bie Ginfteflung ober ber
Frodbetrieb ber ArbeitSoermittelung für baS betroffene Geroerbe 2 c.
anguorbnen fei. Sa eine weibliche Abtheilung oorgefehnt ift, fanit
für biefe eine Frauenfommiffion beftellt roerben. ^en Berroalter
wählt ber Stabtrath, fein Gehalt ift mit 2500 bis 3500 gres. oor*
aefehen. SaS Arbeitsamt foll außer bem Arbeitsnachweis noch
befonbere Erhebungen über bie Sage ber Arbeiter unb Unternehmer
oorgunehmen berechtigt fein, bie ftatiftifdje Bearbeitung beS eoen*
tuefien Gd)fbungSmateriaIS beforgt baS ftäbtifche ftatiftifc^e Amt.
Sie fämmtlichen Soften ber neuen Einrichtung übernimmt bie
Stabt, febod) rechnet fie auf einen angenteffenen Staatsbeitrag.
föeuofTtufdjafteöieJen*
Staatliche Befchäftigang ber Arheiter-^ooperatiogenoffcnfchafteii
in Maliern
3n Stalien ift burch eilt Gefeß oom 11. 3uli 1889 oorge*
fdjrieBen, baß biejcnigen auf gemeinfamen Erwerb unb gemein*
fame Arbeit geddjteteu Arbeiter*Bereinigungen, welche in gefeß*
mäßiger Bi'eife begrünbet unb regelrecht als $oopcratiogenoffen*
fcjafteti geführt werben, oon ben öffentlichen Beworben bei ben
ftontraftabfchlüffen über öffentliche Arbeiten, fofern biefe Abfchlüffc
auf Gruttb einer befdjränften AuSfdjreibuitg ober burch Gingel*
oerhatiblutig unb nid)t im ©ege einer öffentlichen AuSfdjreibung,
bie auSbriicflich ausgenommen ift, erfolgten, ohne bie fonft allgemein
übliche Sidjerheitsleiftung gugelaffett unb befonberS beoorgugt
werben füllten, wenn nur ber BcrtragSgegenftanb nicht über ben
©edh oon 100 000 &ire hinausgeht unb ber ©erth ber gu
leiftenben Arbeit ben ^aupttljeil beS gefammten BcrtragSwertheS
bilbet. '
Siefe ihnen wohlwoHenbe GefeßeSoorfchrift hat ben Ftalienifchen
.vtooperatiogenoffcufchaften großen Bortheil gebracht unb oiele ber*
felBen fejr geförbed; beim wenn bie Borfchdft in einzelnen Fällen
aud) oon gewinnfüchtigen Unternehmern unter falfd)en Borfpiege*
luitgen auSgemißt ift, inbem fie nur fdßeinbar eine Genoffeufchaft
bilbeten, thatfädjlid) aber mit gelohnten Arbeitern baS ©ed aus*
führten unb ben Hauptgewinn allein gogen, fo ift hoch anberer*
feits ben wirflichen Mooperatiogenoffenfd)aften oon beit öffentlid;ett
741
Soziale $rajiS. Weutralblatt für Sozialpolitif. Ar. 27.
742
Vepörbeit ein großes Wntgegenfommen burcproeg gezeigt mtb ihnen
bertpatfächlicpe KontraftSabjcpluß burd) mannigfache Vergünstigungen
nnb Verfügungen ua<fj Dpunlicpfeit erleichtert. Aach ben Ver*
öffentlid)ungen im Credito e Cooperazione finb bie Vertrags*
abfcplüffe über öffentliche Arbeiten mit ben Kooperatiogenoffen*
fünften in all ben einzelnen Sapren feit 1889 zahlreichere geroefen, I
menn auch, toi* ohne Weiteres aus ber Statur ber Sache zu folgern,
in ben Abfcplußzaplen für bie einzelnen Qapre geroiffe Verfcpieben*
heiten nnb Sdjtoanfungen peroortraten. Die 3 a hl her KontraftS*
abfchlüffe nnb ber ungefähre 3Bertfj berfelben ftellt fiep für bie
einzelnen gapre, bezüglich bereu ber Abfcpluß fd)on feftliegt — für
1898 ift biefeS nocp nicht ber galt — folgendermaßen: 1889 auf
26 mit etma 0,4 Millionen £ire Vkrtli; 1890 auf 157 mit 3,7
ÜRiÜiouen Üire Vkrtp; 1891 auf 120 mit l,o Millionen öire;
1892 auf 106 mit l,r, Millionen fiire; 1893 auf 177 mit 2,6 SRiflioneu
£ire; 1894 auf 215 mit 2,o Millionen &ire; 1895 auf 159 mit
2 ,i s i)tiUioncu i'ire; 1896 auf 200 mit 2 , 0 Millionen Sire; 1897
auf 125 mit 1 , 8 SRiHionen Sire 2Bertp. SnSgefammt finb baS alfo
12*5 einzelne Kontraftabfcplüffe, melche einen ©efammtmertp ooit
etroa 18 SRittionen Sire barftellen; nach ber ganzen Sage ber
Sa<pe ift bem alfo immerhin eine beacptenSroertpe Vebeuhing bei*
Zumeffen. Von ben inSgefammt 12s5 Koutraften betrafen etma
bie ,v>älfte 639 zu einem SBertp oon etma 13, 5 SRillionen Sire
s 2Baffer* nnb Dammbauten, 66 zu einem SBertp oon 2, 3 SRiHiouen
Sire Vriidfen* unb Straßeitbauteit, 40 z u einem SBertp oon
0,5 Millionen Sire bie ©nhoäfferung unb Außbannacpung ber
Vontinifcpen Sümpfe, 451 zu einem SBertpe oon 0,« 9Riüioiten
Sire iRaurer* unb Steinmeßarbeiten, 24 zu einem Vkrtpe oon
0, 4 ÜRÜionen Sire Wifenarbeiteit unb 12 zu einem SBertpe oon
0,3 $RiHionen Sire militärifche AuSriiftung unb DranSport.
3 n biefen fahlen finb übrigens nur biejenigen Verträge in*
begriffen, melche fiep in ©emäßpett ber gefeßlicpen VergiinftigungS*
befcpränfung unter einem Vkrtp oon 100 000 Sire hielten; abge*
feilen baoon hoben aber namentlich in ben Icßten fahren oerfcpiebene
ber befonberS leiftungSfäpigen größeren ©enoffenfcpaften fich uucp bei
ber gewöhnlichen Verbinguttg ber bebeutenberen öffentlichen Arbeiten
mit Erfolg beteiligt; zum ä^cil hierauf unb zum Dpeil ouf eine
(Sinfd)ränfuug ber öffentlichen Arbeiten überhaupt ift baS 3urücf* 1
bleiben bes ©efammtroerthcS ber öffentlichen Arbeiten ber Wooperarto*
geuoffenfchaften in ben leßten Sah^n zunicfzufüpren.
Sin beit unter baS ©cfeß fallenben Verträgen ftnb inSgefammt
213 ©enoffenfcpaften betheiligt; feit Wrlaß bes Olcfepes im Sohoe
1889 mürben überhaupt 515 ©efellfd)aften, melche bem ©efeß (Ge¬
nüge leifteten, oon ben $räfefteu in bie Aegifter ber zu ben SBopl*
thaten bes ©efeßeS berechtigten ©enoffenfcpaften eingetragen, oon
benen bann aber fpäter 214 toieber gelöfdjt finb, tbeils meil bie
©efellfcpaft fiep auflöfte, tpeilS meil fie ihren ftatutennuißigen Ver*
pflichtungen nicht nacpfatn, tpeilS meil fie anbere 3*oecfe als formell
angegeben oerfolgt; oon ben anbauernben ©enoffenfcpaften mirb
baper immerhin ber größere Dpeil Verüdffid)tigiing gcfunben haben.
Die tpatfäcplicpe Ausführung ber Arbeiten unb bie Wr*
fiittuitg ber fontraftlicpen Verpflichtung ift nun, nach ben über*
einftimmenben ^Berichten, burdjroeg in einer ooHfomuten zufriebeit*
fteüenben SBeife erfolgt; in ber ganzen 3 e *t mußten nur fecpS
ftontrafte, zu einem Vkrtp oon ca. 142 000 Sire aufgehoben merben
unb in 40 Ratten mußten Konoentionalftrafeu in ber ©efamrnt*
höhe oon 60 000 Sire auferleat merben. Die AuSfüprungS*
oorfchriften ber Regierung zu bem ©efeß oom 11. 3uli 1889,
roeld)e oon oornherem fchon oormiegenb barauf hinzielten, bie Ver*
günftigung beS ©efepeS auch thatfächlich z y o Slntoenbung zu bringen
unb bie Uebertragung öffentlicher Slrbeiten an (iooperatiogenoffeus
fcpaften nad) Vtöglichfeit zu erleichtern unb zu begünftigen, finb in
biefer Dichtung ja in einer Verorbnung oom 9. Suni 1898 nod)
meiter oorgegangen; fo mar es früher in bas (Srmeffen ber oer*
gebenben Vepörben geftellt, ob fie bie Verbingung oon Slrbeit unb
oon Sieferung ber SWaterialien in getrennten Verträgen oornehmen
rooüten, jept ift ihnen aber im 3 ntereffe ber (Sooperatiogenoffeu*
fcpaften biefe Trennung, fofern eine folcpe nicpt überhaupt als un^
möglich nach ber befonberen Sage ber Sache erfdjeint, ftetS zur
Pflicht gemacht; auch foflen für bie öolge immer Spezialfontrafte
für jeben einzelnen Snbnftriezmeig aufgeftellt unb abgefdjloffen
merben. 3>aß bie berührte gefeplicpe Vorfcprift unb bie roopl*
I mollcnbeu Vtaßnahnten für bie thatfädjliche Durchführung ber*
I felben, melche nach ben oon uns angegebenen Daten nicht ohne
, (Erfolg geblieben finb, auch .in fozialpolitifcher ^Beziehung iüd)t
I ohne Veoeutung fein fönnen, ift mo§l faum zu bezmeifeln.
©eiwffetif^aftltche VerfcrnfShSnfer In #flm&ttrg. Slus Hamburg
mirb uns gefdjnctien: innerhalb ber 2:t[d)lerinmmg hat ftd) eine „6k*
noffcnfdjaft oereinigter 2i[d)IertmmngSmeifter" gebilbet, btc ein großes
©rmibftücf im Tunern ber Stabt anfauftc nnb biefeS jept zu Slus*
ftelhmgsräumen umbaut. SRau miü burdj eine bauernbe VerfaufSaus*
ftcQuug t'olibcr unb baiterhafter 3)?öbet ber ^oufun-euz entgegeutreten,
bie burch bie .fränbler mit Aabrifmaare beu .^anbmerfsnteiftern gemadjt
mirb. ^ebes Stiid mirb burd) einen Slusfchuß auf feine OHitc geprüft
unb nur bei tabellofer Ausführung zugeiaffen. Wanze AuSftattmtgeu,
oon ben einfaepften bis zu ben eleganteren, merben bie VcrfaufSränmc
fdjmücfen. 2)ie Eröffnung erfolgt im fommeuben .^erbft. WS ift aller*
bings nur ben größeren Jifhlermeiftern ber Veitriti zur Weuoffeufcpaft
möglich, ba bie Autpcilfdieinc auf eine erpcblidje Summe lauten, ^i'tr
bie äleinmeifter beftept bereits eine Wenoffeufdiaft, bie alljährlich Ver*
faufsausftellungeu oeranftaltct unb babei glättzenbe (^efepäfte gemadjt
hat. £er Wrfolg biefer Auöftefluugen gab and) bie Anregung zur
Wiainbuttg ber neuen Wenoffenfdjaft. — 3n ben Greifen bes Hamburger
Dctaillifteufianbes bereitet fiep übrigens auep eine (^enoßenfepöfts«
grünbutig großen Stils uor. Ws ocrlautet, baß 70 DrtailUften ber
oerfcpicbeuften Vrancpen über bie Wrridjtung eines geuoffenfdjaftlidheu
SSaareupaufes oerpciubeln, um ber Äonfurrenz ber fapitaliftifcp bc*
triebeiten SBaareithäufer entgegeutreten z» förnteu. ^ie Verpanblungen
ftnb jeboep itodj zu feinem Abfcpluß gefommen.
^robuftiPgenoffenffpaften in ^ranfretep« Amtlichen Daten zu*
folge beftanben am 1. Januar 1899 112 Arbeiterprobuftiogenoffen*
fcpaften in ^ranfreiep, bie in einer „Chambre consultative“ tpre
gemeinfame Sntereffenoertretung haben. Von biefen 112 ©enoffen*
fcpaften finb niept meniger als 80 im 3citnmme 1892—1898 ge*
grünbet roorben, unb bloß 5 finb oor bem 3apre 1892 entftanbeu.
Vtepr als bie §älfte biefer ^robuFtiogeuoffenfd)aften entfällt auf
bas Vaugemerbe; oon ben übrigen Affoziationen finb peroorzu*
pcben ^robuftiogenoffenfepaften oon ©laSfcplcifern, Väcfern, Vürften*
erzeugern, ItartonSarbeitern, itonfeftionSarbeitern, Vlecpfcpmieben,
Kupfergießern, .sjaubfepuhmadjern, Uprmadjern, Viidibrucfertt, 3n*
ftrumentenmadhern, 5eilenfd)mieben, Sitpographcu, Photographen,
SBagcnbanern, §utmad)ern, Schuhmachern, SRefferfcpmieben, Stoff*
bruefern (Spon), Dptifern, Ziemern, ©erbern, Saßbinbern, s $erl*
mutterarbeiteru, Drechslern u. A. m.
fiÜErttrirdje &tt}tigett.
Stimmen aus 3Raria*2aacp. Katpolifdje Vlättcr. ^aprgang lsgn.
H. .öeft. Jyreibnrg i. V., .^erberfepe Verlagshanbluug. ^chn .'oefte
51R. 10, hu (ober 2 Vbc ä 5Pc. 5,io).
Vlatdtforb, Aobcrt, 3ut Acidjc ber Freiheit ßferrie England). Vricfe
über ben Sozialismus. Aus bem Wnglifdjen frei itbcrfeßt oon
.^curi) SBright. SBtcn 189‘J, Wiener Volfsbudfhanblung 3guaz
Vraub. 227 S. ^reis 1 M. — 60 fr.
Uovue de Legislation Ouvriere et Sociale. Annee 1898. 3® et
4 e Trimestres. Paris, Libraire H. Le Soudier. Dix francs par an.
Leon de Seilhac, les congrAs ouvriers en France 1876—97. Bibliothei|iie
du Musee Social. Colin <fc Cie. Paris, ^reis 4 ^rcs. §)err
bc Seilpac, ber Wpcf ber gemerblidjeit Arbeiterabthcünug bcs
SRufec Social, giebt in feinem Vmpe eine afteumäßige Xar=
flelluug ber oerfdjicbencn ftanzöfifdjeu Arbcitcrfongrcffc oon
1876 1897. WS finb mefeutlid) nur Auszüge aus beit Mongreß-
protofollen, bie fpäter bnrep eine crläutcrnbc piftorifdje llcbcifupt
ergänzt merben follen, um fo Afaterialien für bie Wcfcpidjte ber
neueren Arbciterbemcgung in ?franfrcid) zu liefern.
Die gleichzeitig hiermit ausgegebene Ar. 7 ber 9RonatSfcprift
„Da8 ©emerbegeridht" enthält:
Die AnmenbbarFcit ber §§. 611 bis 630 beS Vürgerlicpen
©efepbuepes (Dienftoertrag) auf bie Dienftoerträge mit geroerblidpeu
Arbeitern. Von ©emerberiepter Dr. ©cpalporn, Verfin. — 3uo
recptlicpen Stellung ber Heimarbeiter. Von Wmil 5Bolff, Vor*
fißenbem beS ©eroerbegeriepts Dffenbacp. — Verfaffitng unb
Verfahren: Vollftrecfung ber feitenS ber ©emerbegeriepte oer*
pängten H a Wi ra f cn - — Aecpifprecpung: ^Rittpeilungen aus ben
©ntfcpcibungen ber ©emerbegeriepte Verlin, fieipzig, Aeumünfter,
Aoftocf, SRiilpeim (Aupr), Hamburg. — Allgemeines über ©e*
merbegeriepte unb ArbeitSoertrag: Aus ben SabreSberitpteit
ber ©eroerbegeridjte; Petition beS Verl in er Vereins „Srauettroopl",
betreffenb VJaplrecpt ber grauen zu ben beruflichen Sd)iebSgericpten.
— Vrieffaften: ©emerbegeriept Danzig. — SupaltSangabe ber
„Sozialen VwriS".
Bnanhoörtlich für bte ftebattion: Dr. «rnft Stande in »erltn W., »aqreut^erftrafee 29 .
743 ©ojiale $ra£ig. ©entralblatt für ©ojialpoltüf. Kr. 27. 744
Sie „$aflaU firarte“ erlernt an jebern ©onnerStag unb ift burc$ alle ©uchbanblungeit unb gSoftämter (^oftaeitung«nummer 7072 ) ju bejieljen. ©er $rei«
für ba 8 SBierteljabr ift 9 K. 2 , 50 . 3 «be Kummer foftet 30 Sßf. ©et Hitaeigenprei« ift 60 $f. für bie breigefpaltene ^Jetitjeile.
Um ben neuhtujugetretcnen Abonnenten luifcrer
SSocfjenfdjrift ben 93ejug bcr älteren 3n|rgätige ju
erleichtern, taffen mir bie folgcnbc jeittneilige $tet£
herabfefptttg etntretcn:
@o lange ber nur noch geringe Vorrat an ooH®
fiänbigen ©jemplaren reicht, merbeit die ersten
sechs Jahrgänge der Sozialen Praxis, * $.
©o$tölpolittfcfjc (SettftalMatt
gang I—III (Januar 1892 big ©eptember 1894),
unb baran anfchlicßeitb
£>te Soziale $ragi$, Jahrgang IT—VI
(Oftober 1894 big ©eptember 1897)
mm ermäßigten ©efamtbarpreife Uott nur 36 SRarf
füt bdd noUftänbige (ggetnplar abgegeben (ftatt
bigßer 60 2JH.), lieferbar Seipjig.
3u biefen SSebinguugen fantt jebc befferc ©ortimentg®
bueßbaubfung liefern.
Solange bcr nur »och geringe Vorrat an ooll*
ftänbigen ©jentplarcn reicht unb biefc $e!tit)eilige ^rei^
^etabfe^nng nicht aufgehoben ift, merben bie
öeipjig, 1899.
Bnndter & §nmblot.
3afivgaiia ■, ii uttb m. 3a^cg«mg, rrffeä
Ouattal (jufammen 117 Kümmern) (4. Januar 1893
big 28. HRärj 1895)
pm ermäßigten ®efamtbarpreife oott 13 SÜW. 50 ^f.
für bag oollftänbige ©jemplar (ftatt bigfjer 22 9 Kf. 50 $f.)
abgegeben, lieferbar Seipjig.
3u biefen 93ebhtgungen fanit jebe befferc ‘Sortiment*®
budjßanbiung liefern.
Scpjtfl, 1899. $ nntktr & ^ nntb l 0t .
Oe Viag fron ® u tuft e r •& 1§ u nt b l u f in X e t p t i p:
Ueber ^(ßiebögeril^te, ®itligungBätltter unb fjrabrifgefe&gebung. ©utacfjten, auf Seranlaffung ber
©ifenadjer S3erfammlung aur Befpredjung ber foctalen fjrage abgegeben uon ^acobt, Söttet, ©enfel,
S. Subroig=3BoIf, Siebemann, o. |»eHborf, 9R. gärtet, SßebSfp, $f- ©djulae, 3- S- §• ®annen=
berg, Reumann. 1878. 4 3Rf.
Ueber (fEilligUlUfSÄlttter. (Sine ißolemtf mit §errn Dr. Sllcjanbet -Sieger, ©eneralfefretär be§ ftänbigen
2[u3fdjuffc§ be§ beutfefjen §anbeI3tag§. SBon Suis Brentano. 1873. I 2Rf.
(Sirnrrrbejlrcitigkeitrn. @ine 2lu§maijl non ©ntfdjeibungen be§ ©emerbefdjieb§geridjt§ ber Stabt
Seipgig. 23on OhiftaP ©ictel. 1882. 2 3R!.
^rtreiterau$fd)üfie in ber beutfdjen Sttbuftrie. ©utadjten, Senate, Statuten, beröuägegeben im Stuf*
trage be§ BereinS für Socialpolitil uon gering. 1890. 3 SRI. 80 <ßf.
ü as (&me rbegrrtdjt. Bon aöi«jeim ®tieba. isoo. 4 m. so Bf-
^nbalt: Tic ihttcratur über bie gewerbliche Kedjtgpflege. — Die gewerbliche ©erichtgbarfeit ber ^unft^cit. ©ie älteren preußischen
^abril® unb ©emerbegerichte. ©er gegenwärtige ©taub bcr gewerblichen Kechigpflegc in ©eutfdjlanb. ©ie Herfucfje jitr Reform
ber gewerblichen 9ted)tgpflcge in ben fahren 1873—1888. ©ie oerfchiebenen normen ber gewerblichen Kerf) tgpff ege. ©ie ©runb®
,Viigc ber Hcrfaffung ber beittfcheu gewerblichen ©d)iebggcrichte. ©ie %Sirffamfeit bcr beutfcheit ©cwerbegerichte unb aewerb®
liehen ©cljiebggerichte. ©ie hauptfäajltchften ^rinjipienfragen bei ber Organisation oott ©cwerbegerichten." Beilagen, (©tatiftif
ber ©ewerbegerichte nnb gewerblichen ©chiebggerichte. ©tatuten gewerblicher ©djicbsgerichte unb ©emerbegeridjie.
Jm April soll bei Duncker&Humblot in Leipzig erscheinen:
Der Einfluss von Staat nnd Recht «s
«8 auf die Entvicklnng des Eigentums.
Von
L. Felix.
Zweite Hälfte, erste Abteilung: Das Mittelalter.
-— Preis etwa 17 M. 50 Pf. ——
Gewissermassen eine ökonomische Geschichte des Mittelalters
und damit ein selbständiges Ganzes. Zugleich eine bisher in der
Litteratur fehlende Ergänzung jedes die allgemeine Geschichte des
Mittelalters behandelnden Werkes.
Durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Die
Bedeutung des Seeverkehrs
für Deutschland.
Ein Vortrag
von
Dr. Ernst von Halle,
Privatdozent der Staatswissenschaften an
der Universität Berlin.
—- 1898. Preis 00 Pf. --—
In Fr. Frommanns Verlag in Stuttgart.
ist soeben erschienen:
Rodbertus
von Karl Je titsch.
259 S. 8°. Brosch. M. 3.—, eleg. geb. M. 3.80.
I. LebensvcHchiclite. II. Die Lehre. I. Antike
Staatswirtschaft. 2. Die Volkswirtschaft der Gegenwart, i
3. Die Staatswlrtsohaft der Zukunft III. Die Bedeutung? i
dem ]tlnnnes.
iuTanlroimlhl) für Die Amcigfii: -v>.Cimui.)
Verlag von Duncker & Humbiot in Leipzig:
Baumwollproduktion nnd Pflanzungswirtschaft
in den Nordamerikanisohen Südstaaten.
Von
I>r. Ernst von Malle.
Erster Teil: Die Sklavenzeit. 1897. Preis: 9 Mark.
©eibcl, t'eipjig. — Verlag uou Wunder & $uml)Iot, Seipiig. — ©ebruefi bet 3ultu3 Sittenfelb, »erlitt.
|tumm*r 28*
vm. %titycpm$. Serlin, ben- 13. ?lpri( 1899.
Soziale praris.
f$enfraCMaff für ^ogiafpoCifiü
mit ber SRonatSbellage:
Das (Bewerbegericht.
©rgatt bes Derbanbes betttfdjer (SetDerbegericfyte.
Reue golge bex „Bfötter für fogtale SptayiS* «nb be$ „Sogtalpolttlfdjen EentralblattS*.
Orfdciiu an jebem »wroerffaf. |)CCaU§gcBer: Brei« hiertelilbrli* 2 «. 60 ff.
Rebaftion: Berlin W., Bahreutherftrafie 29. Dp. Ctttß «^tCUtlfe** Berlag Oon Wunder & £umblot, Ceipgtg.
inbuftrieftaat unb ©£port*
inbuftrie. Bon ftofeffor Dr. Ä,
Qlbenbetg, SJtorburg.745
©ntwideln wir un« gum©jpOTt»
inbuftrieftaat? Bon Dr.SBaither
Borg in 8, ©efretar ber ©entral»
fteüe für Borbereitung oon^anbel«*
oertrügen, Berlin.748
©ie Regierungen unb ber Bau»
nrbeiterfcbub in ©eutfchlanb.
751
fMimeiic Cditb tötrtbf^baft«*
»tftttt.754
©in Haffifch«« ©ebiet ber Arbeit«»
willigen.
©in ©robinbuftriellet für bie gemein»
fame £)rganifation ber Arbeitgeber
unb Arbeiter.
©eutfdje« 9J?tifeum für ©ogtale B rajl«.
©a« ©efeß gum ©<hub ber Arbeit«»
willigen in ©Sweben oetworfen.
©ie fremben Arbeiter in gtanfteich.
©ie gtage ber AlterSoerforgung in
©nglanb.
BnwmMMäi ©ogtftIb»lttif .... 757
©er preufeiföe ©efefcentwurf übet An«
ftettung unb Berforgung ber tfom*
munalbeantten.
©ie erfte Äonfereng ber jogialbemofra»
tilgen ©emeinbeoertreter SBürttem«
berg«.
©»Stele 3«ftftn6c :.758
©tatifiif ber ferfonol» unb Arbeit««
oethffUniffe in ben BuchbrudeTeien
©eutfchlanb«.
Bleioetgifhingen in ber leramifchen
inbuftrie.
Regelung ber f$ottif$en Bergarbeiter»
löhne.
©ie Sage ber BaljnwartSfrauen auf
ben ftangöfifchen Bahnen.
©ericbtlidb« 1‘ohnfchufe in Auftralien.
tUieiterbctpeguaf.760
©etoerffchaftli$e Arbeiterfon*
greffe. Bon ©. ©aube, Berlin.
©<hwetgerif<her Arbeitstag in
Sugern.
Abbrnd fümmtlidber Artifel ift ßeitungen unb ßeitfcbriften geftattet, iebo<b nur
mit üoUer Quellenangabe.
3nbtt|hrttftaat und (Efportiniiuftrlt.
3n Rr. 24 ber „Sogialen $rajis" wenbet fief) Sombart gegen
eine Eruppe optt Rationalöfonomen, bie ben im@an{je befinblic§cn
ttmwaublungSprogeh ^eutfchlanbs in einen Snbnfineftnat fritifd)
erörtern. (5in X^eil non ihnen fieht in biefer EntwidFelungSbahn
eine Sacf gaffe; Önbere, bem ^ergebrad^ten Optimismus näher
bleibenb, [eben in ihr nur einen Engpafj, ber ins greic führt.
Ohne in biefent Streit Stellung gu nehmen, wirft Sombart beiben
^^cilctt Unfiarheit oor. 9Ran oermifche bie begriffe ßnbuftrieftaat
unb Egportinbuftrieftaat unb fd^affe über bie angebliche 3i l Nfthme
ltnfereS EyportS eine fable convenue, ber bie £h at f a£ b en fcfjroff
wibcrfpredjen. Sirflichfeit fei bie Entfaltung unfereS ErportS
fo gering, bah eine noch langfamere 3 una b™ e nad) Sombarts
Gefühl unmöglich gefuitb fein fönne.
$>iefe SluSfübningen fdjeinett mir baS an fid) gtemlich burd)*
ftchtige gnbuftrieftaatsproblem mehr gu oerbunfeln als gu flären.
1. rationaliftifchc ®iftinftion gwifdjen inbuftrieftaat unb
Efportinbuftrieftaat ift geeignet, ben .Stern bee 3nbuftrieftaatsbegriffS
unb bamit ben $ern beS praftifchen Problems oerfchlen ju laffen.
SWeineS Erachtens liegt baS Ebarafteriftifum beS jnbuftrieftaats 1 )
nicht fomohl int Heberroiegcn feiner inbnftrieUen Seoölferung, als
in feiner elementaren ltnfelbftänbigfeit: iit ber 3^ a «gSlage, einen
erheblichen £b*il ^ er unentbehrlichften SBebarfSartifel (alfo in erfter
ßinie ber Nahrung) 00 m SluSlanbe gu begiehen, weil bie eigene
Ianbroirthfchaftliche ^robuftiofraft nicht genügenb entmicfelt ift.
^)ie golge wirb fein, bafe bie agrarifch ntdjt befefjäftigte 23eoöl!e*
runa fich ber gnbuftrie gumenbet, aber baS faufale $rius ift noth*
roenoig eine feirthf<haft3politif, bie frembe Nahrung ins £attb
einlägt.
dagegen ift eS nicht fchlecbthin nothmenbig, ba& ein £b c ü
biefer inbuftriellen S3eoöl!erung für ben Ejport arbeitet unb mit
feinem $robitft bie eingeführte Rahrung begahlt; ©laubigerftaaten
g. 33. fönneit ihre Einfuhr auch mit ben 3tttfen begaben, bie baS
HuSlanb ihnen fchulbet, unb bie gnbuftrie beS gnbuftrieftaats
barf bann auSfchliefclich für ben gnlanbsmarft arbeiten. £rojjbem
befteht thatfädjUch fraft eines bem inbuftriellen Kapital inne-
roohuenben EjpanftonSftrcbenS eine Xettbeng gum Export, oft
oon ber SBirthfchaftSpolitif begünftigt, unb biefer ftcigetibe Export
roirb gur 9iothn)eubigfeit, wenn bie 3inSbegüge 2 ) oom 3luSlattb nicht
beliebig oermehrt werben fönnen, währenb bie wachfenbe $ahrungS*
einfuhr größere ©egenwerthe oerlangt. $)er inbuftrieftaat ift alfo
gewöhnlich gugleich Ejportftaat.
änbererfe'tts ift nicht jebe ejportirenbe 33olfSwirthfd)aft inbuftrie¬
ftaat; bei agrarifchem %port felbftocrftänblich nicht, bei inbuftriellem
Export wenigftenS bann nicht, wenn bie Erportioaare £aufd)objeft
gegen relatio entbehrliche, alfo namentlich toieber inbuftriclle gm*
portwaare ift. 3« biefem galle liegt eine tjannlofe internationale
Slrbeitstheilung oor, unb eS fehlt baS für ben inbuftrieftaat
charafteriftifche SKerfgeichen einer gwingenben 3lbhängigFcit oom
SluSlanbe. S)enit für ben auSgebilbeten inbuftrieftaat ift es eine
Lebensfrage, bah «rftcnS bie eingufübrenbe SKahrurtg bauernb
fäuflich fei unb bah gtoeitenS gur SÖegahlnng biefer Einfuhr bic
Eyportinbuftrie bauernb 2lbfafc finbe, begw. bie SBerfdjulbutig bes
l ) inbuftrieftaat ift nicht, wie ber Raute angilbenten fdteiut, eine
StaatSform, fottbern eine gorm ber Bolfsioirtbidjait.
4J ) Ael)iilid)c ©initrtluiten, g. B. Erträge bentidter Untmtehmmigru
im Ativtanb, nierbeu ber Miirgc mögen uidit niitgenauiit.
SSeberaudfpenung in Rddjenbadf) in
©Rieften.
©er AuSflanb ber Ärefelbet ©ammet«
Weber.
©in ©treif ber Binneitfcbiffer in
Rottetbam.
©ie Bewegung unter ben ©arifet
^anblungSgebilfen.
«r»ci«evf4ii$.766
©ie 3>af)te«bericbte ber ©e«
werbe * AuffidjtSbeamten in
SSürttemberg für 1898.
©ie ©(bu^umbregeln für bie Auge»
fteliteit in Väbett unb bie ©cljilfcu»
oerbünbe.
jlinberfcbub in ^preugen.
Söeiblicbe gabrifinfpeftoren in Breufeen.
9(«beit(rtievfl4eruna. «partdffen 770
©er ©ntwurf ber SnOalibitütS«
nooelle na 4 ben Befdjlüffen
erfter Sefung in ber Reich«*
tag«! ommiffion.
©ie Allgemeine Drt«!ranfenfnffe gu
granffurt a. 9R.
Unfall» unb fttanfenoerfidjerung in
ber ©cbweig.
Berftcberung lanbwirthf^aftliihcr Ar»
beiter in Ungarn,
gabriffparfaffen in gtanfreicb.
Friendly Societies unb Shop Clubs in
©nglanb.
SfrbeitSaafttoett.773
Berbanb ©eutfdjer ArbeitSna^weife;
Betition, betr. ©rlaß oon ©elepbon»
gebühren.
©Kgiebttni unb BUfeung.773
BolfSthümliche JpochfchuWurfe in Ham¬
burg.
BortragSfurfe über Bürgerfunbe ber
SRöbchen* unb grauen«@ruppen für
fogiale ^püIfSarbeit in Berlin.
©onteniu«»©efellfdjaft unb ftabtifche
^efeballen.
Eingehen ber fogialiittfcben Unioerfität
in Brfiffel.
gftteratifdtc tfugetaen.774
£./ fl,
747
Sogiale PrajiS. dentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 28.
748
AuSlanbeS baucrnb aufrecht erhalten bleibe — VorauSfefcungen,
bie mehr als unroahrfcfieinltch ftnb. Solcher latenten grembherr*
fcf^aft gegenüber roar bte früher oiel beflagte Unfelbftänbigfeü einer
überroiegenb agrarifdhen VolfSmirthfchaft mit inbuftrieller dinfuhr
Kinberfpiel, unb erft recht harmlos ift ber inbuftrieüe ßuruS*AuS*
taufet} groifchen groei VoIfSroirthfchaften. ©er entfcheibenoe Punft
ift bie Unentbehrlichfeit ber gmportroaare.
2. Db ©eutfehianb gnbuftrieftaat in biefem oerhängnißootlen
Sinne roerbe, ift beShalb nicht an bem Umfang feinet (^portö
o^ne Weiteres erfennbar. Vielmehr ftefjt feft, baß ©eutfdjlanb
(ebenfo mie dnglanb) eine ftarfe Duote feiner roadhfenbett dinfuhr
mit ben 3™fen feiner auSroärtiaen Sctjulbner fauft, inforoeit alfo
gnbuftrieftaat ohne entfprechenoen djport fein !ann. ©aß aber
biefe 3infen, bie jefet noch jährlich ftarf gunehmen, in abfe|barer
3eit gurücf gehen merben, ift non uerfcfjiebenen Seiten hinreichenb
nad)brücflith betont roorben. ©ie djportinbuftrie müßte bann in
bie £üdfe treten, forooßl für ben Ausfall bisheriger 3infen, wie
(bei roadjfenber dinfuhr) für ben Ttehrbebarf an gahlungSmitteln,
in einem gritpunfte, roo ihr oorauöfic^tlic^ fogar bie bisherigen
Abfapgebiete fiep mehr unb mehr oerfdjließen merben. ©eutfehianb
roirb beShalb feine Unterhaltsmittel felbft bann nicht befahlen
fönnen, menn fie in 3»funft überhaupt noch fäuflidf) mären. ds
bliebe im beften gälte übrig: bie TtaffenauSroanberung, b. h- Selbft*
auflofung ber Nation.
©iefe AuSficht mirb nid^t gemilbert, fonbern oerfchlimmert,
menn Sombarts ©hefe sutritft, baß unfer inbuftrieller djrport
fthon jeßt gufammenfchrumpft. S^erftch hat er auch biefen Stach*
roeis meines drachtenS nicht erbracht. ©aß bie rohen 3Üfent ber
dyportroerthfummen ziemlich ftabil geblieben finb, mar längft be*
achtet roorben, unb eine fable convenue oon einem relatio fteigenben
Import, mie Sombart fie gu befäntpfen glaubt, ift mir aus ber
miffenfchaftlichen Literatur nicht befannt. Trit bem $inroeiS auf
biefe dyportmerthe ift aber roenig gefagt. Sie brücfen befanntlich
nicht entfernt ben Umfang ber beutfchen djportinbuftrie aus. Von
3786 Millionen Ttarf beutfcher Ausfuhr (1897) entfallen über
500 Trillionen auf NahrungS* unb denußmittel unb ©hiere,
151 Trillionen auf dbelmetaße, 815 Trillionen auf geroerbliche
Nohftoffe unb nur ber Neft auf bie Nubrif gabrifate. gn biefem
lebten poften ftecft noch ber Vkrtß bes agrarifch gcroonnenen,
gunt ©heil auch importirten NoßftoffS; nur bie ©iffereng groifchen
Stohfioff* unb gabrifatroerth. ift baS mirthfchaftliche Probuft ber
efportinbuftriellen Veoölferung unb ein Ttaßftab für ihren Umfang,
dine nur fcheiitbare Abnahme ber Ausfuhr ift ferner burch ben
dintritt ber fehr fauffräftigen Hamburger unb Vremer Veoölferung
in bas Sollgebiet (1888) unb meiter bur* ben gunehmenben Preis*
brucf bebingt, ber, gum ©heil mit oerftecften unb offenen Ausfuhr*
präinien, bie fchon heute fpiirbare drfchroerung beS auSmärtigen
AbfaßeS begleitet, ©abei ift noch baoon abgefehen, baß oon
unferem defießtspunfte nur biejenigen dfportroertße mitgählen
bürfen, für roeld)e Nahrungsmittel unb anbere unentbehrliche
Söaaren eingetaufcht merben ober hoch eingetaufcht merben fönnen. 3 )
3n melcher Nietung bie Korreftur biefer gehler baS Sombart’fche
Nefultat perfeßieben mürbe, fann h^r nicht ©erfolgt merben.
VolIenbS irre führen aber muß es, menn Sombart jene fehr ge*
mifeßten AuSfuhrgiffern nicht mit bem Umfang ber gangen beutfchen
SBolfSroirthfehaft, fonbern nur mit bem ber Snbitftrie oergleicht,
um einen üerhältni&mäjjigen Nücfgang beS Sports um 50 ü / 0
auSgurechnen; ber djport funftionirt hoch für ben gangen oolfS*
mirthfchaftlidhen Organismus, nicht für bie Snbuftrie fpegieU.
3n feinem gaße bemeifen aber bie 3iffern unfereS dfports,
bafj nicht eine gefährliche ©enbeng unferer 2Birthf<haftSpoIitif bahin
ge§t, im Vertrauen auf ben oorübergehenb gu geroinnenben oft*
afiatifchen Slbfahmarft bie fernere 3unahme ber Nahrungseinfuhr
gu bulbeit.
3. Söenn bie drportinbuftrie für fidj allein gur ©iagnofe beS
SnbuftrieftaatS nid^t auSreicht, fo ift bagegen bie Nahrungseinfuhr
ein fchlüffigeS gnbicium. lieber ihren Umfang in ©eutfehianb
mirb noch geftritten. geh h al *e flc 1897 auf bes Verbrauchs
gefchäfet. 4 ) Voigt 5 ) rechnet auf breiter, aber fehlerhafter
3 ) Vgl. VaßobS mertbooße Slbhanblung über bie Vebeutung ber
Sanbuurthfchaft unb ber ^nbuftrie in ©eutfehianb (SäjmolIerS §ahr*
buch 1898). VaUob berechnet ben beutfchen .^anbelSocrfehr mit „NahrungS*
ftaaten". Noch rationeller märe es, an stelle ©eutfdtjlanbS gang SBeft*
europa als einheitliäjeS gnbuftriefiaatsgebiet eingufefeen.
4 ) ©eutfehianb als gnbuftrieftaat. döttingen 1897.
5 ) Vreufeifche Jahrbücher 1898, Vanb 91.
drunblage l L beS Verbrauchs — nicht an Nahrung, fonbern an
lanb* unb forftmirthfehaftlichen ^robuften — h eraug meint,
bie inlänbifche $robuftion föntie rnohl auf 9 /g, aber unmöglich auf
4 /s ihres gegenmärtigen Umfangs gefteigert merben, fei alfo nach
feiner Statiftif unfähig, ben gehlbetrag gu becfeit. ©ie oon
Vallob G ) reoibirten ©aten Voigts führen aber auf eine Ouote
beS NahrungSoerbrauchS, bie hinter meiner Schäfcung noch etroaS
gurücfbleibt, unb gugleuh ift biefer Slutor über bie SeiftungSfähig*
feit ber beutfchen fianbmirthfehaft beffer unterrichtet als Voigt.
SSährenb bie Summe ber Nahrungseinfuhr ben augenblicflidhen
drab ber gnbuftrieftaatsentmicflung angeigt, ift bie fteigenbe ober
finfenbe — in ©eutfehianb fdhneß finfenbe — Cuote, meldhe bie Ianb*
mirthfchaftliche Veoölferung innerhalb ber Nation auSmacht, baS
geeignetfte Tterfmal für bie dntroicflungStenbeng gum gnbuftrie*
ftaate, unb hi^ fefei Sombart mit einer berechtigten ^ritif ein.
dr hebt nämlich h^roor, baR bie Ouote ber lanbmirthfthaftlichen
Veoölferung auch in einer nach außen abgefchloffenen VolfSmirth*
fchaft roechfelt. Anfechtbar ift nur feine Tteinung, bie Ouote muffe
finfen. 3nr Vegrünbung führt er gunächft an, bie geroerbliche
digenprobuftiort merbe burch Berufsarbeit oerbrängt; nicht oielleicht
auch bie agrarifche? dr meint groeitenS, ber gunehmenbe Komfort
ber ßebenShaltung befchäftige mehr bie gnbuftrie als bie ßanb*
roirthfehaft; auch baS ift nicht beroiefen unb feßt überbieS im
3irfelfä)lu6 einen Nücfgang ber agrarifchen ©hätigfeit, etroa in
golge lanbmirthfehaftlichen gortfchrittS, oorauS, ba hoch bie Summe
ber Arbeitskraft eines VolfS eine roenig oeränberliche dröße ift.
dnblich, meint Sombart, nehme ber Vebarf an lanbmirthfehaftlichen
^robuften ab, inbem organifefje Stoffe burch anorganifche erfeßt
merben, g. V. §olg burch difen unb Steinfohle, $flangenöl burd^
Petroleum unb das. ds mag unerörtert bleiben, ob biefe Stheibung
oon Sßrobuftion organifdher unb anorganifcher Stoffe, bie ihm
mit ber Scheibung oon Urprobuftion unb Stoffocrarbeitung burch*
einanbergeht, für bie gnbuftrieftaatsfrage nicht beffer erfeßt mürbe
burch ben degenfafc notl)menbiger unb minber nothmenbiger ©e*
barfSartifel; ob fpegieU bie Verroenbung oon difen ftatt £>olg bei
gabrifgebäuben, Ttafchinen, dfportfehiffen in ber Ttehrgahl ber
gäße folche lanbroirthfd)aftli<he Saaren erfeßt, bie bisher ber
ÖebenSnothburft bienten; ob mirflich ber debrauch beS Petroleums
bie geroerbliche ©hätigfeit in ©eutfehianb oermehrt hat. ds foll
oielmehr nur barauf hingeroiefen merben, baß umgefehrt auch ber
Vebarf an lanbmirthfehaftlichen probuften fteigt, g. V. bei ber
Papierfabrifation aus |>olg ftatt aus Abfällen, namentlich aber ber
NahrungSbebarf bei fogialem gortfehritt, unb, maS oielleicht noch
mehr ins deroicht fäflt, 7 ) ber Vebarf an gleifthnahrung burch
phpftalogifchen unb gefeUfchaftlichen 3 ro ang bei inbuftricuiftifcher
dntmicflung.
4. gaft ohne dinfdhränfung ftimme ich ber Vemerfung Sombarts
gu, baß ber dyportinbuftrialiSmuS eine natürliche, aber oorüber*
gehenbe Phafe ber VolfSmirthfchaft begeidhne: „ber Periobe, mie
man es nennen fann, ber gnternationalifirung beS gemerblichen
Kapitalismus ift feit einigen gahrgehnten bie Periobe ber Natio*
nalifirung gefolgt".
©er drportinbuftrialiSuiuS erfüllt in ber ©hat einen geit*
roeiligen roirthfchaftSgefchidhtlichen Veruf, nicht etroa nur für bie
VSeltroirthfdhaft, fonbern auch für bie eigne VolfSmirthfchaft; er
macht fief) felbft überflüffig unb roirtfjfchaftet ab. Unb bie geit*
gemäße ©enbeng einer foidjen Nücfbilbung bes djportS, einer
„Nationalifirung" ber gnbuftrie nach Sombarts AuSbrucf, ift in
ber ©hat fd)on h^te oorhaitben, aber fie ringt noch mit ungeit*
gemäßen degentenbengen, bie burch B$ort gnbuftrieftaat
djarafterifirt merben.
Ttarburg. K. Dlbenberg.
dntniiihdn mit ujij; jnm €fportinbu|irie|toot?
Unter biefem ©itel höt §err profeffor Sombart in Nr. 24 ber
„Sogialen PrayiS" ben Verfuch gemalt, baS „©ogma oon ber
dntmicflung gum ,dfportinbuftrieftaat‘" einer ftatiftifdjen Kritif gu
untergiehen, unb ift babei gu bem Nefultat gefommen, „baß unfer
dyport eine fortfehreitenb geringere Duote unferer geroerblichen
6 ) Sd;inoßerS Jahrbuch 1898.
7 ) ©ie ftarfe Steigerung bes detreibeuerbraudjs in ©eutfd^Ianb ift
minbeftens gu großem ©hril auf bas Konto ber Viel)gud)t gu fepen;
Auffdjroung ber Vtehgucht unb Niebergaug ber detreibepreife muffen gu
gesteigerter Verfütterung oon detreibe führen.
749
Soziale $rajis. Eentralblatt für ©ogtalpolitit 9h:. 28.
750
Brobuftion — benn um biefc banbeit es fid^ ja nur — auSmaebt,
mir uns alfo nicht gum, foubcrn oom Erportinbuftrieftaat meg
entroicfeln". ©o unleugbar ihm ber Beroeis für ben erfien Xbeil
biefeS citirten ©aßeS gelungen ift, fo beftreitbar fcbeint mir Me im
gmeiten $^eil barauS gegogene Folgerung. Unb fo banfenSroerth
jener giffernmäßige SaebmeiS für Me gunebmenbe Bebeutung beS
inneren BtorfteS ift, fo bebenflicb febeint es mir, bie obige ©d)luß-
folgermtg barauS ltnmiberfprocben gu laffen. B3ir mürben bamit
ben #od|fcbußgöEnern bie benfbar fcprffteSSaffe in bie^anb brücfen.
Xenn mit oollem S^ed^te mürben biefe meiter ßbließen: 28enn
alfo ber Ejport für bie beutfebe gnbuftrie mit jebem Sabre un-
mistiger unb roertljlofer mirb, bann finb mir oöflig auf bem
richtigen SSege, roenn mir nationale Slbfcbließung unb mirtbfdjaft»
lid^e Berfelbftänbigung XeutfeblanbS burd) eine §o§e 3oE0renge
anftreben, bann beförbern mir baburd^ nur eine an fiel) unaus-
Bleiblic^e unb fjeilfatne Entmicflung. — Unb boeb märe nichts
falfeber als biefeS Säfonnement, unb nichts oerbängnißooEer als
foldje §anbelspolitif.
Xie Fehlerquelle in bem oon $errn $rofeffor ©ombart oer-
tretenen ©ebanfengang fd)eint uns in ber Snterpretation beS Be¬
griffes „Ej'portinbufirieftaat" gu liegen. Er benußt als SEaßftab
für ben ©rab biefer Eigenfcbaft baS ©rößenoerbättniß gmifeben ber
©efammtprobuftion eines SanbeS unb feinem ©efammte^port unb
folgert aus ber abneljmenben Duote beS leßteren babei ben Sütf-
gang XeutfeblanbS als Eyportftaat. tiefer Sluffaffung fann ich
nicht beiftimmen.
Sei bem fteigenben 2Ba<bStbum ber BeoölferungSbicbtigfeit
unb ber nod) meit ftärferen 3ungl)me beS Komforts ber SebenS-
Haltung, bie fleh fo giemlid) aEent|alben in ben Kulturftaaten be¬
obachten lägt, ift eine ftar! fteigenbe Slufnabmefäbigfeit beS inneren
EKarfteS nid)tS SBunberbareS; unb ba nun bie internationale
Slrbeitstbeilung unb bie Entfaltung fpegialiprter Efportinbuftrien,
ban! ber neueren faft aEfeitig ftar! proteftioniftifeben £>anbels-
politif ber mobemen ©taaten, nod) auf einer giemlid) niebrigen
EntroicflungSftufe ftebt, fo ift es flar, baß ber Export im Ser-
bältniß gu ber ©efammtprobuftion notbmenbigermeife eher
uritd als oormärtS gu geben febeint. Slber biefeS ©djicffal bürfte
o giemlidj aßen mobertren Ejportftaaten gemeinfam fein'; man
benfe nur an bie Bereinigten ©taaten, benen gemiß Siemanb ihre
Entmicflung aum Eiportinouftrieftaat beftreiten miro. XaS, maS
einem fianbe ben Ebarafter als Eyportgebiet oerleibt, ift aber unferes
Erachtens nicht fo febr ber Umffanb, baß ein mehr ober meniger
großer %ty\l feiner inbuftrieEen Sßrobuftion de facto über Me
©renge ins SluSlanb gebt, fonbertt ber Umftanb, baß eS für ge*
miffe Strtifel, ban! befonberS günftigen SrobuftionSbeMngungen,
ber beoorgugte ßieferant beS BikltmarfteS ift; unb bie ©tärre jenes
EbaralterS ift nicht banacb gu bemeffen, roelcbe Duote ber ©e-
fammtprobuftion bie einbeimifebe Snbuftrie eyportirt, fonbem
banacb, roelcbe Duote feines ©efammtbebarfs^ ber BMtmarft
bureb bie Snbuftrie jenes ßanbeS bedft, b. b- bie Eyportfumme
eines Sanbes ift gu oergleid^en nicht mit feiner $ro-
buftionSfumme, fonbem mit ben Ejportfummen ber
übrigen ©taaten. Söenn mir biefen Sergleicb giffemmäfjig auf-
fteßen, fo mirb fdjon barauS gur ©enüge b^roorgeben, mit meinem
Secbt baS ©eutfebe Eteicb ben Xitel eines EjportftaateS oerbient.
3m 3ab^e 1898 betrug bie ?lusfubrfumme für bie miebtigften
Eyportlänber beS SBeltbanbelS nad) Dr. S. 3iaimermann in beutfebe
Währung umgereebnet:
9torbamerifanifd^e Union . 5019,6 9Jhll. HWarf
Eropritannien .... 4668
XeutfrfjeS Steich • • • ■ *1001,7
granfreicb. 2802,6
£efterreicb s Ungarn ... 1875
Belgien. 1322 = -
9tublanb.1190 = * (lebtes Quartal gefcbäpt),
Italien.1165 = - (Ie£ter HKonat gefchä^t).
Xeutfcblanb, beffen gefammte Ausfuhr felbft Shtte ber fiebgiger
Sabre nodh mit 2 V 2 StiEiarbe eine oerbältnifemäbig geringe Se-
beutung für ben 2Seltmar!t batte, febreitet alfo beute mit mehr als
1 StiEiarben an britter ©teEe ber Eyportftaaten unb beeft etroa
10—15 o/ 0 beS SßeltmarftbebarfeS.
Ungleich beutlicber noch tritt uns bie Entmicflung Xeutfcb-
lanbS gum Ejportftaat oor Slugen, toemt mir nicht bie gegenmärtige
©umme, fonbern bie SöacbStbumSrate feines Exportes mit
ber ber übrigen ßänber oergleiden. 92acb einer 00 m englifcben
Board of Trade unlängft gufammengcfteEten XabeEe betrug bie
Ausfuhr in ShEionen $fanb ©terling für:
Sauber
1891
1897
3u* refp. Abnahme
SRorbantcrifamidjc Union .
184,3
219
+ 84,7 = 19%
XcutfcbeS Setcb ....
177
197,8
+ 20,8 = 11%
granfreidj.
189,8
192,1
4- 2,9= 1,5%
Belgien.
118,9
113,5
0,4
Sußlanb.
70,7
69
— 1,7= 8%
Defterreicb s Uugaru . . .
65,6
63,9
- 1,7= 3%
Englanb.
309,1
294,8
— 14,9= 5%
£)ie Serebfamfeit biefer 3iffern bebarf mobl feines Kommentars.
f ufammengebalten mit ber erften XabtEe prebigen fte — bei aEer
ragmürbigfeit, bie ben roh berechneten unb nicht immer ftreng
oergleicbbaren 3ablen ber internationalen |>anbelsfiatiftif anbaftet
— einbringlicb bie Sehre, bafe mir uns gu einem erbitterten Kon-
furrengfampf auf bem ©eltmarft bereit halten müffen, einem
Kampf, bei bem in Kürge gmei Sorfämpfer in ben Sorbergrunb
treten merben: 2>eutfd)lanb unb bie Sereinigten ©taaten oon &orb-
amerifa.
3um ©cbluh möchten mir noch auf SolgenbeS binroeifen:
Sn bem 3Ea§e, mie fid) ein ©taat gum Ejportftaat entroicfelt,
fpegialifirt fich gerabe auch feine Eyportinbuftrie. SSenn
mir bie ©tatiftif aufmerffam betrachten, fo fehen mir, bafj bie
mobernen ^portftaaien — man nehme Englanb, Belgien, Xeutfd) 3
lanb 2 c. — im Anfang ihrer Entmicflung giemlicb aEgemein bie
Srobufte gemiffer, bei ihnen aufblühenber Snbuftriegmeige: ber
Xejtil-, ber Eifeninbuftrie :c., auf ben SJeltmarft marfen. Se mehr
ficb baS Sefe ber internationalen ÄanbelSbegiehnngen oerfnüpft, je
fchärfer bie Konfurreng auf bem Seltbanbel mirb, befto mehr be-
febränft fi<b ber Export auf engere ©ebiete. Xie nationale SolfS-
mirthfebaft thut h^r bem &uSlanb gegenüber baffelbe, maS uns
innerhalb ihrer beim eingelnen ©ropnbuftrieEen gang geläufig er-
febeint: fie giebt unrentable Sßirthfcbaftsgmeige auf, refp. be-
febränft ihren Slbfafe auf ben bureb 3oEfdjnb gefieberten inneren
Starft, unb fultioirt für ben Export biejenigen, in benen fie aus
irgenb melcben ©riinben fonfurrengfähig bleibt. XeSbalb fönnen
bie 3 a h^n ber £>anbetsfiatiftif leiebt täufeben, gumal fie ficb
an bie ^Optionen unferes fehr menig fpegialifirten 3oEtarifS an-
lehnen.
©0 ift beifpielsmeife bie Ausfuhr oon gfabrifaten ber Xejtil-
inbuftrie (im meiteren ©inne beS SöorteS) oerhältnifemähig menig
geftiegen. ©ie betrug:
1872: 59 Xaufenb $onS = 556 SKtEionen SWar!,
1880: 80 * = = 796
1890: 102 = - = 909
1897: 116 = - = 777
Xropem haben ftch beftimmte 3w e i0ß btt Xeytilinbuftrie, g. S.
bie gabrifation oon Seloets, oon Xifeb* unb Settgeug, oon ge-
miffen baummoEenen ©ebnitt- unb ©trumpfroaaren 2 c., gu aus-
efprotbenen Eyportinbuftrien mit beberrfebenber Sebeutung für
en Seltmarft entmicfelt.
Sn anberen Branchen mieber treten bie 3iff ern unferer Aus¬
fuhr ftbeinbar in ben ^intergrunb, meil ber ©efammtoerbraudj
unb bie ©efammtprobuftion ber SBelt eine relatio geringe ift, unb
boeb fann bie betreffenbe Snbuftrie oon größter Bebeutung für
unfer 2Birthf<baftSleben fein. ©0 oerfiebt g. B. bie beutfebe
<bemif<be Snbuftrie nahegu bie gange bemobnte Erbe mit ihrem
Bebarf an garben; gahllofe gaorifen mit großen 2lrbeitermaffen
fabrigiren hier einen Slrtifel, ber 00 m Binnenmarft nur gu einem
min^igen Bruebtheil aufgenommen merben fann. Unb boeb oer-
febroinbet bie ÖuSfuhrgiffer ber 9&r. 114 beS SSaarenoergeidbniffeS
(Anilin- unb anbere Xheerfarbftoffe) mit 17, 6 Xaufenb XonS =
67 EEiEionen Storf als ein Xropfen im Eimer unferer ©efammt-
auSfuhr.
gerner unb oor aEem giebt eS eine gange Seihe oon 3n-
buftrien, beten Slrtifel unter bie oerfebiebenften ^Optionen beS
3olltarifS refp. beS SSaarenoergeicbniffeS faEen, unb beren
fteigenber Export beShalb bem Sefer ber §anbelsftatiftif gar
nicht oor ?lugen treten fann. ©0 hat fieb beifpielsmeife bie
beutfebe EleftrigitätSinbuftrie in aEerjüngfter 3ßü einer
Snbuftrie mit auSgefproebenem %portcharafter aufgefebroungen;
babei fönnen aber fehr mohl eingelue ?luSfuhrgiffern ber bafür
in grage fomtnenben ^Optionen: Siffcnfdjaftlid;e Snftrumente unb
Apparate, Stafebinen aus uneblen BtetaEen, feine Bleimaaren,
©lasmaaren in Berbinbung mit anberen Materialien, haaren
aus uneblen ERetaEen u. f. m., menig geftiegen, montöglieb gurüd-
751
Soziale $raji§. ©entralblatt für ©ogialpoliiif. Rr. 28.
752
gegangen fein, ©ang ebenfo ift e« mit ber ©pieltoaarenbrand)e
uno mehreren anbern, befonber« für ben ©jport arbeitenber Sn®
buftrien.
Refumireit mir: ®er ©fjarafter eine« ßanbe« al« inbuftrieHeit
©rportftaat« ift unfere« ©ragten« bann oorhanben, menn fic^ in
betn Sßirthfd)aft«leben beffelben eine Angahl non Snbuftriegroeigen
oorfenben, melcfje meit über ben Sebarf be« inneren SRarfte« f)in*
au« mefentlich unb oorroiegenb für bie Au«fnhr probugiren, fpegieU
bann, menn ihre Slüthe nic|t burcf) geroiffe Rlafenahnten ber ©efefe*
gebuna fünftlidj aufrecht erhalten mirb, roie etroa unfere 3ucfer*
proburtion, fonbern in ber ©unft gemiffer natürlicher Srobuftion«*
unb £ran«portbebingmtgen murgelt/ bie e« ihr ermöglichen, bauernb
ihre Artifei auf bem Skltmarft gu billigerem greife ober in befferer
Dualität (g. S. englifd^e Seingarne) angubieten al« ihre nicht fünft*
lieh unterftüfcte $onhtrreng. ©obalb ein ©taat folche ©yport*
inbuftrien in hinlänglicher Angahl unb in nennen«merther Slüthe
befibt, ift er genöthigt, auf i|r ©ebeihen, auf ba« in ihnen in*
oeftirte Kapital, bie oon ihnen erhaltenen Arbeitermaffen Rücffidjt
gu nehmen, unb bie« nicht einmal nur in feiner 3ofl* nnb §anbel«*
politif, fonbern bi« gu einem geroiffen ©rabe auch in feiner'inneren
Sßirthühaft«* unb ©ogialpolitif. ©« treten bann biefe Srandjen
in Sntereffengegenfah gu anberen, reelle burdi eine analoge ©nt*
Toicfelnng frember ©taaten auf ihrem ©ebiete ftd) in ihrem ©taube
bebroht fühlen ( s Beber unb ©pinner, Rtafdünenfabrifen unb ©ifen*
roerfe in ®eutfc^lanb), unb in biefem ©egenfafe mufe ber ©taat
früher ober fpäter ba« Sntereffe ber Defeteren — pringipiell roenig*
ften« — hinto bem ber ©rfteren gurücftreten laffen, menn anber«
er eine gefunbe — ber natürlichen ©ntmicfelung fid) anpaffenbe —
politif treiben mitl. tiefer eigentümliche 3roiefpalt nicht groifchen
^>anbel unb Snbuftrie, fonbern im Snnern ber einbeimifcf)en Snbufirie
felbft ift unfere« ©ragten« eine« ber <harafteri[tifd)ften unb un*
trüglichften Sachen für bie Attebilbung eine« £anbe« gum inbu*
ftriellen ©grportftaat. Unb bafe Sieutfdjlanb in biefem ©inne ein
folcher ift, roirb man ficherlich nicht beftreiten fönnen unb roollen.
Serlin. 28altf)cr Sorgiu«.
arbeiierfongrefe felbft ein Vertreter ber Regierung bie oorge*
fcblagenen unb eingeleiteten ©chufemafenahtnen batgelegt hätte; Die
meiften Arbeiter erfahren baoon jefet nur, ma« ihnen ihre Slätter
mitgutheilen für gut finben. $)er Sauarbeiterfongrefe höbe fich al«
eine fogialbemofratifdje Seranftaltung bargefteüt unb begroegen
habe fich bie Regierung fernhalten müffen, finb mir belehrt morben,
obroohl ©raf $ofaboro«fp in feinem Antroortfehreiben auf bie ©in*
labung nur ben SDrang ber “^ienftgefchäfte al« ©runb angab. Aber
mürbe e« nicht gerabe einen ber ©ogialbemofratie abträglichen ©in--
bruef gemacht haben, menn man e« nicht oerfdfjmäbt hätte, einen
©eheimrath in biefe Arbeiteroerfammlung, mie in gasreiche Arbeit*
geberfongreffe, gu fehiefen unb bie ßeute über bie ernften ^Bemühungen
ber Regierungen um ben Sauarbeiterfchufe aufguflären? „Sit*
bem man folcpe Serfammlungen al« Seranftaltungen ber ©ogial*
bemofratie ängftlid) meibet, macht man fic erft recht bagu," bemerfi
bie „$öln. Solfggta." fehr richtig, ©o hat bie Regierung ba«
Selb ohne ftumpf oen ©ogialbemorraten überlaffen, anftatt bie fehr
aünftige Sofition au«gunüfeen, bie ihr ba« Runbfchreiben be«
©rafen $ofabom«fp oerfchafft hatte. Rad) ber Analpfe ber
„Rorbb. Ölig. 3tg" enthält ba« michtige Aftenftücf folgenbe fünfte:
I. Ueber ben gefunbheitlidjen ©d)ufc ber Sauarbeiter
befieljen nur oerhältnifetnäfeig menige poligeilidje Sorfchriften. $)ie
Srage, ob e« angegeigt ift, fie gu oermehren, ift für bie eingelneu
Sheile be« Reich« je nach ben thatfädjlichen Serhältniffen fehr
oerfcfjieben gu beantmorten. $)a, mo bie Serhältniffe einfach liegen,
in«befonbere in ben meiften Iänblichen Segirfen, mirb ein foliäje«
Sebiirfnife faum anguerfennen fein, ©ang anber« liegt e« in ©e*
bieten, in benen eine rege Sauthätigfeit entfaltet mirb, mie in
größeren ©täbten unb inbuftriereichen, fchneH aitroachfenben Drten.
|)ier ergiebt fich vielfach bie $othroenbigfeit, eine Ser*
inehrung be« Strbeiterfchufce«, für melchen bie freimillige
Sürforge ber Arbeitgeber bi«her nicht überall al« au«rei<henb fnh
bcrau«gefteüt hat, Durch poligeiliche Slafenahntcn gu er*
groingen.
Unleugbar finb bie bet bem inneren Ausbau oon ©ebäubeit, ins*
befoubere bei Neubauten befdjäftigten Arbeiter, menn fie in ber falten
SU Urginungett »mb brr floiiorbritrrfdjufe in
Beutfd)lanb.
Auf bem oom 19.—21. ÜWärg in SBerlin abgehaltenen Sau*
arbeiterfongrefc (oergl. ©p. 700 ber „©og. Srayi«") ift bie S*age
einer Serbefferung be« Arbeiterfd)iibe« bei Sauten ausführlid) unb
lebhaft erörtert morben. Sei ben Serhanblungen mürbe laute
Silage geführt, bafe bie 9teid)«oerroaltnng biefer S^age feine ge*
nügenbe Sead)tung fchenfe. tiefer Sehauptnng tritt ein hach 5
offigiöfer Deitartifei in ber „9?orbb. Allg. 3tg-" entgegen, ©omohl
bie Sieidjsregterung mie bie oerbünbeten Regierungen hätten fid)
fdjon feit längerer 3eit erttfllid; mit biefer Srage befchäftigt, unb ber
©taatsfefretär be« Snnern, Dr. ©raf o. $ofabomSfp*Skhner, habe
in ber Reich«tag«fibung oom 24. Sanuar b. S- erflärt, bafe er auf
©rnitb eingehenber ©rhebungen tn ben ©ingclftaaten unb im
SBefentlichen im ©inoerftänbnife mit ben oerbünbeten Regierungen
in einem an bie Iefcteren gerichteten Runbfd)reiben, ba« f^on oom
30. Sani 1898 batirt, ©teüung gu jener Srage genommen habe.
Sn biefem Runbfcbreiben mürbe bie Rothmenbigfeit eine« mir!*
fameren ©chufec« ber Sauarbeiter gegen Unfälle unb ©efunbheits*
gefahren unumtounben anerfannt, gugleich aber auf ©runb ber
üorgenotnmenen ©rmittelungen barauf hi n 9 ci aiefen, bafe c« auch
bie SnnbeSregierunaen au«nahm«lo« al« ihre Aufgabe anfähen,
Rtifeftänben auf biefem ©ebiete, fomeit ihnen nicht bereit« bisher
bnreh befonbere Sorfchriften unb ©inridjtungen entgegengemirft
morben fei, nach Rtöglidjfeit abguhelfen.
©« mirb bann ber mefentliche Snhalt biefe« Runbfchreiben«
mitgetheilt, ben mir meiter unten folgen laffen. SDa§ Sorgeljen be«
©taatsfefretär« geugt in ber % hat oon einer grünblid)en ©nuägung
ber Serhältniffe nnb einem aufrichtigen Semiihett ber Regierung, bie
oorhanbenen Rfifeftänbe abgufchaffen. ^ie gute SMrfung be«
Runbfchreiben« märe aber ficherlidj mefentlidj oerftärft morben,
menn c« feinergeit fofort ber breiteften £cffcntlid)feit gugänglid)
gemacht morben märe, nnb groar in feinem oollen Wortlaut. L i»enn
bie furgen Anbcutungen, bie ber ©taatsfefretär in ber Reichstag«*
Übung oont 24. Sanuar gab, liefern bie £ragmeite bes Runb*
fdjrcibens nicht gang erfennen. ©o hat man fein Vicijt Rionate lang
unter ben ©cheffel gefteüt unb Iäfet e« erft jefet leuchten, nachbem
Srrthümer, Silagen, Sefdjmerben fich feftgeniftet haben. Unb mie
oiel lebenbiger märe ber ©inbruef gemefen, menn auf bem Sau*
i^ahreSgcit bei offenen % huren unb Senftern arbeiten müffen, erbeblidjen
©efunbheitC'fdjäbigungen nu«gcfebt. ^a« Runbfchreiben betont mit ©nt*
fchicbenl)eit, bafe in ber begeichneten Richtung ben 'Sattarbeitern ba, mo
es bisher nodj nid)t in ber einen ober anberen Steife, g. S. burch Auf*
nähme geeigneter Sebinguugcn in bie Sauerlaubittb, gefchehen ift, unb
uid)t ctma übiutgsgemäb bic Sauthätigfeit in ber falten Sahre«geit
gänglid) rufjt, ein befferer ©d)iih gu 2t)eil merben mufe, unb bafe bettt
Grlaffe poligeilidier Sorfchriften, burch toelchc mährenb ber AuSfitlmmg
ber Snneuarbeiten gur ©interSgcit ein menigften« prooiforifdjer Serfchlufj
ber 3:hür* unb SenfterÖffnungen angeorbitet mirb, burdjgreifenbe Sc-
bettfen nicht entgegenfteheu. $a« Arbeiten in Räumen, in benen offene
Stofsfeuer brennen, ift in hoh?m ©rabe gefunbheitsfdjäblich uttb felbft
lebensgefährlid). Sn einer Reihe oon ^oligeiocrorbnungeit mie auch in
ben llufallueidjütmigSüorfrfjriften ber meiften Saugemcrf«=Seruf«gertoffen=
fdjaften finb bereit« Seftiiumungen enthalten, bie biefeu ©efahren oor*
beugen fallen, ©omeit biefe ©efahrett aber noch beftefjen, erflärt ba«
Runbfdjreiben poligeiliche Sorfchriften für bringenb geboten, monadj itt
Räumen, in benen offene ttofsfeuer ohne oollftänbige Ableitung ber
entftehenben ©afe brennen, nicht gearbeitet merben beirf, foldie Raunte
gegen anbere, itt benen gearbeitet mirb, bicht abgnfdjüefjen finb unb
nur oorübergeljenb oon ben bie .tofsförbe beattfüchtigenben ^erfotten
betreten merben Dürfen. Seiner ift bie Sefdiaffung oott llnterfnnft«*
räumen für bie Sauarbeiter gur Senufcuug mährenb ber Arbeitßpaufen
nnb gum 8d)upc gegen bie Uitbilbett ber Witterung fomic bie Anlegung
oon Sebürfuif 3 anftalten nur oereingelt burch $oligeioerorbnungeti, häufiger
bitrd) poligeiliche Verfügung insbefottbere bei Grtheilung ber Sau*
erlaubnib geregelt morben. ©s mirb aber in bem Runbfdjreiben heroor*
gehoben, bah aud) nadj biefer Slichtung hin für gasreiche Sheilc be«
Reich« nodj oiel gefdjehen muffe.
Rlit oölliger ©inmüthigfeit haben fich bie oerbünbeten Re*
gierungen bahin au«gefprodjett, bafe eine Sefeitigung biefer Uebel*
ftänbe groeefmäfeia nid)t burdh Sorfchriften herbeiguführen fei, meldhc
burch Sefchlufe be« Sunbe«rath« für ba« gefainntte Reid)«gebiet
gemäfe §. 120e Abf. 1 ber ©emerbeorbnung gu erlaffen mären,
fottbern oielmchr burch lanbe«redhtliche, in«befonbere begirf«*
ober ort«poIigeiIiche Rlafenahmen unter Seriicffichtigung ber
örtlichen Sebiirfniffe unb in Anpaffung an bie nad) feltma, ©e*
bräuchett n. f. m. oerfdjiebeneu Serhältniffe in ©tabt unb Saitb.
Snbem fnh ba« Runbfchreiben ebenfall« auf biefen ©tanbpunft
ftellt, legt e« gleidjgeitig noch bie rechtlichen ©djroierigfeiten
bar, bie fich & e t einem Sorgeljen auf ©runb be« §. 120e Abf. 1
ber ©emerbeorbnung barau« ergeben mürben, bafe bie auf ©runb
biefe« ©efefee« gu erlaffettben Sorfchriften nur für ©emerbetreibenbe
red)teuerbinblidj mären unb biefen nur Serpflichtungen gum ©<hu^
ihrer eigenen Arbeiter auferlegen formten. 3>ie Sauherren foroohl
758
Sogiale SrajtS. Eentralblatt für Sogialpolittf. Nr. 28.
754
lüic bie (Mefanuniunieruc^mcr fiiib aber häufig uid)t bewerbe*
treibenbe iitib atebatm ben Sorfdjriften ber ©ewetbeorbnung mib
bcn gu beren 2lu3fiihrung erlaßenen Seftimmungen nicht unter*
worfett. 2lud) f)anbett e0 fich hi e * wm foldje Sdjußmaßvegeln,
welche ben 2lrbeitern ber oerfd)iebcnen, gleidjgeitig ober nachcinanber
bei bemfelben Saue tätigen Saugewerfe gu ©ute fommen follen,
nnb baber am gwecftnäßigften bem Sauherrn ober bem ©efammt*
Unternehmer eines Saueg aufgegeben werben.
II. Den 3roetfen ber Unfalloerbütung auf Sauten bienen
neben ga^Ireic^en poligeilidjen Sorfdjriften mehr ober minber lofaler
2lrt bie oon ben Saugewerf£*Scruf£gettoßenfchaften erlaffeneit Unfall*
oerbütungSuorfdjriften. Stuf ©rnnb ber angeftellten (Erhebungen
erfennen bie Smtbesregierungen ebenfo toie bas Nitnbfchreibcn beS
Staatgfefretärg beS ignncnt an, baß bie oon ben Serufggenoffen*
[(haften erlaffeneit unb ftetig oeroottfommneten Unfalloerhütungg*
oorfdjriften als burdjaug gwecfetitfpred)enb unb in Serbinbung mit
ben gasreichen po!igeilid)cn Sorfdjriften, ihre gehörige Durch¬
führung ooraitggefeßt, im Allgemeinen als auSreidjenb gu er*
arfjten feien, fo baß gur 3 e rt fein 2lnlaß beftehe, oon Neidjgwegen
ben (Erlaß oon Sorfdjriften gum Schüße ber Sauarbeiter gegen tie
llnfallgefahr ins eilige gu faffen.
©cmt cs bcunotf) bis jcßt tocbcr ben bcbörblidKit nod) bcu bcntfS*
gcnoßcnfdjaftlichen Stfaßnahmen gelungen ift, bie llnfallgefahr bei Sauten
in bem wünfd)cuswcrtheu Sfaße eingubämmen, fo muß bie Itrfadic hier*
für — neben anberen allgemeineren unb für fänuntlidje gewerblidjc
ScrufSgenoffenfdjaften mehr ober weniger gleidjmäßig wirfenbcit Um*
ftänben — oor ?lüem in einer itngulänglidjcn Durdjführung ber
üeftehenbeu Sdjußoorfdjrifteit gcfud)t werben. Xabei barf nicht
überfeinen werben, baß ftrf) bie relatioe Zunahme ber Unfälle auf bie
leichteren gälle, b. h. auf folcße mit oorübergehenber ober mit nur tßcil*
weifer ErwerbSunfähigfcit bcfdjräuft, währenb bie 3aßl ber feßwererrn
Unfälle, foweit fic ben Sob gur g-olgc hatten, annähernb gleid) geblieben
ift, unb bie Unfälle, welche oöllige bauernbe EnoerbSiinfähigfeit gur
golge gehabt haben, fogar eine recht crl)cblirf)c Abnahme auf weifen.
III. Der praftifdje Erfolg ber Unfalloerhiitungooorfchriften
foroohl toie ber gum Schüße ber Sauarbeiter fonft erlaffenen Se*
ftimmungen hangt aber, wie bas Nunbfdjreiben bes Näheren aus*
führt, in erfter Sinie oon einer wir ff amen Kontrolle ber
Sauausführungen ab. Hier oor Ottern muß beffernb einae-
griffen, bie lleberroachung ber Sauten häufiger unb grünblicßer
auSgeübt werben als bisher.
Die ftuffidjtdthätigfeit ber Saupoligeibehörbcn barf nicht Iebiglid)
auf bie bauplanmäßigc uub ftaubfidjere §erftellung ber Sauten, fonbern
muß nicht minber auch auf bcn wirffameu Schuß für Sehen unb ftc*
fnnbheit ber Sauarbeitcr fowic auf Nahrung bes MuftanbcS unb ber
Sittlichfeit auf Sauten aeridjtet fein. Durd) ftärfere Herangieljuug ber
und) § 139 b ber (ileweroeorbnung gur allgemeinen Oücwerbeaufficßt be*
rufeneu Seamteu l(^ewerbcauffid)tsbeamten) wirb fich freilid) eine
Sefferung auf biefem (Gebiete faunt erreichen laßen. (Sine häufige unb
griinblidje Seauffidjtigung ber gasreichen, gerftreut liegenben Sauten
würbe beren geit unb Nrbcttsfraft übermäßig in 2lnfprudi nehmen unb
bie Erlcbiguug ihrer fonftigen Dieiiftgcftfmfic in bebenflidjem Staßc be*
einträchtigen. ' Hieroon abgefeheu, fehlt ihnen aber and) regelmäßig bie
für eine foldje Aufgabe nothwenbige tedjnifdie unb praftifdje Sdjulung.
ES fpredjen üieltnci)r überwiegenbe öriinbe bafür, bie in engftem ^u*
fammenhange miteinanber ftcßcnbcu Aufgaben ber ^oligci im engeren
Sinne unb bes ?lrbeiterfd)ußes auf Sauten nicht in bie §anb getrennter
?luffid)tsorgaue gu legen. Dagu fommt, baß bei ber großen 3al)l unb
bem häufigen S>ed)fei ber Sauftelleu unb angefidits ber mit bem gort*
fehreiten eines Saucs fich fortwährcub oeränbernbeu Sefdiäftigungs*
oerljältniße ber Schwerpuitft einer wirffameu Seauffid)tigung ber Sauten
hoch immer in ber Dßätigfeit örtlicher, eine fortlaufetibc Kontrolle aus*
iibenber Organe gejucht werben muß. ^iernad) ift gwar einftweilen
baoon 2lbftanb genommen worben, oon Ncirfjswegen Sorfdjrifteu gur
Serbefferuug bes 2lrbeitcrfchußes auf Sauten gu erlaffen; bagegen finb
bei ben Sunbesregierungen bie gu biefem ,3werfe erforberlidjcn Si'aß=
nahmen unb insbefonbere eine Serfd)ärfu-ng ber poligciliriien
Saufon trolle in Anregung gebradrf. Sabei ift, wie ber Staats*
fefretär bes Innern in ber oben erwähnten 9ieid)Stagsfißnng glcithfalls
heroorgehoben hat, auch bie Jvrage gur (Erwägung gefteflt worben, wie
weit etwa gur befferen ^urrfiführung ber Schußoorfdiriflcu auf bett
Sauten eine gewiffe Slcitwirfung oon ^ er fönen aus bem iHr*
beiterftaube thuulich fein würbe. A-reilid) wirb mau gu biefem werfe
nicht eine gefonberte organifirtc, ihre Spißc gegen bie Unternehmer
fehrenbe ?lrbeiterocrtretuug fd)affcu fönnen, burdi wrldje bie Wcgcnfäße,
wie fie ftd) in ^olgc ber fogialbcmofratiidjen Agitation im Saugewerbc
mit befonbercr Sdjärfe heranSgebilbet haben, gum 3d)abeit ber Sad>e
nur nod) gefteigert werben würben, ^ohl aber ift bie (Erwägung au*
geregt worben, ob nicht bei eiugclncn, insbefonbere größeren Sauten
bie Unternehmer gu ucrpflidjtcn wären, ihverfeits ber 'ßoligeibcljörbe
eiugelue Arbeiter gu bcgeidinen, weldje bie Aufgabe haben würben, auf
bie Seadjtuug ber Sdjußoorfdirifteu bei bcn Sauten mitgunditen unb,
wenn ber Salier ober bie fonft bcn Sau leiteube Stelle ihren Sor*
ftellnugcn wegen Seachtuug fold)cr Sorfdjrifteu nicht gercdjt wirb, bei
ber Soligcibefjörbc iHngeige gu mad)ett. (Es erfdjeint nid)t auSgefchloßeu,
baß fich eine folche Maßregel, weld)e ingwifdjen in eingelnen Sljcilen
bes ^Icicf)!? bereits in ?lusfid)t genommen ift, in ber 2hat wirffam er*
weift, btc Sßätigfcit ber AtontroHbeamten gu unterftüßen unb ben Sau*
arbeiten! benjenigen Sdgtß gegen Unfälle gu ficßern, auf ben fie offenbar
?lnfprud) haben.
©leidjgeitig mit bem SHunbfchreiben an bie Sunbesregierungen
finb auch Serßanblungen mit ben Saugeroerfö*Seruf§genoffenfchafteu
oeranlaßt worben, um biefc gu einer intenfioeren Oleftaltung
ber beruf^genoffenfchaftlichen (Eontrole über bie Durch¬
führung ihrer UnfafloerhütungSoorfchriften gu oermögen. Diefe
Serhanblungen fmb noch nicht gum Ülbfdhluße gefommen.
Sefonber0 bebeutfam ift in biefer ^ublifation ber §imoei^ auf
bie |jerangiehung oon Slrbeitern gum 2luffid)t§bieitft.
^)ier hanbelt e§ fich um ein ^ringip, unb mir freuen un$, baß
bejaht wirb; benn in ber Dhat haben bie Sauarbeiter, für bie
Oeben unb ©efunbheit auf bem Spiele fteben, nicht nur ba^ ftärffte
Sntereffe an ber ftrengen Durchführung ber Schußmaßnahmeit,
fonbern fie finb aud) gur Scithilfe hi«: oorgiiglich geeignet. $ur
ift bie 2lrt unb Steife, roie bie Sertretcr ber 2lrbeiterfchaft gugegogen
werben follen, unfereä ßrac^ten^ gang oerfehlt. Seicht bie Unternehmer
müffen bie Arbeiter begegnen, bie Montroleure werben, fonbern
bie 2lrbeiter felbft müffen Sertrauenöleute oorfdjlagen,
bie mit ber ^oligeibehörbe unb ben Sertretern ber Seruf^genoßen*
fchaften gufammen bie Durchführung ber Schußmaßitahmen über*
machen. s d)ian nehme fich hoch bie giinftigen Erfahrungen gum
3ßufter, bie bie (Öeroerbeauffichtsbeamten in SSiirttembcrg mit ben
SertrauenSlcuten ber organifirten Arbeiter gemacht haben (oergl.
Serid)te für 1898 S. 5, 7, 54, 55, 103, 105)! 92id)t eine Steigerung,
fonbern eine SMlbernng ber (^egenfäße groifdjen Unternehmern
unb Arbeitern ift gu erwarten, wenn man ben gleichen ©eg, ber
bort gu fo guten Ergebnißen geführt hat, auch für ben Arbeiter*
fdE)uß im Saugewerbc einfchlägt. £>at man ßd) einmal grunbfäßlich für
bie hödßt erwünfd)te Dheilnahme oon 2frbeitcroertretern an ber
2lufficht bei Santen entfdjiebcn, fo wage man aud), bie logifcße
Äonfegucng gu giehen, uub bredje uid)t gaghaft bem ^ringip fofort
wieber bie Spiße ab. Souft läuft man EJefafjr, troß ber beften
2lbfiditen unb Semiihuiigen nicht an^ 3iel gu fommen.
Mgemelne Sojlrü- nnb fflirtfyfdiaftepolittk.
(Et« Hafßfche^ lebtet ber SlrbeUlitlligen nennt ^rofeffor
Srentano*Sciind)en in einem in ber „2lllgemeinen Leitung" oer*
öffentlicßten 2fnffaß bie Serliner Äonfeftiousinbiiftcie. EJcftüßt auf
bie auch in biefen Släitern (VII. Sp.840) befprodjenen ilnterfuchungen
beS Sräulein E3. Dijhrenfurth über bie i?age hnuSinbuftrieller 2lrbei*
terinnen in ber Serliner Slufen*, Unterrocf*, Sdjürgeu* uub Drifot*
fabrifation fcfjUbcrt Srcutano bie traurige Vage biefer 2lrbeiterinnen,
bie fich mit Söhnen oon 7 4 bi^ 15 a\ pro Stunbe bei ange*
ftrengtefter 2lrbeit begnügen müffen, unb bie, foweit fic barauf an*
gemiefen ftnb, ootn Ertrage biefer 2lrbeit nießt nur allein leben,
fonbern oft nod) ft'inber erhalten follen, entmeber bem junger
ober ber Schaube anheimfallen. 3h r ^ ©ohnungen finb elenbe
Söcher; alle Serrichtuitgen be^ täglichen Sebent finb in bem eingigen
kannte oorgunehmen. Srentano fchreibt:
„Die Heimarbeiterinnen fmb iibcrwiegeitb oerhcirathetc grauen im
2Uter gwifdjen 25 unb 35 fahren, in bem btc 3af)l ber erwerbSim*
fähigen Alt über am größten ift. Namentlich fmb es bie grauen oon
Scannern, bie unter periobifd)er 2lrbeitslofigfeit leiben. Xann lebt bie
gange gamüie oon bem färglidjeu Scrbtcnft ber grau, ja ber Ncauu
mit feinen unbeholfenen gingen! wirb bann felbft Vrßrling in ben oer*
fdjiebeucit AUinften, welche bie §erfteflung ber Aionfeftionswaare erl)eifd)t.
Nußcrbcm aber geigt fid) ber waßerpeftartige Eßarafter ber Hausiubuftrie,
wie immer, fo aud) hier barin, baß fie, wo fie eriftirt, gar nicht mehr
ausgurotteu ift. fd)lcditer bie Einnahmen werben, befio weniger ;>cit
hat man, fich nad) einer lohueuberen Scfchäftigung iinigufehen; baher
es fo feiten ift, baß gemaub, ber einmal im (bewerbe brin ift, ihm
wieber entrinnt, ge niebriger bie Vohnfäßc finfeit, befto früher werben
bie eigenen Minber gur Ncitarbeit heraugegogen. ge nötbiger eine Se*
fdiränFimg bes Angebots wäre, befto mehr nimmt es fortwährcub gu,
beim bie wcilgehenbe Nrbcitsthcilimg liiadjt nur eine Vebrgcit oon gwei
bis uicr ©odjeu nöthüh bie ^eidjtigfeit in ber Seidiaßmtg ber Scanlnue
oeranlaßt ungähligc ehemalige Xieuftinäbdien, nach ihrer Heirath als
Heimarbeiterin einen 3ufdmß gu bcu A>ausl)altsfoftcu gn oerbiennt, unb
bagu fommen nod) bie grauen mtb Döditer oon fleinen Seamteu uub
Siirgcru, weldjc Nrbcitcu übernehmen, nur um iidi bie Sföglidifeit ge«
Irgeütlidien llieaterbcfmhs ober aubrrer Erlranergniigen gu ocn'dinficu.
Nlleiu es giebt and) galjlreidje Siäbdjeu, bei bcucu ber ^ohu, ben fie
755 «Soziale praris. Gentralblatt für ©ojialpolitil. Nr. 2*. 756
ucrbictint, uidit blop ein ^ufdmp ift, fonbmi bie fein aubrrrs ehrbare»
Ginfommcn haben.
dietf onfcftioitdinbufirie erfd)eint als ein wahrhaft flrtffifdjev (Gebiet
ber Arbeitswilligen. 2$on allen Seiten brängen fie ftd^beran, bereit, Arbeit
unter faft jeber iBebtngung ju nehmen. Hier ftört {einerlei Koalition
baS Necht bes Giuzelucn, bie Uebrigcn 311 unterbieten . . . Unternehmer,
bie es für riötpig halten, bie uou ihnen s 23cfd)äftigten nur s l'ergemalti=
guug burd) Strcifenbe zu fc^ii^cn, finben hier nichts ju t^iiu."
Brentano hält bei ber WiberftanbSlofigfeit biefer Arbeiter, bie
bie lepte Urfache ihres GlenbeS ift, alle Ntapnal)men, bie jept non
ber Regierung 311 ihrem Schule norgefd)lagen werben, für aus*
ficptSloS, fobalb man nicht baS Ucbel an ber Wurzel anfaffe, unb
biefe Wurzel fei baS unbegrenzte Angebot non ArbeitSroißigett:
„das einzige Mittel, um Sefferuug zu fdjaffen, ift bie .C^eran*
Ziehung ber Arbeiter felbft, joroohi z ur Durchführung ber zu ihrem
Sd)upe erlaffeuen gefefelidjen Üöefümmungeu als auch zur 23efferung
ihrer Lohnuerhältniffe. Nun ift es gernip richtig, bap non freien
Koalitionen ber Heimarbeiterinnen nichts z u erroarten märe. Sie
ftehen zu tief, ftnb zu arm, leben zu ifolirt, als bap über bem
nädhftliegenben 3utereffe beS AugenblicfS baS bleibenbe Jntereffe
Mer non ihnen ins Auge gefafet tnerben fömttc. Allein zögern
mir bentt fonft in deutfepianb, ba tno bie freimillige onitiatine zu
fchroach ift, non oben herab zu organifiren? Haben mir nicht für
perfonen aller üöerufe unb zwar für foldjc, bie fid) nollftänbig felbft
Zu mehren nerfteheu, neuerbingS non AmtSroegen Organifationen
gefdjaffeit? Lautet ni^t inSbefonbere ber §. Hl ber ©emerbeorbmtng:
„diejenigen, welche ein ©ernerbe fclbftftänbig betreiben, tonnen zur
Jörberung ber gemeinfanteu gewerblichen Qntereffeu zu einer Innung
Zufammentreten" unb fantt nicht fogar ber 23eitrittSzroang zu fold)er
Innung nad) §. 100 ber ©emerbcorbnuug ausgesprochen werben ?
Wenn es als Aufgabe biefer 3nnungen bezeichnet mirb, ben ©erneut*
geift zu pflegen fötnie bie StanbeSehre aufrecht zu erhalten ttnb zu
ftarfen, roarunt gedieht non Atntsroegen nichts, um ben ©emein*
geift bei benen zu meefen, bie unter betn fchranfenlofen Wettbewerb
ber Einzelnen am Reiften bebroht fittb, mirthfehaftlid), pbpfifd) unb
fittlid) $u nertommen unb ihre Ghre gerabezu zu oerlieren?"
die amtliche „berliner Korrcfpoubenz" beeilt fich zu oerfidjent,
bie Regierung merbe auf bie Anregung Brentanos nicht eingehen.
Wer hätte baran gezmeifelt?
©in ©ropittbuftrießer für bie gemeinsame Drgauifation ber
Arbeitgeber unb Arbeiter, die Anträge Hipe^ieber unb 23affer*
mann*Het)l, bie fid) aufbauen auf ben Porten ber Kaifcrbotfcf)aft
nont 4. Februar 1890
„für bie pflege bcs Jriebcns zuüfdjen Arbeitgeber mib Arbeitnehmer
gefeplidie 'tBeftimmimgeu über bie formen in Auofidit zu itelimen, in
benen Arbeiter burd) Vertreter, meldje ihr Vertrauen befipen, an ber
Regelung gemeiufamer Angelegenheiten betl)eiligt unb zur 'Wahrnehmung
ihrer Sntcrcfjen bei Aerbaubiung mit ben Arbeitgebern unb mit ben
£rganen ber Regierung befähigt merbcu" :c.
haben, mie befannt, eine lebhafte 23efärapfuttg 0011 gropinbuftrießer
Seite erfahren, bie biefem ^Beginnen fo$xaIpolitifd)en dilettantiSmus
unb Segiinftigung ber Sozialb'emofratie oormirft. 3u längeren Aus*
führungen in ber „Wotmfer Reitling" tritt nun Herr u. Hepl biefen
©inmürfen entgegen. Gr hält baran feit, bap fein Antrag einen
Fortschritt auf bem Wege fozialpolitifdjer ©efepgebuug unb einen
Schritt zur pflege beS TvriebeuS zuüfdKu Arbeitgebern unb Arbeit*
nehmern barfteßi. Was ber Antrag miß, fei thcilmeife uothmeubig
geroorben. dahin rechnet ber Perfaffer oor allen dingen, bap bie
Arbeiter aus ber Arbeiter)djaft herauf ihre Vertreter wählen,
©egenmärtig fämen in Jväßen ooit NieiumigSoerfdncbenbeiten bei
ben rtothmenbig merbenben Perpanblungen als Vertreter ber Arbeiter*
fepaft Leute zum Porfd)ein, bie mit ben Arbeitern ber mähren ©e*
finnung itad) nid)t 0 z u tbun haben, oont ©emerbe meiftenö nid)t 0
uerftäitben unb nur barauf bäd)teu # für bie Sozialbemofratie ctma 0
herau 0 zufd)lagen. die geplante Organifation bagegen merbe ben
fozialbemofratifchen Agitatoren feine SJhihepoften gemähreu; fie
merbe fogar ben Sozialbemofraten fehl* unangenehm fein. Wa 0
Herrn o. $cnl aber befonbei» fiir ben Antrag ftimmt, ift bie ©e=
migheit, bap bann mit ber ftilleu Wühlerei zu Gabe fei, ba
bas, roa* au Wiiufdieu unb 5Befdnoerbeu bei ben Arbeitern uor* i
hanben ift, au bae Xage^lidjt 1111 b offen oor bie Unternehmer ge*
bracht merben miiffc.
deutfdjeö 9)fufeum für Soziale ^raz;iö. der feit zehn fahren er*
örterte unb nod) fiirzlid) im SHeidpMag rid. 3anuan einmiithig befiir*
mortete $Ian, ein fozialev 'Diufeum für llnfalloerhütung, Arbeiter*
fdjup, ©emerbehpgienc unb Woblfabrtöeiuridunngeu 001 t A'eidj^megen
Zu fdjaffen (uergl. Ar. 22 ber „Soz- ^raric^O, mirb jept mieberuui
angeregt, die „^oft" bringt anläßlich eines X'efudicv, ben ber
Staatsfefretär beS 3'nuern ber Sammlung ber preujjifchen Gcntral*
ftelle für Wohlfahrtseinrichtungen abgeftattet hat, in Grinnerung,
bap im AeidjStag oon oerfdjiebeneit Parteien bie Grrichtung eines
äßufeumS geforbert morben fei, bas namentlich alle Neuerungen
auf bem ©ebiete ber ilnfattoerhütung zur darftellung bringen foH.
„UufercS GrachtenS," fo bemerft hierzu bie „Siibb. NeidjSforrcfp.",
„mürbe fid) praftifd) mit einem foldjen Ntufeum eine miffeufdjaft*
lidje darftellung ber ^olfScrnährung unb ber WohnungSbpgiene
oerbinbeu taffen. Würbe man in biefem Nahmen im ^sntereffe ber
arbeitenbeu Klaffen unb zur Sörberuug mid)tiger fozialpolitifrijev
3 mecfe ein ©efunbheitSmnfeum begriinben, fo mürbe allerbings
mir baS Neich bie geeignete Stette zur Ausführung eines folchen
Unternehmens fein fönneii. Wir glauben, bap Ijierburd) midjtige
praftifd)e Anregungen gegeben merben fönnten, meld)c bleibenb auf
aße betheiligten Krcife nnmirfen mürben/' 3n biefem Sinuc
haben fid) mieberljolt Vertreter ber Unternehmer unb ber Arbeiter
geäußert. Welchen Namen baS neue Hiufenm tragen foß, ift
einerlei, menu es nur gcfd)affen mirb. Hub bazu mirb ber NeidiS*
tag fofort bie Haub bieten, faßs bie oerbiinbeten Negierungen mit
einer entfprechenbeu Vorlage fomtnen.
daS ©efep zmtt ber ArbettStoißigen in Schtoebea Per«
toorfen. der Auffap oon Dr. A. Naphael in Stocfl)olm über bas
oom fchtoebifchen Neid)Stag mit erheblicher Niehrhcit angenommene
©efep zum Sd)iip ber ArbeitSroifligen (oergl. Sp. 668 ber „Soz.
s $rariS") mies barauf hiu, bap bieS ©e[ep nod) bem ©utachteu
beS Neid)Sgerid)tS unterbreitet merben müffe, „unb es ift faum zu
erroarten", fügte ber Herr Verfall er hinzu, „bap es ber unpar*
teiifdjcn Kritif ber h er °orrageiibften fchroebifdjen Ned)t§gelef)rteu
Staub halten mirb." diefe Annahme h°t fid) jept erfüßt. die
Prüfung beS ©erid)tsF)ofes ift erfolgt unb baS gerabezu einftimmig
befdjloffene Grgebnip ift, „bap baS (^)efep uerfaffungSmibrig
unb baljer nicht oon ber Krone fanftionirt merben barf".
die fremben Arbeiter in ^ranfreich. Wie bie „Soziale $rayis"
fchon berichtet hat, liegen ber Kammer mehrere ©efepentroiirfc z»r
^efteuerung ber auSläubifd)cn Arbeiter oor, bie gegenwärtig im
Stabiutn ber Kommiffionsbcrathung flehen. Um eine 33e)d)Ieuni*
aung ber Gntfcheibuug zu erlangen, brachte einer ber Urheber jener
Gntmiirfe, Abgeorbneter dnbuiffon, bei ber GtatSbcrathung feinen
Antrag in Jvorm eines AmenbementS zum Giunal)mcetat bes
5inanzminifte_riiimS ein. die Ainanzoermaltung foßte einfach fchon
für baS laufenbe ^nbgetjal)r oon ben Unternehmern eine Steuer
oon 60 Öres, für jeben bcfdjäftigten fremben Arbeiter erheben,
den einzigen fd)mermiegcnbcn Ginrourf, ben man biefer Niaprcgel
eittgcgenfepen forme, bilbet nach H^rn dnbuiffon bie ©efahr ber
©egenmapregeln beS AuSlanbeS. ' diefe ©efahr fd)äpt er jebod)
für fehr gering, ba baS Nerhältnip ber fremben Arbeiter iu
Öranfrcid) z» ben franzöfifd)en Arbeitern im Auslanbe ein zu un»
gleiches fei. Nad) ber SSolfSzählung oon 1891 lebten in A-ranf*
reid) 1 150 211 ^erfonen frernber Nationalität, daooit repräfeutiren
430 580 eigentliche Lohnempfänger, nämlich 39 377 Angefteßte,
339 217 Arbeiter unb 61 786 dienftboten. die 3 rt hl ber
franzöfifd)cn Arbeiter im Auslanbe betrage IjöchftcnS KX)oOO, ttad)
offiziellen Sd)äpungen fogar nur 60 000 , mtb biefe feien fo fehl*
Zcrftreut, bap fein Lanb eine gropc Anzahl baoon hefipt. 3» 23e*
trad)t fämen überhaupt mir Gnglanb, 23elgten unb bie Schmelz.
Gnglanb habe rneuig ftaatsangchörigc Arbeiter in ^ranfreid), bic
Schmeiz erhebe fd)Ott jept iu einzelnen Mautoneu gemtffe dareu oon
ber fremben Arbeit; biefe beiben Länber mürben alfo feine Ne*
preffalien ergreifen. And) in 23elgieu feien ber geringen 3 ahl ber
frauzöfifd)cn Arbeiter megeit feine toirflidje ©egenafiioneu zu er*
märten. Aus biefen ©riiuben fönnc mau al[o uubebenflid) beu
energifcheu Sd)up ber nationalen Arbeit imoerziiglid) burd)führeit,
ber fid) um fo britiglidjer ermeife, als cS fiel) um nahezu
l i-> Nhllioit 3 ubioibiien hanble. die dcputirtcufainmer enthielt fid)
einer fad)lid)eu Steßuugiiahme zu bem Amenbemeut, baS fie, ob=
mohl man barin bilatorifdje 23c()anblung ber 3rage erblidte, ber
mit ber 23orberathuug ber früheren ähnlichen Anträge betrauten
Mommiffton iibermieS.
dir Sragc ber AlterSPcrforgung in Gnglanb. der Antrag
V. Hoßanbs auf Ginführuug einer obfigatorifd)en AÜersoerforgimg
in Gnglanb (ogl.^Sp. 708 ber „Soz. ^raj;is") ift nirfjt ber einzige,
melcher bem englifdjen Parlamente oorliegt. Giueu Gntmiirf älju*
lidjeu 3»halts haben Sir W. Softer unb Labendere oorgelegt;
bemzufolgc hätte jebc perfon euglifdier Nationalität oon über
65 3al)ren, bereu möcheiitliches Giufommen uid)t mehr als 5 sh
beträgt, Anfprud) auf eine mödjentlidje penfion uou 5 sh mtb jene,
| bereu Giitfommeu ziuifiljcu 5 unb 10 sh roödjentlich beträgt, er*
768
757
Soginlc $ra£tS. Gentralblatt für ©ogialpolitif. Ar. 28.
gelten eine Boifiott, bie bie Wocpeneinitapmc auf 10 sh ergänzt.
Ginc GraffcpaftSratp*UmIage pätte bie Mittel hierfür gu befepaffen.
— Gine anbere Biß, betreffenb Ginfüprung ber AlterSoerforgung,
ift jene 3Dt. BartlepS, bie brei Staffen Berficperter oorfiept. Ter
BenfionSbegug beginnt mit bem 65. 3upre unb ftuft fid) ab mit
Äütf fiept auf bie Gualiät ober Würbigfeit beS Gingelnen: roer Be*
biirftig ift unb nie ber öffentlichen Armenpflege gur JÖaft gefallen,
foß 7 sh per Wocpe erbalten; roer tpeilroeife felbft für baS Atter
Borforge getroffen, foß 3 sh 6 d roöcpentlicp begiepen, begro. eine
Grgängung ihrer eigenen SBegüge, unb bie nichts gurücflegen fonnten,
aber hoch einer ^enfton roürbig finb, foßeu gleichfalls 3 sh 6d
erhalten, tiefer Gntrourf fiebt bie Ginfüprung einer eigenen ftaat*
liehen ©teuer „pension rate“ gur Aufbringung ber notproenbigen
Wittel oor. — Am 25. Wäig fanb in Birmingham eine große
Berfammlung ftatt, in ber GparleS Bootp feine kleine, betreffenb
eine ftaatliche AlterSoerforgung auSeinanberfepte. Gpamberlain
bat ein Sdjreiben an bie Berfammlung gerichtet, in ber er fein
lebhaftes 3ntercffe für bie TiSfuffion be's TpemaS funbgiebt. TaS
Meeting befeploß eine Stefolution gur Unterftüßung oon BootpS $ro*
jeft. — Am 24. Wärg fpracfj Sir Robert Äeib im National Liberal
Club über bie Qrage ber AlterSoerforgung unb bie Tringlicpfeit ihrer
Cöfung. — Auch ift jeßt ein eigenes Drgatt „Progress and Provision“
gur Btopaganba für bie AlterSoerforgung gegrünbet roorben.
ftotttmttttaie Sozialpolitik.
Ter preußtfipe Gefcpentumrf über Anftetfimg mtb Serforgmta
ber Kommmtalbeamten, ber am 1. April 1900 in Straft treten fou,
befepränft feinen Geltungsbereich im Wefentlicpen auf Stabt* unb
Üanbgemcinben, Amtsbegirfe unb KreiSfomntunaloerbänbe, itnb be*
rührt, abgefebeu oon ben allgemeinen Bcftimntungen, bie AecptS*
oerbältniffe ber bem Gemeinbeoorftanb angepöngen Beamten in
Stabtgemeinben nur begüglicp ber §intcrbliebenenoerforgung. Tie
Berpälhtiffe ber Gemeinbeforftbcamtcn finb mit cinbegogen roorben.
3ut Sinne beS GefeßeS gilt als Kommnnalbeamter, roer als Be*
amter fiir ben SDienft eines KomntunaloerbanbeS gegen Befolbung
augefteßt ift. Tie Aufteßung erfolgt burcf) AuSpänbigung einer
AnfteßnngSurfunbe. Tie 3 a Ph in 9 beS Gehalts foß in Grntauge*
lung befonberer geftfeßungen oiertcljäbrlid) im BorauS erfolgen.
Begüglich ber Gnabenfompctengen bepnt ber Gntrourf bie Bor*
fepriften, bie hinüber für unmittelbare Staatsbeamte gelten, ebenfo
bie Beftimmung, baß bie Hinterbliebenen brei Wonate im Genuß
ber Amtswohnung bleiben, auf bie Kommunalbeamten aus. Ter
Auffidjtsbepörbe roirb eilt Giufluß auf bie Höbe ber Tagegelber
unb SReifefofteu gefidjert; Streitfälle über üermögenSrecptlicpe An*
fprüd)e ber Beamten roerben, bie 3uftimmung beS KreiS*(BegirfS*)
AuSfcpuffeS oorauSgefept, im Aßgemeincn bem orbentlichen AecptS*
roeg überwiefen. Tie Beamten ber Stabtgemeinben, roogu hier bte
WagiftratSmitglieber begro. bie Bürgermcifter unb beren Steßoer*
tretet uiept gerechnet roerben, foßeu auf &ebenSgeit angefteßt
roerben. Abweichungen fömten burep DrtSftatnt ober in eiugelnen
Säßen mit Genehmigung ber AuffiiptSbepörbe feftgefept roerben.
Soweit hiernach eine Aufteßung auf Miiubiguug guläfftg ift, barf
bie Künbigung nur auf Gruub eines BefdjluffcS beS foßegialifcpen
GemeittbeoorftanbcS (WagiftratS) ober, wo ein folget* uiept be*
ftept, eines aus bem Bürgcrnteifter unb beit Beigeorbneten (Sdjöffen,
Aatpmänuer) gebilbeten KoßegiuntS erfolgen. Gine Anstellung auf
Brobc barf in ber Aegcl bie Tauer eines 3apreö nid)t überfteigeu.
Bis auf groei 3ap« barf fie nur mit Genehmigung ber AufficptS*
bepörbe auSgebepnt roerben. Tie Befolbung ber ftäbtifepen Be*
amten muß auSfömmlicp fein, bie Auffidjtsbebörbe fann, in ber
Siegel aber nur oor Befeßung einer Steße, ocrlaugen, baß an*
gemeffene BefolbuugSbeträge bewißigt roerben. Bei ber ^enfiotii**
rung fommen bie Grunbfäße für unmittelbare Staatsbeamte gur
Anroenbung, beSgleidjcu für bie Wittmen nnb Waifeu. Aiir bie
Beamten ber Sanbgemeinbcn, Auitsbegirfe unb 3roccfuerbniibe
fönnen bie AnfteßnngS*, Befolbuugs*, Benfions* nnb Gelitten*
oerpältuiffe burep Drtsftatut geregelt werben. 3n geroiüeu 3äßcti
foß ber MrciSausfdjuß über bie Ausbelnumg ber für Stabtgemein*
ben geltenben Beftimmungcn auf bie genannten länblicpcn Ber*
bänbe befdßicßeu. Auf bie Beamten ber üanbbürgermciftereien in
ber Sipeiuprouing unb ber Aetntcr in Bicftfalen füllen fämmtlidje
Borfdjriften begüglid) ber Beamten ber Stabtgenteinben, unb auf
bie Gemcinbeeinnehmcr bcrfelbcn B l ' 0l ^ n S cn Borfdjrifteu über
Benfiouirung unb Aeliftenfiirforge finneutfpredjeube Auroeubnug
finbeu. Tie Borfdjriften über bie Beamten ber Stabtgemeinbeu
finben auf bie Mreisfommuiialbeamteu entfpredjenbe Anroenbung;
an Steße ber ortsftahitarifcben ^Regelung foß bie ber Genehmigung
beS BegirfSauSfcpuffeS unterliegenbe Befcplupfaffung beS Kreistages
treten. Tie Gemeinbeforftbeantten finb begüglicp ber BefolbungS*
feftfefeung, ber Benfioitsberecptigung unb ber Hinterbliebenenfürforge
mit bem übrigen B^'fonal ber Kommune gleicpgefteßt roorben.
Gine Berbefferung bringt ber Gntronrf ben Gemeinbebeamten
groeifellos, roenn aud) bie gugelaffenen Ausnahmen reept umfaffenb
finb. Tie Gemeinben felbft freilich roerben in bem Gntrourfe eine
erhebliche Befcpränfung ihrer Selbftocrroaltung erblicfeit.
Tie er fite Konferenz ber fogtalbemofrattfipeit Gemeinbeoertreter
Württembergs, auf ber 31 £5rte oertreten waren, befcplop (Anfang
April) eine intenfioe Beteiligung ber B^rtei an ben Gemeinbe*
wählen, bie Sdjaffung eines aßgemeinen GemcinbeprograutmS unb
bafiir bie Sammlung unb .'Bearbeitung aßer Gemeinbcauffteßungen
in einer Gentralfteße. Tie Borarbeiten foßen einer Herbftgufammen*
funft unterbreitet roerben. Tie Aufgaben ber Gemeinben faßte ber
Bericpterftatter Dr. Üinbentann gufamnten als bie Schaffung ge*
fnnber ScbenSbebingungen für ipre Ginroopner unb bie Drgaiti*
fation unb Grleicpternng beS in ihnen fiep abfpielenben roirtpfdjaft*
Iicpen Brogeffes. Tie oolfspygienifcpe Tpätigfeit ber Gemeinben
müffe bie Reinigung ber Drtfdjaftcn (Befeitigung ber Abfaßftoffe
in eigener 9tegie), bie Siirforge für bie Grnäprung, für bie Körper*
pflege foroie oie Ginruptung unb ben Betrieb oon Kranfenpäufern
unb Heimftatten für B?öcpnerinnen, oon GenefungSpäufem, SanitätS*
roaepen, Unfaßftationen unb ambulatorifcpen Klinifen, TeSinfeftionS*
anftalten, bafteriologifcpe Suftitnte unb ben Betrieb oon Apotpefen
umfaffen, enblid) bie Bau* unb ©opnungSfrage. 3m Befonberett
roerben bie pflichtige unentgelßiipe Bcnupung gu erneptenber öffent*
Iidjer Seitpenpäufcr aeforbert, bie foftenfreic Beerbigung roenigftcnS
für bie IeiftungSunfäpigeren Klaffen, unb ftäbtifepe SBarmbabe*
anftalten (auf je 1000 Ginroopner minbeftenS eine Anftalt oon
12 bis 15 Wannen, etwa naep rufftfepent Borbilb) mit billigen
Breifcn. Auf bem Gebiete ber SebenSmitteloerforgung roirb an
bie Waffenroaaren BUIcp, Brot, Sleifcp unb Bier gebaept, inSbe*
fonbere bie AuSmärguna ber Gropfcpläcpter unb Berroanbluna ber
Sabenfcplädjtcr in ftäbtifepe BerfaufSbeamte unter Hinweis auf ben
geglüeften oorübergepenben Bcrfucp ber Stabt ^eibnrg i. B. bei
einer BrciSfteigeruug ber Scplädjtcr. Tie gorberungen für bie
Scpule unb BolfSbübung finb bie befannten fogialpolitifdjen. Aus*
füprlich roirb baS Broblem ber Häufung ber arbeitenben Klaffen
bepanbett unb als Anfang gur Befferuna auf bie Stotproenbigfeit
einer WopnungSftatiftif, WopnungS * Gnquete unb WopnungS*
infpeftion pingewiefen. Helfen fönnen nur eine oon fogialpolitifcpen
unb oolfsptjgienifdjeit Grunbfäpen geleitete fommunale WopnungS*
politif, Borausfcpung bagu fei eine AuSgeftaltung ber Gemeinbe*
oerfaffung im bemofratifepen unb fogialiftifepem Grifte, bie bie
Borperrfd)aft Heiner Koterien ober Klaffen befeitige. Geflagt
würbe in ber Grörtcrung barüber, bafi nur in wenigen Gemeinben
beit Witgliebern ber bürgerlichen Kollegien bie GtatS gugänglicp
gemaept roerben.
Statiftit ber Berfottal* mtb ArBeitSPerpSttniffc in ben Bwp*
bnufereien TeutfcplanbS. Ter Berbanb beutfeper Bucpbrucfer pat
Gnbe beS oorigen 3upreS (10. Tegetnber 1898) eine Grpebung über
bie B^rfonal* unb ArbeitSoerpältniffe in ben Bucpbrinfereien
TeutfcplanbS oeranftaltet, bie in 9?r. 41 beS „Gorrefpottbent* mit*
getpeilt roirb. Tattad) gab es in 3826 Betrieben (gegen 1894 um 326
weniger) 35 870 Gehilfen (5848 mehr) unb 10 560 tfeprlingc (2212
weniger). Tarifmäßig entlohnt roerben oon biefen 35 870 Gepilfen
30 833 (gegen 1894 mepr: 4897), untarifmäßig entlohnt 5037 Ge*
pilfett (gegen 1894 weniger: 1126 Gepilfen). ArbeitSgeit: 27 119
i Gepilfen in 193o Betrieben paben tarifmäßige, 8751 Gepilfen in
1586 Betrieben uutanfmäßige (über effeftio neunftünbige) ArbeitS*
geit. BerbanbSmitglieber finb inSgefammt 21 217 Glepilfen (gegen
1894 mepr 6700 BerbanbSmitglieber) angegeben. 97icptöerbanDS*
mitglicber finb 14 653 Gepilfen angegeben (189 mepr als 1894).
Bletoergiftungen tu ber feramtfcpeit ^nbuftrie. Tic Brofefforen
Tporpe unb Dlioer paben bem Home Office einen Bericpt über
„Lead Poisoning in the Potteries“ erftattet, ber fiirglid) als Blaubucp
oeröffentlicpt ronrbe. Ter Deport fnüpft an bie cinfdjlägigc Gu*
quete an. bie baS Home Office im 3 a P rc 18!».“» oeranftaltet hat;
feitper paben bie Bericpterftatter bie nampafteften Borgeflanfabrifen
in Gitglanb unb auf bem Kontinente befuept unb bie 3rage ber
Bleioergiftungen eiugehenb ftnbirt. 2ie fpnftatireu, baß bas Hebel
oielfad) mit fcplecpteu oabrifseimidilniigeu unb folgenfdjioercr Aad)*
760
7M»
Sogtalc $ra$i#. Ecutralblatt für Sogialpoüüf. Br. 2<S.
läffigfeit fotooßl feiten# bcr ^abrifanten al# ber Arbeiter gufamtnen*
hängt unb treten bafür ein, baß bie SanitätSbeßorbe ba# Becßt
haben foßtc, roenigften# foltßc gabrifen, bie Faunt meßr untgubauen
finb unb in bencn bie notßmenbigen Einrichtungen nüßt an*
gubringen finb, 311 fperren. Bon ßeroorragettber Bebentung ift
bie im Bericht Fonftatirte Xhatfache, bie burd) praftifdje Berfucße
nadjgetuiefen mürbe, baß gutn meitan# größten dßeil bie Ber*
menbung fcßäblid)er BIcimifdjungen in ber Feramifdjen ^snbuftrie
gang oertnieben merben fann, oa unfdjäbüdjc unb glcüßmcrtljige
Erfaßmittel beit gabrifantcn gur Beifügung fielen (ber Beriet
enthält bie genauen djemifcßen Eingaben in biefer Hinfitßt), fo baß
e# nur tabeln#mertber Konferoatioi#tnu# ift, mettn non ber Ber*
menbung giftiger Bleipräparate nicht abgesehen roirb. Ebenfo
fann, roeun fchoit ber ftf)äblirf)e 'Stoff oerroenbet mirb, bie Gefaßr
ber Bleioergiftung, an bcr 1898 in Englaub 7,g % ber befd)äfügten
Arbeiter unb 12 , 4 % ber Arbeiterinnen erfranftat, burcfj I>i)giciufc^c
BJaßrcgeln, StfjußDorrichtiingat (roic Gmnmihanbfchube) unb reael*
mäßige ärgtlicße gnfpeftion erheblich oerringert merben. der Be*
ricßt forbert bie Einführung folcher Schußmaßrcaelu fomie fpegieß
bie rociteftgeßenbe Einfchränfung ber grauen* mtb Kiuberarbcit bei
bem ömüiren mit Bleitnifchungen. — da# Home Office hat ben
Bericht an fämmtlicße Borgellan* unb dhoitroaarenfabrifauten uer*
fenbet, gugleicß mit einem Bunbfcßreiben, in bem bie gabrifanten
aufgeforbert merben, bei ber gabrifation Bebacßt auf ben Erfaß
oon Bleimeiß burch unfchäblidjc Mittel gu nehmen unb and) fonft
burd) propßplafüfdje BFaßnaf)men bcr Gefahr ber Bleiuergiftungen
entgegen gu roirfen. Bon einem Berbot ber grauen* unb Kittber*
arbeit in ber feramifcßen 35nbuftrie miß bie Regierung mit Biicf*
ficht auf bie oieleit Arbeiterinnen, bie baburd) um ben Ermerb
fätnen, abfehen, gurnal hinlänglicher Sdjufc leidjt befchafft merben
fann. die gabrifanten merben fchließlicß aufgeforbert, ba# Home
Office oott ben oon ihnen getroffenen Schußtnaßnahmeu gu uer*
ftänbigeit unb ihm eueittclle Borfcßläge gemerbehngienijeher Batur
gu unterbreiten.
{Regelung ber fdjottifcßcn Bergarbeiterlöhne. gn Gla#gom
fanb in ber lebten Bfärgrootße eine Konfcreng ber delegirten ber
Bergbauuntcrnebnter unb ber Bergarbeiter ftatt, in ber bie Arbeit*
geber ben Arbeitern eine fogleich in Straft tretenbe Lohnerhöhung
oon 3 B e nce täglich gugeftanben. die Loßnfteigerung foll bi#
1 . Auguft in Kraft bleiben; oott ba ab foll bie Lohnhöhe non
einem ftänbigen, neu gu errießtenben Einigung#atnte regelmäßig
fijirt merben. da# Amt füll bereite; im Laufe bei April
fonftiluirt merben.
die Lage ber BaßnioartSfrauen auf ben frangüftfißen Bahnen,
fpegiell auf ben Staatöbahncn, bilbete fürglich ben Gegenftattb einer
Debatte in ber deputirtenfammer. dieBegüge biefe# im Barrieren*
bienft oermenbeten meiblidjen B^rfonate finb befanutlid) feßr
niebrige. Sie erreichen uielfach nur bie £*>öfje oon 2,50 grc#. pro
Bfonat für bie mit Baßn* unb Reichenmärtern oerfjciratßeten, unb
ca. oon 30 bi# 15 grc#. für bie felbftänbigen grauen. die llit*
oerßältnißmäßigfeit biefer Bergütungeit gu ber BeranimortlidjFeit
ber bafür gelciftetcn gunftionen mirb auch non feiner Seite be*
ftritten. gu bcr Arbeiterberoegung bilbet fic eine# ber mirffamften
Agitatiou#argumente. die ilnternehmergefellfchafteit felbft betonen
frciiid) immer, baß bie Arbeit ber Barricrefrauen eine ungemein
leicßte fei, ihnen erlaube, ben mannigfachen Anforberuugen ber
Haii#baltung fajt ungeftört nachgufomuten, baß bie geringe Eelb*
entfdjäbiguitg auch nur ein Supplement gu beut Einfommen be#
Beamte# ober bei ben felbftänbigen grauen gu ben Baturalbegiigen
barftellen foüe.
gu Anerfennting be# Biißoerbältniffe# batte bie direftion ber
Staat#bal)u im bieöjäßrigen Bubget eine Erhöhung biefer Ber*
gütungen gugeftanben unb einen monatlidjen Bcinimaloerbienft oott
5 grc#. bemiüigt. SSäßrcnb ber Bnbgetberathung ber deputirten*
fanuncr mürbe bcr Antrag gefteüt, ba# BÜnimum auf 10 grc#.
feftgufeßcit, ma# eine Bießrau#gabe oon 11 000 grc#. ocrurfachen
mürbe. diefe Aufheiterung fdjien ben Befürmortem be# Anträge#
um fo leiditer rcalifirbar, al# bie Staat#babneu im laufcnben
Etat#jaßr einen für ben Staat#fhaß bi#ponibleu lleberfdiuß oon
nabegn 13 IK'illionen gram# liefern unb al# ba# bic#jäbrigc
Staat#bubget im Laufe ber parlamentarifchen Beratbuug obnebie#
eine Erböbuug oon 11 Btillioneu graue# über ben Anfchlag ber
Regierung erfahren batte, ^er BÜnifter ber öffentlidjen Arbeiten,
al# (ihef ber Staat#bal)neu, lehnte ben Antrag ab mit bcr Btoti*
oirung, baß er fonft foufeguentermeife gegmungeu märe, bie (M
bälter ber fämmtlidjen nieberen Bebienfteteu gu erhöben, ma# gu
große Summen erforbere. Ei ocifpracß inbefjeu, Bcittel unb Biege
gu finbeu, um im uächften gaßre ba# Einfommen ber felbftänbigen
grauen aufgnbeffern. {Racßbem ber ginangminifter noch au# ßnan*
gießen gntereffen gegen ben Antrag gefprodjett hatte, mürbe er
aud) oon ber Kammer abgeleßiit, unb e# bleibt alfo oorläufig bei
ber Erhöhung be# BÜnimwn# ber oerßeiratheten Barrierefrauen
oon 2,50 grc#. auf 5 grc#.
©eridjtlühcr Loljitfifjitfe in Auftraltcit. gm ?)cgember 1898 trat ttt
ber Kolonie Biftoria ein ölefeß in Straft, bemgentäß bie l'öbne oon
Bebienfteteu unb Arbeitern, fofcrit fie 2 £ bie Biodje nid)t itberftetgen,
gertcbtlid) mit Befd)Iag belegt merben fönnen. dergleichen fönnen
feitterlei Stoßen ober Spefen' bcr ocrfuditen Bcfd)lagimhmc ereguirt
merben, fofent ber SsSodjenlohn nid)t 4 £ iiberfteigt; ausgenommen hier*
oon ftnb BaarauSlageit für OJcbühren unb Stempel, da# Ecfeß ßat
oorläufig bcfdjränftc Oleltungsbaucr bi# 1. gamtar 1902.
3CrliEitcrbcöJegtrag.
<$etterff<haftlt(he SCrbelterfmigreffe
haben in ber äDftenuodje im gn* uttb Au#lanbe in größerer 3 a ßl
ftattgefunben, oon benett mir nachfteßenb bie bebeutjameren einer
Betrachtung, bie aßerbing# bei ber güße be# Stoffe# nur eine
fitmmarifdje fein fann, untergiehen moßen.
d)ie roidhtigfte Berfammlung mar rooljl bie am Dftermontag
in Lugern abgehaltene d^elegirtenoerfantmlung be# fdjroeigerifcßcn
Arbeiterbunbe#,) mclche aße brei gaßre ftattfinbet, bic#mal
aber oon gang befonberer Bebeutung mar, ba auf ißr bie Schaffung
eine# politifcß unb reliaiö# neutralen Eleroerffdjaft#*
bunbe#, bcr fieß au#fcßließiich mit Beruf#intereffcn befaffcii foß,
naßegit einftiminig befcßlofjeu mürbe. B$ir berichten über ben Ber*
lauf ber Berfammlung in einem befonberen Artifel biefer Bummer
(Sp. 701). Bott ben in d)eutfd)lanb abgehalteuen Eiemcrfjdjaft#*
Fongreffen beanfpruchen bie ber Berg* unb Hüttenarbeiter unb
ber Bie tallarbeiter, bie beibe in a. S. tagten, befonbere#
gutereffe.
SDer Kongreß bcr Berg* mtb Jüttenlente, ber fid) an bie
geßitte ©eneraioerfammlung be# (alten) beutfdjen Berg* unb §ütteu*
arbeiter*Bcrbanbe# anfdjloß, mar ber grneite feiner Art. Er mar
oon 73 d)clegirten befud;t, oon baten 7 au# bem Königreiche
Sacßfen, 19 au# Biittelbeutfchlanb, 1 au# Dberfcßlefien, 3 au#
$ieberfdjlcfien, 1 au# bem Saarrcoicr, 42 au# bem SRußrreoier
ftammten. d^er ©emerfoereiit djriftlicßer Bergarbeiter mar nid)t
oertreten. Laute Klagen mürben erhoben über bie fortgefeßteu
Abmeifungett fo giemltd) aßer gorberungen bcr Arbeiter feiten# bcr
Erubcnoerroaltuitgcn. Eine geroiffe Befigitation, bie gunt dheil
mobl and) mit burd) bie 3«fplitterung*) unb Scßmanfung in ber
beutfeßen Bergarbeiterbemegung ßeroorgerufen fein mag, mar un*
oerfennbar. Bor Aßem mürbe über ungenügenben Scßuß be#
Leben# unb ber ©cfuubßeit ber Grubenarbeiter geflagt unter Bei*
brittgititg gaßlreidjer Belege unb im Atifcßluß hieran bie alte
gorberung tiad) Herangiehung ber Arbeiter gur Grnbeuinfpeftion
erneuert, gu ber betreffenben Befolution ßeißt e#: „Bßiß man
mirfltd) arbeiterfreunblidjeu Geift bemeifen, bann gebe man enblid)
bat Berg* mtb Hütten lat tat ba# bod) fclbftoerftänblidßc Becßt, fid)
burch eigen# getoäßlte Hülf#infpeftorat fd)üßeu gu Iaffen oor ae*
maltfametn dob ober Berftümtneliutg. git biefem fünfte finb Sie
Bergleute aßer Bidjtuugeu einig unb fic empfinbeit e# al# eine
anpöreube ltngeredjtigfeit, baß ißnen ba# fo felbftoerftänbliche
Bcd)t be# Selbftfdjußc# oermcigert toirb/' BJehrfacß mürbe
fonftatirt, baß bat Bkrfüermaltuugen bie Beoifionen oorßer be*
fannt mürben. E# merbe bantt oorßer Aße# in Drbnung gebrad)t.
Einen breiten Baum ttaßmen aud) bie Berßanblungen über
ba# Sanität#mefen auf ben Gruben unb Hütten ein. Geflagt
■ ) gm Bcrgleid) gu ben mädittgeu gaocrfjdtafllidien Crgauifatioitm
ber britiidjen Bergarbeiter finb bie Crganifatioucn bei bcutjißcii Berg*
leute üerhältntßmäfiig fdnoadi, ftebeu fogar hinter ben frangüfiichcn mtb
belgifdien Crgaiiiiationeu guriief. der alte Berbanb foll 23 6 00 B?it=
glieber gäljlen, gu beneii uod) 4000 s priontabonnenteii ber gadjgcitiutg
fällten, bie, um niiiit gcmaßregelt gu merben, fidi bem BcrOanbe nidit
bireft aii|d)lblfeu. da# g ad) orig au „deutfdjc Berg* 1111b Hüttenarbeiter*
geitung" in Bodjimt, mit bem feit bem J. geUrnar b. g#. ba# frühere
1 ad)in'dir Bcrgarbcitcrblatt „('Würfani;; tu ^midaii oeridjmolgeit toorben
ift, toll in 2 s .'»nn o'remplaren gebrud't merben. da# tu poluifcßer Spradie
cridieiueube Bergarbeitevblati ,,'Gurnif" foll eine Auflagehöhe oon
4.700 o'vemplareu liabeit. der Bermöge.if#itaub mirb auf nuib 3 s 000 .//.
begiffevt. der 1 s*.»4 gegriinbete Gemerfi^reiit diriftlidier Bergarbeiter foll
2 s oco Aiitglieber galileu. SeiiiCvgau „Ter Bvrgfunppe" in AlteioEffen
erfdieiut feil bem I. b. '.Vit#, mödientlid).
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©ogialc ^rajis. Scntralblatt für ©ojialpolitif. 9cr. 2 H,
mürbe über bie Un 3 ulängli<hfeit ober bas gän^lidfje gebiert oon
Söafcbräutnen, baS gebleit oon ©anitäisfolomten urtb Tragbahren,
bett ungenügenben ©djufc gegen Berbreitung anftecfenber Krauf*
beiten. Ter E)efunbheitS 3 uftanb ber Bergarbeiter h a & e fi<h feit
gah^ehnten in erfrecfenbem Mafee oerfchlechtert, roaS anf bie
unzulängliche, nteift gan 3 feblenbe Sicherung ber Arbeiter oor ben
gefunbheit^errüttenben Einflügen ber Berufsarbeit 3 urü(f 3 itfithren
fei. gn einer SRefolutiou mürben geforbert: AuSreicheube BJafdj*
bejro. Babegelegenheitcn (Eh^elbraufcn) unb im Aufd)luft baran
Umfleiberäume, Berbaitbsftubcn, Transportmittel für Berlejjtc,
©anitätsfolonnen, ärztliche Untcrfucbung ber ^euein^uftellenben,
gutes Trittfroaffer, Bkrteräume für Mafjtseiten, Lohn 3 al)lungen 2 c.
Ter Kongreg erflärte ficf) beS Weiteren für ben gefefclichen acht*
ftünbigen MayimalarbeitStag, für einen TurchfdjnittSlohn oon 5 , //.
pro Tag angeficbtS ber fteigenben Tioibenben ber Bterfe unb für
Befchicfung beS in biefent gahre in Brüffel ftattfinbenben zehnten
internationalen BergarbeiterfongreffeS burd) brei Telegirte.
Auf ber bem Kongreß in £>afle oorhergegangenen 10 . ©eneral*
oerfammlung beS alten BerbaubeS mürbe oiel über bie gluftuation
ber Mitglieder foroie bartiber geflagt, bafc bie Mitglieber oft
monatelang mit ben Beiträgen im SRücfftanbe blieben, gm lefcten
gahre feien 3 . B. 16 000 Neuaufnahmen 9000 Austritten gegen*
übergeftanben. 11m biefer gluftuation ju fteuern, foll baS Unter*
ftütjungsfaffenroefen auSgebaut unb 3 unä<hft mit ber obligatorifchen
Einführung eines ©terbegelbeS in $jöt)e oon 30 e /j 1 (unb einer
Erhöhung ber Beiträge um 10 4 begonnen merben. Befchloffen
mürbe ferner bie Aufteilung oon BeairfSoertrauenSleuten unb oon
Arbeiterfefretären in ben oerfdgebenen SHeoieren. gm lebten ga(;re
roiH ber Berbanb in Lothringen, int ©ar^er Becfen foroie im
§effen*9iaffauif<hen feften gufc gefaxt h^öen. $eu geroonnett für
ben Berbanb feien bie tbüringifdjen ©riffelmadjer unb bie Berti*
bttrger ©al^arbeiter. Ter Berbanb foll, mie ber Borfifcettbe Böller
erflärte, fidler unb feft ftehen; auch fei begrünbete Au Sfid)t auf
meitere Kräftigung oorijanbett. Turd) bie ©terbefaffe h°ff e 111011
ein Binbemittel gu erhalten. Tie gnbifferenten oerlangten 3 utiä<hft
birefte greifbare Bortheile. Ter S&otfj gehorchettb, tnüffe man
biefent Begehren entfprechen, bamit bie Leute junäcbft gemontten
unb bann erjogett mürben.
* *
*
Ein anbereS Bilb als ber Bergarbeiterfongreg bot bie fur$
nachher ebenfalls in £alle tagenbe oterte ©eneraloerfatttmlung beS
Teutfchen Metallarbeiteroerbanbes, ber mit 75 471 Mit*
gliebern 3 . 3- bie ftärffte beutfehe EJeroerffchaft barftellt. Auf bem
Bergarbeitertag nichts als Klagen, bei ben Metallarbeitern frifchc
Unternehmungsluft. „Mit freubigen Etefiihlen - fgefj es im Be*
grüfjuitgSartifel beS gadjblatteS, ber „Teutfchen MetalkArbeiter*
Leitung" — unb froher 3«oerfid)t fönnett bie BerbattbSgcnoffen
bem biesjährigen 3 u f at nmentritt ihrer höchften gnftans entgegen*
fehett. £>at hoch ber Berbanb 3 . 3* eiue Bebcutung erreicht fo*
roohl cm Umfang, mie innerer Kräftigung, bie mir oor einigen
gahren noch nid)t 3 U hoffen gemagt hoben.'' Bei ber Begrüttbung
beS BerbaubeS (1891) gählte ber Berbanb noch nicht 23 000 Mit*
glieber, jefct 75 471. Ten $auptpunft ber Berhanbluttgen bilbete
bieSntal bie Einführung ber ArbcitSlofenunterftühung,
bie nach längerer Tebatte mit 108 gegen 29 Stimmen unter leb*
haftetu Beifall unb unter B>egfaÜ ber ftatutenmägigen Urabftim*
tnung befchloffen mürbe. Tafiir foH ber Söochenbcitrag für mäiitt*
liehe Mitglieber oon 20 auf 30 4, für toeiblidje oon 5 auf 10 4
erhöht merben. Aufcerbem befchäftigte fid) ber MctaHarbeitertag mit
ben EinigungSbeftrebungen ber organifirten gormer, oon
benett ber größere Theil bereits bem Metaflarbeiteroerbanb attge*
hört, roährettb ber anbere Theil einen befonberen gormeroerbanb
bilbet. $ad)bem itt ber Dftermoche auf einem gortnertag in
Wotha eine aus je brei Mitgliebern beS gormer* unb Metallarbeiter*
oerbattbeS beftehenbe Komhtiffion niebergefefet toorben ift, rneldje
eine geeignete gorut für einen gufatnntenfdjlug ber beiben Drgani*
fationeu finöeit füll, biirfte über fürs ober lang biefer gofoutmen*
fchluß unb bamit eine neue Kräftigung beS Metallarbeiteroerbanbes
erfolgen. Letzterer oerfügt 3 . 3- über einen Kaffcnbeftaiib oon
HX) OCX) <K, Ter Berbanb hot beim and) auf ein Tarlehttsgefud)
beS BorftattbeS beS TeytilarbeiteroerbanbeS für bie ftreifeuben
Bieber in Krefelb ohne Tebatte 5(XX),//. aus feiner vumptfaffe
iiberroiefen. 3 um allgemeinen ©ciocrffdjaftsfongreg in granf*
furt a. M. roiH ber Berbanb 12 Telegirte [dürfen. giir bie uädtfte
Wcncraloerfammluug foll nach bem Mufter bes Budjbrnrferoerbanbcs
eine Eintheilung bes Berbanbes in Ohme unb bie Aufteilung oon
bejolbeten Bc 3 irfsbeamten oorgefchlogen merben. Teilt Kongreß
mohntc aud) ein Bertreier ber bättifdjen Metallarbeiter aus Kopen*
hagen Bei.
%
Ter Kongreß ber .^anbels*, Transport* unb BerfetjrS*
arbeitet*, ber in Leipzig tagte, mar oon 28 Telegirten ber ceti*
tralen unb 15 Telegirten ber lofaleti 9tid)tung, rocld)e 6155 be^m.
3731 organifirte Arbeiter oertraten, befdiirft. ES gelang nid)t, bie
Tifferen^en smifdjen Lofal* unb Eentralorganifation gatts 3 U
fchlid)ten. Ter Kongreg fprad) fich fö^ bie ÄnSbehnung ber Un*
falloerficherung auf fämtlid)e itt 5)anbelS*, Transport* unb Ber*
tehrSgemerben befchäftigten Arbeiter, für Regelung ber ArbeitS 3 eit,
ArbeitSpaufen unb Sonntagsruhe, foroie für eine Acnberung ber
Beftitumungen beS ©trafgefet)bud)S roegen ber Oiefährbuug eines
EifcnbahntraitSporteS aus. LefctereS be^iefjt fich anf bie eleftrifchen
©trafeenbahnen. Tem Kongreg toohnte auch ein Bertreter ber
organifirten Berliner Trofd)feufutfcher bei.
Bon ben Heineren -Drganifationen h fl t ber in 9 3 a h^ftcKcn
1007 Mitglieber 3 ählenbe Berbanb ber an £>ohbearbeitungS*
mafchitten unb auf £>ol 3 p(äben befchäftigten Arbeiter auf feiner
7. ©eneraloerfamntlung in Hamburg befchloffen, fid) am 1. gttli auf*
3 ulöfett unb fich beut grogett §ol 3 arbeiterüerbanb an 3 ufchliefeen,
mährenb ber 4. orbentlid)e BerbanbStag beS BerbaubeS ber Kon*
bitorgehilfen, Pfeffer« unb Lebfrichler in Apolba fich mehr
bem inneren Ausbau ber Drganifatioit, befonberS beS Unter*
ftühuugSmefenS mibmete. Ter Berbanb ber Leberarbeiter, ber
in 96 gahlftelleu etma 5000 Mitglieber 3 ählt, befchäftigte fich ouf
feiner 10. 03eneraloerfammlung in >>alberftabt befonberS mit ber
ArbeitSlofenunterftühimg unb bem Arbeitsnachmeis. Es mürbe be*
fchloffett, oor ber nächften Oleneraloerfammlung eine llrab*
ftimmung über bie Einführung ber ArbeitSlofcnunterftühung oor^n**
nehmen. Es füllen brei EentralarbeitSnadtroeife errichtet merben:
einer in öatnburg für 9?orbbeutfd)Ianb, einer in Berlin für Mittel*
beutfd)lanb unb einer in ©tuttgarUE&lingen für ©tibbeutfchlanb.
Ter Berbanb roill ben in biefent gahre in BMen ftattfinbenben
internationalen Leberarbeitcrfongrcft befdjicfen, aber gegen bie oor-
gefchlagette internationale ©treifunterftüfenng ftimmeti. Ter ©ifc
beS internationalen ©efretariats ber Leberarbeiter ift 3 . 3- Berlin.
Einen geroiffen Mi&Hang h^t btt getrennt oon ben Eentral*
oerbänben in Braunfchrocig abgehaltene Kongreß ber lofal*
organifirten ©eroerffchaften itt baS geroerffcf>aftti<he Kon.^ert
gebrad)t. Befugt mar ber Kongrefe oon 29 Telegirten mit
34 Manbaten, bie 13 Berufe aus 18 Drten oertraten. Eine ge*
miffe Animofität gegen bie Eentraloerbänbe trat 3 U Tage. ES
mürbe eine oont oorjährigen Kongreg befd)loffene Nefolution er*
neuert, nach meiner fünftia jebe Niicfficht auf ein friebücheS 3»=
fantmenarbeiten fo lange fallen gelaffen merben foll, bis bie giihrer
ber Eentraloerbänbe ihre auf frjfteutatifdje Bernichtuug ber Lofal*
organifationen gerichteten Begebungen einftellten. Ter Kottgreg
erflärte fich gegen bie paritätifchen ArbcitSuad)roeiie, ba bie ArbeitS*
nachmeife ber 0)eroerff<hafteit 31 t ben nothmenbigften Kampfmitteln
berfelben gehörten, fomie gegen bie Eirtinbung oon Arbeiter*
fefretariaten, roeil fie bie @emerff(hafb 3 bcmegung eher fdjäbigten
als förberten. Tagegen empfehle fid) überall bie Bilbutig oon
Kartellen ober Kommiffiotten. Ter ©treit um bie CrganifätionS*
form ift innerhalb ber bentfdjen E)eroerffd)aftsberoegung noch immer
iebenbig, fd)eint aber mehr itnb mehr 31 t (fünften ber grogen
Eentraloerbänbe entfehieben 31 t merben.
* ^
*
Ter britte Kongreß ber centralifirten (Geroerff(haften
TeutfchlanbS, roelcher oon ber Hamburger OJeneralfommiffion
ber ©eroerffchaften TeutfchlanbS für ben 8 . Mai nach granf*
fnrt a. M. einberufen morben ift unb roelcher fich neben bem
KoalitionSredjt ber Arbeiter unb ber EJeroerbeinfpeftion auch mit
ber grage ber Tarife unb Tarifgemeinfchafteu im gemerFfdiaftlidjen
Kampfe, mit ber Arbeitsoermittelung unb ben Arbeitcrfefretariaten
befaffen foll, fcfjeint ftarf befucht 311 merben. Aus ben oerfchiebeueu
im „Eorrefponbeit 3 blatt ber Eieneralfommiffiou" oeröffentliditcn Au*
trägen 311 bem Kongreß ift befonberS ber bes Berbanbes ber
Budjbinber ^eruor^nficbcn, tiad) meld)ent fid) bie (^crocrfidjafteu
Tentfd)laubS 31 t einem beutfdjeu Wcroerffchaftsbuube 311 *
fammenfd)lieften unb glcidi^eitig auf einer frei |n oereiuboreuben
BafiS eine ©treif* nub Beferoefaffe gniubeu follcii. Befauntlidi
haben bie britifchen Elemerfoeteine Eitbe gauuar b. g. auf einen:
©ouberfougreg in Maudjefter mit 736 nno gegen 2 < > I < »< *« > ©timtnen
bie t^rtiubuug eines ('iemerfichaftsbunbes ('l’he (»hkm-ciI reili‘r;i!mn
of 1 rade Unions) nnhid)]t im Brijtfpp beiihloiü'ii. gn ber ©dm>ei 3
7<m
0oziale prägte. Eentralblalt für Sosialpolitit. Nr. 2K.
7 04
ift, roic Eingangs birfcö ArtifelS bevidjtet, ein foldjer Vunb in
Vorbereitung. Nur in dänemarf unb 0chwebeti befteljen bereite
berartige Verbänbc. 0Ömmtlid)e ffanbittaoifchen ©ewerffdjafts?
oerbänbe finb außerbetn burd) 0efretariate unter einanber oer?
bunben.
* *
3um ©thluß möge an biefer 0telle noch beS brüten Hon*
greffeS ber uitgarifdjen gelbarbeiter unb Kleinbauern
gebadet fein, ber in ber Dfterrooche in Vubapeft im Anfd)luß an
ben wegen dumults polizeilich aufgelöften Kongreß ber uttgar?
Icinbifdjeit fozialbemofratifcheit Partei tagte, Er foIXte fdpn zu
Vkihuadjtcn ftattßnben, mürbe aber bamals oerboten. die ungarifdje
Regierung h at im oorigett Sabre ben Erntearbeiter?0treif bes
Sabres 1897, an bem ficb etma 15 000 Arbeiter betbeiligten, mit
fdiarfen polizeilichen ^Maßnahmen (KoiifiSfatioiiett, AuSwetfungett
unb Absiebungen, Verhaftungen, VercittSaiiflöfungett), fomie mit
einem 2felbarbctter?©efeß beantmortet, bas am 1. N2ärz d. S- in
Kraft trat unb megen feiner fdjarfen Veftimtnungen oon ben Laub?
arbeitern als „0flaoengcfeß" bezeichnet unb nur wiberwißig befolgt
wirb. SBobl in Solge biefes ©efeßeS, bes polizeilich=frimiitaliftifd}en
SelbzugeS, ber staatlichen Drgauifirung einer zahlreichen flooafifchen
Arbeiterreferoe auf ben ©taaisbomänen unb nid)t zuleßt megen ber
fdjlechteii Ernte beS Vorjahres ift es im oergangenen Saljre nicht
Zu ber angebrohten VHeberfjolung beS Ernteftreifs in größerem
Umfange gefommen. daß aber bie Dumpfe Währung anhält, baS hat
nicht nur ber Verlauf beS Selbarbeiter-KongreffeS bemiefen, fonbern
auch bie neuerliche Erflärung beS Laitbwirthfd)aftSminifterS daranpt
im ungarifchen Abgeorbnetenhaufe, nach welcher zur Sicherung ber
Ernte aud) in biefem Snhrc bie aus ©taatSmitteln unterhaltene
Arbeiterreferoe mieber angemorbett werben foH.
der bieSmalige gelbarbeüer? unb Kleinbauernfongreß mar oon
135 delegirteu aus 92 Orten befchieft. Außerbetn lagen aus
123 Drten 3nftimmuugSfcbreiben oor, in betten öaS Ausbleiben
oott delegirteu tneift mit bettt Vegintt ber gelbarbeit unb mit beut
Mangel an Mitteln in golge ber testen fd)led)ten dritte entfdjulbigt
mürbe, die erfchienenett delegirteu, oon benen ein Xheil ben
V3eg zur LanbeShauptftabt zu guß zuriicfgelegt hatte, roarett tneift
ältere, wetterfeste ©cftaltcit, bie fid) möglichster Nuße uub Niäßigung
befleißigten, nut ben Kongreß nicht bem ©djicffal beS anfgelofteit
lozialbemofratifchen Parteitags oerfaßen zu laffen. durchgängig
traten fozialbemotratifche ©efinnungen zu dagc, fteßenweife fogar
eine gemiffe Vegeifterung für bie 0ozialbentofratie. drattrig
lauteten bie ed)ilberungeit beS ElenbS unter bem ungarifchen
Lanboolfc, über bie Väißfür ber Vehörben unb bie gärten beS
,/£>örigfeitS"* (gelbarbeiter?) ©efeßeS. die Entlohnung für bie
Erntearbeit, bie oielfach bie einzige Arbeitsgelegenheit bilbe, roerbe
in golge ber zunehmenbett Vcrmenbuttg oott Nc'afchinen immer
unzureicheuber, ber Naturallohn beftchc nidjt feiten in utinber?
tuerthiger g-rudjt unb ungenießbaren Lebensmitteln, häufig merbe
ber Erntearbeiter bei Abfdjluß ber Verträge iiberoortheilt uub aus?
gewuchert. VefonberS empört zeigte mau fid) auch über bie Ein?
richtuitg einer 0d)nitter?Neferoetntppe oon 0taatSioege.it, bereu Ve?
feitigung bringenb oerlangt totirbc. „Sir finb beffere Patrioten
als jene, bie flooa’fifdje ©trcifbredicrarmcen an werben, um bas
braoe magparifdje Aelbarbeiteroolf auSzuhungern," rief ein Nebner
aus. „Sir oerlangen feine Neidithüuier crflärte ein Aitberer
- fonbern nur gcredßc Entlohnung uttferer fehwereu Arbeit.
Aorbent mir laut unb einntiithig unfern dßeil. 0elbft ber
0ängliug, ber nicht fdjreit, erhält nicht bie SJtuttcrbruft, wenn bie
Vhitter fein ,J)nngergefd)rei nid)t hört unb ihn fatt wähnt." der
Kongreß oerlangte neben beut allgemeinen 0timmred)t unb ooller
preiV, Vereins« unb VerfammlmtgSfrciheit oor Allein Außerfraft*
Jeßling bes Aelbarbeitergefeßes. die A-elbarbeiterfchaft Ungarns
mürbe — wir folgen hier bem eiugehenbeu Verid)te ber Sieuer
Arbeiterzeitung — aufgeforbert, im Sntereffe bet: Anßerfraftfeßuug
biefeS Wefeßes „Alles mögliche zu thuu unb hierzu jebe (Gelegenheit
zu ergreifen." Acruer oerlaugte mau Aufhebung ber ftaatlidieu
0 ihnittcr=Vefcroe, bie nur bie Löhne brüllen, Vefcitiguug ber mit
ben Ernteoerträgen getriebenen Viifzbräudje unb Aeftfetuiug ber
Konocntioiteu in einem foldten Ausmaß, baß bierburd) bas Vrot
bes Arbeiters für bas ganze oabr gefidjert fei, eublich Acferbau«
Atifpeftioiieu, bie bnrd) Tvelbarbeiter z u wählen unb mit behörb*
liehen Vcniguiffeti auszujtatteu feien. Veit bloßen Wnoaltmittclu
biirfte ber agrarfozialiftifd)eu Vemeguug in Ungarn auf bie dauer
fdnoerlid) zu fteueru fein.
Verliit. ( 9 . I a u b e.
8(hweizerifcf)er Arbeitstag in Luzern.
Am 3. April traten junt fünften Viale bie delegirtett ber int
0djweizerifchen Arbeiterbunb oereinigten Arbeiterorganifationen
Zitfatnmeu, unb zwar waren 518 delegirte erfeßietten, bte zufamtnen
184 000 Arbeiter oertraten. Neben ben Wemerffchaftett unb ben
fozialbemofratif^en Vereinen finb in bem Vunb auch bie fatholifcheit
Arbeiterocreine unb bie farblofen Kranfenfaffen oertreten. 3m
Namen ber Negierung oon Luzern begrüßte NegierungSrattj Salther
bie Verfantmlung. der erfte Wegenftanb ber dageSorbttung betraf
baS ©eroerffdjaftSmefen. Arbeiterfefretär Wreulich befürwortete
als erfter Nefereitt bie AÖ r & cru ng ber ©emerffdjaften bttreh ben
fd)roeizerifcben Arbeiterbunb auf politifch uttb religiös oöllig
neutraler ©ritnblage. Korreferent Prof. Dr. Vedf erflärtc fid) mit
ben Ausführungen ©reulichS einoerftanbett unb oerfprad), baß bie
fatholifcheit Arbeiter aufgemuutert werben foßen, fi<h geroerffdjaft*
lieh z u organifiren, fobalb bie oerfprodtene politifche wie religtöfe
Neutralität in Kraft trete; benn, bemerft Nebtter, bis bato bafirc
ber ©emcrffdhaftsbunb noch auf fozialiftifchen Prinzipien. Sür«
fpred) ^ürholz, 0olothurn, münfehte, baß bie ©eroerffchaften nicht
biefett politifd) unb religiös neutralen Eharafter erhalten, fonbern
auf ber fozialbemofratifchen ©runblage oerbletbcn möchten. 3Kit
erbrüefenber Niehrheit — ber marriftifche Antrag erhielt nur ein
paar 0titnmen — mürbe jeboch ber Antrag ©reulich mit folgenbent
Sortlaut angenommen:
3n Eriongung, baß bic (tfemcrffdiaften für bie Arbeiter ein nitcm=
bchrltdics Mittel finb, um für bte Aufrccbterbnltmig unb Hebung ihrer
Lebenshaltung itnb bamtt für bte ©rmtMage eines iitenicheumnrbigeu
förperltchen, utoralifdicit uttb geiftigeit daieins eiitjutrctcit; ba }3 zur &r=
füllutig biefer Aufgabe bic gemcrffchaftlidic Crganifation ber Arbeiter
in ber 0d)ioetz midi z u fdtroadj unb unentmicfelt ift, roährenb bie ('Ze«
fdiäftsiithabcr in utelen 3weigctt eine ftärferc, in tuandien eine faß ooll=
fontntene rrgmtifatiou haben; baß biefes 9AMßoerl)ältniß ber Drgauifatiou
eine Hefahr für bie Arbeiter uttb bas ©emeimoefett bilbet, uttb baß
obligatorifdie Verufsgcnoiicnfdiafteti zu ‘Sdmß ttub Hebung ber pro*
bitfttonsfraft erft bann uiögltd) finb, memt ein größerer 2heil ber Ar*
beiter bnrd) freiwillige gem'erfidtaftlidje rrganifaiion oorgefdmlt ift; baß
eilte einheitliche, gemerffdiaftltdie Lrgautiation ber großen ‘AVchrljeit brr
Arbeiter nur auf bem neutralen Vobeit ber mirthfdiaftlidjcn ^ntereffeii
bcvArbciterflaffe unter Ansjdiluß parteipolitifcher ober religiöfer0tellimg*
nähme erzielt werben fantt, erfenut unb befdiließt ber 0d)wcizenjdK
Arbeitevtag: (is ift pflidit bes fd)iocizcrifd)cit ArbeitcrbuubcS, feiner
Vehörbnt unb Lrgane, fomie feiner Vcrbänbe unb Vereine, mit allen
Kräften für eine ciuhritlidjc, umfaffeube gemerffdiaftltdie Lrgauifatiou
ber Arbeiter aller Verufe in ber 'Sdjwciz Z u mirfeu. 3obalb ber
fdimeizerifdie (>HMoerffdjaftsbunb uub feine Verufsocrbänbe unb Vereine
fid) auf partetpoltttfch uub religiös neutralen Vobcu ftellcit, tollen alle be=
ßchenbcH wie alle neu |tt bilbcuben Ventfsuerbänbe unb Vereine zutu
Aitfdilnß an ben Wcmerffdiaftsbunb bewogen werben, der Vuubcs*
; oorftanb wirb beauftragt, eine Kommtjfioit z» beftcllen zur Unterliaub*
! litng mit beit Vovftänbcu bes (^emerfidinftsbunbes uub ber auberit
| Verufsocrbänbe, fomie zur Auhanbiiahme einer planmäßigen propagatiba
| für Vilburtg neuer Verufsocrbänbe imb Vereine.
! Viit biefem Vefcßluß hat fid) ber Arbeiteroerbanb eine hödjft
| bebeutfame Aufgabe gefteßt, unb es ift bemerfenSmerth, baß bic
^orbernng eines religiös unb partcipolitifd) neutralen ©cmerffd)afts=
I bunbcS, ber fid) auSfdiließlid) mit ber Sörberung ber Arbeiter?
Verufsinicreffeit befaffeu foß, gerabe oott einem fo alten unb bc?
I mährten 3(ihrer ber 0ozialiften mie beut um bie Arbeiterfache
hod)oerbieuteu 0eFretär (^reulid) gefteßt morbeit ift.
I lieber Arbeitslofenocrfidjcrung uub Arbeitsnachweis
I fprach Natioualratl) Dr. £wfmann. Nebtier berührt eingangs bic
! oerfchiebenen Sonnen, in welcher bic ArbeitSlofigfeit auftritt, bie
I afutc (ocrurfadjt buvd) wirthfd)aftlid)e Krifcu), bic periobifche (bet
I fog. 0aifonarbcitSzweigen), bie djrouifche (bnrd) bie Auffaugung
I beS Kleinbetriebes bnrd) ben ©roßbetrieb Iieroorgerufeti) unb be?
i fprad) furz zwei NJittcl, bie zu bereit Vehebung bisficr gebraucht
] würben, bie Naturöloerpfleguugsftatioucii uttb Arbeiterfolouieit.
Es waren biefe Viittel aber uid)t im 0tanbe, bic ArbeitSlofigfeit zu
befeitigeu; als braudibareS, aber immerhin prefäreS Ncittel gegen biefe
i fei bie ArbcitsbefdiaffungiNothftanbsarbciteu) auzufi’hcu. die ArbeitS?
; iofcnoerfidteruiig, bas jiiugfte Ntittel, biirfe in ber 0d)toeiz als eitt
I 0prößliug ber feinerzeitigeu 3'nitiatioe bes Ned)tes auf Arbeit an?
i gefehen werben. 3u Veru unb 0t. ©allen bube matt mit ber Ver?
j fidierung gegen ArbeitSlofigfeit aüerbiugs nicht bie bcftcu Erfab=
ruiigeu gemacht, zum dheil ans ©riiitbcu örtlicher uub pcrfönlidjer
1 Natur, in Vafelftabt fei mau in ben Vorarbeiten fteefen geblieben, ber
©roßc 0tabtratli oon ;|iirich habe bie 0ad)e überhaupt oon ber Maub
1 gemiefeu. Nebiier trat für biefe Verfidimiug ein, itnb mad)te fobann
’ (eine Vorfdiläge, bie er in einer Neibe oon dliefen nieberlegtc:
I die obligaiori'dir Arbeit*:-!i^'ocioeiüditmuig fo 11 fidi auf inöglidiü
| gteuhe Arbeiterlaiigorjeu, bie \nuieiit oon Arbeiislofigfeil betroffen
765
©ojinle $ragi£. ©entralblatt für Sojialpolitif. Ar. 28. 766
werben (in elfter Siiuie bie saijouarbcitrr), Ocfdji'änfen imb ben bc=
foiibcrit örtlichen wie bcruflidjeii Vcrpältuiffcn anpaffeu. ^i’tr bie Vor*
fupcruiig*pflid)t ift and) eine Altersutarimalgmt3e (60. Lebensjahr) au*
3ujepen. Wcbrecplidje imb erwcrbsbrfdjränfte Arbeiter finb uid)t t>cr*
Jicpmingsüerpfltdjtig. .^crbci^iebcu 3m* A r b e i t s l o f e u u c r f i dj e n i u g finb
and) bie Verufsuereiite, es? wäre nlio eine Arbeitslofeuuerfidieritug inner*
halb felbfiuenrnltenber VerufSg cnoffenfd)aften 511 bitben, betten ftaat*
lid)e nnb fontmunalc ^nfdjnffe% triften wären, wie beit öffentürfien
Verfidjenmgsrajfeu. ^ ^ur Vcrfidicrung bcitragSpflidjtig wären Arbeiter,
Arbeitgeber, tu wie Staat nnb Ok'tncinbctt. Die Beiträge foffen in einem
beftiimnten Verba Ituiife 31t ben Lcijtungeu ber ftaffe fiepen. (Sitte Ab*
ftnfnng für bie Prämie mtb (Sntfdjäbignng ber Arbeiter ift nirijt an*
gezeigt; eine .(taren.^eit ift eiitjnfüfjren. * (Kroger VSertb ift auf eine
ridjtige fantonale nnb fonttmtnale Arbeitsucrtheilungspolitif 311 fegen,
bemt ohne Arbeitsbejdjaffuun ift bie Verfidjerung ein tobtgcboreneS
fttnb. Die Verwaltung bei* Vcrfidjernng ift womögtid) ben Verfirfierten
8tt überlaffen, benen jebenfalts bei ber ^afjl bes Verwalters? uttb ber
Angeftellten ber Maffe ein ViitbefttimmmgSrcdjt cinjuräitmett ift.
3£as ben Arbeitsnachweis anlange, fo erflärte ber Referent,
es fei als Sbeal ein Arbeitsnachweis ait 3 uftreben, ber unter ft'on*
trole ber ©ewerbe*Fnpaber in beit £)änben ber Arbeiter felbft liege.
Streitigfeiten wären bitrcp eine gemifepte ftommiffioit 311 fcplicpten.
Solange bicfeS Jbeal jeboep unerreichbar, wären paritätifcp oer*
waltete AacptoeiSbureauj* 311 fepaffeu. Der Arbeitertag erFlärtt
fidj opne Disfuffion mit ben Ausführungen beS VebiterS ein*
oerftauben. —- Qux Beratpuug ber ftranfen* unb nnfafluerfid^erung
foH fpäter ein außerordentlicher Arbeitertag einberufen werben.
BfcberanSfpcrntng itt fRetdjen&ad) in Scpleftcn. Unter ben
s Bebertt in SReicf>enbac 5 war feit längerer 3 *it eine Bewegung für
(Einführung beS 3 epnftünbigen Arbeitstages im ©ange. ©in ©r*
fuefjen in biefer Aicptung würbe am 1. April oon ben oereiuigten
Fabrifanten burch öffentlichen Anfcplag „im Jntereffe ber fton*
furren 3 fähigfeit" abgewiefen unb bie Drohung pi^itgefüat, bap
eine ArbeitSnieberlegitng auch nur in einer einigen gabrif bie
AuSfperrung ber fämmtlichen 2 Seber 311 t Öolge paben würbe.
3n f?o!ge biefer Befanntmacpung fam eS in einer >5abrif 3 U
Reibereien gwifc^en ben Sirmeninhabern unb ben Arbeitern, bie 3 U
einer ftiinbigung eiit 3 elner ©eher führte. Daraufhin erflärteu
beren Kollegen, bie Arbeit nieberlegcu 31 t woflen, unb nun Hin*
bigten fämintliche Jabrifanten ihren Arbeitern, bie mit bem fo*
fertigen Stepenlaffen ber Stühle antworteten. — Jubeffen wirb 00 m
11. b. V?tS. gemelbet, bap bie Arbeitgeber bie ftiinbigung aufgehoben
haben, ba überall minbeftenS 25% ber Arbeiter fich eingeftellt
haben. Die 3npl ber AuSftänbigen ift auf 1000 gefuitfen.
Der AnSftanb ber ftrcfelbcr Sammettoeber, ber nun feit s 2ßitte
Snnuar aubanert, ift 3 war trop aller Bemühungen ber fiäbtifdjen
fo^ialen ftdmmiffion noch nid^t beigelegt, fcheint aber burch
AuSfcpeibcn ber Vfitglicber beS nicbeiTpeinifcpen VerbanbeS (hrift*
lieber Dejtilarbeiter aus bem Streiffomitee eine anbere Vknbung 3 U
nehmen. Die d)riftlid^en Sammetweber wollen bie Arbeit wieber |
aufnehmen, wenn bie gabrifanten ben in ihrer Sohnlifte oor* ;
gefepenen 3nfaß bis 311 10 4 für tabellofe Arbeit berart in Hagbaren
Sohn (©rgäii 3 ungSlohn) oerwanbeln, bap er unter allen Umftänben
gc 3 al)lt werben mup. Die anbereu beiben Verbänbe: uieberrljeinifcper
Vkberoerbanbuub beutfcherDc^ilarbciteroerbaub halten amStreif feft.
©in Streif ber Binnen jrf)iffer in fftotierbam. Das „Sociaal
Weekblad“ beridjtet: Der große Auffchwung ber beutfehen Sn*
buftrie unb beS DranfitooerfeprS über 9iotterbam hat ber Heinen
Sdjifffaprt 3 wei Aacptpeile gebracht: erftenS bie ©rrichtung oon
großen DranSportgefeflfcpaften mit großen Schiffen, bie gefchleppt
werben muffen, mit benen bie fletnen Sdjiffe nicht fonfurriren
fönnen, unb 3 weitenS bas ©mporfommen einer Vtenge oon Mittels*
perfonen 3 wifcpen Kaufmann unb Sdjiffer, ber Befragter, oon benen
bie Sdjiffer aütnäplicp gät^lich abhängig geworben finb. Die j
meifteu oon ihnen haben ein BMrthshauS, in benen bie öradjten 1
angenommen werben müffen; bie befterr Aufträge erhalten bie |
Schiffer, bie oiel oer 3 ehren. Auch giebt es Befrachter, bie felbft
Schiffe haben. Voohl hatte bie Regierung Anfangs 1898 ben Be*
fchwerben abphelfen fich bemüht burch e i ne Aenberung ber Be* ,
ftimmungen über bie Binnenfchifffahrt, aber biefe haben wenig j
ober gar nidjts genüpt. Die Sage ber Schiffer würbe je länger
je fcf)Ied)ter unb als im Tyebruar 1898 oon bem Vereine ber Be«
rra<hte_r jiod) ungünfügere neue Sraditbebingungen für bie 9ihein*
fahrt feftgefept würben, be)d;lo|fen bie Sdjiffer, feine Sradjten mehr
an^uuebmen unb 3 U ftreifen. ©in Verein würbe gebilbet unb oon |
biefem Olegenbebiuguugen feftgefejjt. Die Sorbernmjen ber Vhein* j
fdjiffer waren im großen <^an^en, baß eine 5)iadjt, tu ber geloben '
würbe, als gati 3 er Dag gerechnet werben füllte; baß fie nicht nach ,
©innahme ber Sabuug noch gehn Dage ohne Vergütung liegen 311
bleiben ocrpflichtet waren, fonbern oon ben Befradjtern in Staub
gefept werben füllten, innerhalb 48 Stuuben ab^ufaftrett unb fchlicp*
lid), bap, wenn ber gradhtoertrag bie cin 3 unehmeitbe Quantität nur
„ungefähr" beftimmte, nie mehr, wohl aber weniger gefaben werben
füllte. Der Streif bauerte mehrere Söocheit. Unter all ben
Sd)iffern, meift 0rthoboy*©aloiniften, bie nie einen Verein unb
nie einen Streif gehabt hatten, ift fein einiger Streifbrecher ge*
wefen. Allmählich waren mehrere Befrachter, SR^eber nnb SpebitionS*
firmen ge 3 muugen, bie VSünfche ber Sdjiffer 3 U bewilligen unb ber
Streif enbete mit einem Sieg ber lepteren. Anfang Vtär 3 ieboep
brach cr aufs 9ieue aus, ba ber Verein oon oerfchtebenen Seiten
Berichte erhielt, bap einige Befrachter unb Spebiteure, bie Flauheit
im Verfepr unb baS grope Angebot oon Schiffsräumen bemtpenb,
einige Sdjiffer 311 Überreben gewupt patten, bie feftgefepten Be*
bingungen 3 U breepen. Darauf befdjlop ber Verein, abermals ben
Streif 3 U proflamiren. V3ieberum war bie Vpeinfaprt auf einige Doge
gepemmt unb abermals trugen bie Sdjiffer gänjlitp ben Sieg* baooit.
Diefer ©rfolg ber Sftpeinfdjiffer bewog bie Binnenftpiffer,
bie nur auf ben Gaffern beS SanbeS fapren, wäpreitb bie Schein*
fdjiffer nadj Deutfcplanb gepen, auep um eine Befferung iprer Sage
fiep 3 U bentüpen.. können jeboep bie 3*tpeinfdjiffer noep ftnan^ielle
Verluftc ertragen, fo gehören bie Binnenfcpiffer oöllig 31 t ben wirtp*
fdjaftlicp Scpwacpen. ©in Beweis bafür ift, bap ber Bunb ber
9?peinfdjiffer mit 1134 VHtgliebern 4000 rJt, aufgebracht pat, ber
gleicp 3 eitig errieptete Bunb ber Binnenfcpiffer mit 1100 VUtglieberu
aber nur 500 Jlt Auper ben 3 wei erften Sorberungen ber 9tpein*
fepiffer patten bie Binnenfcpiffer noep 3 wei weitere, bap nämlicp bie
Verträge niept mepr im V^irtpSpauS abgefcploffen werben, unb bap
fie niept mepr „auf Drbre" fapren füllten, b. p. ber Scpiffer foU
niept erft in einem beftimmten $afen erfahren, wopin er bie Sa*
bung bringen foll. Vom 19. Februar ab würben alfo oon ben
Viitgliebern bes BunbeS ber Binnenfcpiffer feine ^aepten mepr
angenommen unb ein Heiner Dampfer würbe bemannt, um alle
anbereit Scpiffer 3 U Überreben, ben Streifenben 311 helfen. Darauf
forberte ber Bunb ferner, bap bie Spebiteure unb Befrachter nur
VHtglieber beS BunbeS befdjäftigten füllten. 3ebe ber Parteien
beauftragte einen 9tecptSanwalt mit iprer Vertretung, ©in Antrag
ber Befrachter, bie Bebingungen ber Scpiffer a^unepmen, mit
AuSnapme ber Befrachtung auper bem VöirtpSpaufe unb beS
3roangS, nur VÜtglieber beS BunbeS 3 U befepäfti^en, würbe oon
ben Scpiffern abgelepnt. Aber bie SRotp ber Streifenben unb ein
ftarfeS Steigen ber Öracpten brachten bie 9teipen ber Scpiffer ins
SBanfen. Unb baS ©nbe war, bap bie Scpiffer bie oon ben Be*
fraeptern in ipreu Bebingungen gemachten Aenberungen genehmigen
mupten, fo bap bie Befrachtung im VMrtpSpaufe fortbauert unb
bie Befrachter im Stanbe finb, fiep an bem Bunbe 3 u rächen burep
bie AuSfperrung feiner Viitglieber. Söenn es bem Bunbe jeboep
gelingt, feine ft affe 311 füllen, mup er sweifelSopne fiegen, ba ber
Verfepr in 9totterbam unmöglich l^nge gepemmt fein fann.
Die Bewegung unter ben $arifer ^anblungSgepülfen, oon
welcper wir (9tr. 26 Spalte 705) bereits berichtet paben, ift burdj
einen Befcplnp beS ©emcinberatps wieber ftarf genäprt worben.
3n Solge ber heftigen Agitation ber Unternehmer würbe bie
Voli 3 eioerorbnung, naep welcher bie StrapenanSlagen nur bis 8 Upr
Abenbs an gewöpnlidjeu, bis 11 Upr AbenbS an Vorabenben oon
Sonn* unb Feiertagen unb bis 12 Upr ViittagS an Sonntagen
gebulbet werben foüten, burep ©temeinbcratpSbetiplup bapin abge*
änbert, bap bie ©talagen an Sonntagen bis 6 Upr Abenbs auf*
reept erpalten werben biirfen. DiefcS ftompromip jwifepen ben
Forberungen ber Unternehmer unb benen ber Angeftellten erhielte
jeboep bei ben lepteren feine befriebigenben SSirfungeu. Sie fepeu
bie Agitation um B3iebererlangung ber oerlorenen Rofition mit
erpöpter ftraft fort unb erweitern pöcpft waprfcpeiulich ipr ^ro*
gramm 3 um Verlangen auf oöllige Sonntagsruhe.
Ärhclterfd)u|.
Die Jahresberichte ber ©etnerbe«AufftchtSbeamten in
SSürttemberg für 1898.*)
Der Veröffentlichung ber batjerifdjcn unb babif^en Faprcv=
beriepte ber F^nfuifpeftion ift jept bie ber Beamten in BMirllem*
berg gefolgt. s Sie biefe fiibbeutfdjeu Beridjte ^eitlidj uape bei
einanber ftepen, wäprenb 3 . B. bie Veferate für V ri 'upen imb
ftonuniifroiK’Oerlag oon \\ s 2iiibcniainiv VmlibiinMmig iV-
Btuitgart.
Soziale $ragis. Gcntralblatt für Sü 3 iaIpolitif. $r. 28.
768
767
Sadifeu cijt iin 3»li unb Auguft 311 crfdjcincn pflegen, fo gebt
midi ein geuteinfamer (^riuib^tig burt alle brei: Wir begegnen
überafi bem Vefireben ber AuffidjtSbcamten, ifjr Amt int Sinne
einer ernften unb aufrichtigen Sojialrefomt burtsuführcu, bie fic^
nid)t barauf befträntt, iiber bie {trifte Ditrd)fübrung ber Arbeiter*
ftupbeftimmitngen 311 machen unb trodfene Sioti^en 3 ufamtnen*
3 uftcllcu, foubern il)i*e Aufgabe aut barin erfennt, einen Ginblicf
in bie tl)ütfäd)lid)en 3üftäube unb baS innere Seben ber gemerb*
liefen Arbeitcrbeoölferung 311 erhalten unb burt Seftftellxing ihrer
Wahrnehmungen amtlid)e Aufflärung 311 {djaffen über bie praftifrf)en
Vfafeital)men, bie 31 m Abstellung gerechter Vefdjroerbeu unb gur
CSrfiillung gereri)ter Wiinfdje fuhren tonnen. Dafe bie Beamten
bei alter Jvürforgc für bie Arbeiter and) oolle Wiirbigung ber
Stellung ber Arbeitgeber entgegenbringen, beroeift jebc Seite biefer
ftibbcutfrt)cii ^Berichte, beren Unparteilid)feit unb Cs>cred)tigfeit nur
ber an^roeifetn famt, ber in ber G3emerbeauffid)t oortoiegenb eine
Snftitution 3 M 11 Stufe ber Unternehmer hüben möd)te.
Wenn mir etroas bei ben mürttembergifd)en ^Berichten bebauern,
fo i{t eS ber Mangel einer einheitlichen 3 ufantmenfaffltug ber
Referate, bie für bie brei 3'nfpettionSbczir!e erftattet merben. Dem
ifefer mirb baburd) ber ltebcrbtirf crfdjmcrt unb Wieberfeolungen
finb nuuermeiblid). Wir ocrfud)en bafeer im Folgenben, bie ein*
getiten i)iittl)cilungen unter gemeiufatne G)efid)tSpuufte 31 t bringen
unb meubeu uns au erfter Stelle ber ^Betrachtung bes Verhält*
uiffcS ber Auffid)t3beamten 311 Arbeitgebern 11 nbArbeitern
311 . $ier liegt uufereS (5racf)tenö ber fpriugcube $unft für bie
gebeil)lid)e Wirffamfeit ber gan 3 en 3nfpeftionstl)ätigfeit. Unb ba
ift 311 fonftatiren, bafe bie Beamten in Württemberg au gen fdj ein lieh
Vertrauen auf beiben Seiten geniefeen. s l)iit ben Arbeitgebern, fo
heifet eS, mar ber Verfebr im Allgemeinen angenehm unb be*
friebigenb; Differeit 3 en famen nur oereinjelt uor unb 3 mar meift
mit Heineren Fabrifanten ober mit §>anbroerfSmeiftern. „Der Ver*
fefer mit ben Arbeitern cntmicfelt fith in erfreulicher Weife", melbet
ber Beamte für ben 3 meiten Ve 3 irf, „unb läfet erfennen, bafe ber
2 l)dtigfeit ber Otemcrbeinfpeftion oon Seiten ber Arbeiterfchaft
luachfcubeS Verftäitbnife unb Vertrauen entgegengebrad)t rotrb."
Die Vcamten crblicfen in ben 3 al)treichen, oon beit orgaitifirten Ar*
beitem (E3emerffd)aften, EJeroerfoereineit, fatholifchen unb eoattgetifchen
Arbeiteroereinen) aufgeftellten mäuntidjen unb toeiblidjcn Vertrauens*
perfoueit eine förberlidje Untcrftiifeung: „Dnrd) bie nermittelnbe
Dfeätigtcit ber VertrauenSperfoiten mirb betn föemcrbeinfpeftor
maitd)tnal fef>r niifelidjeS Material an bie £>anb gegeben, beffett
Menntnife ihn bei Veoifionen in ben Stanb fefet, oerborgen gehaltene
Viifeftäube an ben Sag 311 bringen. Aud) ift nid)t 3 U oerfentten,
bafe burd) bie VcrtrauenSperfonen ben ^Beamten bie Annäherung
an bie Arbeiter erleichtert mirb. Des Weiteren bürftc bie Dfeat*
fache, bafe bie SnfpeftionSbeamten mit ben Vertrauensmännern
regeltnäfeig oerfehrert, oielfach propfetjlaftift 3 u mirfett geeignet
fein", erflärt ber ^Beamte für bett erften Ve 3 irt. „Die oon ben
ocreiitigten (^emerffefeaften unb oon ben Gkroertoereinen aufgeftellten
VcrtrauenSperfonen finb gumeift ruhig unb fachlich oenfettbe
’iUtäniter, bie bemüht finb, bie roirftichen 3ntereffen ber Arbeiter
311 förbmt", betont ber ^Bericht für ben britten Ve 3 irt.
Die Acufeerungen ber Veamteu über bie Arbeiterorganifa*
tiotten erl)eifd)eit überhaupt oolleS Sntereffe: „9Jat nuferer Anfid)t
il. Ve 3 irt) ift eine ehrlid)e gegenteilige Verftäubigung
oon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern bei gut organi*
jirteit Arbeitern meitefeer möglich, als mit ben eitt 3 elnen
Arbeitern, unb bie Arbeitgeber follten ftd) baran ge*
möhtten, in ben Erganifationen nicht ihre prinzipiellen
Gegner 311 erblitfen, fottbern biefe eher förbern als be*
fainpfeti." (Sine „ 3 eitgentäfte unb gercdjte gorberung ber
Arbeiter" nennt ber Veridjt für ben 3 meiteit Ve 3 irf bie Erganifation
unb bebauert, bafe bie 3 a hl ber Unternehmer, bie bies einfiet)t, bis
jeut nod) fd)mach ift. (iiite längere Abhanblung iS. 12 t>—1:;5)
mibtuet ber Veamte für ben britten Ve^irf ben Arbeiterberufs*
oereiuett. Gr fagt oon ihnen: Sie „erftreben bie f 0 rtfcf)reiteitbe
Verbeiiernng ber Ärbeiteroerhältniffe befouberS in Vrgig auf £ohu
unb Arbeitzeit, fotoic bie Hebung oon Wefnnbheit unb Sittlidifeit,
oor Allem bei ben mciblidjcti 1111 b jugettblidjen Arbeitern, ferner bie
AÖrberung ber 9ied)te unb 3utereffen ihrer VJitglicber burd) Auf*
flärnng unb Vilbung, burd) llnterftnfemig in MranfheitS*, onoa*
libitäts* unb Sterbefällen, bei Arbeitslofigfeit unb in aufeerorbent*
lidieit 9?otl)fällen, burd) (^etoährititg 0011 Äed)tsfd)ufe ntib burd) baS
.sjerbergsmefeu." om Allgeuieiueu oerhalte fid) bie (Mrofeiubuftrie
beu Arbciterorgauifationen gegenüber meift inbifferent, ein 3 elne
bmmrragenbe Unternehmer fnmpathifirten grunbfätilid) mit ihnen,
anbire leimten fie fchroff ab. „Die Abneigung gegen bie gemert*
fd)aftlid)eu Ergauifationcn mirb mit beut politifd)en Verhalten
ein 3 eliter ihrer Viitglieber 311 crfläreit oerfud)t — mofel mit Unrecht,
bentt in ben meiften fällen maren eS immer nur roirthfchaftliche
unb ni^t politifdhe fragen, bie bas gegeitfeitige Verhältnife smifchen
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer geftört Ratten." Die l) e ftigftcn
(Regner ber Drganifationeu feien bie 5fleinmeifter, beren öfonomifche
unb foziale Sage fich faum oon ber ber befferen gabrifarbeiter
unterfdjeibe. „Die Verbänbe hotten fel)r oiel barauf, erfahrene unb
gefeilte Vtämtcr in ihrer 'iWitte 311 hüben, bie auch bei ferner*
ftehenben Arbeiterfd)aft Achtung unb Aitfchen geniefeen, toeil bei
irgenbmcld)cit Grfdjeinungen, bei Eohnbemcgungen 2 c., eS im
Sntcrcffe bes G3elingenS liegt, roenu bie Vemcguiig'burch erfahrene
Eeute, beren llrthcil man auch anbermärts Vertrauen entgegen*
bringt, getragen mirb." Aud) ber fatljolifchcn unb eoangelifdhen
Arbeiteroereine mirb gebadet, unb als Grgebnife ber Vetrachtungen
über bie Arbciterorgauifationen baS Urtheit gefällt, bafe „bie ge*
fantmte 3nbuftriearbeiterfchaft, ohne Unterfd)ieb ber
Partei unb ber Stoufeffion, oon bem ernften Streben
burchbrungett ift, ben Arbeitcrftanb geiftig unb fittlid)
311 heben".
Vei ben beoorftehenbeu 9icid)StagSbebatten über bie VerufS*
oercine merben berartige Aeufecrungen erfahrener A-achmänuer, bic
mit beu Aufchauiutgcn ber Anffid)tsbcamten in Vapent unb Vaben
oielfad) iibcreiuftimmen, hoffentlich bic gebiihrenbe Veadjtnng finben.
Vel)cr 3 igenSmerth bei ben lauten Klagen über bic 3 une()menbc
Verrohung ber 3ugenb ift bie folgeube Stelle im Vcrid)t beS
2. Vc 3 irfS: „Heber baS fittliche Verhalten ber jungen Eeute
faitn im Allgemeinen nicht gef lagt merben . . . AuSmüchfc merben
aud) oon ben Arbeitern aufs Sd)ärffte oerurttjeilt, 3 umeift aber
merben biefe Gvfcheiuitngcn als bie natürliche Solge mifelidier (Sr*
merbs* unb s Bol)niingSüerhältiii)ie ber Gltern angefeheu 1111 b nur
311 einem geringen Dhetl als pcrfönlid)eS Verfchutben beS Einzelnen.
kz faitn allerbittgs nid)t beftritten roerbett, bafe burd) bie Ve=
fd)äftigung oevheiratheter 5 r anen, namentlich junger HUitter, in
beu tjrabrifcn baS ganze Familienleben unb bamit auch bie Äiuber*
er 3 iel)itng uotl)tcibel; beim gel)t bic iNutter in bie Sübrif, fo muffen
bie ftinber ber Äoftfrau übergeben merben. Das Veftreben biefer
ift meift nur barauf gerichtet, burch Annahme möglidhft oielct
tfoftfinber bie SHcchnuitg 311 finben, für bic Gi^iehmtg mirb menig
gethait, meil auch beim befteu Willen häufig baS itöthige Ver*
ftäitbuife unb bie geuiigenbe ^eit hierfür fehlen. Durdl) beu ftetigen
Verfehl* mit ben Fremben merben bie iliitber ihren Gltcrn all*
mählich entfrembet; in ber fur 3 en 3eit beS VeifammeufeinS mit
ben lefeteren finb fie oft nur 3 eu 9 e n ber burd) äufeere Sorgen
heroorgerufenen 3 miftigfeiten, unter benen bie iliitber 311 leiben
haben unb bic fdjlicfehch 3 u einer Untergrabung unb Viifeachtung
ber elterlichen Autorität führen."
Das Vcrid)tSjal)r mar im Allgemeinen ein für ben ©efchäfts*
ang recht güuftigeS. (5s mar rcid)lich Arbeitsgelegenheit oor*
anbeu. Drofebem fliegen bic Eöhne uid)t burd)ioeg unb einzelne
Erhöhungen mürben burch Verteuerung michtiger EcbenSmittel,
3 . V. Sleifch, roieber ausgeglichen. Eohnbemegungeit maren nid)t
feiten, bod) führten fie nur in wenigen Fällen 3 U ernfteren Aus*
ftänbeii. „Die Auflöfiing bes ArbeitSocrhältuiffeS burd) bie Ar*
beiter ohne Einhaltung ber ÄiinbiguiigSfrift mürbe oerhältnife*
nnifeig feiten gefiinbcu." Der Wohnungsfrage mibmen bic Ve*
rid)te infofern Aufmerffamfeit, als fie mittl)eilen, inmietoeit Arbeit*
geber mtb Korporationen auf biefeui (Gebiete oorgegangen finb;
mir fommeu barauf fpäter not 3 l, riitf, bod) möge hi ?r fd)on
folgenbe Vemcrfung aus bem erften Ve 3 irf ‘plafe finben: „Die Ab*
gahe oon Wohnungen an Arbeiter mag feitenS ber Arbeitgeber in
nod) fo uncigcmuijjiger Weife erfolgen, ein Arbeiter mirb jebot
baburd) ans (>3efrf)äft gefeffelt unb in einer getoiffen Abl)ängigfeit
erhalten, mit furzen Worten: Er gcl)t feiner Freisügigfeit oerlujtig,
meil gcmöl)ttlid) mit bem ArbcitSoertrag aut ber V?ictl)oertrag
gcfiiubigt mirb unb ber Arbeiter nid)t mohl oor bie 3 toeifate
Frage geftellt merben mirb, |iigleit arbeits* unb obbadjloS 311
merben." Die Vcftrebnngen nach Verfügung ber Arbeitszeit
finben in ben Vcridjten eine mohlmolleube Aufnahme. Die jefeige
VrobiiftionSmcifc nehme bie geiftigeti Kräfte nnb bic Heroen beS
Arbeiters gegen früher oiel Härter in Aiifprud), es feien bie Eeute
oiel eher ausgenüfet: „Es finb beshalb bie Kämpfe um fördere
thatfächtliche ArbeitSseit mol)l beredjtigt" (1. Ve^irf). „Grfrculitc
Verbefferungcn in Ve 3 »g auf Verniinberiing ber ArbeitS 3 eit hüben
(in oerfdjiebeueu Fällen baut bem Eingreifen ber Arbeiterorgani*
fatioiteu) Vlafe gegriüen. Der Vemegung leiften aud) bie in oielen
Anlagen mit ber fütteren Arbeitzeit gemachteu giinftigeu Erfal)*
rungen Vortdjiib" i 2 . Ve^irf). „Sie elfftiinbige Ve|d)äftigung ocr*
760
©ogtale Sßrajis. ©entralblatt für ©ogtalpolttil. Rr. 28.
770
peiratpeter Stauen in Jabrifen erfcpeint Slngcflc^tö ber ihrer gu
Haufe roartenben Aufgaben entfliehen gu lang, unb eine Äürgung
ber ArbeitSgeit bürfte ourcpauS gerechtfertigt fein." Lebhaft beflagt
wirb bie 3unapme ber Verroenbung fcpulpflicptiger $inber
gu geroerbücper Arbeit; bie fdjäblidjen folgen malten fiep
bereife in einer Verfcplecpterung beS ©efunbpeitSftanbeS eingelner
©egenbeit bemerfbar. Vielfach fommt hierbei auch bie §auS*
inouftrie in Srage: „©ine gu fepr auSgebepnte §auSinbuftrie
gehrt mehr an ber ©efunbpeit unb ber Arbeitskraft beS SSoIfeö
als eine gefcpüpte Jabrifarbeit, unb es märe beSpalb tmn nicht
gu unterfcpäbenber guter Wirfung, roenn auf bie $auSinbuftrie
unb bie Heimarbeiter entfprecpenbe Arbciterfcpufcbeftimmungen An*
menbung finben müpten." Dap Württemberg bemnäcfjft auch eine
roeiblidje .£>ülfsfraft in ber ©eroerbeaufficpt erhält, paben mir
fcpon früher ermähnt; bie 93ericpte begrüben biefen 3uroa<hS freunb*
licp unb betonen, roelcp hohen Werth bie Arbeiterf<haft auf biefe
©rftiHung ihrer Wünfcpe lege.
©o meht burep ben gangen Jahresbericht ber ©eroerbeauffidjts*
beamten oon Württemberg ein frifcher 3 U 9 oerftänbiger ©ogial*
reform, bie bie Jorberungen mirthf^afthehen JortfcprittS mit ber
Hebung beS ArbeiterftanbeS mohl in ©inflang gu fefcen roeip.
_ g.
Die ©cfmfcmafircgeln für bie AngefteÜtcn in ßäben nnb bie
©ehfilfeuoer&äitbe. Aus ben Urteilen Der ©epülfenfcpaft über bie
Rooelle gur ©eroerbeorbnung, fomeit fte bie AngefteÜten im
§)anbelSaeroerbe betrifft, feien im Racpftepenben einige ftunbgebungen
großer Verbänbe mitgetbeilt. Der Vorj'tanb beS ©entraloerbanbeS
ber .ftanblungSgepülfen unb *©ehülfiunen pat eine Petition an
ben Reichstag unb VunbeSratp gerichtet, in melcher er oerlangt:
1. bap bie ©cpupbeftimmungen für £anblungSangeftelIte nicht nur
auf bie Angeftcllten in Labengefcpäften, fonbern auf fämmtliehe
im ßaitbelSgeroerbe thätigen Verfonen auSgebepnt merben; 2. bap
bie Arbeit groifepen 8 Uhr AbenbS unb 6 Uhr Borgens oerboten
merbe unb bap jugenblicpe Verfonen nicht nach 6 Upr AbenbS be*
fcpäftigt merben bärfen; 3. bap für ^anblungSgepülfen ein groölf*
ftünbiger unb für jugenbliche $erfouen ein neunftüubiger Rtorimal*
arbeitstag, in meinem eine groeiftiinbige RüttagSpaufe unb je eine
oiertelftüubige grüpftücts* unb RacpmittagSpaufe enthalten fein
mup, oorgefeprieben merbe. Die Petition oerlangt ferner, bap für
bie Uebermachmtg ber Durchführung ber ©cpupoeftinimungen be*
fonbere AufficptSorgane (tfmnbelsinfpeftoren) gefepaffen merben.
Die Dpätigfeit biefer AufficptSorgane foH fich nicht nur auf bie
Veaufficptigung ber ©efcpäftSräume befepränfen, fonbern bort, mo
ben Lehrlingen unb ©epülfen $oft unb Wohnung oom ^ringipal
gegeben mirb, fiep auch auf bie WopnungSfontroIe erftreefen.
gerner mirb es als ein Mangel gerügt, bap bie Rooelle bie grage
ber ArbeitSorbnungeu offen läpt unb nicht ähnliche Vorfcpriften
trifft, mie fie in ber ©eroerbe*Orbnung über bie ArbeitSorbnungen
in gabrifen oorgefehen finb.
Der Hamburger „herein für .'panblungsfommis oon 1858",
ber jept meit über 50 000 Rßitgtieber gählt, betont in feinem 33er*
einsblatt (Rr. 432), „bap mir Den ©ntrourf beS ©efepeS, menn er
auch anfern Wünfcpen nur gum Dpeil Rechnung trägt, bocp als
einen meiteren ©chritt in ber gürforge für bie Singehörigen unfereS
beutfehen ftaufmannSftanbeS freubig begrüben." ©r befennt fid)
aber nach wie oor S um obligatorifchen Labenfcplup, ber jept
aud) bei ber „roeitans übermiegenben Rleprgapl" ber Laben*
befiper ^Billigung finbe. Huch forbert er eine RHnimalrupegeit
für erroachfene männliche ©epülfen oon 11 unb für roeiblidje unb
jugenbliche ©epülfen oon 12 ©tunben; aufjerbem müfete bie uhe*
S ’t fpätefteuS 9 Uhr SlbenbS beginnen. „Wirb eine berartige SBe*
ränfung nicht gefehüth feftgelegt, fo bürfte bie Hbfid^t ber
©efefceSoorfchläge fchroerlich erfüllt merben: für bie $>anbIungS*
gel)ülfen unb Lehrlinge in Labengefchäften fomohl geeignete gür*
forge in gefunbheitlicher SBegiehung gu treffen, als auch ü> nen bit
nöthige 3 e ^ S u aerfchaffen, bamit fie in ber Lage finb, fid) beffer
als bisher in ben laufmännifchen Jägern fortgubilben". Die SluS*
führungen beS «Hamburger hereinsblatteS oerbienen um fo mehr
Beachtung, als bem herein nicht blofj ©ehiilfen, fonbern auch fehr
oiele ^ringipale angehören. Jm ©rofeen unb ©angen oertritt ber
herein biefelöen gorberungen, bie auch in ber ,,©og. ^3rajiS" bei
ber 33efpred)itng beS ©efefeentmurfeS (@p. 637) erhoben morben finb.
Dem SunbeSrath ift biefer Dage bas oon bem Deutfeh*
nationalen £>anblungSgebülfenocrbanb in Hamburg oeranftaltete
©efuch um reichSgefepUche Regelung einer einheitlichen Laben*
fchlupftunbe mit nahegu 47 000 Unterfchriften gugegartgen. Unter*
fchriften fmb aus inSgefammt 642 Drtfchaften eingegangen. 11260
^ringipale unb 35 622 StngefteHte, unter lepteren 5890 meib*
liehe haben unterfchrieben. Jn ben fleinen ©täbten unb Ortfdjaften
haben bie Arbeitgeber fnh faft burchgängig unthätig oerhalten,
nicht aber in ben gröperen ©täbten; fo finb g. 93. tn Hamburg
oon 7739 Unterfchriften allein 2711 ^ringipale. Die „Sfcorbb.
AUg. 319-" bemerft hingu: „Da Hamburg gu benjenigen ©täbten
gehört, bie gur 3 C ^ &*n fpäteften Labenfchlup haben, fo ift bar*
aus gu entnehmen, bafc auch bie felbftftänbige Kaufmannfdpaft für
fich bie Wohlthat einer gefeplichen Labcnfcplupftunbe herbeiführen
möchte." 9JJöge bieS im Sieid^Stage behergigt merben!
fttttfeerfdisip in freu|ei. Der $ultuSminifter hat fämmtlichen
Regierungen unb Dberpräfibenten einen ©rlap übermittelt, morin
auf ein Ürtheil beS ^ammergerichtS'(ogl. ,,©og. $rajis" ©p. 175)
oermiefen mirb, in bem entfliehen tft, bap eine $oligeioerorbnuna,
nach melcher fchulpflidjtigc ^inber in ber 3«it oon 7 Uhr Rach*
mittags bis 7 Upr Vormittags gum Austragen oon Vacfmaaren,
3Ril<h, 3 c ii u ogen unb anberen ©egenftänben, gum ^egelauffepen
ober gu fonftigen Verrichtungen in ©chanfmirthfehaften, gum Auf*
märten ober gum &anbel mit Vlumen ober anberen ©egenftänben
niept oermanbt merben bürfen, RecfttSgültigfeit hat. — ©0 erfreu*
lieh bieS Vorgehen ift, fo mirb bamit ourchgrcifenbe Vefferung
hoch fchroerlich ergielt merben. Auf bem VerorbnungSmegc miro
hier überhaupt nicht ju h^f? n fonbern nur burd) ©efep.
Das hat auch in geroiffem ©inne ber ©taatsfefretär beS Jnnern
im Reid)Stage gugegeben, als er auf bie Erhebung über bie ge*
roerbliche Älnberarbeit gu fpretpen fam. Vebauerlich ift, bap
über biefe ©nquete noch immer feine gufammenfaffenbe Veröffent*
lichung oorliegt; Dheilrefultate, mie g. 93. aus Vraunfcproeig, auch
aus eingelnen ©täbten, fmb allerbingS befannt. Die ©rpebung
mürbe im Degember 1897 angeorbnet, im Jrühjahr 1898 ab*
gefcploffen, bie 93earbeitung im faiferl. ftatift. Amt ift fepon oor
5 bis 6 Monaten beenbet. UnfereS WiffenS liegt ber Vericpt feit*
bem im ReicpSamt beS Jnnern.
Weibllcpe Sröbrifiiifpeftoreii in $rett6en. Der 93unb beutfeper
Jrauenoereine patte beim VUnifter für ^anbel unb ©emerbe be*
antragt, ben oon ipm oeranftalteten Surfen gur AuSbilbung roeib*
licper ©eroerbe-AufricptSbcamlen einen ©emerbe * Slufficptsbeamten
als Dogenten gur Verfügung gu ftellen. Darauf pat ber SPUnifter
geantroortet, er fönne bem Wmtfcpe fepon mit Riicfftcpt barauf
niept entfpreepen, bap bie für eine folcpe Aufgabe in Vetracpt fom*
menben 93eamteil burep ipre Dienftgefcpäfte 00 E in Slnfprucp ge*
nommen feien. Ueberpaupt fei bie ©inftellung roeiblicper §ülfs*
fräfte in ben ©emerbe* Auf fiep tsbienft roegen beS Mangels an Ratteln
oor bem 1. April 1900 nid)t möglicp. ©intreteubeufallS follen be*
fonbere ^urfe für bie roeiblicpen Aufficptsbeamten eingefüprt ober
biefe 511 ben fcpou aUjaprlicp in Verlin ftattfinbenben, oom RUnifter
eingerichteten JnftruftionSfurfen für männlicpe Aufficptsbeamte gu*
gelaffen merben.
3Ufbettemrmentitg. Sporkoffen.
Der ©nftourf ber JnbaHbitStSmmette naep ben Vefdpffen erfter
Lefung in ber RetihStagSfommiffion.
Die ReicpStagSfommiffion, ber bie JnoalibenoerficperungS*
nooetle gur Vorberatpung Übermiefen ift, pat furg oor ben Öfter*
ferien ipre erfte Lefung abgepalten. Obgleich bie barin gefapten
Vefcplüffe noep mancherlei Abänberungen, oielleicpt auep in roefent*
licpen fünften, erfahren bürften, fo mirb boep ein Ueberblicf über
bie ^ommifrionSberatpungen jefct oon Jntereffe fein.
©ine erhebliche Aenberung ift an ber oom ©ntrourf oor*
aefcplagenen Verecpnung ber Jnoalibenrenten oorgenommen morben.
Die ©runbbeträge finb in ben eingelnen Lopnflaffen auf 60, 70,
80, 90, 100 JL perabgefept, bafür aber bie ©teigerungSfäpe auf
3, 6 , 8 , 10, 12 4 erpöpt morben.
Vegüglicp ber Altersrenten ift es jeboep bei ben Veftimmungen
beS ©ntmurfS geblieben.
Aucp bie Verkeilung ber Laften ift eine anbere geroorben.
Die ©emeinlaft hat fid) oerringert, bie ©onberlaft bagegen erpöpt.
Denn aucp oon ben Altersrenten foE bas ©onberoermögen fortab
einen Dpeil tragen. Racp ben ÄommiffionSbefcplüffen mirb näm*
Iicp bie ©emeinlaft gebilbet burep 3 /4 fämmtlicper Altersrenten, bie
©runbbeträge aller Jnoalibenrenten, bie Rentntfteigeruugen in
Jolge oon MranfpeitSroocpen unb bie Renteuabrunbungeii, mäprenb
alle übrigen Verpflichtungen bie ©onberlaft ber Verficperungs*
anftalt bi&en. Dabnrcp ift aucp bie AuSfcpcibung eines geringeren
DpeilS ber AnftaltSmittel gmeds Vilbung beS ©emeinoermögens
771
(Soziale ^rajis. Eentralblatt für Sogialpolitif. Rr. 28.
772
möglich geworben. Am 1. Qanuar 1900 foHen bis gum 1. ßanuar
1910 in jeher BerficperungSanftalt nur 4 /io Ber ^Beiträge gur
Decfung ber ©emeinlaft buepmäpig auSgefcpieben werben. Eine
anberweite geftfepunq biefer Duoie bebarf ber Suftitmnung beS
SHeid^ötagö ebenfo, wie bie Rortnirung ber ^Beiträge, bereu §öpe
auf 14, 20, 24, 30, 36 4 bemeffen worben ift.
Eine wefcntlicpe Umaeftaltung paben bie ootn Entwurf ent*
pfoplenen Rentenftellen erfahren, Sßringipalüer finb fte gang be®
feitigt worben. Die ihnen gugebaihten Aufgaben ber Begutachtung
oon Rentenanträgen 2C. finb ben unteren BerwaltungSbepörben
übertragen worben. 0onacp bleibt eS in ber Hauptfacpe beim Alten.
Rur, wenn bie untere Berwaltungsbepörbe fid) gegen bie ®e®
Währung einer Rente ober für beren Entgiepung auSgufprecpen
gebenft, pat fie oor Abgabe tpreS (Gutachtens ben Sacpoerpalt
unter 3ugiepnng je eines BertreterS ber Arbeitgeber unb ber Ber®
fieberten in münblüper Berpaitblung gu erörtern.
freilich fönnen gur 3öahrnepmung ber pier in grage
fommenben (Gefdjäfte amh befonbere Rentenftellen oon ber
LanbeSceittralbepörbe errichtet werben. Afier SBahrfcpeinlicpfeit nach
werben biefe aber auf bidptbeoölferte Begirfe befdjräuft bleiben uno
für ben größten Dpeil beS Reiches nicht ins Leben treten.
ilebrigenS fann ben fo gebilbeteu RentenfteHen ftatt ber Begut®
achtung auch bie Befcplupfaffung über bie ihnen überwiefenen An*
gelegenpeiten oon ber LanbeScentralbepörbe übertragen werben.
Die fog. Rentenfammer, bie nach ber RegierungSoorlage bei
jeber Anftalt gufammentreten follte, fällt weg. Dafür follen
jweifelpafte gätte an bie untere Berwaltungsbepörbe begw Renten*
ftelle gur Begutachtung burep bie Beifiber, fofern bieS noch nid)t
gefepepen, gurüefoerwiefen werben. - ,
Aufgehoben ift bie Beftimmung, bapSßerfonen, bie Lohnarbeit
nur in beftimmten QapreSgeiten für nicht mehr als gwölf Söodpen
übernehmen, oon ber BerfidjerungSpftidjt befreit fein follen, weil
hieroon grrtpümer unb BeitragSpmtergiepungen befürchtet werben.
Nichtig ift bie neue JJaffung beS §. 22, bap bei Berfidperung in
einer „höheren" als ber ma&gebenben Lopnflaffe ber auf ben
Arbeitgeber entfaHenbe S:hcil nach ber höhnen ßopnflaffe bann
gu bemeffen ift, wenn ber Berficperte nachweift, bap er unter
grunbeleguna feines tpatfäcplicpettwöd^ntliihen ArbeitSoerbienfteS
in biefer höheren Lopnflaffe gu oerfichern fein würbe.
3m Sntcreffe ber Angehörigen ift bie Borfchrift eingefügt, bap
bei einer bie Dauer eines BJonatS überfteigenb&i greipeitsftrafe
unb bei Berlegung beS Aufenthalts ins AuSlanb bie für biefeit
Sali ruheitbe Rente, wenn ber Rentenberechtigte eine oon ihm
unterhaltene, in Snlanbe wohnenbe Familie befiht, ber lepteren gu
überweifeu ift.
Der thatfächliche ArbeitSoerbienft fornint auch gur Geltung bei
Aenberung ber jepigen Beftimmung, bap bie Snoalibenrente ruht,
fofern fie unter .funguredjnung oon Unfallrente, Benfionen 2 c. beit
Betrag oon 450 J( überfteigt. Qft nämlich ber Betrag, welcher
bei Berechnung ber Qnoalibität gu (Gruube gu legen war, alfo ent*
weber ber Lopnfap ber betreffenbeu Älaffe ober ber ArbeitSoerbienft
eines förperlicp unb geiftig gefunben Lohnarbeiters berfelben Art
unb in berfelben (Gegenb poper ofä 450 <7/, fo foU bie Snoaliben®
rente erft bann rügen, wenn fie gufamuten mit ber llufaHrente,
^enfioit 2C. biefen poperen Betrag überfteigt.
Als Berbienft eines förperlicp unb geiftig gefunben Lopu®
arbeiters berfelben Art foll minbeftenS bie Hope beS LopnfapeS
berjenigen Lopnflaffe in Berechnung gegogeu werben, welche im
pralle ber gnoalibifirung bes betreffenbeu Berficherten ber Renten®
Berechnung gu (Grunbe gu legen wäre.
Angenommen würbe noch eine Refolution, in ber bie oer*
biinbeten Regierungen gur Ausarbeitung einer Rooefle gum
SfranfenoerficperungSgefep erfucht werben, worin bie (Bewährung
oon ftranfengelb u. f. w. bis gum Ablauf ber 26. 38ocpe, ftatt, wie
jept, ber 13. 3Socpe, oorgefdjriebeit wirb.
gür bie @ee * BerufSgeuoffenfchaft ift bie Beftimmung oon
Söertp, wonach biefer geftattet werben fann, burep eine befonbere
Einrichtung bie gnoaliben® unb AlterSuerfidjerung gu übernehmen,
fofern bamit eine BSittweii* unb BJaifenoerforgnng oerbunbeit wirb.
$te Allgemeine CrtSfranfenlaffe gu granffurt a. 3)2. hat nadj ihrem
6)eid)äftvberid)t (Sranffurt a. B2. ^ruef uott 8chntibt & ^obtfd) 1899)
im 3ahrc 1898 trop ftcrabfcpiing ber Äarenggeit oon 3 auf 2 Sage,
Erweiterung bei? MranfcngelbeS oon Oc» ü /o für 26 SSotpen unb faffcn=
ärgttidjc ^amilienbelianbhmg mit freien 3)2ebifamcnten unb Heilmitteln
einen Xiefferen finanziellen Erfolg als in ben fämmtlidjcn 13 Borjahreu
gehabt. 3« ber gamilienoerftdicrung (Beitrag 1,20 M. monatlidj) bc*
fanben fid) im vierten Quartal 1898 1509 Familien. An ftranfpeitS«
fällen würben 6654 gegen 4699 im Borjapre gemelbet, bie eine Aus*
gäbe oon 8889,63 unb gwar oon 8215 ,70 J*. für SWebifameute,
161,88 M. für Srogert unb 511,» *//. für Heilmittel erforberten. ES
würben 67 Brillen, 46 Brudjbönber, 28 ^rrigateure, 36 Leib* unb Rabel*
binben, 12 Dhrenfpripen, 11 Eisbeutel, 4 3«haIationSapparate, 2 Luft*
fiffen :c. oerabreidht. &er Crtsfranfenfaffe gehörten am ©djlnffc bc§ Rech*
nungSjahreS 40 074 3)2itglieber an, bie ©efammtfranfpeitsfälle belaufen
fiep auf 49 202. Auf bett Üraufheitsfall entfallen 21,47 MranfheitStage unb
29,i9 Stranfengelb. Auf ben Äopf ber burd)fdinittlid)en SWitglieber*
japl entfallen 8,75 ftranfpeitstage. Bei ben 318 ä^odfeutageii finb
ourchfdmittlidj für ben Sag 1526, 6 a Jt. «ranfengelb einfcplieplid) SBöcp*
nerinnenunterftüpung gegaplt worben. Bont 1. Januar ab finb bie
Beiträge auf 374 % beS burtbidjnittlidjen SageSoerbieitfteS ermäptgt,
fowte bte Äaffenlciftung in gorm eines obligatorifdjen ©terbcgelbeS für
grauen unb Äitiber ber Berficherten erweitert. 254 Lanbaufentlialtc
würben an 122 Männer unb 132 grauen Bewilligt, in Refonoalescenten*
anftalten 367 B?itglieber eiugewiefen unb 200 Babefuren bewilligt. AIS
eine Liicfe im 3wangSinuungSgefepe 00 m 26. guni 1897 wirb begeiepnet,
bap über bie ©rünbuug oon gnnungSfranfenfaffen niept bie oerfiepe*
rungSpflid)tigen Arbeitnehmer gu hören finb, bie fid) erfahrungsgemäp für
ihre Belaffuüg Bei ber leiftuugsfähigeren Drtsfranlenfaffe auSfprecpen
würben. 9J?ait befürchtet, bap bie ^wattgsinnungen eigene Waffen
griinben werben.
Unfall* unb ^ranfenoerfichernng in ber Scpkneig. Befanutlicp
pat ber Rationalratp in ber lepten £>egemberfeffion eingepenb über
bie grage ber Aufbringung ber für bie ßranfen* unb Unfall*
uerfidjerung erforberlicpen BunbeSmittel bebattirt. ^er BunbeSratp
erpielt fcplieplich ben Auftrag, bie ginangirung, fei es auf bem
3öege oon bubgetmäpigen ilombinatiouen, fei es auf bemjenigen
ber 0d)affuug einer neuen EinnapmSquelle, gu unterfucpeit unb
barüber ben eibgenöffifcpen Rätpen in ber nä^ften 0ommerfeffion
einen Bericht unb Anträge oorgulegen. 3n golge beffen haben
nun fämmtliche ^epartemente unb baS BuubeSgericht in ihren
Berwaltungen eine genaue Sßriifang p e r gufüuftigen Einnahmen
unb Ausgaben oeranftaltet unb barüber Bericht erftattet. S)ie
Berathung über biefe Angelegenheit h^t, wie ber Berner „Bunb"
oernimmt, jept im BunbeSratp begonnen.
Bcrfichenmg lanbwirthfchaftlicher Arbeiter itt Ungarn.
Aufträge beS RJinifteriumS werben bergeit in einem ^omitat jen*
feits ber S)onau bie Borarbeiten für bie Schaffung eines Ber*
banbeS ber Arbeiter für bie Lebens® unb UnfaÜoerficherung ge*
troffen. $)er Berbanb foll auf genoffenfthaftlidjer BafiS organifirt
unb ben ÜDEitgliebem burep geringe wöchentliche Eingaplungen opne
Rücfficpt auf ipr Alter im gälte ber burep einen Unfall peroor*
gerufenen ArbcitSunfäpigfeit eine regelmäßige Uuterftüpung, im
SSobeSfalle ben Hinterbliebenen eine entfprecpenb Umitirte Zulage
ficpern.
gabrilfparlaffeit in gtattfreich. Sic erfte gabriffparfaffe würbe
1876 in ber ärarifdjen Sabaffabrif gu Rantes eingerichtet; feitper pat
biefeS Beifpiel oielfadj Racpapmung gefunben, oor allem tu ben übrigen
Sabaffabrtfen (Ltjon, S)ieppe, ^antin, SKorlaij; unb Riom). 'Sie er*
waputen (Sparfaffen ber nationalen gabrifeit paben einen 0parfonbs
oon über 2 SRiHtonen grancS gefantmelt.
Friendly Societies unb Shop Clubs in (Snglanb. Das
Home Office pat im Rooember oorigen gapreS einen AuSfcpu^
mit ber Unterfucpung einer Befcpwerbe oon friendly Societies be*
traut, betreffenb ben oon manchen Unternehmern auSgeüBteu
3wang auf ipre Arbeiter, bem w Shop Club“ (bie $raitfenfaffe ber
girrna), beigutreten uttb aus anberen Friendly Societies auS^u*
treten. Der uunmepr ueröffentlicpte Bericht beS ^omiteS fonftatirt,
bap bie Befcpwerbe tpatfäcptich gerechtfertigt ift, unb betont aud)
bie Ungefeplicpfe.it beS BorgepenS ber Unternehmer, bie ben Beitritt
gu Shop Clubs unb ben Austritt aus Friendly Societies gu Ar*
beitSbebinaungen machen. Das Momite fcplägt oor, eS foU bieS
gefeplicp feftgeftellt werben, boep mit ber Ausnahme, bap ber
Unternehmer piergu berechtigt fein foHe, wenn ber Shop Club
unter ber Friendly Societies Act regiftrirt fei; bagegen foKc er nie
berechtigt fein, gu forbern, bap feine Arbeiter auS einer Friendly
Society austreten ober feiner folcpen beitreten. Die $onfurreit£
ber ftranfenfaffen pat manchen Arbeitgeber gu Rlapiiapmen oeran*
lapt, bie gur erwähnten Befcpwerbe Anlap gaben; cS fonnte nätn*
lief) leicpt oorfommen, bap Arbeiter im tranfpeitsfalle, wenn fie
bei Friendly Societies unb beim Shop Club waren, mepr erhielten,
als ipr Lopn betrug, wenn fie gefuno waren, eine Berfucpung gur
Simulation, wogegen fiep bie Unternehmer ftpiipen wollten.
773
©ojiale $rajig. Gentralblatt für Sogialpolitif. Vr. 28.
3lrbettenail)ti>ete.
Seräattb T'eutftber Arbeitguatbrocife; Petition, fceir. Erlafj Pou
$e(ephoitgcbüßren. SDer Augfcßuß beg Serbanbeg ^at in feiner
Sifcung ju Serlin am 10 . Sebruar bie Abfenbuna einer Petition
roegeit Erlaß ber $elepbongebübren Befdjloffen. An ben Staatg*
fefretär beg $Reicßg*$oftamtg mirb bie Sitte gerietet: „Eg möge
ber telepbonifche Serfeßr ber Arbeitgoermittelunggftellen, inforoeit
er jur Erlebigung ber bei ben einzelnen Stellen einlaufenben Auf*
träge auf Sefcßaffung non Arbeitern ober ©efudje nm Vacßroetfung
oon Arbeit erforberlicß ift, foftenfrei gemährt unb bie Itier^u er*
forberlicße Aenberung ber gefefelid^en Sorfcßriften ßerbeigefüßrt
roerben." 3 ur Segrünbung biefeg Antrages wirb angeführt:
Sämmtlidje Arbeitgoermttteluugen ber größeren Stabte fmb in
erfter ^tnte 311 bem groeefe begrünbet roorben, um ben ftäbtifdjen (Sin*
roobnern bie in ber Stabt oorbanbenen freien Arbeitgpläße möglidjft
frfjncH unb gegen tbunlidjft geringeg (Entgelt ober foftenlog naebsu*
meifen. Sie befielen baßer int SBefcntlidjen aug einem in ber Stabt
gelegenen Sureau, in roclcbem fid) bie Arbeitglofen einfinben, um oon
ben bort angemelbeten offenen $läßctt Äenntniß ju nehmen unb ben
Arbeiter fueßenben Gefdjäftgleuten jugejanbt 311 merben. — 2>ie Auf*
träge erhalten biefe Sureaug tßeilg münblicß, tßeilg fcßriftlicb unb burd)
Telephon. Ta ben Beamten bie lofalen Serßältniffe, oielfadj auch bie
^erfön ließ feit, bie Art beg Gefdjäftgbetriebeg unb bie Arbeitgbebingungen
ber auftraggebenben Unternehmer befannt finb, bebarf eg feiten ber
Aütffragc, unb eg lagen fid) überbieg bei ben geringen Entfernungen
unb ber ^eicßtigfeit beg Serfeßrg in ben großen Stabten bie 31 m orb*
nunggntäßigen Erlebigung ber Aufträge erforberlid)en Vitcffrageu leicht
beroerfftefligeu. 9hm merben aber fämmtlicße öffentliche allgemeine Ar*
bcitgoermitteliinggftcllen in immer suneßmenbem HKaße, außer oon ben
Ortgeinmobneru, auch oon ber Vadjbarßbaft, ber mciteren Umgebung
unb bem flachen £anbe benußt, nicht nur baburd), baß augmärtg
mobnenbe Arbeitgeber unb Jnbuftric unb ^anbmirtbfcbaft Aufträge jur
Schaffung oon Arbeitern erteilen, fonbern auch in ber Art, baß be*
fcbäftiguugglofe teilte oon ihrem Wohnorte aug jur öffentlichen Arbeitg*
ocrmittelunggftelie fontinen. Gerabc biefer lebten [ehr bebeuflidjen Gr*
fcbeiuung muß entfebiebeu entgegengetreten merben unb ^terju bebarf
eg beg regen unb leichten Serfeßrg ber Arbeitgnadjioeife mit ihrer Um*
gebuitg. SSBenn 3 . S. bie Sürgermeiftcr ber fleinereu Stabte, bie faft
alle an bag Tclepbonneß angefdjloffcn finb, ermächtigt mären, bag
Telephon ben Arbeitgebern ober ben Arbeitglofen beßufg Vürffpradjc
mit ben Gentralftellen in ben großen Stäbten unentgeltlich jur Ser*
fügung 311 [teilen unb menn oon bort aug aud) bie notbmenbigften
Südfragcn (^eftftcHung ber Arbeitgbebingungeu beg einzelnen Jallcg,
Vereinbarungen megen beg Vcifcgelbeg) gleicßfallg telepbonifdj bemirft
merben fönnten, fo mürbe bieröurd) ber Auggleid) beg Arbeitcriiber*
fluffeg in ben großen 0täbten unb beg Arbeiterntangelg auf bem flad)en
!Banbe roefentlicß erleichtert, Eg fanit gerabeju behauptet merben, baß,
[olange biefe Ginridjtung nicht befiehl, [ich nie mirb entfeßeiben laffen,
ob bie Klagen über bie Unmöglidjfeit, Arbeiter 31 t finbett, im Mangel
an Arbeitern ober in ben befonbercti Serbältuiffen ber offenen Arbeitg*
[teile begrünbet [irtb. — SBemt eg [ich aber bei biefen Klagen nidjt nm
Unbequemlidjfeiteu banbeit, bie ber einzelne Arbeitgeber übermittben
muß, fonbern um ernfte (Gefahren für michtige mirtbfdjaftlidjc (Gebiete,
fo ift eg um [0 bringettber erforberlicß, bah ben Arbcitgoermittelungä*
[teilen, alg ben einigen Senoaltuuggftcllen, bereit 2Birf[amfeit auf biefent
(Gebiete liegt, bie Atöglicßfeit gegeben mirb, [ich leidjt unb uitgebinbert
mit ben Arbeitgebern [omobl/ alg mit ben Arbeit[ud)enben unb unter*
einanber in Serfebr 31 t fepen. 2 :ic bloße ^ortofreibeit, [o mid)tig fte
märe, mürbe in biefer Siebung nicht genügen, meil eg auf beit un*
mittelbaren unb rafdjen Serfeljr anfomntt, mie er eben nur burd) Jelc*
grapb unb Telephon ermöglicht mirb.
2 )ie Eingabe fdblicßt mit bem AuSbrucfe beg Sertraueng, baß
bem Anträge, burd) ben feinerlei gef<bäftti<$e giele, fonbern michtige
ftaatliche Aufgaben geförbert merben foHen, bie Unterftüßung nicht
a t merben möge. S)ie SJtitglieber beg Serbanbeg merben
orbert, ftcb mit bem gleichen ßrfuchen an bie &anbegregie*
rungen 3 U menbeit unb beg ©eiteren auch um ^ortofreiheit 3 u
bitten.
<Er}iel|ttitg trab fiUbtmg.
VolfgthdmUche $o4fditilkrfe tit ^>ambitra« Seit Sahr^n ^at
bie JDberfcbulbebörbe in Hamburg in immer fteigenbem 5Raße für
bie ©intermonate Sortragg* unb Sehrfurfe eingerichtet, bie na^u
alle ©iffenggebiete umfaffen unb oon einheimifchen unb augroärtigen
fiehrfräften erften 9?angeg gehalten merben. 2 )iefe mit bem be*
feheibenen tarnen „Sortraggmefen" ihre große Sebeutung für 6 r*
3 iehung unb Silbung fehr meiter Solfgfreife nicht entfernt fenti*
geichnenbe Einrichtung hat jeßt einen folcßen llmfang angenommen,
baß auf Antrag ber Dberfcßutbebörbe ber Senat au bie Sürger*
774
febaft einen Antrag gerichtet hat, 500 000 ^ 3 ur Errichtung eineg
enifprechenben ©ebäubeg für biefe Slurfe fomie 50 000 «V/. für bag
©obiliar 311 bemilligen. — So unterftüßt ber Staat in ber
§anbelgftabt §amburg bie Universitj Exteusion, bie bei manchen
Regierungen anberer beutfeher Eingelftaaten auf ©leichgültigfeit ober
gar Abneigung ftößt.
Sortraggfurfe über Vfirgerfimbc ber SKftbchett- imb Orraueu^©ntppen
für fogiöle $ü!fgarbeU in Veitin. 2lm April unb 9»ai ßnbet ein Vor*
traggfurfug über Sürgerfunbe [tatt, ben 2 anbgerid)tgratb ^ooe, 2 )ieng-
tagg 001 t 6 big 7 Ußr im £augeitbecfbaug, 3i c 9 c fftr- 10/11 halten mirb.
$)er Murfug umfaßt außer einer allgemeinen Einleitung folgenbe Kapitel:
2üe beutfehe Aeichgoerfaffuitg, Sanb unb Soll alg Erunblagcn ber Ser*
faffung, $)ie Crgane ber Aeidjggemalt; OJcfeßgebung, Sermaltung unb
Aechtfprechung im heieße, ^ie (ärunblageu ber prcußi[d)en Serfaffung,
^ie ©efeßgebung, Sermaltung unb föechtfpredjung in Preußen. Alg
Anhang mirb bie fojiale Eefeßgebung, Arbeiterfdjuß unb Serßcheruugg*
gefeßgebung bebanbclt merben.
Eomcniug’©efelllf<haft nnb ftäbtifche Sefehnltt, 3)er ©efammt«
oorftanb ber Eomeniug*©efeHfchaft h°t an bie ©agiftrate ber
beutfeßen Stäbte ein SWunbfchreiben gerichtet, in bem jur Errichtung
oon Sucher* unb ßefeßallen aufgeforbert mirb, bie nach bem Sor*
bilbe ber „freien öffentlichen Sibliotßefen" Englanbg unb ber Ser*
einigten Staaten oon föorbatnerifa alg fommunale Seranftaltungen
unter fadbrnännifeßer ßeitung gebaeßt finb. 3 n ben beigefügten
„©runbfäßen für bie Segrünbung freier öffentlicher Sibliotßefen
(Sücßerballen)" mirb empfohlen: 1 . Leitung unb Setrieb ber
Sibliotßef bureß einen miffenfdjafHießen Sibliotßefar im Hauptamt;
2 . tenbenjlofe, für alle Greife beg Solfeg berechnete Augroaßl ber
Sücßer; 3. jentrale Sermaltung; 4. Sage ber räumlich augreießen*
ben Sibliotßef an günftiger Stelle ber Stabt; 5. Serbinbung ber
Augleißebibliotßefen mit einer Sefeßalle; 6 . freier, bureß unnötßige
Sörmlicßfeiten nießt erfeßmerter Zutritt für Sebermann an jebem
£age.
Eingeßett ber fogialiftifcßett Unioerfitlt in Srüffel. Aug Srüffel
mirb ung gefeßrieben: 3Rit bem Seginn beg näcßften Stubieuiaßreg
mirb bie feit fünf Qaßren befteßenbe Uuiversite nouvelle in Srüffel
ißr ^)afein enben. Alle oier gafultäten roerben aufgelöft merben.
SDie llrfacße beg Siißerfolgg biefeg, mit großem Entßufiagmug be*
gonneuen Unterneßmeng, an bem eine Steiße ber heroorragenbftcu
©eleßrten beg ßanbeg tßätig mar, ift befonberg in ber feinblicßeit
Haltung ber Regierung gu fuißen, bie ben oon ber llnioerfität
auggeftetlten Diplomen bie ©ültigfeit oerfagte. Aucß bie $on*
furrenj ber älteren unb bebeutenberen, ebenfallg nießt ftaatlicßen
Universite libre maeßte fieß fcßäblicß füßlbar. So fam eg, baß
naeß guten Anläufen bie Universite nouvelle 3 uleßt meßr s ^ro*
fefforen alg Stubenten säßlte. Eg befteßt bie Abficht, alle bigßer
auf bie Universite nouvelle oerroanbten finangieüen ©ütel bem
Institut des hautes etudes, einer Art oon §ocßfcßulabenbfurfen,
31 t gute fommen ' 3 U laffen. Gleichzeitig roerben Ueberlegungen an*
f ieftellt, ob man nießt einen Sßeil ber juriftifeßen unb ber pßilo*
opßifdßen Qfafultät aufreeßt erßalten unb ße 3 U einer freien §odj*
fcßule für foziale ©iffenfeßaften ummanbeln foH.
eitetarifdje JCnjelge«.
Sparsmaug, Arbeitglofenftatiftif uitb Arbeitguadjioetg. ©ul*
aeßten, erftattet ait bag Eibgettöffifche .^anbelg*, 3nbu[trie* unb
Jöaubmirtbfchaftgbepartemcnt, oomSorortäürich beg Schmei 3 eri[d)eii
^anbelg* unb 3nbu[trieoereiug. Zürich 1899, Xruderei ber Veueu
Üiirdjer Rettung.
Xtc Arbeiteroerfidjerung in Großbritannien, bearbeitet oon
Dr. ^aeßer, 5fai[erl. Gel). Vcgierunggratb im 9tei<ßg*Verficßeruiigg*
amt 3 U Serlin. Serlag oon A. Jrofdjel, Scrlin.
Sou ben im genannten Serlag in groanglofeit §eften erfdjeinenbeu
oorjüglicheu Arbeiten über bie Arbetteroerfidjeruugggefeßgebung ber
einzelnen Sänber ift nunmehr ^>eft ö erfcßietien, melißeg „Tic Arbeiter*
oerficherutig in Englanb (Großbritannien)" bebanbclt. Sou ben be*
reitg crfdjienenen ©eften bebaubeit ©eft 1 bie Arbeiterocrpcßening in
Tänentarf, ^eft 2 unb 3 bie Arbeiteroerficßerung in Sdjmebeit unb
Vormegen, C>cft 4 bie Arbeiteroerficherung in ^raitfrcid). 3cbcm, ber
fid; für bte So 3 ialge[epgebuug im Auglanbe intereffirt, finb biefe $eftc
unentbehrlich.
Le mouvement Socialiste. Revue bi-mensuelle internationale. No. 1—5.
Paris, 17 rue Cujas, Georges Reilais. Prix de Pabonnement: Franco
et Belgique un an 8 fres., Exterieur lOfrcs.; le Numero: France et
Belgique 0,40 fres., Exterieur 0 ,üo fres.
Ministere du commerce et de Pindustrie, rapports sur Papplication pen-
dant Pannee 1897 des lois regleiuentant le travail en France.
Paris. Imprimerie nationale.
»«antwortete für bte »ebaftton: Dr. «rnft brande in »erltn W., »aijreutljerftTafee 20.
775 Sojiale $rajt8. (Sentralblatt für SojialpoÜtif. ©r. 28. 776
$)ie ,.S*?taU ftvawt*" erfdjeint an jcbem ©onnerötafl unb Ift bur# alle ©uc&ljanblungen unb ©oftämter (©oftaettutiftSnummer 7072) ju beheben, ©et ©ret«
für ba« ©ierteljahr ift 2)?. 2,50. Sebe Kummer foftet 30 ©f. ©et «naeiftenpreiS ift 60 ©f. fflt bie breigehaltene ©etitjeile.
Bei der Invalidität«- u* Alters-
verflieherung» - Anstalt Posen
wird in nächster Zeit die Stelle eines
Landesraths
frei.
Das Gehalt der Landesräthe steigt
von 4800 bis 9000 Mk. in 3jährigen
Stufen von je 600 Mk.; ausserdem wird
der tarifmä8sige Wohnungsgeldzuschuss
von 660 Mk. gewährt. Wird dem neu
zu wählenden Landesrath die Vertretung
des Vorstandsvorsitzenden übertragen, so
ist dafür eine besondere pensionsfähige
Zulage von 900 Mk. jährlich in Aus¬
sicht genommen.
Bewerber, welche die Befähigung
für das Richteramt oder den höheren
Verwaltungsdienst erlangt haben und in
der Invaliditätsversicherung thätig ge¬
wesen sind, wollen ihre Gesuche unter
Einreichung eines Lebenslaufs und etwa
vorhandener Zeuguissabschriften an den
„Landeshauptmann der Provinz Posen
in Posen“ richten. Persönliche Vorstellung
nur auf vorgängige Aufforderung.
Posen, den 27. März 1899.
Der Landeshauptmann
Dr« v. Diiembowski.
Japans
Volkswirtschaft and Haushalt
Von
K. R a t h g e n.
(XVI, 785 Seiten mit einer Karte in Farbendruck).
--Preis 18 M. ----
Revue d’ Economic
Politique.
Hgg. von OauwÖBf QldOf Schmriodland und K/f/Ojr« Redactionssecretare:
J»y und Souehon. Diese Monatsschrift brachte bisher u. A. Beiträge von Beauregard,
t. Böhm-Bawerk, Brentano, Bücher, Clark, Cossa f, Foxwell, Issajev, v. Köröri.
Laveleye f, Le fassen r, Loria, Macktod, Hataja, du Maroussem, Menger, v. Miaskows*
Munro, v. Philippoyich, Plernas, Pigeonnean +, Rabbeno +, Sauset, Sehmoller, Walras,
Webb, Westergaard« - Ständige Chronik der Wirtschafts-Gesetzgebung Frankreichs.
Preis jährlich 21 Francs.
Verlagshandlung L. Larose in Paris.
Soeben gelangte jur Ausgabe:
für
@e|e|D(litttij), %erto(tlhtn| unb IMMfdiitft
im fntlfttjen Itridj.
.frerausgegeben oott
Cßtfßa* SdftttoUer.
XXIII. 3 a b r 9 an 9^ 3 toeites §eft. Preis 8 Ulf.
Juhalt: ©ie im engeren Sinne focialeÄrimiualftatiftif als 3tatiftif her ©edjtegütcruerlebimgen.
©oit Äarl ©eutemamt. — lieber ba£ beutfdjc ©elbmcfett im Ärtege>faü. ©ott SWortj
Ströll. (Sdjluftartifel.) — ©ie obligatorifcbe Mraufenoerficberung ber £>au£inbit[trieflett.
©on D. ©Seiger*. — ©cutfcf)Ianb$ lanbmirtfamftlidjcr ©etvieb nad) ben Urgebnificn ber
mit ber ©mtfs» unb ©ewcrbejälilung uoin 15. 3uni ls95 uerbunbeneit lanbunrtfdiaft*
liefen Aufnahme. ©on ©aul RoUntatttt. — ©te luirtfdjaftlidfje :dagc auf 3arbiitieu.
©on ©iajümtltait Glaar. — (Sittmicflung unb gegenwärtige Organifatton ber englifdjeit
^aörifiujpeftion. ©on geleite Simott. — ©ie ©ebeutung uon 3iibbrafilicn für bie
beutfdje tfolonifatioit. ©on Barl ©aüob. — ©te Organifatton beS Srcmbbanbeis tu
üf)tna. ©ortrag oott $ermaitn Sdptmadjer» — yeOenSucrfidjerung, ftäpitaluerfidjeruug
unb bie länbliche ©eoötferung unter oorjugötoetfer ©eriitfftditigung beö mittleren uub
Heineren (^ritubbcft^e^ ber ©rouiuj ©raubenburg. ©ott $an8 ©rattbfe. — Öitteratur.
t»nrri| alte j&prfitngttfgfenrijfianMitnflgn |n belieben:
Hit öcutfdje ämtsinbujlrie.
I. 5attb: Sitteratitr, heutige guftanbe wib
(Sntftebung ber beutf<f)en §au§inbu[trte.
3 2R. (JO «ßf.
II. öanb: ®a§ nörblicfie £f)ütingen.
3 3Ä. 20 $f. j
HI. öattb: Slu8 ber §au§inbufirte im füb= I
roeftlidjen ©eutfdjlanb. 3 3Ä.
IV. öaitb: 2)te §au3inbuftrie in Berlin, D3na=
Brüdf, im Mittelgebirge unb ©rfjlefien.
4 9TO.
V. 33an&: ®ie §cut§inbiiftrie in ber ©tabt
Seipjig unb if)rcr Umgebung.
2 ER. 80 «ßf.
®ie jjmt0tnim|lrtrUrn Arbeiterinnen
in ber Berliner Blufeu=, Unterrocf*, @<f)iitaen* u.
£rifot=SEonfeftion.
©Ott
(ÜJertvufr JltjljtrjcttfuvilT*
©reis 2 9W. so ©f.
$leingenrerbe unb j)ttU0tnbu)irir
tn ^efterceldj.
Beiträge jur ttcnntniö iljrer (Sjiftenj&ebingungen.
©Ott
(Stagen g^iwicManh.
I. 911 Igemeiner ©eil: ©ie mirtftbaftitele Stelluug ber §au 3 *
inbuftrie unb bc§ Bletttgcmcrbcö. 4 9W. 40 ^3f.
II. ©efottberer ©eil: ©ie Steuer SDhifd^elbrecb^ler.
7 m. 60 fl
^erantrooctlicf) für bie «itieigen; ^eUinutt; (Setbd, fielpiig. — Benag uon Junrfer & tpumblot, Scipjtg. — (Sebturft bet gultul ©itteufelb, Berlin.
VIII. f otyrgong.
Berlin, ben 20. Slptil 1899.
ilummer 29.
Soziale ptayis.
^enfrafMatt für ^ogiafpofifiß
mit ber SRonatSbeilage:
Das (Bewerbegmcht
©rgan öes Derbanbes beutfdjer (Betcerbegeridjte.
SJcitc golge bcr „Slättcr für fojtale sßraytg" unb bc« „Sozialpolitlfdjeit GentralblattS".
(Erftichit an Jebem SDennetflag. §CCaU§geber.' Urei« »ierlfijäbrlitb Z 9R. 60 Vf.
SRebaftlon: ©crlin W., Smjrcut^evftragc 29. Dp. ® fit fl «ffCUtdtf* Verlag t)on ©Jumfer & Jjumblot, Seipjlg.
3nt|alt
Sie 9tei<b«erl)ebunfl über bie
Sage ber Kellner unb Kellite*
rinnen in ©eutfcblanb. ©on
Dr. Arthur Goben, HRüncben. 778
tllamdMcCoataP nnb fttrtMftaftt*
polM». 783
©eutfcblanb« ©ebarf an 9?ab*
rungömitteln unb lanbroirtb*
fcbaftlicben ©roöuften. 83on
Dr. Sßaul ©oigt, ©erlin.
3roang jur ©rffifluna eine« ©ienft*
oertragß.
©efep, betreffenb bie ArbeitSoerbält»
niffe länblicber Arbeiter in Sln^alt.
©ojialpolitifcbe« Programm ber fron»
SÖftfcf>en Regierung.
mmmn-mlt eo&talpolttif .... 785
Abänberung be« Äommunalabgaben*
gefefcc« im preufcifeben Abgeoröneten*
baufe.
gntereffenfonflilt öoit ©emeinbeüer»
tretern in 9t?rborf.
totale ßitftättfee.780
©ifenbabnarbeiteröerbältniffe in
©uropa unb Amerifa.
©erunglürfungen mit töbttic^em Au$*
gange beim 93erg»erfSbetriebe in
©reufcen 1897.
©tatiftif ber ©efcntafcbinen in ©eutfeb«
lanb.
Kinöer al« £>aufirei in Stüerpool.
Unterftü&ung burtb Arbeit in Öüttid^.
*frti ttetbetpeonna.787
(Streif# in ©cutfcblanb im 9X6 1 $.
©in erfter c^rifttic^eT ©emcTffdjaft«»
foitgrefj.
©rünbung eine« eüangelifcben ©erg»
arbeiteroerbanbe«.
©ärferöerbanb«tag in 9Rüncben
10. orbentlicbe ©eneralnerfammlung
bc« ©emerfoerein« ber beutfeben
©tublarbeiter (Sertilarbeiter).
internationaler Kongreß bet cbriftlidj*
f 03 ialen Korporationen.
©treifbemegnng in ©öbmen.
©ie ©oefarbeiter in ©etgten.
©in ©ergarbeiterftreif in ©elgien.
Üobnetböbungen für bie ©ergarbeiter \
be« franjbiifcben SRorbreuier«.
©ie normegifeben ©eroerffebaften.
iabredücrfammlung ber jojialiftifcben
unb ber liberalen Arbeitet in #oflanb.
©er ©treif im englifeben ©turfarbeit»
gemerbe.
.792
internationale Bereinigung für Ar* ,
beiterfebub-
ArbettSjeit in ©etreibemüblen.
©auarbeiteifcbub • Äommiffion für .
©apern. |
©er gefeblitbe ©djup ber Sabenan*
gefteilten in Aufträgen. j
itrteitcrtievMeniifl. Cparfaffeti 793 <
©ie £öbe ber Snöalibenrenten '
©on £. .§orn, ©erlin.
©er ©erufögenoffenfebaft« * ©erbanö
unb bie örtlichen Sftentenftellen.
Hur Kaffenarjtfrage.
| 9trfcrtt#tta<t*rf«.795
i Arbeitsnachweis unb ArbeitSöermit*
| telung.
©ie Sage bcö beutfeben Arbeit«*
i marfte«.
i ©aö ©preebmefen ber ©tuttgaTter
j ©ärferinnung.
©3oblfabrt9etmrt4tunteu .... 796 |
Konferenz ber ©entralftetle für Ar» j
beitenuoblfabrtdeinricbtungen. 1
©efebaftigung inoalibet ©ifenbapn*
bebienfteter in Breufjen. j
©eTcin für bie Berliner Arbeiter* ,
folonic in 1898.
«tfttcftMU trab OUbtran.797
görberung be« gewerblichen gort«
bilbungSfcbulmefen« in ©reufeen.
Unterweifung in ben Arbeitetet*
ficberungögefcpen in ben gort*
btlbungSfdjuten ju Nürnberg. i
©ie erfte ©olföunioerfität in granf* I
reiep.
$1)fieue.797
©er ©uberfulofenfongrefc in ©erlin.
©auitütSinfpeftorinnen in ©nglanb.
©a« erfte ©olf«bab in ©ari«. j
©etoerbegeridüe. SiutgsugBäniter.
Miefe «geriete.797
3ft Sopnbotfcbufe al« ©arlebn
aufjufaffen? ©on ©etoerberiebter
Dr. ©cbalborn, ©erlin.
SittnrartfAe ttn^etgen. 798 j
Abbrurf fümmtlicber Brtifel tft ßeitungen nnb ßeitfebriften geftattet, jebod) nur
mit boQer {Quellenangabe.
Bie Jkidiserl)£birog über bie £age ber fiellner
utib fteilnerinnen in Beutfiblonb.
Som 17. bie jum 21. 9ioüember 1898 ^at bie 9leid)$fommi||ioii
für Slrbeiterftatiftif 2luö!unftj8perfonen (Arbeitgeber unb Arbeiter)
über bie $ert)ältnifie ber in 6d)anf* unb ©aftroirt§fcf)aften be*
fdjäftigten ^erfonett uernommen, unb bie ^ßrotofofle über biefe Ser*
ne^muna finb oor ^ur^em öerÖffentli<f)t morben. ^amit bat bie
betreffenoe SReicb^erbebung uermutblicb tb re » Abfcblufe gefunbcu.
6ie beftebt au^ brei &b e ikn* 1- au§ ber ftatiftifeben 3tf|tftellung
ber in 10% ber betriebe beftebenben 3 u f t änbe; 2a. au§ ber
fc^riftlid>en (Ermittelung ber Anfid)ten ber Sntereffentenoereinigungen
über ben ©egenftanb; b. au3 einem ©utaebteu beö 5Reicb§ s ©efuiib*
beitögmteö nebft ^ranfenfaffenftatiftif; 3. am ber ermähnten $er-
nebmung.
2)en Anla& 9ans en Erhebung b at ber Auäfcbhib be§
©aft* unb ScbanfroirtbjtbaftSgemerbeg uom ©tjftem ber Sonntag«*
rube in ber ©emerbeorbmmg gebilbet. 9Rati mar bei Seratbung
ber ©eroerbeorbiuuig«nooerie uon 1891 barüber einig, bafe beit
23ebienfteten be« s Birtbfcbaft«gemerbe« für bie feblenbe Sonntag«*
rube ©rfap befebafft roerben müffe, megeit ber eigentümlichen 23e*
trieb«oerbältniffe in biefetn ©eroerbe aber hielt man eitt Special*
gefeb für itötbig. AI« halb baranf bie 9feicb«fommifrton für
Arbeiterftatiftif eingefefet mürbe, gehörte bie Unterfucbung ber Sage
ber Meßner unb Äeßnerinnen ju ihren erften Aufgaben, ^abei
banbeite c« fid) aber nicht mehr attein um ben @rfa(j für bie
mangelnbe Sonntagörube, fouberu aud) bie meitere Jrage [ollte
nun beantroortet merben, ob im 2öirtbfcbaft«geroerbe „burd) über*
mäßige ^auer ber täglichen Arbeitö^eit bie ©efunbbeit ber Arbeiter
gefäbrbet roerbe", fo bafe nad) §. 120 e ber ©emerbeorbnung ba«
(Eingreifen be« 33uitbe«ratbe« (mie beim Säcfergemerbe) gerecht¬
fertigt erteilte. Aufeerbem erftreefte [ich bie (Erhebung auf bie
Sobnoerbältniffe, ben Arbeü«oertrag, bie Steßenoermittelung unb
auf bie befonberen SSerbältniffe ber jugenblicbeit unb meiblidjeu
^erfonett . l )
3unäcbft oon ber Arbeit«seit. 5)ie tägliche Arbeitest be¬
trägt in 53,s % ber befragten Setriebe mehr al« 14 bi« 16, in
29 , 8 % ntebr al« 16 bi« 18, in 12,7 % ateb^ a& 12 bi« 14 Stun*
ben, in 2 , 70/0 12 Stunben unb roeniger, in 1,5% mehr al«
18 Stunben (ohne Ab^ug ber Raufen [„2)ienf4eit"]). 3n 20o/ 0
ber Setriebe, itt benen neben anberem £eßnerper|onal Sebrlinge
befebäftigt finb, ift bie Arbeitszeit ber Keßtterlebrlinge eine längere
al« bie ber anbereu £eßuerperfonen, in 41 o/ 0 fürjer, in 39o/ 0 ift
fie gleich lang. 2>abei pnbet häufig eine lleberfdjreitung ber regel¬
mäßigen täglichen Arbeitszeit ftatt; leiber roirb ber s Bertb ber be*
treffenbeu Sabefle bureb z u große SRabmen beeinträchtigt.
S$a« ben Sohn anbelangt, jo erhalten 82 , 5 °/o ber Eettuer,
790/0 ber Äeßnerinnen unb 74,8% ber Dberfeflner einen beftitnmten
‘j 9ti(ht alle Alten oon ©ebienfteten im ©$irtbfcb a it«6emerbc mürben
in bie ©rhebnitg gezogen, fonbern nur ba# z» r Sebtenung ber
06äfte oermenbete ^erfonal unb ba# Küdjcnpcrfonal. ©orliegcnbe
Arbeit befdiäftigt fid) au# räumltdien ©riinbeu nur mit bem erftercu.
7 ^<)
Sogialc $ra,ris. dcutraiblatt für Sogialpolitif. Ar. 20 .
2oßit. 3>ie llebrigen finb gang auf baS £rinfgelb angewiefeti.
Bei 17,«,% bei* Kellner, 55,a% ber Kellnerinnen unb 5 o / 0 bet
£bcrfellner beträgt ber ßoßn böchftenS 10 JC- $äe 0itte, baß
Kellner unb Kellnerinnen Ausgaben für baS ©efcßäft machen müffen,
unb groar fiir llnterperfonal, gum drfaß für gerbrocßeneS (^efd^irr 2 C.,
bat fiel) bureb bie (Erhebung als eine im Söefentlicßen groß»
ftäbtifcfje erroiefen. $n Berlin 3 . 33 . höben 33 o/o ber Kellner
Ausgaben für bas ©efcßäft 311 machen, in München 20 , 4 % ber
Kellnerinnen.
S£ie AeicßSfommiffiou bat an bie gaeßoereiuigungen bie 3™ge
gerichtet, ob fic in bem Xrinfaelbermefen einen Aacßtßeil für
ben Kellnerftanb erblicfen. 11 BKrtheoereinigungen unb 25 Kellner»
oercinigungen höben bejaßenb, 14 B3irtßeoereinigungen unb
1 Kellneroereinigung oerneinenb geantwortet, dinen brauchbaren
B3eg 3 ur Befeitiguitg beS SrinfgelberwefenS mußte aber niemanb
angugebett. 3n ber müttblichen Vernehmung höben fich bie Kellner
oielfacß freunblicher 311 m Xrinfgelberfpftem geftellt als bet ber
fcbriftlichen Umfrage, aber nur aus bem ©runbe, weil fie be»
fürchteten, in einer etwaigen (Erhöhung ber Söhne feinen aus»
rcidbenben drfaß für ben dntgang an £rinfgclbern 3 U finben. 2 )
UebrigeitS ift beim Irinfgelberwefen gmifeßen bem Sößlfeflnerfpftem
1111 b bem Sijftcm ber Aemerrecßnung (jeber Kellner faffirt in feinem
Aeoier ein) gu unterßßeibcn. 3eneS ift ßauptfäcßlicß in beit (Safes
üblich, namentlich in ben fogenannten Wiener dafSS, biefeS
namentlich tu 0 iib» unb Atittelbeutfcßlanb in ben betrieben, wo
KeHnerinnenbebienung befteht. 3)ie „3uträger" beS 3 a hlfellncr»
fpftemS werben nicht, wie mau moßl angenommen hat, 00 m 3öhl*
fellner, fonbertt oout 3Birtß nad) ben gmtfeßen 33irtl) unb 3uträger
ocreinbarten Bebingungen angeftellt unb in ber Siegel oont 3Sirtß
bega ßlt. $>er Umfang beS ^rinfgelberwefenS ift beim 2pftem ber
Aeoierred)itung größer, feine 3ntcnfität beim 3öhlfellnerfpftem.
Seiber fomrneu bie £rinfgelber nicht unoerfiirgt bem Bebacßten gu
gute, diu Xßeil wanbert in bie Safcßeit ber Stellenoermittler,
bemt eS wirb cinftimntig befunbet: „$>ic befferen Stellen befommt,
wer baS Reifte bafiir gaßten fann!" Sn ben Wiener dafeS höt
ber 3 n h^ e Üner häufig an ben Befißer einen Batßtfcßiüing 311
gaßlen, euphemiftifcß 33rucßgelb genannt, ber fich nach hem Umfap
richtet, im dafc Bauer in Berlin 3 . 33. 4 %.
i)ie bur<ß ben ftätiftifchen üßeil ber drßebung gewonnenen
3 aßlen erhalten burch bie dnquete, bie fich baran gefniipft höt,
Seben unb 33ewegung.
£>ic Atißftänbe in ben ArbeitSoerßältniffen ber
Kellner unb Kellnerinnen finb 311 m St4)eil auf Mängel
in ber Betriebsorganifation unb biefe wieber gunt
großen Xßeil auf ©ebaufenlofigfeit unb auf ntangelnbeS
fogialeS Berftänbniß ber Arbeitgeber gurüefgufüßren.
d* fehlt oielfach bk C5iuficf)t in ben engen 3 ufammenhang gwifdjen |
ber fogialen Sage ber Arbeiter unb bem mirtßfcßaftlicßen drfolge !
ber Unternehmungen. 33iele Arbeitgeber halten ihre Aufgabe für |
erlebigt, wenn fie bie dinfäufe beforgt, bie 33ebienung unb Unter» 1
bringintg ber ©äfte überwacht unb bie Abrechnung mit bem ^er- j
foual gepflogen höben. ^aß and) eine rationelle Beßanbluug ber
getauften Außungcn ber ArbeitSfraft gu ben Dbliegenßeiten eines
rechten Unternehmers gehört, wirb 311 wenig bcrücffidjligt. 0omeit
bie Kalfulation fich öuf bie moglicßfte AuSnußung ber ArbeitS»
fräfte begießt, mirb ftatt ber pfleglichen 33ehanblung Raubbau ge»
trieben — Raubbau nicht aus böfetn 3 £iKen, fonbern weil man
311 wenig einfeßen gelernt hat, baß auch bie Außung ber ArbeitS»
fraft, wie bie aller anberen ^robnftiofräfte, natürlichen ©efeßen
unb ©rengeit unterliegt. s D?au überläßt es ein fad) ben Arbeitern,
311 fehen, wie fte bie oft hochgefpanntcn Anforberungen beS $>ienfteS
unb bie Sorberungen beS rußebebürftigen Körpers 3 U oereiuigen
oermögen.
,£)ierauf ift oor Allem bie Sßatfacße guriiefguführen, baß noch
immer in fo oieleit ^Betrieben, wo ein tfjeilweifer 0djicßtme(hfel
teeßnifeß bureßfüßrbar wäre, foldjer fehlt, unb baß in oielen Be»
trieben, wo ein 0 cßichtmedßfel befiehl, biefer uuoernünftiq ein»
gerichtet ift. Aamentlicß bie Atorgenarbeit ließe fich md häufiger
unb in auSgebehnterem Alaßftab feßiehtenweife erlebigen, als bieS
gegenwärtig thatfädhlid) ber Sali ift. lieber ben ©runb beS
Mangels befragt, wußten bie Arbeiter bei ihrer 33ernehmung in
ber Vegel nichts AnbereS angugeben, als baß es nun einmal in
bem betreffenbeit ®eftf)äfte fo eingeführt fei. 2 >aher fonnte ferner ber
*) dtne Ab|d)aßimg bev ^rinfgclbcrfi)ftems läßt [ich uufchwcr
in ben 23ahnhofrc|taurationcn ber Stnatsciienbahnen crgieleit, wenn ber
ci iinibabmitffiis gegen eine entfpredjenbc .^erabfeßung beS ^achtichillingS
bem ‘pädjter ausreicheube dntlohnnng ber Keüner gur i?fltdit mad)t.
Sefißer ber Slfabentifchen 33ierhaÜen in Berlin, wo nad) ben Aus»
fagen mehrerer AuSfunftSperfonen gerabegu „ibeale 3 u flänbe"
herrfeßen, fagen: „ds fonnte oiel in ber Aidjtung (b. h- in ber
Dichtung ber ArbeitSgeit) gebeffert werben, wenn bie betreffenben
Herren ^ringipale fich mehr um bie ArbeitSgeit unb überhaupt um
bie d)efd)äfte befümmerten, benn ber ©efchäftsbetrieb in Verlin,
wie ich ihn fenne, läßt hoch fehr oiele Auhepaufen gu, unb bei
einer geregelten dintheilung würbe ein folcfjer 33etrieb, wie ich
ihn in meinem §aufe höbe, auch anberwärts eingufiihreu fein"
(33erh- XVI 37).
©erabe mit Aücfficht auf bie Auhepaufen, bie ber tägliche
Betrieb oon fetbft mit fich bringe, fagen nun allerbingS bie Arbeit»
geber, baß man bie Konftatirung langer ArbeitSgeiten nicht fo
wörtlich nehmen bitrfe, fonbern gwifchen. ArbeitSgeit unb ^ienftgeit
unterfcheibeu müffe. Aber ber 38erth biefer Betheuerung wirb be»
beutenb abgefchioächt burd) baS 3 u geftänbniß, baß auch biejenigen
Kellner, bie gerabe nicht befchäftigt finb, bei Anwefenheit oon
©äften fid) nicht fefcen bürfen. dS h err f<bi ölfo auch im
©irthfehaftsgewerbe bie barbarifche @itte, bie fchon fo häufig
bei ben Sabenaefchäften getabelt worben ift. S)aS 0ißoerbot
fteht in engem 3 u fömmenhange mit ber ßöufigften BerufSfranfheit
beS Kellners, Anfchwellungen unb 3Bunbfein ber Süße. $)aß es
entbehrt werben fann, beweift bie ^hötfache, baß es nur bei
KeUnerbebienung befteht, nicht aber in ben fübbeutfdjeit Betrieben,
wo bie Bebienuitg burch Kellnerinnen üblich ift.
SDie effeftioe ArbeitSgeit fönnte übrigens mefentlid) oerringert
werben, wenn bem mit ber Bebienung ber ©äfie betrauten $er»
fonal Arbeiten, bie mit biefer ihrer Aufgabe nicht nothwenbig ju»
fammenhängen, nicht gugemuthet würben, namentlid) wenn bie
SteinigungSarbeiten mehr als bisher befonberem 'ißerfonal
gugewiefen würben. drft bann fämen bie Kellner unb Keil»
nerinnen wirf lieh gu einem ©enuffe ber Auhepaufen, bie burch
ben periobifeßen Befucß ber ©äfte entfteßen, unb auch bie
s Dtöglicßfeit ber (Einführung oon 0 cßicßten würbe bei einer
folcßeit Regelung beS ^ienfteS gewinnen. Sreilid) müßte babei
ber oorßanbene 6 tocf an ©efchirr in oielen Betrieben oermehrt
werben, bamit bie Steinigung beS ©efcßirreS nicht auf bie Btorgen»
1 unb 9tacßmittagSftunben befeßränft werben müßte, fonbern ben
gangen Sag ißren Sortgang neßmen fönnte. Alfo wicberum:
Aettberungen in ber BetriebSorganifation! Bteßr Arbeitsteilung,
meßr BetriebSfapital!
2) ieBefchaffung oon AuSgcßegeiten unb Stußetagen wirb
oon ben Arbeitgebern beS 3öirtßSgewerbcS oielfach nießt als ©e»
fcßäftsforge, fonbern als Bnoatfacße ber Bebienfteten angefeßen.
9tur barauS erflärt fieß baß ber Arbeiter, ber anSgeßen ober
ließ einen Außetag oerfeßaffen will, fo häufig einen drfafcmann gu
fteHen ßat. Boüftäubige Äußetage (oon uunbeftenS 24 0tunben)
werben in 20 % ber Betriebe gewährt. 3it 13% biefer 33e*
triebe (nach ben Angaben ber Arbeitgeber in 8,5%, nach benen
ber Arbeiter in 19%; in ben ©roßftäbten in 20 %) ßat, 10 er
einen Außetag genießen will, auf eigene Koftcn einen drfaß»
mann gu ftellen. 3lbgefeßen oon ben Außetagen, wirb in 54%,
ber Betriebe eine regelmäßige AuSgeßegeit bewiüigt. 3 ) Aus ber
münblicßen 33ernehmung geßt heroor, baß bie Berßältniffe, was
bie Außetage unb bie 0 teüung eines drfaßtnannes betrifft, un»
giinftiger, was bie übrigen AuSgeßegeiten betrifft, günftiger liegen,
als bie 0tatiftif leßrt. Aber aueß bie Berneßmuna ber 3luSfunftS
perfonen geigt, baß eS nießt wenig BMrtße giebt, bie nur mit
B3iberftreben 3IuSgeßegeiten bewilligen ober biefe überhaupt oer»
weigern.
B3ie oerlottcrt oielfad) bie ArbeitSüerßältniffe im 333irtßSgewerbc
finb, geigt fieß and) in ber übertriebenen Äücfficßtnahme auf
bie Käufer, b. ß. auf baS^ublifnm. ^aS 0ißoerbot, bie Aus»
beßnnng ber 3lrbeitSgeit bis in bie fpätcu Btorgenftunben, baS
Seßlen 001 t 0cßitßtarbeit, all baS wirb mit ben Vaunen unb
| woßnßeiten beS B n hWuniS begrünbet. $>ie ©äfte fönnten fieß be»
leibigt fiißlcn, wenn fie in SöIqc dinfüßrung oon ArbeitSfd)icßten
im öaufe beS s AbenbS gum Begaßlen ber bis baßin aufgelaufenen
3ecße aufgeforbert würben! 3öie oerbreßt müffen alle Begriffe oon
| gefcßäftlicßer ^tücßtigfeit unb oon ben Bebingungen beS wirtßfcßaft*
3 ) $ic Statiftif ber Außctagc unb AuSgcßegeiten weift ftörenbe
SRäugel auf. ds ift nießt erßobcn worben, in wie oiel Söflen ber
Außetag unb bie AuSgeßegeit auf eilten 0onntag fallen unb ob aud)
bei ©cwäßrung einer AuSgeßegeit ber Arbeiter einen drfa|ntaim gu
ftellen ßat. 2)as drgebniß begüglicß ber ^fließt gur Stellung einec>
drfa^mannes an ben Außetageit ift nur in bie Bctriebstabelle, bagegen
nicht in bie ^nbioibualtabcllen aufgenommen worben.
781
©ogiale $rnjis. GentralOlatt für ©ogialpolitif. Nr. 29.
782
fcßaftlicßen Erfolges einer Unternehmung fein, menn folcße Argu-
mentationen auf fotnmen. fönnen!
Eine Vefonberßeit beS BirtßSgeroerbeS befteßt barin, baß bie
Sfrage ber ArbeitSgeit mit bcr Sohnfrage in eigentümlicher
Beife o erg ui ift ift. $>ie Birtße behaupten, Vergrößerung beS
^erfonals, Einführung oon ©cßi<ßtroed)fel, Vermehrung ber Aus*
geßegeiten unb Nußetage, umfaffenbere Verwenbung oon AuSßülfS*
perfonen gur Enilaftung bes regelmäßigen ^erfonalS bei bcfonberen
Gelegenheiten, überhaupt eine Verringerung ber ArbeitSgeit werbe
oon ben Arbeitern felbft ungern gefeßen, roeil fie umforoeniger
Srinfgelber einnähmen, je geringer ihre ArbeitSgeit fei. $>em
gegenüber befunbeten bie Arbeiter bei ber Vernehmung, fie mürben
gerne auf einen £ßeil ber £rinfgelber oergießten, menn fie bafür
inehr Nuße, Erholung unb freie Zeit eintaufeßen mürben.
SDie lärtgfte ArbeitSgeit befteht ba, roo gum Einfluffe be$
&rinfgeIberroefenS noch ber Einfluß beS ©ubregiefnftemS hi»Sa-
fomrnt. 3n ben Gaftßöfen mittlerer Größe (4—9 fßerfonen) mit
Ncftaurant, bie ßauptfäcßlicß in ber Vrooing fo meit oerbreitet
finb, hat nämlich ber DberfeHner gewöhnlich bas Vier unb bie
Gigarren, häufig and) einen ^f>cil bes BeinfellerS nnb ber ©peifen
auf eigene Rechnung. Er oereinigt alfo in folcßen gäHen bie
■gnnftionen bes Kellners, 3apfburfcßen unb VüffetierS. hierbei
fann er ficß natürlich fchmer oertreten laffen, eS müßte immer eine
ooöftänbige Abrechnung mit bem Vertreter ftattfinben. ViS in bie
fpäte Naci)t hinein hat ein folcher DberfeHner mit ben Honoratioren
bcr ©tabt su tßnn, unb fdjon bie erften 3J?orgenftunben erßeifeßen
feine Anroefenßeit bei ber Abreife oon Hotelgäften (häufig nur,
barnit er baS Srinfgelb in Empfang nehmen fann). Vei ber
großen Anzahl berartiger Vetriebe hat fich ber SppuS beS
DberfellnerS in einem Vrooinghotel mit NeftaurationS*
betrieb gerabegu als auSfdjlaggebeitb für bie nach ben oerfcfjie*
benften GefidjtSpuuften aufgefteüten Kuroen ber Arbeitet int
angeit Gewerbe gezeigt. 2>aß bie lange Arbeitzeit bireft ge*
unbßeitSfcßäblich mirfe, hat fich übrigens* aucß in biefen
JyäHen im Allgemeinen nicht naeßroeifen laffen, fo baß bie oben
ermähnte Vefugniß beS VunbeSratßcS, bie ArbeitSgeit gu regeln,
bei unferetn Geroerbe gegenftanbSloS fein bürfte.
2>aS Ergebniß, baß bie Vtißftänbe gum großen £ßeile auf
Niicfftänbigfeit ber Vetriebe unb auf ein Gehenlaffen bei ber
ArbeitSorganifation guriiefgefüßrt werben föniten, ift für bie ge*
feßlicße Regelung oon großer Vebeutung. ©cßon ift närn-
lieh als Hauptargument g f g en e j ne über bie ÜNetßobe ber troefenen
Velgroäfcße hiaauSgeßenbe gefeßließe Regelung geltenb gemacht
worben, baS BirthScjerocrbe befinbe fid) in einer ungünftigen Sage,
eS müffe baßer „gejeßont" werben, unb biefeö Argument ift jeben-
falls noch eine große NoHe gu fpielen berufen, ©icßerlicß ift baS
BirthSgewerbe ftarf begenerirt. Es ift gutn £ßeil oom Groß*
fapital abhängig geworben (g. V. oon ben großen Vrauereien),
Sunt £ßeil ift es eine 3»flad)tsftätte geworben für ©eßmaroßer unb
Vanferottirer. 4 ) Verbienen nun biefe Prägen, bie fich nicht basu
aufraffen fönnett bie ArbeitSoerhältniffe in ißrem Vetriebe beft-
möglich gu orbnen, baß man, um ihre „foftbare G^ifteng" ber All*
gemeinbeit gu erhalten, ihren Arbeitern ben ©cßuß oerfagt, ber
ihren Genoffen oon ben anbern Gewerben feßon nicht meßr be-
ftritten wirb? Aber wenn ich nicht irre, fo geht ber Nuf nach
©cßonüng ber ©eßwadjen am meiften oon benen aus, bie, felbft
ftarf, eine Venninberung, fei es ihres GinfomtJtenS, fei es ihrer
Arbeitgeberautorität, ootn Eingreifen beS ©taateS befürchten. ®iefe
mögen eS fich gefagt fein laffen, baß fie, wenn fie Samens beS
Gewerbes ben ©taat sunt heiligen Kriege gegen ben glafcßenbier*
hanbel aufrufen, fich wohl feßc balb in bte Sage beS 3auberlehrlingS
oerfeßt feßen werben!
Nun nod) einige Borte oon ben Kellnerinnen! Es finb
fecßS Kellnerinnen (Bresben, München, ©tuttgart, ©traßburg,
Heibelberg, SNaing) unb gwei Viiffetbamen (Vertut unb München)
oernommen worben, leiber aus Zeitmangel etwas fummarifeß.
(Bäßrenb bie Kellnerinnen unb Vüffetbamen ben 9. £ßeil ber
AuSfunftSperfonen auSmadjen, füllen ißre AuSfagen nur ben
15. Xßeil beS ^ßrotofoßs). Bie fich fä) 011 bei ber ©tatiftif ftörenb
erwiefeit hat, baß bie „Animirfneipen" nicht getrennt oon ben übrigen
Vetrieben beßaitbclt worben finb, fo haben auch bei ber Ver*
nehntung bie männlichen AuSfunftSperfonen (Arbeitgeber unb
4 ) Eafebefißcr f^laßner oon Karlsruhe (Verb- XVI 72): „$er Krebs-
fcfjabeii in unferem Gewerbe ift, baß oiele Veute Birthfdiafteu aufaugeu,
bie gar feine Ahnung bauen haben.ba foutiueu bie teilte unb
lagen, id) habe ein paar h«nbert SJfarf, wollen ©ie mir uirfn ein ruhiges
Birthfdjäftle beforgen?."
Arbeiter) bie Animirfneipen oon ben Vetrieben mit reeller Kellnerinnen*
bebienung nicht genügenb s« trennen oerftanbeu. S)er Aerger ber
Birtße unb Kellner über bie Animirfneipen ift ja begreiflich- ©iefe
fchäbigen baS Gewerbe unb ben ©tanb. Namentlich werben bureß
ißr ^erfonal bie Kranfenfaffeit, benen es angeßört, in gans unoer*
hältnißmäßiger Beife belaftet. Aber lächerlich ift es, wenn bie
Kellner mit Benbungeit, hinter benen ficß ber Vrotneib feßr unge*
feßieft oerbirgt, bem aansen KeHnerinnenftanb gegenüber fid) als
Vertreter ber ©ittlicßreit auffpielen wollen. 2)ie Kellnerinnen, aud)
bie reellen, werben oon ben Kellnern nicht als Kollegen anerfannt.
$5ieS ßat nidf>t nur für bie Kellnerinnen, fonbern auch für bie
Kellner felbft unangenehme folgen. $)ie Kellnerinnen müffen
nämlicß beS fachlichen ArbeitSnachroeifeS entbehren, ©abureß werben
aber, wie bei ber Vernehmung fonftatirt würbe, bie Arbeitgeber
oielfacß geswungen, auch ißre männlichen Arbeiter oom gewerbs¬
mäßigen ©tellenoermittler ja besießen, weil biefer fagt:
„Benn 3)u meine Kellner nießt wiHft, fo befommft $)u auch nteine
Kellnerinnen unb HauSmäbcßen nießt." S)urcß ben Vtangel jeglicßer
Drganifation ber Kellnerinnen werben biefe förmlich in bie fmnbe
beS ©tellenwuchererS getrieben, ber fie bei ficß beherbergt unb fo
lange wie möglich auSfaugt unb fte enblicß, wenn fit am ftärfften
in ber Kreibe flehen, mit Hintanfeßung ber übrigen Veroerberinnett
rafcß untersubringen fueßt. ES muß eine Hauptaufg,abe ber gemeinb*
Udjen ArbeitSnacßweife fein, bie Kellnerinnen für fteß su gewinnen.
Vor Einem muß auf baS Veftimmtefte gewarnt werben: nämlicß
bauor, baß man in ber Abfjcßt, bie ©ittheßfeit ber Kellnerinnen
(erwaeßfener perfonen, bie auf anftänbige Beife ißr Vrot oerbienen!)
ß förbern, bas Boßnen ber Kellnerinnen beim Arbeitgeber oor*
reibe; babureß würbe man nur bem Unterneßmerthum, baS
natürlich ein Qntereffe baran ßat, bie Arbeiter möglicßft in Ab-
ßängigfeit s« erßalten, Vorfpannbienfte leiften.
Alfo man trenne, wenn man siir gefeßlicßen Regelung feßreitet,
bie Animirfneipen oom Kapitel „Kellnerinnen"! 2)ie Animir¬
fneipen feien Gegenftanb ber $oli$eigefeßgebung. Veim Kapitel
Kellnerinnen aber oergeffe man nießt, baß es ficß um bie Aus¬
arbeitung eines ArbeiterfcßußgefeßeS ßanbelt unb nießt um ein
Gefeß sat Veoormunbung einer Klaffe oon Arbeitern. —
3um ©cßluffe möcßte icß noeß auSbrücflicß bie ©orgfalt ait-
erfennen, mit ber bie Kommiffton bie Vernehmung ber AuSfunftS¬
perfonen gepflogen ßat. Nur wäre eine häufigere Anroenbung beS
fontrabiftorifeßen Verfahrens bei Biberfprüd)en s^ifeßen Arbeit¬
gebern unb Arbeitern ga roünfcßen gewefen. Als geßler ßat ficß
erwiefeit, baß meßt wenigftenS gur Vernehmung Soßnfellner (AuS-
ßilfSfellner) gugegogen worben ftnb. $)ie Örage, ob eS möglich ift,
einen Nußetag oorgufeßreiben, ßätte noeß eingeßenber geprüft
werben fönnen, wenn biefes gefeßeßen wäre. 3)aS ©teHenoermitt-
lungSwefen ßätte objeftioer unterfueßt werben fönnen, wenn aueß
gewerbsmäßige ©tellenoermittler oorgelaben worben wären. Aucß
VüffetierS (Viergapfer, ©eßenffedner) oermiffe icß unter ben oer¬
nommenen Verfonen.
Eigentlich ßätte gur Veroollftänbigung ber Erhebung
nocß groeierlei gu gefeßeßen:
1. Es ßätte eine Umfrage bei ben Negierungen ber Eingel*
ftaaten ftattgufinben, ob begro. in welcßem Umfange aucß folcße
Kellnerinnen, bie feine ßäuSlicßen ®ienfte gu oerrießten ßaben, oon
ben VerroaltungSbeßörben noeß als ©ienftboten angefeßen werben
unb baßer ein 2)ienftbucß füßren müffen. 5 ) Es giebt fo oiele
Vtißftänbe, bie ficß aucß oßne Aenberung ber Gefeße befeitigen
laffen!
2. ES wären bie Erfahrungen feftgufteHen, bie man in ben
Kantonen ber ©cßroeig, wo Gefeße gum ©tßuße ber Kellner unb
Kellnerinnen ober nur leßterer bereits befteßen, bamit gemaeßt ßat.
®ieS wäre nun aHerbingS ©aeße eines ftänbigen Arbeitsamtes,
nid^t einer bloßen Kommiffion. Bieber ein VeroeiS, wie notß-
weubig bie Errichtung eines NeicßS-ArbeitSamteS ift! 3)aß es
wünfcßenSwertß wäre, jene Erfahrungen gu fennen, ßat ficß feßon
im Öaufe ber Erhebung gegeigt, inbeni g. V. oon ben Kellnern, bie
in ben leßten Qaßren aucß in ber ©cßroeig in ©teHnng gewefen
finb, ber eine unb anbere barnaeß gefragt worben ift, natürlich
oßne Erfolg. —
Belcße gefeßlitßen Maßregeln follen nun ergriffen werben?
Hierauf gebenfe icß in einem fpäteren Artifel gu antworten.
SWüntßen. Arthur Eoßen.
5 ) Vgl. Ardj. f. fog. Olef. V 129/Bl.
788
«Soziale $ra£is. Geutralblatt für ©ogialp oUtif. Nr. 29.
784
Allgemeine öojial- unö SBirtfjfdjaft^poiitih.
Denifdjtantos Scharf an Nahrungsmitteln nab lanbtmrtftfcftaftlitften
Brobnftcn.
3n feinem in Nr. 28 ber „©ogialen Praxis" aögebrudften Auf*
faft „Snbuftrieftaat unb Gyportinbuftrie" rietet §err Profeffor
Dlbenberg foigenben Angriff gegen bie ftatiftifeften Berechnungen,
bie in meiner AbRanblung „DeutfcRlanb unb ber SMtmarft"
(^ßreu^ifd^e SaRrbücfter, Februar 1898) enthalten finb:
„Syenit bie (Srportinbuftrie für ftdj allein gur Diagnofe beS 3» s
buftrieftaateS nicht ausreicht, fo ift bagegen bte NaljrungScinfuftr ein
fd)lüffiges ^abijtum. Ueber ihren Umfang in DeutfcRlanb wirb noch
geftritten. _3dj hatte fie 1897 auf V 9 beS BerbraudjS gefdtaftt. p. Boigt
regnet auf breiter, aber fehlerhafter (Brunblage 7* beS Ber*
brauch^ — nicht an Nahrung, fonbern au lanb* unb forftmirtftfdftaft*
liehen probuften — heraus unb meint, bte inlänbtfdjc probuftioit fönne
mohl auf 9 s, aber unmöglich auf */s ihres gegenmärtigeu UntfangeS
gefteigert merbett, fei alfo nach feiner ©tatiftif unfähig, beit fscljlbetrag
gu beefen. Die oott Ballob reoibirten Daten Boigts führen aber
auf eine Cuoie beS NaftrungSoerbraud)*, bie hinter meiner
Schäftung nod) ctmaS guriiefbleibt, unb gugleicft ift btefer Autor über
bie SciftungSfäftigfeit ber beutfeften Sanbtoirtftfcftaft beffer unterrichtet
als Botgt."
Dbwoftl ich gegenwärtig mit anberen bringenbett Arbeiten
ftarf befeftäftigt bin, fo gwingt tnicR bodft ber apobiftifdfte Don, in
bem profeffor Dlbenberg über meine Berechnungen aburtheilt, gu
einer ©rwiberiing. Seiber Rat Elbenberg in beit wenigen 3 e üen,
bie fi<h mit mir befeftäfügen, oerfchiebene DftatfadRen burcheinanber
geworfen, bie es erft gu entwirren gilt, fo baR bie Antwort be*
bauerlicfterweife etwas mehr Nautn als ber Singriff beanfprueften
mu 6-
1. 3»«öchft oerfennt Dlbenberg meines (SradfttenS ben $ern*
punft beS Problems, wenn er in ber Nahrung Seinfuhr ein
fcftlüffigeS Snbigium beS 3nbuftrieftaatS erblicft. Sfeid^t ber Bebarf
an Nahrungsmitteln allein, fonbern ber (Befammtbebarf
an Urprobuften, an Nahrungsmitteln unb NoRftoffen überhaupt,
rnuR ntit ber Reintifcften Sßrobuftion oerglichen werben, wenn man
gu einem llrtfteil über bie (BröRe beS burdft beit Smport gu bedfen*
Beit DefigitS fommen will. llnfere Abftängigfeit 00 m AuSlanbe
beruht hoch nicht allein auf bem Nlanfo an (Betreibe, fonbern auch
— unb in noch höherem (Brabe — auf bem Sehlen oon BMe,
Sellen, £>olg 2 c., fowie oon tropifchen probuften, oon Baumwolle,
Kaffee, Dftee u. f. w. Ballob oerfällt übrigens nicht in ben
Segler DlbenbergS, Reh burch bie auSfcftlieRlüfte Betonung ber
Nahrungseinfuhr baS BerftänbniR für ben ungeheuren Umfang
unb bie s D?amtigfaltigfeit unferer wirtRfdjaftlidjen Abftängigfeü 00 m
AuSlanbe gu oerfperren; er acceptirt oielmehr am Anfang feines
AuffafteS meine Definition beS „3nbuftrieftaatS", obwohl ber ßefer
aus DlbenbergS Ausführungen ben ©inbruef gewinnen wirb,
Ballob erblicfe gleichfalls baS Kriterium beS S^buftrieftaats aus®
fcftlieRlicft in ber (BröRe ber Nahrungseinfuhr.
2. An ber Behauptung DlbenbergS, Ballob hat meine „fehler«
haften" 3aftlen „reoibirt", ift nur fo oiel richtig, baR Ballob an
einigen fünften gu Schäftungen fommt, bie oon meinen etwas ab*
weichen. Das ift einfach felbftoerftänblicR, ba es Reh eben um
Schäftungen ftanbelt, bie wir unabhängig oon einanber oor*
genommen haben. Droftbent ftimmen wir im (Befammtrefuliat im
BkfentlicRcn überein: — ieft Rabe ben BSertR ber lanb* unb forft*
wirthfcRaftlicRen SahreSproonftion für 1896 auf 5920 bis 6350
NiiHioncn Ntarf oeranfchlagt, wäRrenb Ballob fie auf 6500 9Jiil*
lionen Niarf fd)äftt. Die Uebereinftimmung ber 3 a hl en ift oer*
blüffenb groR, unb baS Nefnltat ber „Neoifion" ftcttt ber 3noer*
läffigfeit meiner Berechnung meines ©racRtenS ein feRr gutes
3eugniR aus. Bei einer PfeRreinfuRr lanb* unb forftwirtRfdftaft*
lieber probufte oon faft gwei NJilliarben NJarf beläuft fidj bemnacR
baS burch bie (Einfuhr gebeefte Defizit unferer agrarifcRen Ur*
probuftioti fowoftl nach meinen „fehlerhaften" wie nach ben „reoi*
birten" 3^hl^ nuf annähernb Vn unferer ‘ißrobuftiott ober auf
V 4 wnfercs BebarfS. — 2£aS fpegiell bie ©etreibeeinfuhr an*
langt, fo fefte ich fie für bas eine SaRr 1896 ebenfalls auf etwa
] U beS Bebarfs ober V : , ber h c imifd)en $robu!tion an, wäRrenb
Ballob fie für ben DurcRfchnitt ber brei 3aRre 1891/95 bis
1896/97 auf 2< /S % ber (Sigcnprobuftion (ober auf 22 % beS
Berbraudis) bered)net. Voila tout!
5. Da Ballob alfo weber DlbenbergS „fcRlnffigcS Snbigium"
acceptirt noch wefentlid) anbere 3 a h Jen Rat als idj, fo wirb bie
Behauptung DlbciibergS, „bie oon Ballob reoibirten Daten BoigtS
führen auf eine Cuote beS NahrungsoerbraudjS, bie hinter meiner
©djäftung nod) etwas gurücfbleibt," gänglicR bjinfällig. ©ie
war mir wie Ballob felbft, beit icR beSRalb fragte, gunäcRft auch
üöHig unoerftänblicR, bis mir bie nochmalige genaue Deftüre beS
Battob’fcRen AuffafteS geigte, baR Dlbenberg eine in einem gang
anberen 3 u f ami rt e nh ail 9 aufaefteHte Berechnung BallobS, bie
ben (BefammtwertR ber burdft Die NaRrungSmittelgewerbe
(Müllerei, Bäderei, SleifcRerei, Brauerei, Brennerei 2 c.) für ben
bireften Berbraudft RergericRteten Nahrungsmittel (unb
gwar einfcRlieRlich einer feRr h°^ angenommenen Duote für ben
(Berninn ber 3n)ifchenhänbler) ermitteln will, als „NeoiRon" meiner
„fehlerhaften" Daten anfieRt. Dlbenberg wiberlegt alfo meine
DRefe, baR bie NJeRreinfuRr an lattb* unb forftwtrtRfdftaftlichen
^robuften überhaupt bereits V 4 nnfereS Bebarfs, Vs unferer ($igen*
probuftion auSmadje, mit ber oernid)tenben Behauptung, baR ber
SBertR ber ÖebenSmitteleinfuRr (nadft (BroRRaubelSpreifen) nocR nicRt
V» beS SSertReS unferer lanbwirtRfcRaftlichen unb inbuftriellen
NaRrungSprobuftion (nadft SHeinftanbelSpreifen) betrage!
Diefe einfache Darlegung beS ©adftoerRaltS bürfte gur (Benügc
bartRun, mit welchem NecRt Dlbenberg meine „reoibirten" Daten
als Beweis für bie Nichtigfeit feiner Behauptungen angeführt Rat.
Db BallobS AnRdftt, unfere DanbwirtRRRaft fönne baS Defigit ber
probuftion ooUftänbig beefen, richtig ift, baS fann Rier auf RcR
beruRen; {ebenfalls Rat er niemals burcR „Neoifiou" meiner Daten
bewiefen, ber Fehlbetrag fei fo gering, wie es Dlbenberg bar*
guftellen beliebt.
Berlin. paul Boigt.
3toattj| @rfüffttU 0 eines DienftoertragS. Aus juriftifdften
Streifen wirb uns gefcRrteben: Die beutfcRe (SioilprogeRorbnung
fennt wie bic mciften (SioilprogeR* unb SrefutionSgefefte bie An*
wenbung eines NealgwangeS, um eine Perfon gur Bornaftme einer
^anblung gu oeranlaffen, welcRe iRr gufolge redjtsfräftiger Berur*
tReilung obliegt; biefer Nealgwang ift jebodft nur infoweit ftattRaft,
als er Rdft um bie BornaRme einer fianblung breftt, toelcRe nidftt
oon einem Dritten oorgeuontmen werben fann. Unter ber .<perr*
fcRaft ber bisherigen ProgeRgefefte ift eS nicRt imbeftritten gewefen,
ob bieS aucR Q uf fold)e BerurtReilungen Anwenbung Rnbet, welcRe
bie Erfüllung einer Arbeits* ober Dienftleiftnug gutit (BegcnRanb
Raben. Audft bie NecRtfpred;ung war getReilter AnRcRt. Droftbetu
eS oRtte Weiteres erficRtlicR ift, baR bie 3ulaffung beS Nealgwangs
aucR hierfür beit Prinzipien wiberfpricRt, auf beiten baS heutige
Dienft* unb ArbeitSredR beruRt, Rat man bie Frage atidft bejaht
unb burcR AnbroRung ober BerRättgung oon (Belbftrafen bis gu
1500 JL unb SSaftftrafen bis gu gwei 3aftrcit bie ©rfüQung ber
Arbeits* unb Dienftleiftung gu ergwittgen gefndftt. Bon Beginn
beS näcRften 3aRreS ift nun jeher 3^eifel begüglicR ber llnftatt*
Raftigfeit eines folcRen BerfaRrenS befeitigt. 3» §• 888 ber (Eioil*
progeRorbnung wirb auSbrücflicR beftitnmt, baR ber Nealgwang bei
ber BcrurtReilung gur Öeiftung oon Dieuftcu nicRt gur Anwenbung
gelangt. Der Begriff beS Dieuftoertrags ergiebt fidft aus bem
Bürgerlichen (Befeftbudft, unb burcR bie Berüdfidfttigung ber hierfür
mafjgebenben Borfdjriftcn Iaffen ftdft oRne Weiteres aucR bie ©reitgen
feftftellen, welcRe ber Anwenbung biefer Bcftiutmung in ber prayis
gezogen finb. 2$o baS BerRältniR gwifdjen Arbeitgeber unb Arbeit*
neRmer fo geftaltet ift, baR juriftifcR ein ©erfoertrag oorliegt, fann
RiernacR bas UrtReil aud) fortan burdft (Belb* unb £>aftftrafen ooll*
gogen werben, mag mirthfcRaftlidR audft gwifdfteu bettt Arbeitnehmer
tn biefetn Falle unb betnjenigen, beffett ArbeitsoerRältniR fieft als
DienftoerftältniR eftarafterifirt, ein Unterfdftieb überhaupt nicRt oor*
Rauben fein. Die llnguläffigfeit beS NealgwaugS äuRert iRrc
SBidfttigfeit oor Allem gegenüber ben fiaublungS* unb ©ewerbe*
geRiUfat; bei ben gemerblüften Arbeitern fpielt fie nur eine geringere
Nolle. 3n benjenigen BunbeSftaatcn, in bcueit baS ©efinberedit
ben poligeilicRen unb ftrafred)tlid)en ©rfüüungSgwang nidftt fennt,
g. B. in (£l|aft*ÖotRringen, beffeit ©cfeftgebnng ein befonberes (Be*
finberedftt nicRt auSgebilbet Rat, fann alfo 00 m Beginn beS näcRften
3aRreS bie Erfüllung beS (Befinbeoertrags and) nicRt meftr bunt)
biefe cioilprogeffualcn 3roang3mittel bewirft werben.
©efeft. betreffenb bie ArbeitSöcrRaltiüffe länblicfter Arbeiter in
AnRalt. 3nt Danbtage beS .öergogtRuntS AnRalt ift nadft ganz
furger BeratRung mit allen gegen gwei ©tiutmen ein (Befeft ange*
nomntett worben, baS folgenbe Borfdjriften gegen lanbwirtbfd)aft*
licfte Arbeiter entftält.
i > anbwiitftfd)aftlid)e Arbeiter, weldie miberreditlid) ben Antritt ber
Arbeit oerweigern ober bie Arbeit oerIaffen, werben mit (Belbitrafe bio
gu breifjig IVarf ober mit Ajaft bis» gu geint ^ageu bcftrnjt. Die S?e=
ftrafung tritt nur auf Antrag beS Arbeitgebers ein.
&?enn lanbwirtliidiaftlidje Arbeiter wiberredjtlidj ben Antritt ber
Arbeit oerweigeru ober bie Arbeit ocrlaffeu, fo ift ihre gwangsweife
785
©ojinlc ^rajiS. Ecntralblatt für Sogialpolitif. Ar. 29.
786
Zuführung burtp bie $oligetbepörbe beS Arbeitsortes auf Antrag beS
Arbeitgebers gulafpg.
Ser laubroirtpftfjaftlicpe Arbeiter gur roiberrecptUdjen Verweigerung
beS Antritts ber Arbeit ober gunt roibcrrecptlichen Vcrlaffen ber Arbeit
oerleitet, wirb mit Eelbftrafe bis gu 150 Aterf ober mit §aft bis gu
fed^S Soeben beftraft. Derfelbe ift beut Arbeitgeber für ben barauS
cutftepenben Scpaben oerantroortlicp; er haftet neben bem Arbeiter als
öefammtfdjulbuer.
Laubrotrtl)fcpaftlicpe Arbeiter, roelcpe bie Arbeitgeber gu geroiffen
.'panblungcn ober 3ngeftänbniffen baburep gu beftimmen fuepen, bap pe
bie Einteilung ber Arbeit ober bie Verpinberung berfelben bei eingelnen
ober mehreren Arbeitgebern unter einanber oerabreben, roerben mit
©efängnip bis gu einem S a P re beftraft. Die Anftifter unterliegen ber
gleichen Strafe, and) toenn fte feine Ianbroirtpfcpaftlirf)en Arbeiter ftttb.
Sir fönnen bem AeicpStagSabgeorbueten Aoeficfe*Deffau nur
guftimmen, wenn er in einer $ritif im „Anpaltifcpen Dagblatt"
biefeS ©efep arabegu eine ^rooofation ber Arbeiter nennt unb
glaubt, bap folcpe Atopnapmen lebiglidp eine Stärfung ber fogial*
bemofratifepen Partei, eine Verbreitung ihrer ßepren unb ipreS
EinfluffeS auch auf bem platten ßanbe perbeifüpren roerben.
SogwlpolitffcheS Programm ber fraugöftfdjcn Aegiermtg. 3n
feiner gropen Aebe, roelcpe ber Sinifterpräfibent Dupup am
9. April in Vup ^ielt, betonte er, bap fiep baS Parlament nun*
mehr, nad) Erlebigung beS VubgetS, i^t erfter ßinie mit ber Ve*
ratpung fogialpolirtfdjer ©efefce gu befd^äftigen IjQfan roirb. 3 m
Vorbergrunbe ftebt ber ©efefcentrourf über bie ArbeitSbebingungen
in ben öffentlichen Arbeiten. Sin neues ©efep über baS Vereins*
roefen fott folgen. Enblidp fteHt ber AHnifterpräfibent bie balbige
Einbringung Der AegierungSoorlacje über Drganifation ber allge*
meinen AlterSoerficperung in AuSficbt.
fiotntnimiüt Sozialpolitik.
Abättbermtg BeS ftomtmumlaBgabettgefepfS tm npifdjeti ÄB*
georbüfleupaiife. Am 11. April rourben Sie Anträge beS frei*
fonferoatioen Abgeorbneten Setjerbufcb unb beS EentrutnSabgeorb*
neten 3JtieS berappen, welche eine Aenberung beS kommunal*
abgabengefefeeS gu ©unften einer Sntlaftung ber Aealfteuern be*
groeefteu. Sä^renb ber Antrag Seperbufd) m biefem 3ab*e mehr
allgemein bie SRtc^tuna feftgeftfHt roiffen roitt, baft eine Heber*
bürbung beS §auS* unb ©runbbefipeS foroie beS ©eroerbebetriebeS
ausgefdjloffen roirb, foll nach bem Antrag Vlies ber ©ruttbfap ge*
feplich fefigelegt roerben, bap bie Aufroenbunqeh ber ©emeinoe,
welche in nberroiegeitbetn Atape bem ©runbbefifce unb bem ©e*
roerbebetriebe gum Vorteil gereichen, burep Aealfteuern gebedft
roerben, Aufroenbungen, roeld^e in überroiegenbem SAape ber All*
gemeinpeit gum Vorteil gereichen, burd) Einfommenfteuergufcpläge,
Aufroenbungen, bei weiden ein überroiegenber Vorteil na<p ber
einen ober anberen Seite bin itid^t erfennbar ift, burd) gleiche
Vrogenlfäpe ber Aealfteuern unb ber Einfommenfieuergufcptäge.
Samens ber Regierung beftritt ber ©eneralfteuerbireftor Vurg*
barbt, bap gu einem folgen Vorgeben bie gemachten Erfahrungen
einen Anlap böten, betonte, bap oon ben AntragfteÜern oerfannt
roerbe, bap eines ber roefentlicfjften 3*eie ber Steuerreform ja
gerabe bie gierabntinberung ber Einfommenfteuergufcpläge unb bie
entfprecbenb fd^ärfere föerangicpuncj ber Aealfteuern geroefen fei,
machte barauf aufmerffam, bap bie ©emeinben an ber £>anb beS
beftebenben ©efefceS Atipftänbe im Eingelnen fepr roobl befeitigen
fönnten unb hierbei Ber Unterftüpung ber Regierung fteper roären,
lehnte aber ein Abgeben oon ben ©runbfäpen ber Steuerreform
ab. Das §auS lehnte fcplieplicp, entfprecbenb ben Vorfcplägen
feiner .fommiffion, beibe Anträge ab unS fapte eine Aefolution an
bie föniglicpe Staatsregierung:
3n Ergänzung ber Aunberlaffe oom 14. Aooember 1894 unb 7. De*
gember 1895, bic Eemeinbcauffirfjtsbepörben babiu mit Seifutig gu oer*
fcheit, bap in geeigneten fällen mehr als bisher auf eine groetfmäfjigere
Ecftaltung ber fommunalen ©ebäubefteueroeranlagung im Sege beS
ErlaffeS befonberer, auf tljunlicbfter Entlaftung ber fleinen .^ausbepper
abgielenber ©ebäubefteuerorbnungen foroie auf Schonung ber Eebäube*
[teuer gegenüber ben beibeit anberen Aealfteuern (§. 56, al. 2, 3, 4) hin*
guroirfen, auch bei Verkeilung beS SteuerbebarfeS auf bie oerfd)iebenen
Steuerarteu einer gu roeit gehenben ciufeitigeu Velaftung ber Aeal*
ftcuem bitrch bie ©emeinbeorgane entgegengutreten fei.
Ontereffeitfottfnfte oon ©emeittbeoertretem in Aijborf. ®ie Stabt*
oerorbneten ber jungen Stabt Aijborf h a ^ en befdfjloffen, bap fidh bei
beit oon ber Stabt ausgefchriebeneu Arbeiten unb Lieferungen VJagiftratS*
utitglieber unb Stabtocrorbnete nicht betheiligen biirfen. 2)er VJagiftrat
befürchtet, roie gemclbct totrb, baoon eine Vcrfthiebung ber Stimmoer*
hältniffe unb fonfttge Unguträglidjfeiten unb roilf bem Vefdjluffc ber
Stabtoerorbneten nicht guftimmen. — $ie[e 3rage bot, roie biefe Vlätter
berichteten, in oielen Stabten gu Kämpfen unb Vefd)lüffen geführt. Eine
Aeipe oon Stäbten bot bureb ähnliche Vefcplüffe, roie biefer ber Aijborfer
Stabtoerorbneten, Sotereffenfonflifte auSgufchliegen gefugt. Eine foldjc
AuSfchliepung fann anbererfeits gur gemhaltung ber Sachoerftänbigen
führen. _
Soziale 3njtätt&r,
EifenbabttarBeitertierbältniffe in Europa nnb Amerifa. Das
3anuarbeft beS amerifanifchen Arbeitsamtes enthält eine auSfiibr*
liehe Vtonograpbie oon Ä. E. SBepl, ^Srofeffor an ber pennfpl*
oanifchen llnioerfität, über bie ßage ber Eifenbabnarbeiter in Europa
im Vergleiche gu Amerifa. Aus bem leiber roenig überfichtUch ge*
baltencn SRaterial eraiebt fuh, bap bie amerifanifchen Sifenbabn*
arbeiter oiel beffer als bie europäifchen begablt roerben, wogegen
in Europa eine gröpere Aegelmäpigfeit ber Arbeit unb geficbertereS
VorroärtSfommen beS Arbeiters bem Vabnbebienfteten roeit mehr
gu ftatten fommt als in Amerifa. Die ArbeitSoerbältniffe roerben
nach VSepl’S Unterfucbungen roenig oom Hmftanbe, ob Staats*
ober s $rioaibetrieb, berührt, unb ift bie Verfcpiebenbeit ber ßobn*
höbe in allgemeinen territorialen Unterziehen gu fuchen. Am
intereffanteften finb Vergleiche groifdjen europäifchen unb amerifa*
nifeben Sobnoerbälhtiffen. Aak 2 Ö- E. ^Sepl [teilt fith ber bureb*
fcbnittliche 3abre3lobn für alle klaffen oon Arbeitern ber preupifeben
Staatsbabnen auf 335 Dollars; bie in ben VSerfftätten befebäftiaten
Arbeiter erhalten einen burcbfcbnittlidjen 3öb re ^^^ oon DouarS
unb bie Strecfenarbeiter einen folgen oon 182 Dollars. Der
burd^fd^niltlid^c SabreSlobn ber Eifenbabubcbienfteten in Englanb,
mit AuSfthlup ber höheren VetriebS* unb aller Vureaubeamten be*
trägt 292,57 Dollars. Diefelbe klaffe oon Arbeitern fleht fid) in
ben Vereinigten Staaten auf burcbZoittlicb 545 Dollars im 3ßbr*
Weiteres ergiebt fich, bap in Englanb mehr als 36 °/ 0 ber bortigen
266 000 Vabnarbeiter nur einen ©ocpenlobn oon 6, f8 bis 7,50 Dollars
erhalten, roäbrenb in Amerifa bie gleidjen Arbeiter — bie Vabn*
bebienfteten mit Ausnahme oon Vureau* unb fyöfymn VetriebS*
beamten — einen oiel ^ö^ercit ©ochenlobn erhalten: oon ben
amerifanifchen Arbeitern erhalten nämlich nur 21 % einen Vtinbeft*
lohn oon 7 Dollars bie 2öod)e, bieS pnb bie Strecfenarbeiter mit
einem bunhfdjmttlichen Dagelofjn oon 1,17 Dollar unb bereu
VSochenlohu, als ber niebrigfte aller amerifanifchen VahnangefteHten,
einem Vlinbeftroochenlohn oon 2,43 Dollars für cnglifchc Vapu*
arbeiter gegenüber fteht, bie übrigen 79 % amerifanifcher Eifen*
bahnarbeiter erhalten aber im Dur<hfd)mtt 12 , 42 Dollars pro SSoche.
Sßährenb nur 4 oom Daufenb englifdjer Vahnarbeiter einen
s Bod)enlohn oon 12 ,n Dollars hoben, begiepen in ben Vereinigten
Staaten 780 oom Daufenb einen SBocpenlohn oon 12,42 Dollars.
3utneift ftehen bie ßöhne ber fontinentalen Vahnarbeiter noch
roeit mehr hinter jener ber amerifanifchen gurücf. Aach $n>feffor
Söepl erhalten bie Vahnarbeiter in ^ranfreich gu mehr als 4 /ö
weniger als 1 Dollar täglid) unb bie Vteichenfteller in Velgieit
befommen 15—60 EentS pro Dag gegen einen Dagelohn oon
burchfdmittlich 1,74 Dollars ber VBeichenfteHer in Amerifa. Es
finb bieS Veifpiele, bie fich on ber §anb beS oon Sßrofeffor 2Sepl
gefammelten Vtaterials beliebig oermehren laffen.
Serunglflduitgen mit töbtUihem Ausgange Beim VevgmerfSBetriefce in
Areupeu 1897. 3n ben unter Aufpdjt ber Vergbeljörben ftepenben
Vergroerfsbetriebcn unb Aufbereitungsanftalten ^reupeits waren nach
ber „Statift. .^orrefp." 1897 im (langen 415 688 Arbeiter befepäftigt.
Von biefen ocrunglüdtcn töbtlich 883 = 2,12 oom Saufenb, b. i. je
einer oon 471 Afann, roaprenb im gehn jährigen Durchfdfjnitte 1888/97
jährlich 792 2Rann = 2,20 oom Daufenb, b. i. je einer oon 456 Ar*
beitem, utnS Leben famen. Unter ben Arten beS Vergbaues fiept bic
Vrauniohlengerotnnung mit ber oerpältnipmäpig ^odpftert Vcrunglüdungö*
Atffer oben an. Von ben pi^* im VeridjtSiaprc befd)äftigten 33 020
Arbeitern rourben 78 = 2,36 oom Daufenb getöbtet, b. i. je einer oon
423 A?aun gegen 58 = 2,oi oont Daufenb, b. i. je einen oon 499 Vfrimt
in bem betreffenben gepniäprigen DurcpZoitte- 3Rit einer faft gleich
popen 3iff er folQt ber Steinfoplenbergbau, bei roelcpem oon 303 370
Arbeitern 714 = 2,35 oont Daufenb ocrunglüdtcn, b. i. je einer oon 425
SRanit, gegen 643 SRann = 2,52 oom Daufenb, b. t. je einen oon 396
3J?ann, roelcpe in gleichem*gepnjäprtgen Durchfchnitte ums Leben famen.
Ein weniger ungünftigeS Vilb geigt bie Ecroinnnng anbercr SRincralieu
(Atineralfalge unb Steine). .^)ier enbeten oon 14 277 Arbeitern 23 bnrrf)
Verungliidung = l,ei oom Daufenb, b. i. je einer oon 621 Vtann,
roäprenb im fraglidjen Durdjfcpnite 22 Sltann = 1,83 oom Daufenb,
b. i. je einer oon 546 Atann, getöbtet rourben. Au lepter Stelle, mit
ber niebrigften VerungtüdungSgiffer, erfepeint ber Ergbcrgbau, bei
welchem 64 971 Arbeiter bcfd)äfttgt würben. 0ier famen 68 ums Leben
ober 1,05 oom Daufenb, b. i. je einer oon 955 Aiann gegen 70 Atann
= 1,06 oom Daufenb, b. i. je einen oon 939 STOami, im Durdjfdjiiittc
ber Sapre 1888/97.
7S8
787
Soginlc «prag-iS. Eentrnlblntt für Sogialpolüif. 9tr. 29.
Statiftif ber Sehmafdjittett iit Deutfdjdanb. SRath einer oom
Deutfchen Vuchbrudfer (©ehülfen)*Verbanb gemalten 3 u famtnen*
fiettung waren am 10. Aerober 1898 in 53 betrieben inSge*
fammt 114 Sefcmafchinen oorhanben unb gwar 69 ßinotppc*, 23
Dppographen*, 11 Dhorne*, 6 Vtonoiine* unb 5 Kaftenbcinfche
Vtafchtnen. Sin biefen Vtafchinen arbeiten inSgefammt 169 Seher
(hierunter 1, welcher nicht gelernfer Vuchbrucfer ift, nnb 32 im
ßehroerhältniffe) fowie 2 (Seherinnen. Es arbeiten 6 Stunben 1
©ehülfe, 7 Stunben 4 ©ehülfen, 7'/g Stunben 10 ©ehülfen, 7 1 /-2
Stunben 10 ©ehülfen, 8 Stunben 47 ©ehülfen, 874 Stunben
2 ©ehülfen, 8 V 2 Stunben 23 ©ehülfen, 8 3 / 4 Stunben 1 ©ehiilfe,
9 Stunben 52 ©ehülfen, 9*/2 Stunben 5 (barunter bie 2 Sefce*
rinnen), 10 Stunben 10 ©ehülfen. — Sei 6 ©ehülfen ift bie
VlrbeitSgeit uid^t angegeben.
Vegahlung: Qm Vereinen arbeiten 18 ©ehülfen (1 mit 14 /&,
6 mit 10 bis 15 A unb 6 mit 20 A P*o 1000 Vuchftaben unb
5, welche nach ßeiftung befahlt befommen), im gewiffen ©clbe
2 Seherinnen unb 151 ©ehülfen unb gwar: 2 Seherinnen gu
15 dt, 6 ©ehülfen git 15 bis 20 d(, 1 ©ehülfe gu 19 di,
1 ©ehülfe (im ßehroerhältniffe) gu 22 di, 2 ©ehülfen gu 23, 6 «s d*,
14 ©ehülfen gu 24 di (barunter 7 im ßehroerhältniffe), 7 E)e*
hülfen gu 25 di. (barunter 5 im ßehroerhältniffe), 4 ©ehülfen gu
25 bis 30 d(, 13 ©ehülfen gu 26 di, 19 ©ehülfen gu 27 dt,
6 ©ehülfen gu 27 bis 29 dl, 3 ©ehülfen gu 28 dt, 10 ©e*
hülfen gu 29 dt, 16 ©ehülfen gu 30 dt , 2 ©eplfen gu 30 ,50 di,
10 ©ehülfen gu 30 , 8 5 dt, 3 ©ehülfen gu 30 bis 35 di , 4 ©e*
hülfen gu 32 dt, 4 ©ehülfen gu 32, w dt, 2 ©ehülfen gu 33 ,4t,
2 ©ehülfen gu 35 <41, 4 ©ehülfen gu 36 bis 40 dt, 6 ©ehülfen
gu 36 bis 45 di, 1 ©ehülfe gu 40 dt. unb 1 ©ehülfe gu 50 dt,
ferner 3 ©ehülfen gum Viinimum, 3 ©ehülfen über Minimum,
2 ©ehülfen erhalten bie Entlohnung oon ber öabrif (Dppograph)
unb bei 2 ©ehülfen fehlt bie Angabe über Begabung.
ftiitber als $anfirer in ßtaerpool, Das VluffichtScomite beS
ßioerpooler ©emeinberatheS befd)lo& eine Veaulirung bts §>aufir*
hanbels oon Kinbern. 3n 3ufunft bürfen Knaben unter 14 unb
Vtäbdjen unter 16 fahren nid)t ohne fpegielle ßigeng bem Straften*
haufirhanbel nachgehen unb gtoar haben fie bie Stummer ber ßheng
an einem ©ürtel jtdübar gu tragen. Die ^oligei hat anbere
jugenbliche §aufirer aufgugreifen unb fiub folche Kinber nach
llnterfuchung beS Salles in VBohlfahrtSanftalten untergubringeu.
ttaterfttfmtg bunt) Arbeit in gütlich* Die „Societe liegoise
cTassistance par le travail“, bie am 24. 9flai 1898 ihre VHrffam*
feit begann, hat eben ihren erften SahreSbericht pro 1898 erftattet.
Vom beginn ber Eröffnung ihrer VetriebSftätte bis lebten De*
gember 1898 hat fie inSgefammt 167 Arbeiter unterftüfet, bie gegen
laglohu §olg gu fpalten hatten. Unter beit unterftüftten VlrbeitS*
lofen befanben fi<h 54 ungelernte Daglöhner, 40 Eifenarbeiter,
30 Sauarbeiter oerfchiebetter Vrofeffion; ber Sfteft oertheilt fich auf
oerfchiebene VIrbeitS* unb ErwerbSgweige, hoch ift begeichnenb, baft
[ich auch ein ßehrer barunter befanb.
Ärbeiterbtöiegirag.
Streifs ia Dentfdjanb im äRärg« $eu auSgebrochenc Streifs
oergeichnet ber „VlrbeitSmarft" für ben Vtonat Viärg 54, wäftrenb
cs im gebruar 38 waren. Än 3 a hl ooran fielet bie Metall*
inbuftrie mit 14 Arbeitseinteilungen, bie aber fämmtlich mehr
ober minber geringfügig toaren. dagegen haben bie Sdjiteibcr*
ftreifS, bie gur Durchführung eines neuen Darifs begonnen mürben,
in oerfchiebenett Orten eine größere Ausbeutung genommen (1200
2<hneiber in Viiin$eit, 650 iit ßcipgia, 700 in Vrcmcn, 1100 in
Hamburg). 9Iuch im ^Baugewerbe fino mehr Slrbeitseinftetlungeu
üorgefomtncn als im Februar, hoch ftnb fie fämmtlich oon wenig
!©ebeutung; ebenfo bie ficbett Streifs in ber Qubuftrie ber 5>olg^
unb 3<hnifeftoffe. Der !örauerftreif in granffurt am s Dtain bauert
noch fort, ebenfo ift ber Sammtwebcrftreif in Krcfelb noch nicht
beenbct.
©in erfter ehrt ft lieber ©ctoerfffhaftSfongreft foll gu ^fiugftcn
in s Hiaing gufammentreten, um fictj mit ben ©runbprioilegien,
Einrichtungen unb Aufgaben ber chriftlichen ©ewerffchaften gu be*
fcfjäftigen unb ein einheitliches Vorgehen augubahnen. Referate
mit aufcf)licfgenber DiSfnffioit fotteit über folgenbe fünfte gehalten
werben: Ebarafter ber chriftlichen ©ewerffchaften, Umfang unb
Einrichtungen berfelbcit, Aufgaben berfelbeit, Üiittel gur Durch¬
führung ber Slufgabeit, Daftif. Die Referate folleit oon Elewerf*
fdjaftern gehalten werben. 3 ur Entfenbung oon Delegirteu würben
burcf) Aufruf eingelabett alle chriftlichen ©ewerffchaften, öfachoereiue
unb gachfeftionen DeutfdjlanbS, foweit bereu 9üame befannt war.
SRur bereu Vertreter ober auch Ehrenräthe follen gum Kongreß gu*
gelaffeit werben. Die 3Berl)anblungen follen nach einem Steno*
gramm in 23rofcf)ü reu form erfcheineit.
Die ©rüntoung eines etmngefifihett $BergarbetternerbaubeS ift
in Vorbereitung. 3 » einem Slufrufe an bie eoangelifchcn Verg*
leute werben biefe aufgeforbert, fich am 7. 9Äai, Nachmittags, in
ber Voctjumer „Donhaüe" eitigufinbeu, um ben „eoangelifchen
Knappenbunb" gu griinbeu.
VacferberBanbStag in München. 3n München hat am 10. b. Vf.
bie 7. ©eneraloerfammluitg beS VerbanbeS ber Väcfer unb
VernfSgenoffen DcutfchlanbS ftattgefunben, gu ber 25 Delegirte,
bie 27 Stabte oertraten, crfrfjieiten waren. Sluch ein Vertreter ber
Hamburger ©eneralfomutiffion ber beutfehen ©ewerffchaften war
anwefenb, ebenfo ein Vertreter beS ofterreicf)ifchen VäcferoerbanbeS
aus VBien. Vfit ber Drganifation ber Väcfer ift cS noch immer
fchwach befteOt. Der VorftanbSbericht fonftatirt gwar einen ?luf*
fchmung in ber Vfitgliebergal)! feit ber lebten ©eneraloerfammlung,
hebt auch h en)0r / ^afe bie ©cfammteinuahmeit ber VerbanbSfaffe
im 3ahrc 1898 auf über 30 000 c//. fich belaufen hätten gegen
runb 14555, i( . im Vorjahre, aber bie jebige Vtitgliebcrgahl finbet
fid} in feinem Verist. Dafc ber Verbanb g. 3- fioem „tauben*
fchlag" gleicht, ging aus ber Vtittfjeilung eines Slebners l^i'oor,
baff mepr Vtitglieber baS 3ah^ über aufgenommen worben feien,
als gum Schluffe überhaupt noch oorhanben waren. Das SdjmergcnS^
finb in ber Drganifation fei Verliu mit feinen grnei Drganifationen:
neben ber Vtitglüebfchaft beS VerbanbeS befteht bort noch ein ßofal*
fachoerein, bie beibe nicht immer hannouiren. $IlS ber Verbanb
1885 gegriinbet würbe, gäblte er nur 126 Vtitglieber, Enbe 1897
1635, alfo nur etwas über 1 % ber VerufSthätigen. Die 3»ftänbc
im Väcfergewerbe, fo würbe betont, feien berart, baf$ baS grofjc
Vublifum an ber Vefeitigung ber Vfifeftänbc in erfter ßinie inter*
effirt fei. Eine lebhafte Debatte eutfpanu fich über bie angeblich
geplante Slenberuug ber Vacfereioerorbnung beS VunbeSrathS. Ein
Eintrag, beim Eintritt einer Verfchlechterung ben ©eneralftreif gu
proflamiren, würbe inbeffen guriiefgegogen. Vfan befchränfte fich
auf eine bem VuubeSrathe gu übermittelube 9tefolution, in ber baS
lebhafte Vebauern auSgefprochen wirb, baff je(jt nad) nahegu brei*
jährigem Veftehen beS VlafimalarbeitStagS bie oerbünbeten 9te*
gierungen planen, biefe gu einer gefunben fogialpolitifdjeu Ent*
wicflung burchauS nothwenbige 3lrbeiterfd)ut}gefebgebung in einer 9lrt
unb VBeifc abguäubern, bafe man oon einem ?lrbeiterfchnp ber Väcferei*
arbeiter überhaupt nicht mehr reben fönne. 3 u 9^i4 foll ber VunbeS*
rath um bie Einführung folgenber Veftimmung angegangen werben:
Die SlrbeitSfchicht jebeS ©ehülfen barf innerhalb 24 Stunben bie
Dauer oon 12 Stunben ober, falls bie Arbeit burch eine $aufe
oon minbeftenS einer Stunbe unterbrod)en wirb, einfjhliefelich biefer
Voufe bie Dauer oon 13 Stunben nid)t überfchreüen. Die ©e*
hülfen bürfen gu gelegentlichen Dienftleiftungen nur bann heran*
gegogen werben, wenn ihre 2IrbeitSfchid;t bie Dauer oon 12 Stun*
ben, einfchliejflich ber $aufe oon einer Stunbe, 13 Stunben uod)
nid)t erreicht hat. giir bie Einführung ber Slrbeitslofenuutcr*
ftüpug erhoben fich nur neun Delegirte. 3 u,l ächft müffe energifch
an eine Verfiirgung ber 2lrbeitSgeit heraugegangen werben, gunädjft
an bie gehnftiiubige. Der fchwad)e Verbmtb biirfe fich auf fo ge*
wagte Experimente nidjt eiulaffen. Der Vorftanb würbe beauf*
tragt, ein Streifreglement gu fdjaffen. 3 U 3 ,ü rcfeit ber Agitation
fott pro Vtitglieb unb Vierteljahr ein Ertrabeitrag oon 20 er*
hoben, baS VerbanbSorgan wöchentlich h era uSgcgcben unb ber
2lbonitemcittSpreiS auf 2 dt erhöht werben. Der Verbanb foK
in ©auc eingetheilt werben. Die Viigftänbe in ben Konfutn*, ©e*
noffeufdiafts* unb VereinSbäcfereien, beneit man „Dioibenben*
jägerei" oorwarf, gaben ?l 11 ft off gu einer Vefolutiou, welche ben
Vegug oon Arbeitern nur burch VerbanbSarbeitSuad)weiS unb
bie Einführung ber ?lchtftunbeufd)icht in ben betreffeitben betrieben
oerlangt. 2llS Sife beS EentraloorftanbeS würbe Hamburg, als
Sife beS 9luSfd)uffeS Vtüncheit befiimmt.
10* orbentliche ©eneraloerfammlnng beS ©ehierfoereinS ber
bentfeheu Stnhlarbeiter (Textilarbeiter). 3n Sorft (ßaufife) tagte
in ber Dfterwodjc bie 10. orbcntlichc ©eneraloerfammlung beS (^le*
werfoereinS ber beut[d)en Stahlarbeiter (Dertilarbeiter) unter Ve*
theiligung oon Delegirteu ans allen Dbeilcu Deutfchlanbs fowie
beS VcrbanbSanwaltS, ßanbtagsabgeorbneten Dr. Viar §irfdj*Verlin.
Der Eiewerfoereiit gäl)lt gegenwärtig 76 DrtSoereine mit 3666 Vtit*
gliebern (2668 männlichen unb l»9s weiblidjen) gegen 64 DrtSoereine
mit 2871 Viitglieberu im oahrc 1895. VIu llnterftübuugcu in
789
©ogialc ^rnyis. ©entralblatt für ©ogialpoliüf. Str. 29.
790
SRotßfäflen fiitb 2949^, an SlrbeitSlofe 3030 c 4f, an UtngugS*
entfcßäbigung 1228 <A(, an # S^cifeuntcrftäfeung 487 JC. gegaßlt
roorben, außerbem nantßafte’©ummen für BUbungSbeftrebungen.
Sin Vermögen ftnb 30 094^ (gegen 1895 meßr 6700,///) in bcr
©eroerfoereinSfaffe oorßanben. Der Stbgeorbnete ©tabtoerorbnete
©rode Cottbus ßielt einen Vortrag über „bie Frauenarbeit in ber
Deyülinbuftrie unb beren ©influß auf bas gantiltenleben". @3
mürbe fcßließlicß eine Slefolution einftimmig angenommen, bie
eine aEmälige ^erabfeßung ber SlrbeitSgeit für Slrbeiterinnen auf
8 ©tnnben, bie SlnfteEung roeiblicßer gabrifinfpeftoren unb bie
BerufSorganifation audb ber grauen forbert. Der „SReoerS" (Slug*
fcßluß fogtalbemofratifd)er SRUglieber) mürbe beibeßalten. Die Unter*»
ftüßung in Streitfällen rourb auf 6 , 9 unb Y2M roöcßentlicß feft*
gefeßt, bie Unterftiißung bei unoerfcßulbeter Slrbeitslofigfeit auf
di., 7,50 ofL unb 10,50 <Ai, je naeß ben Beiträgen, norntirt,
foroie auf 2 , 2 -, Jl für roeiblidje unb jugenblicße SDütglieber ( 00 m
14. bis 17. ßebenSjaßre), bie nur 5 4 SBocßenbeitrag gu gaßlen
ßaben. ©inftinttnig angenommen mürbe noeß folgettbe Siefolution:
„Der Delegirtcntag be3 ©eroerfoereiitS ber bentfdjen ©tnljlarbciter
(leytüarbeiter) tn gorft proteftirt namens bc3 gefnnnnten (ferner!*
uereinS mit aller ©ntfdjtcbcnfjeit gegen jeben SSerfuäj, bas oßneßiti feßon
ltngetiügenbe Koalition dreckt ber Arbeiter in irgenb einer SBeife,
tnsbefonbere burd) einen fogenannten ©cßup ber SlrbeitSroiEigen, nodj
mehr 51 t befeßränfen unb Damit bie ©leießbereeßttgung unb bie 2eben§=
intereffen ber beutfeßen Arbeiter aufs ©cßroerfte gu fcßäbigen."
Der bisherige Vorort beS ©eroerfoereins ©premberg mürbe
einftimmig roiebergeroäblt, ebenfo ber bisherige ©eneralratß. Der
näcßfte Delegirtentag im gaßre 1902 foll in Slpoioa abgebalten merben.
gnteritationafer Kongreß ber cßriftlicß'fogtalen Korporationen.
©in in Blois abaeßaltener Vrooütgialtag ber dßrifilicben Arbeiter
beS ©entrumS unb beS SSeftenS oon granfreieß befeßloß, im gaßre
1900 einen internationalen Kongreß ber cßriftlid)*fogialen Be*
ftrebungen nach Baris gu berufen. ©3 ßanbelt fuß natürlich um bie
fatßolifcßen ©lemente ber Bewegung, Die gnitiatioe, oon ber ßier
bie Siebe ift, erfdfjeint als ein Ableger ber democralie chrßtienne,
jener großen poüüf<ß*fogialen Bewegung, melcbe fidß feit einigen
gabren in granfreidb bemerfbar titacßt, bereit 3 ^ itn ©angen
unb ©roßen barin befteßen, bie frangöfif<ben Katßolifen für ben
SluSbau ber bemofraüfeßen Verfaffung — man oerlangt felbft bas
Steferenbum — gu geminnen unb bie fogialen Probleme itt ben
Vorbergrunb beS gntereffeS gu rüden.
©tvetfbettegmtg in Büßmett. g n Bößnten ßerrfeßt gegenroärtig
eine größere ©treifbemegung. gn KarlSbab ftreifen etroa 1500
Bauarbeiter, meil bie Unternehmer bie Slrbeiter gmingen mollten, eine
einfeitig oon ben Unternehmern ausgearbeitete neue Slrbeitsorbnung,
bie ber freien Vereinbarung über bie KünbigungSfrift gumiberlaufen
foff, gn unterfebreiben. Da bie Kurfaifon bereite begonnen ^at,
befürchten bie Beßörben oon beut ©treif eine ©cbäbigung ber für*
ftäbtifdjen gntereffen. ©3 finb bie ©treiffiißrer oerbaftet unb alle
Verfatntnlungen oerbotett. Die öfterreidjifebe ©eroerffdjaftSfommiffion
in Söien bat ihren ©efretär in3 ©treifgebiet entfenbet, gutnal eine
SluSbeßnung be3 ©treifeS auf gang SSeftbößmen broben foll. Slucb
ber fogialbemofratifcbe Sieid;3ratb3abgeorbnete Dr. Verfauf, ber ben
Vegirf itn 5Reicb3ratb für bie Kurie be3 allgemeinen ©timmrecbt3
oertritt, ift im ©treifgebiet erfebienen.*) gn fRorboftböbmen, be*
fonber3 in Sßacbob, ©tpel unb |>ronom, finb bie SSeber in einen
©treif eingetreten, ©ie forbern eine fiobnerböbung, möcbentlicbe
^obitgablung, geniePare3 Drinfmaffer unb regelmäßige ^Reinigung
ber Slrbeit3räume. Slu<b in biefem ©treifgebiet ift SRilitär gu*
fauttiten gegogett morbeit. 28ie berichtet mirb, foE ftdf) ber oier*
gebntägige Durd)fd;nitt3lobit eitte3 gaquarbmeber3 auf böcbftcu3
10 ©ulbett belaufen. Arbeiter, bie glatte Söaare roeben, foffen in
oiergebn Dageti bö<bften3 5 bi3 6 ©ulbeit oerbienen. Die Wohnungen
ber Arbeiter merben al3 elenb gefd>ilbert. Die ©eroerffd)aft 3 *
fotttmiffion 0efterreicb3 in Söien erläßt einen Slufruf an bie or*
gattifirten Slrbeiter Defterreidt)3 um Unterftiißung ber ©treifenben
in 5Rorboft* unb Vkftböbmen.
Die Dodarbeiter itt Belgien, ©in oon ber International
Transport Workers 1 federation oeroffentlidßter Vericbt über bie
Dodarbeiter in Velgien miE geigen, baß bie englifd^en Dodarbeiter
ficb in oiel günftigerer &age befinben al3 jene in ^Belgien unb
auf bein ^fontinente überhaupt. Dodarbeit in Belgien berußt au 3 *
fd)iießlicb auf bem ©pftent oon ©ubunternebmern, bie bie Arbeiter
mit 2 1 / 2 bi3 4 grc3. für ben gebnftiinbigen Slrbeit3tag begabien, gn
Slntroerpen giebt e3 feßr menig berufsmäßige Dodarbeiter, ber
größte Dßeil ber ßeute fluftuirt unb befteßt au3 ßanbleuten ber
*) Sicucfter SRelbung gitfolge ift ber ©treif bitrcß Verglcidj beigclegt.
Umgebung, roo ber Slrbeiter nur 1 1 / 2 bi3 l 3 / 4 grc3. im Dag oer*
bienen fann, roäßrenb ber SRinbeftloßn bei ber Dodarbeü 2 l / 2 grc3.
beträgt. Die 3a$I ber Slrbeitslofen ift in ber Siegel feßr groß unb
beträgt meift 17 000 bi3 20 000 . 9Bie mitgetßeilt mirb, foflen
gaßlreicße Uebelftänbe in ben Dod3 oon Slntroerpen befteßen, fo bie
SluSgaßlung ber ßößne in ©cßänfen, überlange SlrbeitSgeit unb
oiele ©cßmierigfeiten bei Durdßfeßung oon UnfaEentfcßäbigungen,
obmoßl 2 % Born Soßne für VerficberungSgmede in Slbgug gebracht
merben.
©itt Bergarbeiterftreif itt Belgien ift auSgebrodßen. Slu3
©eraing mürbe oont 12 . Slpril gemelbet: Dreitaufenb ©ntben*
arbeiter finb in ben Slu3ftanb getreten unb oerlangen eine 15 pro*
genüge ßoßnerböbung. SRan befürchtet, baß ber SluSftanb ficb au f
ben gangen ßüttidjer ©rubenbegirf auSbeßnen mirb. — Unb aus
Brüffel mürbe 00 m 15. Slpril ber „grfft. 3h}-" mitgetßeilt: gut
Beden oon ©ßarleroi ift ber ©treif feit ßeute faft aEaemein. gn
ber Vrooing ßüttieß bleibt ber 3uftanb ftationär. ©3 finben in
aEett SRittenbegirfen Berfammlungen ber Bergarbeiter ftatt. — Slu3
©ßarleroi mürbe meiter oom 16. gemelbet: Die nationale Ber*
einiaung ber ©rubenarbeiter befdjloß ßeute einen aEgemeinen Slu3*
ftano in ben oier Koßlenbeden Belgiens für morgen gu proflamiren.
Der Verein ber ©ruben oon ©ßarleroi batte befdjloffen, am 1 . Viai
in ben SluSftanb gu treten. Die ©rubenarbeiter oerlangen eine
20progentige ßoßnerßößung. — ©cßließlirf) hieß e3 oom 17. aus
Brüffel: Drop ber V^flamiritng eines aEgemeinen Slu3ftanbe3
ift in ben ©ruben im ©entrum nirgenbs Die Slrbeit eingefteüt
roorben. Unbebeutenb ftnb bie SlrbeitSeinfteEungen im ©teinfoßleit*
begirfe Borinage, erßeblicßer in ßüttieß, mo gegen 3000 ©ruben*
arbeiter ftrifen. UeberaE ßerrfeßt Stuße.
ßobtterßdßttttgett für bie Bergarbeiter be3 frangüftfebett Storb*
rebierS. Slm 13. Slpril fanb in Slrra3 eine Verfammlung ooit
Unternehmer* unb Slrbeiterbelegirten in ben Departements 9?orb
unb pe ©alais ftatt, auf melcßer über bie oon ben Arbeitern
erhobenen gorberungen oerßanbelt unb eine Verftänbigung ergielt
mürbe, bie aEerbingS notß ber Slatififation bureß eine auf ben
23. Slpril naeß ßenS einberufene Slrbeiteroerfammlung bebarf.
©cßon im Sluguft leßten gaßreS ßatten bie Bergarbeiter eirt
Programm aufgefteEt, baS folgenbe fünfte umfaßte: 1 . ©rntebri*
gung ber SRietßen für bie oon ben Unternehmern geftcEten
SSoßnungen auf bie greife oor 1893; 2. geßttprogentige ßoßn*
erßößung; 3. gleichmäßigere Vertßeilung ber ßößtte (ogl. „©ogiale
VrayiS" gaßrg. 1898 ©p. 1288). Diefe gorberungen roarett er*
ßoben morben im Slnfcßluffe an bie .fmuffeberoegung, roelcße fteß
auf bem Koßlenmarfte bemerfbar gemaeßt ßatte. gm ©eptember
fam e3 bann gu einem prooiforifeßen llebereinfommen groifcßeit ben
llnterneßmergefeflfcßaften unb ben Arbeitern, morin biefeit gorbe*
rungen Siecßnung getragen unb eine neue Delegirtenoerfaminlung
für ben Sltonat vlpril 1899 anberaumt mürbe, um fteß über neue
Slufbefferungen gu oerftänbigen, faES bie Vtarftlage fieß noeß
giinftiger geftalte. Sll3 Vorbereitung gu biefer neuen Steunioit
hielten bie Bergarbeiter bes 5Rorbbafftn3 im SRonat SRärg eine
Daguna ab, in ber fte ber oeränberten ©ituation entfprecßeitbe
SRobififationen ißreS Vro^ammS prägiftrten. Die mit ben geftiegenen
SJtärftpreifen forrefponbirenbe ßoßnerßößung mürbe auf 1 , 0 d grcS.
für ben Dag berechnet. Sluf ber Verfammlung in SlrraS oont 13. Slpril
nun, roo biefe grage gur DtSfuffion ftanb, trugen bie Unter*
neßmerbelegirteit ber BemetSfüßritng ber Arbeiter oöEig Slecßnting
unb fd)lugen eine ©rßößung ber gegenwärtigen Prämie oon 20 %
auf 25% oor. Die 5% ©rßößung foEe jebod) aufßörcn, fobalb
bie SRarftlage ftd) oerfcßlecßtere. Dafür mofleit bie Bergmerfs*
gefetlfcßaften fieß aber oerpfließten, bie 20 progentige Prämie fo
lange als möglich aufreeßt gu erßalten. Slacß einer langen Dis*
fufjton fam man überein, baß in V a $ be ©alais, roo bie 20 pro*
genüge V^ämie befteßt, bie 5 progenüge ©rßößung berfelben oottt
16. äpril ab roirffam merben foEe, baß meiter im Siorbbepartetnent,
mo bie früßere gugeftanbene Slufbefferung nid)t in gorm einer
Vtämie gugeftanben morbeit mar, nunmeßr eine Vrätnte oon 5%
etttgufüßren fei. 2Sie oben feßon ermäßnt, mirb fieß am 23. Slpril
ber Kongreß ber Bergarbeiter über biefe Delegirtenbefcßlüffe enb*
gültig gu entfeßeiben ßaben.
Die itorloegtfdjett ©etoerffdjaften ßaben in ben Dftertagen auf
einem Kongreß in ©ßriftiana einen ©entral*£aitbe$oerbaub
gefcßloffen unter betn kanten „ßanbeSorganifaüoit bcr uormegifcßeu
gaeßoereine". Der Kongreß mar oon 73 Vereinen mit runb
20 000 SRitaliebern bureß 113 Deleqirte befeßidt. Damit ift ber
auf bem ffanbinaoifeßen ©emerffeßaftsfongreß in ©tocfßoltn 1897
gefaßte Befcßluß, in beit bret ffaitbittaoifd)ett Räubern Üanbcv*
791
(Soziale Praxis. ©entralblatt für ©ojialpolitif. Nr. 29.
792
organifationen $u fcpaffen, burchgefübrt. 2)ie böntfdjc mürbe im
3anuar v. 3-, btc fcbroebifche im Auguft d. 3- flcfc^affcn, nnb nun
ift auch Norroegen gefolgt. 2)er norroegifcbe Serbattb bat in ben
$auptpnnften beit fpradjoermanbten bänifchen gum Sorbilbe ge*
nommen. 2>ie brei ßanbeSoerbänbe fielen burd) €efretariate in
Serbinbung. 3n Norroegen fittb runb 20000, in 6d)weben 60000, in
2>änemarf etroa 75000 Arbeiter geroerffcbaftlid) organifirt. 3n aßen
brei ffanbinaoifcben ßänbern geben bie ©eroerffdjaftSoerbänbe mit
ber fosiaIbemofraiifd)en Partei ,§anb in .Janb. 3n 2>änemarf
ftpen zwei 2)elegirte ber Bereinigten gacboerbättbe in ber fo$ial*
bcmofratifcben Parteileitung, in edjroeben ift auf betn lebten ©e*
roerffcbaftsfougrcjj nad) fecbzebnftünbiger £iSfu[fion mit 175 gegen
83 Stimmen befcbloffen roorben, ba& binnen brei Sauren alle bem
geinerffcf)aftlid)en Serbattbe angefjörigen Organifationen ber
fojialifteit Partei beizutreten haben, unb in Norwegen arbeiten
Sadjoereine unb 6ozialbemofratie, bie in Norroegen einen mehr
nationalen ©barafter trägt, Iängft jufatnmen.
gafjreSfcerfamttiluttaeu ber fozialiftifdjen unb ber liberalen
Arbeiter in ^ottanb haben ju Oftern ftattgefunben, bie ber erfteren
in ßeeuroarben, ber zweiten in Amfterbam. 2)aS „Allgemeen
Nederlandisch Werkliedenverbond“, ber Serbanb liberaler unb
rabifaler Arbeiter, jä^It jefet 34 Sereine mit 3544 äßitgliebern;
fein Sorfibenber fielbt unb zwei dJtitglieber geboren ber Ab*
georbnetenfammer an. 25ie 2bätigfeit beS SerbanbeS ift in ben
lebten gabren jiemlicb gering geroefen, unb auch bie 3ab«3*
oerfamtnlung befcbäftigte fi(b ganz norroicgettb mit Eingaben an
bie Neaierung unb bie Kammer, bie ©efebeniroürfe über Alters*,
Snoalioen* unb Unfadoerficberung, geroerblichen gacbunterricht,
Strbeit^^eit erroacbfener Arbeiter betrafen. — Lilien niel frifdjeren
©eift atbmeten bie Serbanblungen ber fozialiftifdjen Arbeiter
unter bem Sorfibe SlingenS; bie Partei umfaßt jefct 55 Vereine
mit 2500 dJtitgliebern unb entfenbet brei Vertreter in bie Kammer.
2)er roid)tigfte ©egenftanb ber XageSorbnung mar bie geflfebung
eines Programms für bie ©emeinberoablen; bie fmuptbeftimmungen
betreffen: beit genteinblicben ©runbbefib; ben gemeinblichen Setrieb;
bie ArbeitSlofenfrage; bie Nemunerirung ber ©emeinbearbeiter unb
Seamten; ben Unterricht in ben Solfsfchulen; bie §pgiene; bie
Wohnungsfrage; bie Sefäntpfung ber 2runffucbt; bie Sefäntpfung
ber fogenattnten SMportageorbnuitgen, bie eine tnaSfirte ©in*
fcbränfung ber prefcfreifjeit finb; progreffioe ©iufotnmenfteuer unb
Sefteuerung beS oertnebrten ©ruubroertbeS in beit Stabten, ferner
fpracb ber .fongrefo fid) für $oiifum*©enoffenfcbaften als Stampf*
mittel aus. 3utn Unfattoerfi^erungSgefep nahm ber Hotigrefj eine
Nefolutioit au, in ber fdjärfere Ausarbeitung beS Serantroortlid)*
feitSprinzipS ber Unternehmer geforbert mirb. 3n einer Nefolutiott
über ben ©efefcentrourf, betreffenb bie Arbeitszeit erroacbfener
Männer, mirb geforbert: eine möd)entlid)e SHubejeitnon 36 Stunben;
ber 3 e bnftunbentag für alle gabrifett unb Werfftätten; nach z e bn
3al)ren ber Acbtftuubentag; fofortiger Achtftunbentag für gefäbr*
liebe unb uttgefunbe Setriebe. 6cblief}licb mürbe eine Nefolution
für bas allgemeine Wahlrecht angenommen. — Unfer Stitarbeiter
in Amfterbam fdjreibt zu bem Serlaufe beS StongreffeS: „2)ie
Partei mad)t ben ©inbrudf einer rabifalen bürgerlichen gortfchrittS*
partei, bie ficb niel um bie Aufgaben ber ©egetimart unb menig
um baS ferne 3beal fümmert. 2)a bie 3öbl ber reoolutionären
Sozialbemofraten ftets abttimmt, mirb allem Anfcbein nach bie
Arbeiterbewegung in ^ollanb in rubige Sabnen geratben."
^er Streif im eugtifdjeit Stuifarbeitgemerbe. Aus Sonbott
mirb uns getrieben: 2)er Stampf zieht fub lattgfam l)in unb bis
jejjt fteben bie CSF)auceti znjifdjeu ben Parteien z^ntlitb gleich- ©ine
.Honferettz aller 3 roe i9 l> be g SaugcmerbcS tnurbe in Sirmiiigbam
abgehalten; es mürbe befdjloffen, bie ©ntfebeibung zu nertagett,
bis Sertreter ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter im 8tucfgemerbe
bie Streitpunfte erörtert bitten. $ie Serbaubluug bat in ßonbon
am 6. April ftattgefunben, ©erlief aber fruchtlos. Son 8eiteit ber
Unternehmer rourbett folgettbe Punfte als ©runblage ber Se*
fpred)itng norgefcblagen: 1. $>ie praytS, Sormänner unb Arbeiter
ZU zwingen, in bie ©emerffdjaft einzutreten. 2. $>ie Sefcbränfung
ber Lehrlinge. 3. ^er Sopfott gemiffer firmen fcitetiS ber ©e*
merffrfjaft ber Stucfateure. 4. ^)ie Weigerung, mit SUcbtmitgliebern
zufammen zu arbeiten, ^rofe langer Serbanblungeti fomtte eine
©iniguitg nicht erzielt raerbeti. darauf ftellten bie Arbeitgeber
folgettbe fragen: 1. 2ittb 2ie beoolltnäcbttgt eitte Sereinbarung
abzufcblicjjen? 2. 2oH bie Sereinbarnttg für baS ganze ^?anb in
Mraft treten? 3. 2inb 2ie bereit, in eine ©elbbürgfchaft auf
bciben Seiten für treue Seobadjtung ber Sereinbarung z u treten?
4. ©etnäft 3breS SriefeS münfeben Sie ^iemanben z u zwingen,
unb beanfprutben baS Stecht, nur zu bereben, in 3b rc ©emerffdjaft
einjutreten. galten 6ie biefen puttft aufrecht? ^ie Sertreter ber
Arbeiter antmorteten auf bie erfte utib jmeite Srage mit ja. ^ie
britte Srage erfannten fie nicht an, utto für bie eierte grage er*
Härten fie, nicht zu miffen, ob bie Stitglieber zuftimmen mürben,
hieran feheiterte bie Konferenz- 3unä%ft bauert nun bie AuS*
fperrung ber 2tucfarbeiter fort, bie fich inbeS bis jeht als menig
mirffam ermiefen bat. ü)tan mufe aber mit bie 3)töglid)feit rechnen,
ba& fidb ber 5fampf toeiter auSbebnt unb auch anbere ©ebiete beS
SaugemerbeS erfaßt.
^cbeUtrfdju^.
3fntematiimale Seretttigmtg für Arbeiterfchnh. ^)ie Serfattim*
lung z u ^ Sefprechung ber Setbeiligung 2)eutfcblanbS an ber
©runbung einer internationalen Sereinigung für Arbeiterfchuh
mirb am 3. 3Jtai AbenbS 8 Ubr zu Serltn, im Architeftenbaufe,
©ilbelmfir. 92/93, ftattfinben.
Arbeitszeit in ©rtreibemfiblen^ 3)er SunbeSratb bat in feiner
@ijjung oom 13. April bem ©ntmurfe oon Seftimmungen über bie
Arbeitszeit in ©etreibemüblen (oergl. (Soziale Praxis 2p. 647) feine
3uftimmung ertbeilt.
Sanörbetterfihnh-Äommtffion fftr Saperw. $ie Nürnberger
Saubanbroerfer beabftchtigen, eine Sauarbeiterfcbub*5fommiffton für
ganz kapern mit bem 0t^e in Nürnberg zu errichten. 3)ie ^otn*
miffion mürbe an allen Orten Stateriat zu fammeltt unb biefes
ber ©etieralfommiffion in Hamburg z u übermitteln haben. $>aS
gemonnene Staterial foH auch mit etner S)enffd)rift ber Saperifcben
Abgeorbnetenfammer unterbreitet roerben. — $>er Stagiftrat in
3ürtb befd)lo% einen ftänbigen SaufontroIIeur mit 1620 < 1 ( 3ab reS *
gebalt anzufteden. 2)er betreffenbe Semerber mnb eine fünfjährige
praftifebe 2bätigfeit im Saugemerbe nathmeifett unb eitte Sau*
gemerffchule abfoloirt haben.
2)er gefeplithe ber SabenangefteHten in Anftralien. 3utn
Seraleich mtt beit Sorfchlägen ber Nooetle zum 2d)ub ber Sabett*
geholfen in 2)eutfchlanb (ogl. „Box. Praxis" 6p. 637) möge
nachftebenbe Heberficht ber feit 2’/2 Sappen, feit 1. Oftober 1896 in
Äraft befinblicben ©efetjeSbeftimmungen ber auftralifchen Kolonie
Siftoria über bie Serbältitiffe in ßabengefcbäften bienen, bie mir
bem „Oefterr. ^anbelStnufeutn" entnehmen: 3^ber JCabenbefi^er
bat für alle in feinem £aben befd)äftigten Perfoneit paffenbe 6ife*
gelegenbeiten, unb zwar minbeftenS für je brei Perfoncn einen
6ife beizuftetifen; biefe 6ibgelegenbeitett müffen für bie Senüfcung
ber perfonen, für melche fie befchafft finb, bequem gelegen fein.
3eber ßabenbeftper rnufe aden in feinem fiaben befdjäftigten per*
fonen geftatten, biefe ©ibgelegenbeiten z u adett paffenbett 3 e iten
mäbreno beS XageS z u benüben. Heber bie tägliche Arbeitszeit
mirb beftimmt: SorbebaltUch ber folgenben Ausnahmen bitrfen
Perfonen unter 16 3ab**n fomie grauen unb 3Räbd)en in feinem
ßaben ober bei feiner Arbeit in Scrbinbung mit einem Oaben
länger als 52 6lunben in einer SSocbe ober neun 6tunben im
Sage (in beiben gäden mit AuSfdjlufj ber ©ffenSpaufen) ntietb s
rnetfe ober gegen Sohn befebäftigt merben. An einem 2age in
jeber SBodje barf jeboch bie 3 e ü Sefd^äftigung elf 6tunben
bauern, unb menn in einer SSoche ein öffentlicher geiertag auf
einen attberen 2ag als auf ben (Sonntag fällt, fo barf bie 3 e ^
ber Sefchäftigung in biefer SBodje an zwei Sagen je elf Stunben
betragen, menn ber Saben an bem öffentlichen geiertage gcfdjloffett
bleibt. 2Rit fchriftlicher Semidignng beS OberinfpeftorS bürfeit
Perfonen unter 16 3ab^u fomie grauen unb Siäbchen in einem
fiaben ober bei einer Arbeit in Serbinbuttg mit einem £abeit an
jebetn 2age bureb bädjftenS brei 6tunben über bie gemöbnlid)e
Arbeitszeit hinaus befdjäftigt merben, jeboch mit bem Sorbcbalte,
bafe bie ©efammtzabl ber Sage in jebem 3ab^, roäbrenb beren
eine foldje Perfon (grau ober Stäbchen) in irgettb einem Cabeit
ober in Serbinbung mit einem ßaben berart befchäftigt mirb, nicht
mehr als 40 betragen barf. perfonen unter 16 gabren fomie
grauen unb Stäbchen bürfeit ohne eine minbeftenS hulbffünbige
©ffenSpaufe nid)t länger als fünf Stunbett ununterbrochen be*
fchäftigt merben. Ade ßäbett (mit Ausnahme ber Apottjefen, Kaffee*
häufer, ÄTonbitoreien, 6peifebäufer, gifch^ unb Aitfternläbeu, Obft*
unb ©ctnüfeläben, Nefiaurationen, 2abafläben, Sudjbanblungen
unb 3 c iii |n 9 g iäben, uttb mit Ausnahme jener ßäben, meldje auf
©runb befotiberer fraft biefcS ©efepes erlaffcner Serorbnungen
beS NadjtS offen gehalten merben bürfett) müffen an 6atnStagen
um 7 Uhr AbenbS gefdjloffen merben; an bem einem öffentlichen
geiertage unmittelbar norbergebenben Wochentage bürfett ftc jebod)
798
Sogiale SßrajiS. SentralBlatt für Sogialpolitif. Nr. 29.
794
bis 10 Uhr AbcnbS offen gehalten werben. %tbtv Befißer eines
ßabenS muß jeher in feinem ßaben befdjäftiaten $erfon in jeber
©odje an irgenb einem Wochentage nach 1 Upr Nachmittags einen
halben Sag thatfäcfjlich freigeben. Rum 3w^c!e ber Durchführung
ber Beftimmungen beS FabrifS* unb ßabengefeßeS, welche fid) auf
ßäben beziehen, befifet jeber @ewerbe*Fnfpeftor baS Stedjt, jeben
ßaben gu allen angemeffenen feiten gu betreten unb entweber allein
ober in ©egenwart beS BefißerS jebe befdjäftigte Berfon bezüglich
ber burch biefe Beftimmungen geregelten Berhältniffe gu befragen.
Die llebertretung biefer Beftimmungen wirb mit 20 bis 400 Jt.
beftraft. Das in Neufeelanb im Dftober 1894 erlaffene „©efeß
über Fabrifen unb £>anblungShäufer" enthält im Allgemeinen bie
gleichen Beftimmungen gunt Schüße ber Arbeiter in f^abrifen 2C.
unb ber £>anbelsangeftellten wie baS oictorianifche ©efeß. 3n
beiben Kolonien fchemen biefe Beftimmungen fi(h gut bewährt gu
haben, wenigftenS hat man ™ ber gegnerifchen $reffe, bie fonft
mit Feuereifer bemüht ift, jebe ernfte Arbeiterfcßußgefeßgebung gu
bisfrebitiren, nichts ©egentheiliges oemontmen.
3Ubetttmrßd}enutg* Äpotbttflett.
Die $üfje ber ^ttPalibeitreittett. .
3rt ber Vorlage wegen Aettberung ber Snoalibennerficherung
war auch ber Borfcßlag gemacht worben, bie ©runbbeträge ber
Stenten nach ben ßohnflaffen abguftufen. Nach bem gegenwärtigen
©efeße ift bie ©runbrente für alle ßohnflaffen auf 60 Jt bemeffen,
bie Differengirung ber Stenten entfprechenb ben oerßhieben h 0 § etl
Beiträgen tritt erft nach einem längeren 3eitraum ein, wenn bie
Steigeruugfäße fich burch bie ©röße ber 3alfl ber Wochenbeiträge
erheblicher fummiren. Qefet, nadfjbem baS ©efeß runb 400 Wochen
in $raft ift, beträgt bie Nente in ben oier ßohnflaffen 118, 134,
146 unb 162 Jt, bei Anrechnung oon je 400 Wodjenbeiträgen.
währenb bie gezahlten Beiträge fich auf 56, 80, 96 unb 120 Jt
belaufen, alfo gan$ außer Berhälfttiß ber £>öhe ber Stenten flehen.
Wenn bie Stenten tnt Berhältniß gu ben gegafften Beiträgen fielen
foüteit, fo müßten fie etwa 118, 170, 200 unb-250 Jt betragen.
Die bem Steichstaae gugeganaeite Vorlage enthielt nun bereits
1896 ben Borfcßlag, ben ©runbbetrag ber Stenten berartig abgu*
ftufen, baß berfelbe in ben fünf ßohnflaffen ftth auf 60 begw. 90,
120, 150 unb 180 Jt. belaufen follte, bagegen füllten bie
(SteigerungSfäße, welche in ben jeßt oorhanbenen oier ßoßnflaffen
2, 6, 9 unb 13 4 für jeben Wochenbeitrag ausmachen, feßr er«
heblich ermäßigt unb auf 2, 3, 4, 5 unb 6 4 bemeffen werben.
Die jeßt bem SteichStage gemachte Borlage hat biefen Borfcßlag
wieberholt. Bon ber Sfonfereng ber Delegirten ber ßanbeSoer*
ficherungSanftalten, bie am 6. gebniar in ©ifenach ftattgefunben
hatte, unb oon bem Abgeorbneten Stoeficfe*Deffau würbe aber
geltenb gemacht, baß bie oorgefchlagene Art ber Stentenberccfjnung
baßin führen fönne, baß nach ooHenbeter Wartegeit in ben höheren
ßohnflaffen bie Berficherten, wenn fie wegen abnehmenber ArbeitS*
fraft in einer niebrigeren ßohnflaffe üerfidjert finb, baS Sntereffe
am SJtarfenfleben oerlieren fömtten, weil fie babureß nur eine Ser«
minberung ihres StentenanfprucßeS herbeiführen.
Die oom SteichStage eingefeßte £omntiffion hat biefen Fehler
gu befeittaen nerfueßt, inbetn fie ber Stentenfteigerung wieber eine
größere Bebeutung beilegte unb bie SteigerungSfäße auf 3, 6, 8,
10 unb 12 4 für jeben Wocßenbeitrag feftfeßte, inbem fie ferner
bie ©runbbeträge ber Stenten gwar abftufte nach ben ßoßnflaffen,
aber nur mit einer Differeng oon 10 ftatt oon 30 Jt, fo baß bie
©runbrenten fuß nunmehr auf 60, 70, 80, 90 unb 100 Jt. ftelfen
fallen. Um gu oerhinbern, baß ein Berficßerter, nadhbem er bie
Wartegeit oon 200 Wochen in ber ßöcßften ßoßnflaffe oollenbet hat,
in einer niebrigeren ßoßnflaffe nicht weiter flebt, um feine Stente
nicht gu oerminbern, follen ber Stentenberedjnung minbeftenS
500 Wocßen gu ©runbe gelegt werben; finb weniger Wochen*
beiträge geliebt, fo werben bie fehlenben nach &er erften ßoßnflaffe
beredhnet bei Berechnung beS DurcßfcbnittS ber ©runbrenten. Da*
mit wirb jeber Stentenfpelulation, bie fonft bei ber freiwilligen
Berficßerung leicht möglich würbe, ein Stiegel oergefchoben. Damit
fann man einoerftanben fein.
Aber bie ©runbbeträge ber Stenten fcßeineti mir nicht richtig
abgeftuft; benn bie Stenten entfprechen burdhauS nicht ben geleifteten
Betträgen. Nehmen wir einmal an, welche Stenten Serficherte in
ben fünf fiohnflaffen nach 1000 geleifteten Beitragswochen nach
bem Sorfchlage ber ^ommiffion erhalten würben: bie Stenten
fteilen fich au f 140, 180, 210, 240 unb 270 Ji. Nun beträgt
aber ber feapitalwerth ber in 1000 Wochen gegahlten Beiträge m
ben fünf ßohnflaffen 208, 297, 356, 445 unb 535 M bei einem
3iuSfafce oon 3 72 %- ®ie Stentenbeträge müßten fich betnnad) —
bie 140 c/ft aus ber erften ßohnflaffe als Norm angenommen —
auf 140, 199, 240, 300 unb 360 JL fteilen. Daraus ergiebt fid),
bafj trofc ber Erhöhung ber SteigerungSfäfee bie neue Stenten*
beredhnung noch nicht auSreid)t, um bte Stenten gu bem Ber*
ficherungSwerthe ber Beiträge in ein richtiges Serbältnifc gu bringen.
FinangieH würbe eS feine Bebenfen h^öen, bie ©runbbeträge
ber Stenten auf 60, 75, 90, 105 unb 120 <M, ober gar auf 60,
80, 100, 120 unb 140 ,4t gu erhöhen unb auch öie SteigungS*
fäfce fönnten auf 3, 6, 9, 12 unb 15 4 ftatt auf 3, 6, 8, 10 unb
12 4 feftgefefct werben. @S würben fich &ann falgenbe Ber*
hältnifjgahlen ergeben, bie in folgenber Dabelle gufammengefteßt
finb: A. bebeutet bie Summe ber Beiträge in taufenb 2Bod)en; B.
ben BerficherungSmertb berfelben; C. bie Stenten nach bem Bor*
fchlage ber Sfommiffion; D. ben Betrag, ben bie Stenten — bie
erfte klaffe als Norm angenommen — nach bem BerficherungS*
werth haben müßten; E. ben Betrag ber Stenten bei Abftufung ber
©runbbeträge mit 15 M Differeng (60, 75, 90, 105 unb 120 Jt)
unb F. ben Betrag ber Stenten bei Abftufung ber ©runbbeträge
mit 20 Jt Differeng (60, 80, 100, 120 unb 140 Jt) unb gwar
bei E. unb F. mit ben SteigerungSfäfcen oon 3, 6, 9, 12 unb
15 4 für je einen Söochenbeitrag ber betreffenben klaffen.
ßohnflaffe
I
II
III
IV
V
A . . .
140 M.
200 M.
240 M.
300 M.
360 M.
B . . .
208 *
297 *
356 *
445 *
535 *
C . . .
140 »
180 *
210 *
240 *
270 =
D . . .
140 *
199 *
240 *
300 *
360 =
E . . .
140 *
185 *
230 *
275 *
320 *
F . . .
140 *
190 *
240 *
290 *
340 *
Alfo erft bei bem Borfchlage unter F. würbe baS Serhältitiß
ber Stentenbeträge gum Ber ficherungSwerthe annähernb baS richtige
fein. 3n ber fleinen Erhöhung ber Steigerungsbeträge in ben
oberen ßohnflaffen würbe ein ftarfer Antrieb liegen, möglidhft in
ben höheren ßohnflaffen fich gu oerfithern. Söill man in ber
Differenjirung ber ©runbbeträge ber Stenten nicht über baS SJtajj
beffen hwauSgeljen, was in ber Sfommiffion befcf)loffeu worben ift,
fo follte man unter allen Umftänben wenigftenS bie SteigeruugS*
fäße bem Borfchlage entfprechenb auf ein Bielfad^eS oon 3 feft*
fejjett, fonft erreichen bie Stenten in ber fünften ßohnflaffe nicht bie
einem Beitrage oon 36 4 entfprechenbe $>öhe unb ftehen mit bem
Sah^SarbeitSoerbienft ber Berficherten in feinem richtigen Ber*
hältniffe. SBenn man bei weniger als 350 < ft. SatjreSoerbieuft
140 Jt ., bei 351—550 Jt 180 Jt, bei 551—850 Jt. 210 Jt,
bei 851—1150 M 240 M, bei 1151—2000 Jt aber nur 270 Jt
Stente nach geleifteten Söochenbeiträgen erhält, b. h- in her
fünften ßohnflaffe bei bem Drei* bis Fünffachen beS BerbienfteS
unb bem 2y2fadjen ber Beiträge nur fnapp baS Doppelte ber
Stente ber erften klaffe erhält, fo ift baS nicht recht begreiflich für
ben gewöhnlichen SJtenfchenoerftanb. Der Borfthlag unter F würbe
wenigftenS baS Berhältniß ber geleifteten Beiträge unb ber Nentcn
annähernb gleich fteilen.
Bon großer Bebeutung würbe biefe beffere ©eftaltung ber
Stenten namenttid) für bie Selbfloerficherung fein, infofern Ber*
fieberte, bie felbftftänbig werben, fich bie Bortheile ber Berfid)erung
in einer höhnen ßohnflaffe fichern fönnen.
Berlin. $.
Der BerttfSgenojfenfchaftS*Berbanb ttttb bie drtlidjett Stenten«
Men. Der gefchäftsführenbe AuSfdhuß beS BerbanbeS ber Deutfcheu
BerufSgenoffeufchaften hat folgenben Befchluß gefaßt:
Fn (Erwägung, baß bie tm Entwürfe eines FuüalibcnDerftdjerungS*
gefeßeS oorgefehenen Nentenfteüen nach ber (Srflärung ber Negierung
in ber NeichStagSfißung oont 15. Februar 1899 bagu auSerfehen fmb,
bereinft auch für bie gwede ber Unfalloerficberimg Berwenbung gu
finben, erflärt ber AuSfchuß beS BerbanbeS ber Deutfcheu Berufs
geuoffenfehaften: Die Neuteufteilen, fowoßl in ber ©eftalt ber Stegic*
rungSoorlage, wie in ber Raffung, weldje bie Steidjstagsfümmiffion ber
Borlage gu geben befchloffen hat, fmb für bie Unfalloerficherung
burchauS ungeeignet, inbem fie ba§ Bcrfaßreu oerlangfameu, oer*
theuern unb bie ©efaßr bieten, bie Sclbftoerwaltung gu beeinträchtigen.
Der AuSfcßuß bcabftchtigt eine in biefent Sinne gehaltene
ausführlichere Stefolution bem BerufSgenoffeufchaftStage gur Bc=
fcßlußfaffung oorgulegcu.
&ux ^affenargtfrage hat ber AuSfchuß ber preußifdjou Aergfe*
fammertt in folgenben ßcitfäßeit Stellung genommen:
„1. Die freie Aergtemafjl bei allen ftranfeufaffeu liegt im Fntereffe
ber ftaffemnitglieber unb ber Aergte. Sie ift guuächft bei ben Crts*
franfenfaffen unb ben freien ©iilfsfaffen eingufüljreu. 2. Der Begriff
795
(Sogtale ^rajriS. GentralbTatt für ©ogialpolitif. Ar. 29.
796
Argt uitb ärgtlidjc £uilfe ift ungweibeutig tut ©efeß fefigulegen gu*
ärgtlid)cn Vehanblung ftub ausfdjließlidj in beit beutfcßcn VunbeSftaaten
approbirte Aergte berechtigt. 8 . 2ie Attnbeftleifiungen ber Äfaffe an
btc Aergte finb gcfeßUcß bafjtn feftjutcgen, baß bic Staffen bie 5D2inbeft=
fäße ber ärgtlichen (Gebühren orbnungcn ober bic ortSiiblid)cn Atinbeft*
fäße bejahten, gcbenfalls biirfen bie Staffen nach Grrcteßung ber gefeß*
lieben AefcroefonbS nicht el)er an bie (Srßößung ihrer Seiftimgen geben,
al$ fie bic SAinbeftfäßc ber 2are ben Aergtcu bejahten. 4. 2ie Ve*
bingnngen, unter benen bie Ausübung Taffenärjtlichcr 2 bätigfeit gu er*
folgen bat, werben burd) einen fcßrijtlidieu Vertrag gwifdjert Slrjt unb
Staffenoorftanb feftgefefet. 2 er Vertrag bebarf ber Genehmigung burd)
eine ftaatlicb anerfannte ©tanbesoertretung ber Herste. 5. 2er Gin*
fitbrnng oon ©d)iebsgeri<ßten (beftebenb gur föälfte aus bei Oranten*
faffen bcfdjäftigtcn Acrgten unb Vorftanbsmitgiiebern ber fttanfenfaffen)
mit gcfcßlicßcn Vcfugniffen bei ©treitigfeiten jroifchen bersten unb
ftranfenfaffen ift im ftranfeuoerficßcmngSgefeßc AuSbrucf 51 t geben.
6 . ^erfonen, bie ein jährliches Gefammtcinfommen oon über 2000 M.
haben, bürfeit nicht in ben wranfenfaffen uerftchert fein "
2>er AuSfcßuß wirb an beit SAimftcr eine Eingabe rießten, er
möge auf eine Abänberutig beS $ranFctun v rfi(ßeruitgSgcfeßeS im
2iuue biefer öeitfäßc biitroirFeit.
2ü6eit$tta<ßwct$ mtb ÄrbeitSPermittelitttg ift ber $itel einer
©cßrift, bie Ernft ©üntßer §ergog gu ©tßleSmig*$olft ein
oor einiger 3eit bat im 2)rua erfreuten taffen. gm Vorwort
ßeißt eS: „3u ben Aufgaben, welcße auf fogialem ©ebiete ber
fiöfung ßarrett, gebärt eine gwerfmäßige Drcjanifation ber
Arbeitsoermittelung. 2BaS in biefer Vegießung non ber
AeicßSoerwaltung unb non ben VunbeSregientttgen in ben Iefeten
gaßrett gefeßeßen ift, befchränft fi<ß gumeift auf Anregungen, welcße
nur git' oereingelten lofalen Einridjtungen geführt haben. Eine
umfaffeube gleichmäßige Regelung beS ArbeitSnacßweifeS fteßt noch
aus. $DaS Vebürfniß einer foldjen fann einem 3 Iü rifel nitßt unter*
liegen." 23ie ber Arbeitsnachweis bagegen gu geftalten fei, um
ben gegenwärtigen Anforberungen gu genügen, barüber Fönnteu
nicht tbeoretifche Erwägungen, fonbern nur bie praftifeße Erfahrung
entftfjeiben. 2)eSßalb giebt bie feßr lefenSwertße, anfeßauließ uno
lebenbig gefeßrtebene Arbeit aueß feine DraanifationSoorfcßläge,
fonbern eine auf griinblicßen ©tubien berußenbe Ueberficßt ber An*
regungen unb Verfucße auf betn ©ebiete beS v ArbeitSnacßweifeS,
unb gwar nidjt nur in 2)eittfcßlan&, fonbern aueß in ben anberen
tulturlänbern. 2>er SSerfaffer feßließt bie ©cßrift mit folgenben
2Borten: „©oll ber Arbeitsnachweis lebensfähig erhalten werben,
fo muß ftreuge llnparteilicßfeit für ißn bie Aornt bilben unb
feine gortbauer nießt etwa oon eingelnen Veftimmun^en, fonbern
lebiglicß oon Angebot unb Nachfrage abhängig bletben." llnS
feßeint biefe gorberuitg am befteit in ben pantätifeßen ArbeitS*
itacßwcifen, bic bie ©emeinbe unter 3 u 3 ^ßung oon Vertretern ber
Arbeitgeber unb Arbeiter einrießtet unb oermattet, ißre Erfüllung
gu futben. Vefanntlicß wiH ein Antrag Aoefi<fe*Va<ßnicfe („©ogiale
VrajiS" ©p. 802), ber betn AeicßStage oorliegt, biefen gemeinblicßeu
Arbei1Snad)weiS bureß AeicßSgefeß naeß Analogie ber ©ewerbe*
geriete einfüßren. — Es ift ungemein erfreuließ, baß eine fo ßoeß*
gefteflte ^erfönlicßfeit wie ber ftergog ®rnft ©üntßer oon ©cßleSwig*
fwlftcin, beS ftaiferS ©ißwager, fieß mit regem Eifer ber wichtigen
grage ber ArbeitSoennittelung annimmt unb bamit feinen ©tanbeS*
genoffen ein Veifpicl ernfter Arbeit für bie ©ogialrefornt bietet.
$ie ßage beS beutfeßett ArbeitSmarfteS geigt naeß ben neueften
Vericßten ber ArbeitSnad)weiS*Verwaltungen eine ©ituation, wie
fie bisßcr ttoeß niemals beobachtet worben ift. Vei ben 58 Ver*
waltungen, weldje über ben Vfonat ÜRärg im „ArbeitSmarft" oer*
gleicßbare 2>aten oeröffentlicßen, famen auf 100 offene ©teilen bies*
mal nur 89,3 Arbeitfucßcnbe, b. ß. birefter Arb ei lernt an gel!
ilttb wenn aueß biefeS Verßältniß nur bureß bie weiblicßen Ab*
tßeilungen in fo ßoßem ©rabe herbeigefüßrt wirb, fo geigen boeß
aud) bie tnännlicßen Abtßeilungen nur baS äußerft fnappe Ver*
ßältniß oon 100,5 Arbcitfuchcn 0 ett auf 100 ausgebotene offene
©teilen (gegen 11 l, s mättnlicße Arbeitfucßcnbe in betn eutfpreeßen*
ben aueß feßon feßr giittftigeu VJouat beS VorjaßreS). 2>ie äußerft
angefpaunte Verg* unb §ütteninbuftrie, bie troß aller gegentßeiligen
©eriidjte in £)cutfrf)lanb im ©roßen unb ©angen feßr lebßaft fort*
fd)reitenbe Vautßätigfeit, bie gaßlreicßen ©djneiberftrcifs im Ve*
fleibnitgSgewerbe, fotoie bie Auforberungeu, bie bie Öanbwirtßfcßaft
an bie ArbeitSnatfpeifc ftellt, ßabett biefeS Grgebniß gegeitigt. gnt
Eittgelnen weifen im Vergleid) gum VJärg oorigen gaßreS 40 (4- 2
auSlättb.) eine Abnahme unb nur 14 (+ 2 auSlänb.) eine 3nnaßme
bes AttbrangeS, toäßrenb bei einem baS Verßältitiß gleich geblieben ift.
$>a$ ©preeßtoefen ber Stuttgarter Vätfertnututg ßat am 14. April
gu einer Verßanblung oor bem ©eßöffengerießt in Stuttgart geführt:
5£er Vorftanb ber Stuttgarter Väcferirtnung Ä. unb ber ©precß*
meifter ber gnnung, Väcfermeifter ß., fiißlten fieß beleibigt bureß
einen am 12. 9tooember 1898 in ber „£agmacßt" erfeßienenett
Vericßt über eine Väcfergeßilfenoerfammlung. gn bem ^Bericht auf
©runb ber VerfammlungSbebatten war gefagt, bei bem ©precß*
wefen ber gnnung ßerrfdje eine „ßitntnelfcßreienbe Ausbeutung",
ber ©preeßmeifter oermittele bie ©teilen naeß ©unft, biefe ©unft
fei am befteit bureß golbene 2Borte gu erwerben, eS fei feine ©eiten*
ßeit, baß 10, 15 unb 20 Jt. für eine ©teile begaßlt würben 2 c.
5)er angeflagte Aebafteur trat in ber ©ericßtSoerßanblung ben
2BaßrßeitSbemeiS an, ber feßließließ bie Kläger oeranlaßte, bie ^Iage
gurüefgugießen. Am ©eßluß ber Verßanblung bemerfte ber oor*
fißenbe Amtsrichter, baS Vefte würbe woßl fein, ben ArbeitS*
naeßmeis ber Säcfer an bas ftäbtifdje Arbeitsamt an*
gugliebent. _
Moljlfaijrtseinridjtirogeu.
Sfonfercng ber SfufralptlTe für SrbeitcrvoßlfaßrtSeimiißtiiUflen. Am
15. unb 16. SDJat ßnbet in Stuttgart bic VIII. Sionfereng ber Enttral*
fteKe für ArbeiterwoblfahrtSeinricßtmigen ftatt, in ber über bic „giir*
forge für bas ©äuglingsalter" unb über „bic Grleicßterung ber Ve*
feßaffung ber Eclbmittcl für bie gemeinnüßige Vautßätigfeit" uerßanbelt
werben füll, ^ie Aeferate haben übernommen 511 m elften 2 bema Cber*
mebiginalratb Dr. .^anfer*SlarISrube unb Dr. med. 2aube*2eipgig, gum
gweiten 3anbcSrati) Vranbts-^üffclborf unb Cberbürgermeiftcr Verf*
Aiannbciut. — gut Aufdjluß an bie Stonfercng wirb eine ©ißuitg bc*
AuSfcßuffeS für SSoblfaßrtSpflegc auf bem 2anbe ftattfinben.
Vefcßäfttguug iuoaltber Eifenbaßubebienfteter tu Preußen, lim
bie in golge eines VetriebSunfalleS gur Ausübung ißrer bisherigen
Vefcßäftigung nicht meßr befähigten, fowie bie wegen oorgerüeften
Alters unb ^erabmiuberung ißrer Kräfte ben Anforbernngen ißrer
©telluug nießt meßr aewaeßfenen, einer befonberen Veriicffidjtigung
aber wurbigen Eifenbaßnbebienfteten tßunlicßft in einer anberen,
ißrer ßeiftungSfäßigfeit entfpredjenben ©teile im Eifenbaßubienfte
untergubringen, ftnb bie preußifcßeu ©taatsbaßnbireftionen äuge*
wiefen, naeß bem Vorgänge berSfgl. Eifenbaßnbireftion in VreSlatt
ben gnfpeftionen unb 2>ienftfteIIen Vefdjäftigungeit gu begeießnen,
bie auSfcßließlicß ober oorgugSweife folcßeit gnoaliben gu über*
tragen finb. gerner foUen bie um eine Vefdjäftigung einfomnten*
ben Eifenbaßninoaliben bei ben Gifenbaßnbireftionen in Ciften auf*
gegeießnet unb ben gnfpeftionen unter uäßerer Angabe ißrer Ver*
fjältniffe aHmonatlicß befanntgegebeu werben. Um bie ßifte auf
bem ßaufeubeu gu erßalteu, ift oon ben gnfpeftionen über bie
Einteilung folcßer Arbeiter unb über fonftige Veränberungen ben
Eifeubaßnbireftionen furge Aitgeige gu erftatten.
herein für bie Berliner Arbeiterfolonie in 1898 2er Verein für bie
Verliuer Arbeiterfolonie ßat 1898 neu 622 ArbeitSlofc in feine beiben
Auftalten aufgenommeu, 164 würben abgewiefen, bnooit 14 wegen
Aiangel an Arbeit, 21 weil in fdjwargcr ßiftc, 20 fogeuanute Kolonie*
biunmler, 10, bie einen ßößeren Vaarocrbicnft beanfprudjteu (feine C^obe
wirb nießt angegeben) u. f. w. Weitere 59 traten oor ber Aufnaßme
freiwillig guriief. 2er niebrigfte 2ageSbcftanb war am 9. SRat, 8 ., 11.
unb 12. Öftober mit 91 Männern, ber ßöcßfte am 8 . gammr mit
225 Männern, ©eit bem 1. V?ai 1883 ftnb im Eaugcn 8535 Vtämier
aufgenommen unb 8336 abgegangen. Arbeitstage waren eS 1898:
38194, Auße* unb Äranfentage 9443. Von ben 647 im gaßre 1898
entlaffenen Üoloniften gingen 11 in bie gamilie gurücf, 49 traten bureß
bie Vermittelung ber ^oTonic, 69 bnrd) eigenes Vemüßen in Arbeit;
biefe 129, alfo 20% ber Eefammtgaßl, würben in georbnetc Verhält*
ttiffe gurücfgefüßrt. 2ie 285 auf eigenen SBunfcß aus ber Volonte Oie*
fd^iebenen (44% ber Eefammtgahl) waren meift nad) längerem Auf*
enthalt mit ber uötbigen ttleibuug unb ben erforberlicbcn Vaarmittelix
oerfebcu, fid) nad) einer ArbeitC'fteUung umfebeu gn founeit. Vci 36%
blieb ber Aufenthalt in ber Anftalt ohne Außen Aaef) bem Vericßi
hat bic Grfahmng ergeben, baß für bic Äoloniften im Aflgemeiueii ein
längerer Aufenthalt in ber Anftalt nött)ig ift, um ihnen einen wirffanteii
Außen gu fefjaffen. 2eshalb miiifen bic um Aufnahme hittenben ArbeitS*
lofen fid) feit bem Cftober 0 . g. in ber Aegel gu einem Aufenthalte oon
brei Monaten Derpfticßten. Uns fdjeiut aflerbings and) ber wunbe
$mift fold;cr Auftalten, baß fie bei ihren bcfcßränftcu SAiiteln bem
£oloniftcu bic Grübrigung eines ausreichenbeii 3 e hrpfemiigs für bie
geit nad) Gntlaffung aus ber Anftalt nur bei längerem Aufenthalt
ermögltdjcn, ber nid)t immer im Vcrhällniß gur aufgewenbeten Arbeit
eines freien Arbeiters ficht. 2te merflidje Abnahme bes gubrauges
ber Arbeitslofen gegen bic Vorjahre (1894: 915, 1897: 804, 1898: 622)
wirb, woßl mit Äedjt, mit bem Aiiffdiwung ber gubuftrie in gu*
fantmenhang gcbrad)t. 23egcn bes im 23iuter git erwartenbeu ftärfereu
gubranges wirb fdjoit jet>t um Vcftellungcu auf gerfleinertes ^olg unb
ftärfere guweifmig 0011 ©direibarbeiten gebeten.
(Erjiefymtg uni fiübnng.
Sorbenmis beS gemerbltdjett gortbilbiraßSfdjttlwefettS in $rettßen.
AIS ein £>auptßinberniß für ben erfolgreichen betrieb bes ftricßenunter*
ridjts. ait gewerblichen gortbilbungsfcßulen bat fidi ber Mangel au ge*
eigneten ItntcrricßtSräiimen entliefen. 2er iöiinifter für Raubet unb
(bewerbe bat besßalb im Einoerftänbniß mit ben SHiiiiftcrn ber ginangen,
bes Innern unb ber geiftlidjen unb UnterridjtSangelegenbetten bie Ae*
gicrungspräfibenten crfudjt, auf bie Ecmeinben babin einguwirfen, baß
i‘ie bei auSgufüßrenben ©(ßnlneubauien non oornherein auch auf bie
SBebürfniffe ber gortbilbungsfdptlc Aücffidjt nehmen.
ttifermctfimg in ben ArbcttemtfußeriniQSgcfegcn in ben $ortbÜbnitg8*
faulen gn Nürnberg. 2er HRaaiftrat befcßloß bie Einführung bes Unter*
ricßts über bie Arbeiter*VerftcßerungS*©efcßgebung in ben ifnaben-
gortbilbungSidptlen.
2ie erfte VolfSuntoerfität in granfreidj. gn fariö bat fid) jüngft*
bin eine ©efeßfcßaft gur ©ritnbung non VolfSunioerfttälen gebilbet, bie
fid) ber moralifcßen unb intefleftuefleit Ergießung ber Arbeitcrflaffe
mibrncn will, uad) bem Veifpiel ber Olcfeßfcßaft, bie in Öonbon feit
längerer ,'^eit mit großem Erfolge wirft. 2er „grff. 3tg-" wirb ba*
rüber gefcbrieben: 2ie jungen iieute, bie ließ an bie ©pipe btefcS Unter* ;
nehmen* gefteüt haben, finb ©tubenten, bie ber eblc SBunfcß bcfeelt, bie
Arbeiter ben ©efabreu ber ©cbanfen gu entgicbcu unb ihnen ©clegeuljeit
gur geiftigen gortbilbuug gu geben, gu bem alten gaubourg ©aint*
Autoinc ift bie erfte biefer Volfsuniocrfitäten eröffnet worben, unb b^r
mcrben allabenblicb Vorträge über 3Äoral, Riffenfdjaft unb Literatur
gebalten. 2er Erfolg, ben biefe Vorträge trop ihres? furgen VeftebenS
erhielten, bat bie Drganifatoren bes Unternehmen* ermutbigt, aus*
gubebuen unb am 1. Oftober ein ocritablc* Unioerfitätsgebäube im
gaubourg ©aint-Antoine gu eröffnen mit einem 9Jtufeum, Vortrags*
fäleu, einer Vibliotbef, einem UnterbaltungS* unb einem Surnfaal, jo*
inte Vureau;r für mebiginifchc unb juribifcbe töoufultationen. 2aS mirb
bie erfte VolfSuuiocrfität granfrcicßs merbcn.
Sojtale 4}i)gtene.
2er Suberfulofenfötigreß in fBetlist, ber s 3Jiitte 3Rai ftattfinben
wirb unb gu welkem bie Anmelbungen au$ aßen Sbeilen ber
©eit außerorbentlicß gasreich erfolgt finb, foß baS bisher auf beut
(Gebiet ber ©cßroinbfucßtebefämpfung ©eleiftete in fritifd)er 23e*
Ieucßtung einem größeren 3ntcreffentenfreiS oor Augen führen.
Aus ben gemeinfamen 23eratbungen toerben roertf)ooßc Anhalts*
punfte für bie weitere Entwicfelung ber Bewegung gu gewinnen
fein. 2)iit trefflichen ©orten bot fürgliiß ber Vorfißenbe $ergog
üon Aatibor oor ben SKitgliebern bes ^Berliner £ofalfomüeS bie
3iele bes föongreffeS gefenngeießnet, inbem er befonberS ßeroorßob,
baß bie Vefämpfuncj ber in aße fogialeit Verßältniffe tief ein*
feßneibenben 5franfßeit ber ©itwirfung aller Greife ber 23eoöIferung
bcnötßige unb baß es gelte, in ben weiteren ©eßießten Aufflärung
über ihre ÜWatur unb ißre traurigen ©irfungett gu oerbreiten, um
banaep in ruhiger, planmäßiger, fieserer Arbeit baS erfebnte
gu erreichen.
©attitätSinfpeftortmtcii in Ettglattb. 2)em Söeifpielc ^anebefter^
folgenb, b a t ^ er ©emeinberatb oon Sirmingbam befcbloffen, oier
Jyrauen ala „healtli visitors 4 * angitfteßen. 3b*c Aufgabe .ift bie
Jsnfpeftion ber ©otmuugen ihrer »egirfe; ben §>au3frauen in ben
armen Vierteln begüglicb ber Äinberernäbrung unb Äleibung fomie
beg SReinbalteng ber ©obnräume SRatbfcbläge gu ertbeilen unb über
bie fanitären 3?erbältniffe Bericht gu erftatten. — 3m ärmften
Viertel oon Sirminabam wirb in biefent Qrübiabr eine fogial*
politifd>e grauennieocrlaffung eröffnet, oon ber gleicpfaßS Unter*
ftiipung ber ^bätigfeit ber „health visitors“ erwartet wirb.
$a£ erfte Uiolfdbab in iparid wirb bemnäcbft eröffnet werben, ^e*
fanutlid) blieb granfreid), beffen pbilantbropbif(be Seftrebungen fo man*
nigfaltige gormeit angenommen bnben, in Errichtung oon bißigen
'Babeanftalten beträd)tldj hinter anbern Räubern gurüd, wenn auch btc
grage fchon lange (namentlich oon 3nlc£ 0imon) propagirt worben
war. 311$ man oor einigen gabicn enblidj gnr 3?erwirflichung fchritt,
war eg bie $rooing, welche ooranging. 2ie erfte Slnftalt würbe tn
3?orbeaur errichtet, nach bereu Sftufter auch bie ^arifer 3lnftalt gebaut
wirb. 2er $reiö beg 2oud)ebabeg incl. Seife ift auf 20 Etg. feftgefept.
2 ie ^aufapitalien im betrage oon 25 000grcg. würben burdj freiwillige
Beiträge aufgebracht.
(6rtt)erbegerid)tt. (Kinigungsämtec. $d)teb?gerttt)tt.
£ob»öorf4i| alö 2>arleb» aufgnfaffen?
Ein Beitrag gur gf^9 e 3 u f^änbigfeit ber ©ewerbegeriebte.
2>a« ©emerbegeriebt S^eumünfter b^i in einer Entfcbeibung
oom 20. Februar 1899 (abgebrueft im „©ewerbegeriebt" 9?r. 7 oon
UcrantroorttkQ für bie UebaYtlott: Dr. dm
1899 83/84) auggefübrt, baß ein oom Arbeitgeber bem Arbeiter
gcleifteter Soßnoorfcbuß alg Zürich« aufgufaffen fei, unb bat beg*
halb feine 3nftänbig!eit gur Entfcbeibung über bie bezügliche „oon
ber SeHagten geltenb gemachte ©egenforberung" auf Sftücfgablung
eines SoßnoorfcbuffeS — weil nicht auf bem Arbeitserträge be*
rußenb — oerneini.
2)iefeS Urteil giebt gu 23eben!en Anlaß. Einmal bürfte es
feinem 3n>eifel unterliegen, baß auch oor bem ©emerbegeriebt
©egenforberungeit aus jebern beliebigen SRechtSgrunb oorgebraeßt
werben fönnen, fofern bieS nur 3taecfS Aufred)nung gefchießt.
2>enn infoweit begweeft baS ©eltenbrnacßen einer ©egenforberung
Iebiglicß bie SBefeitigung ber Stlageforberung, nicht aber bie Ser*
folgung eines felbftftänbiaen AnfprucßeS. 2)aS ©ewerbegerießt
muß baßer jebe ©egenforoerung facßlicß prüfen, mag ße nun aus
einem ArbeitSoerßältniß entfprungen fein ober nicht. Erft wenn
unb foweit bie ©egenforberung im ©ege befonberer ©iberflage
geltenb gemacht wirb, ift feftgufteßen, ob bas ©ericht für bie Se*
urtßeilung eines folcßen AnfprucßeS guftänbig ift.
0b in bem gebaeßten Secßtsftreite ber Anfprud) beS Arbeit*
eberS auf Erftattung eines ÖoßnoorfchuffeS im ©ege ber ©iber*
läge uorgebraeßt ift, läßt fieß aus ben mitgetßeilten ©rüttben nießt
erfeßen. ©elbft wenn bieS aber ber Saß gewefen wäre, hätte baS
©ewerbegerießt unfereS EracßtenS mit gfug feine 3 u ftänbigfeit
anneßmen biirfen. 2)enn ber Sobnoorfcßuß wirb nidbt gegaßlt in
ber Abficßt, ben Arbeiter gur 3uriicfgewäßrung einer entfpredbenben
Summe gu oerpflicßten — wie es gur Erfüßung beS 2)arleßnS*
begriffeS crforberlicß wäre (ogl. I, 11 §. 653 A. S.S., §. 607
S. ©.S.) — oielmeßr wirb er gewährt in ber Erwartung ber
fünftigen 2>ienftleiftung beS Arbeiters. Er fteßt fuß Iebiglicß
| als ©egenleiftung für bie oerfproeßene Arbeitsleistung bar. 9fur
baS ift baS Sefonbere, baß, wäßrenb regelmäßig Stängels be*
fonberer Abrebe bie Vergütung erft uaeß ßeiftung ber Arbeit gu
entrichten ift (ogl. 33. ©.53. §. 614), ßier ber Arbeitgeber oor*
leiftet. 2>er Soßnoorfcßuß ift alfo nießt als 2)arleßn angufeßen,
er ift oielmeßr bie ßeiftung ober bie 2ßeilleiftung beS 2>ienft*
berechtigten aus bem 3)ienftoertrage.
Erfüßt bemnäcßft ber Arbeiter femerfeits ben 2)ienftoertrag
nießt, fo fann — naeß Sanbrecßt wie naeß SBürgerlicßem ©efep*
bueß, wenn aueß im Einzelnen abweiißenb — ber Arbeitgeber oom
Vertrage gurücftreten (A. S.SR. I, 11 §§. 878, 879, 33. ©.23. §§ 325,
326). Er forbert bann eoentueß Erftattung beS oon ißm bereits
©eleifteten mit ber 23ertragSflage. (3$gl. A. S.SR. I, 5 §§. 410,
j 360 ff., 365: bereits bei gufäfliger Unmöglich feit ber Arbeitsteilung
j ift „baS in Erwartung gegenseitiger Erfüßung ©egebene gurücf*
j gugeben ober gu oergiiten"; 23. ©.23. §§. 327 unb 346: „bie em*
i pfangene Seiftung ift guriidgugewäßren"). 2)a eS fieß ßiernaeß um
| einen Anfprucß aus bem Arbeitsoertrage felbft, unb nießt aus einem
etwa nebeußerlaufenben 2>arleßnSoertrage ßanbelt, fo ift gemäß
§. 3 Wr. 2 beS 9i.©. betr. bie ©emerbegerießte bas ©ewerbegerießt
facßli* guftänbig.
Semcrft fei hierbei itocß, baß bie fogenannten 23orfcßüfie,
weld)e bem mit einer größeren Afforbarbeit betrauten Arbeiter aß*
wöcßentticß gegaßlt gu werben pflegen, in ber SRegel mißt als
eigentliche SSorfcßußleiftungeu gu betrachten fiitb. gier ßanbelt es
fieß oielmeßr gumeift nur um oerßältnißmäßige AbfdßlagSgaßlungen
für ben bereits ßergefteflten Xßeil ber ^hbdt 2)aßer fann ßier
oon einem befouoeren 2>arleßnSoertrage. erft reeßt nießt bie
SRebe fein.
23erlin. Dr. ©ißalßorn.
Düerarifdie JCnjelgen.
Anna len bev 2cutfd)en Aeid)S für Eefepgebung, Verwaltung unb
©tatiftif. ©taatSwtffcnjdjaftlicßc geitfeßrift unb SRaterialicn*
fammluug. Unter SRitwirfung gaßlrcicher gaeßmänner heraus*
gegeben oon Dr. Öeorg £urtb unb Dr. 3War o. ©epbel. 9ir. 3
bis 5. aWüncßen unb 2etpgig 1899, ©. £nrib.' gäßrlicß 12 Riefte.
Abonnementspreis oierteljäbrlid) 4 M.
©tatiftifeße VionatSfcßrift. ^erausgegeben oon ber Ä. $. ©tatifti*
feßen EentraUommiffion. Aeue golge. lll. Jahrgang. Auguft—
©eptember*.^eft. ©ien 1898, Alfreb ^ölber.
Annals of the American Academy of political and social Science.
Vol. XIII. No. 2. March 1899. London, P. S. King & Son.
Price per Year 6 $, per Number 1 $.
Sanbsbcrg a. SB. Vericßt bes SRagiftrats über Mc Verwaltung unb
ben ©tanb ber 01cmeinbe*Angclcgenßeitcn pro 1897/98.
2>armftabt,‘Voranfdjlag ber §aupt* unb Aeftbcngftabt 2armftabt für
bas Verwaltungsjaßr oom 1. April 1899/1900.
t Stande tn Berlin W., »apreut^erftra^e 29.
799 Soziale $ra£is. ßentralblatt für Süjialpolitif. 9?r. 29. 800
©te »»Spital* ^rarf*" erfäeint an jebem ©onnerStag unb ift burcfc alle Söucbbanblungen unb Sßoftämter (gJoi'tjeitungönummcr 7072) ju bejiebert. ©er $r«-U
für ba8 Stertcljabr ift 3W. 2,50. 3ebe Kummer foftet 30 $ßf. ©et Anzeigenpreis ift 60 $f. für bic breigefpaltene ißetitjeife.
Durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Staatseisenbahnen, Staatswasserstrassen
und
die deutsche Wirtschaftspolitik.
Von
Franz Ulrich.
— 1898 . Preis 1 Mark. —
Im „Archiv für Eisenbahnwesen" (1898. Heft 4)
berichtet A. Wagner über dieses bei den gegen¬
wärtigen Verhandlungen des preussischen Landtages
hochaktuelle Buch:
„Diese höchst anregende kleine Schrift bringt einen
Vortrag, welchen der Herr Verfasser, Präsident der Eisenbahn¬
direktion in Kassel, auf Wunsch der schlesischen Landwirt¬
schaftskammer in dem von dieser veranstalteten Vortrags- j
zyklus gehalten hat. Der Verfasser ist durch seiue litterarische .
Thätigkeit auf dem Gebiet der Verkehrs-, besonders der |
Eisenbahnfragen weit über den Kreis seiner hervorragenden |
amtlichen praktischen Stellung hinaus rühmlich bekannt. Ich j
erinnere nur an seine vortreffliche Schrift „Staffeltarife und
Wasserstrassen“. Die neue kleine Schrift bewegt sich in
dem Gedankengang, welcher schon in der oben genannten
hervorgetreten war. Sic führt die Fragen aber weiter und
gelangt dabei zu einer einschneidenden, prinzipiell wie praktisch
gleich bedeutsamen Erörterung und Entscheidung hochwichtiger
Probleme. . . .“ I
Jnd weiter berichtet P. F. lvupka in der „Gester¬
reich isehen Eisenbahnzeitung” (XXL Jahrgang
No. 15):
„Der Verfasser kommt zu dem Schluss, dass die
Frachtermässigung auf den Wasserstrassen in erster Linie
dem Auslande und der ausländischen Einfuhr zu Gute
komme. Deutschlands grosse Ströme dienen dem Einfuhr¬
verkehr, vereiteln die Wirkung der Getreidezölle und ver¬
schärfen die Notlage der inländischen Landwirtschaft: die
Einfuhr ausländischer Produkte der Land- und Forstwirt¬
schaft erfolgt fast ausschliesslich auf den Wasser¬
strassen. Das ausländische Getreide benutzt die Wasser¬
strassen, das inländische von dem fernen Osten fast aus¬
schliesslich die Eisenbahn, was also einem Differentialtarif zu
Gunsten des Auslandes gleichkommt. Deutschland solle die
durch internationale Verträge behinderte freie Verfügung über
seine Ströme Rhein und Elbe rückverlaugen, uui anstatt der
jetzigen internationalen eine nationale Verkehrspolitik
betreiben zu können. . .
Verlag Der Ärbeiter-fierlxirguug. 31. $£ro£djd in 23erliu W.
<Pie Ifr&rtttt^Erfatgung
(üeniralaraan
für baS gefamtc
graniten-, Unfall-, 3unnliiiitäts- n. ptrs-gerfirijernngsnirftn im frntfdjrn ßeid)e.
©erauSgegebcn von
Dr. jur. p. fjonigmaitn.
©ie „Arbeiter=3krforgung" erfdjeint monat(itf) breimal. 2er AbonnementSpreiS
beträgt 12 2)?arf jährlich, auSfd)lie&Ud) $orto. HoHftänbige Jahrgänge werben einzeln
junt greife von 14 Sttarf, bie Jahrgänge I—XIV aufammen ju bem ermäßigten greife
non 98 9ftarf, in Crigiualbanb gebiinben ju 120 3J?arf abgegeben.
Aus bem onbalte ber regten ©efte finb folgeube Abbanblungeu beruorjubeben:
Äranfbeitöuevbütmig^üoridiriTtcn l©itfe). — 2ie SJedjtSftellimg ber Olcnteinbeu unb
Armenvcrbänbe gegenüber ben Crgancn ber Arbeiterverficberung. — 2aS Warfen*
(i)ftent. — 2ic llrjadjeii ber ISriuerbsuufäljigfeit nach bem £taualtbität$« unb Alters-
uetficberungsgcfcb. — Uebcrficbt über beginn unb 'BegfaU ber in bett fahren 1891 bis
1897 fcftgcfe^tcn Smmliben* unb Altersrenten. — SJeitragSpflirfjt ber ©aiiSgcivcrbc*
treibenbeu. — 2as Suoalibcnoerfnhcruugsgcicb. (ftranfeuberg, Aitib, OJebharb). — 2as
9ted)t auf SSicbcrbolung von ouvalibeu» unb AltcrSrcntcuan trägen (Seelmann).
■
Verlag non Vutuher & Ijnmblol
in Ceipjig:
JPIV
^rbfitmier|idjmittg
in ben
©Hrapätfdjen Staaten.
<®. ßöMkrr.
— $retö 7 3 ». —
iddjsfetfuljErunösgcttöEliHi.
Bon
a. IJöÖiher.
- $reiS * 3». 60 -
Jttlirlmdj für OMeligdmug, JfenmtUuttg unb
im gUMtfdj***
§ci abgegeben von S*d)JUOUcr.
- X X 111. A a l) r g a n g , ;> m e i t c s © c f t. reis 8 3» a r f. ---—
oiihalt: 2ie im engeren Sinne focialc ttriminalfiatiftif als Statiftit ber 91ed)tsgüterverletmugen. $on arI Seutcmann. — lieber bas
bcntidic Wclbivefen im Äriegsfali. Bon 3»orij ©troll. (Sdjlufsartifel.) — 2ic obligatorifdje Mranfcnvctftdjerung ber ©aus*
iiibujtrtellcn. £*on C*. Steigert. — ©cutfditanbs lanbivirtfchaftlicber betrieb nad) ben (Srgebniffen ber mit ber Berufs® uitb ÜJcivcrbe*
jäljluug v ont' 15. >ni 1895 vcrbuubcncn lanbroirtidjaftlidjcn Aufnahme. t*ou ^aul ttollmaiui. — 2te lvirtfdjaftlitfjC i’agc auf
Sarbtuiru. 2?on 3»aj:imiliait ISlaar. (Snttvicfluug unb gegenwärtige Crganifation ber englifcbcu Jvabriünfpcftion. Bon geleite
Simon. — 2ic $ebcutung non Süb=$?raftlicn für bic beutfdjc ftolouifatiou. Bon arl 58a11ob. — 2>ic Orgauifation beS grentbbanbcls
in (5l)ind. Vortrag non ©ermann ©^umacber. — Vebcnsuerfüberung, Äapitalocrftdjcrung unb bie Iänblidie ^euölferung unter oor=
jugsmeifer ^erücfpdjtigung bes mittleren unb Heineren ©nuibbcfi^es Der ^roninj 33raubettburg. $on ©aus 0)raubte. — £itteratur.
_ — 15frnntroocllit1) mt otc aiiicigcn: .&eUmuttj ©eibel, ßetpiig. - «erlag oou SJuncfcr & ^umblot, Scipjtg. - öcbrutfl bei gultu« Sittenfetb, Scrlin.
Vin. frtjrgimg.
ffierlin, ben 27. Jlpril 1899.
Hummer 30.
SoRctlc prajris.
denfrafbCctft für ^ogiafpofifiR
mit bet SBonaiSbeilage:
Vas ©ewerfcegerichk
©rgan öes Derbanfces t>eutfd)er (Beteerbegeridjte.
Bcuc golge ber „Blätter für fogtate BraytS" unb beS „Soaialpolitifdjen ©eutralblntts*.
ffrfticint an Jrtcm ^>CCQUSgcber: 9rei3 fcierieliftftrlig 2 IR. 60 $f.
IRebaftton: Berlin W., Bapveutberftrajje 29. Df« (Itllfl «fttUldtt* ©erlag bon ©unefer & £>umblot, Celp 3 ig.
3tthitlt
y(rbeiiSnacb»ei8. Bon Dr. jur.
Bicbarb greunb, Borftfcenber
bcö Berbanbefl beutj^er MrbeitS*
nachmeije, ©erlin.802
KlflcnrtneCosial« unb fBirtbfftaft*'
poltttl.808
9Reid)8tafl«berbanblunflen
bie ©ewerbeorbnungSnooelle.
©ie internationale Bereinigung für
Ärbefterfcbufe unb bie Sojiaibemo*
fratie.
ßulnffung ber grauen ju ben mebi»
3 inijcben Prüfungen in ©eutfcblanb.
ftfitforge für 3lrbeit8lofe in Breu&en.
©in ÖIrcbiü ber parlamentcmfcben ©o»
fumente ber britten Bcpublif in
Baris.
iMwsstle •oftintyolittf ... 812
GtftMiföe SRietbSräume für Dbbacb»
lofe in SRagbeburg.
©ie SlrbeitSlofenfrage in ©ent.
grorberung ber Beigem elnblicbung beS
SdbanlroefenS in ©ro&britannien.
©ie kommunale Sttafjenbabn»Bet»
malhing in Sonbon.
§air 2Bage8 in öffentlichen Beiträgen
in Schottland
Vfb( tterbemegmiQ.813
Ärbeiterfefretariat Nürnberg 1898.
Beue Ülrbeiterfefretariate.
©ie 2Beberftretf« in Krefelb unb in
Beidjenbacb in Sdjlefien.
©er ©emerfoerein ber ©eutfeben SRa*
fdjinenbau* unb Metallarbeiter.
Sobnbeioegung in ber belgifdjen
jtobleninbuftrie.
©ie 9Raffen»2lu8manberung italienif^er
'Arbeiter.
6. Kongreß beS banifeben Metall¬
arbeiter BerbanbeS.
3ur ©ifenbabnetbewegung in grianf*
reich.
ttrtxiterfdv*.817
3abre8beri^t be8 gabrifinfpeftorö im
gürftentbum Scbmarabutg * Bubol»
ftabt für 1898.
Bormen für bie ©ienftjeit ber ©tragen*
babn - AngefteUten im Königreich
©aebfen.
ffabrifinfpeftion unb SlrbeitSoeibält»
niffe in Ungarn.
fUfteitcrferftdientiia. ®par taffen 819
©ie ©rganifation ber getoerb»
lieben Unfallöerficberung in
ftranfrelcb. Bon ft. Schott»
höfer, Baris.
Befcblüffe be8 beutfeben SlerjtetagcS
3 U ben Berft^erungSgefeben.
©ie obligatorifcbe Kranfenberficbetung
ber ^pauöinbnftrietlen.
©er BerbanbStag ber beutfeben ©e»
rufSgenoffenfcbaften.
ßur Umgeftaltung ber Berftcberung8*
gefefce für bie Seeleute.
©ie SIMrTung beS Arbeiter »Unfall»
entfcbabigungSgefebe« in ©nglanb.
«vfreittnafttoti* .823
©er genteinblicbe SlrbeitSnacbmetS unb
bie organifirten Arbeiter.
©töbtifeber ®rbeit8na<bmeiS in ©ng»
lanb.
fBoblfabrtSetitricMmtgeii .... 824
©efebenfe unb Stiftungen an Arbeiter
unb an bie unbemittelten BolfSflaffen.
©er ©entraloorftanb beutf eher Arbeitet»
folonien.
CBobmtngttocfen .825
©obenpolitit in Kiautfcbou.
Bon Dr. ©aul Boigt, ©erlin.
Betbefferung ber 2Bobnung8beri)ält*
niffe oon Arbeitern in preufeifeben
Staatsbetrieben.
Bürnberger SBobnungflpolitif.
Ueberböllerte ffiobnungen in ©refilau.
SRinberung ber SSobnungSnotb bureb
©auoereine.
AberS’fcbe StfobnungSftiftung in ©iiffel»
borf.
Arbeitermobnungen in ©ent.
©oktale fcbgtene.829
SWebiainalreform unb preufcifcbeS Ab*
georbnctenbouS; Stabtürjte.
©etoerbegeriäte. ©inlgimgSämter.
SdricbSgertdltc .829
Beilegung öon ArbcitSftreitigfeiten auf
©runb ber „BerföbnungSafte" in
©nglanb.
©inigungSamter unb ScbiebSgericbt
in Beufeelanb 1897,98.
Atterarifii Ädrigen ...... 830
Abbrud fämmtlicber Artilel ift Beitungen unb ßeitfebriften geftattet, febodb nur
mit boHer Quellenangabe.
Ärbeitenadjads.
©ine ber wiebtigften fo^talpolitifd^ert Hufgaben bitbet bie Dr*
ganifirung beS HrbeitSnadiroeifeS. ®er HrbeitönacBroeiö ift bie
SBermittlungSftelle jnjif^en Hrbeit^angebot unb Hrbeitänaifyfrage;
er bringt bie Hngebote ber Arbeitgeber gur Sfeimtrife ber Arbeit*
futbenben unb bie Arbeüfuibenben jur ^enntnife ber Arbeitgeber.
3e uottfommener ber Arbeit§nacf)roeiS organifirt ift, befto mehr
roäibft bie Möglidjfeit, für bie Arbeitgeber geeignete Arbeitskräfte,
für bie Arbeit)ud)enben geeignete Arbeitsstellen $u finben. ©er
ArbeitSnacbroeiS febafft gunäcbft nid)t mehr Arbeit als tbat[ä(bli<b
uorbanben ift, aber babureb, bafc er bie Möglicbfeit ber 23efebuug
oafanter ArbeitSftellen aufs §öcbfte fteigert, bient er in eminenter
SSeife gur ©efänipfung ber ArbeitSlofigfeit. ©er ArbeitSnacbroeiS
ift aber auch befähigt, mehr Arbeit $u febaffen. SRandje Aus*
bebnung eines Betriebes, manibe 9ieueinriibtung eines Betriebes
fibeitert an ber ©<btt>ierig!eit in ber Befdjaffung uon Arbeitern:
mit ber Ueberficbt über bie oerfügbaren freien ArbeitS*
fräfte roäibft bemnaib bie 9)tögii<bfeit ber Schaffung
uon Arbeitsgelegenheit. Aus biefen ©eficbtSpunften ergiebt
fid) bie arofee oolfSroirtbfcböftlitbe Bebeutung ber ArbeitS*
nacbmeisfrage, baS beroorragenbe öffentliche Sntereffe an ber
Söfung berfelben. ©eSbalb ift bie Anrubi mancher Arbeitgeber*
freife, bie Drganirirung beS ArbeitSnacbroeifeS fei lebiglicb ihre
^rioatangelegenbeit, um bie fid) ^iemanb roeiter gu fümmern höbe,
als un^utreffenb unb auf Benennung ber roeiteren Bebeutung ber
Örage berubenb, jurücf^uroeifen.
©ie ArbeitSoermittlung oollsiebt Tub gegenwärtig in ben oer*
febiebenften ^formen. Als primitiofte aber noch febr weit oer
breitete 3orm ift gu nennen bie „Umfcbau" b. b- baS birefte
Auffucben ber Arbeitsstätten bureb bie Arbeitnehmer jroeefs 9£acb*
frage nach Arbeit, ©ie „Umfcbau" oo^iebt fidb interlofal bureb
„2Banbern" oon Drt gu Drt unb lofal, bureb Auffucben ber
einzelnen ArbeitSfteüen. ©ie Umfcbau ift befonberS oerbreitet im
Baugeroerbe, auf .sjafen*, Ablabe*, £>olj* unb ^oblenpläben, in
Grubenbetrieben, in grofeinbuftriellen Betrieben. Sie finbet fteb
neben bem organifirten ArbeitSnacbroeife in atten geroerblicben unb
inbuftriellen Betrieben. Mit ber AuSbiibung unb Beroollfommnung
beS organifirten ArbeitSnacbroeifeS febroinbet aHerbingS ihr Umfang.
BefonberS ftarf oerbreitet ift bie Umfcbau auch in allen gabrifbetrieben,
in benen weibliche ^erfonen befebäftigt werben, ©ie Umfcbau ift
nur ein böcbft unoollfommener ©rfafc für ben organifirten ArbeitS*
nacbweiS, neben ihm bat fie feine Gfiftenjberecbtigung.
©ie Umfcbau bebeutet für bie Arbeiter eine Bergeubutig an 3«it,
traft unb Gelb, fie wirft auch inSbefonbere bei weiblichen Sßerfonen
bemoralifirenb, fie bringt fie oielfacb in Abbängigfeit oon unter*
georbneten Beamten beS Betriebes, inSbefonbere fpielt bi cr ber
„Sfabrifportier" eine grofee Spotte, gür bie Arbeitgeber mu& bie
Umfebau, mag fie auch in manchen gälten febr bequem fein, boeb
unerroütifcbt fein; ben keinen Arbeitgeber betäftigt fie in b°b^m
s JWaf}e, für ben größeren Arbeitgeber bringt baS Auffucben ber
BetriebSftätte burct) frembe, nicht 311 m Betriebe gehörige Sßerfonen
3 um Minbeften Unßuträglid^feiten. Bkber Arbeitgeber noch Arbeit*
803
Sogiale $ra$i$. Eentralblatt für Sogialpoltiit. Vr. 30.
804
nehmer erhalten eine genügenbe Heberficht über ben ArbeitSmarft, für
beibe X^eile geht bic AuSfi^ßt auf beftmögliche Erfüllung ifjrcö ©efudte
oerlorcn. $agu fotnmtnoch ein nicht unerhebliches öffentliches 3ntereffe.
Abgefehen oon ber burch baS £>erutnoagiren ber Arbeiter
immerhin beeinträchtigten öffentlichen Örbnung unb (Sicherheit —
roie mancher Arbeiter oerirrt fid), erfchöpft non ber ©anberung in
bie Sd)anfroirtbf<haft, bie er nicht mehr nüchtern oerläßt,’ wie mandhe
Arbeiterin geräth bei ihren ©aitbcrungen auf Abwege — macht
bie Hmfchau eine unter oerfchiebenen ©efichtspunften im öffentlichen
3ntereffe gebotene Auswahl unter ben Arbeitfudjenben unmöglich-
£ic auf bem ©ege ber Hmfchau fich oollgtehenbe Ein*
ftellung oon Arbeitern begünftigt im hbchften Viaße
bie ungemeffene, planlofe Abroanberung ber Arbeiter
inSbefonbere nach ben großen Stabten, fiebrigere ßohn*
forberitngen machen bie Annahme fold)er gugiehenben Arbeitskräfte
für ben Arbeitgeber erroünfeht, roährenb beffere ober gleichquali*
figirte einheimifche ArbeitSfräfte brach liegen, gür ben Arbeit«
geber mag bie UeberfüHung beS ArbeitSmarfteS, bie hi^burdb ge«
fchaffene größere Auswahl, baS §ernntergehen beS ßohnfaßeS
nicht unerroiinfeht fein. Einern berartigeit einfeitigen egoiftifchen
3ntereffenten«Stanbpunft roürbe aber baS höhere öffentliche 3nter*
effe entgegenftehen — an bem fchließlid) ber Arbeitgeber nicht
minber betheiligt ift —, welches gegen bie Anhäufung oon arbeite«
Iofen Elementen mit allen fn^burcf) erroachfenben Vathtfjeilen unb
gegen bie ungemeffene Abroanberung ber Arbeiter nach ben großen
Stäbten gerichtet ift. 2>iefe Ab« begw. 3uwanberung muß auf baS
richtige Viaß, bem Vebürfitiß entlprecßenb, gurüefgeführt roerben.
3eber wahrhafte unb unbebingte Anhänger ber Jre^ügigfeit, jeber,
ber bieö $allabiunt ber Erwerbsfreiheit nicht antaften laffett will, muß
fich ouf biefen Stanbpunft ftellen; benn es ift bie (Gefahr oorßanben,
baß bie hier berührten Hebelftänbe fo groß roerben, baß eS ben Seinben
ber Öreijügigfeit nicht fchroer fein roirb, biefelbe gu ftürgen.
Hier ©anbei fd^affen fann aber nur eine oollfommene
totale unb interlofale Drganifirung beS ArbeitSnach*
weifeS. galten bie Arbeitgeber baran feft, Arbeiter nur burch
Vermitteluna beS ArbeitSnad)roeifeS eingufteÜen, bann ftnb alle
Arbeitfuchenben genötljigt, fid) an ben Arbeitsnachweis gu roenben,
ber bann nach ben obroaltenbeit Verljältmffen feine ^Maßnahmen
treffen fann: Sei gleicher Ouatififation roirb man Einheintifd)c,
Angefeffette, oor 3 u 5i e henbcn, 5BerI>eirathete mit großem Minber«
fegen oor linoerheiratheten unb ftinberlofen beoorgugen fönnen.
$>urd) möglichft auSgebeljnte Veröffentlichung ber ßaae beS Arbeite«
marfteS, b. h- ber 3 a b^n über Arbeitsangebote, Arbeitenachfragen
unb nicht gur Vefeßung gelangenbe Stetten, roirb ber planlofen
3uroanberung, roelchemeift aus Hnfenntniß über bieEßancen
ber Erhaltung oon Arbeitszeiten gefchieht, am roirffamften
begegnet roerben fönnen, burch bie interlofale Arbeiteoermittelung,
burch bie ftänbige Verbinbung mit ben Arbeitenadjweifett anberer
Orte roirb bie Abftoßung überfd>üffiger arbeitelofer Arbeitefräfte
erreicht roerben fönnen. SDiefer ftänbige interlofale Verfeßr roirb
aber auch anbererfeite jeher 3^it etroa oorhanbenen Mangel an
Arbeitern befeitigen fönnen, fo baß bann ber 3^sug ben Ve*
bürfniffen entfpredjenb geregelt roirb.
Eine groeite gorm ber Arbeiteoermittelung bilbet baS 3nferiren
in öffentlichen Vlättern. Es hobelt fich hier natürlich nur
um Arbeiteftellen für geroerbliche Arbeiter, nicht um höhere Arbeite«
ftellen mit befonberen Cualififationen. Ebenfo roie bie Hmfchau
fteüt bas 3nferiren nur einen gang ungenügenben Votßbehelf bar
unb ift neben bem organifirten Arbeitsnachweis burchauS entbehr«
lieh- Sö* ben Arbeitgeber ift baS 3nferiren mit nicht unerheblichen
Soften oerbunben, beS ©eiteren mit Verluft an 3eit unb enblich
mit großen Verfügungen. Auf ein 3«ferat melben fich $unberte
oon ^erfonen, uni) eS ftnb mir Säfle befannt geworben, roo bie
Voligci gutn Einfdbreiten genöthigt war. Sü* ben Arbeitnehmer
fomint in erftcr ßinie ber 3^itoerluft in Vetrad)t, ber burch baS
oergebliche Auffuchen ber Arbeiteftellen entließt. AHeS in Allem:
eine unglaubliche Vergeubung an 3 e ^/ Arbeitskraft unb ©elb.
Viatt ocrgleiche hiermit bie einfachen Sonnen, in beiten fich bie
Arbeiteoermittelung burch ben organifirten Arbeitenachtoeis ooܫ
gießt: ein telephonifcher Anruf genügt, um innerhalb ber fiirgeften
3eit bie Arbeitefraft gu erhalten.
$>ie eigentliche Arbeiteoerntittlung gefchieht burd) bie ge«
werbSmäßtg betriebenen ArbeitSnacßwetfe, burch bie Arbeitenacß*
weife oon Arbeitgeber« unb Arb eit ne hm er« Vereinigungen unb
burch bie allgemeinen öffentlichen ArbeitSnachmeife oon Kommunen
unb gemeinnüßigen Vereinen.
^er gewerbsmäßige ArbeitSnachmeiS hat für bie grofee 2Kaffe
ber gewerblichen Arbeiter nicht bie Vebeutung, welche man ihm
oielfach gufd^reibt. Er beherrfcht nur wenige Arbeitsgebiete, fo
bas EtoftroirthSgeroerbe, bie lanbroirthfchaftlichen Vetriebe beit
SchiffahrtSbetrieb unb bie ©ienftbotenoermittlung. |)ier geitigt
er aber oielfach bie fchmerften üDHfjftänbe. Vet bem
Vetrieb beS gewerbsmäßigen ArbeitSnachweifeS ift faft aus«
fchließlidj baS perfönlictje auf Eeroinn gerid)tete 3ntereffe beS
Vermittlers maßgebenb, bem ftch alle fonftiaen Sntereffen unter*
orbnen ntüffen. daraus ergeben fich 00n fclbft alle mit biefer Art
ber Vermittlung oerbunbenett $ad)theile. 3 e nachbent auf bem
Arbeitentarft baS Arbeitsangebot ober bie Vachfrage tiberroiegt,
müffen bie Arbeitgeber ober bie Arbeitnehmer bie Xafchen ber Ver*
mittler füllen. 3nt Eaftroirtf)Sgeroerbe finb es bie Arbeitnehmer,
im lanbroirthf<haftiid)ttt Vetriebe bie Arbeitgeber. $>er Vermittler
hat in beiben Sailen ein großes 3ntereffe am Stellenroechfel unb
begünftigt betreiben auf jebe Art. $>ie 3 UTOe ifung oon Arbeit
burch bte Vermittler gefchieht oielfach nicht unparteilich unb unter
gerechter Abwägung aller in Vetracht fotnmenben 3atereffen, fonbern
mit Vücfficht auf bie £>öße ber Vermittlungsgebühr. ^)er Arbeit*
nehuter, welcher ben höchftett ©eroinn bietet, hat bie größte Eßance
für bie 3ameifung oon Arbeit; ein foldjeS Verfahren fchäbigt aber
in gleicher ©eife bte fotifurirenben Arbeitnehmer unb bie Arbeitgeber.
Auch ber gewerbsmäßige Arbeitsnachweis ift nur ein Voth*
behelf, feine AuSbilbung unb Verbreitung tonnte nur erfolgen roegen
VJangel an anberen geeigneten Einrichtungen, unb fo ift eS ffar,
baß mit ber Ausbreitung unb Verallgemeinerung beS unparteiifchen
allgemeinen öffentlichen ArbeitSnachweifeS oon felbft ber Vicbergang
beS gewerbsmäßigen ArbeitSnachweifeS oerbunben fein roirb. 3n
ber S)ienftbotenoermittlung haben bereite zahlreiche fommunale
unb Vereins * ArbeitSnachmeife ber gewerbsmäßigen Vermittlung
erfolgreiche ftotiftirreitg gemadjt, in ber lanbroirthfchaftlichen Arbeite*
oernuttlung greifen bie neuerbingS aller Drtett errichteten ArbeitS*
nachmeife Der ßanbroirthfehaftefammern, welche mit ben allgemeinen
Arbeitettachroeifeit oielfad) in EefchäftSoerbinbung ftehen, fräflig
ein, unb im ©aftwirthSgewerbe bahnen fid) gegenwärtig Veftrebungen
an, welche auf Errichtung oon unparteiifd)cn paritätifchen Sach*
arbeiteitachmeifen gerichtet ftnb. galten alle biefe Veftrebungen an,
roerben fte befonberS oon ben Arbeitgebern fräftig unterftüfct, fo ift
gu hoffen, baß bie Vebeutung beS gewerbsmäßigen ArbeitSnadj*
roeifeS halb oöttig hetabgebriiat fein roirb.
$>ie Arbeitgeber« unb Arbeitnehmer«ArbeitSnad)meife
in ihrer gegenfäßlichett Stellung gu einanber bieten ein wenig er*
freuüdjeS Vilb. Veibe ArbeitSnad)roeife oerfolgett Sonberintereffen:
bic Arbeitgeber bettußen ihren Arbeitsnachweis als Mittel, unt agi*
tatorifche Elemente aus ihren ^Betrieben fernzuhalten, ben Arbett*
nehmern ift ber ArbeitSnadiweiS ein roid)tigeS £uilfSutitiel im
Kampfe utn beffere ArbeitSbebittgungen. ^)ie Abeitnehmer befet)ben
aufs Schärffte bic Arbeitgcber*Vachweife unb bie Arbeitgeber bie
Arbeititehmer«Vad)roeife, unb fo bietet ber Stampf um bic Dbcrhanb
auf biefettt ©ebiete einen fwuptpunft in ben gewerblichen Kämpfen
ber ©egenwart, bie Srage beS ArbeitSnad)weifeS bilbet eine ftänbige
Vubrif itt ben „Sömerungen" ber Arbeiter. 3n einem ber größten
gewerblichen Kämpfe, betn Verlitter Vierbopfott, welcher burch meine
Vermittlung beigelegt würbe, war bic SnebenSbafiS bie Drgattifirung
beS ArbeitSnachweifeS, bei bem Verliner Sormerftreif, bei bem Streif
in ben Verliner Schuhfabrifeit, bei bem Hamburger Hafenarbeiter*
ftreif, bei bem in ber Entroicflung begriffenen Väcferftreif, überall
ftellte ber Arbeitsnachweis einen Hanptftreitpunft. ©ürbe biefer
Streitpunft aus ben Arbeiterfämpfen befeitigt, fo
wäre barnit ein bebeutfamer Scf)ritt auf bent ©ege guttt
fogialett Stieben gethan.
Es liegt nahe, ben ©egenfaß gwifchen bett beiben Arten bei*
ArbeilSttachweife baburd) gu befeitigen, baß man bie ArbeitSnachmeife
ber gemeittfdja ftlichen ßeitung beiber ^Parteien auoer*
traut, tiefer ©ebanfe fittbet eine wefentliche Stiiße in ber Sorm
beS ArbeitSitadjweifeS, wie er fid) gegenwärtig als leßteS ©lieb in
ber Entroicfelung biefer wichtigen Srage S^igt: in ben allge*
meinen öffentlichen fotnittunalen unb VcrcinS*ArbcitS =
nach weifen. Vewegung für bie Errid)tung fonttttunaler
Arbeitettachweifc nal)nt ihren AuSgangSpunft oon bem fogialett
Kongreß, welchen baS S^ie beutfehe Hochftift im Dftober 1893
ocranftaltete. Vorbereitet würbe bie Vewegung burch bie älteren
VereinS*ArbcitSnachweife. So hatte ich fdjon int 3al)« 1892 in bent
©efd)äftsberid)t beS unter meinem Vorfißc ftel)cnben EentraloereinS
für ArbeitSnad)weiS eine ausführliche Schilberuug ber Verliner
Drganifation gegeben unb biefen Vcridjt an alle größeren Stabte
®eutfd)lanbs mit bent Erfud)cn gefaubt, ber S r age beS ArbeitS*
nachroeifes bie oollfte Aufmerffamfeit guguwenben, eine Anregung,
bic auf feßr fntdjtbaren Vobett fiel. 3» biefelbe 3^* fiel bie Ein*
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Sogiale Prajis. Eentralblatt für ©ogialpolitil. Br. 30.
806
füßrung ber ©ewerbegericßte, bic in ißrer paritätischen Organik
fation unb in ißrer Dßätigfeit, bic ißnen einen tiefen (Sinblicf
in bie Arbeiteroerhältniffe gewährte, einen trefflichen 0tüßpunft für
bie neue Bewegung Bilbete. (Sine weitere fräftige tjförberung er*
fußr bie Bewegung burd) baS unmittelbare (Singreifen ber Begie*
rungcn, inSbefonbere burd) ben befannten Erlaß ber Breußifchen
Blinifter für £>anbel unb ©ewerbe unb beS Snnern oom 31.3uli 1894,
woburcß gur Errichtung non allgemeinen ArbeitSnacßweifen bringenb
aufgeforbert mürbe. Die Bewegung h a * Bis gutn heutigen Sage
mächtige Fortfcßritte gemalt unb fie nimmt mit ungefcßmächter
Kraft tßren Fortgang. Bis jeßt finb, foweit mir Begannt geworben,
in Deutfcßlanb 114 allgemeine ArbeitSnacßweife gur Einrichtung ge*
langt, oon benen ber größte Dßeil in bem Berbanb beutfeßer
ArbeitSnachmeife, ber im Frühjahr 1898 errietet würbe, oer*
einigt ift. Am fräftigften ift bie Bewegung in 0übbeutfdjlanb
gum Durchbruch gefommen, insbefonbere in Bauern, SßürttemBerg
unb Baben, wo nicht nur bie EingeI*Drganifation ber ArbeitSnacß*
weife, fonbern auch ißre planmäßige Berbinbung unter*
einanber unter guni ^^eit weitgreifenber Blitmirfung ber 0taatS*
regieruitg burcßgebilbet ift.
Die ©runbpriitgipien ber allgemeinen ArbeitSnacßweife finb: bie
unparteiifcße gemeinnüßige©efthäftSführung, bie Koftenlofigfeit — bie
Erhebung oon geringen Einfcßreibegebübren, bie ben Eßarafter einer
Kontrolgebüßr tragen, fteßt bem nicht entgegen*)—unb bie Blitmirfung
oon Bertretern ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer Beiber Berwaltung.
Die ^aupttßätigfeit ber allgemeinen ArbeitSnacßweife erftrecft
ficf) gunäcßft naturgemäß auf bie Bermittelung ungelernter Arbeiter,
weil hier baS Beburfniß für eine geregelte ArbeitSoermittelung —
Mangels anberer Einrichtungen — am ftärfften war. Die weitere
Ausbreitung ber Dßätigfeit oer allgemeinen ArbeitSnacßweife ins*
befonbere auf Facharbeiter ^ängt gum größten Dßeil baoon ab, ob
für ben gad^ArbeitSnachmeiS ftarfe fonfurrirenbe Einrichtungen
oorßanben finb, unb hier fomrnen in erfter ßinie bie ArbeitS*
naeßmeife ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer für bie ein*
gelnen ©ewerbe in Betragt. Das BeftreBen ber allgemeinen
ArbeitSnachmeife Bei ihrer Beformarbeit, bie Uebelftänbe, welche fid),
wie oben erörtert, aus ber gegenfäßlicßen Stellung ber Arbeit*
geber* unb Arbeitnehmer * ArbeitSnachmeife entmicfelt hatten, gu
beteiligen, führte naturgemäß gu Berhanblungen mit ben fraglichen
Einrichtungen Begw. ben Bereinigungen ber 3**tereffenten über ben
möglichen Anfcßluß beS Fa<h*ArbeitSnacßmeifeS an ben
allgemeinen Arbeitsnachweis. Damit ift bie Entmicfelung
ber ArbeitSnacßmeiS*Frage in eine neue, in bie wichtigste Pßafe
getreten. Die Frage, in welcher SSeife eine BerBinbung beS Fach*
ArbeitSnadjmeifeS mit bem allgemeinen ArbeitSnachmeife erfolgen
fofl, muß je nach ben örtlichen Berßältniffen oerfcßieben Beantwortet
werben: es fommt wefentlid) auf ben Umfang beS betreffenben
©ewerbeS an bem 0iß beS allgemeinen Arbeitsnachweis, auf ben
Umfang ber ArbeitSoermittelung in bem betreffenben ©ewerbe an.
Bei geringem Umfange beS ©ewerbeS, wie baS in ff einen Drten
ber F^ ift, wirb ein oölliges Aufgehen ber Fad)*ArbeitSnacßmeife
in ber Crganifation beS allgemeinen Arbeitsnachweis möglich fein.
Bur muß Borforge getroffen werben, baß ber Leiter beS ArBeitS*
nachweifeS ein im gewerblichen £eben erfahrener Blann ift, ber auch
0acßfenntnifie hat baß ferner bie Buchführung einen Haren Ein*
blicf in ben Umfang ber ArbeitSoermittelung in ben eingelnen ©e*
werben gewährt. BBefentlicß anberS liegt bie Frage in ben großen
gewerblichen unb Snbuftriecentren. $ier muß ber Fa<h*ArbeitSnad)*
weis für bie eingelnen ©ewerbe als gefonberte Abtheilung mit
*) derartige Kontrolgebüßrcn fmb Durchaus gu empfehlen; fie
unterftüßen in hahem9)2aße bie im Fntereffe ber Berwaltung getroffenen
Kontrotmaßrcgelii unb halten bie Arbeitsfcßeuen fern. Der Berliner
Gentraloerehi für Arbeitsnachweis erhebt eine folche Kontrolgebüßr feit
Fahren mit beftem Erfolge, ohne baß irgendwie Btißftanbe baburdh
heroorgerufeit worben finb. Um ber Kontrolgebüßr jeben Eßarafter einer
Erwerbsquelle gu nehmen, hat ber Brauer*ArbeitSnadjweis (ogl. unten)
bie Beftimmung getroffen, baß bie ©ebüßr in einen gonbs fließt,
aus welchem arbeitslose hülfsbebiirftige Braucrei*Arbeiter
unterftüßt werben. Die geftfeßung ber Unterftiißung erfolgt burdj
benCbmann beS Kuratoriums, nadjbent baS llnterftüßungsgefuch oorßer
burch ein Arbeiter * Bfitglicb beS Kuratoriums begutachtet worben ift.
Auf biefe Steife hat ber Braucr*ArbcitSnad)weiS bis jeßt 511 Blauen
mit 8408 jj . uiiterftiijjt. Bad) biefem Borbilbe haben aud) bie Ber*
treter ber Berliner Arbeiter im Ecntralocrein für Arbeitsnachweis ber
Aufnahme einer bezüglichen Beftimmung in baS Bormal*6tatut für
gadj*Arbeitsnad)mei|c (ogl. unten) gugeftimmt. ES ift ßier ber Anfaß
gegeben gur Söfung ber überaus widrigen grage ber gürforge für
Arbeitslofe (Arbcitslofcnoerfidjerungh bie ja nur in Berbittbung
mit ber ArbeitSnachmeis*Crganifatiou erfolgen fann.
einem befonbereu fachmännifchen ßeiter organifirt werben, unb es
fann fid) nur fragen, ob bie BerBinbung mit bem allgemeinen Ar*
BeitSnachweifen eine mehr ober weniger innigere ift. 3)aS
.£>auptmoment bilbet aber bie Errichtung etneS aus einer
gleichen Angabi Bertreter ber Arbeitgeber unb Arbeit*
nehmet unter bem Borfiß eines llnparteüfchen gufammen*
gefeßten Kuratoriums, welchem bie Berwaltung unb
Beauffichtigung beS 0pegiaI*Fatho^^citSnachweifeS un*
mittelbar unterfteht.*)
®ie ÜKöglidhfeit einer berartigen Drganiftrung beS Fa<h 5 2lrbeitS*
nad)weifeS hängt lebiglich oon ber Stellung ber Arbeitgeber unb
Arbeitnehmer gu biefer Frage ab.
®ie ©tetlung ber Arbeitnehmer war nod) auf bem ©ewerf*
fdßaftsfongreß im 3&h re 1896 eine burchauS ablehnenbe. damals
würbe begüglich beS ArbeitSnachweifeS eine lange SRefolution an*
genommen, an bereu 0piße ber 0aß ftanb: „©runbfäßlich abgu*
lehnen ift iebe Erwägung ber Btöglichfeit einer gemeinfam geführten
ArbeitSoermittelung gwifchen Arbeiter unb Arbeitgeber." 0eitbem
haben ftcb unter bem Einfluß ber allgemeinen ArbeitSnachmeife,
in benen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gemeinfdjaftlich wirfen, bie
Anfichten über biefen Sßunft mefentlich geänbert, wie bieS fürglich
in Berlin gum AuSbrucf fam. §ier §attc nämlich ber Eentral*
oerein für Arbeitsnachweis feinen Borftaub burch Aufnahme einer
gleichen Augahl oon Bertretern ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer
reorganifirt; biefe Bertretung fungirte gleichseitig unter bem Borfiß
eines Unparteiifchen als 0pegiaI*Kuratörium für ben ArbeitSnach*
weis für ungelernte Arbeiter. Bei einer Befpredjung im Borftanbe
beS EentraloereinS über bie weitere Drganifirung beS Fcuh*^beitS*
nacßweifeS hafte* 1 nun bie Bertreter ber Arbeitnehmer in einer
formellen Erflärung ihre oolle 0i)mpathie mit ben auf bie Er*
ridjtung paritätifeßer Föd)*ArbeitSnad)weife hi**jielenbenBeftrebungen
beS EentraloereinS auSgefprodjen. 3it Folge biefer Erflärung
würben bie Arbeiterbelegirten in gewerffchaftlichen Kreifen oielfacß
angegriffen; bie Angelegenheit fam in ber Berliner ©ewerffeßafts*
fommifjion, bem Eentralorgan ber „organifirten" Arbeiter, gur Er*
örterung, unb nadj langen Berhanblungen billigte bie ©ewerf*
fchaftsfommiffion mit einer erheblichen Btajorität bie 0teüung*
naßme ber Arbeiterbelegirten im Borftanbe beS EentraloereinS.
2)ie F r age ArbeitSnachweifeS ift auch au f ft* e ^ageSorbnuug
beS Anfang Blai in F^nffurt a. Bl. gufammentretenben ©ewerf*
feßaftsfongreffesgefeßt unb es ift angunehmen, baß auch herber frühere
ableßnenbe 0tanbpunft mobifigirt werben wirb.
BkS bie Arbeitgeber anlangt, fo fteßen weite Kteife berfelben
gweifelloS ben paritätifeßen Fach'ArbeitSnachweifen feßr fpmpatßifch
gegenüber. 0o ßai erft fürglich ber EentralauSfcßuß faufmännifeßer
unb gewerblicher Bereine in Berlin, welchem ca. 40 Arbeitgeber*
oerbänbe angehören, im Anftßluß an ein oon mir gehaltenes
Beferat einftintmig eine Befolution gu ©unften ber paritätifeßen
ArbeitSnad)weife angenommen. Auf ber anbern Seite finb mächtige
unb einflußreiche Arbeitgeberoereinigungen bie entfeßiebenften ©egner
ber Drganifation, bereu Anfcßaunng in ber am 5. 0eptentber 1898
in ßeipgig ftattgeßabten ArbeitnacßweiS*Konfereng in folgenber Be*
folution gum AuSbrudP fam: „^ie Berfammlung fpridjt ißre
ilebergeugung baßin aus, baß im Sntereffe beS ©roß* unb Klein*
gewerbeS ber Arbeitsnachweis oon ben Arbeitgebern gu
organifiren unb gu ßanbßaben ift." Borweg ift gu benterfen,
baß bie ^ineinbegießung beS Kleingewerbes in bie obige Befolution
oon bem Borfißenben beS BerbaitbeS beutfeßer ©ewerbeoereine auf
ber in Blüncßen ftattgeßabten Berfammlung beS BerbanbeS beutfeßer
ArbeitSnadjweife in bünbigfter Form gurüefgewiefen würbe.
5)ie ableßnenbe §altuna ber Arbeitgeber gegenüber ber Be*
tßeiligung ber Arbeiter an Der Berwaltung beS ArbeitSnad)weifeS
ift eine burcßauS ungerechtfertigte. $>aS 3 u 9 e fiänbniß ber Be*
tßeiligung ber Arbeiter bei einer Einrichtung, bei ber fie im
waßrften 0inne beS SöorteS ißre§aut gu Blarfte tragen,
ift fo in ber Batur ber 0acße begrünbet, baß es eigentlich nicht
notßmenbig fein foüte, bieS noeß befonberS gu oertßeibigen. 2)ie
Arbeitgeber maeßen aus ben maßren ©rünben ißrer ableßnenben
Haltung gar fein f>eßl: fie wollen Herren im ^>aufe fein, unlieb*
fame Elemente oon ißren Betrieben fernßalten uitb bie „^iftatur
beS Proletariats in ben Betrieben" oerßüten. 3)iefe Anfdjauuna
berußt aber auf einer argen Berfenmutg ber Bcbcutung uno
ber BSirfungen beS paritätifeßen Faä) s ^bcit^nacßweifeS. Der pari*
tätifeße Arbeitsnachweis ßinbert bie Arbeitgeber feineSwegS .sperren
*) Die Fnnungs*ArbcitSnatbweife, Oci wclcßen oielfadj Beit*
glieber ber ©efeHenauSfdjiiffe mitwirfen, fönueii als paritätifd) nidjt
gelten, ba in golge Des gcblcnS bes uupartcufdicu Borii^eiiben bie
Arbeitgeber einen überwiegenben Einfluß ßnben.
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Sogtale Praxis. Eentralblatt für Sogtalpolitif. Rr. 30.
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im $aufe gu bleiben, er groingt fie nid)t, Arbeiter einguftellen,
rocld^c fie für ihren Setrieb nicht für geeignet galten, er bebeutet
itidjiS roeniger als bie $)iftatur beS Proletariats in ben Setrieben.
3ch bin h^r in ber Sage, aus Erfahrungen gu fpredjen. Seit oier
Sauren ftehe ich als Dbinann beut einzigen in $>eutf<hlanb oor*
banbenen burchge&ilbeten paritätifdjen 3fo^*5Xrbeit^nac^ioeife oor,
bem Serlitter Srauer*ArbcitSnachroeiS. tiefer ArbeitSnadjroeiS
bilbet ben preis beS QriebenS bet bem großen Sierbotjfott. Seine
Statuteubeftimmungen tarnen unter Riitroirfung ber fogialbemo*
fratifdjen Partei au 8tanbe, man roirb alfo annehmen müffett, bafj
ber Staitbpnnft ber Arbeiter, beS „Proletariats", geniigenb gemährt
roorben ift. Unb trofcbem ift feine einzige ber eben ermähnten ge*
fürchteten SSirfungett eingetreten: ber ArbeitSnachroeiS funftionirt
gur 3ufriebenheit ber Arbeitgeber ohne jebe üble Rebenroirfung. S)ie
Arbeitgeber finb ooUftänbig frei in ber Einteilung unb oollftänbig
frei in ber Entlaffung ber Arbeiter. $)ie Arbeiter müffen nur ber
Reihe nach S ur Einteilung präfentirt roerben. Aud) barf bie
Einteilung megen 3ugehörigfeit beS Arbeiters gu einer
Partei ober ©eroerffchaft nicht oerfagt merben. ®iefe Se*
ftintmung erfdjien anbern Arbeitgeberfreifeit gang befonberS an*
ftöfjig, unb bie Serliner Srauereiett hatten bcSroegen oiele Angriffe
u erbulben. Aber bie SMrfung biefer Seftimntung mar oöHig
ebeuluitgSloS. Rur groei hinauf begüglidhe Sefd)merben famett
gur Entfdjeibung beS EuratoriumS, unb tn beiben fällen ootirten
aud) bie Arbeitnehmer einftimmig bie Ablehnung. 2)er ferner
ftatuirte 3mang für bie Arbeitgeber gur Senufcung beS ArbeitS*
nachmeifeS bei ber Einftetlung oon Arbeitern ift SorauSfefcung für
bie oollfommene AuSbilbuttg jebeS Sfach^ArbeitSnad^roeifeS unb,
meines SHffenS auch, &*i beit Arbeitgeber*ArbeitSnachroeifcn oielfach
eingeführt. Seim Srauer*ArbeitSnad)roeiS finb gur Rftlberung
biefeS 3mangeS Einftellungen ohne ben ArbeitSnachmeiS in feft
nortnirtem Umfange geftattet. $)aS Euratorium beS Srauernach*
meifeS befteht aus oier Sertretern ber Srauereien unb oier Ser*
tretern ber Arbeiter (gmei Srauern, einem Söttdjer unb einem
ungelernten Arbeiter). ®ie Serljanblungen ooßgiehen fich ruhig
unb fachlich, unb faft alle Sefd)lüffe roeroen einftimmig gefaxt.
Sn bem Augenblicf, mo bie Arbeiter an ber Sermaltung
betheiligt merben, haben fie auch bas oolle Seroufetfein ber Ser*
antroortlichfeit ihrer Stellung; fie beurtheilen bie Sefdjroerben burd)*
aus objeftio, unb mir ift fein Sali in ber Erinnerung, mo bie
Arbeiter gang ein fettig Partei für ihre Eameraben genommen hätten.
$£>as ift ja eben ber gro&e Ruhen ber Siitroirfuitg
ber Arbeiter, bat bas RRifctrauen gegen bie Serroal*
tung f<hminbet unb bafe babur(h eine Unmenge 3ünbftoff
aus ber Arbeiterberoegung auSgefdjieben mirb. 2Birb
eine Sefdjroerbe beS Arbeiters ohne OTtroirfung oon Arbeitern gu*
rücfgeroiefen, fo mirb bieS meiftenS oon ber Arbeiierfd)aft als un*
gerechtfertigt angegriffen; anbcrS menn bie Arbeiter felbft bei ber Ab*
fehnung mitgeroirft haben. 3dj fann folgetiben gall aus meiner
Praxis mittheilen: Ein Arbeiter-Riitglieb" beS EuratoriumS mirb
im ArbeitSitadjroeiSlofal oon einem Arbeiter gröblidj infultirt:
er führt über ben Arbeiter im Euratorium Sefchmerbe unb oerlangt
ben bauernben AuSfd)luh beS Arbeiters oom ArbeitSuadj*
meis, ber inbefc oom Euratorium abgclehnt mirb. ÜRan ftelle ftch oor,
ba§ öon bem Euratorium eines ArbeitgebernadjroeifeS ein berartiger
AuSfdjluh auS bemfelben ©runbe bcfchloffen morben märe, unb
jeber Eenner ber Arbeiteroerhältniffe roirb beurtheilen fönnen,
roelche Entrüftung eine folche Riahnahme bei ben Arbeitern ge*
funben hätte, roelche folgen aus einer berartigen Riafjnahme ent*
ftehen fonnten. $)ie Arbeiter lernen eben erft bie Schmierig*
feiten ber Sermaltung fennen unb roürbigen, fie mirfen
felbft bei ber ßöfung berfelben mit unb merben nad)*
fichtiger in ber Seurtheilung oon Uebelftänben; baS
oerföhnt bie ©egenfäfce unb gleißt fie auS. RHr fteht auf
biefem ©ebietc eine reid)e Erfahrung gur Sette. Rieht nur als
Obmann bes Srauer=ArbcitSnachrocifes unb als Sorfijjenber beS
EentraloereinS für Arbeitsnachweis, fonbern auch als früherer
Sorüheuber bcS onnungsfchiebSgcrid)tS, bes ©crocrbcgerichts, beS
EinignngSamtS ber Stocfarbeiter, als jejjiger Sorfijjcuber ber
3uonlibitäts* unb Altersoerfid)eriiiigsanftalt Serlin habe id) (Belegen*
Ijeit gehabt, bie oerföhneube SMrfuug ber gctneinfd)aftlid)cn Tljatig*
feit oon Arbeitgebern unb Arbeitern" fennen unb fdjätjen gu lernen.
®ie Sermaltung bes Aad) = ArbeitsnadjmeifeS fommt mit ben :
internen Einrichtungen unb Scrhältniffen bcS betreffenben ©eroerbs* |
groeige oielfach in Serühruug unb iljre Erörterung im Euratorium j
befeitigt fo manche SJiBoerftäubuiffc unb führt rechtzeitig Abhilfe
herbei. &aburd) fommt aber bie Arbeiterberoegung in bem I
betreffenben ©enterbe in ein roefentlich ruhigeres Saljr* I
maffer unb fo mirb es auch D °n ber Serliner Srauerei*3nbuftric
allgemein anerfannt, bafe bie Einführung beS paritätifdjen gach*
ArbeitSnachmeifeS in hah em Ria&e oerföhnenb auf früher oor*
hanbene ©egenfäfce in ben Arbeiteroerhältniffen gemirft hat.
Skitit Daher bie Arbeitgeber bie Shtmirfnug ber Arbeiter bei
ber Sermaltung beS ArbeitSnachmeifeS ablehnen, fo fchneibeu fie
fid) ins eigene -Sleifch. ®ie Eämpfe um ben ArbeitSnadj*
meis merben nicht aufhören, unb bamit bleibt bie Se*
ntiruhigung beS (^eroerbeS eine bauernbe. Sföge baS Sei*
fpiel beS Serliner Srauer*ArbeitSnad)roeifeS bie noch biffentirenben
E reife befehren!
^er Ausbau beS 5ach s ArbeitSnachmeifeS für grofee geioerblihe
Eentren roirb fich f° geftalten, bafj für jeben größeren ©eroerbS*
groeig ein befonberer ^fach s ArbeitSnachroeiS unter einem befonbereit
5ach s Euratorium errichtet mürbe; Heinere oerrcaubte EeroerbSgroeigc
mürben gu einem öadjarbeitSnachroeiS oereiniat roerben fönnen.
S)ie 5ach*ArbeitSnachmeifc finb oöllig felbftänbig, unb mit
bem Allgemeinen ArbeitSnachmeiS befteht nur eine lofe äu&ere Ser»
binbung *) 5)ie Statuten ber eingelnen gach*ArbeitSnachroeife müffen
ben Serhältniffen ber betreffenben Eemerbe entfprechenb
feftgefeht merben. Als AnhaltSpunft für bie Aufhellung berartiger
Statuten hat ber Eentraloerein für ArbeitSnachmeiS burd) eine be*
fonbere Eommiffion oon gmei Arbeitgebern, gmei Arbeitnehmern unb
gmei Unparteiifchen ein 9cormalftatut aufftellen laffen. 2)affelbe
enthält feine bie Arbeitgeber irgenbroie befd)ränfenbe Seftitnmung,
meber bie Streifflaufel noch bie Einteilung nach ber Reihenfolge
ober bergleidjen.
s Benn bie Arbeitgeber ihren ablehnenben Stanbpunft aufgeben,
fo finb alle Sorbebingungen für bie Drganifirung eines ooH*
fommenen ArbeitSnachmeifeS oorhanben. 3)er bem Reichstage oor*
Iiegcnbe Antrag Roeficfe*Pachnicfc, roelcher auf bie meitere Aus*
breitung ber aUgemeiiien ArbeitSnachmeife hiugielt, mirb fitherlich
eeignei fein, ber ßöfung ber fo fdjroierigen Srage gu bienen. Es
anbelt fich hi cr um feine fogialpolitifche Utopie, fon*
bem um bie ungroeifelhafte 93iöglid)feit ber ßöfung einer
michtigeu oolfSroirthf^aftlidjcn uub fogialen Aufgabe.
Serlin. Dr. jur. Richarb Sreunb.
Allgemeine Sozial- unb fi^trtljfdjnftapoUtlk.
ReichStagSOerhanblungen über bie ^etoerbeorbuungSnooefle*
3m ReidjStag ift in ber lebten 3Boche am 19. unb 20. April
bie oon uns f<hon mehrfach geroürbigte Rooelle gur ©emerbe*
orbnung in gmei SifcungStagen ber erfteit Serathung untergogen
unb bann oorläufig an eine Eommiffion gur Sorberatfjung oer*
roiefeu morben. tiefer Eommiffion mürben auch bie gmei oon ben
nationalliberalcn Abgeorbneten grljm. §ei)l gu gerrnSbeim unb
Safferniann eingebrad)ten Anträge übergeben, oon benen ber festere
bie Scftimmungen über bie EiinbigungSfriften für bie £>anbelSgebilfen
finngemäb auf bie Skrffiihrer unb aubere Prioatbeamten (Ehemifer,
^edjiiifer) ber Subuftrie übertragen roill, rcährenb ber erftere
Antrag bie Schufcbeftimmungen ber ©emerbeorbnung auf bie Söerf*
ftätten ber §>auSgcroerbetreibenben auSbehneu unb gugleich bie
Arbeitszeit ber in offenen Serfaufsfteden, Scfjanf* unb ©aftroirth*
fchaften befd^äftigten meiblidjcn Perfonen burch Einführung einer
Stinbeftruhegeit oon gehn begro. acht Stunben :c. regeln roill.
©ährenb ber Saffermann’fdje Antrag faft gar feine Anfechtung
erfuhr, mürben gegen ben ^etjl’fchen Sorfdjlag gahlreiche Sebenfen
geäußert, namentlidj bezüglich ber 2)urdjführbarfeit. StaatSfefretär
©raf pofabomSfi), ber, roie mir hoch iu Erinnerung bringen molleii,
am 20. Sanuar b. 3- im ReidjStag gum Sdjuh ber Einber in
ber Heimarbeit eine Abänberung beS §. 154 ber ©emerbe*
orbnung, ber eine Einmirfung auf bie Einberarbeit in ber Öamilie
auSfdjliefjt, geforbert bat, erfamitc gmar baS 3icl beS Antrags als
beredjtiat an, mahnte aber gur Sefchräufung, in ber fich ber Pieifter
geige. Auch öer EeutrumSabgeorbiiete Hi^e fchlug oor, man möge
fid) megen ber Hfbl’fdjwt Anregung guuädjft auf eine Refolution
befdjränfen unb bcu Sperling in ber Hanb ber Xaube auf bem
^aetje oorgichen. Anfchcinenb ift bie RJchrheit gefonnen, gunächft
über bie Sorlage ber Regierung, bie gmeifclloS einen gortfdjritt
bebeutet, nid)t viel hinauSgugelien, um bcu Soben für ein roeitercs
Xcr Eentralucrciu für Arbeitsnadnoei« gu Serlin hat fdiou int
oafjrc 189#* burd) eine cntipredjeiibc Statutru*Acubcnuig bie ©runblage
riir eine Derartige Crgauifntiou geidjaffeit. Ter früljer iu AuSfidit gc*
nontnicne ieür enge Am cf) hin au ben Sereiu ift jept fallen gelaifen gu
('üinftcn ber Selbftäubigfeit ber Sadj-Arbeitöitadjmeife.
800
©o$iöIe $rajtS. Gentralblatt für Sozialpolitik Rr. 80.
810
Vorgehen um fo fixerer ju ebnen. 9?icf)tSbeftomeuiger begrüßen
mir Die Anregungen beS Abgeorbneteit 3rbrn. o. $et)l mit freuten,
meit ftc einem ber feßmerften Probleme ber Sozialreform ernftßaft
auf ben Leib rücfen rooßen.
Ilm ben 5Rißftänben, bie fieß bei ber 0 teile uoermittlung
gezeigt §aben, zu fteuern, foH nach ber Rooeße für baS (Gewerbe
ber (Gefinbe* unb Steßenoermittelung bie Konzeffionspflicbt einge*
fül;rt unb ber Vermittler an polizeilich bereinigte unb auSgeßängte
Dngen gebunben merben. lieber biefe Beftimmung mürbe uiel ae*
ftritten, es mürben and) oiele frage Tvätte non Ausbeutung, be*
fonberS beim Sdjanf* unb (Gaftwirtbfcbaftägeroerbe unb bei ben
Xfjeateragenturen eingebrac^t. GMjrfad), fo oon bem Abgeorbiteten
Voefitfe*Deffau unb oon fosialbemofratifc^er Seite, mürbe auf bie
Rotßmenbigfcit einer grünblicßen Regelung beS ArbeitS-
nad)roeifes, befonberS auf bie Ginfüßrung paritätischer ArbeitS*
nadjmeife auf bem Lanbe, ^ingcroiefen. 2Sir oerroeifen in biefer
Hinficßt auf ben Leitartifel biefer Kummer.
Rach ben Veristen ber ©emerbeaufiidjtsbeamtcn ift bureb bie
BunbeSratßSoerorbnung ootn 31. 2Jlai 1897, betr. bie Arbeitszeit
ber SBerfftattarbeiterinnen unb ber in 2Berfftätten tßätigen jugenb*
litten Arbeiter ber Konfeftion nur roenig erreicht morben, roeil
bie ArbeitSzeitbefdjränfuug u. A. oielfacß bureb VHtgabe oon
Arbeit nad) §aufe umgangen mirb. Um bieS moglidjft zu oer*
buten, foll nad) ber Rooeße ber BunbeSratß bie Befugniß erbalten,
für bie Kleiber* unb 28äf<befonfeftion, mie au(b für anbere (Geroerbe,
ein babingebenbeS Verbot zn erlaffen. Gs foK aber bas 3 u & au f ess
arbeiten nicht unter allen Umftänben gänzlich oerboten merben.
Sieber erfebeint jeboeb, baß bie zugelaffene Ausnahme gar zu unbe*
ftimmt ift. Gs foß nämlich ben Arbeiterinnen, bie in ber Betriebs*
merfftätte fürzere 3?it <*l$ gcfefeUcfj zuläffig ift, befcßäftigt fmb, fo oiel
Arbeit mitgegeben merben fönnen, als fie „oorauSfidjtlid)" bis zur
Erfüllung ber gefeßlicß zuläffigen Arbeitszeit ßerfteßen fönnen. —
3ur Vefeitigung ber Betrügereien bureb roißfürlidje Lohnabzüge
nad) Öertigfießung ber Arbeit, mie fie leiber oon fcßäbigeu Unter*
nebutern gemelbet merben, foß ferner ber BunbeSratb für bie Kleiber*
unb SSäfcßefabrifation fomie für anbere (Geroerbe, in beneit bie
Unflarbeit ber Arbeitsbebingungen z u SWifeftänben geführt bot,
Loßnbüdjer ober Arbeitszettel oorfebreiben fönnen, in bie
Umfang unb Art ber übertragenen Arbeit, bie Stücfzaßl, Loßnfäße
unb bie Bebingungen für bie Lieferung oon VSerfzeugen unb
Stoffen oor ober bei Ucbergabe ber Arbeit einzutragen finb. Gittern
Vfißbraucße ber 3 et tel ober Bücher zu* Kennzeichnung mißliebiger
Arbeiter foß bureb Verbote unb Strafbeftimmungen oorgebeugt
merben. Diefe Beftimmungen, bie bie „So; v ^ra^is" fürzlicb in
9fr. 26 u. 27 ausführlich befproeßen bot, fanbei! im Allgemeinen eine
günftige Aufnahme. Daß bie Sozialbemofraten bei biefer (Gelegenheit
ber ooßen Abfcßaffung ber Heimarbeit bas Vkrt reben mürben, mar
Zu ermarten. 9Üfit Reißt mürbe oon ben Abg. Srßr. H et )l S 11 HerrnS*
beim unb Roefidfe bie Ausbeutung ber (Geroerbeaufficßt — auch meib*
licfjer — auch auf bie HouSinbuftric unb Heimarbeit geforbert. Gs
mürbe fonftatirt, baß baS Vlitgeben oon Arbeit nad) Haufe auch tu ber,
s ^ofamenten*, Strumpf* unb SBirfmaaren*, Raucbroaaren*, Sdjnb*
roaaren* unb Strobbutinbuftrie, fomie in ber Korfet*, Konferoen*,
unb Gigarrenfabrifatioit immer mehr üblich merbe. Daß baS
mirffamfte Mittel zur Befferung ber Vcrbältniffe in ber HouS*
inbuftrie bie Drganifation ber Arbeiter fei, mürbe ebenfaßs ooin
Abgeorbneten Roeficfe nacßbriicflicb betont. Rteßrfacb mürbe auch
bie Kranfcnoerficberung ber HouSinbuftrießen unb Heimarbeiter ge*
forbert, ber Staatsfefretär rertröftete biefe VMinfdje auf fpätere 3eit,
menn eine Rooeße zum K'ranfcnoerfidjerungSgefetj fotnme.
Befonbere Bebeutung befißt in ber Rooeße ber Schuß ber j
Labenangeftellten, mie er in ArtifeI8 oorgefeßen ift. Rad)
brei Rötlingen bin foß er erfolgen: Die Vfinbejtrubezeit oon zehn
Stuitben foß cingefüßrt merben, bie Arbeitsbebingungen (Ginrid)*
tung ber (Gefcbäftsräume :c.) füllen oon ber ^olizeioermaltung ober
oom BunbeSratbe beftimmt merben fönneu unb ber Leßrberr foß
oerpflicbtet fein, feine Lehrlinge zunt Bcfncbe ber ÖortbilbungS*
fcßule anzubalten. Die ReidjStagSoerbanblutig bemieS zunäcbft eine
roeitgeßenbe ^b^iuabme für bie Angeftcßten beS HonbelSgemerbeS,
unb bie Debatte tonnte 9fientanb- bariiber im S^eifel laffen, baß
bas, maS bie Vorlage forbert, beftimmt angenommen merben mirb.
3nbeß fmb im Anfdjluß an Gingaben oerfeßiebener faufntännifdjer i
Vereine*) oon einzelnen Vebnerit, unter ihnen befonberS bie Ab* !
*) Ser Verein für HonbluttgSfommts oon 1858 in Ham* j
bürg, ber rimb HOOOO 9Witglicber, barimtcr über 7 r.no ctablirte Kauf* |
leitte, zöl)lt, bat au ben AcidjStag eine Eingabe geridjtct, in ber ,’mar :
bie in ber Aooelle jur 61cmerücorbnung in Auofidjt genommene Re¬
gelung ber Arbeitxmerbältuiffe in offenen Reiben freubig begriifu, aber ,
georbneten Baffermann, Voeficfe, Hifc e unb Siaab, eine große SReibe
roeüergebenber SBünfcbe auSgefprocben morben. £)er Houptftreit
galt bem Acbtubr*Labenfcbluffe unb ber längeren VfittagS*
paufe. Befanntlicb fielen nießt bloß bie HoublungSgebilfen*Ver*
einigungen, fonbern auch eine Anzahl anberer faufmännifeber
Vereine auf bem Stanbpunft, baß bie Durchführung beS Acbtubr*
Labenfd)luffeS ohne Scbäbigung irgenb melcber Sntereffen, menn
einzelne Ausnahmen zugeiaffen merben, möglid) fei. Die Abge*
orbneten Baffermann unb SRaab h°ben bie günftige Sfolge eines
Acbtubr*Labenf(bluffeS b**oor. Daran fann fein 3 roe ifd fei«, baß,
menn es erft ber Snitiatioe oon z^ei Drittel ber (Gefcbäftsinbaber
bebarf, um einen Ad)tubr*Labenf<bluß bureb bie Vermaitungsbebörbe
einfübren zu laffen, rnobl faum in einer Stabt jemals ein folcßer
Labenfcbluß oorfommen mirb, betm oon bem 28unfd)e na* einem
früheren Labenfebluffe zu einem förmlichen Anträge ber beteiligten
(GefchäftSinbaber ift ein febr meiter s Beg. Von einigen Abgeorb*
neten, namentlich auf ber rechten Seite beS H au fe2, oon fonfer*
oatioer Seite, ift bie Vertrieben beit ber Verbältniffe in ben einzelnen
Lanbestbcilen betont morben, aber in ganz aßgemeinen AuSfüb*
rnngen, -aus beneit nicht beroorging, marum ber Acbtubr*Laben*
febluß tbatfäcblicb nicht eittejefübrt merben fönne. ©anz befonberS
mürbe oon ben (Gegnern biefer Maßregel baS Sntereffe ber Aßein*
betriebsinbaber ins Selb geführt. Denen fonnte aber oom Ab¬
georbneten SRaab mit gutem Ved)t entgegengebaltcn merben, baß
gerabe bie fleinen unb flcinften (Gefd)äftsiitbaber, mie eine Um*
frage in Hamburg bemieS, unb ein (Gleiches gilt oon einer oom
faufmännifeben HulfSoerein für meiblicbe Angefteßte in Berlin ge*
baltenen Umfrage, ben früheren Schluß, ben fie jeßt mit Vücfficbt
auf ben Konkurrenten nidjt einfübren fönnen, berbeimüttfd)en. Auf
aße 3äße halt ber Abgeorbnetc Baffermann bie Srage beS 9feun*
uhrfcßluffeS für bereits fprueßreif. 9BaS bie Beftimmung einer
Vfinbeftrubezcil bebeitflicb erfebeitten läßt, ift ber Umftaub, baß für
bie ftrifte Durchführung feine Kontrole oorbanben ift, unb baß
Zal)lreid)e Uebertretungen ganz gewiß oorfommen merben. Ginc
banfenSroertbe Anregung mar, bie grage ber Arbeitszeit ber jugenb*
lidjen unb ber meiblid)en Angefteßten babei aufzuroßen. s Bir
glauben aus bem (Gang ber Verbanbluitgen annebmen zu ^fönnen,
baß ber VeidjStag fid) moljl oeranlaßt feben mirb, eine Beftimmung
in bie Vorlage aufzunebmen, monaeß bie VHnbeftrubezeit ber
jugenblidjen unb roeiblicßcn Arbeiter eine AuSbeßnuug erfährt.
Ginc gleicße Hoffnung fönnen mir auf bie AuSbebnung ber
9)iittagSpau|e feßen, bie in ber Vorlage nur auf eine Stunbe bemeffen
ift. AßerbiitgS ßul Abgeorbnete Hiße bagegen oerfeßiebene Gin*
maitbe, nicßt oßne Ginbrucf zu ßinterlaffen, oorgebraeßt unb namentlid)
bie Vfarfttagc ber Heineren 0rtfd)aften, an benen gerabe mäßrenb
ber VfittagSpaufe oiel Kunbfdjaft oerfeßrt, als Beifpiel ermähnt.
Solcßer Vfarfttage aber giebt es befanntlid) boeß immerhin nur
toenige, für bie eine Ausnahme, menn notbmenbig, gefeßaffen merben
fonnte. Daß bagegen bie Anregung, baS 3n)titut ber HuubelS*
infpeftoren zu fdjofN, in abfebbarer 3eit oermirflitßt merben mirb,
glauben mir naeß ber Hrihmg ber VfehrßeitSpartcien unb ber Gle*
gierung nießt. GJleicßroobl mirb fieß bie 9fotßmenbigfeit einer
kontrole feßr halb b c rauSfteßen, zu ber bie (Geroerbeinfpeftoren
ßeranzuzießen mären, fobalb eine Vermehrung ihrer 3oßl unb eine
Gntlaftung ißreS jeßigett DienftbereicßeS eingetreteu fein mirb. Leiber
ift bie gortbilbuitgSfcbulfrage nur oott einem Vebner leidjt geftreift
glcicßmol)l geforbert mirb, „baß im ganzen Dentfrfjcn Sleicßc ein all*
gemeiner 2abenfcl)lnß an ben Wochentagen, mit Ausnahme ber Ahenbc
uor Sonn* unb Feiertagen, fpäleftcuS um 8 Uhr feftgefeßt mirb". Sollte
fidj ber Reichstag bazu nirfjt cutfdjlirßcn fönnen, fo mirb zum Riiubcfteu
gebeten, „baß für Grmadjfeue mäiutlidje (Gehulfen meuigftens eine elf*
ftünbige, für männliche jugeubliche aber, fomie für meiblicbe Augeftclltc
1 minbeftcMiS eine zu’ölfftiinbigc Ruhepaufc beftimmt mirb, bie fpätefteus
um 9 Uhr Abenbs beginnen muß". AubernfallS fönne ber Verein in
ber Rooellc eine erhebliche Befferung ber bisherigen traurigen ^uftänbe
nicht erblicfen. Senn eine 18* bis 14=ftitubige Arbeitszeit fönne für
bie Angefteßten, inSbefonbere für bie jugeubUdjeu mäunltdjcu unb für
bie meiblidjett (Gehülfeti unb Lehrlinge, nidit als augemeffen erachtet
! merben, ba fie ihnen zur Grholung unb pflege ber (^cfuubheit, fomie
Zu ihrer Foribilbuug uidjt bie uötßige freie ;|eit laffe.
And) ber Teutfdje Verbanb faufmänuifeßer Vereine, ber
jent 96 Vereine mit 126 558 RUtglicbern — barunter 24 781 'Prinzipale
-- zählt/ tritt in einer Eingabe an ben Reichstag für bie gefepliche
Feftlegung bes Sabcufdiluües im ganzen Reichsgebiet auf s Uhr ein
als bie befte, für 'Prinzipale ttub (Gehülfen gleich zmecfniäßigftc Höfling
ber Frage nad) ber Vefeitigung ber übermäßigen Arbeitszeit in fabelt*
gefchäfteu. Sollte ber Selbenirijlnß aber „uuübcrmiublidjeu Schmierig*
feiten" begegnen, bann möge bie Riiubeßruhezeit auf 11 Stunben für
ermachfene Riänner tmb auf 12 für |raue,t unb Fugetibliihe verlängert
merben.
Sogtale Praxis. (ScntralOIatt für ©ogialpolüif. Ar. 30.
812
sil
worben, obwohl fie eben jo njicfjtig ift, wie bie £abenfd)Iußfrage.
(5* wirb oielfach gerabe in 0 totf)frdfen Bezweifelt, baß bie Sorbe*
rung ber Vorlage, wonach bie (Gcfd)äfh3inhaber oerpf!id)tet fein
füllen, iE>rc jugcnblidjen (Gehiilfen unb Lehrlinge gum Befuch einer
Sortbilbungeanftalt anguhalten, in ootle BMrffamfeit treten werbe,
beim e-3 fehlt jebe Slontrole unb jebe ,v>atibl)abe, bie Befolgung
biefer Beftimmnng gu ergtoingen. SJltt Bücfficht auf bie in Stauf*
mannsfreifen immer allgemeiner werbenbe Stimmung für obliga*
torifdjen 5 ortbilbung§*£d)ulbefud) wäre e£ brinbeitb erwüufd)t, baß
ber betreffenbe pa|fu3 eine Abänberung in ber Sonn erführe,
iiämlid), baß (Gebiilfcu unb Lehrlinge unter 18 Sauren gutn Befuch
einer Sortbilbuii 00 fcf)iile oerpflichtet fein füllen. Taburch würben
glcidjgeitig bie eingclncn Staaten unb (Gemeinben oeranlaßt werben,
beut Sortbilbung^fdjulweien erhöhte Aufinerffamfeii guguwenben.
B>ie bei allen berartigeit (Gefcßcntroiirfen, bie fid) au3 galjl*
reichen (Eingclbeftimmunaen gnfammenfeßen, liegt aud) für bie (Ge*
werbeorbnuugsnooede Der Sdpoerpunft in ber Stommiffiom?*
Beratung. BMr bjoffen, baß c$ l;ier gelingt, bie ^cgieriing^üürlage
im Sinne eiuc-3 ftärferen Ausbaues bcö Arbeiterfd)uße$ gu oer*
beffern unb gu oeroollftäubigen. 3 mifd)en Ileberftürguitg unb
ßaftigfeit liegt bie richtige EUtitte befoitnener Crntfcf)loffenf)eit. Ter
Staatefefretar bat baoor gewarnt, Sftaßttahmcn gu treffen, bie ber
lebhaften Abneigung ber Unternehmer begegnen, obwohl er fofort
hingufiigte, bah er 'felbft auf Silagen ber Betroffenen nicht aOguuicl
(Gewicht lege. 3mifd)en bem erften unb bem gweiten Säße liegt ein
BHberfprud), ber prafufd) gu löfeit ift, wenn man fid) Har macht, baß
ber Arbeiterfdjuß nid)t nur für bie Arbeiter unb (behülfen, fonbern
and) für bie Arbeitgeber unb ba§ (Gemeinwohl Segen unb Stuben
bringt. (5-3 entfpridjt oöüig ben 3:fjatfadicn, wa3 ber Abgcorbuetc
Bebel ausgefüßrt Imt, baß burd) Arbciterfchußmaßregeln nod) feine
Snbuftrie ruinirt worben ift, baß im (Gegenteil bie (Gewerbe unter
ihrer .J)errfd)aft gu Oö£)erer Bliithe gelangen ate guoor. Ter (Gruttb
liegt in bei* förperlidjen unb griffigen .viebung ber Arbeiter unb in
bem Aufporn für bie Tüd)tigfeit ber Arbeitgeber. Sebcnfallö haben
wir in Tcutfd)laitb nach (Einführung ber Arbeitcrocrfitf)eruug unb
eine# fchärferen Arbcitcrfd)ußc-3 einen Auffdjmuitg ber Snbuftrie,
wie er nie guoor bagewefen ift. Ta 8 füllte bod) and) ber Be*
gierung ebcufo wie bem Beid)3tage SJtiitl) unb Bcrtrauen einflößen,
auf ber Baljn ber Sogialreform energifd) oorwärt-3 gu fdjrciteu.
"Bahrenb biefe 3 eilen in bie treffe gehen, beginnt im Sieidje*
tag eine neue fogialpolitifche Debatte: bie Snitiatiuanträge bc3
( 5 entnimm unb ber Stationalliberalen in Berbiubung mit bem An*
trage Boeficfc auf (Srridjtung eine# Bcid)3=Arbeit3amte3 ließen gur
Beratung. BMr fönnen oon ben Debatten Ieiber erft in ber
nädiften Stummer berid)ten.
Tie internationale Bereinigung für. Ar&eiterfcfjuß unb bie
Sogialbcmofratie. in ber fogialbemofratifchen p reffe wirb bie
Ablehnung ber Bhcilnafjmc feiten** einzelner Btitglieber ber fogial*
bemofratifcßcu Partei an ber Bcrfammlung, bie am 3. SJtai gur
Befpred)img ber (Errichtung einer internationalen Bereinigung für
Arbeitcrfdjut) gufammentreten wirb, oielfad) erörtert mtb al3 (Gruttb
biefer Ablehnung angeführt, baß man fid) nid)t au bie Partei¬
leitung gewanbt habe unb bag für bie fogialbcmofratifd)cn Sraftion
nid)t nur bie Bermuthung, fonbern bie begriiubcte Aufid)t oorlag,
man fjabe mit ber AuSmaßl ber perfoneu erfid)tlid) einen 2 heil
ber Partei abfonbern wollen.
Tcutgcgeiiübcr ift feftguftcllcn, baß man im Bereiche berjenigen,
weldie gu ber Berfammluug eiugclabeu l)aben, ber Aitfid)t war,
baß bie (Einlabintgeu nid)t au politifctje Parteien als foldje gu
richten wären, fonbern au einzelne perföiilid)feiten ber uerfdjicbenen
fogial*politifd)eu Bidjtuugcn, bie fid) befoitber-3 für bie Sragc bc-3
gcfeßli^cn Arbeiterfd)iiße$ iutereffircu. demgemäß ift au feine ber
politifd)en Parteileitungen eine (iiulabung ergangen, alfo auch nid)t
au bie fogialbemofratifihe. B>as bie Auswahl ber einzelnen ber
Sogialbemofratie ungehörigen pcrföulidjfeiten anlaugt, fo fiel
biefelbe auf bie Merru Biolfeubitbr unb BBtrm, oon beiten bem
einen ab Britglieb ber Mouuniffion für Arbeiterftatiftif, bem an*
bereit ab Spegalift ber Sraftion für bie Berichte ber (Gewerbe*
aunidih?=Beamk'n befonbere Sadjfunbe unb befoitberes Sn te reffe
für bie Ts ragen bes Arbciterfdmßcs giignfpredieit waren, ferner auf
bie uier (Sewerffcha-nsführer Regien Hamburg, Bit Karg = Berlin,
Segiß*Stiirnberg uub ^iium*Biüudien, weil mau annahm, baß bie
oon ihnen nertretenen £rgauifatioucu ab bie ctilwnfeltiten angu=
fehen wären uub fie felbft befonbere* 3 me reffe au ber gu behau*
belnbett Atage nehmen würben. £aß bie 3ahl ber au pcrfönlid)^-
feiten fogialbemol'ratifdter Stid)tuug gerichteten Üiulabnugen nicht
großer betueffeii worben ift, beruht auf ber Auffaffuitg, baß bie
3al)l ber ^h^itnehiner an ber BcrhauMutig überhaupt bcfd);änft
werben müßte, um bie Berhanblungen gu einem braud)baren
Acfultat gu führen.
Söenn in eingelnen Süden an Borfteher oon Bereinen uub
Berbänben, nicht an Borfteher politifcher Stationen, mehrere (Ein¬
labungen gerichtet worben jinb mit bem Sluheimgeben, fie an
3Kitglieber ihrer Bereine weitergugeben, fo gefchal) bie§ lebiglid)
au§ bem (Gritnbc, baß ben (Einlabenben nicht befattnt war, welche
SIHtglieber biefer Bereine fich befonberö für bie Srageit bc*
Arbeiterfd)uße^ intcreffireu.
Bnlaffung ber Srauen gu ben mebigttiifrhen Prüfungen tu
^eutfchlanb. &er Bunbe3rath h°l in feiner Sißung ootn 20. b. SM.
befchloffcn, bie ber ^idaffuug ber Srauen gu ben Prüfungen für
Aergte, 3 a hnärgte unb Apothefer in ben reid)3rcchtlid)en Borjchriftcit
entgegenftehenben ^iuberniffe baburch gu befeitigen, baß bie 3eit,
| in weld)er fie nur al3 ^ofpitantinnen ftubirt haben, mit bem oor*
| gefchriebenen Unioerfität^ftubium gleiche (Geltung h^ben fod, fofcru
■ nad) ben maßijebeuben Borfchriften, wie bie3 gur 3eit nod) ber
I Snd ift, ihre förmliche Smmatrifulation nicht erfolgen faitn. Bor*
i au-3gefeßt ift babei, baß ber S?a<hwei£ ber für bie ^{ulaffuug gur
j Prüfung oorgefd)riebencu fd)ulwiffenfd)aftlid)cn Borbilbung erbrad)t,
! fowie baß ein fadjlid) orbnuitgSmäßigcr afabemifcher Stubicngang
beobad)tei ift. — ^ie Snffung biefer amtlid)eu Bielbung erweeft
bie Hoffnung, baß Srnuen auch halb gur Smmatrifulation au ben
llnioerfitäten gugelaffen werben.
Sürforge für Arbrttdlofe in Preußen. Slnt 19. April faub
im preußifdjen Abgeorbuetenhaufe eine freie Befprednmg unter
Borfiß be3 Abg. oon .^cpbcbranb uub ber £afa (fonf.) über bie
j Sragc ber Sürforge für Arbeitslofe ftatt, au ber Biitgliebcr aller
! Parteien Hjeil nahmen. (5s würbe oereinbart, ben Sniftiouen bie
! (Einbringung einer Stcfolution gu empfehlen, bie bie Stcgierung um
; Borlcgung eines eutfpred)enben (Gefeßentwurf-3 erfud)t. Sn
welcher Stichtung unb mit welchen SNitteln ein Borgeheu ber Sie*
| gierung gewiiufcht ift, erljedt aus biefer SAelbutig uid)t.
CHn Ardfio ber parlamentarifcßen $ofumcnte ber brüten 9?c*
pnbltf in Paris. B3ir geftatteu uns, bie Aufmerffamfeit auf eine
prioate (Einrichtung git teufen, welche bie Stnbien über bie fogialc
] unb mirthfd)aftlici)c (Gefcßgebnng S rai, freidjS feit 1870 fehl* er*
I leichtert. Aus pari-? wirb uns gefd)iicben: ^)cr (Ehcfrcbafteur
ber Rovuü politique et parlamentaire, .'oerr SUarecl Sournier, hat
: e3 unternommen, bie fämmtlichen parlamentarifcheu Afteuftiicfe ber
1 in Bebe ftehenben periobe gu fammelu unb fpftematifd) gu orbncn
i unb biefeS Slrd)io allen zugänglich gu mad)cit, bie crnfteS $utcr*
| effe geigen. ^a3 Arcßio ift bem Grand Cercle republirain,
30 rue de Grammont in pari-3, einoerleibt, unb h^t feiner Boll*
ftäubigfeit, feiner fpftematifd)en Anorbming mtb ber Ieid)ten
gäuglichfeit wegen einen Borgug oor ben ähnlichen .(lodeftioucii,
! wie fie im Parlamente felbft ober in ben öffentlichen Bibliotljcfen
! eriftiren.
| kommunale $0|ialpi>lttitt.
■ fiit Cbbntfjlaff in ©Jajbtburii, ,viir Cbbmii=
i loie in Bfagbcbnrg, bie im uergaugriten Salne in Icerfteljettben Sduil*
flaffcu untergebradjt waren, werben nuumeliv Aänme in gwei ftäbtiidieu
.Spaniern geiätaffen. Ber Cbbadjloie hat für bas Untertoninten 1 M.
wödientiid) gu gnlilen. — Wegen billige Aiietlje erhalten Samilien eben*
falls in mehreren ftäbtifdien -Sbanfcrn Untertnnft; hier gilt bie üblidic
Miinbignngsfrilt. Smuterhin ein Anfang ftäMinher ’ Sürforge gur
Atilberuug ber B3ohnuugsuoth.
B'ic Arbeitölufcnfrage in ©ent $cr (Gemeinberatl) oon (Gent
, hat auf Antrag oon Alt fee lc mtb (Gettoffcu ben Befd)luß gefaßt,
eine (Enguete über bie Svagc einer obligatortfd)eu ftäbtifdjen Arbeite*
lofeituerfid)eruiig gu ocraitftalteit. Ter Mommiffioit gehören Stabt*
oerorbnete, nationalöfonouiifd)c Xbcoretifer, Arbeitgeber mtb Arbeiter
an. Alle politifdien Parteien wiirben beriicffiihtigt. lieber bie
anberswo bereits gemachten (Erfahrungen mit foutmitnaler Arbeite*
lofeitoerfichenutg füll ein Bericht ausgearbeitet werben.
Sortierung ber Bergemetnblichung bc3 SdjatifniefenÖ in (Gro߬
britannien. (Eine itt Vcebs abgchalteue Moufercitg oon Sogialiftcn
aller Bichtiitigeit iSabier, fogialbemofratifihe Söberation, lluab*
hängige Arbeiterpartei :e.) unb (Sewerffihaftstnitgliebern, bie beit
oerfduebenett Sdbftoerwaltungöförperii ((Geutcinben, Schnl= uttb
Slrmcuämtern :c.t al3 gewählte Be Ureter angehören, tagte unter
beut Borüß bes befauuteu Sabiers unb gewertfihaftlichen Sdjrift*
ftellers 3ibuei) BJehh ttnb fprad) iiel) tu erfter Viitic für bie (5r
814
Mo
©ogialc $ra£is. (Eentralblatt für ©ogialpolittf. Nr. 30.
Weiterung bei (^cmciubouoümad)teii aus. v>iufid)tlid) ber Jvragc bol
HlfobolisimiS fanb ein Referat beS fo^ialiftifd^cii ©enteiitbcratbs
3ohnftoit oott Niaiuheftcr, bas auf Ntunieipalifirung bcS
SchanftoefenS hinouSlief, allgemeine 3nftiwotnng.
Tic kommunale Straftenbahnberwalturtg in £onbon ermeift
fid), mie uns oott bort gcftfjrieben mirb, bis jeftt als finangieller
(Erfolg, TaS mit 17 V ■> NhÜftonen Nfarf angefanfte Süb*ßottbon*
Neft hot aufter oierprogentiger Bergitifung notf) einen ftatttidjen
Ueberfchttß ergeben. Tiefer mirb gur Berbefferung ber gohrgdegett-
beit fornie gur (Erhöhung ber Söhne unb gur (Einführung eines
NnhetageS in ber 2Büd)e für bic STngcfteÜten oerroettbet; ber Nahe*
tag erforbert eine NtehrauSgabe für ^erfonal non 400 000 //
jährlich- Tie 3ol)l ber 2lugeftelltcn beläuft fid) auf 2300. Tie
(Entmicfelung bicfeS größten getneinblicben Unternehmens, baS ber
©raffdjaftSratfj non Bonbon betreibt, hot bemiefen, mie richtig bic
JortftfjrittSpartei gebanbelt hot, olS fte oor gmei Sohren bie (Er*
merbttitg unb ben Setrieb ber Trammap burdb bie ©etneinbe burd)*
fefete.
ftatr BkgeS in öffentlichen Verträgen in ©djoitlaub. (Ein
Borlamentsbendjt giebt eine Ueberfidjt über bas Bemalten ber
QrtSbehörbeu in Schottlanb in Begug auf bie Öeftfefcung oon
2lrbeiterlöfjnen bei Verträgen mit llnteruebmern. @1 merben brei
Wirten oon Löhnen unterfchieben: SattbeS* ober ortsübliche, oon
ben Trabe*UttionS aiterfannte, auSbrücflid) flirte. Bon ben 235
®iftriften, in bie Sdjottlanb gerfäüt, mit über 1 Millionen (Ein*
mobnern, legen nur 18, bie aber l l /2 Nliflionen Bemoljner gälten
— alfo größere Stäbte — ben Unternehmern oertragSutäftig be*
ftimmte Beengungen binfichtlich ber 2Irbeiterlöhne auf, unb gmar
ift meift oon ortsüblichen Söhnen bie S^ebe.
^rbeiterbetoeguag.
Arbeiter*Sefretariat Börnberg 1898. Tie (Einrichtungen bes
älteften 2lrbeiter*SefretariatS, beS gu Niinberg, hoben bem
BermaltungSberid)t 1898 (Nürnberg 1899, 117 Seiten) 13838 Ber*
fottett gegen 11010 1897 in 2lufpruch genommen, (Ein auSfül)rlid)eS
alpfjobetifdjes Sachregister erleichtert bic Ueberficbt über bie umfang*
reiche Tl)ätigfeit beS Sefretariats, an baS am 1. Sonuar eine
eigene fogialpolitifche unb fogialfiatiftifche 2lbtf)eilung angeglicbert ift,
gu beren Leitung ber aus ^renfeen auSgemiefene frühere'Nebafteur
beS BorroärtS L)r. 21. Braun berufen ift. Tie 2luf)tellung oon
2lrbeiterbubgetS foll eine feiner erfien 2lufgabcn fein. TaS Ser*
trauen, baS fid) baS Sefretariat crioorben bat, fpiegelt fid) in ben
Eingaben über bie Gutachten mieber, bie oon ©emcrffchaften, Stabten
unb Bereinett erforbert mürben, fo über WuSfunftSftellen, (Ein*
fiibrung ber 2lrbeitsIofemtnter)tüftuug, Sohnerhebitugett 2 c. TaS
2lrbeitc'r*Sefretariat foitnte unerhörte ueberforberungen bei Stellen*
ocrmittlungen oon Kellnern, Kellnerinnen, 2lusgehertt / Portiers,
Kutfdjcrn unb Tienftboten feftftellen. (Es brnefte einige NlictfjS*
fontrafte mit bireft gefebmibrigen Beftimmuugen ab. Hit ben
Scbufcoorfcbriften beS BitnbcSratheS über ben Hrbeiterfcbub in Noft-
baarfpinncreiett 2 c. mirb inSbefonbere gerügt, bah nur baS Material,
baS aus bem HuSlaitbe fornrnt, beSinficirt roerben füll. Tie
2luSfiibrung ber fogialpolitifchen ©efebe giebt gu oielett Klagen
Hnlah, bie burch bie SUttbeilung oon (EingelfäHen genauer beleuchtet
merben. (Einen befonberen Hbfchuitt bilbet bie Ueberficbt über bie
0)emerffct)aftSorgani|ationen oon Nürnberg unb ihre SThätigfeit.
Wcmerffdjaftlid) organifirt finb in Nürnberg 11 659 Hrbeiter, bic
OK’fammteiuuabmeu ber Nürnberger (^eroerffdjaften betrugen 1898
158 252,27 Jt 2lrbeitSnachmeiS, Unterftübung bei 2lrbeitSlofigfeit,
(Ermäßigung ber 2lrbeiterfabrfarten (33 l /y % ift oon ber Straften*
bal)n im Serfefjr mit ben Sororten gugeftauben) bilbeten einen
.f)aupttbeit ihrer Serbanblungen. Unter ben ^ieuftoerträgeu, bie
abgebnuft finb, beftimmt ber Sertrag 001 t 2. Sd)on*.V)aumad)er,
Eßarifor Ncnmäfd)erei in Nürnberg, baft bie ^ehrmäbcheu nadj Sc*
enbigung ber l'ebrgeit im ©efchäft bei grceimonatlidjer Künbigung
meiter gu arbeiten fid) oerpflidjten unb baft fie fünf 3«bre 00 m
2:age bes 2lustritteS au gerechnet auf einen Utnfreis oon
50 Kilometer oon bem jemeiligett OJefdjäftSftbc beS Merrn
2. Sd)olI=.J>aiuuad)er nicht in ein gleiches Okfdjaft cintreten, noch
ein foldics auf eigene Nedjnung griinbeu unb betreiben biirfen.
2)ie Konoeutionalfirafe ift auf 500 t // feftgefefet. 3Me Schub®
fabrif öubmig Jeimann bebingt fid) fogar aus, baft ber Hrbeiter,
ber aus ihrem (^cfdjäft anstritt, innerhalb brei Neonaten in
2)eutfchlanb nirgenbs als 9)fafd)incngmicfcr cintritt. 3ugleid)
oerpflichtet ber Kontraft ben Arbeiter gur 2lufgabe aller gefeftiiehen
1 Nodite, befoubers bes KoalitionSred)ts. Ter Arbeiter oerpflidjtct
fid) 001 t oornberciu, ein bcftimmteS Duantum Hrbeit gu leiften unb
beponirt oon oornbereiu 200 r ff. fiir allenfallfige Verfehlungen 20 .
2lnd) fonft finb in ben HrbeitS*$erträgen unb *Drbuungen eine
Neifte 25eftintmungeu enthalten, meld)e bie Keungeid)itung bes
Berichts als Straforbnungen burcbauS oerbienen unb meldje im
Arbeiter baS ö)efül)l ber meiften Sflaoerei umfontebr entftebeu
laffen, als tbätlidje Nfiftbanblungen neben öobnabgiigen 2 c. oielfad)
behauptet mürben. (Eine (Enquete über bie Nürnberger Budj*
bruefereien ergab bie BerbefferungSbebürftigfeit ber h 99 ^nifchen
3uftänbe. Ter 2lufmanb für baS Sefretariat betrug 1898:
8055,79 ( ff.
Nette Hrbeiterfefretariate. 6in Hrbcüerfefrctariat ift nun aud) in
Tarmftabt errichtet morben, baS erfte im Olroftbergogtluun Reffen.
TaS ^siiftitut, welches ben bereits beftebenben nadjgcbilbet ifl, oon ben
organifirten Arbeitern unterhalten wirb unb beit Bilbhauer Philipp
Niöller ginn Hrbeitcrfcfretär gewählt hat, füll fidj bereits eines gal)l=
reuten 3 ll iprudjs erfreuen. — Cmi Berlin füll für bic fatholifd)eit
Hrbeiteroercine 1111 b ('lewerffdjafteu am 1. 2Rai ebenfalls ein Arbeiter*
fcfretariat in Kraft treten. ?lls Sefrctär füll ber Borfipcube bes
chrtftlichen Bereius „^Irbeiterfdjup", Seeigel, fungiren. Tie Bitreaur
füllen im fatl)ülifd)cn 2lrbeitcrheim „2eol)üfpig" eingerichtet werben.
Tic SöcbcrftrcifS in Krefclb mib in SRcidjenbadh t» Ter
Streif in ber Krefelber Sammetinbuftrie get)t, nachbent oor etwa
14 Tagen eine prinzipielle (Einigung ergielt mürbe, enblich nach
mehr als breimonatlid)er Tauer (feit 15. Januar) feinem Hbfthlnft
entgegen. 2Bie befannt, hoben fid) bie Streifenben mit ber 3?abrt*
fautenlol)nlifte eiuoerftanben erflärt unter ber Bebingung, baft ber
oariable 3ufablof)u, roeld)er bis gur ©öfte oon 10 $fg. pro Nieter
für tabeliofe Biaare oorgefchett mar, ourchmeg als feftcr ßoftn ge*
i gaftlt mirb unb es bett Sabrifen im (Eingeltten überlaffen blieb, fid)
! über bie ©öfte bes 3 u f a foM)Hä mit ihren 2lrbeitern auSeinanber*
gufeften. (Eine bahingehenbe (Einigung ift bisher tu 10 Sfabrifeit
ergielt morben, brei blieben noch im HuSftanbe, hoch mürbe aud)
hier eine (Einigung erroartet. HuS Krefelb mirb berichtet, baft bie
Streifenben am 19. Hpril in gefchloffenem 3 ll 9 e un ^ ©efang
burch bie beflaggten Straften in bie mieber geöffneten Sabrifeu
gogen. — 3u Neidjenbach geht ber HuSftanb ebenfalls gu (Enbe, bic
Streifenben ho^n bie Hrbeit, ohne ihre gorberuitgeu burchgufefteu,
gumeift mieber aufgenommen.
Ter ©emerfocrctß ber Tetttfdjeu 2Wif^mewbatt* unb NZetatt-
arbeiter hält feinen 11. orbcutlichen Telegirtentag gu Bfingften in
2lugsburg ab. ©S mirb einer auftrengenbeu Tpätigfeit bebiirfen,
um baS oorliegenbe Ntaterial gu beroältigen, beim bie TageSorb*
itung enthält nicht roeniger mie 633 Huträge; bagu fommeit bann
noch Referate, Berichte unb Wahlen. Tiefer Telegirtentag mirb
gu entfdjeiben hoben, ob ber ©eroerfoerein fich bett Beftimmungeu
beS Bürgerlid)en ©efeftbucheS anpaffen unb fich als „Berufsoerein"
eintrageil laffen foll. Ter ©emerfoereitt hotte am Schluffe 1898
548 ÖrtSocreine über gang Teutfd)laitb oerbreitet mit 33 045 Niit*
gliebern. Beibe 3iff eru gum Sd)luffe beS erftett Quartals
1899 mieber geftiegen, bie SNitgliebergal)! beträgt jeftt runb 34 000.
TaS Bennögen bes ©emerfoereinS einfchlieftlicf) Kranfen* unb Be*
gräbniftfaffe betrug am Schluffe beS erftett Quartals 1899 runb
1 300 000 e ff. Tettt Telegirtentage fchlieftcn fich bic ©eneral*
oerfammluitgen ber Kranfen- unb Der Begräbniftfaffe an.
Sohnbemegung in ber belgifdjen Küljleninbuftrie. 21 us B rii f f e l,
20. b. NltS., mtrb uns gefchrieben: „Nad)betn bereits SSeihnad)teu
bie in gramerieS oerfammelten Telegirten ber Ntineitarbeitcr ans
ben oier Kohlenreoierett bes £anbeS bie 2lrbeiter[d)aft aufgeforbert
hatten, alle Borfehrungen für einen Streif gu treffen, ift ein folcher
nun am Sonntag auf einer Telegirtenoerfatumlung in (Eharleroi
I einftimmig befchloffett morben. Tie 2lrbeiter oerlangen eine Sohn*
! erhöfjung oon 30 o/ 0 . Ter Befd)luft bes KottgreffeS oon (Eharleroi
i hotte nun aber bisher noch feittcSmegS bie (Eröffnung beS ©eneral#
ftreifS in ber gefammten belgifd)ett Kobleninbiiftrie gur Rolge.
Tettn ba ernfthafte fad)oereittlid)e Drgaitifatioiten nidjt oorljattbett
finb, fo ift eine einheitliche Leitung ttttb TiSgiplitt ber Bcmegung
aufterorbentlich erfdjmert. 2lm 18. 2lpril betrug bie ©cfamtnt*
gal)l ber Streifenben erft etma eilt Trittei aller 2lrbeiter ttub
auf fehr oielett ©rttben fonntc nod) fortgearbeitet merben; bod) ift
eine mcitere 2(uSbehnmtg ber Bctoegung fdjott für bie näd)ftcti
Tage fehr mabrfcheiulid). Ter Nloment für einen Streif ift oon
ben Arbeitern jebettfallS gefd;icft gcmäblt, bic ^ahresgeit ift ihnen
gtitiftig, bie ^nbiiftrie ittt gangen E?anbe ift itt fieberhafter Tlhitig*
feit, bie Nad)frage nach Kol)le ift fdion jeftt fatitn gu bewältigen
unb, was baS ®d)tigfte ift, bie oorl)aubeneit Borräthe finb fo
nttbebeuteub, baft fdjütt bei einer furgett Tauer bes Streifs bie
sir> ©ogiale $ra£tg. Gcntralblatt
tnetallurgifdjc Subuftrie mib bie Glagittbuflrie tu Mitlcibcnfd)aft !
gegogen merben mürben. Vei bcm Mangel einer ein^eitlidjcn £r- I
gani|ation geigt bie Vemegung natürlich überall inbiuibuefle ;{iigc, I
auf manchen Rechen paben bie Unternehmer bereitg Grf)öbungen
non 5 bi3 10 u / 0 angeboten. Tah bie 3«buftrieHen bei ber £>opc
ber Mohlettpreifc faft burdptoeg in ber Lage mären, tocnigfteitg
10 o/ 0 Lohnerhöhung gu gewähren, mirb faft allgemein gugegcbett.
3ür ben 23. b. M. tft in 3olge beg Antrag« ber fogialbemofratifcpeit
Abgeorbneten Leonarb unb Gaoroi oom Arbeitgminifter ber Conseil
superieur de l’industrie et du travail gufammenberufen, um fid)
eoentueH alg Ginigunggamt gu fonftiluiren. Ter Grfolg bleibt ab*
gumarten. Tie Koplenpreife finb im Tetailhanbel in ben lepten |
Tagen ftarf gesiegelt. 3» ben ©trcifgebieten ift bigper Alles !
ruhig. Tag Slaison du peuple in ©eraittg pat bie fehl* gur Aocp- i
apmuttg gu etnpfepletibe Haftnahme getroffen, für bie Tauer beg
©treifg ben AlfopoIaugfcpanE einguftetten. ©eitere Vericpte merben
Spnett gugepen." 3n einer fpäteren, nom 22. April batirten 3u*
feprift tpeilt unfer §err Korrefponbent mit, bah er fiep in bag
©treifgebiet begeben pat, nnt uttg non bort aug gu beridjten.
Am 23. bg. fanb in Gparleroi bie angefünbigte ©ipung beg
Snbuftrie- unb Arbeitgratpcg ftatt. Tie bem Aatpe angehörigen
Arbeitgeber (egten bar, bah innerhalb ber lebten gmei 3n(;re bie
Loptte ber Grubenarbeiter um 20% erhöht morben feint, unb
gaben fobattn bie Grflärung ab, bah lief) einem non Vertretern
ber Vergmerfgbefifcer unb ben bcm Arbeiterftanbe angehörigen
Sufpeftorcit gu fäüeuben ©cpiebgfprud) unterwerfen roerDeti. Tie
bem Aatpe angehöreuben Arbeiter erroiberten, ihnen fehle bag I
Vertrauen gu biefer Löfuttg. ©o fam eg gu feinem Vefdjluft. j
Auch itt ben übrigen Vegirfett nerliefen bie ©i(jungen ohne Gr-
gebnif}. Teg ©eiteren mirb gcmelbet, ber $ohlemnattgel mache ;
fiep fepott ftarf fühlbar, §od)öfcn mitrbett auggeblafen, mehret e j
Gifenroerfe paben gefchloffeti, geriidjtroeife mirb behauptet, bie *
Verforgung ber Gifenbahnen mit Stöhlen begegne ©chmierigfeiten. j
©ie groh bie 3<*pl ©treifenben ift, ift feptoer gu fagett: 3nt j
Gentre füllen eg gegen 12 000, ebenfooicl in (5f;arIeroi, im Vecfett
oon Mong gegen 20 000 fein, in bem ©eraittg ift ber Augftanb
faft allgemein, fo bah affo 60—70 000 Vergleute ftreifen. Tie
Arbeiter ber Glagfabrifen wollen ebenfalls bie Arbeit nieberlegen.
Tie belgifdjen Vergarbeiter gehören gu ben gcriugftbegaplicu
beg Stontinentg. Stach einer amtlichen ©tatiftif ber Annales des
Mines de Belgique belief fid) ber 3flbr e Slof)it burcftfcfjnittlicl) auf
1006 graneg. Tiefer Loptt pat fid) atterbingg hin unb rnieber
erhöht, aber nur burch llebergeitarbeit. Sit bod) ber Vebarf an
Kopien bei bem grohett Auffdmntng ber belgifdjett Snbuftrie in ber
lefeten 3 e it fo ftarf gemefeti, bah manche Arbeiter in ber lebten
©oepe ad)t ©(piepten gu verfahren patten. Aach ber obigen
©tatiftif belief fich bie belgifcpc Koplenergeuguttg 1897 auf rünb
211/ 2 Millionen Tonnen unb bürfte im oorigen Sapre 22 Millionen
noch übcrfdjritten haben. Tie greife für Sohlen finb feit gmei
Sahreit in ftarfem ©teigen. Tie Arbeitergabi betrug 120 382,
worunter im Gangen 636 meiblidje. Taoon arbeiteten 8*341
unter Tage.
Tie Maffetunigwanberung ttaltenifdjer Arbeiter aug ihrem j
Vaterlanb, bie alle Sahre im ßrühling big in ben Monat Mai |
hinein ftattgufinben pflegt, hat biegmal gang befonberg grohe Ti'
menfionen angenommen. Vor Murgem melbeten ©djmeiger Leitungen,
bah bie Gottharbbahn in ben brei erften Monaten beg laufenben
3abreg ungefähr 48 000 Manu gegen 42 000 im gleidjen 3 tf it*
raum beg oergangenen 3ahreg nach Aorben beförbert habe, unb
eine Aachricht aug Vcllingona befagt, bah allein in ber Aadjt oom
5. gmn 6. April 5000 italienifche Arbeiter in fünf Grtragügett bie I
©rfjmeiger Grenge paffirt haben. Tiefe groben 3al)len finb aber I
immer noch weit entfernt, ein rieptigeg Vilö oon bem enormen !
3ubrang italienifd)er Arbeitefraft und) ber ©djtoeig unb bnrrf) bie
©djroeig nach beut Aorben gu geben, ba fie fich nur auf ben einen,
wenn auch bauptfäcplicpfteu Älpcniibergaug begieheu. Tie Gin- i
manberung oon Arbeitern gu <vuh über bie uerfd)iebeneu Grau- i
büubeuer Väffe, ben Groben ©t. Verubarb unb ben ©intplott liefert i
ein uidjt gu uuterfdiätjeubcg Hontiugent, meldjeg bie oben genannten
3ah(en beträchtlich erhöht. !
6. ßoitgrcft beg bänifdjen fDfctallarbeitcruerbaubcg. Ter gu
£ftern in Mopcnbagen abgehallene Mongreh beg Metallarbeiters
tun-bau beg, ber nur gelernte Mitglieber umfaht, mar befonberg j
beghalb oon Sntercffe, weil fid) au ihm and) Vertreter ber beutfdjcn, i
fdimebifchen unb normegifdjen Metallarbeiteroerbänbc betheiligten.
Vefanntlid) mar ein Vertreter ber orgauifirten bäitifchen Meta 11= j
arbeitet- and) auf bcm lepten beutfdjen Metallarbeiterfongreh in l
für Sogialpolitif. Ar. 30. sin
in Malle a/©. erfdjieucu. Unter ben Metallarbeitern bcrrfd)cu au=
fdjeinenb gute internationale Vegiehutigcn. — Ter Slougreh mar uoti
62 Telegirten befucht, 17 aug Kopenhagen unb 45 aug ber ^rooing.
Ter bämfd)e Metallarbeitcruerbaub gählte Anfang biefeg 3ah^^
6356Mitglieber unb oerfügte über 194 399 Kronen, befiptalfobereitg bie
^älfte beg Vcrmögettg beg großen beutfd)eu Metallarbeiterocrbanbg.
©eit gmei Sahnen hat ber bänifdje Verbanb ruub 1700 Mitglieber
gewonnen, fo bah nun bereitg 85% ber Metallarbeiter organifirt
finb. Ter Verbanb, ber nur gelernte ©chloffer, ©djmiebe unb
Mafchinenbauer umfaht, hat eg für jept uoep abgelehnt, bie un¬
gelernten Arbeiter, bie übrigeng in Tättemarf bei ber weniger
entmicfelten Tpeilarbeit niept gaplreicp üub, in ben Verbanb auf-
gunepmen. Ter Verbanb pat 11Ö00 Kronen in Aftien oott
Mafcpinenfabrifen angelegt m bem auggefproepenen 3mecf, bie
„V^aftifen" ber AfticngefeÜ|d)aften möglicpft genau fennen gu
lernen. Auf bem Kongreh trat ein fiarfeg ©elbftbemuhtfein peroor,
mag niept gulept auf bie ©tärfe ber gcmerffcpaftlichen Drganifationcn
in Tänemarf gurücfgufüpren fein bürfte.
3ur Gifenbcipnerbemcguiig in ^ranfretdj. Tie Annähe-
runggbeftrebungen (,,©ogiale Vrag-ig" Ar. 24 ©p. 566 b. So
unter ben brei Vcrbättben ber frangöfifepen Gifeubahnbebienfteten
bauern fort, ©ic merben jeboep faft angfcpliehlicp oon bem Syn-
dicat national geführt, bag feit ben oerunglücfteu ©treif-
oerfuep oom Tftober 1898, einen oöfligen Umfcpmung in feiner
Haltung ooügogen pat. Tiefe gefucfjte Annäherung an bie beibeu
auberu Verbäuben erfepeiut big gu einem geroiffeit Grabe alg eine
Temonftration jener ©ipmcnfung beg Syndicat national, ©eine
©erbungen fanbeit anfänglich fepr wenig Gntgegenfommett. ©ie
erfepienen fogar oöllig augficptglog, folange fie auf eine birefte
3«fion abgielten, wie fie oon bem Aationalfpnbifat befürwortet
mürbe. Völlig ablepnenb oerpielt fiep bag Syndicat des
mecaniciens et Chauffeurs, roelcpeg fiep offenbar ben Gparafter alg
Korporation ber Glite ter Gifenbahnbebieufteteu bemapron möcpte.
Gencigiereg Gepör fanb man bei ber Association amicale des
employes de chemins de fer, einer Vereinigung, bie panptfädjlid)
bie gegenfeitige iluterftiipung iprer Mitglieber pflegt; bodiging and)
fie niept gu pofitioen ©djriiten über, ©enn fie eine ftufiou für
ntöglid) gugab, fo fönne fie fiep aber nur burep ben Gintritt ber
anbereu in ipre Korporation uermirflicpen. Unter biefen Umftänben
rebugirte bag Syndicat national fein urfprünglicpeg Sufiougpro-
gramnt auf bag Verlangen naef) einer einfadjen Gutente gur
Turtpfüprung gemiffer Giugelreformen. Alg Programm biefer
Guteute fcplug eg bie nädpten 3t€le feiner eigenen Vcftrebungeu
oor, näutlid): 1. Lohnerhöhung für bie fleinen Vcbieiifteteu,
2. ^enriongberedjtigung für alle Kategorien oon Vefcpäftigteu. Gg
ging fogar fo weit, bie Association amicale gu oeranlaffen, felbft
bie Süprung in ben Annäherunggbeftrebungen gu übernehmen,
mogit fiep ipr, anlählidp ipreg im April ftattfinbenben Kongreffeg,
gute Gelegenheit biete. Tie beiben auberu Verbänbe mürben fieper
Telegationen bagu entfenben, fallg Ginlabungen an fie ergingen.
3ür fid) felbft, bag Syndicat national, fteHte eg ben bireften An¬
trag, fid) beim Kongreh ber Association amicale oertreten laffeit
gu bürfeu. 3u iprem £rgau „La Locomotive“ antwortet nun ber
Venoaltuuggaugfd)uh ber lepteren fepr ocrföpnlich auf biefe An¬
regungen. Tie 3alaffung frember Telegationen gu ihrem Kongreh
fei ftatutemnähig anggefdjloffeu, unb eg bebürfe eineg Vcfd)Iuffeg
ber Generaloerfammlung, um bie Association gur Vetpeiligung an
einer Gntente gu crmögiicpeH; bod) fei bei ipr oiel Aeiguitg oor-
panbeit, mit beit Beiben anberen Verbänbett gemeinfame ©epritte
im Sntercffe ber Gifenbahuarbeiterfcpaft gu tpun. Auf biefeit Ve*
fdjeib piit mirb bag Syndicat national anlählicp beg ermähnten
Kongrcffcg feine freuubfchaftlicpe (^efinnung burd) eine Abreffc
fitubgeben unb hofft, batnit ben Anfang gu bireften offiziellen Ver-
haublungcu mad)eu gu fömtcu, nacpbetn fid) ber bisherige Meinuugg*
augtanfd) in nur offigiöfeit Sonnen ooflgogeit patte. — Snttcrpalb
ber eigenen Mitgliebfcpaft pat bag Syndicat national immer uoep mit
©cgeffiongbeftrebuugen ber ©taatgbeihuarbeiter gu fämpfeu. Gilt erftcr
Verfnd)gurVilbuitg einer bcfoubercu Korporation für bie ©taats^bapiien
murbegmaroercitelt, bod) ift bieVemcguug batnit noep nicht iiuterbriicft.
Turd) bag grohe Gntgegeufommeu ihrer Tireftioit befiuben fid) bie
©taatgbflhubebicufteteu in ber Lage, aufehulicpe Vortheile gu er¬
langen, meint fie unabhängig oerhaubelu föttnen, mährenb fie bar-
auf oergiipteit tnüffeu, wenn fie aug ©olibaritätggefühl in ber
reinen Cppofitiougftellung oerharreu, gu toelcper bie feproffe §altung
ber prioateu Gi feit ba pn gef eil f d)af teil bie Gefamtntpeit nöthigi.
©efentlid) um ber ©egeffion ber ©taat^eifeubapner oorgubengett,
befd)leunigt bag Syndicat national feine Aftioneit fepr. Gg pat
bereitg bei ben oerfepiebeneu Gifenbapnbireftiouen um Aubicugen
Hl7 Sogiale $ra£is. ©entralblatt für Sogialpoliüf. Ar. Bö. SIS
nadjgcfudjt, ferner bie Aefouftrnftion ber parlaincntarifcßcn (Gruppe
gur Währung ißrer Sntcroffcn, ber circa 200 J)cputirtc angeboren,
peranlaßt unb bie 3ufußcning ber balbigen ©rlebigung Der ©c*
feßcSporlage über bie 33egrengung ber ArbeitSgcit auf beit ©ifettbaßnen
errcirft. — J5eS Weiteren wirb uns aus fßaris gefeßrteben: $)ie
Association amicale des empioyes de chemin de fer, bie ältefte
(gegrünbet 1884) ber brei SanbeSoerbäube non ©ifenbaßnbebieufteten,
bat am 17. April in fßariS ihren orbentlkßen gaßreStag abqebalten.
Antoefenb rcaren 72 j)elegirte, roelcße bie Mitgliebfcßaft bei beit fecßS
roßen ffkioatfompagnien, ben StaatSbaßnen unb mehreren ßofal*
ahtilinien nerlraten. J)ie 3 roe tf e ber Affogiation finb in erfter
ßinie gegenfeitige Unterftiißuug, unb bie SSerßanblungen beS Kon*
greffe^ über fpegxette SSerroaltungSangelegenßeiten nehmen baßer
einen breiten Aautn ein. J)aS |>auptintereffe rcurbe jeboeß groei
fragen taftifcß*politifcher Aatur engegengebraeßt. J)te erfte betraf
bie Konftitution beS parlameutarifcßen KomiteS gur Nahrung ber
gntereffen ber ©ifenbaßnarbeiter. J)er Kongreß fcßloß [ich mit
einer Spmpathiefunbgebnng an baS bereite befteßenbe, aud) non
ben anberen 2Serbänben anerfannte Komite an. J)ie groeite Sfrage
begoa ficß, auf bie non bem Syndicat national beantragte gufion
ber beiben SSerbäube, bie inbeffen runbroeg abgelehnt rcurbe, ba
groifeßen ben ©runbfäßeti unb ber Haltung ber betben Affogiationen
ein gu großer Abftanb norhanben fei.
^rbeUerfd)u|.
3 E ötjreö§crii^t beS gabrifinfpeftorS im gürfteitthmn Sdjroarg-
Imrg ^Hu dftabt für 1898. J)aß auch ©eroerbeauffießtsberießte aus
fleinen Jkgtrfen roertßpolle Auffcßlüffe über bie Wirfungen beS
ArbeiterfcßußeS unb bie Arbeiteroerßältniffe geben fönnen, beroeift
baS Referat beS $errn AegierungS* unb ©eh- Söauratßs SBrecßt in
Scßroargburg*Aubolftabt für baS gaßr 1898. Wie bie fämmtlichen
fiibbeutfcßen iBericßte fonftatirt auch biefer, baß berSSerfeßr mit ben
Arbeitern fich reger geftaltet, aber ber Beamte fügt ßingu, „rcenn
babei aueß mit ber Äücfftcßt oerfaßren rcerben muß, baß bie tarnen
berer, bie mit mir oerßanbeltt, nicht befannt rcerben." $)ocß rcohl
aus bem ©runbe, rceil fonft gu befürchten ift, baß bie betreffenben
Arbeiter Maßregelungen non Den Unternehmern gu erleiben haben.
£>err Brecht erfennt auSbrüdlicß an, baß bie Mittheilungen aus
Arbeiterfreifen ihm banfenSroertße gingergeige Abstellung non
llebelftänben gegeben. ©benfo roirb angeoeutet, baß bie Aufforbe*
ruitg, lieber bem Beamten Aitgeigen gu erftatten als in ben 3ri*
tungen bie Arbeitgeber gu befcßulbigen, gute Erfolge gehabt hat.
AIS Wirfung beS AunbfcßreibenS betr. SBauarbeiterfcßuß, baS ©raf
^ßofaboroSft) am 30. guni 1898 (ngl. „Sogiale ^prajis" Sp. 751)
erlaffen hat, ift an 3 iifehen, baß ber gabrifinfpeftor beauftragt
rcurbe, eine für baS gürfteutßum geltenbe 3?erorbnung aus*
guarbeiten, gu beren Söeratßung erfreulicherroeife forcohl Meifter
als ©efeHen ßingugegogen rcoroen finb. ©ine SeßrlingSgücßterei
im gabrifbetriebe ift nicht bemerft roorben, eher eine folche im
#anbroerf. Was bie grauenarbeit betrifft, fo rcirb berietet, baß
bie gabrifanten nom AuSfcßluß ber oerßeiratßeten grauen ober
ron Minberarbeit biefer nichts roiffen wollen, „im ©egentßeil Skr*
ßeiratßere rcegen ihrer Willigfeit unb Anftelligfeit gern nehmen";
bagegen crfläreit mehrere, baß fte bie Mäbcßen unter 18, felbft
unter 20 gaßren gern entbehrten, benn biefe madßten ißnen bureß
Unbotmäßigfeit ben meiften Skrbruß. Auch Arbeiter ftimmten
biefer Meinung bei, rcaren aber geneigt, grauen unb Wittroen
mit fleinen Kinbern pon ber gabrif aitSgufcßließen. @ie meinten,
es rcäre bringenb erroünfeßt, rcenn bie jungen Mäbdßen erft in
einer §auSrcirtßfcßaft ober in ber £anbrcirtbf<haft bienenb, fodßcn
lernten unb bie gabrif mit ißren oielen ©efaßren für bie 0ittlich^
feit erft betreten, rcenn fie älter unb fittlicß gefeftigt rcaren. Man
fänbe grauen, bie bem Mann faum eine Äartoffelfuppe foeßen
fönnten unb ißn beSßalb in bie 0cßenfe trieben. §iergu bemerft
ber Beamte:
freilich ift bamt Hausarbeit 311 befürchten 1111 b ferner 311 bebenfen,
baß in maneßen Aabrifcn 2 eßrtinge ntöglicfjft früß eintreten müffen,
um noch fingerfertig feit unb Wefcßtcf 31 « feineren rceibtidjeu Arbeit 311
erhalten. (Sö rcirb (eßt fdjou hier unb ba über Mangel an Aadjrcuchs
gctlagt. SBiirbe ber Eintritt in eine gabrif bei ben nteiften @erccrbs=
grccigen erft ungefähr in bie 3eit ber Münbigfeit ocrlcgt, fo rcürbe baS
auf bie 3ittUd)fcit unb auf bas fpätere Familienleben, ba» jeßt pielfacß
nur 311 Jage tritt, rcenn ber Mann mit Frau unb jfiubcru itad) ber
2 ohn 3 af)lung Abeube ins Sirtßsdjaus peht, non ber crfmtlidjften S3e=
beutung rcerben, beim ba* Soljl unb 5Behageti älterer Arbeiter hängt
rcefeittüd) ooit einer oerftänbigen ad)tnng*rcertßeu Frau ab. (SS föitutc
aueß ber rcegett ber Wefinbenoth feßr beflagen*rcertßen fianbrcirthfcßaft
rccnigften* 31 t einem fleinen 3heile geholfen rcerben, beim bie 9aub=
rcirtße fönnen mit ben Löhnen in ben gabrifen nid)t 0 d)ritt halten unb
biefer Uebelftatib rcirb Ijier immer meßr unb unerträglidj 311 Jage treten.
Soften bie jungen Seute gunäcßft nicht bie Ungebuubenßeit beS Fahrif*
lebenS, fo bleiben fte auch rcoßl bei ber Sanbrcirthfcßaft, in ber fie ficß
fittlicß, gefunbßeitlich unb fdjließlicß im @ 0113011 ’ oiei rcoßler finbeu
fönnen. IfS füllten rcenigftenS alle minberjäßrtgen Fabrifarbeitcr 311 m
SBefudj oon Fortbilbungsfdjulcn 3 rcaugSrccife ßerange 3 ogeu rcerben,
rcobei aud) Uitterrid)t in ben Aitfangsgrünben ber ^pgienc ertßeilt
rcerben müßte. $)ie Soften beS Unterridßts fönnen fic bei gutem i^er*
bieuft re<ßt rcoßl tragen.
Ueber bie 33äcferei*93erorbnung roirb gefagt, es ftede fi<ß
heraus, baß man ficß allgemein an ißre Seftimmungen unb aueß att
bie SonntagSruße im Säaereigercerbe geroößnt ßabe, unb baß Klagen
nirgenbs meßr gehört rcerben; aueß baS Serßältniß 3toi[^en
Meiftern unb ©eßilfen fei aitgemeffen. ©in folcßeS amtliches
3eugniß oon unparteiifeßer Seite ift meßr roertß als 2)ußenbe pon
gegentßeitigen Söeßauptungen ber S3ädfermeifter. $)ie geroerblicße
Xßätigfeit rcar im Allgemeinen rege. „Sßer ficß — fo fcßließt ber
SBcricßt — ber Arbeiteroerßältniffe aus ben breißiger gaßren biefeS
gaßrßunberts gu erinnern permag, ber muß gugefteßen, baß am
Scßluffe beffelben fein Stanb im Staate forooßl feiner äußeren
Stellung nadß, als aueß in ber fiebenSßaltung unb in roirtßf^aft*
ließer Begießung fo erßcbli^ emporgefommen ift, als ber fogenannte
Arbeüerftanb, unb baS ift erfreuließ."
formen für bie $ienftgeit ber 6traßenbaßit*Angefitellteit im
Königreich Sacßfen. ^)ie gaßlreicßen Klagen über bie Heber*
anftrengung ber Straßenbaßu*AngefteHten ßaben bie fädßfifcße SRe*
gierung oeraitlaßt, gur görberung ber Setriebsficßerßeit im Straßen*
baßnroefen geroiffe formen für bie täglicße ®ienftgeit aufgufteüen,
bie leiber uießt alle Angefteüten berüeffießtigen. ®ie pon bem
fönigl. Kommiffar für bie eleftrifcßen Straßenbahnen aufgeftellteu
formen treffen 33eftiinmungen lebiglicß über bie Ma^imalbienftgeit
ber Wagenführer unb Signalrcärter. Sie lauten naeß ber
„Öeipg. SolfSgtg.":
1 . $te ^ienftgeit barf rcäßrcnb eines gritraumes Don brei Wodjcu
feinesfalls meßr als 200 Stunben betragen.
2 . £ic ^ienftgeit barf an einem 'Jage oßne ©iitfcßiebung einer
größeren Außepanfc oon minbeftens grcei Stunbeu Jauer nießt meßr
als geßn Stunbeu betragen, bei (Sinfcßiebung einer folcßen Außepaufe
aber, abgefetien oon ber unten begeichneten AuSnaßme, aud) nießt mehr
als 14 Stunoen. ®cr Jienftgeit muß eine gcfcßloffene Außegeit oon
minbeftens ad)t Stunbeu folgen. Aur einmal in je fieben Jagen ift es
3 ulaffig, bie jienftgeit unter entfpreeßenber Abmiitberung ber oorauS*
geßenben ober nacßfolgenben Außegeit auf 15 Stunbeu 31 t erßößett.
3. diejenige geit, rcäßrenb rcclcßer bas $erfonal 3 rcar nießt be*
fdjäftigt, aber bienftbereit fein muß, rcirb mit bem halben SBctrag als
Jienftgeit gerechnet. ^>iergu gehören alle Jienftpaufen uon 5 bis 40 Mi*
nuten J)auer forcie $aufen über 40 Minuten oßne Ablöfung. Jücnft*
paufen unter fünf Minuten Jauer gelten als Jienftgeit. Raufen oou
meßr als 40 Minuten (mit Ablöfung) gelten als bienftfreie geit.
4. Fm Jienftplane fmb bie geiten oor unb nach bem rigentlidjeu
Faßrbicuft, innerhalb rcclcßer bas ^crfonal 3 ur Stelle fein muß, mit
aufgufüßren.
Wenn aueß biefe SSorfcßriften noeß eine feßr lange J)ienftgeit
gulaffen, fo ift boeß roenigftenS ber Anfang einer Begrengung
gemaeßt. Aber too bleiben bie Scßaffner?
gabrifinfpeftion mib Arbcttsuerhältniffe in Ungarn. J)er eben
erfeßtenene gaßreSbericßt beS ^reßburger gabrifiufpeftorS für bie
Komitate Aeutra, Sreuefin, Xuvöq unb ^reßburg ift ber erfte, ber
auf ©runb ber neuen SScrorbnungen für bie ©ercerbe*gnfpeftion
in Ungarn erfeßienen ift, unb fein gnßalt roirft auf bic Aeform
ber gnfpeftion roie auf bie ArbeitSoerßältniffe in Ungarn bemerfenS*
roertße Streiflichter. SSor allem geiat eS ficß, baß bic aleicß An*
fangS geßegten Sefiircßtungen, baß bie eingeluett gnfpeftorats*
begirfe gu groß geratßen finb, begrünbet rcaren.
Jer $reßburger Olerccrheinfpeltor ßat im Faßre 1898 nidjt rceniger
als 403 inbuftrielle Anlagen perfönlicß infpigirt. F» biefer gaßl fmb
gang Heine Anlagen, forcie bie fogenannten ^anernmüßlen (allein 1600)
nießt inbegriffen. F m Faßre 1870 gab es im begirfe nur 136 Fabrifcn.
Jie gunaßme betrug oon 1870 auf 1880 76, oon 1880 auf 1890 69
unb in bett leßtcn 8 Fahren 122 Fabrifaulagen. Fn ber Stabt $reß*
bürg allein ift bic gal)l ber Fabrifcn in biefeitt 3eitraume oon 24 auf
80 geftiegen. Unter ben 403 Fabrifcn beS $egirfs ueßineit ben erfteu
^.Uap bic Spiritusbreunereieit ein, bann fomnteu ber gatjl uad) bie
Fabrifett für Konfumartifel, barunter 5 gueferfabrifeu mtb bic Je);til=
inbitftrie. J)ie gaßl ber Angeftetlteu biefer 403 Fabrifcn betrug 15 319,
barunter 14 203 Arbeiter. \Sinc ausführliche Tabelle giebt Auffdjluß
über bie Angaßl unb bie Aatur ber oorgefunbenen 594 Auftäube,
Atängel unb Unregelmäßigfeiten. Jic Mcßrgaßl betreffen ^crfäuiitniffe
ber bei JranSmiffionSanlagen, Jreibricm.n unb gaßuräbern uötßigeu
8 L 9
Soziale prajiS. Eentralblatt für ©ozialpolitif. Rr. 3u.
H20
Boriidüsiiianivgclii, wobitrdi bie ziifdrcirf) uorfoutmcnbcn Unfälle er*
flärt finb.
Hier enthält ber Bericht eine' fdjiDcre AnFlage gegen bie ©e*
werbebehörben erfter J>nftan$. Bei ben meiften Anftänben [teilte
es fid; näntlid; heraus, bafe bie Arbeitgeber oon ber Ejiftenz beS
Arbeiter unfallgefcfeeS oom 3afere 1893 gar feine SFenntnife haben
ober bemfelben feine Bebeutung beilegen. Alle ©ewerbebefjörben
be^ BezirFes, mit einziger Ausnahme beS prefeburger ©tabtfeaupt*
mattncS, trifft ber Bortonrf, bafe fie es oerabfäumeu, foroo^I bie
Arbeitgeber als auch bie Arbeiter felbft feit bem Beftanbe biefeS
©efefeeS, über beffen Sntentionen nnb Beifügungen non Seit S u
Seit aufguflören. Auf biefem (Gebiete würben fiel) — fo fagt ber
33ericf)t — bie 3 uftänbe er[t bann wefentlid; beffern, wenn bie
©ewerbe*3nfpeFtoraisbezirFe Heiner gemacht würben nnb ber 3u-
fpeFtor felbft oon ber jeitraubenben i'aft ber Dielen ftatiftifdjen nnb
ftanzleiarbeitcn befreit würbe.
<S*tu irüereffantes tfapitel beS Berichtes bilbet and) bie Erörterung
ber 2 ot)nocrbältmffe ber Arbeiter. Seit bem 3at)re 1895 haben faft bei
aßen im Beztrfc uertretcucn ^nbuftrien bie Arbeitslöhne eine Erhöhung
erfahren; in ber ©tabt prefeburg finb fie in ftolgc ber Jbeuerung am
böcbfteu. Hier uerbient ber gabrifarbeiter zrotfdjen l,so ft. uub 2,50 ft.
per Sag. Am fdjledjteftcn gezahlt finb bie Arbeiter in ben lanbwtrtfj*
fctjaftlicfeen Brennereien. Jiefelben befommen einen B?onatSlol;n üon
10 fl. bis lti fl., Erbäpfel nnb alle Jage 6 bis 7 Xcciliter rohen Sprit.
Aiir bie ohnebieS ber Jrunffucfet .pmeigenbe Bcuölferung CberungarnS
il't btefcs ^ohnoerbältnife ein Uitglitd nnb $u bebauern, bafe bie lanb*
roirtlndmftlidjfn Brennereien bicsbeziiglid) nid;t bem ©eroerbegefefee
unterfteben, beffen §. 118 uerbietet, ben Arbeiter mit Lebensmitteln ju
begabten. Jcr mafelofe Branntmeütgenufe ber Arbeiter bilbet überhaupt
ben ©egenftanb ber Silage unter ben Arbeitgebern. 3» biefer Begebung
ift im Auslanbe n: für ben Arbeiter mel beffer geforgt als in Ungarn.
Biäferenb er bort gefunbeS nnb billiges ©eträn!, bas fogenannte „ein*
farf)e Bier", ben halben Liter für 5 bis Pfennige, in Cefterreid; bas
„Abzugbier" für 4 bi» ö Streuer erhält, ift er in Ungarn nicht in ber
Lage, 'tiefe ein billiget unb zugleich nahrhaftes ©ctränf 311 oerfchaffen.
Bfit B>ein fauu er fid) ben Jurft nid)t füllen, weil biefer, insbefonberc
in Cberungam, fcl)r theuer unb babei fdjlecfet ift. LeidpgrabigcS Bier
hingegen famt wegen ber hohen probuftionS* unb Bcrjchrungsfteuer
uidjt gebraut werben. Jem Arbeiter, ber fid) ohnehin fchledjt nährt,
bleibt bal)er nid;ts Atiberes übrig, als Brauntroeingenufe, mtb er gerätf)
burch betreiben früher ober fpätcr in phnfifcheä nnb ntoralifdjcs Ber*
berben. Auf bem (Gebiete ber Arbeiteroerficherung giebt es aud; nod)
fehl* uicl zu tf)un, beun non ben infpi^irten 403 ftabrifen hatten nur
:is ihre Arbeiter gegen Unfall, unb ppar in bei* Regel auf bas Minimum
uerfidjert. Benterfenswerth ift fddicfelid) in bem Beruhte nod) ein Hin*
weis auf bie uothwenbige Abänberitng ber Befümmungen über bie
.SiranfenFaffen, welche unter ben alljuhohen BerroaltungSFoften leiben.
^rbeiteroerpdjenmg. Sparkaf|>«.
$ie Drganifaiton ber gewerblichen Unfattuerfitheruitg in ^rattfretdj»
3n Ergänzung ber 9legicrung^befrete Dom 28. gebrnar (fiel)e
„Soziale ^raj’tS" ^r. 24 0p. 649 b. Q.) erliefe ber ^anbelS*
mimfter unterm 30. 9J?ärs unb bem 8 . April fed)£ 3)tinifterial*
uerfitgungen, in welchen weitere Borfcferiften jur Ausführung be5
llnfaliüerfidjerungSgefefeeS oom 9. April 1898 gegeben werben,
^iefelben finb unter Bcihiilfe beS für^lid) fonftituirten Berfid)erung 0 *
beirathes ausgearbeitet unb regeln bie Einzelheiten abminiftratiuer
unb ücrfidherungsted)nifd)er Batnr, welche cinerfeits bie Äontrole
ber priuaten BerfidjerungSanftalten, bereu (Sjiftenz burch bas ©efefe
befanntlid; nidjt gefährbet wirb, anbererfeits Die Aufteilung unb 9ie*
frntirung ber biefe Auffidjt ausübenben Staatsbeamten nöthig
mad;ten. 3m Bücfftanbe bleiben alfo immer noch bie SSorfchriften
über bie Sdjaffung einer EentralfteUe für ben neuen BerwaltungS*
zweig.
immerhin finb burd) bie bisher getroffenen Entfcheibuugeit
bie llmrifelinien ber praftifdjen Organifation beS franzofifchen
llitfallDerfidierungSfpftemS fid)tbar gemacht. Ilm ein Bilb baoon z«
gewinnen, ift nöthig, einen Biicfblicf auf bie ©runbgebanfen beS
.'oauptgefefeeS zu werfen. 3 ur Ausgleichung ber grunbfäfclidjen
BJiberfprüdje zwifdien bem Senat, ber ftets nur eine genauere
Ts ii’irung bcs prioa ten Haftpflicht rechtes zugeftehen wollte, unb ber
Jeputirtcnfammcr, bie au ber obligatorifchen offentlich*rechtlid;en
Berfidierung fefthielt, entfcfelofe man fid; befanntlich 31 t einem ftom»
promife, ber fid; au f ber neu erfuubenen Jl; cor i e bcs risque pro-
ressioumd anfbautc. % Jüiau erfannte alfo an, bafe eS eine fpezielfe
Betriebsgefahr giebt, uub gewährte beut Arbeiter ein burd; baS
geltenbe EioÜred;t nur mangelhaft anerfannteS EutfchäbigungSred;t
aus Unfällen in Ausübung feiner Arbeit. Bfan fteute ferner fefte
Aornten für bie z 11 gewäl;renbeu 3 ‘nbemuitäteu auf. TDic rid;tcr*
Iid;e Entfcheibung ber tlnfaHSanfprüchc würbe in bie Kompetenz
beS gewöhnlichen Rechtsweges, uerwiefen. B3aS nun alle oorüber*
gel;enb z« leiftenben Eutfdjäbigungen betrifft, fo wirb bem Ar*
beiter nicht mehr als ein im StonfurS beoorzugteS gorberungSrecht
Zugeftaubeu.
Bis higher beftel;t ber burd) baS ©efefe gebrachte Sortfdjritt
alfo nur in einer Erweiterung unb Rormirung ber prioatredjtlichen
Haftpflicht, mie fie ähnlich iit Englanb aboptirt würbe. Eine be*
fonbere öffentlich-rechtlich^, unb zwar ftaatliche Drganifation tritt
erft in SBirFuug, wenn es fid) um Entfd;äbigung bau er über
Arbeitsbeeinträchtigungen l;anbelt. J)cr ©taat fchafft eine ©arantic,
um bie Erfüllung biefer EntfchäbigungSanfprüche abfolut fid;cr=
ZufteHen, ohne jeboch baS Prinzip ber folibarifcheit Haftung unb
Dennoch beS Berfid;erungSzwangeS ber Unternehmer auSzufprechen.
9Jlan fdjrecfte fowol;l oor ber bernfSgenoffenfchaftlichen wie ber
territonalgenoffenfchaftlichen Bertheilung beS RififoS zurüc! uitb
überliefe Dem Unternehmer freie 5Bal;l, wie er fich ber il;m in
jebem ©pezialfaü auferlegten EntfdjäbigungSpflichten crlebigt. 3»
feiner Erleichterung machte man bie Entfd)äbigungSDerpflid)tung
nur oierteljährlich fällig unb z roa ng ^ cn Unternehmer zur SFapitali*
firung ber Rente nur für ben SaÄ, bafe er aus irgenb welchen
©rünben fein ©efd;äft aufgiebt. Blan [teilte ihm aufeerbem frei,
feine Haftung auf prioate BerficherungSgefeüfchaften ober auf Ber*
ficherungSgenoffenfchaften zu übertragen, welche fich & en ftaatlichen
oerficherungSted)nifchen Borfchriften unb ber amtlichen Stontrote
unterwerfen. ®iefe Iefeteren föniten ihrerfeits wie aud^ ber Einzel*
unternehmet wieberum bei ber ftaatlichen freien Unfattfaffe ein*
treten. $)ie effeftioe ©arantie ber Entfd)äbigungSzahIung über*
nimmt ber ©taat nur fubfibiär, unb giuar burch Bilbung oon
©arantiefonbS, bie aus 3 ufchläö en 5 u r ©ewerbefteuer gebilbet 1111 b
oon ber ©taatsfaffe oerwaltet werben, gür bie fubftbiäre Erfüllung
ber Rentenanfprüctje ift alfo hoch baS Prinzip gemeinfamer H rt f s
tung unb obügatorifcher Prämienzahlung ancrFannt.
Ueberbliden wir nunmehr ben ganzen für bie bauernbe BSirf*
famFeit biefer UnfaHuerficherung ber gewerblichen Arbeiter fnnftio*
nirenben Apparat. SDerfelbe fefet fich gufammen aus:
1. bem UnfaHoerficherungSbeirathe, einer $onfultafiDbef)ürbe
beim Hanbelsmiuifterium, ber eS obliegt, im Berein mit
bem HaubelSminifier bie allgemeinen unb prinzipiellen
S)ireFtioen für bie ©efefeeSauSfül;rung feftzufteHen nnb
alljährlid; einen Rapport über bie Anwenbung beS (sie*
fepeS zu erftatten;
2 . ber EentralfteHe für bie praFtifche Berwaltuitg, über welche
noch nichts RäfeercS beftimmt ift, bie aber augenfcfecinlid;
als neues Reffort beS H an ^ e ^uiinifteriumS organifirt
werben wirb;
3. ben tontrolbeamten zur Beauffichtigung ber prioaten Ber*
fidjerungSgefellfchaften unb ber BerftcherungSgenoffen*
fefeaften, für welche bis jefet nur bie AuSbilbnngS*
bebingungen normirt finb;
4. ber ftaatlichen ‘JtepofitenFaffe, welche befonbere Kontos zu
führen hat über bie Bilbung unbBerwaltung ber fubfibiären
©arantiefonbS, wozu fie bie reffortmäfeige Mitarbeit ber
©teueroerwaltung in Anfpruch nehmen mufe, ferner über
bie Bermaltung ber oon ben Berfid;erungSgefeEfd;afteu
unb *©enoffenfchaften zu fteüenben Kautionen;
5. ber ftaatlidjen freien AlterSpenfioitSFaffe, welche bie fub*
fibiär zu leiftenben Renten auSzafelt, ober bie ^apitali*
firung unb Auszahlung oon Renten übernimmt;
6 . ben prioaten BerficherungSgcnoffenfd;aftcn autonomer Ber*
waltung, aber mit ber Berpflichtung, ben ftaatlichen oer*
ficfeerungStcchnifchen Borfdjriften nachzuFommen unb fich
ber Kontrolle zu unterwerfen;
6 . ben BerficherungSgenoffenfchafteu, bie unter ähnlichen Be*
bingungen wie bie oorgenaunten prämiengefell|d;afteu
fungiren;
T. ber ftaatlichen freien llnfalloerfid;crungSfaffe, bei welcher
bie prioaten BerficherungSanftallen ober einzelnen Unter*
nehmet* HufallSrenten Fonftitniren Fönnen;
8 . ben ^ommunalbehörben, weld;en bie Öcgalifirung ber
llufallsfonftatirnngeu zufällt nnb bie iit ben gälleu fub*
fibiärcr Rentenzahlungen ähnliche gunftionen zu erfüllen
haben;
9. ben orbentlid;en ©erid;ten, beiten bie red;tlid;c Entfd;eibung
über bie Hnfal(sanfprüii;e zufteht, bie ferner für bie
3mangSeintreibung ber oon ber AlterSrentenFaffc fubfibiär
gcleifteten Rentenzahlungen reanirirt werben;
821
«Soziale fragte, Eentralblatt für Sojialpolitif. Ar. «30.
822
10 . bat freien öülfäfaffen ober anberen gnftitutionen, auf
welche ber Unternehmer baS Aififo für bie Soften ber
ärztlichen Beßanblung, ber EntfcßäbtgMtgen bei nur oor*
iibergeßenber Arbeitsbeeinträchtigung beS Berunglücften
unb ber Beerbigung abmälzen rann, unb bie ebenfalls
ber Staatsfontrole unterließen.
£er Sdjmerpunft ber BerficßerungSorganifation liegt natürlich
in ben oerfcßiebenen BerficßerungSanftalten, welche baS Unternehmer*
rififo übernehmen, unb 511 welchen bie Unternehmer 3uflucßt 3 U
nehmen inbireft gezwungen werben. $)enn bie burdj baS Unfall*
gefeß fdjärfer fortnulirte Haftpflicht nötßigt bringenb genug ba^u,
weint aud) i e ^ e formelle Verpflichtung fehlt, liefen oerfjüUt aus*
gefprochcnen BerfidjerungSzroang erfennt übrigens baS ©efeij felbft an
mtb feßafft barnm burd) bie Beftinunungen über bie fafultatioen Ber*
fichcrungSgenoffenfcßaften Erleichterungen für bie fleitteren betriebe.
^ie prioaten UitfalloerficßerungSgefellfchaften haben
fich, wie ntehrfad) erwähnt, ben ftaatlichen Spezialoorfcßrifien 311
unterwerfen, welche ber Erlaß bes neuen ©efeßeS mit fich brachte,
tun baS EntfcßäbigungSrecht ber Berunglücften noch ftcherer zu
{teilen, als cS burd) bie bisherige aUgcmcine BerficßerungSgefeß*
gebuitg ber gaH war. Sie haben bemnach eine Kaution in bie
Hänbe beS Staates zu beponiren, welche für baS erfte gaßr auf
400 000 grcS., für bie folgettben auf 2% ber ©efammtfumme ber
als BerficßerungSbafiS ihrer Policen angefeßten Arbeitslöhne feft*
gefegt ift, ohne 2 SRiflionett überfdjreiten ober unter 400 000grcS.
j'infen zu fönnen. ©entt bie ©efellfcßaft ftatutenmäßig nur Arbeiter
eines beftimmten ©emerbeztoeigeS ober hoch nur foldjer ©emerbe*
Zweige mit gleichem ©efahrencoefficienten oerfießert, bann muß bie
Kaution baS 1 1 ;> fache beS Bruttobetrages ber jährlichen Prämien*
eitt^ahluttgen betragen, oßne baß inbeffen ihr Sßräinientarif unter
einen amtlich fijirten ßcrabgeßen föttne (gourn. Dfficiel 2 . April),
giir jette ©efellfchaften enbltch, welche ihre für bie Konftituirung
oon ßebenSretiten beftimmten Kapitalien bei ber ftaatlidjen freien
UitfanoerficheruttgSfaffe einfeßießen, wirb bie Kaution auf bie Hälfte
ermäßigt. SJiefc Bcftimmunaen gelten für bie franzöfifeßen ©efell*
fchaften. AuSlättbifcße, itt granfreieß ©efd)äfte madjenbe ©efell*
[(haften haben itt allen biefett gälten einen hoppelt fo hohen Betrag
31 t ßintcrlegen. Enblicß finb alle biefe ©efellfchaften gehalten, ihre
mathernathtfd) falfulirten 91 efernen nach einem non bem Ber*
fidjeriutgSbeiratß flirten Biinimaltarif (oeröffentlidjt im gourttal
Dfficiel nom 8. April) zu bilben. Db biefe prioaten BerficßerungS*
gefellfchafteu unter bem neuen ©efeße fuß ftärfer entwickeln, läßt
lid) fuum oorauSfagen, obfcßon baS ©efeß bie Bilbuttg non
BerufSgenoffenfchaften begünftigt. 9Racß einer Enquete beS ArbeitS*
anttes beftanben itn gaßre 1896 in grattfreieß 11 einheimische
Kompagnien, bie mehr als 100 000 Kolleftiopolicen mit etwa
14 000 1)00 grcS. jährlichem Brämienbetrag in Kurs haben. 3>a*
neben haben 3 auSlänbifd)e Kompagnien mit franzöfifeßen Unter*
itehmertt Kontrafte abgcfcßloffett, bereu Anzaßl [ich nicßt genau an*
geben läßt, aber notn Arbeitsamt ßößer olS 20 000 gefchä^t mirb.
SDie BerficßerungSgeitoffen fchaften unterliegen im AH*
gemeinen betnfelbett Reglement. 2>iefe Bereinigungen (syndicats
de garantie) werben frei gebilbet unter folibartfther H a f tun 9 & ei *
Biitglieber für bie itt beit eingeglieberten Betrieben norgefommenett
Unfälle. gßre Statuten unterliegen ber behörblichen ©enehmigung.
$ü<ß foHen fie jum Biinbcften 5000 Arbeiter ober 10 Unter*
nebmnttgen umfajfen, wonott fünf je mehr als .300 Arbeiter be*
fehäftigen muffen. liefen Bcrbänben gewährt man nun eine SJte*
buftioit ber Kaution auf bie Hälfte — wie auch ben prioaten
Kompagnien — wenn fie fich entweber berufsmäßig ober aus*
fdjließlicß zur Sicßerftellung ber im UnfaflüerfidjerungSgeftß nor*
gefeilten Entfd)äbigungSred)te fonftituiren. ©aS bie berufsmäßige
Bereinigung betrifft, fo ftellt man 9 ©ruppett non ©etoerbezmeigen
auf: 1 . Bergbau. 2 . £anbmirthfchaftlid)e ©ernerbe (Btüflerei,
gueferfabrifatiou, Brennerei, Aabrnngsmittelgemerbe). 3. Eifen*
unb Hiitteninbuftrie. 4. Ehcmifdjc gnbufirien. 5. Stcinbrü<ße unb
Baugewerbe. 6 . H ü lS üera rbeituitgSgemerbe. 7. Töpferei unb
©laSfabrifation. 8 . Jejtil* unb BeflcibungSinbuftrie. 9. XrattSport*
Unternehmungen. Bon biefem Aerfjte auf bie Aebufliott ber Kaution
föntten bie beftchenben großen BerfichentugSgefeflfchaftett mit ihrer
aus bett nerfd)iebenften Berufen 3 ufamntcngetnifd){en Kuitbfchaft,
ferner in golge ihres gleichzeitigen Betriebs attberer BerficßerttngS*
Zweige nicht fo leicht ©ebraud) tnadjen, als bie ©eitoffenfdjaften,
bie ftd) non allem Anfänge ben SRebuftionsbebingungen cittfprechenb
organifirett werben. S'er AefurS, ben mau beit Briöfltfompagitien
burd) ihre 9fücfoerfichcrnug ber Unfallrenten bei ber ftaatlichen
llnfallfaffe eröffnet, fcheint allerbingS biefen Borfprttttg ber ©ettoffeit*
fd)aftcit rnieber 311 balaucireit. Außcrbem ift für bie Sjeßtere bie
KautionSertnäßiguttg noch an bie weitere Bebingttng gefnüpft, baß
bie jährlichen Beiträge jebeS BlitgliebeS baS dreifache eines nom
HanbelSminifter aufgefteHten BhnimaltarifS (gourital Dfficiel nom
2. April) repräfentiren (ober baS doppelte ber Prämien, :'welche
baS BUtglieb für anbere Berpcherungen feines ©cfchäftSb^triebeS
aufwenbet.) darnach würbe ber Btttgltebsbeitrag aber fyofyac
werben als bie Bnimien, welche non ben Briimtfompagnien burch*
fchnittlich geforbert werben. $ach ber obenerwähnten Enquete bes
Arbeitsamtes waren 1896 fchott etwa 150 000 Arbeiter burd) ber*
artige 6 pnbifate nerftchert.
Alle biefe BerftcherungSanftalten werben nom Staate einer
eingehenben unb ftänbigen Kontrole unterworfen, 3 U k beren Aus*
füßruttg ein befoitbereS AufficßtSperfonal angefteHt wirb. 2)ie
Auffid)t erftreeft fich auf ben gan 3 en Umfang unb alle Einzelheiten
ber ©eßhäftsführung. $>ie Beamten, in einem fpe^ieüen s 2Scttbewerb
auSgewählt, werben ben einzelnen Anftalten für gewiffe ^ßcriobeit
Zugetßeilt unb haben baS 9techt zur jeberzeitigen Ausübung ihrer
Berufspflichten, ftnb aber auch zur ©eheimhaltung aller ©efchäfts*
geheimniffe oerbunben.
$aris. g. 8 chotthöfer.
Befchlftffe beS beutfdien AerztetaaeS zn ben BerftcherungS*
gefe^en. $)er am 21. unb 22 . April in Bresben abgehaltene
27. beutfefje Aerztetag hat mit 12 000 gegen 1500 Stimmen (nach
Btitaliebern ärztlicher StanbeSoertretung gerechnet) einen Befdjluß
gefaßt, ber bie gefeßliche Einführung ber freien Aerzte*
wähl bei ben Krattfenfaffett forbert. gn bem Kranfenoer*
ficherungSgefeß foHen bie entfprechenbett Aenberungen oorge*
nomtnen unb beS ©eiteren folgenbe Beftimmuttgen angefügt werben:
a) J'ie 9)2itglieber ber Crts* unb ©emeiubefranfenfaffen fönneu ftdi
im Jalle ber Etfanfung etnett Arzt aus benjeitigcn approbirten Aerztcn
bes Maffenbc 3 trfs wählen, bie fich 311 entfpredjcnben Öeiftungcn oer*
pflicßtet haben, b) ^ie Honorirung ber faffeuärztlidjm 2 ciftnngen hat
nach ben Atinintalfäpen ber 2anbeStareu 31 t erfolgen, c) ^ns Ber*
hältniß ber Aerzte 3 u ben Kaffen wirb "burd; ßhriftlidien Bertrag feft*
gelegt, ^er Bertrag bebarf ber ©enehmigung ber ftaatlichen Staubes*
oertretung ber Aerzte. d) 3 l,r Kontrolirnng ber übernommenen Ber*
Pachtungen fowie zur Schlichtung oon " Streitfällen ift ein aus
Kaffcnaugehörigeu unb Aerzteit 311 gleid)eit IljOtcu 3 ufammcngcfe|itcs
Schiebsgcridit 31 t bilben; Bcfchwerbeu gegen feinen Spruch werben oon
ber Auffidjtsbehörbe uad) Anhörung ber zuftänbigen ftaatlichen Stanbes*
oertretung eutfehieben."
gerner würbe befcßloffcn, bei 9ieoifton bcS Kranfenfaffen*
gefefeeS foHe ein fachoerftättbiger Arzt als Beirath 3 uge 3 ogen werben,
KranlenhauSbehanblung fei auch ben ©efd)led;tsfranfen zu ge*
währen, Berfonen ^h er 2000 JL gahreSeittfommen bürften
nicht in Kranfenfaffen oerfichert fein, ber Begriff „Arzt unb ärzt*
liehe Hülfe" fei unzweibeutig im ©efeß feftzulegen, zur ärztlichen
Behandlung feiett auSfdjIießlid; in ben beutfd)en BunbeSftaaten
approbirte Aerzte berechtigt. — 3 U * gnoalibitätSoerfiche*
rungSnooelle würbe eine Sftefolution befchloffen, baß ben Ber*
ficherungSanftalten ein Arzt als Biitglieb angehören müffe, baß bei
Abänberungett beS ©efeßeS bie ärztlichen StanbeSoertretungen 311
hören feien, ärztliche Behattblung biirfe nur oon in 2>eutfchlanb
approbirten Aerzten auSgeübt werben, ärztliche Attefte für bie
SRentenwerber fönnen oott jebetn Arzt auSgefteHt werben, bie Koften
trägt bie BerficherungSauftalt.
5DCc obltgatorifihe Kranfenoerftchermtg ber Hau3inbttftrie0rn
betitelt fich ein Auffaß beS bureß feine oeroienftlicße -£hätigfeit als
©ewerbegerichtsbeifißer befaituten gabrifanten D. ©eigert-Berliit,
ber im leßten (April*)Hcfte oon SdhutoIIerS ^gahrbuch für ©efeß*
ebung :c. im ^eutfcheit Reiche" crfdjienen ift. ^)er Berfaffcr weift
aritt auf ©ruttb ftatiftifeßer Erhebungen bes ©ctoerbegerid)ts
Berlin, bie anläßlid; bes KoufeftionSarbeiterftrcifS 1896 oeranftaltet
worben finb, zur Eoibcnz ttaeß, baß in ber HauSittbufirie bie nn*
günftigften Dohnoerßältniffe befteßen. gn Berlin unb feinen Bor*
orten würben runb 120 000 H au Sinbuftrielle befcßäftigt, bereit
2M;rzaßl ber Konfeftiou angeßört; fätnnttlidje gamilicttmitglieber
würben zur IRitarbeit ßerangczogeu, uttb zwar oft in einer baS
Zttläffige Blaß iiberfeßreiteuben ©cifc: bie täglid)e Arbeitszeit be*
trage 14, oielfacß aber aud; 18 btS 20©tunbeit! 2)abei fei bie
Ernährung fcßlecßt unb nttzureid)eub; fic befteße größteutßetls in
minberwertßigen Aahrungsmittelti, ittsbefonbere Kartoffeln, uttb als
„©tärfungsmittel" ober „EtfrifdiungSgeträuf" biette eine „Brühe
oon Eicßorien unb bem Kaffee ähnlichen Surrogaten". £ie burd)*
gängig uiiqünftigeu ©ohttutigen bienen gleichzeitig and) als Arbeits*
uttb Sdjlafraitm, als Küdje,' eoeittucll Kranfenztmiiter. Ans alle*
bem zießt Berfaffer bett ©rfjlitß, baß bie zwaugsweife Ber*
fidjentng ber H^usiitbiifuielleu mtb Meimarheiter eine
Soziale ^rajis. Geutralblatt für Sozialpolitik Sr. 30.
824
823
Aothroenbigfeit ift, bic nid)! bem Veliebett einer jcben Kommune
unterteilt werben barf, fonbern entfcfjieben burd) SeichSgefefc ein«
fjeitlid) geregelt werben mufj. Qu biefem Sinne but ber Ausrufe beS
G)eroerbegend)ts Verlin fiir (Gutachten nnb geroerblichegragcit eine Gin«
gäbe bei ber juftänbigen Scid)Sbehörbe bejqloffen, mit ber Vtofjgabe,
bafj bie Arbeitgeber bie Beiträge cinguja^Ien nnb zu einem drittel
aus eigenen ^Kitteln zu beftreiten hüben, mtb baft bte HauSinbuftriellen
nnb Heimarbeiter in befonberen Waffen oerfichert werben f ollen.
Der Verbßu&Stafl ber beittfdjcu IBerufSgeuoffeufchaften wirb am
28. itnb 29. 3nni b. in itonftanj ftattfiuben. Tic Vefdjtcfuitg ber
^nrifer Sdtausftenimg, bie Souelle 311 m ^noalibitätSgefefc, beionberS
aud) bas oon ben Vuitbcsregieningctt fef>r fgmpatljifch begrüßte 3u=
fainmcimurfcii ber beutfdjen Vereine uom Aothett jitreuz mit beit Berufs«
gntoffenfdjaften werben u. A. Gcgeuftänbe ber Tagcsorbmmg fein. Tie
3 al)l ber bent Vcrbanbe angebörenben VcrufSgcnoffcnfcbaiten bat ftdj
injwifdjcn bie* auf 46 uermehrt, oon. beiten 22 über bas ganze Tcutfdje
Seid) nerbreitet finb, wäbrenb 12 fpe^teü bem Sorben nnb 12 bem
Silben bejw. bem Seften angeboren. Sur nodj eine oerbältnifwtä&ig
fleine 3ahl non Verufsgenoftenicbafteu ftebt aubcrbalb bes Verbanbcs,
aber aud) uon Seiten ber lejjtcreii will mau bezüglich bcS ^iifammen*-
wirfetiö mit bem Sothen tfreuz mit bem Vcrbanbe gemeinfam oorgefjen.
Tie 46 Vcrbanb§=VerufSgenoffen)d)aften repräfentiren 331 616 betriebe
unb 4 277 r»70 Arbeiter.
3ur Umgcftaltimg ber S?r|1^ering^gefe^e fär bte Seeleute.
Der Deutfdje Sautifchc herein hut bk Sefolution, bie auf bem
VereinStage in Berlin Gnbe Februar biefcS in Vezug auf
bie Unfalls foroie bie Snoalibitäts« unb AlterSoerficherung ber See«
leute gefaxt würbe, jefct mit einer Vegrüitbnng burd) ben Vor«
fifeenben, (Seheimrath Sartori*$iel, bem Seidfstage unterbreitet.
GS wirb barin bie Aufnahme ber Gntfd)äbigung für bie folgen
non flimatifeben ^ranf^citen in baS UnfaüoerficherungSgefefc ge«
forbert. ©eiter wirb betont, baS Qnoalibitätö* unb Altersoer«
fidjerungSgefefe habe für bie Seeleute nur ganz geringen ^ufeeu I
gebracht: „Die Seeleute geben febr häufig in anbere Berufe über
unb fommen nur feiten in ben ©enufe oon Snoaltben« unb Alters«
renten. Drofcbem für biefe Verfidjeruttg oon Shebcrn unb See«
leuten jufamnten jährlich etwa 400 000 aufgebracht werben
tniiffen, gelangt an 3noaliben« mtb Altersrenten für Seeleute nur ein
witziger Dbeil biefer Summe jitr Auszahlung," nämlich nur etwa
10 000 c1(. Die Sitte gel)t nun babin, aud) bie VMttwen unb
Steifen ber an Stranfheit oerftorbenen Seeleute rentenberechtigt $u
machen unb jum Qmd einer entfpredjenben Ausbeutung ber Ser«
ficherung eine feparate Stoffe zu Raffen unb ber See«VcrufSgenoffen«
fchaft 3 U übertragen. Dies laffe fich mit ben erwähnten 400 000 , i(
erreichen, etwaige Differenzen würbe bie ©efammtheit ber Sheber
zu tragen bereit fein. — Die Gingabe fnüpft an bie jefet im
Seichstag beratene ^unulibitätSnooede an unb wünfeht bie Gr«
gänzung biefer Vorlage in ber oon ihr angegebenen Sichtung.
Die ftBirftutg beS IrbcÜerunfßöeiitf^äbtfitttigSgefeheS in
Gnglanb. Gin amtlicher Verist an bas Parlament giebt Auf«
fchlüffe über bie Grgebniffe ber feit 1 . 3uli 1898 in Sraft befinb«
lid)ett Workmans Corapensation Act. Das arbeiterfreunblicfje
„Dailt) Ghronkle" urtbeilt banach, bafe bas ®efefc gute Grfolge
aufweife. Sur febr wenige Anfprüdje gelangten zur gerichtlichen
Gntfcheibung, in beit fechs Stenuten 3uli bis Dezember oorigen
SabreS nur 130. Selbft wenn mau für bie Folgezeit bie hoppelte
Sabl oon Sälien annebmen will, fo würbe bic 3iffer ber Streitfälle
unter bem alten Hnternebmer«Haftpflichtgefe|j — 681 int lebten
Sabre — nicht erreicht werben. Die (Berichtsfofteit finb bazu
unter bem neuen 0)cfeb febr Diel geringer. Dagegen finb bie zu«
gefprochenen Gittfchäbigungen im Durdjfdinitt Diel' höher, bie 3^1)1
ber entfehäbigten Unfälle wirb fich auf 120—150 000 jährlich be«
laufen: „Alle, bie baS Gleitb bei bem früheren Stanbe ber Dinge
fettnen, wo bie Gbattce, baß ein oerlegter Arbeiter eilten ^cittit)
befant, 100 gegen 1 war, werben fich über bie fegenSreidje Scforut
freuen." OHeicbmobl bube fich bic Sotbrocitbigfeit mand)er 2 Ser=
befferungen jeßt fdjon berauSgefleflt: bic ^creiitfad)uug unb bie A 11 S«
bebnung ber Afte fei uiierläfjlid). Tiefe Ausführungen flintinen
int ^Jefetttlid)en mit ben Tarleguitgeit überein, bie nufer iliitarbeiter,
Herr S. l $L i . Olalton, oor einigen Sionateit in biefeit iMätteru (Sp. 201)
über bie oorauSfict)Uid)cn Grgebnifie bev 0)efcbeS oeröffenttidjt l)at.
^rbcitsmöd)nitU5.
Der gemeinbliche 9lrbeitSnad;uieiS nnb bie organifirien Arbeiter«
Gitte febr IefcuSwertbe, in fnappent Sabtneti einen reichen Snbult
bietenbe Sd)rift beS fozialbemofratifd)en SeichStaaSabgeorbneten
Sidjarb Ga (wer, bie foebeu unter bem Titel „ArbeitSmarft unb
Arbeitsnachweis" (Verlag oon 3 . 2Ö. Dieb Sad)f., Stuttgarn
erfcheiitt, fornntt zu bem Schluffe, „bafj bie Arbeiterflaffe int
Sntereffe enter ArbeitSmarftberichterftattung uitb int Sntereffe eines
neutralen Arbeitsnachweis, bem bie ArbeitSoermittelung Selbftzwccf
ift, ArbeitSnachweife als eine Ginrichtung ber öffentlichen,
fommunalen refp. ftaatlichen Verwaltung anftrebett
mtiffen. An ber ßeitung biefer Sachweife finb bie Arbeiter pari«
tätifch gleich beit Arbeitgebern z u betbeiligen; bie Vermittelung
felbft gefchiebt linentgeltlid) auf Soften ber Kommunen. Die Gen«
tralifirnng ift Sadjc beS Staates bezw. beS Seichs unb läuft in
bie Spifce eines SeichSarbcitSamteS aus." Diefe grunbfählidie
Stellungnahme beefe fid) mit ber itt ben parlamentarifchen Körper«
fdjaften oerfolgten ^ßrayis ber fozialbemofratifchen Vertreter. So
habe auch Abgeorbneter^Burm itn Santen ber fozialbemofratifchen
Sraftioit ben Antrag SoeficTe^achiticfe, ber bie Sörberung ber
öffentlichen ArbeitSnachweife bitrd) baS Seich bezweefe, freu big be«
grüfet. Gine grunbfäblidie ©eguerfchaft gegen paritätifche ArbeitS«
nachweife oerftofee bireft gegen Theorie unb VnrriS, wie fte oon
ben Vertretern ber Arbeiterflaffe bisher immer geübt würbe,
unb auch bie Vertreter ber gewerffd)üftlich orgaitifirten Arbeiter
bürfteit fich biefer Grwäguitg nicht oerfd)ltc6en. — Vefanntlid) fielet
bie Örage, wie fich bie (äewerffdiaften zum Arbeitsnachweis ftcöen,
auf ber TaacSorbnung beS britten EongrcffeS, ber am 8 . Viai zu
Sranffurt«Vcaiit beginnt. Der zweite ©ewerffdjaftsfongreß 1890
in Verlin butte fich für ben itt ben Hauben bei* Arbeiter liegcubeu
Arbeitsnachweis auSgefprochett. Die Sd)rift GaltoerS wirb hoffen!«
lieh Sur Klärung ber Sad)e in Arbeiterfreifen wefentlid) beitragen; fie
fomtittzur rechten Seit unb ift mit reichem VemeiSmaterial ausgeftattet.
Stftbtifd)cr ArbeitSuacbtteiS tu Gnglanb. Gnbe Viärz faitb iu
Sslington, fionbon, eine Konferenz oon ©enteinbeoertretern ftatr,
in ber über bie Gntwicftung fommunaler Arbeitenad)toeife beratheu
würbe; es waren 17 ©emcinbett burch 46 Delegirte oertreten.
Sach einer längeren Debatte, ooritcbmlicb über baS Verhalten ber
fontmunalen ArbcitSoermittlung bei Streifs, würbe eine Sefolution
angenommen, bie allen ftäbtifdjen Vertretungen bic Giitridjtung
fommunaler ArbeitSnadjmciSftellcn empfiehlt unb bas Hanbelsami
aufforbert, eine Gentralifirung ber ArbcitSoeruiiltluug in einem
„Central Labour Exchange“ bnrd)zufithren.
Wol)lfat)rt^ittCid)tungen.
Gcf^enfe unb Stiftungen an Arbeiter unb au bie uttbrmittel;ru
StolfSffaffctt int Gefamintbetrage oon 5 804 317.//. für bie 3 c *t oon
Januar bis SRärz 1899 finb (itad) einer im Heft 1 Jahrgang J 899 in
ber GIjrentafel beS „Arbciterfrcunb" oon Sdjmibt ucroffcitlliditcn
3ufammenftellimg) oon ^iibuftriellcii, ^rioaten 1111 b Afttcngcfellfdiaftcu
ausgezal)It worben.
Hicroon entfallen auf:
1
001 t ;
^riuaten
M.
non
Aftten»
gcfcU-
fd)aften
*.
3«
Summa
JC.
^enfioitS« unb Uiiterftübungsfoubs,
fowie Stiftungen für Arbeiter unb
bereu Angehörige.
1 421 245
1 138 753
2 559 998
Prämien, Wrattfifattonen, Gewinn«
autheile.
92 500
1 136 448
1 228 948
nidjt befoubers bezeidjuetc Arbeiter«
wofilfahrtszweefe.
114 000
115 768
229 768
nirf)t befonbers bi^eidniete gemein«
uiifeige ^ZiDecfc . ..
135 000
324 000
459 000
Mittberfürforge.
s 000
—
8000
Altenheime unb Viirgerafnlt . . .
330 (M10
—
330 OCX)
.VU*a 11 fe 11 pflcge unb ('\c 11 efene 11 fiirf 0 rge
281 oon
33 174
814 174
Wefiiubheitopflegc (Väber :c. 1 . . .
—
31 837
31837
*48ohmmgyfiirforge.
5 (MM)
286 292
291 292
GTZiehuugv* mtb lliiterriditivgoerfc
80 000
—
80 000
Vilbiutgszwccfc (Vibliothefen :e. 1 . .
3 (X K)
—
3000
AÖrbenmg oon Spareturiditimgen
5 000
5 000
Mird)lid)C 3ioei1e.
22 000
3 000
25 O00
Armetnmtermilumg im Al'gemeiiral .
78 300
10 000
88 300
.Munftpflege.
150 000
150 000
2 720 045
3 084 272
5 804 317
Tie Oal)l ber bei bteien Spenbeit betbeiligten piafforeu beläuft
fidi auf 142, hierunter befinben fid) K)5 Aftiengeiellfdjafteii unb 37
prioatc Arbeitgeber rcip. chnmiliac Arbeitgeber unb bereu Sedttv
u ad) folg er.
825
©ojiale $raji0. ©entralblatt für ©ojtalpolitil. SRr. 30.
826
$er ©eittralOorftattb beutfdjer IrfcdferMonmi hielt am 20. Slpril
in Serlin feine Sabregoer Sammlung ab. $>er SSorfipenbe @ep. Siegte*
runggratp non SRaffom*$ot§bam erstattete ben 93orftanb£bericf)t. danach
gehören Dem ©entraluorftanbe 32 Vereine im $euifchen Sieicfje an, weldje
ebenfontele Slrbetterfolomen mit jufammen 8925 Setten unterhalten. $)ie
Slrbetterfolomen ftnb jeboch im norigert 3afjre big jur §älfte, einzelne
fogar big ju brei Siertel ihrer gaffunggfraft nic^t belegt geroefen. $ie
Urfadjje liegt, mie £err non 9Rafforo fjernor^ob, in bem wirtbfdjaftlichen
Sluffdpminge auf inbuftrießem (Gebiete unb ben hoben lohnen, welche
ben Arbeitern gegablt inerben unb bie auch fonft Slrbeitgfcfjeue jur Sir*
beit neranlaffen. ©leidjmoljl haben bie Slrbetterfolomen im norigen
Safjre 767 805 Siac^tquartiere gewährt, fie hätten aber nodfj über
506 000 Stoloniften unterbringeu fönnen. gür bie Slrbeiterfolouien fei
bieg ein großer Slugfaß ^tnfic^tlicf) ber Einnahme. Seflagengrnertfj fei
eg, bafj oag ^ubltfum gewerbsmäßigen Settlern immer nod) reichlich
©aben fpenbe; man fönne bie (Einnahme eineg gewerbsmäßigen Settlerg
im $>urd)fdjnitt auf täglich 2 M annehmen. S)iefe Sluggaben foße man
lieber ben Slrbeiterfolonien unb ähnlichen Snftituten juroenben, bie ftd)
bemühen, biefe Slrbeitgfcheuen wieber einem gefitteten Seben unb ber
Slrbeitgfreubigfeit jujuführen.
)0ol)ttutt||9toerm.
Sobeupolitif in &iautf<hou«
2$on ber ©leichgültigfeit unb Unthätigfeit, mit ber bie meiften
beutfd)en ^Regierungen — mit Slugnahme ©achfeng (ngl. Soziale
$rafig 6p. 710) — ben ferneren ©efahren einer ungefunben
Serrain* unb 23aufpefulation gegenüberftehen, ftidht feltfam unb
erfreulich bag energifche SSorgehen beg ©ouoentementg non
SHautfdjou ab, beffen eigenartige Sobenpolitif iit ber beutfd>en
treffe Ieiber nicht bie gebübrenbe Sin fnterff amfeit gefunben hat.
©ie ift in finangroiffenfchaftlicher unb fogialpolitifcher jnnficht oon
gleichem Sntereffe, fobaß ein nähereg Eingehen auf fie (an ber §>anb
Der bem SReichgtag oorgelegten „SDenffchrift betreffenb bie ©ntwidtlung
oon $iautfd)ou") an biefer ©teile Ipnreichenb gerechtfertigt erfcf>eint.
33eranlaßt Durch bie fchlimmen folgen, welche bie namentlich
auch ,oon ben ©hinefen mit befonberem ©efdjicf betriebene
£errainfpefulation in anberen aufblühenben oftafiatifchen flohen,
namentlich in ©hanghai, fwnafong unb ©ingapore*) gezeitigt
hat, entfdjloß ftch ber Skfehlgpaber beg beutfdjen ©efchwaberg
3U einem gan^ fgfiematifdben Vorgehen in ber ßanbfrage, um
ben für bie ©ntwidflung Der Kolonie oielleicht oerhänatitßooßen
Sobenroucher oon oornperein unmöglich 3 « machen, 6cf)on am
£age ber Seftßergreifung mürbe eine Sßroflamation erlaffen,
bie big auf SBeitereg aße SSeräußerungen oon ©runb unb 23oben
oerbot. Sllgbann fieberte ftch bag ©ouoernement burch freien 33er*
trag gegen 3at)fang beg hoppelten Sahregbetragg ber chinefifdjen
©runbfteuer bag 33orfaufgred)t auf ben größten %ty\[ beg in Se*
tracht fommenben ©ebieteg unb jmar gu ben oor ber Dffupation
üblichen greifen. 3)ie Regierung behält für ftch nur biejenigen
©runbftücfe alg ©igenthum, meldhe jur Slnlage oon ©tragen,
Sßläfcen, |>afeitanlagen, öffentlichen ©ebäuben unb 33efeftigungg*
werfen erforberlicb finb. $)ag für öffentliche 3roecfe nicht noth s
wenbige fianb wirb im SBege ber SSerfteiaerung nach Seftfeßung
eineg SRiitbeftfaufpreifeg an Den 9Reiftbietenoen oerfauft.
33on aßen fpäteren SSeiteroerfäufen beg fo erftanbenen Sanbeg
ift bem ©ouoernement, beoor ber 33erfauf abgefchloffen wirb, 9Rit*
theilung 3 u machen. 2)er SSerfäufer hat ben Haufpreig, ber ihm
geboten unb ju bem er bag ©runbftücf logjufchlagen gemißt ift,
unter Sfbjug beg SBertheg etwaiger ©ebäube, ber Regierung mit*
jutheilen. 3)ag ©ouoernement beljält ftch unter aßen Umftänben
bag SSorfaufgrecht ju bem ihm angegebenen greife oor. 9Racht eg
baoon feinen ©ebrauch, fo erhebt eg neben einer Umfehreibegebühr
oon 2 % beg Söertheg (1 °/ 0 für ben Skrfäufer, 1 % für ben
Käufer) eine Slbgabe in §öhe oon 33’/3 °/o ber ^Sreigerhöhung,
wobei aber aße Beträge, bie alg Saarauglagen gegen bie ^reig*
fteigeruitg aeltenb gemacht unb alg folrfjc anerfannt werben, ab*
juggfähig nnb. Siach 25 fahren fönnen auch folche ©runbftücfe,
bie ihren ©igenthümer burch freiwißigen Serfauf nicht gemechfelt
haben, mit einer einmaligen Sluflage oon ebenfaßg 33 73 % ber
eingetretenen 38erthfteigerung belegt werben. Sin aßen Sobenwerth*
Weigerungen, bie burch bie Xhätigfeit ber ^Regierung unb ber ©c*
fammtheit ber ©inwoljner h^^aorgerufen werben, parti^ipirt alfo
auf^ biefe Söeife auch bie ©efammtheit, unb „eg erfcheint — nach
Slnftcht ber 2)enffchrift — alg fehr mähig, bafe bag ©ouoernement fich
mit einem drittel begnügt unb jwei drittel benSßrioaten überläßt."
Slbgefehen oon biefer nur im Öaße eineg Sefifcmechfelg ober
*) Sgl. pierju auch Söirth/ ©ntwicfluug unb Slugbreitung ber
lil)tncfen ($reuß. 3al)rb. 1899, Slprilheft 0. 119).
nach 25 fahren erhobenen Söerthfteigerunggfteuer finb aße ©ruttb*
ftücfe mit einer hohen jährlich erhobenen ©runbfteuer belaftet, bie
fich auf 6 %. oom gefchäjjten Söerth beg ©ruub unb SBobeng be*
läuft (bie preu&ifche Sermöqengfteuer beträgt befanntlich nur 72 %o
beg Söerthg). 3)tit einer Derartig hohen ©teuer wirb ein Slnfauf
oon fiaub ju ©pefulationggweefen ooßftänbig unmöglidh gemacht,
jumal ber Käufer ja auch beim SSerfauf wefcntlich gehemmt ift.
giir Denjenigen aber, ber ßaitb §u eigenem Sebarf (alg Saufteße,
Öagerplap :c.) erwirbt, ift bie ©teuer, nach Slnftcht ber $)eitffdf)rift,
an oftafiatifchen SSerhältniffen gemeffen, feinegwegg eine brüefenbe,
ba bie SRiethfteuern in £>ongfong unb ©hanghai wefentlich höher
feien. 2)ag leuchtet auch ein, ba bei ber ©runbfteuer in $iautfcl)ou
augenfcheinlicf) nur ber Sobenwerth, nicht aber auch ber Söerth ber
Darauf errichteten ©ebäube in Slnfafe gebracht wirb, fo ba& fid) Der
©teuerbetrag für ein bebauteg ©runbftücf relatio wefentlich erniebrigt.
3ur Verhütung einer aefunbheitgfchäblichen Bebauung unb
Slugnufcung beg Sooeng ift Der ©rlafe einer SBauorbnung geplant,
Durch welche bie 3ahl ber ©toefwerfe auf jwei ober brei bejcfiränft
unb bag SDMfimum ber bebaubaren gflöthe im ©uropäer*SSiertel
auf 55 o/ 0 , im ©hinefen*Siertel auf 75 % feftaefefct werben foß.
3ur ©rlebigung biefer Slrbeiten ift natüruch eine genaue Ser*
meffung, ^artirung unb £ataftrirung beg ganzen ©ebietg erforber*
lieh, Slrbeiten, bie auaenblicfiich noch im ©ange finb, aber wahr*
fcheinlid) big jum §erbft 1899 beenbet fein werben. 0rik bie ent*
ftehenbe ©tabt ift bereitg ein Sebauunggplan aufgefteßt unb ber
2)enffchrift beigegeben, danach ^erfaßt bag ©tabtgebiet in brei
Xheile, oon Denen ein Sheil für ßagerpläfee, inbuftrieße Slnlagen :c.,
ber anbere für bie Slnftebelung ber ©hioefen beftimmt ift; ber
Dritte £h c ü/ öag europäifche SBohnoiertel, ift alg Sißenbejirf ge*
Dacht unb foß mit öffentlichen Slnlagen unb reichlich aug*
aeftattet werben. 2)er bie Sermeffunggarbeiten augführenbe
Äatafterfontroleur war früher in bem berliner Sißenoororte ©ro§*
ßichterfelbe thätig.
®ie ßanbauftionen hohen am 3. Dftober 1898 begonnen. ®ie
Sobenpreife poh Derartig bemeffen, bafe eg auch ben weniger Se*
mittelten möglich gemacht wirb, ©runb unb Soben $ur eigenen
SHeberlaffung $u erwerben. Sährenb ber erften fünf £age würben
105 930 qm gum Durchschnittlichen greife oon 1 S)oßar für 1 qm
oerfauft. $)ie höchften greife würben für ßagerpläfce geboten; 3 um
3Rinbeftfaufpreig gingen nur fehr wenige Sßaqeßen ab. 2)er ^5reig
oon 1 $)oßar für 1 qm (4 ,25 dl) fann angefichtg beg hoh^o oftafiati*
fchen ^reignioeaug wohl alg mäfeig gelten; er entfpricht genau ben
greifen, bie in entfernteren Sißenoororten oon Serlin gezahlt werben.
®ie fpftematifche Serhinberung einer ungefunben Xerrain*
fpefulation, bie g>eran 3 iehung ber Sobenwerthgfteigerung 3 U ben
öffentlichen Saften, bie augfdjliejsliche 33efteuerung beg Sooenwerthg
unb ber SSer^icht auf 2 Rieth* unb ©ebäubefteuern finb hö^hft inter-
effante SRagnahmen, bie bem weiten Slicf unb ber oolfgwirthfchaft*
lieben ©inficht beg ©ouoernementg oon ^iautfchou bag befte 3 e og*
nife augfteßen; man wirb Sicherlich gut thun, bei Singriffen auf bie
„aß 3 ii bureaufratifche" Serwaltuna oon $iautf<hou erft 3 U prüfen,
ob eg fich nicht um Urteile oon ßeuten honbelt, bie Sfth öurch bie
ßRahnahmen Der Serwaltung in ihren ©pefulationgabfichten geftört
fanben. $)ie Sefteuerung beg ©runb unb Sobeng in unferer
jüngften Kolonie, namentlich Die hoho Steuer auf bie SBerthfteige*
rung, fcheinen mir oon großem prin 3 ipießen gntereffe auch für
bag ÜRutterlanb 3 U fein; eg ift Sicherlich fehr erwägengwertp, ob
Damit nicht ein gangbarer 'Beg gezeigt ift, bie ungeheuren
Skrthfteigerungen beg ©runb unb Sobeng in ben mobernen ©ro&*
ftäbten bem öffentlichen SBohle bienftbar 3 U machen.
Serlin. _ $aul Soigt.
Serbefferuug ber ^ohttnttßgberhctttniffe oon Irkifetn tu pren^i*
fehen ©taatgbetriebeiu Sluch in biefem Soh^o ift, roie bereitg 1895
unb 1898, bem preufeifthen Sanbtage ein ©efe^entwurf, betreffenb
Semißigung weiterer Staatsmittel 3 ur SSerbefferutig ber 5Bohnungg*
oerhältuiffe oon Slrbeitern, bie in Staatlichen ^Betrieben befd)äftigt
finb, unb oon gering befolbeten ©taatgbeamten, ooraelegt worben.
3n biefer Vorlage werben weitere 5 Sftiüioiteit 9)iarf geforbert. —
Qit beiben erften itrebite oon ebenfaßg je 5 SRißionen 5D?arf finb
big auf einen $Reft oon runb einer halben s Mßion aufgebracht.
3)ie weiteren in Slngficht genommenen .v>augbauten in Den ©ifen*
bahnbireftiongbejirfen Königsberg unb ’Jranffurt a. 9R. finb auf
1061 000 y//, oeranfchlagt; an ^Darlehen finb oon oerfd)iebenen
Söaugenoffenfdhaften 760 000 <J( nachgefucht. ^ie meifteu
SBohnhäufer aug ben bisher bewißigten ^onbg finb oon ber
©ifenbahnoerwaltung gebaut worben, unb ^war aug ben erften
5 SRißionen an 34 Drten unb aug Den gweiten 5 SRißionen au
827
Sogiale $ra£t$. (Scntralblatt für Sogialpolitif. Nr. 30.
828
52 Drten. 3n geringerem 3Naße feat bie Söauoerroaltnng unb bic
Sergoerroaltung foldje ©ofenfeättfer errietet, ©ie non ber (fifen*
bafenoerroaltung aug ben beiben erften Sonbg erbauten Käufer
weifen inggefammt 1536 ©ofenungen auf, barunter foldje mit
oter, brei unb mit gwei Räumen, ©er Mietvertrag biefer ©ofe*
nungen, einfcfeließlicfe ber 33auoerroaltunggfoften, beläuft pdj auf
über 4 % gefammten Aitlagefapitals. ©irb feieroon 1 % für
bic Serroaltung ber Käufer unb bie Amortifation abgewogen, fo
oergtnft pefe Anlagefapiial immer noefe mit 3,n %.
Nürnberger ©ofennngSpolitif. @tne ^Jefd^id^te ber Nürnberger
©ofenunggpolitif roirb in einem „©utaefeten über bie ©ofenungg*
frage mit befonberer Serücfficfettgung ber Nürnberger Serfeältmffe
(Anträge an bie gemeinbliefeen Kollegien ber Stabt Nürnberg be*
feufg SteUungnafeme gur ©ofenunggfrage", Nürnberg 1898. ©e*
brueft bei U. @. Sebalb) entrollt, bag ber reefetgfunbige 9Jiagiftratg*
ratb Z- S3ecffe erftattet ^at. ©anaefe wie« fefeon am 16. Dftober
1861 ber bamalige 2. 33ürgermeifter Seiler auf ben fühlbaren
Ntangel an fleinen ©ofenungen in Nürnberg bem erft in
neuerer 3 e ü energifdfe begegnet wirb. $önig May feätte burefe
„Königgftiftunggfeaug" mit feinen 24 oorbilblidfeen ©ofenunaen bie
©ofenunggfrage in glufj gebracht, ©ie Stabt feätte Armen*
wofenungen unb Amtgroofenungen für ftäbtifd^e Arbeiter gebaut.
3m Uebrigen überliefe fie eg ^ßriuaten, Abfeülfe gu fefeaffen. ©er
im Safere 1862 alg Aftiengefellfcfeaft fonftituirte Nürnberger ©ofe*
nunggoerein feat 9 Raufer mit 66 fefer gefügten 5* unb 4räumigen
©ofenungen errietet, ©ie 1877 begrünbete Nürnberger Sauge*
fellfcfeaft feat 28 Zäufer gebaut unb beren 25 oerfauft. SJiit ber
Erbauung gefunber Arbeiterroofenungen finb fobann Neicfegratfe
5rfe. o. (£ramer*KIett, ber früfeere Sepfeer ber Niafrf)inenbau*
AftiengefeUfdfeaft Nürnberg, (47 Arbeiterfeäufer mit 160 ©ofenungen,
im Sau einige £unbert Arbeiterfeäufer bei ©ibifeenfeof) unb ber
baperifefee (Sifenbafettfigfug (20 Käufer mit 160 ©ofeuuugcn) oor*
gegangen. (Sine 1892 oom ©eefeniferoerein aufgenommene (Snquete
ergab ein reefet ungünftigeg 33ilb ber ©ofenunggoerfeältniffe. ©er
Saferegbericfet ber mittelfränfifcfeen ,J>anbelg- unb ©ewerbefammer
1897 flagt über ben ÜJtangel geeigneter Arbeitermofenungeit. ©ie
Gleftrigitätg * Aftiengefellfcfeaft Scfeucfert & (So. feat begfealb einen
Sauoerein Scfeucfert’fefeer Arbeiter (©. ©. m. Z-) gegrünbet, ber
gunäefeft 130 Käufer mit je 8 ©ofenungen (= 1040 ©ofenungen)
baut, ©ag ©utaefeten füfert roie ein guteg Gompenbiutn ber
©ofenunggfrage fobann auf, mag bie Serficfeerungganftalten, Staaten
unb Stäote roie bie ©efefegebung für bie ©ofenunggfiirforge ge*
tfean feaben, unb erörtert bie Ürfacfeen ber ©ofenunggnotfe. 3n
Nürnberg im Sefonberen fei gegenwärtig an fleinen gefunben unb
billigen ©ofenungen ein Mangel, ©er Ntagiftratggutacfeter fteHt
ber Stabt begfealb bie brei Aufgaben ber Sörberung beg Saueg
gefunber ©ofenungen, ber Sefehigung ber oorfeanbenen fcfelecfeten
(ungefunben) ©ofenungen, ber Heberroacfeitng ber ©ofemutggbe*
nnfeung. ©ie Abfeülfe beg Uebelg, bag burefe eine giigcllofe Sau*
fpefulation oerfcfelimmert werbe, müffe mit einer ftäbtifefeen ßnquete
burefe ein gu erriefetenbeg ftäbtifefeeg ftatiftifefeeg Amt beginnen.
Sobann fou bie Stabt alg Arbeitgeberin für ben feften Stamm
ihrer Arbeiter ©ietferoofenungen — niefet ©ienftroofenungen — er*
ftellen, barüber feinaug foH fiefe bie Stabt bie fräftiae görberung
beg Saueg fleiner ©ofenungen angelegen fein laffen, bie Negierung
um eine gute eigene Sauorbnuuq erfuefeen unb bie Zeitteilung
billiger unb bequemer Serfefergoerbinbungen mit ben Vororten im
Auge befealten. 3n einem Nacfetrag werben befonbere Sorfcfeläge
gemaefet, roie man bie ©rleicfeterungen für prioate Unternehmer im
©ofenunggbau unterftüfeen unb welcfee Sebingungen man ifenen
bafür aufcrlegen fönne.
tteberbölferte ©ofeuangen tn StcSlau. ©ag ftatiftifefee Amt
gu 93reglau tfeeilt bie ©rgebniffe einer befonberen SBofenunggftatiftif,
Die eg mit ber 23eoölferunggftatiftif oom 2. ©egember 1895 ocr*
bunben featte, im XIIX. S3anbe, ^>eft 2 ber Sreglauer Statiftif
(Sreglau 1899, SSerlag oon ©. Morgenftern, ^reig 4 ,\or/s) mit.
©anaefe feat fiefe bie 3afel ber überoölferten ^ofenungen — bag
finb SL'ofenunqcn oon 0 ober 1 feeigbaren 3i mi aer unb mefer alg
5 ©lewofenern, foroie bie mit 2 feeigbaren 3roimern »nb 10 ober
mefer ^ewofenern — oon 117 o/ 00 ; 1880, 11L o/ 00 : 1885, 102 °/ CK) :
1890 auf 85 o/ 0[ ): 1895 oenninbert. ^äferenb 1890: 16,4 0 ü ber
^eoölferung in überfüllten Wohnungen lebten, waren eg 1895 nur
14,9 °/ 0 . ©ie^Ueberoötferuug trifft am ftärfften bie ©ofenungen
mit einem feeigbaren 3inuner, ber ^romiilefafe betrug 1880 : 187,
1885 : 181, 1890 : 179, 1895 : 158. $on ben Ntictfeerroofenungen
waren 88 u /, )0/ uott ben ©igentfeütnerroofenungen 53 u /oo überoölfert.
©ag ftatiftifefee Amt feat aber noefe genauere ©runblage für bie
Seurtfeeilung ber Ueberoölferung mit Unterftüfeung ber $oligei*
organe gu gewinnen gefuefet. ©abei fteUte fiefe feeraug, bafe oielfacfe
tfeatfäcfelicfe mefer Sßofenräume oorfeanben alg bei ber SSolfggäfelung
angegeben wai, inbem befonberg bie 3 rage naefe ben „©ofenräumen
ofene genfter" (©abinet, ©ntree, ©ntreefüd)e, Ntfcfee 2C.) gu Unpcfeer*
feeiteu gefüfert feat. So ergeben fiefe:
©ofenungen
S-
e
CO
c
0
0
A
Ut
c
vO'
O
B
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O — Q
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Auf 1 Sd/laf*
raum burefe*
fefeuittlicfe
Se-
wofe* Setten
ner
^ SB' *-»
wirflidj über*
oölferte . .
1089
8 113
1731
4 563
7,45
4,69
2,64
1,78
fdjeinbar über*
oölferte . .
813
5 010
1475
3 425
6,16
8,40
2,33
1,46
gufanimen
1902>3 123
3206
7 988
6,90
4,09
2,49
1,64
©er giäcfeeninfealt ber ©ofenungen, ber berechnet ift, geigt
mancherlei Abweichungen. 3n btn überoölferten ©ofenungen
fommt bei 28, 7 qm burefefcfenittlicfe auf jebe ^erfon 3 ,9 qm, in ben
nidfet überoölferten ©ofenungen 34,6 qm begm. 5, 6 qm. ©featfäcfeUcfe
feaben aber auefe 18,o°/ 0 biefer lefeteren ©ofenungen 4 qm unb
weniger ©runbfläcfee für bie $erfon, finb alfo auefe überoölfert.
s D2an fiefet alfo, bafe bie Statiftif grobe Scferoieriafeiten feat, bie
tfeatfäcfelid)e ©ofenunggüberoölferung riefetig gu erfaffen.
fDUubemng ber SBofenuugguotfe burife f&mmuim. Um bie
©ofenunggnotp gumilbem, ift in ßieanife am 10. 2ßai 1897 eine
Öiegnifeer ©ofenungg*=©euoffenfcfeaft begrünbet, bie bereitg brei
Zäufer angefauft feat unb im Srüfeiafer mit bem S3au neuer Zäufer
beginnt, ©er Magiftrat feat eine Unterftüfeung in Augficfet geftellt.
©er Ntainger 33au* unb Sparoerein wirb mit ©röffnung ber
Saufaifon 50 big 60 ©ofenungen oon 2 big 3 3iinmern neu er*
ftellen. Sür bie Antfeeilfcfeeine follen trofe feofeer Nücflage für
Amortifation unb Neferoefoubg 4% 3^f e » Ö^gafeU werben, ©er
herein bepfet bereitg meferere Zäufer. 3» s ?ofen ift eine ©e*
noffenfefeaft für ben 93au oon Arbeiterwofenungen begrünbet, an
ber fiefe ber Dberpräfibent mit 2000 JL betfeeiligt feat. Alg ©e*
uoffenfefeaft m. b. Z- ift in Sreiburg i. 33. ein ©auoerein mit
122 Mitgliebern begrünbet worben, ©er ©ef^äftgantfeeil oon
100 cif faitn in ©oefeenbeiträgen oon 50 $ eingegafelt werben,
©iefe ©enoffenfefeaft will bie gu erftellenben Zäwfer niefet oerfaufen,
foitbern nur Iebenglänglicfe oermietfeen.
Aberg'ftfee ©ofenunggfitiftuitg in ©nffelbmrf. ©ie fogtale Äommtfpon
ber beutfefeen Öewerfoereine übt in einer fleinen Sdjrift an l)em Seridjt
über bie 3:l)ätigfeit unb bie ISrgebniffe ber Aberg’fcfecn ©ofenungg*
ftiftung (©üffclborf 1899. ©rutf oon ©. Acfon, ©üffelborf, ©e^rfeabn 17)
eine fdjarfe Ätritif. 2anbgerid)tgbireftor Aberg batte ber Stabt ©iipel*
borf gur (Srricfetung oon Arbeiterwobnungen etwa 2 Millionen Sftarf
feintcrlaffen. ©ie fogiale Äonimiffion fudjt naefeguweifen, bap bie Stif*
tung gu tbeuer unb naefe ben ortgiiblidjen 5Nietfeeu unrentabel gebaut feat,
bafe Die Stabt burefe ihr 3)auamt, ftatt burefe einen beionberen 33au*
meifter, biefen fogialen SSerfuefe feätte matfeen laffen follen, bap bag
Kuratorium mit biefen 2 Millionen eine Neform beg gefammten ©ofe=
mmggwefeng für bie unbemittelten Klaffen ©üffelborfg feätte anbafenen
fallen, inbem eg unter 3»feülfenabme oon ZfePotfeefarfrebit fofort
100 Zöufer feätte erriefeten fönneu, wäferettb eg jefet burefe einfaefee Aug*
fefeiittung beg gonbg unb tfeeureu (>)runberwerb 2 c. faum 35 Zäufer
fertigftclie unb erft 1950 auf bie 3 n fel gelange, ©ie 5Nietfeen
werben alg gu niebrig, bie Augwafel ber 3)?ietfeer alg nidjt einwanbg*
frei bcgcidjnet. Oleflagt wirb auefe über bie ©ebingung ber monatlichen
Horaugbegafelung ber 5Nietfee. Scfelieplicfe wirb eine anbere 3nfammen*
fefeung beg Kuratoriumg unb eine ^etfeeiligung ber SNietfeerfreife an
bemfclben geforbert.
Arbcitcrwofemmgctt in ©ent. ©er ©emeinberatfe oon ©ent
feat im 3afere 1897 eine Kommiffion gur Uttterfucfeung ber
©ofenunggfrage einaefefet. ©er nunmefer oorliegenbe Sericfet
gipfelt in folgenben 33orf<felägen: ©ie Zäufer beg $lrbeiteroiertelg
finb einer regelmäßigen ftrengen Snfpeftion gu unterteilen; fie finb
fämmtlicfe mit burefe efeemißfee Attalpfe für trinfbar erfanntem
©affer gu oerfefeen; bie fanitätgwibrigen ©ebäube finb neu gu
bauen; bie ©ofelfafertganftalten finb gu oeranlaffen, einen ©feeil
ifereg Kapitalg gutn Sau billiger ArBeiterfeäufer gu oerwenben unb
beggleicfeen foü bie ©etneinbe ben aug ber £onoerpon oon Anlefeen
erhielten ©ewinn gu biefern 3 |üe( ^ e oerwenben.
829
Sogiale $raji$. Eentralblatt für Sogtalpolitü. 9Hr. 80.
880
Sojittle Qqgtene.
SHrblguialrcfontt unb $renßtf<bcS AbgeorbnetcnbauS; Stabt«
ftrgte. Der Heine Db^l, ber oon bcr geforberten SJteoiginalreform
fW au bcr Vorlage, betrcffcnb bie DienftfteHung beS KreiSargteS
uitb Die Vilbung oon ©efunbbeitsfommiffionen, frpftalliRrt bat, ift
am 21. April im $reußifchen AbgeorbnetenbauS tn erfter ßefung
beraten unb an bie K'ommiffton oerroiefen roorben, bie mit ber
Vorbereitung ber Vorlage über bie ärztlichen Ehrengerichte betraut
ift. Aeue ©eficbtSpunfte förberte biefe Verbanblung nicht gu Dage.
Die Aiinifter Dr. Voffe unb Dr. oon ARiquel oertbeibigten eS, baß
in baS ©efeß nicht baS Verbot ber VrioatprajiS gefchrieben fei;
eS fei fein Vebürfniß, alle KreiSärgte gu oollbefolbeten Vcamten gu
machen unb ein gängiges Unterfagen ber Vra^tS bafa oiellei^t
Aacbtbeile für bie freisärjtltcbe Dbätigfeit roie für bie Veoölferung
im ©efolge. Dr. oon Vhquel empfahl im Vefonberen ben großen
Stabten bie Aufteilung oon Stabtärgten, benen ja baS Aecht
gegeben merben fönne, öffentlich-rechtlich als Kreisärzte gu fuitgiren.
3u ihrem ©ebalte mürbe bann ber Staat in angemeffener feeife
beitragen. _
(ßrnirrbrijtridjtr. (Einignngsämtcr. Sdjlcösgeridjte.
©ettegnng tmtt ArbeiiSftreittgfeiten auf ©rtmb ber „Ver*
fdbuungdam^ tu Englanb. 2Bir baten unlängft (0p. 574) auf
mehrere Streifs unb AuSfperrungen in Englanb bingeroiefen, bie
bureb Eingreifen ber Vebörben auf ©runb ber „VerföbnungSafte"
oon 1896 gütlidf) beigelegt morben finb. Die neuefte Aummer ber
amtlichen „Labour Gazette“ berichtet abermals gmei folche gälte.
Anfangs 9Jtärg b. 3$- brach ein Streif in einer Suteroeberei gu
Aberbeen aus, brei Söocben fpäter manbte ftd) ber Sefretär ber
organifirten Aberbeener gabrifarbeiter an baS ©anbelSminifterium
mit ber Vitte um Vermittelung gufolge ber VerföbnungSafte. Ein
Veamter beS 9AinifteriumS begab fid) in ben Diftrift, batte Ve«
fprechungen mit ben Arbeitern unb bem Arbeitgeber unb ber Er«
folg mar ein Ausgleich, bemgufolge bie Arbeiter am 3. April bie
Arbeit mieber aufnabmen. — 3n bem Orte Sßigan forberten bie
organifirten Schiefer« unb 3«gelbecfer oon bem Arbeitgeberoerbanb
im Vaugemerbe eine ßobnerböbung unb bie organifirten 3iwmerer
unb Sifchler eine Aenberung Der ArbeitSbebingungen. Anftatt gu
einer Arbeitseinteilung gu Wreiten, entfchloffen fid) bie Parteien,
baS ©anbelSminifterium um bie Ernennung eines unparteiifchen
SchiebSrichterS angugeben, mogu am 7. April ber AecbtSamoalt
A. A. gmbfon berufen mürbe.
©iutgnngSfttnter unb SchiebSgedcfM in Aenfeclanb 1897/98.
3n Aeufeelanb bat bie Industrial Conciliation and Arbitration
Act 1894, roelcbe bureb bie fpäteren ©efeße oon 1895, 1896 unb
1898 meiter auSgebilbet unb ergängt morben ift, bie Vilbung oon
DiftriftS-EinigungSämtern, District Boards of Conciliation, gur
Einführung gebracht, toelthe aus einer gleichen Angabi oon Ver«
tretem ber Arbeitgeber unb ber Arbeitnehmer mit einem oon bem
Amt geroäbltert Domann hefteten füllen unb über alle Streitigfeiten
groifchen Arbeiteroereinigungen unb Arbeitgebern ober Arbeitgeber*
oereinigungen auf Anrufen einer Partei gu entfReiben haben.
Sofern eine Partei mit ber Entweihung beS Einigungsamts nicht
gufrieben ift, gebt bie Sache an ben Court of Arbitration ber
Kolonie, melier aus je gmei Vertretern ber Arbeitgeber unb Arbeit¬
nehmer fomie einem dichter beS böchften ©eridjtSbofeS fich gu*
fammenfeßt unb feinen Spruch im regelmäßigen 3n>angSoerfabren
burch hohe ©elbftrafen ergmingen fann. So lange ein Streitfall
beim Einigungsamt ober beim SchiebSgericht oerbanbeit mirb, ift
es gefeßlidj für unguläffig erflärt, bieferbalb eine Arbeitseinteilung
ober ArbeiterauSfperrung eintreten gu Iaffen. Aach ben Veröffent¬
lichungen beS Department of Labour für Aeufeelanb haben in bem
3abr oom 1. April 1897 bis 31. SJtärg 1898 inSgefammt acht
DiftriftS-EinigungSämter in 20 fällen gu entfeheiben gehabt, oon
benen 6 auf baS Kleibermacbergeroerbe, 4 auf baS Vaugemerbe,
3 auf ben Vergbau, 3 auf Väcferci unb Konbitorei, 2 auf Dtfcblerei,
1 auf ben VtaWincnbau unb 1 auf bie Seefdfjifffahrt entfielen.
Sieben biefer Streitigfeiten traten erft gegen Ablauf beS 3eitraumS
beroor unb fonnten beSbalb innerhalb beffelben nicht mehr gum
Austrag gebracht merben; bezüglich breier oon biefen ift fpäter,
mie nachträglich feftgefteüt morben, an ben Court of Arbitration
appeÜirt. Die übrigen 13 Säße ftnb fämmtlich auch an ben Court
of Arbitration gebracht, welcher über 11 bereits bei Ablauf beS
3abreS entfebieoen batte, mäbrenb für 2 bie Entfärbung noch
auSftanb. 3n 5 fällen batten bie Arbeitnehmer bie Entweihung
beS Diftrifts-EinigungSamteS für unannehmbar erflärt, in 2 Zöllen
batte bie ©efammtbeit ber beteiligten Arbeitgeber unb in 3 gälten
eingelne Arbeitgeber aus befonberen ©rünben bie Entfärbung oer«
morfen; in 2 gälten mar eine Ablehnung oon beiben Parteien er¬
folgt unb ebenfo auch in bem lebten, mobei aber beiberfeitig an-
erfannt mar, baß eine Entfärbung beS DiftriftS-EinigungSamtS
überhaupt unmöglich für beibe Parteien annehmbar fein fönne,
unb baß bieferbalb lebiglich ein SthiebSfpruch beS Court of Arbi¬
tration oon Außen fein mürbe.
ülterttrifd)* ^njetgen.
2)er Krieg. Von Sobann oon Vlodj. Ueberfeßung beS rufftWen
SBerfeS beS Autors: Der gufünftige Krieg in feiner tedjnifdjen,
oolfsmirtbfchaftlichen unb politischen Vebeutung. (Verlin 1899,
<Puttfammer u. SRüblbredjt, Vuchbanblung für Staats* unb AechtS*
miffenfhaft.)
Von ben 6 biefen Vänben, an benen ber Verfaffer 8 3«bre lang
gearbeitet bat, liegen uns Vanb 1, 8 unb 6 in beutfdjer Ueberfeßung
oor. Der erfte Vanb ift ber „Vefdjreibung beS KriegömecbaniSmuS"
gemibmet, her britte bebanbelt ben Seefrieg, ber Sdjlußöanb gießt bie
allgemeinen Schlußfolgerungen, befpricht namentlich bie öfonomifcb e u
Erfchiitterungen unb materiellen Verlufte beS 3 u f un ftofriegeS unb er¬
örtert bie ftrage oom internationalen ScbiebSgeridjt. §err oon Vloch,
beffen Söerf einen ftarfen Einfluß auf bie oom ruffifdjen Äaifer ins
Vterf gefegten internationalen Veftrebungen gehabt haben foll, gelangt
gu ber Uebergeugung: $er Ärieg märe unter jefcigen Verbältniffen ein
feagntß ohne Gleichen. $)ie V?affenbeere merben bic Verheerungen ber
fünftigen Schlachten nnb bie Unmöglichfeit, ben Vermunbeten mäbrenb
einiger Sage §iilfe gu Ieiften, nicht ertragen. Außerbem merben bei ber
jepigen 3ufammfepung ber §eere unb Der b eu ügen Kriegführung bie
Entoebnuigen, bie ein langjähriger Krieg mit fW bringen muß, Krauf»
beiten unb Epibemten in nie bagemefener Steife erzeugen. Unb meitn
auh bic .^>eere bieS Alles ertragen fönnten, bie Völfer merben bie
Stocfung aller ^robuftionSthätigfeit, bie ben Viaffen ben SebenSunter-
halt bietet, fWer nicht ertragen formen. 5)ie Unterbinbung jeben inter¬
nationalen VerfefjrS muß $ungerSnoth erzeugen. — $>ie „Sogiale
Vrajis" ift nicht ber Drt, mo biefe fragen gur ^isfuffton ftehen. Aber
fWer mirb jeher f^reunb ber Sogialreform, jeber Sogialpolitifer baS
merthoollc Vucfj beS VerfafferS mit Antheil unb Aupen Iefen.
Ku ft ermann, Dr. Aobert, $)aS 9Rühlengemerbe im rehtSrheinifhen
Vapern. (SRünchener oollSmirthfchaftliche Stubien. §erau$-
gegeben oon Sujo Vrentano unb SÖalther 2op. 80. Stücf.)
Stuttgart 1899, % E. Eotta’We Vuhhanblung Aachf. 74 S.
s PreiS 2 M.
3Benn es gtoeifelloS ift, fo refumirt ber Verfaffer feine Darlegungen,
baß ber Eetreibebau in Vaqem noch für längere 3 e tt ben Ermerb
eines großen SheilS ber Veoölferung biiben mirb, menn baber aud)
baS bringenbe Vebürfniß nach einer einheimifchen, leiftungSfäliigen
Vtüßerei befteßt, fo forbert es baS mirthfdjaftüchc mie baS fögial-
politifdje Sittereffe beS SanbeS, ber AuSbilbung einer folgen SKüfferei
bie größte Sorgfalt guguroenben. Dtefe aber fönnen nur größere,
tedjnifch gut auSgerüftete, faufmännifh rationell geleitete Vetriebe fein,
bie auch ihren Arbeitern entfpreebenbe ArbeitSbebingungen gemähren.
3cntfch, Karl, Aobbertus. Stuttgart 1899, gr. grommannS Verlag
(E. £>auff). 259 S. ^reiS 3 Ji.
Die Sebensgefchichte, bie öehre (in folgenbe brei AbWnitte ge«
gliebert: antife StaatSroirthWaft, VolfSmirthWaft ber Eegenmart,
StaatSroirthfchaft ber 3ufunft) unb bie Vebeutung beS VfanneS führt
uns ber Verfaffer oor. 2öir citiren bie Sdjlußmorte beS VucßeS: „Aicht
bie $fltd)t im Sinne berer, bie bem Volfe oerfünbigen, es fönne feine
Sage nur burch VflWterfüHung beffern, ift ber Stern, für beffen ©lang
AoobcrtuS bie Augen feiner jünger geöffnet hat, fonbern baS „ftrahlenbe
suum cuique", baS ben Aiadjthabern bie ^fließt auferlegt, ben
Unterbriidten Aecbt gu fhaffen."
gahrbud) für Eefeßgebung, Vermaltuug unb Volfsrairth-
fdjaft im Dcutfd)en Aeicß. 23. gahrg. £>crauSgegeben oon
Euftao Schm oller. 2. ^eft. fieipgig 1899, Duncfer & ^pumblot.
An größeren Aitffäßen enthält bieS £>eft: ^ir im engeren Sinne
fogiale Kriminalftatiftif als Statiftii ber AcchtSgüteroerleßungen. Von
Karl Seutemann. Ueber bas beutfehe Eelbmefen im Kriegsfall.
(Sdjluß.) Von SWoriß Ströll. Die obligatorifcße Kranfenoerfidjerung
ber §ausinbuftriellen. Von £. Steigert. Deutfdjlanbs Ianbmirth-
fchaftlidjer Vetrieb. Von Kollmann. Die mirthfd^aftliche Sage auf
Sarbinien. Von SJt. Elaar. Entmicfelung unb gegenmärtige Drgani*
fation ber englifdjeit gabrifinfpeftion. Von ^clene Simon. Die
Vebeutung oon Siibbrafilien für bie beutfehe Kolonifation. Von
K. Vallob. Die Crganifation beS grembljanbclö in Eßina. Von
g. Schumacher. 2ebenSoerfid)erung, Kapitalocrftd)eruug unb bie länb-
Hdje Veoölferung. Von Eranbfe. Dagu eine rcidjßaltigc Literatur-
überfihl- — ®aS tiädjfte §eft mirb am 6. Sitli b. ,^S. erfdjeinen.
BerantoorUt<$ für bie »ebaftton: Dr. dm ft grantle tn Berlin W., Baoreut^erftra^e 29.
BeranUüOutlieft jür Dte Hnjcigcn: 4>cüimttij öctbci, üctpjij. — «i-naa oou üuiufcv & vuuibioi, ßcipiifl. — ®ct>tuc!i bei 3 ultuS etttenfelb, Seclin.
VIII. goljrpus.
©erlitt, bett' 4. '3Wat 1899.
Stummer 31-
Soziale prajts.
{$mfra£ßCaft für ££>ogictrpoCifiü
mit ber SftonatSbellage:
Vas (Bewerbecjericht.
©rgan t>es Oerbartbes beutfcfyet (5en>erbegerid?te.
Sfleue g'Otge ber „Stfitter für fojtate sjßraytS* utib be8 „Sojintpolttifcfjen EentralMnttS*.
«rf4ci»t m Jckem ^)CtQU§geBer: VnU kiettel|ltrit4 2 ffl). KO et.
fRebaftfon: Sertin W., Sat)reutberftrage 29. Df. ItUp «ft Ult die. Verlag boit ®umfev & ^umbfot, Ccipjlg.
3ufcalt.
©rport unb kultur. ©on ©rof.
Dr. Söerncr ©ombart, ©reölau.
834
KHaenehie Ctatel* mm b
polttif.840
SlrbeitSfammern, ©erufflöer*
eine, Sfr id>ä*9lrbett8amt.
ßur ©leicfcbeTeditigung oon Slrbeit»
fiebern unb Slrbeiiem.
©in SBenfrepunft in ber fdjtoeigerifchen
©emerffdiaft&beroegung.
Siegelung ber SlrbeitSbebingungen bei
öffentlichen Arbeiten in granfTeid).
©ie grafte ber SUteröoerforgung in
in ©nglanb.
*»S<aIe Bultanbc ;.844
SÖfirttentbergifc&e Arbeiter«
HaudbaltungäbubgetS.
SlrbeitSmafc unb ©onntagSruhe ber
©ecunten unb Unterbeamten ber
Steicbfcpoft.
ffierpflanjung ber ^nbuftrie aufs ßanb
in ©aben.
©ogialöfonomifdje Slbtheilung ber
fßarifet 2Beltau$ftellung 1900.
Htttirtrbctotanaa.846
©et ©trei! bet belgifc&en Nob¬
len bergtoerfSarbeiter. ©on Dr.
©ufiaö ©tat) er, ©rüffel.
©et britte kongtefe ber ©e*
werffcbaften ©eutf djlanbfl.
©et ©ereitt für Hanblung&fotmni«
oon 1858 in Hamburg.
©ü cf erftreif in ©tünchen.
©egen bie Heimarbeit in ber ©ürften*
unb ©infelinbuftrie.
Agitation für ben 3 c Önftunbentafl in
ber Sestiiinbuftrie.
©ie djriitlicpen ©dhlädjtergefellen
©erlfnS.
3ur Stmtftunbenbeioegung in ©nglanb.
©ie Sobnbetoegung unter ben ©erg*
arbeitern bc8 frangöfifchen SHorb*
reüierö.
Ktbeiterfftv*.852
©orfdjriften über bie SUbeitSjeit in
©etreibeinütilen.
©djubborfdhriften für bie Arbeiter in
©homaöfchlatfemnüblen.
©rünbe für ben gefefelidjen einbeit*
lieben ßabeufdiluij.
SluS bem 3^breÖbericbt ber grabrif*
inipefiion für ÜKeiningen 1898.
Slbünbetung ber ©ebubborfebriften für
jugenblicbe Sltbeiter in Jytanfreicb.
Hunbelfigebilfenfcbub in Sluftralien.
«rbeüet&erfldjmina- ®par (affen 854
©tanb ber kranfenberfidjerung in
©eutfdjlanb 1897.
©ie Slufroeitbungen ber kitappf^aftfi*
beruf8genoffenf(baft für 18- 8.
SUterSoerforgung ber ©ifenbabn*
arbeitet in Ungarn,
ßur ©cbulfpatfaffenfragc in ©nglanb.
ttrbettinadMDei*.855
©roteft gegen bie Errichtung bon pari*
tätifeben Slrbeit«nadw>eifen.
©er SlrbeitSnacbmeiä ber gum „©erein
ber ©auereien ©erlinS unb ber Um*
gegenb" geböri eu ©rauereien.
SltbeÜSnacbroeife für lünblidje Arbeiter
in Sßreufjen.
SlrbeitSoermittelungS * ©tatiftif in
ßeft erreich.
kommunaler SlrbeitSnacbmeiS in
©ober.
©enoffenfdiaftdtpefen.857
ftünfgig 3abre beutfcheS ©enoffen*
fepaftömefen.
konfumbeteln „©oiloäTte" in ©reftben.
fBobnnagitoefen.858
SBobnungÄberbftltniffe ber ©ebienftetm
unb Arbeiter ber baperifepen ©taatö*
eifenbabnen.
3ur SBopnungdfrage in ßonbon.
frpeliiiie an» ©tibnug.859
HauSttif rtbfcbaftlicbe Unter»
Weifung in ber ©olfSfdjule.
©on ftranjififa &bneforge,
©olfÄfdmliebteiin in ©tedben.
Obligatorifjje ftortbilbungöfchule in
SDtagbcburg.
SUlnorifdc Mngetgen. 862
®t« 91ai*9lumme¥ ber ©eifage „tal ©eloerbegecidit^ toirb mit bev näcfcften
9? a mm ec ber „^oaiaten ©ra{i$" am 11. flFiai au0grgeben.
Kbbrncf fümmtlicbeT Ülrtifel ift 3 e ltungen unb 3 f itfdriften geftattet, febodh nur
mit boller ClueQenangabe.
(ffport unb Sulfur.*)
3Kein Sluffafe in 01 r. 24 biefer ^Blätter §at offenbar aum Waty
benfen angeregt unb f)at gezeigt, bafe ftd^ fdjeinbar fc§on oößig
erfd)öpften Problemen bei genauerem §infe§en boc^ immer «lieber
neue 0eiten abgeroinnen (offen. $>amit mar ba^ 3^ erreicht, ba3
ic^ ibm gefteeft ^atte. £atte ity boef) oor SlUem au cf) bureb meine
Anregung beroirft, ba& bie gu ermartenbe $robuftion8ftatiftif oon
oornberein unter einem frurfjtbaren ©eficbtSpunfte me^r, ber fonft
Ieid)t batte aufeer Siebt bleiben fönnen, roerbe betrachtet merben.
0Kan b°i jebotf) nicht burebmeg begnügt, meine Slu8*
fübrungen einfach ad notam gu nehmen, fonbern h a * i n oerfdjie^
benen 5^age§- unb SSocben[Triften meine Darlegungen gum Slnlafe
genommen, in weitere mirthfehaft^theoretifche unö mirthfehafts*
politifrfje Erörterungen mannigfachen Snhaltö eingutreten. S^h
hätte auch Slngefichts berartiger ^uhamoenbungen meiner 0ähe
noch feinen ©runb gehabt, ben ©egenftanb in einem groeiten Sir*
tifel weiter gu fpinnen, wenn nicht in bem 0Reinung3ftreite, ber
um meine Behauptungen entbrannt ift, fich fo eigenthümliche
©ruppirungen ber Parteien ergeben hätten, bafe leicht eine uner*
wünfcf)te Berwirrnng ber ©eifter barau§ h er °orgehen fönnte, ber
mit einigen erläuternben Söorten oorgubeugen ich hoch für meine
Pflicht halte.
$)ie „Sogiale ^ßrafiS" felbft hat in 0h\ 28 gwei Slrtifel oer*
öffentUcht, bie mit einem grofeen Slufwanbe oon Entrüftung fich
gegen meinen erften Sluffafe wenben.
3)en Singriff Dlbenbergg ^atte ich erwartet; ebenfo wie bie
freunblich anerfennenbe Erwähnung meiner Ergebniffe in ben grofc*
fapitaliftifchen Blättern (0?ationaIgeitung, Boffifdje 3eitung, Seip*
giger Tageblatt, Vieler 3eitung, Breslauer 3eitung n. Sl.). 1 ) Slngriff
oon bort, Saftia^ung oon hier ergängten einauber. Um fo mehr
war ich erftaunt, biefe oon mir erwartete ©ruppirung ber ©flacht*
orbnung an anberer ©teile burchbrochen unb gerabegu umgebreht
gu finben.
*) ©ergl. 0?r. 24 ©p. 684 u. ff., Sfr. 28 ©p. 745 u. ff. unb Sfr. 29
©p. 788 ber „©ogtalen ^rayt^''. ©eö Stauntet wegen finb wir genöthigt,
mit ben obigen StuSfüljrungen beö Herrn ^rofefforö Dr. SSerner
©ombart — ©reälau bie Erörterung gu fchlie&en. ©ie Steb.
*) SBenn mir ueuerbittgS biefelben ©lätter ober ©Iätter oermanbter
Dichtung (Sfationalgeitung, kieler 3 c i tun 9/ Berliner Sageblatt, ©Jünchener
9?eueftc 9fad)rid)ten, krefelber 3eitung, ©äugiger 3eitung, 9?eue Stettiner
3eitung, 9frue Hnmburger 3 ei tung, ©reolauer 2>< x orgengeitung u. a.) in
einem auf bie „ jmlianbelöforrefponbeng" gurücfget)euben Slrtifel ben ©or-
wurf machen, ich hätte „gäuglich unberücf|id)tigl gelaffen, bafe bie waeftfenbe
©eoölferung auch wachjenbe Einfuhrmengni noiljweubig macht, uno bafe
biefe Degaljlt werben muffen mit waihfenben Sluöfuhrwerthen/' fo fann id)
barauf nur erwiberu, baö ich bie in biefem ©apc behauptete Shatfadhe
für burd)auj§ richtig halte, ihre 9tid)tigfeit au% nie begweifelt habe,
„©änglich unberücffichtigt“ liefj ich fte in meinem Sluffaß — wie fo
manches anbere in biefer SBelt, was unfer 3ntereffe recht wot)l in Slu=
fpruch nehmen fönnte — weil fie wirfUdj gar nidjts mit meinem thema
probandum gu thun hatte- H eu t e lontnte id) ber aufgeworfenen grage
fchon erheblich näher wie neulich, wo fie mir gang fern blieb unb
bleiben foflte.
835
©ogiale $raji3. dentralblatt für ©ogtalpoütif. Ar. 31.
836
Der groeite Artifel in Ar. 28 ber „©oralen ißrafiö", ber fid;
gegen meine Ausführungen menbet, fomrnt aus bem Vureau ber
dentralfteße für Vorbereitung ber £>anbelSoerträge, alfo oon gut
fapitalifiif4'h a nbelSoertragSfreiinbIt4cr ©eite, dr ftammt aus
ber geber eines langjährigen ©4ülerS oon mir, ber eigentlich
hätte miffen follen, roie ich thatfächlid) $u beit oon ihm ange*
fchnittenen gragen ftehe, bem aber meine Ausführungen hoch
3meifel erzeugt gu ha&en fcheinen unb groar fogar nicht einmal
unberechtigte, Denn roährenb ich folchermafeen oon einer mir in
allen entfcheibenbcn fragen ber 5Sirtf)fd)aftöpoIitif burchauS oer*
roanbten ©eite 1)tv angegriffen roerbe, finbe id) mich als ©eroährS*
mann citirt oon ber „$reuggeitung" in einem längeren Artifel ihrer
Ar. 145, foroie in einer Aeihe anberer mehr ober weniger agrarifth*
mittelftanbsfreunblicher Vlättcr, für bie ich bisher ftets noch bie
bete noire geroefen bin. Unb auch roiffenföaftlich gegnerifcher
©eite, oon einem ©eiehrten, ber, roie er auSbrücflich su bewerten
für nothig halb S u meinen Anfdjauungen fich „im ilebrigen im
entfchiebenften ©egenfape befinbet", oon ©eorg oon 9Rapr, roerben
bie drgebniffe meiner Unterfujhungen banfbarltchft als pro*agrarif4e
Argumente regijtrirt, bie geeignet erfcheinen, „bie ©egner einer oer*
nünftigen, agrarifchen ©djuppolttif aus ber Vofition (gu oertreiben),
welche fie in ber übermäßigen Vetonung ber ©jportinbuftrie ge*
funben gu halben glauben" (ogl. Veilage gur Allgemeinen 3eiiung
oom 19. April 1899).
ds fcheint unter biefen Umftänben roünfchenSroerth, ben ©tanb
bergrage noch einmal genau gu prägiftren unb bet biefer ©eiegen*
heit auf bie Angriffe gu antworten, bie meine Ausführungen er*
fahren haben.
Da ift benn gunächft einmal gu unterfdjeiben groifd^en bem,
roaS ich behauptet hatte, unb ben ©chlufcfolgerungen, bie Anbere
barauS gegogen haben.
Eigentlicher 3nhalt meiner Darlegungen roar bie geftfteßung
ber Dbatfadje, ba& unfer djport ftd) in ben Sahren oon 1882
bis 1895 iangfanter eutroicfelt habe als bie geroerbliche Dhätigfeit
überhaupt. Söenn biefer Dhefe gegenüber bie „Deutfcfje Qnbuftrie*
3eitung" in ihrer Ar. 12 behauptet: feit 1895 fei baS oon mir für
bie oorhergehenbe 3 e ^ richtig fonftatirte Verhältnis oerf(hoben,
benn feitbem habe ber dfport einen erft recht fräftigen Auffchroung
genommen, fo fann ich barauf nur erroibern: Das ift möglich,
aber einjtroeilen nicht erroiefen. gut Ilebrigen begroeifele ich bi*
SRichtigfeit ber Vehauptung ber „Deutfdjen 3nbuftrie*3eitung" gang
entfehiebett. Vknn feit 1895 ber dfport rafdj geroachfen ift, fo
eben in noch rarerem Dempo bie geroerbliche Vrobuftion über*
haupt: gerabe in baS lepte halbe Qahrgehnt fällt ja gutn großen
Stljcil jene riefenhafte AuSbcbnung aßer inbuftrieUen Dhätigfeit,
oon ber ich fprad). £>ätte ich ben dinroanb ber „Deutzen 3n*
buftrie*3eitg." oorhergefeljen, fo hätte ich meine Dhefe mit 3iff ern
belegt, bie bis 1898 reichen, greilid) oerlaffen uns h^r bie gu*
oerläffigen Daten ber VerufS* unb ©eroerbegählung unb roir finb
noch mehr auf eine fpmptomatifche VeroeiSführung angeroiefen.
Diefe allerbingS läßt fid), roie mij fcheint, mit Üeidjtigfeit für bie
SRichtigfeit meiner Dhefe oon ber faßenben (Importquote auch nach
1895 antreten. 34 miß mich h^r auf bie Angabe folgenber
3iffern befthränfen, bie ich gerabe gur «£>anb habe. 3unäd)ft fon*
ftatiren roir roieberum baS 3wmad)Sprogent beS djportS: es beläuft
fich in ben Salden 1895 bis 1898 auf 17o/ 0 . Diefer djport*
fteigerungSgiffer fteße id) nun aber g. V. folgenbe fpmptomatifrf)
bie' ©teigerung ber ©efammtprobuftion einftroeilen prooiforifch
gum Auebnicf bringenben 3 a hien gegenüber:
Der dlearingoerfehr bei ben gehn AbrechnungSfteßen ber beut*
fdjen $Reid;Sbanf betrug:
1895 = 21,2 SRißiarben 3J?arf,
1898 = 27,9
ftieg alfo in ben brei 3abren um 6, 7 SRißiarben Warf = 31 /4 %■
Die ^robuftion an Vraunfohle unb ©teinfohle in Preußen
erreichte:
1895 bie SRenge oon 92,: WiQioucit Tonnen,
1898 * e s 115,6 * *
(nadj oorläufigcn SRittljeiliingen),
ftieg alfo in ben brei fahren um 22, ■> SJiißionen Donnen = 21/., o/ 0 .
Die SRohcifencrgeugung betrug:
1895 (und) ber aintlidieii ©tatiftif) . 5 454 501 t,
1898 (imrf) ber ©tatiftif beS Verein*
bcutidicr difen* u. ©taljlinbnftrtrllcr) 7 402 717 =
ftieg alfo in tiefem 3eitraum um 1,04 Wißionen Donnen = 35,5 o/ 0 .
Giiblid) — unb oor Aßetn — fei noch ber ©rünbungSfummen
ber Aftiengefeßfchaften in biefen Sahren beS AuffchroungS fonber*
gleichen drroähnmtg gethan. Aa4 einer 3 u fammcufteßung beS
„Dentfchen Dcfonomift" betrug baS Aftienfapital ber neugegrünbeten
©efeßfehaften:
1895 = 250,7 SRißionen SRarf,
1896 = 268,6
1897 = 880,5
1898 = 468,6
alfo burchfchnittlich pro Safjr in biefem 3 e üraum 340, 8 SRißioncn
3Rarf, roährenb es im Durchfchnitt ber Sahrc 1882 bis 1894 nur
130,9 Vlißionen Vtorf betragen hatte.
Von biefer AuSfteßung ber „Deutfchen 3nbuftrie*3eitung" ab*
gefehen, ift bie oon mir behauptete Dhatfache oon Dlbenberg
a. a. £5. in ihrer SRichtigfeit angegroeifelt roorben. Die oon Oben*
berg gegen mich angeführten ©riinbe finb aßerbingS eigen*
artige, dr roenbet gegen meine Ausführungen hauptfächlich gol*
genbeS ein:
1. Da& bie „fchexnbare Abnahme ber Ausfuhr" (NB. bie ich
nirgenbs behauptet habe) burd) ben Vreisbrucf bebingt fei. 34
habe aber gar nicht Ausfuhr io er te, fonbern abfichtlich Ausfuhr*
mengen gum Veroeife hcrangegogen.
2. DaS jene „fcheinbare Abnahme ber Ausfuhr" (f. o.) ferner
bebingt fei burch ben Eintritt Hamburgs unb VremenS in baS
3oßgebiet. Verftehe ich nicht. 2öaS in ber Ausfuhr aus bem
heutigen 3 °Ö 9 ^iet na4 1888 oerfdjroanb, roeil es in Vremen
ober Hamburg oerblieb, tauchte bod) in gleich h°()em Vetrage
roieber auf burch bie §>ingufügitng ber Ausfuhr aus Vremen
unb Hamburg.
3. DaS Die dyportgiffem gar nicht ben Umfang ber beutfeben
dmportinbuftrie auSbrücfen, fonbern gum großen Dheil bie dr*
geugniffe nicht inbuftrießer (alfo agrarifcher?) Vrobuftion feien.
Der gange dtnroanb träfe mich auch bann nicht, roenn er richtig
roäre: Denn ba bas Verhältnis groifd)en bem Anteil ber 3« s
buftrieprobnfte unb bem ber anberen Vkiaren ein annähernb gleiches
fein roirb, ift man roohl berechtigt, bie ©efammtgiffer ber Ausfuhr
gum Vergleich h er angugiehen, um bie Veroeguua beS Sabuftrie*
eyportS uachguroeifen. 9?un ift aber ber dinroano SDlbenbergs gu*
bem noch faffd>. Dlbenberg fcheint geneigt gu fein, bie Vkrttje Der
ausgeführten „SRabrungS* unb ©enuSmittel" (im 3al)re 1897 =
ca. 500 Vtißionen 3)2arf) unb ber „getoerblicheit SRohftoffe" (815 V?tl*
lionen Warf) oont Üonto ber dyportinbuftrie abfepen (unb bem
beS AgrarejportS gutfeh»eiben?) gu roofleit. SRichtS irrthümücher als
baS. Vielmehr gehört ber iiberroiegenbe Dheil ber oon ber ©tatiftif
unter ben fategorien „SRahrungs* unb ©enuSmittel" unb „$Roh s
ftoffe" gufammengefaSten AuSfuhr»V3aaren gu ben drgeugniffen ber
„(^portinbuftrie", richtiger gefprochen ift baS ^ßrobuft geroerblicher,
b. h- ftoffoerebelnber Arbeit. Unter jenen ausgeführten „SRoh*
ftoffen" befanben fich (1897) £ohle unb ÄofS für 170,2 Viißionen
ÜRarf, 3inf für 17, fi , Tupfer für 7, s , bioerfe drge für 13, 7/
dement für 18,o 3Rißionen 9Rarf, u. A. geroerblidje drgeugniffe;
roahtfeheinlich au<h bie „einfach bearbeiteten ©egenftänbe" ber
©ruppe IX mit einem Berthe oon 227, 5 SRiflionen Viarf. dbenfo
finb aber auch meiften gum dyport gelangenben „ s J?ahrungS*
unb ©enuSmittel" fo gut drgeugniffe oon „dyportinbuftrien", roie
irgenb eines ber ftatiftifchen „gabrifate". 34 erinnere an ben
3ucfer mit 229,9, SReiS mit 27, 5 , an baS 3Rehl mit 21, 4/ baS Vier
mit 19,o, ben Vranntroein mit 9, 5 Wißionen 3Rarf. 2 )
4. begeichnet es Dlbenberg als „irre führenb", roenn ich bie
d|portgiffern „nicht mit bem Umfange ber gangen beutfehen Volfs*
roirthfd)afh fonbern nur mit bem ber 3nbuftrie" oergleiche. Der
©d)elm giebt mehr als er hat. 34 bin ni4t im Vefipe oon
3iffern, roel4e ben „Umfang ber gangen beutf4en VolfSroirthf4aft"
gum AuSbrucf bringen, roel4er Vegriff im Uebrigen ein rei4li4
unflarer unb oerf4rooinmener ift.
Die grage, roomit man bie AuSfuhrgiffern oerglei4en muffe,
hat au4 Anbere bef4äftigt unb ihnen gu fritif4en 9ianbgloffen An*
laS gegeben.
Vorgins roünf4t eine Vergleichung mit ben ©efammtgiffern
beS ©elthanbelS; ober: mit ben Seifern früherer 3^tläufte, um
bie 3nroad)Srate feftgufteßen; bie „Deutf4e 3nbuftrie*3eitung" roill
bie AuSfuhrgiffern auf ben Stopf ber Veoölferuna bere4uet unb
bie fo gewonnenen 3iff c ™ für bie oerfchiebenen Öänber mit ein*
anber oerglid)en feljen. AU bas finb oößig bere4tigte 9Rethoben,
beren Söerth befttmmt roirb bur4 ben 3n>ecf, bem fie bienen fotten.
giir meinen 3 roec f konnte nur meine Vere4nungSmetl)obe in
a ) dine äfjnlidje Verroccbfelung, rote fie Clbenberg in biefem gnße
paifirt ift, bat ihm Voigt fdjoit in ber Ar. 29 biefer Vlätter nach-
geroie|eit.
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©oktale SßrajiS. ©entralblatt für ©ogialpolttif. Nr. 31.
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Sragc fotnmen; bcnn mein 3wä mar lebiglidj ber: einen objef*
tioen SNaßftab für bie Bemeffung einer gunäcßft gang gufammen*
hanglos feftgufteEenben Dßatfache gu geroinnen.
2Sie biefe £f)at[atf)e felbft, fo bemängelt Dlbenberg nun meiter
auch bie oon mir gu ihrer ©rflärung angeführten ©rünbe. dagegen
bemerfe ich gunädjft, baß ich nicht im ©ntfernteften baran gebadet
habe, bie öfonomifche ©ntroicfelung DeutfcßlanbS im lebten SNenfchen*
alter theoretifcf) gu begrünben. Das h^ß* eine ^^eorie beS ge¬
werblichen Kapitalismus unb feiner ©ntroicfefungstenbengen fchreiben,
bie in Jenem ©ffai ficher nicht am Blaße mar. Die Bewertungen
am ©cßluffe foEten nur bagu bienen, bie frappirenbe 3:£jatfache
einigermaßen plauftBel gu machen, baß mir eine roachfettbe Angaßl
geroerblicher Arbeiter in unferer ©tatiftif regiftrirt finben, troßbem
baS $luö nicht auSfchließlid} für ben ©jport arbeitet. Dbroohl
nun Dlbenberg biefen $inroeiS als theilroeife berechtigt anerfennt,
glaubt er hoch meine ©rflärungSoerfuche bemängeln gu fallen. 3<h
hatte hingeroiefen:
1. auf ben noch immer fi<h ooEgiehenben Uebergang oon
bau8geroerbli<her gu berufsmäßig gewerblicher Dhätigfeit Dlbenberg
bemerft bagu: Diefer Uebergang ooEgiefje fich auch auf bem ©e*
biete ber agrarifchen ^robuftion. ©eroiß, nur mit bem Unter«
f «hiebe, baß ber frühere geroerb liehe ©igenprobugent ab folcher
in ber ©tatiftif ab ©eroerbetreibenber eift erfcheint, nachbem er
bie ©phäre ber ©igenprobuftion oerlaffen hat, roährenb bie ©tatiftif
ben Bauern ebenfo ab folcheit gählt, roenn er für beit eigenen ober
für fremben Bebarf arbeitet. Aufhören ber geroerblichen ©igen*
probuftion oermehrt bie 3ahl ber geroerblichen Brobugenten in ber
©tatiftif; Auf hören ber agrarifchen ©igenprobuftion nicht bie ber
Ianbroirthfchafttichen Beoölferung.
2. hatte ich behauptet, baß „ber gunehmenbe Komfort ber
fiebenshaltung 8 ) mehr bie Snbuftrie ab bie ßanbroirthfehaft be«
fchäftige", ohne eS gu beroeifen, meint Dlbenberg. Nichtig! Denn
es ift notorifch, oom Augenfcßeine in jebem Momente erfaßbar.
3<h hatte beSßalb auch nur gefagt: „man roerbe fich boeß enblich
einmal flar, baß" . . .
3. hatte i<| auf ben Briefe hingeroiefen, burch ben bie
organifirte SNaterie oon unferer Decßnif mehr unb mehr ent*
behrlid) gemacht roirb. Dlbenberg beftreitet auch bie Nicßtigfeit
biefer Beobachtung. 2öaS er bagegen anführt, beruht gunäcßft auf
ber Berroecßfelung oon „organifchen ©toffen" unb „organifirter
Ntaterie". Seicht mir geht alfo roie er meint „bie ©cheibung oon
Brobuftion organifcher unb unorganifcher ©toffe burcheinanber mit
ber ©cheibung oon Urprobuftion unb ©toffoerarbeitung", fonbern
meinem Kritifer bie ©cheibung jener beiben toto coelo oerfdEjiebenen
Begriffe, beren Unterfcfjieb ihm jeber ©hemifer roirb auSeinanber*
feßen fömten. 2Benn er fobann bie Berroenbung oon ©ellulofe an
©teile oon ßumpen bei ber Bapieroerarbeitung als ©egenberoeis
gegen bas oon mir aufgeftellte „©ntroicfelungSgefeß" anführt, fo muß
ich ihn barauf ßinroeifen, baß ßumpen aus BaumrooE*, glachS*,
£>anf* ober 3utefafern, begro. aus ©oüe beftehen, alfo ftets ebenfalls
beS DrganifirungSprogeffeS ber Statur bebürfen, fich fomit pringipieH
in nichts oon ber ©eflulofe unterfcheiben. Daß bei gunehmenbem
SReichthum mehr Nahrungsmittel fonfumirt roerben, hat mit jenem
„©ntroicfelungSgefeß" ber öfonomifchen Decßnif nichts gu thun.
©ooiel über bie oon mir feftgefteHten Dhatfacßen. Nun aber
lugt bie Srage gum Senfter herein: 3öaS ift bamit beroiefen?
3unä<hft roirb burch meine Bestellungen — unb baS ift
oieEeicßt baS aEerfchlintmfte — an ben ©djulbegriffen unb ©<hul*
auSbrücfen „©jportinbuftrieftaat" unb „Snbuftrieftaat" gerüttelt.
3<h beutete feßon in meinem eilten SXrtifel mein NiißfaEen über
jene Begegnungen an unb roill bie bort ßingeroorfenen Bemerfungen
bahin ergängen, baß ich es für außerorbentlicß roünfcßenSroerth
halte, jene alten Snoentarftücfe auSgumergen. SBeii fi<h fein irgenb*
roie beutlicßer ©inn mit jenen AuSbrücfen oerbinben läßt, ift es
beffer, fie in 3 u funft — roenigftenS in ber roiffenf(haftli(hen Dis*
fuffion — gang gu oermeiben. 3« biefer Auffaffung haben mich
bie AuSlaffungen beS Dr. BorgiuS unb DlbenbergS roefentlich be*
ftärft. BorgiuS roiH einen „tnbuftriellen ©yportftaat" bort
erbtiefen, roo fich in bem BSirtbfcßaftSleben eines ßanbeS eine An*
gahl oon 3nbuftriegroeigen oorfinbet, roelche roeit über ben Bebarf
beS inneren NiarfteS hinaus roefentlich unb oorroiegenb für bie
Ausfuhr probugiren. 3ft baS roirflich eine annehmbare Definition?
3 ) gm roeitfften ©inne genommen, roogu auch betfptel^roeife bie oer*
ooöfommneten SDJarterroerfgeuge eines 3 a b nar 5 teS ober Chirurgen, ber
miffenfchaftliche Apparat beS BhnfiferS, ©ijenttfers, Bhnfiologen unb
taufenb anbere ©ebiete ber ©achgüterroelt gehören, bie nicht eigentlich
„Annehmtichfeiten" ergeugen.
fehlt ihr nicht oöttig baS quantitatio Beftimmenbe, worauf eS hoch
eigentlich anfommtr ©aS ftnb „Snbuftriegroeige"? Äach ben
^Borten beS Dr. BorgiuS roar baS friberigianifche B reu 6«a mit
feinem ßeinroanbefport ebenfo fehr inbuftrieüer „©jportftaat" roie
baS h^wti0 c ©nglanb. Unb ift es baS heutige Italien mit feiner
Ausfuhr an Deytilroaaren, Btöbeln, ©dpefel, ©tro£)gefIecf)ten u. A.
nicht minber als Deutfchlanb. 3<h flare mit biefer Begeidjnung
alfo nicht auf; ich oerbunfele nur. 3<h brauche fie aber auch fjar
nicht, um baSjenige auSgubrücfen, rooran mir gelegen ift: nämlich,
baß ein ßanb fo unb fo oiel 3nbuftriegroeige befißt, bie für ben
©jport arbeiten, baß biefe bie unb bie SSerthfummen probugiren
unb baß baS betreffenbe ßanb um ben unb ben Betrag an ©ütern
unb SSerthen in bie Bkltroirthfchaft einbegogen ift.
Sioch oiel weniger brauchbar ift aber bie Definition, bie
Dlbenberg oom „3nbuftrieftaat" giebt, beffen ©barafteriftifura
er „nicht foroofjl im Ueberroiegen feiner inbuftrietten Beoölferung
als in feiner elementaren Unfelbftftänbigfeit: in ber 3«>angSlage,
einen erheblichen Dheil ber unentbehrlichften Bebarfsartifel (alfo
in erfter ßinie ber Nahrung) oom Auelanbe gu begiehen."
9BaS ift ein „erheblicher Df>eil" fage ber Nahrung; Nahrung
für lOOOO, für 100 000, für 1 000 000 9Renfcf)en? 3talien, biefeS
©chulbeifpiel für einen fog. Agrifulturefportftaat importirt nie
weniger als */io beS beburften 33rotgetreibeS, in 3ab r *n fnapper
©igenernte bis gu Vs (1892 Brobuftion: 31,7/©infuhr: 10,» Millionen
D. ©tr.). 3ft eS nun ein „Snbuftrieftaat" im ©inne DlbenbergS?
SBaS aber finb „unentbehrlichfte Bebarfsartifel"? Die 9teh*
rung. Aber für roieoiel Berfonen? unter 3 u 9 ru nbelegung welcher
BeoölferungS*3nroachSrate? Unb roaS für föaßrung? Brot? ober
auch bie Bhirft bagu? aber warum nicht bloß Kartoffeln ? ©icherlich
würbe Deutfchlanb auf 3^hre hinaus noch „elementar felbftjtänbig"
bleiben, roenn eS allgemein gur Äartoffelnahrung überginge.
Dlbenberg roirb einroenben: Der Begriff ber „unentbehrlichften
Bebarfsartifel" fei ein fnltureller, fein phpfiologifcher ähnlich
roie bas „©jiftengminimum" im „ehernen ßohngefeß" feligen An*
gebenfenS. Aber bann fomme ich hoch bagu auch alle quaufigirten
©enußmittel — etroa fämmtliche Kolonialen — gu ben „un*
entbehrlichen BebarfSartifeln" gu rechnen. Unb warum beim
bann immer biefe Befcfjränfung auf SfahrungS* unb ©enußmittel?
3ft g. B. baS ©ifen für 3talien weniger unentbehrlich als für uns
etroa amerifanifcheS ©chroeinefchmalg? Unb ift für ein irgenb*
roelcßeS Kulturbafein ein BeleuchtungSftoff entbehrlicher als ein
Nahrungsmittel? Bon ben BerfeinerungSmitteln beS ßebenS gar
nicht gu reben.
3ener Borftettung oon „unentbehrlichften BebarfSartifeln" liegt
immer noch bie Meinung gu ©runbe, als ob eS oor AEem auf
eine Bfenfchengüchtung, eine DafeinSfriftung anfäme. 3ft benn aber
roirflich baS Bißchen Seben fo oiel Aufhebens roert|? ©eroinnt
eS nid)t oielmehr an Bebeutung erft in bem SRaße, roie eS reicher,
behäbiger, üppiger roirb? Navigare necesse est, vivere noo est fteht
über bem £>aufe ©eefahrt in Bremen: ein in leßter 3«t oft citirter
©pruch, ben man auf unferen finngemäß in ber Bkife an*
roenben fönnte, baß man fagte: ein paar Daufenb SRenfthen mehr
am ßeben gu erhalten ift roirflich nicht fchlechthin nothroenbig,
wohl aber, baß biejeniaen, bie nun einmal bie Bürbe beS ßebenS
gu fchleppen höben, biefeS mit möglichfter Bermeibung aEgugroßer
äußerer Sftiföre oermögen. SBie oft ift es auSgefprochen roorben,
baß ein behagliches £>eim, b. h- alfo eine ©umme gewerblicher
©rgeugniffe, für baS Dafein beS ERenfchen nicht weniger unent*
behrlich fei als eine angemeffene Nahrung: nokig . . ou<m rob
£& Cp evexa".
N?it einem Begriffe alfo, ber auf fo unbeftimmten BorfteEungen
roie „unentbehrlichfte Bebarfsartifel", „erheblicher Dheil" zc. [ich
aufbaut, läßt fich flaitg unb gar nichts anfangen. Der „Snbuftrie*
ftaat" ift ein ebenfo ungliicflicher AuSbrucf roie ber „©yportftaat".
Nun aber hanbelte eS fich in ben ooraufgehenben AuSeiuanber*
feßungen mit Dlbenberg feßon um roeit mehr als um bie Srage
nach einer richtigen AuSbrucfSroeife. SNeine Kritif beS Begriffes
„Snbuftrieftaat" hat meinen ©tanbpmtft roohl gur ©enüge d^araf*
terifirt, ben ich einnehme gegenüber ber oon Dlbenberg oertretenen
Auffaffuitg oon ber Beben flieh feit unb ©efährlichfeit einer ©nt*
roicfelung,' bie gu jenem fog „Snbuftrieftaat" hinführt. Das 2öort
in bem oon Dlbenberg ißm beigelegten ©inne oerftanben, alfo
richtiger einer ©ntroicfelung, bie uns in fortfehreitenbem 3Jtaße „oom
AuSlanbe abhängig" macht, roie ber anbere DermittuS lautet. SBeil
man offenbar in biefem Bnnfte mir eine gang anbere Auffaffung
imputirt hat, fo roiE ich meine roirflicße Auffaffung noch einmal
bahin prägifiren, baß ich f a ße: ich halte bie ßeßre oon einer
benfbaren nationalen ©elbgeitügfamfeit moberiter Kul*
889
©ogtale SßraxtS. Eentralblatt für ©ogialp oltttf. Nr. 81.
840
tnrftaaten für eine bcr unflarften utib gefährlichften
Utopien, bie jemals oerfünbet roorben finb. ©elbft*
perftänblid) ift baS 3Raß oon „Abhängigfeit" oom AuSlanbe, roie
eS g. 5ö. deutfdjlanb gur 3^it aufroeift, baS Ntinbeftmaß unb es
roirb btefe Abhängigfeit, insbefonbere auch roaS bie fo feßr ge*
fürchtete Abhängigfeit in ber Ernährung betrifft, oon Saht ju
Safjr roachfen; warfen tnüffen bei ©träfe fultureßen Skrfaßs.
Ebenfo mie prioatroirthfchaftlirf) „unabhängig" nur ber eigen
roirthl^aftenbe, bäuerliche ^albbarbar ift, fo oolfsroirihfchaftlich
nur eine Nation, bie auf iebe Entroicfelung gu ^öfjcrcn formen
beS dafeinS oergidjtet. Eine oolle Entfaltung ber probuftioen
Kräfte ift in beiben Säßen an eine fortfcfjreitenbe ©pegialifirung
ber ßeiftungen gefnüpft. Auch für bie SBegieljung ber Nationen
untereinanber gilt ber ©ab, baß bie Entroicfelung gu höhnen
dafeinSfonnen ibentifd) ift mit differengiirung unb Sntegrierung.
diefer ©ab mürbe aud) bann an SRic^tigfeit nicht ein«
büfeen, menn thatfächlich im Verlaufe biefer Entroicfelung aß bie
Gefahren brohten, bie bie nationalen ©elbftgenügler oorßerfehen:
Hufhören ber NaßningSgufuhr, 33erfd)ließuitg ber Abfapgebiete für
unfere 3nbuftrieergeugniffe. diefc ©efaßren befteßen nun tßat*
fächlid) aber nur in ber Einbilbung jener t'eute, mie ich cor Sahren
fchon einmal ausführlich nachguroeifen oerfucht habe. 4 )
Unb ber hanbelSpolitifche ©tanbpunft, ber fich aus biefer
^Beurteilung ber dinge mit Nothroenbigfeit ergiebt? 3<h benfe, er
!ann nicht gmeifelhaft fein. Es ift ber ©tanbpunft, ber burch bie
Uebergeugung gefcnngeicßnet roirb, baß bie beutfcfje £>anbelSoertragS*
politif burchauS bie richtige ift unb baß eine Erneuerung ber
§anbelSoerträge, begm. eine Neoifion in exportfreunblicßer, alfo
menn man miß, freihänblerifcher Dichtung baS 3j c ^ einer gefunben
t anbelspolitif ber 3ufunft fein müffe. Alfo görberung unfereS
rports, fei es meil er in großem Umfange oorhanben ift, mie
Dr. 33orgiuS meint, fei es, „meil ein Vergleich mit hodjentroicfelten
Snbuftrielänbem geigt, baß mir uns mit unferer Ausfuhr noch
lange nicht bie uns jufommcnbe ©teßung auf bem ©eltmarfte er«
rungen höben," mie Sie „deutfcße 3nbuftrie*3eitung" bemerft. Uitb
am lebten Enbe aus bem ©runbe, roeÜ mir gunehmenben Exports
bebürfen aus — ©elbfterhaltungSgrünben. die ©elbfterhaltung
4 ) Eber taffen fich oermeiben. 9Bie g. B. bie Erfdirocrung ber
NahrungSgufupr im Kriegsfälle burch oorfurglidje 9Ragagimrung oon
©taatSroegen. das Non plus ultra oon ©cßtoargmalerei, baS mir in
leptcr 3eit oorgefommen ift unb baS an büfterer ©timnumg faft noch
bie Manien Elbenbergs übertrifft, finbct fich in bem citirtcu Artifel
©. oon SNaqrS. danach führt eine nicht agrarifrf»=fchitfegollnerifche
tanbelspolitif — oon SWapr nennt fie „foSmopolitifdje ^irthfchaftS*
politif" unb uns, bie mir fie oertretcn, bie „reinen 5Sdtmirthf<haftler"
— gerabenroegs in einen 3uftanb hinein, mie mir ihn uns etma als
ben ber lepten 2Jteitfdjen nad) ber Bereifung ber Erbe oorftetten: menn
heruntergefontmcne unb gerlumpte Eefdjöpfe fid) um bie lepten paar
Knochen unb SBurgeln bie Köpfe blutig fcßlagen. SOJan höre, meffen
mir uns nadj oon SRatjr gu gemärtigen höben: „bas Acferlaub müft
unb oerlaffen, Dörfer unb £>öfe gerfaßen". Jn ben ÖJrojjftäbtcu eine
Snbuftriebeoölferung, bie „mit Hufgebot aller Kräfte (!) burd) Export*
inbuftrie bie billigen frcntbeu Nahrungsmittel gu gcminucn fuchh" babei
aber einem unoermeiblidjeu Serarmüngsprogeß anheimfällt. ^Tenn eS
ift flar, meint nufer (Gewährsmann, baß ber Niicfgaug ber Pänbwirtl)*
fdjaft ben ArbeitSmarft gu llngnnften ber ftäbtifdjen Arbeiter fortbauernb
oerfdjled)tert, bie Lebenshaltung ber gefammten Hrbcitcrfdjaft alfo fenft.
da man nur nod) barauf finncn muß/ bie ^robuftiousfoften gu oer*
billigen, um auf bem SScltmarfte ©iegcr gu bleiben, fo wirb allmäljlidj
„auf bie gange Hrbeiteroerfidjcrimgogefepgcbung unb fdjüefjlid) aud) auf
bie Hrbeiterfdmpgefcpgebung (!) oergidpct merben (miiffeni unb nicht
minber auf bie Koalitionsfreiheit ber Arbeiter, wcldje gur ©Icigeruug
ber Lebenshaltung unb ber Löhne ber Arbeiter führt". Ter l^erfaffer
hätte gur ^Huftratiou nur nod) nöthig gehabt, etma auf bie Gebens*
haltung bes englifdjen unb fdjmcigerifdieu Arbeiters hiugumeifeu unb
fie in ^erglcid) gu fteflen mit bem fpanifdjen, italicnifdjen unb ruffifcfjen,
um bie 9Hd)tigfeit beS ©apes gu oölliger Eoibcng gu erheben, bafj gu=
nchmeubc meitmirthfdjaftlidjc ^erfdiliuguiig einer Nation mit 9toth*
meubigfeit gum 9tuin bcc> ^olfsreid)thuins, gu Eleub unb Hiivbeutung
ber SDiaffen führt. 3d) meine, mir „reinen 'Bcltmirthl'djaftler" folltcn
für berartige Huslaffungcn loic bie oon SJfaijrs baufbar fein, ©ie
geigen in ihrer Uebertreibung, bie gerabegu einen ©tid) ins Komifche
befomntt, mit mie biirftigeu Hrgumenteu bie Gegner fedjten. ^m llebrigcn
mug id) mir an biefer ©teile uerfagen, fo reigooll cs märe, HngefidjtS
bcr ^ebiutuug bes (Gegners, bie gahüofen orrthümer oon 3)fai)rs im
eingeluen gu miberlcgru. ^iclleid)! bietet fid) fpäter einmal bagu eine
beffeic (Gelegenheit. — Turchaus in meinem Sinne finb bie Ausführungen
Ernft oon .ftallc’s im Aprilheft ber „'‘prcufjifdien v uihrbücher", mie
ber 'üierfaffer audj ausbriidlid) heroorljcbt. 3?ou einer (Gegenfäplid)feit
gu mir, ober einer „Auseinanberfepung" mit mir, mie bie i’ofener
Leitung in ihrer Hr. 278 behauptet, ift tu jenem Artifcl abfolut uirf)ts
gu fittben.
freilich nicht nur Begogen auf bie notdürftige gfütterung unfereS
KabaoerS, fonbern auf bie immer reichere ©eftaltung unfereS
SDafeinS als beS T)afeinS feinneroiger Kultu^menfchen.
Unb ber gange fchöne 9?achmeiS ber „faßenben Exportquote"?
©aljrbaftig, ich foflte meinen, es fei oon oornherein beutlich
genug geroefen, melcher Sluffaffung er gu bienen berufen mar.
$>od) eben feiner anberen als ber im SBorftebenben entroicfelten.
Wogegen ich mich in ©ebanfen oor Hßem roanbte, mar baS alte
griesgrämige S)ogma, baS lange 3^it bie ©ogialbemofratie oertreten
hat unb baS ihre orthoboren Parteigänger mohl noch h^nte oer*
treten, baS bann oon Agrariern unb §od)fd)upgößnem auf*
genommen unb neueftenS oon Obenberg roi|fenfd)afilich gurecht
S “ ft ift: nach & cm unfere öfottomifche Enhoicfelung in ber
oerlaufen foß, bafe unfere Snbuftrie, meil fie im 3nlanbe
feinen Hbfap finbe, megen beS UnterfonfumS ber arbeitenben
Klaffen, roie bie einen meinen, roegeit ber geminberten Kauffraft
ber notbleibenben fianbroirthe, roie bie anberen behaupten, ben
SSeltmarft abgujagen genöthigt fei, um fi<h Hbfap gu oer*
fchaffen, bafg biefer aufgegmintgene Export bie SRotbroenbigfeit er*
geugt höbe, frembe Nahrungsmittel dreingubringen unb bamit
jene ungefunbe „Hbhängigfcit oom HuSlanbe", oon ber oben fchon
aehanbelt mürbe. Hß’ baS berotefeit entroeber mit ben roaebfenben
Exportgiffern ober mit ben roaebfenben 3iff crn ber geroerbetreibenben
SBeoölferung unb ber hönbelSoertragsfrcunblichen politif auf baS
Konto gefept, bie fomit ben langfamen 3ufömmenbruch ber heutigen
SSolfSmirthfchöft anbahne.
demgegenüber lag mir baran, feftgufteßen, bafe fich bie Ent*
roicfelung feineSmegS in ber angebeuteten Nietung ooflgiehe, baß
oielmebr ber Export in oiel langfamerem dempo — alfo in feines*
roegS beängftigenber Seife — gemachfen fei. die praftifche ©chlu|*
folgerung aus biefen darlegungen burfte hoch nun unmöglich bie
fein: alfo ift ber Export eine quantite negligc-able, fonbern mufcte
oernünftigermeife fo gegogen merben: alfo fmb mir mit unferer
§anbelSpolitif auf bem richtigen 2öege, ja fönnen fogar im 3nter*
effe beS ein flein roenig gurücfgebliebenen Exports ruhig einen
©chritt in freihänblerifcher Nietung meitcr thun. ©emiß bleibt
ber inlänbifche 9Rarft für bie nächfie 3 e tl ^ er micfjtigere. Aber
neben ihm foß fein älterer 33ruber, ber Export, nicht oernachläffigt
merben. 3ß) mieberhole eS: er ift gleichfam ber ©rabmeffer unferer
fortfdjreitenben Kultur. S’il n’existait pas, il faudrait l’inveuter,
benn nationale ©elbftgenügfamfeit unb ^albbarbarei, roeltmirth*
fchaftliche Serfnüpfung, alfo Export unb Kulturfortfchrilt fmb
gleid)bebeutenbe begriffe.
iöreSlau. ferner ©ombart.
Allgemeine Sojlul- und lOlrtfjrdjaft^politth.
HrbeitSfammertr, Scrufsoeretue, NeichSarbeitSatut.
Eine fogialpolitifche debatte großen ©tils I)öt ber NeidjStag
am 26. April gehabt, denn nicht eine ober bie anbere ber gahl*
lofen fragen unb Aufgaben ber ©ogialreform ftanb gur Skrljanb*
lung, fonbern baS eine große ^ringip, ohne beffen fßerroirflichung
mir nicht gum fogialen Öneben fommen merben: bie ©leich*
Berechtigung ber Arbeiter, das ift ber ©runbgug, ber burch
bie oerfchiebenen Anträge geht unb ber feinen AuSgang nimmt
oon ben Erlaffen Kaifer Wilhelms II. oom 4. gebruar 1890.
2öie fchon oorher ber Kaifer einmal betont hatte, es fomme
barauf an, ben Arbeitern bie Uebergeugung gu oer*
fchaffen, baß fie ein gleichberechtigter ©tanb mären unb
als foldjer allfeitig anerfannt mürben, fo roirb aud) in
ber KabinetSorbre oom 4. Februar 1890 ber Aufpruch ber Ar*
beiter auf gefepliche ©leichberechtigung nachbrüdflich betont
ES ift ein großes SSerbienft ber Antragfteßer, baß fie bieS eine
3eit lang oerbunfelte ©runbpringip jeber ©ogialreform mieber in
ein helles Sicht gefteflt haben, unb mit ©enugtl)uung begrüßt bie
„©ogiale Praxis", bie unabläffig für biefe Sorberung fämpft, baß
bie Mehrheit beS NeidjStagS mit ooßer Ent|cf)iebenbeit fich gu ihr
befeiuit der 26. April bebentet einen f(honen ©ieg beS fogial*
politifdjen JorlfchrittS — oielleicht, baß bie praftifdjen öolgen nidßt
unmitte.bar eintrelen, aber er eröffnet fichere 2öege burch bie
dornenl)ecfen bes SBorurtheilS unb beS Egoismus gum 3'U!
die ^erichterftattuug über bie debatte fönnen mir giemlich
furg faffen, ba bie ©ebanfengängc unb ^Öerocife, in benen fie fich
bemegte, unferen 9cfern feit 3al)rcu oertraut finb. Auf ber dagcS*
orbuung ftanben bie Anträge bes EentrumS unb ber National*
liberalen auf Erridjtung oon Ar beit sf am ment, ber Antrag
©ojtale fragte, Eentralblatt für ©ogtalpolitif. Rr. 31.
842
8-11
SRocficfe unb Bad)nirfe auf Errichtung eines RepSarbeitSamtS,
fowie ein Antrag berfelben Slbgeorbneten auf Verleihung beS
Rechts ber politipen Söe4:t>ätigung unb beS QnoerbinbungtretenS
an bie Slrbeiter«gad)oereine. Slrn BunbeerathStipe bemerfte
man jroei Vertreter beS RepSamtS beS Snnern, bie aber upt in
bie Debatte eingriffen. Es famen am erfleit BeratbungStage nur
ber Sprecher beS (Zentrums, Brof. Dr. £>ibe, bie beiben national«
liberalen Slbgeorbneten greiherr £>epl 3 U f>errnSheim unb Baffer«
mann, ber oer freifinnigen Bereinigung angeprenbe Slbgeorbnete
Dr. Bachnirfe, ber liberale Slbgeorbnete Roefirfe unb greiherr
non Stumm jum SBort, legerer als einiger ©egner.
$)ie Rebner für bie Anträge waren einig in ber Söärme unb
Entpiebenbeit, mit ber fte bie ©lepberechtigung ber Arbeiter unb
ihre georbnete Vertretung forberten. 3)er Arbeiter miß fein $>ienft«
bote, fonbern mit bem gabrifanten gleichberechtigt fein, meinte ber
erfte Rebner, Stbgeorbneter Dr. öifce. tiefer 3ug liege in ber
gegenwärtigen Entwitfelung, unb wenn man ihm entgegenfomme,
fo werbe Darin ein oerföhnenbeS SJtoment liegen. Dr. £>ifce er«
wartet oon bem 3 u f aTnme narbeiten oon Arbeitern unb Unter«
nehmern bebeutenbe Erfolge: bie Slrbeitsfammern würben bie Sir»
beiter auf nächfte, praftipe laufen, Slrbeiter unb Unternebmer
311 gegenfeitiger StuSfprpe ber Befd)merben, Magen unb SBünpe
Drängen, bie gegenseitige Verftänbigung oorbereiien, mit ben
Schmierigfeiten unb ©ren 3 en ber Erfüßung ber SSünfdje rechnen
lernen unb bamit neuen, oernünftigen unb mafjooßeren Slnpauungen
unb Begebungen Bahn brechen. $)afe baS Zentrum auch bie
Sonberorganifationen ber Slrbeiter für nothmenbig pH, erhellt
aus feinem Slntrag über bie BerufSoereine.
$)er folgenbe Rebner, ber freifinnige Slbgeorbnete Dr. $ad)nirfe,
begrünbet ben Slntrag auf Errichtung eines RepSarbeitSamtS unter
Hinweis auf bie in anberen Staaten bereits befiefjenben SlrbeitS*
ämter unb auf bie unzurepenbe ©eftaltung unferer ftommiffion
für Slrbeitsftatiftif, bie nur auf ©ebeifc beS RepSfan 3 lerS arbeite,
wäpenb ein ftänbigeS Slmt nothmenbig fei. 2)iefeS foße mit ber
Sarfel ber Statiftif in aße SSinfel unfereS Rialen Gebens hinein*
leuchten unb ftatiftifche Unterlagen für weiteres fo 3 ialpolftipeS
Vorgehen fchaffen. '2)ie „So 3 iale B ra fi § " h fl t üor Sahresfrift
(Rr. 37 unb 38 1898) eingepnb bie gorberung eines RepSarbeitS*
amts begrünbet unb fann fiel) nur freuen, baf; ipe SluSfüpungen
nunmep im Repstage einen fo berebten unb fpmpatpfcpn SÖiber«
pß finben.
$)ann fam grp. o. Stumm sum SBort, ber ärgerlich unb
unwirfd) aße Slnträge 3 urürfwieS. Sie oerfepfften, fo meinte er,
ber So 3 ialbemofratie einen Triumph, größer als ihre 2V 4 Rtißionen
Stimmen bei ben lebten RepStagSmahlen. Rur ber So 3 ialbemofratie
würben bie oorgeplagenen SDrganifationen bienen, beren gührer fp
ihrer fofort bemächtigen würben. Er hoffte, baf} fich ber BunbeS«
ratb nie auf foldje „Slbmege" brängen taffen werbe. $)ie $>is«
jiplin werbe 3 um Teufel geben, wenn bie Slrbeiterfammer über
jeben Streif entpeiben foße. $>ie faiferlpen Erlaffe hotten eine
folcbe Drganifation nicht in SluSficht genommen. Viel wichtiger
als folcbe fo 3 ialbemofratif<be bilettantifdje Experimente fei Die
SSittmen* unb SSaifenoerfperung, bie erreicht werben fönne, wenn
man bie Slrbeiteroerficherung auf bem B r * n sip ^ cr MtapppaftS«
faffen aufbaue. Vor 20 fahren feien berartige Slnträge unbenfbar
gemefen; baran, baf} fie jefet eingebracht werben fonnten, feien bie
Rationalliberalen Jpulb, bie halb 3 U ihren gefunben fo^ialpolitifchen
Stnf<bauurtgen 3 urücffel)ren mochten, ba fonft ein Vife in bie ftaats«
erbaltenben Sßorteien fomme.
Von ben Slbgeorbneten greiherrn $et)l 3 U |>errnSheim unb
Roefirfe würbe greiherrn oon Stumm feprf entgegnet. Veibe
fonnten unter Berufung auf autbentifdje 3 eu 9 n iffe feftfteßen, baf}
bie Slnträge bupauS im Sinne ber gebruar«Erlaffe lägen. Slb«
georbneter Roefirfe oerwieS auch auf Steuerungen BhquelS im
Reichstage (am 17. Sftai 1890) über bie Rotbmenbigfeit oon
SlrbeiterberufSoereinen, beren ©egner in Vorurtheilen befangen
feien. 2Jttt berechtigter Entrüftung trat Sfbgeorbneter greiherr oon
§ept ber nnwürbigen MmtpfeSmeife ber 3 e *tungen, bie bem
„(Sentraloerbanb beutfeher Snbuftrießer" bienen, entgegen unb be«
leuchtete zugleich wirffatn baS terroriftifche Vorgehen gewiffer
©eneralferretäre oon Unternehmeroerbänben. ^)ie ,,§errfd)afts«
gelüfte" unb ber „Slrbeitgeber«SlbfolutiSmuS" beS gabriffeubaliSmuS
ftnb fetten fo treffenb gcfenn^eichnet worben als hier oon fo be«
beutenben ©rofeinbuftneflen wie ben Slbgeorbneten greiherrn oon
|>epl unb Voefirfe. SluSbriirflich würbe betont, bafe bie Slnträge,
auch wenn bie oerbünbeten Regierungen nach ^ em beS
greiherrn oon Stumm fte ablehuen foßten, immer wieberfehren
würben. Sluch ber nationalliberale Slbgeorbnete Va ff ermann
wanbte fich als tefcter Rebner gegen $)errn oon Stumm. Ridjt
auf „Slbmegen" wanbeiten bie Rationalliberalen, fonbern fte woßten
bem Rialen grieben bienen. ^)ie oorgefchlagenen Reformmafe»
regeln feien jebettfaßS beffer, als baS fortwährenbe Rufen nach
neuen Strafgefefcen. 3)ie 3«it beS patriardjalifchen SpftemS fei
oorüber.
S)ie Debatte würbe fobann auf ben 3. Rtai oertagt. 2öaS
baS fchliefjticp ^rgebnife auch fein möge, baS (£ine bürfen wir
heute fdjon fagen: ^)ie 3«ht «nb bie Vebeutung ber greunbe ber
So 3 ialrefornt auf bem Voben ber faiferlichen gebruarerlaffe, fowie
bie ßntfehtoffenheit ihres Vorgehens ift in ftänbigem s Bad)Stbum.
®er tote ^unft, auf bem 1895—1897 bie So 3 ialreform ftanb, ift
überwunben; es gep wieber oorwärtS unb 3 war pt ber Reps«
tag entfchloffen bie gühruttg übernommen $>ie Verhanblungen oom
26. Slpril, wo bie Söeltanfchauung beS gewerblichen geubaüSmuS
unterlag unb ber gabrifantenabel fp fo eitergip sur ©lep«
berptigung ber Slrbeiter befannte, werben hoffentlich — trofc ber
Söeifung beS greiherrn oon Stumm — nicht ohne ©influfe auf
bie ©eftnnung unb bie ©ntplüffe ber oerbünbeten Regierungen
bleiben.
£nv ©lepbereihttgung Poit SlrbeitgeBern unb Slrbeitertu 3'n
einer foeben erpiettenen Schrift mit Dem ^itel „SlrbeitSnach«
weife unb Schüfe ber SlrbeitS willigen" (Berlin, gerb. Tümmlers
VerlagSbuchhonMung) erhalten wir aus Slrbeitgeberfreifen einen
werthooßen Beitrag 3 U ben wptigften gragen ber So 3 ialpolitif,
bie gegenwärtig unfer Volt bepäftigen. $)er Verfaffer ift §err
SD. Steigert, bup feine 2:hötigfeit beim Berliner ©ewerbegerpt
hochoerbiente gabrifant. Seinen Stanbpunft, ben er in einer
oierjigjährigen praftipen Erfahrung gewonnen hot, be 3 epnet
^r fefbft in ber Einleitung mit bem Befenntnife, ba& er für
ein 3 u f ammcntt) ir!en oon Slrbeitgebern unb Slrbeitnehmern auf
bem gu&e ber (Gleichberechtigung neue moberne gormen 3 U Rufe
unb grommen ber 3>nbu|trie paffen h e lf e n miß. Rach einem
Ueberblirf über bie oerpiebenen formen beS SlrbeitSnad^weifeS,
bringt er Beifpiete aus ber Brajis, wie Slrbcitgeber in oielcn
gäßen baS $oalitionSred)t ber Slrbeiter mifead)ten unb befäntpfen,
unb tritt ben Rachweis an, baf} oiele SluSftäitbc gerabe ber §>anb«
habung ber Unternehmer«SlrbeitSnadjmeifc ihre Entftehung oer«
banfen. 3)ie (Gleichbererfjtigung ber Slrbeiter, wie fie in ben faifer«
Ipen gdiniar«Erlaffen betont fei, erheipe aud) ben Slusbau oon
paritätipen SlrbeitS nach weifen, an benen Slrbeitgeber unb Slrbeiter
unter einem neutralen Vorfipenben fich beseitigen; nur burd) folcp
fönne ©ewähr bafür geboten werben, „baft bie SlrbeitSnarf)weife
erfolgreich ihren frieblid^en, ben Verfel)r erlepternben 3werfen 311 «
eführt werben". £>ie grage, ob ein thatfäd)lpcS Bebiirfniü oor«
anben fei, ein ©efefc 3 um Sd)uh ber „SlrbeitSwilligen" 3 U erlaffen,
oerneint ber Verfaffer. Rtipräuche beS ÄoalitionSrechtS würben
npt oon Strbeitern aßein h cr oorgerufen, fonbern oielfad) 001 t
Unternehmern prooo 3 irt, „bie fich nicht an bie ©lepbered)tigung
ber fontraftpliefeenben Stheile gewöhnen woßen ober fönneu".
„Rpt bup UnterbrürfungSma®eln fann man bie So 3 ialbemo«
fratie auf wirtbpaftlpem (Gebiete befämpfen, fonbern baburd),
bafe man bie Slrbeitgeber nöthigt, baS ^oalitionSrecht ber Slrbeiter
npt blofe ber gorm, fonbern auch (Geifte nach su achten."
3u biefem 3wecf oerlangt §err Steigert Slufhebung beS §. 153 ber
©ewerbeorbnung, ^orporationSrechte für bie Slrbeiterberufsoereinc,
Erlaubnis für ihre Verbinbung untereinanber unb Erweiterung
ihres VerfammlungSrechteS. — ^)aS fmb gorberungen, benen wir
uns bupauS anpiiefjen.
Ein Söenbepnnft tu ber ptue^erifdjen ©ewerfpaftsbewegttiig
— fo betitelt fich ein aus 3ürp eingefanbter Slrtifel in bem
,,^orrefponbeii 3 blatt ber ©encralfommijfion ber ©ewerfpaften
S)eutplanbs", ber bie Beplüffe beS lebten ilongreffcS beS
Schwe^eripen SlrbeiterbnnbeS befpricht (oergl. „So 3 iale Bra^iS"
Sp. 764). 5)er Slrtifel ift npt nur an fid) oon Bebcutung,
fonbern eS barf nicht unbeadjtet bleiben, baß bas offizielle ©ewerf*
PaftSorgan ihn an erfter Stelle ohne Vorbehalt unb Einpränfung
oeröffentfpt, feine SluSführungen alfo bod) wol)l billigt. Slusgeheiib
oon bem Safee, bafe bie Sd)wei 3 ein neutrales i?anb fei, wirb be«
tont, baf} biefer (Geift ber Neutralität fid) jeßt aip iit ben ©ewerf«
paftSorganifationen bemerfbar mad)e unb oerfudje, btefe Crgattifa«
tionen ber praftifdjen Slrbeit unb ber praftipen 3 c itfragen aus
ber SDebe ihrer politipen SluSfd)lief}lid)fcit 311 wirthpaftlid) poli«
tiper Reutralität 3 U erheben. Bisher höbe fid) bie größere Sin»
gahl ber Slrbeiterberufsoerbänbe auf bem Boben ber So^ialbemo«
fratie entwirfelt, wie bies auch ausbrürflp im Statut feftgelcgt fei.
©ogiate Sßrajig. ©entralblatt für ©ogialpolitif. Br. 31.
844
©ine berartige parteipolitifcpe Befttmmung wiberfpricht aber
bent innerften Bkfen ber ©eroerffdpaftgberoegung:
©ntwcber es ift bie ©cwcrffcpaftgbeweguitg eine Bewegung gur
©rricptung oon ©ogial=©inridjtungen für ein gufünftigeg ©efcplecpt,
ober aber fic ift eine Bewegung, bie bem Arbeiter in ber ©egen wart
bienen unb niipen, tpm gu einem größeren Antpeil am geiftigen, ppqft*
fdjen unb ctpüdjen ©ute ber Arbeit oerpelfeit foH. Tann aber pat bie
Befttmmung nicpt nur ihren 3wccf oerfefjlt, foubem lenft foqar ben
331icf ber Arbeiter non ben geitlicpeu Aufgaben ab in eine mpftitcpe 3u*
funftggeit unb wirft gerabegu fcfjäbigcnb.
Auf bem Eongrep in fingern war eg befanntlicp gerabe ber
3ogialbemofrat ©reulicp, ber an erfter ©teile für einheitliche unb
uinfaffenbe geroerffcfjaftlic^e Drganifation ber Arbeiter aller Berufe
auf parteipolitifd) unb reltgtög neutralem Boben eintrat.
Bad) ber 3ufcprift au bag „Eorrefponbcngblatt" befiehl fein
3meifel, bap auch ber fogialbemofrattfcipe ©eroerffchaftgbunb fich gu
ber faft einftimmig angenommenen Eongreprefolution befennen
wirb. Tatnit ift in ber ^f>at bie fchweigerifdpe ©ewerffcpaftg*
bewegung an einem ©enbepunft angelangt. «Sollten biefe Bor*
gänge, bie in bem amtlichen Blatt ber beutfchen ©ewerff (paffen
folgen Kommentar ftttben, nid)t auch in Teutfcplanb gu benfen
geben unb oor einer ©ewaltpolitif warnen, bie angeblich bie
reoolutionäre Sogialbentofratie nieberbrücfeit foü, in xöirflicpfeit
aber bie legitime Arbeiterbewegung trifft unb baburep bie Arbeiter*
maffen immer fefter ber Sogialbentofratie angliebert?
Siegelung ber Ärbeitgbebtugungen bet öffentlichen Arbeiten in
Sfranfreich- ber frangöfifdjeit 3>eputirtenfammer gelangte ber
Bericht beg Abgeorbneteu Sßierrc Baiibin nameng ber Commission
du travail betreffenb bie oerfcptebeiten ©efepeutroürfe gur Regelung
ber Arbeitgbebingungen bei ber Vergebung öffentlicher Arbeiten, bie
feit Beginn ber fiegiglaturperiobe eingebradpt würben, gur Ber*
theilung. Tie Eomntiffton pa* folgenbe Elaufeln oorgefcplagen:
Ter Unternehmer pat ben Arbeitern wöchentlich einen Ruhetag gu
gewähren; Auglänber finb bei öffentlichen Arbeiten nur big gu einem
oorn SKinifter jeweilig feftgufepenben ^rogentfap gu befepärtigen;
ben Arbeitern ift ber jeweilige ortsübliche 5tageIohn gu begaplen,
unb ebenfo pat fich bie Arbeitggeit nach bem ©ebrauepe in- ben
eingeliten 3nbuftriegweigcn unb Drtcn gu richten, Tie ortsübliche
ßopnhöpe für bie oerfchiebenen Arbeiterfaiegorien ift oon ber Ber*
waltunggbepörbe oornebntlicb auf ©runb beftepenber Uebereinfommen
groifdjen Arbeiter* unb ilnternepmerfiinbifateu feftgufteüen; wo folcpe
nicht eyiftiren, fott eine getnifchte Mommiffion oon Arbeitern unb
Unternehmern herüber entfeheiben. Tie Befdpränfungett bezüglich
beg wöchentlichen Bupetagg unb ber täglichen Blaximalarbeitggeit
fönnen oon ber fompetenten Berroaltunggbepörbe im gall bringen*
ber Botproenbigfeit fugpenbirt werben; Doch finb Ueberftunben unb
Seiertaggarbeit nach c * nein feftgefteUten poperen ßopnfape gu be*
gahlen.
Tic Sfrage ber ftltergoerforgmig tit Gtfglanb macht weitere
gortfehritte ihrer fiöfung entgegen. Tag Parlament nahm mit
263 gegen 93 Stimmen ben Antrag beg fonferoatioen Abgeorbneten
Sir 38. Bklronbg an, ber bie ©infepung eineg neuen pariamen*
tarifchen Eomiteg begtoedft gur Uuterfud^ung ber 3?rage einer Alierg*
uerforgung im §inblicf auf bie ©rftattung praftifeper Iegislatorifcher
Borfcpläge. 3n ber biefent Befcpluffe uorangegangenen Debatte
fprach Nameng ber liberalen Partei 9J2r. Agquitp, ber bie Dppo*
fition gegen ben Vorwurf oertpeibigte, in fogialen gragen „lau*
wann" gu fein, hingegen ber Regierung oorroarf, bap fie fleinlicpe
Barteigwecfe ber großen grage ber Aiterguerforgung ooraugefteflt
habe unb feinen $ettnt) ber Bubgetüberfcpüffe 3n>ecfen ber fillterg*
oerficherung gewibmet hätte. Brinifter Gpamberlain oertheibigte bie
Regierung gegen biefe Eingriffe unb wieg ben SSorwurf gurücf, ber
SBeoölferung leere 5Berfpred)ungen gegeben gu h fl ben; er gab ber
Hoffnung Augbrucf, bap nach fo langen SBoraibeiteit ber Augfcpup
nunmehr in ber fiage fein werbe, pofitioe Dtapnahtnen in 25or*
fdjlag bringen gu fönnen. Sfeptifcp briieften fiep noep bie s ^arla*
mentgmitglieber fiatnbert, 23ongfielb unb fieefp über bie grage
aug, worauf fiogan unb s JD2enbl beantragten, oon ber neuerlichen
©iufepung eineg s ^arlamentg=Momiteg abgufchcn. liefern Anträge
trat s iiinifter 33alfour entgegen, inbent er bemerfte, bap mau eben
tiacp ben norauggegaugeneit grnci refultatlofcn ©miueten oon einer
Dritten niitfo eher ein praftifdjeg ©rgebnig erwarten föunte. 3m
llebrigen b a K e fiep bie ^)iegieruug uiept gebunbeti, mit ber Vorlage
eines ©efepentwurfg bie gur Söericpterftattung beg Motmteg gu
warten. 3nm^2d)lup würbe ber SHegierunggantrag angenommen.
— 'I"iie bie ,/Ximee" mittbeilt, fall bie ©iufepung beg itouüteg
möglicpft be|d)leunigt werben, ©e fd;webeit bereite' 3>erpanblungen
über beffen 3“fflnimenfepung. 4^eu parlamentarifcpeit ©epflogen*
peilen in ©nglanb gemäp wirb hierbei bie 3ufammenfepung beg
$arlamentg berüdffieptigt unb wirb bag tomite aug 10 Unioniften,
5 ßiberalen unb 2 Äationaliften beftepen.
Sojhtlt Jnltanbe.
föürüembergtfdje 9rbeUer-$aughaltnnggbnbgetg.
Um einen tieferen ©inblicf in bie SXrbeiteroerpältniffe gu ge*
winnen, pat ber ©emerbeauffieptgbeamte beg 3. SBegirfg in $Bürt*
temberg eine Slngapl ^erfoiten über ipr ^augpaltunggbubget be*
fragt, aug bem fid) ber ©efammtoerbrauep, fowie bie Söopnunag*
unb 9?ahrunggmitteloerpältniffe am beften erfepen laffen. i)er
23eamte berichtet barüber in bem bereits (3p. 766) befproepenen
Jahresbericht (3. 147ff.) wie folgt:
1. ©itt oerpetratpeter giafdjner (gabrifarbeiter aug SSiberatp)
mit grau unb 5 tftnbern, wooon bag ältefte 12 3apre alt ift, pat eine
SSopmmg mit 3 3immern, einen wöchentlichen SSerbienft oon 19,*o JC. t
wogu er noep alg Wiener einer Äaffe in ber Söocpe 1,08 M, erpält, gu*
fantmen 20,35 ^aoon werben wöchentlich oerauggabt: gür §aug*
ging 3,40 Jt, Speifen unb ©etränfe 11 M., Kleiber unb ©chupe l,so M.,
Brennmaterialien l,io Berfcpiebencg 8,50 JC, baoon aflein 1,71 JC für
freiioiüigc ^tranfenoerfidjerung, ©djulgeib unb ©teuern. 5)ag 5)efigit oon
25 &f. foll burd) geüweife ©infepränfungen obiger Äuggaben ober burep
Uebergeitarbeit gebeett werben.
2. ©in oerpeivatpeter 3^mentarbeiter aug Ulm mit grau unb 2
nodj fcpulpflicptigen ÄHnbcrn pat eine SBopnung oon 2 3mtmern, wo*
oon bag eine an einen ©djlafgänger mit ber ©infepränfung abgegeben
ift, bap ber Änabe mit biefem im felben 3immer fcplafen barf. £er
SKann oerbient pro SSodje burd)fd)nittlid) 17 M ., bie §rau alg 9Konatg*
frau mit täglich 2 1 /» ftünbiger Befd)äftigung 2,25 gufammen 19, S6 Jl.
©g werben wöcpentlicp oerauggabt: 8ür ^ougging 3,88 M. t für ©peifen
unb ©etränfe 14 für Kleiber unb ©cpupe 2,es für Brenn*
materialien 1,15 M., für Söäfdje, freiwillige Äranfenocrficperung, Bereing*
beiträge u. f. w. 58 ?{. ^ag 5:efigit würbe gebedt burd; Ueberftunben
beg 932aitncg unb aug ben ©innapmen für bie ©djlaffteüe.
3. ©in oerpeiratpeter 3nftrumentenmacper aug Ulm, mit §rau
unb 5 Äinbern, wooon eing erwaepfen, pat eine äBopnuna mit 2 3^ m *
mern nebft Kammer, ilücpe, ÄeDer unb .§olgplap. ©r oerbient wöcpent*
Itcp 27 bie grau näpt gu £>aufe für eine ^utfabrif unb oerbtent
wöchentlich 2 JL ©etnmmteiufommen pro 3Bod)e 29 m. $>aoou werben
wöcpentlicp oerauggabt: gür £>auggtng 3,88 für ©peifen unb ©e-
tränfe 15 Jl für Äleiber unb ©cpupe 3 /8 5 M., Brennmaterialien 96 &f.,
Berfcpiebeneg 2,93 JL. ©g ergiebt fidp pier ein wöcpentUcpcr Ueberfcpup
oon 2,47 Jt.
4. ©tu SiQörrenmacper aug §eibenpeim mit grau unb 6 Äin*
bem, oon benen 5 oerbienen, pat einfcplieplicp beg Berbienfteg ber
Ätinber eine wödjcntlicpe ©efantmteinnapme oon 40—50 JL (fte fcpwanft
wegen ber Slfforbarbeit), eine SBopnung mit 3 3immern, Äücpe, £>olg*
raum unb ©arten. BJödjentlid) werben oerauggabt: gür $>augging
3,90 für ©peifen unb ©etränfe 20 „fc, für Kleiber unb ©cpupe 5 JC.,
Brennmaterialien 2 X, oerfepiebeneg 5 M., g. B. 2afcpen- ober ©onn*
tagggelb.
5. ©in oerpeiratpeter £agelöpner einer gropen Xejtilfabrif in
Reibenpeim mit grau unb 6 &inbern, oon benen feineg oerbient, pat
einen wöchentlichen Berbieuft oon 13 ,20 JC, ein eigeneg ^äugdpeu, auf
welcpem eine ©djulb oon 1800 ^ gu 4Va ö /o gu oerginfen ift. Wöcpent*
licp werben oerauggabt: gür £nuggiitg (3tng aug 1800 ^. gu 4V9°/o)
85 3f., ©peifen unb ©etränfe 18,30 JL , für Brennmaterialien 75 ^y.,
für oerfeptebeneg 30 9f. $üe Sluggaben für Kleiber würben alg bem
©infontmen entfprecpcnb begeicptiet, bag ^epgit foH burdj Uebergeitarbeit,
wogu bic betreffenbe Jabrif reiepe ©clegenpeit bietet, ferner burep Sluf*
naptne oon Biietpgleuten gebeeft werben. —
©ine leibige £paifad)e ift übrigeng, fo fäprt ber Beamte in
feinem Berichte fort, bap mit Scpulbcn belaftete Slrbeiterfamilien
oon bem ipiten bei Bäcfer, 9)2epaer unb fonfitgen ©efcpäftgleuten
für ben Slnfang eröffneten Ereoit einen auggiebigen ©ebrau^
maepen, um fcplieplicp, wenn bag niept mepr gept, ben $lap gu
oerlaffen ober bem ©ericptgooUgieper ober ber öffentlichen Unter*
ftüfcung anpeim gu fallen.
Ueber bie ©rwerbg* unb SBopnunggoerpältniffe lebiaer
Sabrifarbeiterinnen in einem fleinen 3«huftrieort beg gilg*
tpaleg wirb ben Angaben einer Textilarbeiterin folgenbeg ent*
notnmen:
Bon 440 in ber gabrif befepäftigten Arbeiterinnen fmb ungefähr
100, weld)c mepr alg 20 km uaep §aufe paben, in golge beffen ge»
gioimgen fmb, int gabrifort gu bleiben. An ©cplafgelb begaplt bag
B?abd)cn 30 Pf. pro Sag, bafiir pat fic ein eigenes 3immer mit Bett
unb Bcorgeng unb Abettbg Eaffce. ber Siegel erpält man für ben*
felben Breig nur eine ©cplafftelle, wobei 5 ober 6 Bläbcben in bem*
felben ^tmmer wohnen. Turcp ©rftellung neuer SBopnpäufer ift bem
Bebürfttip ttadj biüigeu Arbeiterwopnungen in le^ter 3eit Bed^nung
getragen worben, gür Btittageffen unb für Begper gaplt bag Btäbcpen
845
©oktale $rajt$. ©entralblatt für ©ogtalpolttil. Str. 81.
846
je 26 $f., bic regelmäßigen JageSausgaben belaufen ftdj auf 80 &f.
2112 befonberS tüchtige Arbeiterin oerbient befagteS 3)täb<Een roödEentßdE
12 jK. Jaoon geben ab für Koft unb 3Bof)nung an ©erfragen 4,so M.,
für ben Sonntag runb 0 /5 o JC, gufammen 5 ,30 Ui., eS bleibt für bie
SBodEe ein Aetnoerbtenft oon 6,70 Ui. ober per Jag 0,93 Ui., Kleiber
unb Sdjufje nicht inbegriffen. 2egt ntau einen nicpt gu niebrig ge¬
griffenen mittleren JageSarbeitSoerbienft non 1,50 M. bei berfelben
Arbeiterfategorie gu ©runbe — manche erroatfjfene Arbeiterin in biefer
©egenb oerbient nur 1,90 Ui. — fo ergiebt fiel) unter benfelben Ber-
Eältniffen ein täglicher UeberfdEuß non 38 &f., aus bent Kleiber unb
©onftigeS gu beftreiten ftnb. Jas HJtittageffen, befteßenb in einem
Seiner Bier, einer rotten 2Burft unb einem Brob, fann als Ijinreirfjenbe
unb rationelle ©rnäbrung für ein in llftünbiger SRaf^inenarbett be-
fdEäftigteS HJtäbdEen nicht angefe^en roerben.
Jie oben ermähnten Ausgaben einer Öamilte ober ©ingelner
fönnett, rote bcr SoE^bericht bemerft, fi<E noch burdf) ungünftige
BerEältniffe aller Art fteigern. ©0 g. 23. muß ein ©fjepaar, baS
in bie ^abrif geht, um fidf) etwas erfparen gu fönnen, für bie
BeaufftcEtigung unb tEeilroeife Berpflegung feiner oier Kittber in
14 Jagen 13 , H begabien. — (Sine Arbeiterfamilie, bie megen
aeri<f)th(f)er 23eftrafung beS SJtanneS berart gurüdfgefommen mar,
baß auch bie notEroenbigften Jfjeile gur Haushaltung roieber be-
fcfyafft merben mußten, bewohnte mit ihren 4 Kinbern, roooon baS
ältefte 12 3aE* aß ift, 1 3 intmer, meines gleichgeitig als KüdEe
unb ©dEIafraum benußt wirb. SJtann unb Srau arbeiten in einer
gabrif unb oerbienen gufammen 4,tg Jl täglich- Jaß foldje
SBoEnungSoerEältniffe, roie fte feineSroegS oereingelt hafteten,
fd^roere fittlidfje ©efahren in fidE fd^Iiefeen, finb ftch bie Arbeiter
ooßftänbig beroußt, unb in ihren Berfammlungen roirb mit StacEbrucf
auf biefe ©dEäben ^irtgeroiefen, auf beren 2Jefeitigung man mit
aller Energie Einarbeiten müffe.
©inen©inblicf in baS©rroerbSleben berHcmSinbuftriellen,
rok eS im Oberlanb oon Württemberg nodf) angutreffen ift, ge*
roä^rt folgenbeS 23ilb: Sn Mengen Oberamt ©aulgau unb Um¬
gebung roerben für fdbrocigerifdje Finnen ©arbinett in ber §>auS-
tnbuftrie oerfertigt, ©ine 35 jährige Heimarbeiterin aus einem eine
©tunbe oon Mengen entfernten Ort Ent 3 Kinber unb einen
TOjaErigen Skater fo gut roie auSfcEIießlicE gu oerforaen. Außer
ber Besorgung ber Haushaltung bleiben ber F^u 8 ©tunben für
bie Heimarbeit, in welcher 3dt fte normal 30 unb roenn es
befonberS loEnenbe Arbeit ift, 40 oerbienen fann. Jiefe in
©egenroart beS ©efdEäftsIeiterS ber bortigen ©arbinenftidferei (Ab-
IieferungSftelle) gemachten Angaben ftnb oon biefem unroiberfprocEen
geblieben.
ArfreitSmaß unb ©ottttiagSrnße ber Beamten unb llnterbeamten
ber fteiiftspofit. Jer ©taatsfefretär beS SteicESpoftamtS E fl i neue
grunbfäßlidje Beftimmungen erlaffen, benen roir QoIgenbeS ent-
neEmen: Jas Arbeitsmaß roirb, roie feitEer, nidf)t für ben Jag,
fonbern für bie ©odbe feftgelegt. ©ntfdtjexbenb für bie Seftfebung
ift oEne SftücfficEt auf bie Klaffe ber 23erfeErSanftaIten lebiglicß bie
©cEroierigfeit beS JienfteS. Bei Beamten ift, roenn fte in fdEroie-
dgen JienftfteHen anbauernb 00 H befcEäftigt ftnb, bis auf ein
Arbeitsmafc oon 48 ©tunben E^rabgugeEen; finb bie Beamten burcE
bie JienftobliegenEeit groar anbauerno 00 Ö, aber bodf) nur in ge¬
ringerem ©rabe in AnfprucE genommen, fo fann ein Jienftftunben-
ma| oort 54 ©tunben angenommen roerben; ift ber Jienft gang
leidet, roie g. B. bei ben meiften ^ßoftämtern III, fo ift bie 3nan-
fprutEnaEme eines OeiftungSmafeeS bis. gu 60 Jienftftunben un-
bebenflidf). Jie roö(EentIi(Ee ArbeitSgeit ber roeiblicEen Beamten
foß 42 bis 48 ©tunben betragen. Bei ben Unterbeamten ift, roenn
bie ßeiftungen befonberS fdfiroierig ftnb, bis auf 60 Jienftftunben
EerabgugeEen; bei weniger anftrengenbem Jienft fann je na<E bem
©rabe ber ©cEroierigfeit bis gu 69 Jienftftunben gegangen roerben.
JaS fieiftungSmafc ber Sanbbriefträaer foß befonberS geregelt
roerben. Als SRacEtbienftgeit gelten bie ©tunben oon 10 UEr AbenbS
bis 6 UEr BtorgenS. Jie in biefe 3dt faßenben roirflicEen 2lrbeitS-
ftunben roerben, roie feitEer, anbcrtEalbfadE) in AnfaE gebradt)t.
Au<E bie an einen ooßen SRacEtbienft fidE) anfdEIiefeenbe ArbeitSgeit
nadE 6 UEr ÜRorgenS ift anbertEalbfadE gu recEnett, unb groar bis
gur Beenbtgung beS fRacEtbienfteS. Jie 3 e it, bie Beamte unb
Unterbeamte gur SßaEmeEmung beS SBacEtbienfieS beftEäftigungSloS
in ben Jienfträumen gubringen müffen, fommt nur einfaß) in Be-
redEnung. Jic ©onntagSruEe foß im $uiMidf auf ben günftigen
©inffufe, Ben fte auf baS förperlicEe unb geiftige 2ßoEl beS ^erfonals
auSübt, fo roeit auSgebeEnt roerben, als fict) bieS mit ben afige-
metnen Sntereffen unb mit ber ©icEerEeit beS Betriebes irgenb
oerträgt, ©inen QfortfeEritt in biefer BegieEung ergiebt bie anber-
roeite Seftfefcung ber ©(Ealterbienftftunoen an ben ©onn* unb
Feiertagen. Ferner foß fortan tEunlid&ft folgenber ©runbfaE
burcEgefüErt roerben: „Feber Beamte unb Unterbeamte beS Be*
triebSbienfteS ift in einem 3eitraum oon groei 2ßocEen minbeftenS
für einen ©onntag, fei eS für einen gangen Jag ober für groei
Ealbe Jage oößig 00 m Jienfte gu befreien; foroett nacE ben Be-
triebSoerEältniffen nidf)t öfter gang freie ©onntage geroäErt roerben
fönnen, ift jeber Beamte ober Unterbeamte ab unb gu, etroa an
jebem oierten ©onntage gänglicE 00 m Jienfte gu entbinben."
Berpffangmtg ber Subuftrte aufs Sattb in Baben, ßßan fcEreibt
uns aus Baben: Jie in ben babifcEen FöbrifinfpeftionSberi(Eten
meErfadE erroäEnte Berpflanguna oon Snbuftrien in länblicEe Orte
mit biSEer rein lanbroirtEfcEaftlicfter Beoölferung fefet jtcE weiter
fort, ba man bie in jenen BericEtem betonten BortEeile aucE für
ben ßanbroirtE immer nteEr erfennt. Jie ©emeinben bringen
fogar erEeblicEe Opfer beEufS ©eroinnung oon Snbuftrie für iEren
Ort, unb fo ijat jefet ein Snbnftrießer mit ber ©emeinbeoerroaltung
beS ©täbtdEenS Bräunlingen (1600 ©inrooEner) bei JonauefcEingen
einen Bertrag abgefcEloffen, ba& iEtit bie ©emeinbe, roenn er eine
©(Eraubenfabrif in iErem Söeii^bilb erricEtet, einen Bauplafc um*
fonft, meErere SaE^ ©teuerfreiEeit geroäErt unb ein JarleEen oon
30 000 ,//(. beroißigt, baS fünf 3<*Ere unoerginSlidl) fein foß.
€fogia(ö!ouomif(Ee AbtEcilung ber Bödfer 2&eltau$fteßmtg
1900. Jie mit ben Borbereitungen für bie frangöftfdEe ©eftion
betraute STommiffion ridt)tet oon Steuern ein ©ircular an bie @e*
roerffcEaften, ©eroerffdEaftSoerbänbe, ArbeitSbörfen 2 c., um fie gu
reger BetEeiligung aufguforbern. 3n bem ©ircular roirb baran
erinnert, ba& eS für F^anfreidE oon 2SicEtigfeit fei, neben ben
AuSfteßungen ber auSlänbifdjen Arbeiterorganifationen, namentlidE
ber englifcpen unb amerüantfdEen Jrabe UnionS, eine eErenooße
^ofttion einguneEmen. Jen fidE betEeiligenben Korporationen ift
eS geftattet, neben ben ftatiftifcEen unb grapEifdjen Jabeßen aße
fonftigen Jofuntente, roie ©iatuten, Stummem ber publigiftifdfjen
Organe, SöE re ^BeridEte 2 c., eingufenben, aus benen iEre Organifation
unb ßeiftungen erftcEtlidE ftnb.
^tbeUerbettiegung.
Jer ©frei! ber belgtfcEen KoEleubergtoerfarbeiter.
Am 4. April fanb bie öffentlicEe 3 u fP«<Eu«9 einer KoEIcn-
Ueferung oon 442 000 t für bie belgifdEen ©taatSbaEnen ftatt, unb
fie ergab gegenüber ber lebten ©ubmiffion ootn 28. Auguft 1898
eine feEr beoeutenbe BertEeuerung beS HdgtnaterialS. Für magere
KoElen Jppe II würben bieSmal per Jonne 10 ,10 bis
10,25 F^cS. gegen nur 8,25 F^^- in 1898 begaElt, für E a IEfette
KoEleit Jppe III 11,75 FrcS. bis 12 Fk 3- gegen 9,75 FrcS. bis
10 FrcS. tu 1898 uitb für bie weiteren Ouahtäten fteßte fidE bie
BreiSerEöEung etwa äEnlicE. Am 16. April oerfammelten fid) bic
Jelegirten ber oier belgifdEen KoElenbecfen in ©Earleroi uitb be*
fcEloffen einftimmig bie fofortige ©röffnung beS ©eiteralftreifs
beEufS ©rfämpfung einer aßgemeinen ßoEnerEöEung oon 20 °/ 0 .
Jer Abgeorbnete ©aorot, felbft eEemaliger KoElenarbeiter unb
Bicepräftbent beS conseil superieur de l’industrie et du travail,
fdElug oor, ben ©treif erft am 1 . Btai gu eröffnen, fein Antrag
würbe jebodE mit großer BteErEeit abgeleEttt. Jer ©treif fefete
am ftärfften im Becfen oon ©Earlerot ein, bann folgten baS
©entrum unb ßütfidE, erft nadE einigem Sägern fcElofc fidE Ber
Boriitage (SItonS) an.
Jie offigieße ©tatiftif über bie BelgifdEe Btineninbuftrie im
SaEre 1898 erfdEeiitt leiber erft in ber nä<Eften SBo^e, unb roir
roerben besEalb in unferem Eeutigen Artifel uns nocE mit ben
3aElen oon 1897 behelfen müffen. Stur bafj bie ©efantntipro-
buftion beS ßanbeS an KoEle in 1898 22 088 990 t betragen E&t
gegen 21 492 446 t in 1897, fonnte uns ber ©eneralbireftor ber
Btinen biSEer mittEeilen. Jie ©efanttntgaEl ber in ber belgifdEen
KoEleninbuftrie tEätigen ArbeitSfräfte war 1897 120 382, bauon
roaren 88 341 unter'ber ©rbe unb 32 041 über ber ©rbe be¬
fcEäftigt. 3 h Ber Jerminologie ber Arbeiter E^ifeen in bem bieS-
jäErigen ßoEnfampf nur bie eigentlichen ©rubenarbeiter „grevistes“,
bie fonft auf ber OberfladEe befdEäftigten unb jefct in FoIq^ BeS
©treifs ArbeitSlofen roerben als „chomeurs“ begegnet. Jie
©tatiftifen über bie 3 a Ef Ber ©treifenben redEnen nun baS eine
fötal nur bie unterirbifcEe Arbeiter unb bas anbere fötal roieber
aße inSgefammt. ©S ift aus biefem ©runbe faft unmöglich, audE
nur annaEernb genaue 3^tf ern über bie gegenroärtige AnSbeEnung
ber Bewegung gu geben. Bei ber folgenben ©cEäjjung ift ber
847
©ogtale $rajt$. Eentralblatt für ©ogtalpolitü. SRr. 3t.
848
©tanb beS Streifs am 27. April gu ©runbe gelegt unb eS wirb
fein Unterfcßieb groifcßen ben beiben Arbeiterfategorien gemacht.
Sa gäßlen mir benn im Becfen oon Eßarleroi unter 39 809 Sr*
beitern runb 27 000 ©treifenbe, im Eentre unter 18 514 etroa
15 500, in Süttid) unter 29 727 etroa 17 000 unb im
Borinage (9RonS) unter 29 385 etroa 19 000. Sotß uermutfjen
roir, baß bei biefer Auffteüung im Becfen oon Eßarleroi bie
,xhömeurs i4 nicfjt mitgegäßlt finb. ERan faitn bort unb im Eentre
ben ©treif als oöflig burcßgebrungen anfeßen.
Sie EohlenbergroerfSarbeiter bilben groeifelloS bie unterfte
©cßid)te ber inbuftrieflen Arbeiterbeoölferung beS SanbeS. Bis gu
bcm blutigen ©treif oon 1886, beffen grauenhafte Ereigntffe fuß
unauSlöfd)lieh in bie Erinnerung biefer $Renfcßen eingeprägt haben,
lebten fie politisch unb roirthfdjaftlid) gänzlich ungeroeeft baßin.
©treifs famen häufig oor, aber fie blieben meift nur partiell. 2111 **
gemeine ©treifs,') bte ficb über baS gange Becfen auSbehnten, gab
eS in ber 3^t oon 18(59 bis 1890 im Borinage (ERonS) 10, in
Eharleroi 8 , tm Eentre 5, in Sütticß 1. Ser erfte gleichzeitige unb
organifirte ©treif oon Bergroerfarbeiterit beS ganzen SanbeS fanb
1891 ftatt; er roar mehr politifcher als öfonomifeßer SRatur. Qn
Enbe ber achtziger 3aßre faßte nämlich bie Sojialbemofratie in
ben BergroerfSgebieten feften guß unb gegenroärtig hat fie fie ooE*
ftänbig erobert. Es roar eine hißorifeße ÜRotßroenbigfeit, baß bie
©ozialbeinofratie fich biefer Arbeiterflaffen bemächtigte, unb eS läßt
fich nicht abftreiten, baß fie unter ihr eine Sfulturmiffion erfüllt
hat unb noch erfüllt, ©ie roar eS, bie biefen buntpf unb oöllig
ungegliebert bahinlebenben Waffen zum erftenERale politifcheS uno
fogtaleS Benmßtfein gab. SaS roaEonifcße Bolf hat im ©egeitfaß
Zum olämifcßen fehr roenig religiöfe Steigungen, unb gerabe beS*
halb mußte baS oon ber ©ogialbemofratic geprebigte ©olibaritäts*
gefüßl ber Waffen auch rißifcß erzieherifch roirfen. Einige Sage,
bie ich im Becfen oon Eharleroi unter ben Arbeitern oerbrachte,
haben mich w ber h^ auSgefprocßenen Auffaffung beftärft. 3$
unterhielt mich mit ben Seuten in ben ©chänfen unb auf ber
©traf 3 e unb roohnte auch ißren ©treifoerfamntlungen bei. Ser auf
Klarheit bringenbe ©inn beS belgifcfjert BolfeS fiel hier recht oor*
tßeilhaft auf; oon fojialiftifdjen s ßßrafen hörte i<ß faft nichts, bie
Arbeiter, mit benen t<h fpraeß, roaren über bie eitglifdjen Srabe*
UniottS unb über bie beutfehe BerficßerungSgefeggebnng unterrichtet
unb fprachen oerftänbig über ihren gegenroärtigen Mampf, ben fie
freilid) ftarf optimiftifcß beurteilten. Sie Arbeiterrebtter in ben
Berfatnntlungen festen ntid) bureß ihre ©adjlicßfrit unb ERäßigung
in Erftaunen. Smtncr unb immer roieberßolten fie, baß ber größte
geinb beS Arbeiters im gegenroärtigen Moment ber Alfoßol roäre;
ohne bie ©ptnpatbien beS Bürgertums fönne ber ©treif nicht fieg*
reid) auSgefochten roerben, biete aber roürbe man fich oerfeßergen,
roenn man fich m Aaufcß git ©eroalttßätigfeiten hinreißen ließe.
SRuße fei bie erfte Pflicht beS Arbeiters.
Sie ooüftänbigc Drbnung, bie in allen ©treifgebieten ßerrfdjt,
fticftt überaus oortßeilhaft gegenüber früheren 3*iten ab, unb baS
erfennen felbft bie (Gegner ber Arbeiter ausnahmslos an. Sie
©treifetiben bleiben ben größten Sheil beS SageS za §>aufe ober
fie befd)äftigen fich in ihren fleinen ©ärtett. Sie Kneipen finb,
roooon id) mid) felbft überzeugte, beS AbenbS faft ganz leer, $rei*
lid) ift biefe Beoölfernng trog ber rühmenSroerthen Agitation ber
©ogialbemofratie unter Borantritt BanberoelbeS gegen ben
Alfol)oliSuiuS in geroöl)itlid)eu 3riten noch immer fehr bem Srunf*
lafter oerfallen. Socß hat in ben lebten 3aßren bie3unahme beS
BiergenuffeS ben ©chnapsfonfum roenigftenS etroaS eingefeßränft.
Sie überall jegt eutfteßenben fooperatioen Maisons du Peuple
feßenfeu zam erften Wale in biefen ©egenben ein gutes Bier za
billigen greifen aus unb ihre Monfurreng groang aud) bie anberen
SSirthfd)aften, ben BierprciS zu ermäßigen.
Eine geroerffcßaftlidjc Drganifation ift gegenroärtig unter ben
Stohleubergroerfarbcitern faft gar uidjt oorhauben. 5(lS man 1889
bie Federation nationale des Mineurs griiiibetc, hatten bte Rührer,
uitb zmar zaerft mit gutem Erfolg, oerfud)t, bie Vlrbeiter zu orga*
nifircu. 2lber nach ^eeiibigung "bes ©treifs oon 1891 fiel 2UleS
roieber auSeinanber unb aud) bie oor ad)t Sahren im Söecfeit oon
Eharleroi 23 UDO Witglieber zählcitbcu Chevaliers du travail finb
heute gänzlid) beSorganifirt. Erft feit einigen 3Bod)cn aitgefidhtS
beS neuen ©treifs uiadjt bie gathoereiuSberocguug roieber gort*
fd)ritte. lieber eine getneiufame Mriegvfaffe oerfiigen bie Streifen*
beit alfo nidjt. Sol)l aber haben bie Einzelnen feit Dtonaten fchon
fid) auf beit Mampf oorbereitet unb Erfparniffe gemacht unb bie
l ) 3?gl. Emile 5?aubcroclbe f Associations professionelles en Bel^ique
Vol. 1.
fleinen $änbter, bie oon ber SlrBeiterfdjaft leben, geroähren einen
oierroöchentlichen Ärebit. Soch ift es roahrfcheinlich, bafj eine
längere Sauer beS ©treifs za einer Hbbröcfeiung ber 3 a hl öer
©treifenben führen unb mit einer SHeberlage enben roirb.
Sie eigentliche Urfache beS gegenroärtigen ©treifs ift roeit
roeniger öfonomifdjer unb roeit mehr f 03 ialer $atur, als eS nach
ben Wittheilungen ber SageSzeitungen ben 5lnfchein hat. Sie bei*
gifchen M'ohlenbergroerfe befinben fich mit gang oerfchroinbenben
Ausnahmen in bem S3efih oon ^ftiengefettfdjaften. Sie Sireftoren
ber Betriebe unterhalten faft burchroeg nid^i bte geringften Be*
Ziehungen ga ben Arbeitern, unb fie ftehen in ihrer grofien 3Rel;r*
gal)l auf bem oeralteten ©tanbpunft beS geubalinbuftrießen. Sen
einzelnen Arbeiter, ber fich an fie roenbete, mürben fie gnäbig
anhören; oon einer ©efammtheit ber Arbeiter rooEen fie nichts
toiffen, unb aüe DrganifationSbeftrebungen haben fie ftets mit Ent*
fehiebenheit unb Süicffichtslofigfeit befämpft. HuS biefem Erunbe
liefien auch faft aEe Sireftoren bie zu roieberholten Btalen in ben
legten zwei fahren an fie gerichteten ©d)reiben ber regionalen 2 lr*
beiterbelegation unbeantroortet, unb ebenfo roeigerten fie fich üielfad^,
bie Slbgefanbten ber Arbeiterfchaft ga empfangen. SlnbererfeitS ift
eS nid)t gu leugnen, bafj bie übeiroiegenbe ERehrgahl ber unter*
irbifchen Arbeiter im ßaufe beS legten SahreS ßohnaufbefferungen
erhalten hat. Db biefe 3 alagett einigermaßen ber ftarfen $reis*
fteigerung ber Jfohle entfprechen, läßt fich überaus fihroer nach*
rechnen, ba gu oiele oerfdjiebene unb nicht immer in 3 a hka aus*
gubrüefenbe gaftoren hierbei mitfpielen. Sie offigieEc ßohnftatiftif
für 1898 liegt noch nid)t oor, roir geben alfo bie3iffem für 1897.
3m Eangen rourben in biefem Sahre 123 258 500 ö^cS. für Söhne
begahlt, roaS bei 120 382 Slrbeitern einem Surchfchnittslofin oon
1023 5rcS. jährlich entfprädje. Sa aber geroiffe Slbgüge eingu*
regnen finb, fo oerbleibt nur ein föettoeinfommen oon 1006 grcS.
Sie Uitterfchiebe für bie oerfchiebenett Becfen finb ziemlich beträcht*
ließe, einem SRettoeinfommen oon 1033 ÖrcS. in Eharleroi unb
1072 3rcS. in Sittlich fteht ein $ettoeinfommen oon nur 874 grcS.
im Borinage, roo bie BrobttftionSbebingungen 1 ) roeit uttgünftiger
finb, gegenüber. 3m Eentre roerben 993 grcS. begahlt; hkr roirft
naih ber 5lnSfage ber Arbeiter, mit beneu ich fP ra d), baS Berg*
roerf oon ERariemont, roo eS ein ftänbigeS EinigungSamt giebt
unb beffen Sireftor, ber ©enator ®uinotte, Anhänger einer gleiten*
ben ßohnffala ift, günftig auf bie Söhne ein. UebrigenS finb
augenblicflich trog beS BorhanbenfeinS beS EinigungSamteS auch
hier bie Arbeiter im ©treif.
Sie oorerroähnte ©tatiftif bezieht fi^ auf bie M'ol)Icnarbeiier
in ihrer ©efammtheit. Siir bie eigentlichen unterirbifeßen Berg*
roerfSarbeiter lauten bie Siffern für 1897 folgenbertnaßen: Siittich
1370 3rcS., Eentre 1370 3rcS., Eharleroi 1345 3^cS., ERonS
1040 3rcS. ©enn man mit ber offigieEen ©tatiftif baS Sah* gu
296 Arbeitstagen rechnet, roelcße 3iffer unS bei ber fehr oerbreiteten
©eroohnheit beS Blauen Montags etroaS gu hoä) erfeßeint, fo roürbe
g. B. in Eharleroi ber SageSloßn beS AberarbeiterS im 3ahrc 1897
4,55 grcS. getoefen fein. SRach ben Angaben, bie bie Arbeiter in
Eharleroi mir gemacht haben, begießen fie gegenroärtig burchfe^nitt*
lid). 5,50 SrcS.; hoch bürften fie hierbei Den Ertrag ber bei ben
jegigen günftigen 3 e ika nicht feltenen Ueberftunben ntitgerechnet
haben. Sie Arbeitszeit beträgt für bie unterirbifchen Arbeiter im
|>ennegau (Eharleroi, 'JRonS, Eentre) burthfdjnittlich 10 unb in
Siittich 8 bis 9 ©tunben.
Eine genaue Antroort auf bie 3frage gu geben, ob bie Aftien*
gefeEfchaften eine Sohnerhöhung oon 20 %, roie fie bie Arbeiter
forbern, gu geroähren oermögen ober nicht, erfcheint uns unmöglich-
Soch ift eine folche Unterfuchung auch nicht oon SRöthen. 3öh
roeiß auS bem ERitnb ber Arbeiterführer unb ber Arbeiter, baß fie
20 % nur forbern, um bei etroaigett Berhanblungen 3 u 9 ^flänbniffe
machen gu fönnen, unb baß fie fith mit einer fofortigen Erhöhung
oon 10 bis 12 % einoerftanben erflären roürben. AnbererfeitS
haben bie Blätter ber Unternehmer offen auSgefprodjen, baß eine
Sohnerl)öl)ung oon 10 bis 12 % bureßführbar fein roürbe. Aber
ber ©egenfag ber Parteien hat fid) leiber feßon längft 00 m öfono*
mifd)ett auf baS fogiale ©ebiet oerpflangt, unb bie Sireftoren haben
jeßt befcßloffen, aEen Arbeiterforöerungen gegenüber ableßnenb gu
bleiben unb ben äußerften SSiberftanb gu leiften. ©ie haben ben
Soßnftreit in eine reine Wacfjtfraoe oerroanbelt unb fie finb gu
roenig fogialpolitifcß gebilbet, um fieß gu fagen, baß felbft roenn
J ) Aad) E. .f>aocu (^feubompn für ben ©eneralbireftor ber SRinen
E. .ftarge), de l’industric houillere en Bel^ique, Bruxelles 1894 förberte
ein Aberarbciter jäljrlid) im Becfen oon 2iittid) 1061 t, in Eharleroi
1030 t, irn Eentre 993 t, in SRonS (Borinage) mir 648 t!
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Sogiale Sßrajis. ©entralblatt für Sogialpolittf. Nr. 81.
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fic MeSmal noch ftegett, ba$ $riitgip, toelcßes fte ©erfechten, bcr
feubale ArbeitgeberabfolutiSmuS, bem Untergang geroeißt ift.
Auf eine Steife non intercffanten ©ingelßeiten unb inSbefonbere
auf bie Sehren biefeS großen Kampfes gebenfe i<ß in einem ferneren
Artifel gurücfgulommen. 3<ß bemerfe beute nur nodß, baß, rein
facßlicß gefeßen, ein ScßtebSgerttbt ober bie SermittelungS*
bemübmtgen uon Unparteiifcben in biefem Streit oiel AuSficßt auf
©rfolg haben mürben, Seiber aber beben in Belgien afle ^erfön*
lieb feiten ihre fefte politiftbe SDtarfe unb es mürbe ftdb im gangen
Sanbe Niemanb finben laffen, ber baS crforberlidje Vertrauen beiber
Parteien befäße!
Srüffel. Dr. ©uftao SJaper.
$tr brittc Kongreß ber ©ctoerffcßafteii $>cutfißlanb$,
ber am 8. Stai in Jyranffurt a. 2ft. gufammen treten unb etma
fünf £age bauern foll, oerfpriebt ftarf befudßt gu merben. 3ur
^ßeilnaßme finb nur bie ©entralorganifationen unb folcbe Sofal*
organifationen berechtigt, roelcße oerßinbert finb, ficß central gu
organifiren. $)ie ©eroerff (haften fönnen für je 3000 Stitglieber
einen $)elegirten mäblen. SMr beben bie prooiforifebe £ageSorb*
nung beS StongreffeS bereits früher mitgetbeilt. Nacßbetu auf ben
oerfeßiebenen geroerffd;affließen ©ingelfongreffen unb ©eneraloer*
fantmlungen ber lepten $t\t, befonberS in ber Dfterroocße, faft
allenthalben ein fcßärfcreS Heroorfeßren beS realen StanbpunfteS
gu bemerfen mar, barf gehofft merben, baß bieS auch in Sranffurt
ber galt fein roirb, gumal bie geroerlfcßaftlicßen ©entraloerbänbe
eine oon 3abr gu Saßr fteigenbe 3unabme an Ntitgliebern auf*
roeifen, bie oon ben ©eroerf febaften eine Sefferung ihrer SebenS*
ßaltung im ©egenroartsftaat ermarten unb nicht auf eine mpftifeße
3ufunft oertröftet merben roollen.
Söäßrenb man ficb auf bem erften Kongreß, ber 1893 in
Halberftabt ftattfanb, arg über bie befte DrganifationSform ftritt,
unb auf bem groeiten 1896 in Berlin noch oiel über bie ©jifteng*
bereebtigung ber Hamburger ©eneralfommiffion ber © eroerf f<ßaften
SDeutfcßlanbS oer|anbelt mürbe, mitt man bieSmal in Sranffurt
mit ber ©rroeiterung ber Xbätigfeit ber ©etteralfommiffion unb
mit anberen roiebtigen ©eroerffeßaftsfragen (ArbeitSoerniittelung,
Arbeiterfefretariaten, Tarifen unb Xarifgemeinfcßaften im geroerf*
fcßaftlicßen Kampfe 2c.) ficß befcßäftigen. 3 ur ©rroeiterung ber
STbötigfeit ber ©eneralfommiffion, in ber man beute bie
Serförperung beS 3ufammengebenS aller ©entraloerbänbe erblicft,
ift oom §olgarbeiterocrbanb ein Antrag gefteUt toorben, roonacb
bei ber ©eneralfommiffion ein britter Beamter angeftcllt merben
foll, bcr befonberS bie amtlichen ^ßublifationen beS Reiches, ber
©ingelftaaten, ©emeinben, HanbelSfammern 2C. ftatifüfcß für bie
©eroerffeßaftsberoegung fortlaufenb bearbeiten unb ben ©eroerf*
febaften gur AuSnübuitg gugänglicß machen foll. Sei bem Crgan
ber ©eroerffeßaftsfomnuffiott, bem „^orrefponbengblatt", foll ferner
ein befonberer Nebafteur angeftellt merben, ber baS Statt gu einer
allgemeinen Neoue über bie gefammte ©eroerffeßaftsberoegung ans*
aeftalten foll. ©nblicß foll bie ©eneralfommiffion alljährlich einen
3abresbericßt in |>anbbucßSform b^rauSgeben.
2)er Streit über bie Xarifgemeinfcßaft im Sucßbrucfgeroerbe
bat inbireft Seranlaffung gegeben, ben $unft „£arif unb
£arifgemeinfcßaften im geroerf fcbaftlicben Kampfe" auf bie
£ageSorbnung gu feßen. 3)ie Debatte biirfte ficb ßauptfäcßlicb um
bie ©renge breben, bis gu meiner £arifgemeinfd)aften gmifeben
Unternehmern unb Arbeitern oon Nußett für bie Arbeiter gehalten
merben. Nach bem „Äorrefponbengblatt" ber ©eneralfommiffion
foll eS grunbfäßließe ©egner ber STarifgemeinfdjaft unter ben ge*
roerffcßaftlicß organifirten Arbeitern „faum" geben. Solche fdbeinen
aber unter ben auf bem ftarren Stlaffenfampfftanbpunft ftebenben
©eroerffcßaftSmitgliebern boeß oorbanben gu fein, ba g. S. baS
Seipgiger ©eroerffcßaftsfartelf bem Sucßbrucferoerbanb roegen ber
Sarifgemeinfcbaft (ber eingigen in 3>eutfcßlanb) ben ©ßarafter einer
„flaffenberoußten" ©emerffcf)aft abgefproeben b^t-
Son feljr aftuellem Qntereffe ift bie Srage ber 3lrbeitS*
oermittelung, bie ebenfalls auf ber XageSorbnung beS
SfongreffeS ftebt. 2)er Serliner Kongreß but ficb uor brei Sahnen
gegen bie fommunalen ober paritätifc§en gacb =* 5lrbeitSnacbmeife
auSgefproeßen, aber feitbem bat ficb manches geänbert. 3m SteicbS*
tage bat ficb & er fogialbemofratifdbe ?lbgeorbnete 2Surm für bie
unparteiifcben 9lrbeitSnacbroeifc auSgefprodjen, ebenfo auch Sebel,
unb neuerbingS b fl t ber fogiatbeuiofratifcbe SHeicbStagSabgeorbnete
©almer in einer auch oom „Sormärts" im SWgemeinen giinftig
beurtbeilten, oon uns bereits gemürbigten Srofcbiire über „?(rbeits*
inarft unb SlrbeitSnacbmeis" ben Saß oertreten, baß bie ©arantie
oötliger Neutralität für Serfäufer mie für Käufer auf bem 5lrbeitS«
marft nur Nadbroeife mit öffentlidb^redbtlicbcm ©barafter bieten,
Nadbroeife, bie eine ftänbige SermaltungSeinricbtung ber ©emeinbe
unb — in ißren höheren ©entralinftangen — beS Staates feien.
StngefidbtS ber ableßnenbcn Haltung beS größten XbeilS ber Unter*
nehmet gegenüber ben fommunalen neutralen ^IrbeitSnacbroeifen
ermahnt aUerbingS ©alroer bie Arbeiter gur Sorficßt bei ber
etmaigen Huflöfung ihrer NrbeitSnacbroeife gu ©unften ber pari*
tätifeßen. 3m „©orrefponbengblatt" mirb bie erneute Sefprecßung
ber Slrbeitsoermittelung begrünbet, mit ber Nntbeilnabme ber
©eroerffeßaften in Subbeiitfcßlanb an ben ftäbtifeßen Slrbeits*
naeßmeifen, mit bem ©intreten größerer ©eroerffeßaftsfreife in
Serlin für paritätifeße ^IrbeÜSnacßmeife unb oor 5lUem mit bem
Sorftoße ber Unternehmer, bie Slrbeitsoermittelung gu einem
9Konopol für fieß auSgugeftalten. 6DaS „©orrefponbengblatt" meint
übrigens, bie HrbeitSoermittelung merbe fo lange ein „ScßmerjenS*
finb" ber ©eroerffebaften bleiben, mie biefe nießt ftarf genug jeien,
ben Slrbeitsmarft fo gu beinfluffen, baß bie NrbeiSnacßmeife ber
Unternehmer giaSfo tnaeßten.
£>ie Arbeiterfefretariate ßnb neuerbingS unter ben
Arbeitern berart beliebt gemorben, baß ber betreffenbe ^Sunft in
Sfranffurt rooßl nur in guftimmenbem Sinne erlebigt merben mirb.
SDie Öabrifinfpefüon ift auf bie £ageSorbnung gefeßt, um eine
Sefprecßung über ben Slntßeil ber ©eroerffebaften an ber HuS*
füßrung ber 3nfpeftion berbeigufüßren. ©S follen befonberS oer*
ßanbelt merben bie £ontrole ber Sauten, bie Serginfpeftion,
bie §afeninfpeftion unb bie ©emerbeauftlcßt im ^leinßanbmerf unb
in ber £auSinbuftrie. 3)em Kongreß liegen außerbem noeß gaßl*
reiche Anträge oor.
®er Serein für ^atttolmtgSfommiS Hott 1858 (faufmännifdßer
Serein) in Hamburg bat 5 “) m feinen 233 SegirfSoereinen unb
78 Sereinbarungen mit im ©angen 298 SegirfSgeicßäftsitellen, mo*
oon ficb 25 im europäiftßen SlnSlanb unb 38 an überfeeifdßen
$läßen befinben, 1898 6037 faufmännifeße Stellen oermittelt, feit
Sefteßen bis gum 7. ^egember 1898 71 000 Stellen. $)er Sericßt
fteüt feft, baß fein Ueberfcßuß an tüdßtigen, gemanbten, in ißrem
3acße auSgebilbeten .§anbtuugSgeßülfen oorßanben fei, fonbern nur
an mittelmäßigen unb unfähigen, bei benen gumeilen uoeß bie ge*
ringen ftenntntffe mit Unbefd)eibenßeit gepaart fmb. S)iefe fießr*
lingSgüd()tung, fo ßofft ber Serein, merbe baS neue £anbelSgefeß*
bueß allmählich befeitigen. 2)en jungen ^aufleuten roirb bie faeß*
männifeße gortbilbung bringenb ans $erg gelegt. 2)er Serein ßat
eine SenfionSfaffe mit Snoaliben*, Söittmen®, 3llterS* unb Skifeti*
oerforgung, eine glranfen* unb Segräbnißfaffe, eine Nbtbeilung für
Sortbilbung, UnterftüßunaSfaffen. 2)er Serein ift, mie ber beutfdße
Serbanb ^aufmännifeßer Sereine, bem 94 Sereine mit 26 000$rin*
gipalen, 92 000 ©eßülfen unb 7000 Seßrlingen angeboren, ein*
getreten für eine Regelung ber NrbeitSoerßältniffe im ^anbels*
geroerbe; infonberßeü Den $tcßtubr*£abenfcbluß unb eine böcßft*
guläffige Arbeitszeit, für faufmännfeße ScßiebSgericßte, gefeßlicße
Regelung bcr SluSbilbung bcr gmnblungSlebriinge unb enblicß für
bie Serficßerung gegen Stellenlofiafeit begro. für eine ge*
regelte Unterftüßung für Steüenlofe, bis Die Serficßerung, bie für
mißt unburdjfüßrbar erflärt mirb, fprudßreif fei. S)er öorberung
auf 3roangSfortbilbuug fö r Seßrlinge unter 18 S^ßren in fauf*
männifßen ©lementarfäcßern ßat ber Staat Hamburg bureß ©r*
ridßtung feeßs ftaatlißer gortbilbungSfcßulen entfproeßen. 5)ie
Stellung beS SereinS gum Sßuß ber $anbelsangefteüten ßaben
mir fdßon beS Defteren ermäßnt (ogl. „Sog. s $r." Sp. 228. 769).
Säcferftreif in 3Küttßett. Sor einigen Sagen finb nach langen
Serßanblungen mit ben SunungSmeiftern über 500 Säcfergcßülfen in
ben ^luSftanb eingetreten. Sie gorberungen ber Oießülfcn betrafen 2oßn*
erbößung, ?lbfd)affung ber Stofi, ^Ibfcßanung beS SBobiigmangeS bei
ben 9)?eiftern, Regelung beS HrbeitSnaßmcifeS, ber Arbeitszeit u. f. ro.
Auf cingelne ^orberungen, mie bie iHbfßnffung beS SBoßngmangcS,
hatten bie ©eßülfen oor SluSbrucß beS Streifs feßon oergießtet. Ueber
ben Serlauf bes Streifs merben mir bei ©elegenßeit eines NücfblidS
auf bie ?lrbeiterbcmegung in 9J?ünd)en im 93inter 1898,99 näcßftenS
gurüeffommen.
©egen bie $etmarbctt itt ber Sürftett* unb $ittfelinbufirie ßat in
Nürnberg eine Serfamtnlung oon Arbeitern unb Arbeiterinnen eine
Nefolution befcßloffen, bie bem Sunbesratß unb bem NeidjStag jugeßen
foll. ©S mirb ein gäuglicßeS Scrbot ber Heimarbeit für bie genannte
Subuftric oerlangt. v *)ur NJotioirung biefco Scfdiluifes merben mit
Neßt bie ©cfaßren ßeroorgeßoben, meldje bureß SWügbranbauftecfung
bie Heimarbeit fomoßl für bie Arbeitcrfcßaft felbft als für bie Haus*
gen offen mit ftß bringt.
*) 4o. Scricßt, Hamburg 1899.
851
©ogiale $rajis. ©entralblatt für ©ogtalpoltttf. SRr. 81.
852
Agitation für bat geftitffaitbeittag itt ber Xegtilittlmflrte. Tie Textil¬
arbeiter ©affend unb Thüringeng wollen eine umfangreid)e Agitation
gur Herbeiführung beg gefjnftünbigen Arbeitstages in allen Seytilfabrifen
beginnen.
Tie djrifitlidjeit ©djtöißteraefetteit Berlins, bie in einer befonberen
Seftion beg Vereing Arbeiterfdjuß organiftrt fmb, haben jüngft nach
einem Vorträge beg ©entrumgabgeorbneten gud)S über bie Arbeiter*
fdjußgefcßgebung über bie auf bem berliner ftäbifdjen Sdjlachthofe be*
ftchcnben VUßftriube oerhanbelt unb folgenbe ftorberungen aufgeftellt:
I. Abfdhaß'ung ber Sonntaggarbeit auf bem Sdjlachthof beg ftäbtifchen
©entraloiehhhofg, fowte ftrengfte ^nncfjaltung beg §. I ber Schlarfjthof*
orbnung, welcher lautet: „Ter Sdjladßhof ift geöffnet in ben Sommer*
monaten oorn 1. April big 30. September non 4 Uhr früh big 10 Uhr
Abenbg, in ben SBintermonaten oorn 1. Oftober big 31. Viärg oon 5 Uljr
Vtforgcng big 10 Uhr Abenbg. — II. Abfdiaß'ung beg ©iufaffireng non
©elbern am Sonntage. — III. Turcbführung ber Veftimmung ber ©c*
werbeorbnung über Sonntaggarbeit bei ben Labenfdjlädjtern, wonach
am Sonntag nur brei Stunben gearbeitet werben foH. — IV. ©in*
führung beg unentgeltlichen Arbeitgnadiweifeg unter 3)?itmirfung ber
TOcifter unb ©efeflen; Trennung beg Arbeitgnachmetfcg non Schanf*
ftätten; ferner Verlegung beg flünbiguuggtageg auf einen SBodjcntag.
3ut Ad^tfttmbenbetoegttng in ©uglanb. 3m Sonboner ©raf*
fcf)aftgrath hat U<h rin „Eight-hour Memorial Committee 44 foit*
ftituirt. ©g oerfolgt bie Aufgabe, bie Achtftunbenberoegung mög*
lidhft auggubehnen unb eiiijchlägigeg Snformationgmaterial gu
fammeln.
Tie Lohnbewegung unter ben Bergarbeitern bei frangöftfehen
Aorbretrier*, non weicher mir in $r. 29, ©palte 796 berichtet
haben, fcfjeint unter bem ©influffe bei ©treifg in ben benachbarten
belgifchen SReoieren brohenbere formen angunehmen, alg eg nach
bem gütlichen Uebereinfommen ber Unternehmer« unb Arbeiter«
belegirten oom 13. April ben Anfchein hatte. Aug Vorig roirb
uni barüber gefchriebett: Tie am 24. April in Leng abgehaltene
Verfammlung ber ©eroerffchaften bei V°3 be ©alaig unb SRorb*
bepartementi oerfagte jenem Uebereinfommen bie rücf^altlofe 3u*
ftimmung. SRach ber Veridhterftattung beg Teputirten Vaglp über
bie 3ufammenfunft 13. April, auf ber eine fünfprogeniige
$rämienerht>hung oereinbart morben mar, erhoben bie Vertreter
ber ©ruben oon ©ourriöreg heftigen 2öiberfprucf», ba ihre Arbeit*
geber burch ein* SRebufiion ber Lohnfäße bie ^Srämienerhbhung
tKuforifd) gemacht hatten, ©ie hielten eg barum für nothmenbig,
auf ber urfprünglich oerlangten 20 progentigen Erhöhung ber
Prämien gu beftehen unb ficb an ben belgifchen Augftanb angu*
fcßlteßen, um fo eine internationale Bewegung gu fchaffen. $ad) s
bem auch mehrere SRebner in ähnlidjem ©inne gefprod)en hatten,
gelangte enblich Baglp mieber gu VBort unb oerfudjte, bie (Gefahren
unb Opfer eineg allgemeinen Augftanbeg fcßilbernb, bie Bcrfamm*
lung für eine gemäßigte ^ßolitif gu geroinnen. Sr fehle augein«
anber, roie auf ber 3nfammenfuitft com 13. April bie Arbeiter*
belegirten burd) unrichtige Aufhellungen ber Compagnien getäufcht
rooroen feien. Ade ihnen oorgelegten unb ben Abmachungen gu
©runbe liegenben 3ttf e ™ über bie burd)fdf)nittlid)en Löhne, bie
burchfchnitthche ^robuftion unb Verfaufgpreife feien übertrieben
gemefen. 3n einer fofortigen genauen Controle biefer Angaben
waren bie Arbeiteroertreter nicht oorbereitet. ©ine nachträgliche
Vergleichung mit ben beim Bautemntnifterium in Vorig einlaufenben
Verübten ber Verroaltunggbehörbe habe aber ben $achmeig ge«
liefert, bah Angaben ber Compagnien nicht ber Vkhrheii ent*
fprachen unb bie Sachlage fo oerrüeften, bah mirflid) nur eine
fünfprogeniige ^rämienerhÖhung moglid) fd)ien. 9fid)tgbeftoroeniger
hielt Baglp ben Conflift für inopportun unb beantragte eine
prooiforifche Annahme ber fünfprogentigen ©rhöhung unb eine
SReoifion beg Abfommeng oom 13. April. Tie Verfammlung fcfjloh
fich biefetn Anträge an unb fdjitfte einen Vrief an ben Unter*
nehmeroerbanb ab, in welchem bie Arbeiter erflärten, in ©rmartung
einer Veftififation ber Abmachungen oom 13. April auf ber Vafig
ber thatfädjlichen Sohn* unb Vrabuftiongoerhältniffe bie fünf*
progentige ©rhöhung angunehmen. Leiter mürben noch bie groei
folgenben Vefolutionen gefaxt: Tie Unternehmer mögen fich oer»
pflichten, jeben 3 a httag bie effeftiuen Sohuliften ben Arbeiter«
belegirten uorgulegen, mährenb bie Arbeiter fich tnöglid)ft ber
Ueberftnnben enthalten foflcn, um fo eine genaue Coutrole über
bie ^robuftion unb Sohngahlungen gu ermöglichen. 3n ber
gmeiten Vefolution mürbe bem iHinfche Augbrud gegeben, im
Vi'onat Auguft einen neuen Congreg einguberufen, ber,' faßg bie
.'oauffebewegung anljält ober fich 110C h me ^ r accentuirt, bie ber
Situation entfprcchenben Sohumobififationen beftimmen folle.
3lrbeiterfd)t»l$.
Vorfchriften über bie Arbeitggeit in ^elreibemfth^tt. Auf
©ruitb beg §. 120 e Abfah 3 ber ©eroerbeorbnuna hat ber Vunbeg*
rath folgenbe Vorfdjriften erlaffen, bie am 29. April im „SfeichS*
Angeiger" oeröffentlidjt morben fmb:
1. 1. Sn ©et eibcmühlen ift ben ©ehülfen unb Lehrlingen inner*
halb ber auf ben Veginn ihrer Arbeit folgenben oierunbgwangig ©tunben
eine ununterbrodjene Auhegeit oon minbefteng acht ©tunben gu gewähren.
SBerben bie ©ctieibemiihlen augfrfjlichlid) ober oorwiegenb mit Tampf*
fraft betrieben, fo h at bie ununterbrochene Auljegeit minbefteng gehn
Stunben gu betragen. Vei betrieben mit regelmähiger Tag* unb Aacht*
fchicht fann bie Auhegeit an Sonntagen, an benen auf ©runb ber
§§. 105e Abfab 1, 105f Abfah 1 ber ©cmerbcorbnung Aufnahmen oon
ben im §. 105b Abfah 1 n. a. D. getroffenen Veftimmungen gugelaffen
finb, infoweit befdjräuft werben, alg bie Turchfüfjrung beö wöchentlichen
Schiebtwechfelg eg erforberlich macht.
Auf ben ©etreibemühlen, in. beren betrieb augfchliehlt^ ©tnb
alg Vetriebgfraft benuht wirb, finben biefe Vorfchriften feine An*
wenbung.
giir ©etreibemühlen, welche augfdjliehlich mit burch unregelmäßige
SBafferfraft bewegten Triebwerfen arbeiten unb nicht mehr alg einen ©e*
hilfeu bcfdjäftigen, fönnen burch bie untere Verwaltunggbeljörbe Aug*
nahmen oon ber oorgefdjriebenen Aul)egeit an ^öchftenS fünfgehn Tagen
im 3ah*e gugelaffen werben.
2. Lehrlinge unter fechgeh« fahren biirfen in ©etreibemühlen aller
Art nicht in ber 9iad)tgeit oon achteinhalb Ußr Abenbg big fünfeinhalb
Ußr SWorgeng befchäftigt werben.
II. Alö ©ehilfen unb Lehrlinge im Sinne ber oorftehenben Ve*
ftimmuugeu gelten foldje ^?erfonen, weldje bei ber Vebienung ber SJfafjl*
gange befdjättigt werben. Tabci gelten ^erfoneit unter feeßgehn 3ahrrn,
welche bie Augbilbuna guut ©ehilfen nicht erreicht haben, auch bann alg
Lehrlinge, wenn ein Lehroertrag nicht abgefdjloffen ift.
III. Tie oorftehenben Veftimnutngen treten am 1. 3 u tt 1899 in
Craft.
VHt biefen ©chuhoorfchriften ift ber ©djlußftein in bie bereitg
1893 begonnene ©nquete über bie Arbeitzeit in Oetreibemühlcn
eingefügt. Tie bamit betraute Commiffion für Arbeiterftatiftif er*
ftattete einen Vericht über ihre ©rßebungen ©nbe 3uni 1898,
Vtitte SRooetnber beffelben 3ah^ machte fte ihre Vorfrage gur
Regelung ber Arbeitggeit, bie im SLefentlichen ber jefet erlaffenen
Verorbnung gu 63runbe liegen.
©djufcoorfchrifteit für bie Arbeiter in ThomagfrhlacfemSRfih^ 11 *
Auf ©runb ber §§. 120e unb 139a ber ©eroerbeorbnung hat ber
Vunbegrath Vorfchriften erlaffen über bie (Einrichtung unb beit
Betrieb geroerblicher Anlagen, in benen Thomagfdjladen gemahlen
ober Thomagfdjladenmehl gelagert wirb. Tie Vorfdjriften betreffen
gumeift bie thunlichfte Verhütung gefährlicher ©taubentwicfelung.
©g wirb bie (Einrichtung abgefonberter Anfleibe* unb ©peiferäume
oorgefd)rieben, bie im hinter erwärmt roerben müffen. Aud)
5ßa|d)einrichtungen unb warme Väber werben oorgefchrieben. Tie
Vefd)äftigung oon grauen unb jugenblicfjen Arbeitern in ben
Väumen, in bie Thomagfchlade ober Thomagmehl eingebracht
roerben, wirb oerboten. Tie tägliche Arbeitggeit roirb, augfdjließlidh
ber Raufen, auf gehn ©tunben feftgefefct. ©g biirfen nur
foldje Arbeiter befchäftigt roerben, bie nicht alg ©eroohnheitgtrinfer
befanut fmb unb für welche ärgtlidj befcheinigt roirb, baß fte nicht
an ^ranfßeiten ber Atljmunggorgaue leiben. Tie Vorschriften
treten bereitg am 1. 3«li 3ü. in ^raft. VHr halten fie für ein
fehr banfengroertheg Vorgehen auf bem ©ebiete beg Arbeiterfchußeg.
©rütibe für faett gefeßltchett einheitUcheit &bettf^ttg* Tie
bereitg in leßter Kummer erwähnte ©ingabe beg Teutfchen Ver*
banbeg $taufmännif<her Vereine (126558 Vtitglieber, barunter 24781
Vringipale) gum ©ntrourf eineg ©efeßeg, betreffenb Abänberung
ber ©croerbeorbnuug, bringt für ben gefeßlichen allgemeinen
8 Uhr*ßabenfd)luß folgenbe ©rünbe bei:
3Kit ber aitgfdilteßlichnt ^eftfeßung einer 9fta£imalarbeitggeit ober
einer SRinimalruljcgeit, weldie ber ©efeßeutwurf gur ©runblage ge*
uominen hat, ift für bie größeren ©efd)äfte bie ©toglidjfeit ber ©in*
führung eines Sdjidjtrocchiclg in ihrem "perfonal mährenb beliebig
langer OJcfdjäftgfluiiben gegeben, ber ben hirrju nidjt befähigten Sil ein*
betrieben mtb in erhöhtem 59Jaße ben gumeift mit noch bcfdjränfterer
Arbeitgfrnft geführten Aileinbctrieheii eine erbriiefenbe Stonfurreng
fchnffen muß. ’Jviir einen großen Theil biefer leßteren Betriebe, oon
benen laut Vegrünbuiig beg ©efeßentwurfeg im gahre 1895 nicht
weniger alg 350 572 gegenüber 284 037 ©chiilfenbetrieben beftanben,
würbe alfo, währenb bie ©efepgebung anberweitig barauf Bebadjt
nimmt, ihren Veftaub thuulidjft gu" fdjüßeu, eine erhebliche Sdjäbigung
bie uuaugblciblichc Jolgc fein.
Tie Abneigung gegen ben oon ber Mommiffiou für Arbeiterftatiftif
oorgefdilagenen* allgemeinen Adituhrlnbeufrfiluß hat, wag auch bie Ve*
griinbung beg ©efeßentwurfeg big git gcwijfem ©rabe anerfanut, in ben
853
Sogiale $ra£t3. ©entralblatt für Sogialpolüif. Nr. 81.
854
lebten Safjren bebeutenb nachgelaffen. Sie ift, rote bie jefct fd^ott in
Dielen $f)etlen SübbeutfhlanbS gepflogene BrajiS beS 2abcnfd)luffeS
unt 8 ober felbft 7 UI)r Beroeift, feineSwegS auf jroingeube ©riinbe
gurücfgufüljren unb würbe unter entfpredjenber gefefelidjer Verpflichtung
ebenfo rafd) fdjwinben, als bie nadj ©infi'thrung ber Befchränfung ber
Sonntagsarbeit int HanbelSgewerbe vielfach geäußerte Ungufriebenheit
ber ©efhäftSinfjaber, von ber gegenwärtig nur noefi gang vereingelt
etwas gu vernehmen ift. Befonberen Bebürfniffen würbe überbieS burch
HinauSfchiebung ber Sdjlufcgeit um 1 bis 2 Stunben an ben Sonn*
abenbeit unb Borabenben ber ffefttage foroie in ben vom §. 139 d beS
Entwurfes uorgefebetten gälten vollauf Rechnung getragen fein.
Der einheitliche Sabenfchlufj bietet au&erbent ben feineSroegS gu
unterfd)äfcenben Bortbeil, bafj er bie gegenfeitige Kontrolle ber
©eftbäftsinbaber felbft gur golge fyat, wabrenb ©efejpibrigleiten bei
©ewäbrung ber 3Ä in im a 1 ru hesei t r befonberS in ben gälten beS Sdjicbt*
wedjfels, faum anberS als burdj Angeigen aus ber SRitte beS ^erfonalS
gur ^enntniß ber Befjörbe lomnten fönnten. Solche Angeigen werben
aber, wie bie ©rfafjrungen mit ber Sonntagsruhe gelehrt gaben, aus
leicht begreiflichen ©ri'mben nur verfdjwinbenb feiten erftattet.
Diefe ©rünbe aus Sntereffentenfreifen erfebeinen uns fo gu«
treffenb, bafc wir von ber NeicbStagSfommiffion trofc beS Verlaufs
ber fßlenar&eratbung immer nodb ben Borfcblag eines gefehlten
allgemeinen LabenfdjluffeS — wenn nicht um 8, fo hoch roenigftenS
um 9 Uhr — erwarten. Bon weiteren Hunbgebungen für ben
obligatorifdjen Labenfdjluf} erwähnen wir eine Berfammlung von
Bringipalen unb ©eljülfen in «öln, fowie eine eingebenbe,
treffeno begrünbete Petition beS faufmännifchen unb gewerblichen
HilfSoereinS für weibliche Angeftellte in Berlin, bie nadjbrücflicb
barauf hinweift, bafe audh in ^ringipalfreifen bie 3<*bl der Anhänger
beS einheitlichen ©efdjäftSfcbluffeS wächft.
«ns lern SalpeSbmd)* ber Sabrifiufycftion für SNetmngen
1898* Unter ben fleinftaatlichen SabrifinfpeftionSberichten ift, feit*
bem ein Beamtenwecbfei ftattgefunben b fl t, einer ber betnerfenS*
werthen ber aus ÜJletningen, baS befanntlid) eine fehr gro&e Sn*
buftriebevölferung b a * nnb beffen Snbuftrie eine befonbere Be*
achtung unb mannigfachen Schußes ber Arbeiter erforbert. Spiel*
waaren*, ©IaS*, ^orjellan*, Farben*, Schiefer*, aber auch Deftil*
unb Ntetaflinbuftrie finb im Hergogtbum Meiningen heimifch unb
haben fchon öfters bie «ufmerf(amreit ber Sogialpolitifer auf fich
gelenft. Der Bericht beS gabrifinfpeftorS für 1898 fagt uns, bafe
203 Berichtigungen in 194 betrieben mit 11101 Arbeitern ftatt*
efuitben haben, unb fonftatirt ber Beamte einen ftetig ft<h heben*
en Berfebr ber Arbeiter mit ihm. (Sr fchreibt baS gu einem
wefentlichen %$t\l bem Umftanb gu, bafj bie Arbeiter bemerften,
bafj llebelftänbe, bie fie bem «ufftchtsbeamten berichteten, audh
wirflicf) befeitigt würben. Berfcbiebene Klagen über bte Befdjäfti*
gung Sagenbücher unb Hinber finb gwar burd) ©ingreifen ber
gabrifinfpeftion befeitigt worben, aber es bleiben hoch noch welche
übrig unb es hat bie Sdjulbebörbe fich auch mit ber Angelegenheit
gu befchäftigen gehabt, weil man f^Pflichtige Hinber an freien
Nachmittagen unb wabrenb ber Serien fo befdjäftigte, ba& Be*
fürchtungen wegen beren ©efmtbbeit unb ©ntwicfelung Vorlagen.
Da in ben betreffenben Snbuftriebegirfen theilweife viel £auS*
inbuftrie unb Heimarbeit eingebürgert ift, wirb aber unfereS (Sr*
achtens erft bann eine Befferuug eintreten, wenn auch biefe ArbeitS*
gweige ber Snfpeftion unterbeut finb. Die grauenarbeit hat gu*
genommen unb gwar ift bie 3af)i der Arbeiterinnen um 6 o/ 0 ge*
wachfen, aber ba bie ©efammtarbeitergabl um 8 o/ 0 wuchs, fo ift
barin ein SNifcoerbältnifg feineSwegS gu erfennen. Hingegen find
eine Angabi von Uebertretungen in Begug auf grauenarbeit gu
fonftatiren gewefen, unb gwar in 3i*f)cleten, in einer Accumula*
torenfabrif, in Sarbenfabrifen unb einer 3äa^^a4 er fabrif. Sn
^orgellanfabrifen fommen auch n0( ^ Arbeiten vor, bie als fchäblich
gu erachten finb, bodj foHen foldje allmählich burch 3J?afd)inen*
einrichtunaen unb veränberte ArbeitSmetboben befeitigt werben. Sn
Sßorgeüanfabrifen mit auswärtigem Arbeiterperfonal finb auch über*
füllte Schlafräume betroffen worben unb ift Abhülfe erfolgt. $)ie
Bewilligung ber Ueberftunben für grauen laffen erfennen, bafe man
fich mit bem gefehlten Schuh ber Arbeiterinnen eingerichtet hat,
unb fo ift auch bezüglich ber Sonntagsarbeit bie fortfehreitenbe
(Srfenntnife feftguftetten, ba& man in ber Spielwaareninbuftrie unb
in ber Sonneberger Snbuftrie überhaupt fich gewöhnt hat, ohne
jebe Sonntagsarbeit auSgufommen, fehr beachtenswert^ lieber
bie ©ewerbegerichte in Sonneberg unb Saalfelb fpricht fich ber
Bericht mit großer Befriebigung aus unb eS ift befonberS be*
merfenSwerth, bah nian bem ©ewerbegericht mehr Bertrauen ent*
gegenbringt als früher bem Bürgermeifteramt (ober bem Schiebs*
mann), ber für viele gäüe guftänbig war, obgleich hoch auch iefct
ber ©erichtSvorfihenbe ber Bürgermeifter ift.
Abänderung der Schuhtwrfchriften für jugendliche Arbeiter in
granfrcich. 2)urch befrei vorn 20. April, veröffentlicht im „Sournal
officiel" vom 28. % April, wirb baS Bergeidjnih ber gefunbheitsfehäb*
liehen unb gefährlichen Betriebe, welches bem befrei vom 13.9M 1893
beigefügt war, bahin abgeänbert, bah bie Befchäftigung von Hinbern
unter 18 Sah^n, bie bisher in gewiffen Nebenanlagen ber Schlacht*
Ijäufer abfolut unterfagt war, ben Borfchrifteu über bie Schlacht*
häufer felbft unterfteßt wirb, in benen nur bie Arbeit ber Hinber
unter 16 Saften verboten ift.
HandetSgehülfeufchuh in Aufträgen. SDie Legislatur von
SBeftauftrafien (über Neufeelanb unb Biftoria vgl. „Sogiale
Brafis" Sp. 792) hat im Dftober vorigen 3ah«S ein ©efefe be*
fchloffcn, baS bie ArbeitSgeit ber Labenbebienfteten regelt. 3« ben
Stäbten unb gröberen Drten müffeit bie Läben von 6 llhr Nach*
mittag bis 8 Uhr früh geholfen bleiben, hoch fann ber Laben*
inhaber ben Laben am Biittwoch ober Samstag bis 10 Uhr Nachts
offen halten. Ausgenommen von biefen Beftimmungen finb blob
Apotfjefen, gleifchhauerläben, Speifehäufer u. f. w., unb in ber
Nahrungsmittelbranche bürfen bie Bebienfteten auch f<han vor
8 Uhr BtorgeuS bie Arbeit beginnen. Sßeiter müffen bie Laben*
inhaber ben Bebienfteten eine volle Stunbe für baS SWittageffen
unb am Samstag auch Nachmittags eine Stunbe für ben Ztyt
freigeben unb ebenfo wöchentlich einen halben Feiertag, grauen,
jugenbliche Barfonen unb Hinber bürfen in Läben nicht mehr als
48 Stunben wöchentlich (abgüglich ber NlahlgeitSpaufen) befchäftigt
werben, ©igene Snfpeftoren finb mit ber Hontrolle ber
Durchführung biefer Borfchrifteu betraut worben.
Atbettemrmenrag. Sporhaffen.
Stand der Hranfeuverftih^ruug itt Deutfchlaud 1897. Die gahl ber
Hranfenfaffen im Neich bat 1897 22 477 betragen gegen 22111 im Bor¬
jahr. Die SNitgliebergahl hat fich erljöht von 7 944 820 auf 8 337 119.
3m ©ingelnen hat bie 3aöl ber eingefdjriebenen §ülfSfaffen fich von
1410 auf 1422 erhöht, bie SRitgliebergahl biefer «affen von 697 546 auf
730 985. Die 3al)l ber SnnungSfranfcnfaffen wud|S von 566 auf 593
mit 145 819 Bitigliebcrn gegen 132 08L im Borjaljr. Die 3 a hl ber
Betriebs* Oabrif*) HranlenEaffen erhöhte fich von 6796 auf 6974, bie
Bcitgliebergahl bafelbft von 2 032 475 auf 2 160 074. Die übrigen
Haffen unb AUtglieber entfallen auf bie ©enteinbeverficherung, bie Drt$*
laffen, bie Baufaffen unb bie lanbeSre«htlid)en «affen. Die ©innahmen
aller «affen gufammen erhöhten fich von 155809833 M. auf 167810060 JK.,
bie Ausgaben von 109 722 770 M. auf 120 487 910 M. DaS Bermögen
ber «affen wuchs von 107 856 665 M. auf 119 627 754 ^. Auf ein
SRitglieb fielen 0,36 ©rlranfungsfäße, gegen 0,35 im Borjahre mit
6,18 «ranfheitstagen, gegen 5,99 im Borjahre. Die «ranfheitSfoften be*
trugen 14,43, gegen 13,8i im Borjahre. Unter Auberem betrugen bie
Ausgaben für Aergte bei allen «affen gufammengeuommen 26 914 241 JC,
gegen 24 818 242 *#. im Borjahre.
Die Aufwendungen ber «nappfchaftS^BerufSgettoffeufchaft für 1898
betrugen beinahe 10 SWiflionen HRarf. Nah Abgug ber 3infen beS
NefervcfonbS [teilte fich bie Umlage auf faft 9 Millionen Bear! gegen
8 Millionen im Borjahre, alfo l BUllion mehr. Die ©ntfdjäbigungen
begifferten fih auf 9 BiiDionen SNarf; bie «often ber Unfaüunter*
fudjuugen, ber geftfteHung ber ©ntfehäbigungen, ber SchiebSaerichte unb
beS Heilverfahrens innerhalb ber erften 13 Vochen nach dem Unfälle
betrugen runb 328 500 *#.; bie reinen BcrmaltungSfoften beliefen ftdj
auf 395 900 Jt ober 4,5 % ber SahreSumlage. ©S waren 495 000
burchfdivütlich befdjäftigte Bfrfwcn verfidjert, baS finb 26 000 mehr als
im Borjahre. An Löhnen würben im ^aljre 1898 beim beutfehen Berg*
bau 497 Niiüiouen B?arf gegahlt; biefe Summe ift gegen baS Saht 1897
um 39* a Büüioneu SNarf geftiegen. Der Durd)fd)nittslohn ber Arbeiter
hat fich (fit beut Befiehen ber UnfaDocrficherung gang erheblich ver*
mehrt; währenb berfelbe im S^bre 1886 auf ben «opf ber Bcrfidjerten
729,69 jl betrug, [teilte er fich für 1898 pro «opf auf 1003,90 je ©egen
bas Borjahr h^t Üh der Durhfhmttslobn U m 28,is *#., gegen bas
3ahr 1886 aber um 274 ,91 je für einen Arbeiter pro 3<*b r erhöht. Die
Umlage beS 3oh re ^ 1898 beträgt burdjfdjuittlidj 1,78 % ber Sohnfumme
unb auf einen Arbeiter berechnete fid; biefelbe gu 17 ,90 Jt
AUevSderforgttng der ©ifenbahnarbeiter in Ungarn. Die
ungarifhe Negierung h^t eine B en f l vnSnorm erlaffen, um eine
AlterSverforgung ber 20 000 Arbeiter ber ungarischen Staatsbahnen
burchguführen. Das ^ßcnfionöinftitut rechnet auf permanente
20 000 SNitglieber, unb werben aueb jene AngefteUten ber ungari*
fdjen Staatsbahnen, bie in Solge UeberalterS, ober als nur pro*
viforifh AngcfteUte nicht Nütglieber beS BenfionSinftitutS ber
ungarifdjeit Staatsbahnen fein rönnen, in bafjelbe eiitbegogcn. Die
Benfionsberechtigung beginnt nach gehnjährigem ununterbrochenen
Dienft bei ben löniglicf) ungarifhen Staatsbahnen. Die B c ”R°n
wirb auf BaftS beS auf ein ganges 3ah r entfaEenben DaglohneS,
855 Soziale $rajis. Eentralblatt für Sojicilpoliitf. Rr. 81. 856
beziehnugSwcifc ©chaltes beS Beamten berechnet unb beträgt 35 %
ber 3ah re *be$af)lung. $ie flöhe ber $enfion wächft nad) jebem
weiteren Xienftjaf)re in prozentualem Berl)ältniffe. 93ei älteren
Arbeitern wirb ein £f)eit ber bereits gururfgelegten Xienftgeit in
bie 'pntfiou ohne Radjzahfang eingerechnet. Xie oolle ^enfion
erhält ber Arbeiter nad) 36 jähriger Xienftzeit. ®ie ^enfionS*
bered)tigung wirb auch auf bie Wütwen ber Blitgüeber, auf beren
Kinber aber als ErziehuugSbeitrag auSgebehnt. Xüefe Bezüge
fönnen jeboch nidjt 90 % beS Betrages überfd)reiten, bie baS oer*
ftorbene Biitglieb z« forbern berechtigt wäre, Xie fleinfte 'peitfion
ber Wittwe fann nicht weniger als 100 fl. per 3ah? betragen.
£>ie Soften beS 3nftitutS tragen zur fiälfte bie ungarifd)en Staats*
bahnen unb zur £älftc bie BHtglieber, jeboch fönnen bie Beiträge
ber ^DHtalicber 4 % bcS BerbienfteS nicht überleiten. Xer
^enfionSfonbS oerfügt bereits über ein Baarfapital oon 60 000 fl.,
baS aus ben oon ben föniglich nncjarifchen Staatsbahnen jährlich
Zu ßaften beS ©efchäftSfontoS zu biefem 3mecfe bei Seite gelegten
20 000 fl. befchafft würbe.
3«r Srhulfparfaifetifrage in Englanb. Xie grofee erziehliche
unb wirthfchafllid) e Söebeutung ber Schulfparfaffen weife man aud)
in Englanb in einem immer fteigenben B?afee zu würbigen. Es
befteheu bort nad) ben neueften Berid)teu für nahezu 10000 Schulen
berartige taffen, beren Entwicflung allerbingS feineSmegS eine
gleichmäßige ift. 3n einzelnen ©egenben wirb fehr geflagt, bafe
bie taffen feinen Boben gewinnen fönnten, währenb man in
atibercn wieberum überaus günftige Erfahrungen bamit macht,
©anz befonberS glänzenb zeigt fid) bie Entfaltung ber SdEjulfpar*
faffen in Blandjefier, alfo gerabe in einem ber wefentlicfeften 3n*
buftriecentren. ES befteheu bort 132 einzelne Schulfparfaffen,
welche aber wieber unter fich oereinigt finb unb einen gemeinfamen
Bericht jebeS 3<*h r über ben Stanb herausgeben. XaS 3ahr 1898
hat banach wieberum äufeerft oortheilfeaft abgefchloffen unb weift
bem Borjahr gegenüber eine günftige Entwicflung auf. Xie 3 a *)l
ber einzelnen Einlagefonten beläuft fid) auf 20 729; inSgefammt
finb in beut 3uh re 16 955 £ 2 sh einbelegt unb 15 903 £ 19 sh 2 d
zurüefgezogen. Xie Kapitalien werben oon bem Borftanbe oer*
waltet unb fmb hauptfä<hli<h in oerfchiebenen Sicherheiten zu ©unften
ber Einleger angelegt. Xer auf ben einzelnen Einleger entfaüenbe
SDurchfd)iuttSbetrag hat fich wieberum gegen 1897 gehoben. 2C6*
gefehen oom 3uhre 1896 war noch fein 3uh r währenb beS
22 jährigen BefteljenS ber ©emeinfamfeit ber taffen fo giinftig als
1898. |)eruorzuheben ift noch, bafe man in Englanb unlängft ben
Berfud) gemacht hot, bie Schulfparfaffe in unmittelbare Berbuibuttg
mit einem größeren Banfinftitut zu bringen; bie Banf hotte fich
bazu bereit erflärt für alle biejenigen gäQe, in benen bie Einlage
beS einzelnen KinbcS bie £>öl)e oon 10 sh erreicht hötte. Xer Ber*
fuch h at fid) burchauS bewährt, inbem baS 3ntereffe ber fparenben
Kinber nicht nur oollauf gewahrt, fonbern fogar oortheilfjafter ba*
bei bcrücffichtigt ift, unb eS anbererfeits auch für bie Banf zu
feinen llnzuträglichfeiten ober Schwierigfeiten geführt h Q t. Bfan
nimmt bafeer jefet in Englanb mehrfach barauf Bebaut, eine ber*
artige Berbinbung in bie Wege zu leiten.
3Ubeitenad) niete.
Broteft gegen bie Errichtung hon paritfttifdjen ArbeitSnadj*
kneifen, ©egenben Eintrag ber Abgeorbneten S^oeficfe unb Dr.^achnicfe
auf Errichtung oon paritätifd)cn ÄrbcitSnadjweifen hat ber ©efammt*
oerbanb beutfeher BletaHinbuftrieHer eine Eingabe an ben Staats*
fefretär beS 3nnern gerichtet, biefem Einträge nicht 3oIge Z u geben.
Es h^ifet in ber Eingabe u. 21.:
„Wir erbeben Einfprud) gegen ben Eintrag, weil burdj ein in feinem
Sinne erlaffeues ©efefe, als ©nmblage für ben Arbcitsnndjmcis über*
hnupt, ein Prinzip als? allein richtig auerfannt, gewifferniafecn legalifirt
würbe, bas wir in Bezug auf oiibuftrie unb (bewerbe als burdjauS
unridjtig unb nadühcilig, fowobl für bie Arbeitgeber wie für bie 'Arbeiter, er*
fannt haben unb bas wir bafjer in ber oorerwaljutcu Beziehung mit
aller Entfdjicbenbeit befnmpfen. Xieies 'Prinzip finbet in bem Verlangen
Aiisbrucf, bafe bie Raubes*Ecntralbchörbc beredjtigt unb oerpfliditct
werben fall, bie ©emeiubcu, bc,zw. weitere Mommimaloerbänbc anzu*
halten, ?lrbeitsuad)weife zu crrid)tcn unb zu unterhalten, au bereu Ber*
waltung Vertreter ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer in gleicher x 3ahl
unter bem Borüp eines Unparteiifdien betheiligt finb. 3n bem Einträge
werben bie auf biefem 'priuzig erridjtctcn Arbeitsnadfweifc als ^gemein* j
niipig" bargeftellt; fie befteheu bereits unter ber ^czcidinung „paritatifdje"
ober „uuparteiifdic" Arbeitsnad)weife." Xic ('icutciunüpigfeit biefer !
ArbeitxMtachweife nermögcti wir in 'Bezug auf oubuftrie unb bewerbe j
nidjt anzuerfeunen, beim fie finb geeignet, beren 'Beftattb unb weitere j
Eutwidciung zu untergraben unb ju hemmen."
X»aS ift ber einfeitige llnternehmcr*Stanbpunft, ber auf ber
befannten llnternehmer-Konfcrenz 1898 in ßetpzig int fchärfften
Sormulirung gelangte. 23crmuthlich mirb er bei ben oerbünbeten
Regierungen feine Billigung finben. £>enn in einem Erlafe beS
^anbelSminifterS unb beS SUiinifterS beS 3unern für $reufeeit oom
8. 3Rärz 1898 wirb betont, bafe bie Regierung eine follegialc SSer*
waltung beS 2lrbeitSnadjweifeS unter gleicfernäfeiger SBetheiligung
oon Arbeitgebern unb.2lrbeitnehmern oerlange. llnb in 23apern,
Saben, Württemberg finb bie Regierungen in gleicher Richtung
längft mit praftifefeen Riafenahtnen, bie fich oortrefflid) bewährt
haben, oorgegangen.
X)er Eingabe ber beutfehen RietaEinbuftrieHen hol^tt wir ent*
gegen, bafe ber herein ber llnternehmerbeififeer beS ©ewerbegericfetS
Berlin am 25. April einftimmig befd)Ioffen feot, ben AuSfchufe beS
©ewerbegerid)ts z« beauftragen, ein ©utadjten barüber abzufaffen,
in weld)er Weife ein paritätischer 2lrbeitSna^weiS in Stalin gu
ermöglichen unb z u förbern fei. X?afe aud) ber 40 grofee Unter*
nehmeroerbänbe umfaffenbe EentralauSfd)ufe faufmännifcher, ae*
werblicher unb inbuftrieHer Vereine fich gruiibfäfelid) mit aller
Entfchiebenheit auf ben 23oben beS paritätifcheit ArbcitSnadjweifeS
aefteüt hat, ift feiner 3 e ^ in her „Sozialen fßrafiS" (So. 288)
berichtet worben. Wir oerweifen audb auf bie unten folgenbe
Rotiz übet ben Arbeitsnachweis im ^Berliner Sraugewerbe unb
auf bie Ausführungen auf Sp. 842 biefer Rümmer. Rton erfiebt
fchon aus biefen paar SBeifpielen, bafe auch in Unternehmerfreifen
ber paritätifdje Arbeitsnachweis warme greunbe hat.
$er ArbeitSnachttetS bet znnt „fkrdtt bet ßtatteteieit öetliuS mtb
Umgcgenb^ gehörigen f&rmtmtn hat 1898 nad) feinem oom Kuratorium
beS ArbeitsuadiwcifeS (Dbmantt Dr. ^reuub) erftatteten ©efcfeäftsbericht
5996 Stelluugsfudjer in feine 2ifte eingefd)iielieu, barunter 987, bie oon
aufeerl)alb jugercift waren. Xurd) ben Rad)weiS finb ooriibergehenb
2612, feft 1567, znfammen 4176 'Arbeiter eingcftellt, wieberum eine ^er=
mehrung ber Xhätigfeit gegen bie Vorjahre (ocrgl. „Soziale prariS"
VII. Sahrgang Sp. 633). 3cöe Brauerei hat bas Rcd)t, ohne Benupung
beS ArbettsuadjweifeS einen nad) bem 'Perfoualbeftanbc beS unmittelbar
oorhcrgchenben Kaleuberjahres bcrcdjucten Prozentfafe ihrer Arbeiter
eiiijuftcUen. 2luf ©ritub biefer Bcftimmungcn, furz ansgebrüdt: „auf
prozentfafe" würben nur 270 Arbeiter eingekeilt, b. h- l‘^7 weniger, als
ohne Konoentionalftrafe zuIaffig gewefen wäre. Aus fonftigen erlaubten
©riiuben würben 59 Blaun ol)nc Bermittlung beS 2lrbeitSnadjweifes
eingeftellt.
Xic Aufnahmefarte, weld)e ftatt fonft üblicher Bücher benüfet wirb,
ift burch 'Anfügen einer Kontrolfarte erweitert. Xie Safeungen beS
2lrbeitsnachweifcS haben 'Abänberungeu erfahren, wobitrd) bie Benufeung
erleichtert ift unb insbefoitbere oon ber früher obligatorifdjcn Beibringung
eines SehrzeugniffeS abgefeljen werben fann; Arbcitszeugniffc fönnen
feine Stelle oertreten, fv^nicr füllen bie Bizefteflen (oorübergehenbe
?lrbeitsftellen oon längftens 14 tägiger Xauer) lünftig fämmtlidjen im
ArbcitsuadjweiS Eingetragenen berart augeboten werben, bafe einem
Arbeitnehmer, welcher bereits eine BizcfteUe burch ben 2lrbcitSnadiweis
erhalten hat, eine zweite BizefteHe erfi wieber anzubieten ift, tiachbem
fämmtlid)en im 'Arbeitsnachweis eingetragenen Arbeitnehmern berfelbeit
©ruppe eine Bizeftcllc angeboten ift. 2lrbeitnel)mern, welche nicht
minbeftenS uuuntcrbrodjeu oier Wochen im ArbcitsuadjweiS eingetragen
finb, ftcl)t ein Anfprudj auf Anbietung einer Bizeftclle nicht z u - ^amii
foH mamtigfad) heroorgetretenen Ucbelftäuben uorgebeugt werben, lln*
befdjabet ber llncntgeltlidjfeit biefcs unpartciifdjen gemeinfamen ArbeitS*
nachweifcS oon Arbeitgebern unb =ncl)mern finb Kontrolgebühren ein*
geführt, bereu Bebeutung Dr. greunb in ber Anmeldung auf Sp. 805
biefer Blätter bcfprochen hat. Xic Koften, welche oom Bcreiit ber
Brauereien beftritten werben, haben fich 1898 auf 10651,65 Jl gefteigert.
ArbeitSttachloeife für lattbltc^e Arbeiter in ^rettfeett. Xer 9Rinifter
ber öffentlichen Arbeiten hat ben einzelnen SaitbwirthfdjaftSfammern,
wcldje 2lrDeitsuad)weife für Jänblicfje Arbeiter eingeridjtet haben, bie
Bcfanntmadmng nnb Empfehlung ber Radjweife burch Aushänge auf
ben Eifenbahnftationen, jebodh nur innerhalb beS einzelnen Kammer*
bezirfs, gegattet.
ArbeitSbermttte(ungS«Statifttf in Cefterreich* Aus Wien wirb
uns oom 30. 21pril getrieben: 3m arbeitsftatiftifchen Amte
finbet am 2., 3. unb 4. B?ai bie bereits in ber oorlefeten Sifeung
bes ArbeitSbeiratheS angefüubigte Enquete ftatt, weld)e einer
periobifch z« publizirenben 2lrbeitsoermittluugS*Statiftif ben Boben
ebnen fotl, bie zur EJetoinming oon praftifd) brauchbaren Auf*
fdjlüffeit über baS öunftioniren ber 2lrbeitSoermittelung in SDefter*
reid) unb über ben wed)felnben Staub oon $lngcbot unb Rad)frage
auf bem 'ArbeitSmarfte bienen fötinte. Beigezogeit zur Enquete
werben Bertreter ber bereit beftehenbeit Kategorien oon ArbcitS*
nachmciSauftaltcn, als ber öffcntlid)eu, burd) ßätiber unb ©e*
meiitben unterhaltenen, ferner ber oon ©euoffcnfd)afteu unb Ber*
einen getroffenen ArbeitSnad)wciScinrid)tungen, enblid) ber gewerbe*
mäfeigen Xienft* unb StcÜenoermittler; aufeerbem würben auch
857
©ogtole BrajtS. ©entralblatt für ©ogialpoltttt. Shr. 81.
858
mehrere benrorragenbe inbuftricllc Bereinigungen eingelaben, $)e*
Iegirte 311 entfenben, unt bie Bebürfniffe ihrer Streife binficbtlicb
ber mit $ülfe ber geplanten Statiitif gu geroinnenben Bericht»
erftattung über bie ßage beS ArbeitSmarfteS gurn AuSbrucfe 3 «
bringen.
Äommiraaler ArftcüSitadjtociS Ist dotier, Jer Stabtratb non 2)oocr
bat befdjloffen, in ber Joron £>aH ein fommunaleS ArbeitSoermittlungS*
Bureau einguridjten.
©ctioflcnfd)aftjmie|eu.
fjättfgtg Sfa^re bestifdjcS ©enoffeufchaftStoefeu. $aS Qabr
1849 bebeutet einen 9föerfftein in ber ©efd)id)te beS beutfeben ©e*
noffenfcbaftSroefenS. Qm Qabre 1849 grünbete Scbulge in feiner
Baterftabt SDeltpfcb eine Äranfen* unb Sterbe.faffe, bie fid) non
anberen berartigen Staffen baburd) unterschieb, bap jebe ©önner*
fdjaft auSgefchloffen mürbe unb bie ©leichberechtigung oder ©it*
glieber in ber ©eneraloerfatntnlung 3 um AuSbrucf fam. tiefer
©rünbung folgte im $erbft bie Bilbung beS erfteit BobftoffoereinS,
3 U bem fd) 13 ^ifc^Ier oereinigten. Bfi n 0ft cn 1859 traten 3 um
erften ©al Abgeorbnete oon etroa 30 Borfchupoereinen in Weimar
3 u einem BereiitStag 3 ufammen, nadjbem eine 3 u f amtncn ^ url fi m
Bresben oon ber färtjfifc^cn Begierung oerboten morben mar. 3 U
©eimar mürbe bie ©rridjtung eines ©entralbureauS unter Leitung
oon (Schuhe befcbloffen, 31 t bem 3roecf, hie Berbinbung ber Ber*
eine angubabnen, bie Äorrefponbeng mit ben Bereinen 3 U führen
unb ein Drgan ber Borfchupoereine 3 U fetjaffen. Bur 3 roei Qabre
blieb bie Berbinbung auf Ärebitoereine befebränft, bann bebnte fie
ficf) aueb auf bie anberen ©enoffenfebaftsarten aus. Aus bem in
©eimar gebilbeten ©entratbureau bat ficb ber Allgemeine Berbanb
ber beutfeben ©rroerbs* unb ©irtbfcbaftSgenoffenfcbaften entmicfelt.
©inen Blicf auf bie Stiftungen, tiefem Berbanbe geboren jept
1544 ©enoffenfefjafren ber oerfdjiebenen ©attungen an, eS haben
baoon 1416 ©enoffenfebaften 904 640 ©itglieber, benen biefe ©e*
noffenfebaften an Ärebiten, ©irtbfcbaftSbebürfniffen u. f. m. ©ertbe
im Betrage oon 1 869 640 275 <1/ in einem Qabre 3 ur Berfügung
fteHten. Qene 1416 ©enoffenfebaften arbeiteten mit 125122 131 „tL
©efebäft^gutbaben, 41 557 912 , //. Beferoen, 512 266 641 <1(
fremben ©elbern. Unter ben 1416 ©enoffenfebaften befanben fieb
924 Sirebitgenoffenfebaften mit 125 192 felbftftänbigen Jmnbroerfern
unb 145 385 ßanbroirtben als BHtglieber, benen im Qabre 1897
etroa 900 Millionen an Ärebit gemährt maren . 4 Bei 489 Äonfum*
oereinen fauften 403 872 Berfonen ihre CebenSbebürfniffe, baruuter
befanben ficb ca. 207 000 Berfonen, bie ben arbeitenben klaffen
angeboren, bie bureb Be 3 ug ber Sßirtbfcbafts* unb ßebenSbebürf*
niffe bei ben Äonfumoereinen ca. 5 BÜdionen Btorf ©rfparniffe
er 3 ielten. Bon ben 31 bem Berbanbe angebörenben Baugenoffen*
febaften mürben 82 £äufer, baoon 45 Raufer mit 333 BttetbS*
roobnungen, erbaut.
ÄonfmnPcreiti „CottoärfS" Ist $rr£ben. %n 1888 gegrünbete Äon*
funtoerein BorroärtS JreSben ift am 31. Januar 1899 auf 17450 HJttt*
glieber angemadjfen. Jm 3 ebnteit Jaljre feines BeftefjenS batte er einen
ÜBaarenumfap oon über 4 l /a Millionen, bas eingrlne Shtglieb eine
burcbfchnittlirfie JafjreSentnabme oon 248 JC. Beben SEaterialroaaren
führt ber Bereut in feinen 23 Berfaufsfteflen BebarfSartifel überhaupt.
£>rei Käufer, eine Äaffeeröfterei unb Butterfdjlägerei ftnb BeretnSeigen*
thum. Auper bret BorftanbSmitg liebem befd)äftigt ber Berein 53 männ*
li' e unb 132 roetblidje Angcftellte mit einem Aufroanbe oon jährlich
176 024 . //. $)ie Berfäufcr erhalten monatlich bie Bertäuferinnen
auperbem alle 14 Sage einen halben Jag frei, Jcber Slngeft Ute hat
Anfprud) auf 5 Jage Sommerurlaub, J 11 ber Begelung ber Arbeits*
oerhältniffe feiner Angeboten erreidit gleichmohl ber Berein noch nicht
bie englifdjen, ja niefjt einmal beutfehe Borbilber, fo gut im Uebrtgen
feine (Einrichtungen ftnb. Jie Antfjcile ber Oienoffen ftnb auf 20
baS (Eintrittsgelo auf 60 9 {. feftgefept. Jie einge^ahlten Anteile be*
laufen fid) am (Snbe beS lebten OiefdtäftSjahreS auf 250 107 M. J)er
BeferoefoubS ift auf 42 500 M. gcioadifen, ein (ErmeiterungSfonbS oott
44 333 ift ittimifchett audj juritefgelegt morben, cbenfo ein Olebäube*
fottbs oon 5291 M. Jer Beingetoinit erhob fich beim lebten Abidjluji
auf 319 000 . tt oott biefent murbett ca. 34ü(X) Ui. ben ermähnten
^ottbS gut gebradjt, 2000 (L jur JiSpofitiott ber Glefammtoerroaltung
geftellt unb eine Jioibenbe oon 7 % auSge^atjlt. Jie Jioibenben, bie
nach SWafegabe ber SBaarenentnabme beredjnet toerbert, betrugen itt ben
erften Jahren etma h ü „, haben ftdj jahrelang auf 6 l /*% gehalten, um
jept auf 7 °,o 3 U fteigett. Sie gelangen 31 t Anfang beS SSinterS jur
\nuS 3 ahlung, alfo gerabe bann, toentt .fteijuttg, SBeihnadjtSfeft unb
Steuerpflicht an bett Beutel crpeblidjc Anforberungen ftellcu.
Bloljiiuttgstarrni.
SBobnttttgdbcrhSIttttffe ber Bebienfteteu nnb Arbeiter ber Babe*
rifdjen Staats.ifenbabnen. hierüber bat im Aufträge ber Borftanb*
feb ift beS Baherifcben ©ifenbabneroerbanbeS beffen Sefretär 3Rorifc
Scbmib eine J)enffcbrift att bie Äammer ber Abgeorbneten aus*
gearbeitet (Blüncben 1899). ©ie ©rbebung erjtrecft ftcb auf
4056 SBobnuitgen in ber §auptfadhe aus bem red)tSrbeinifeben
Batjeru, im ItnfSrbeinifcben Bagern ftnb dou 4000 gragebogen
nur 74 ausgefüllt morben. Bon ben 4056 ©obttungSinbabern
ftnb 544 Befiper eines eigenen ^aufeS, 8 Befiper einer Verberge,
349 bähen eine SDienftroobnung, 2368 mobnen in dJtietbe, 25 Fa¬
milien unb 227 Bicbtoerbeiratbete in Untermietbe, 265 bei ©Iterit
ober ©efebmiftern. Bon ben 544 $äuS<ben maren 88 ftarf raudjig,
169 febr feud)t. 9htr 413 bähen georbnete Ahortoerbältniffe. 9tur
242 jfamilien (45 %) bicroon leben in 3 ufriebenftellenben ©obnungS*
oerbältniffen, 25o/ 0 bähen gerabe genügenbe, 30 0/ 0 ungenugenbe,
überfüllte ©obnräume. 2 bis 7 B^rfonen häufen in einem 3 immer,
1 bis 9 Bcrfonen in 3tntmer unb Äücbe, 2 bis 12 Bcrfonen in
2 3immern 2 c. Bed)t fcblimm ftebt es um bie gafyl ber Betten.
Bis 12 B^fonen begnügen ftcb mit einem Bett, 2 Betten für
5 B^rfonen tnfft 3 mölfmal 3 U, neunmal bähen 6 B^rfonen 2 Betten,
oiermal 7 Bcrfonen 2 Betten, fünfmal 8 Berfonen 2 Betten, 3 roei*
mal bähen 9 B er f° nen 2 Betten, einmal bähen 14 B^fonen
3 Betten. J)aS ©ob^immer mirb in 478 fallen gugleid) auch
als ©dhlaf 3 immer benupt. Qm ©ob^immer fteben 1 bis 5 Betten.
— Qn bett SDien ft roobnungen leben 12 , 32 % ber Sfamilien in
ungenügenben ©obmäumen, 45,84% in eben genügenben. Auch
hier öerrfefjt berfelbe 9Rangel an Betten. SDabei bähen eine Betbe
ber J)ienftroobnungen fo grope SJtängel, bap eine periobifebe Be*
oifon ber J)ienftmobnungen für notbmenbig erflart mirb. — Bocb
fcbledhter ftebt eS in Öolge ber bob c n ©ieten hei ben 2638 ©ob*
nungSmietbern aus, oon benen 1253 in ben Stabten, bie
übrigen auf bem ßanbe mobnen. 25 SRietber bähen Aftermietber,
163 einen 3i m nterberrn, 51 je 2 3imnterberren, 13 je 3. Qn
168 ©obmtngen ftnb fämmtlid)e 3 *ntmer feucht, in meiteren
730 ©Ortungen 1 bis 8 ©änbe. 554 ©obnungen ftnb rauchig,
lieber Ungeziefer mirb oiel geflagt, ehenfo über ben ©angel an
©aftbgelegenbeit unb Bebenräumlid)feiten. ®ie Abortoerbältntffe
taffen in runb 1000 Qäden gu roünfcben übrig; in 23 Qäden mirb
g. B. ein Abort oon 30 bis 40, in brei Qaden oon 40 bis 50 B
foltert benupt. ©uteS Srinfmaffer fehlt bäapa. J)ie 3&bl her
Berfonen, bie in ju roenig ©obnräumen häufen, giebt uns, rote
bie folgenbe Tabelle geigt, einen erfebreefenben ©tttblicf in bie
berrfebenbe ©obnungSnotb- ©S bemobnen:
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237
176
27
18
71
9
4
34
26
236
137
44
10
57
18
5
17
10
217
124
39
11
48
15
6
12
8
109
63
19
11
26
8
7
3
1
63
25
15
3
11
6
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—
1
24
16
6
3
11
3
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1
4
15
9
7
—
3
1
10 biS 15
1
—
6
6
8
1
10
1
234
88
1075
651
184
69
266
71
1 1397 |
! 885 |
| 406
$beilmeife ift auch übel angebrachte Sparfamfeit an biefen
SKipftänben fcbulb. Aber bie ©obnungSmietbe bilbet einen roefent*
lieben Beftanbtbeil ber QamilienauSgabe. Ueber bie ^älflc ber
BUetber mup für bie ungenügenben ©obnräume 10 bis 25%
ihrer fleinen ©innabme opfern. ®azu fommen noch mancherorts
©afferjinS unb Äaminfebrergelb. 25 ©ifenbabnerfamilien mobnen
in Aflermietbe, 227 ©ifenbabner ftnb 3inttnerberren, auch fie haben
otelfacb febr gu flagen. Äurg: ein Biertel ader ©ifenbabner lebt
in guten, ein Biertel in genügenben, groei Biertel in äuperft ge*
funobeitsfcbäblidjen unb ftttengefäbrbenben Berbältniffen. Ueber
bie ©rroerbstbätigfeit ber ©ifenbabnerfrauen, bie recht umfangreich
ift, finb Angaben beigefügt. Als Bcittel gur Abljülfe mirb ber
Bau oon Jlienft* unb Arbeiterroobnungen in größerem Umfange
als bisher geforbert, unb gtoar als ftänbiger ©tatstitel, ferner bie
859
Soziale $rajt«. Ecntralblatt für Sozialpolitik Sr. 81.
860
fräftige Sörberung ber genoffenftßaftlicßeit Selbftßülfe jum Sau
oon Arbeiterroohnungen unb eine zeitweilige Kontrole bcr Dienft*
Wohnungen. Der Sagerifcße Eifenbahneroerbanb hat Saugenoffen*
fdjaften zu grünben begonnen, oon benen bie erfte 700, bte zweite
200 ^Bohnungen erfteden roid. Die 23 preußifcßen Eifcnbaßner*
Saugenoffenfcßaften haben bereit« 233 Raufer fertiggeftedt unb 49
begonnen; ihnen ftnb oon ber Arbeiter*Senfton«faffe ber preußifcßen
Staatsbal;nen bereit« über 3 666 800^ al« 3, 3 Vs unb 3V2P*o*
S itige Darlehen geroährt roorben. An bie prioaten Saugenoffen*
aften, bei benen Eifenbaßner betheiligt finb, gab bie ^ßenfion«*
faffe über 1 000 000 Jl an Darlehen.
3<tr SBoßnuttgSfrage in Bonbon. Sei Sir §enrp Eampbed*
Sannermann fpracß oortge SBocße eine Deputation be« .,Workmeu’s
Housing Council 4 *, beftehenb au« Delegirten ber Sonboner ©eroerf*
oereine, oor, um ihn für bie ArbeiterroohnungSfrage zu interefüren.
Die Deputation führte Klage über bie Ueberfüdung ber Arbeiter*
oiertel unb ^Bohnungen unb bie fteigenben Stietßpreife. Sie
forberte bie Einrichtung eine« StiethzinSgericßlS, ba« nad) Stfufter
ber irifdjen Sacßtgeticht«böfe bie Sttetßpreife feftzufeßen hätte;
weiter foHte bie Regierung für bie SBoßnungen ber ftaatücß be*
fchäftigen Arbeiter Sorge tragen unb ber ©raffcßaftSratß im Ad*
gemeinen für bie genügenbe Sefchaffung oon billigen Arbeiter*
roohnungen forgen; e« fodten um ganz Bonbon herum Arbeiter*
roohnung«an!agen gefdjaffen werben. Sir £>enrp brüefte feine
Sympathie mit ben SMinfcßen ber Deputation au«, hoch meinte
er, er fönne faum entfpreeßenbe AbänberungSanträge zur London
Government Bill im Parlamente oorbringen.
d?jiel)!tttg unb fitlbung.
$on«rofrthf#aftn^e Hntertoeifnng in ber SolfSfcßnle.
3n Sr. 17 ber „Sozialen praji«" weift Stau ©eßeimratl;
SBinbfcfjeib mit warmen Porten auf bie Sotßroenbigfeit hau«*
wirthfchaftlicher Unterroeifung für bie Döcßter be« Solfe« hin unb
richtet gum Schlup ihre« Artifel« an bie ftäbtifeßen Seßörben unb
an ben Serein für ba« beutfehe SortbilbungSfcßulroefen bie Sitte,
ber hauSroirthfcßaf Hießen Unterroeifung ber Stäbchen rege Auf*
merffamfeit ju ftßenfen. Sie wünfeht, baß biefe Unterroeifung
gänzlich oon ber Solfsfcßule au«gefchloffen unb in bie SortbilbungS*
fcßule oerlegt werbe, unb fteUt zur Segrünbung ihrer Sorberung
bem Unterricht, roie er in felbftftänbigen ^auSßaltungSfcßulen er*
theilt roirb, ben neuerbing« in einigen Solfsfcßulen eingeführten
hau«roirthfchaftli<hen Unterricht gegenüber. Dabei gelangt fie $u
einem recht harten Urtheil über ben Scßulunterridjt, ber al« ein
faft fpielenber, ganz unzulänglicher bezeichnet, bem jebe« praftifeße
S^efnXtat abgefprochen roirb.
Die ©rünbuna prioater gmuSßaltunggfcßuIen, roie in Sr. 17
eine gefcßilbert wirb, ift ficßerlicß überau« ßo<ß 3 U fcf)äfecn. Denn
burch prioate Unternehmungen ift bie Deffen Hieß feit juerft auf ba«
befteßenbe Sebürfniß nach hauSroirthfcßaftlicßer Ausbildung hin*
geroiefeu roorben; bie in berartigen Schulen gefammelten Erfahrungen
haben roertßoode Singerzeige gegeben für bie äußere Einrichtung
ber Scßulfücßen forooßl, wie für ben Ausbau einer fchulgerechten
Stethobe. Biber ben oerbienftoollen Segrünberinnen foldjer Sin*
ftalten roirb ganz gewiß in feiner Söeife zu nahe getreten burch
bie Aitficßt, baß bie Aufnahme be« Unterricht« in bie Solfsfcßule
einen großen Sortfcßritt bebeuten würbe, ben Anfang z u einer
fcgen«rci<hen Umgeftaltung ber Stäbchenerziehung.
Der Umftano, ber in Sr. 17 al« ein nur feßeinbarer Sortßeil
bezeichnet roirb, baß in ber Solf«fchule ber Unterricht obligatorifcß
fein unb babureß öden Schülerinnen zu ©ute fommen würbe, ift in
2Baf)rbeit gar nicht hoch genug anzufcßlagen. Denn bie prioaten
£>au«haltuugSfd;ulen fönnen an bie Greife, Denen hauSroiribfchaftlicße
Unterroeifung am adernöthigften ift, gar nicht heranfommen. Sie
werben, nach ben Erfahrungen, bie in Dre«ben unb uieleit anberen
Stäbten gemacht roorben ftnb, zumeift oon ben Töchtern fleiner
Seamten, fleiner ©croerbtreibenben unb beffergeftedter Arbeiter be*
fucht; bie Pächter folcher Samilien, in beiten Kartoffeln, gering,
Kaffee unb Suttcrbrot bie einzigen SaßrungSmittel finb, fommen
in biefe Schulen nur in ben fcltenften Süden, benn ihre Serßäli*
niffe zwingen fie, fofort nach ber Sdjulentlaffung in« Erwerbsleben
einzutreten, unb wenn fie nicht gliicflid;crroeife einen Dienft an*
nehmen, wenn fie, wie e« Dielfad; gefchiel;t, au« ber Schule un*
mittelbar in bie Sabrif übergehen, fo bietet fith ihuen roährenb
ihrer ganzen Sugeubzcit feine einzige ©elegenheit, oon ber Sühnung
eine« orbcittlicßen £>auSßalt« etwa« zu erfahren. DauSroirtßfcßaft*
lieber Unterricht in ber Solfsfcßule würbe fie nicht $u frühzeitig
in« Seruf«leben brängen, roie Srau ©eheitnrath SBiubfcßeib be*
fürchtet — ift e« hoch ohnehin bie Segel, baß bie Solfsfcßülerinnen
gleich nach ber Schulentlaffung einen Erroerb fuchen — er roürbe
ihnen aber bie roießtigften hauSroirthfcßaf Hießen Kennhtiffe in« Beben
mitgeben.
Denn fo burchau« ungenügenb, roie ber hauSroirthfcßaf Hieße
Unterricht im Sahnten ber Solfsfcßule nach ber Darftedung in
Sr. 17 erfeßeinen fönnte, ift er boeß nicht. 3uuäcßft finb e« nicht
40 bi« 80 Schulftunben, bie ihm geroibmet werben, fonbern 40
bi« 80 Sor* ober Sachmittage, affo 160 bi« 320 Schulitunben
jährlich- Serner ift ba« ihm gefteefte Sehrziel nicht nur ba« Stochen,
oerbunben mit theoretifchec Unterroeifung, fonbern bie Siäb^en
lernen, genau roie in ber $au«haltung«fchule, „oom S^uermachen
an, ade ©efchäfte, welche bie Seforgung ber £üd)e mit ficb bringt
unb werben zur größten Sauberfeit im Seinhalten ber ©efäfee unb
be« Sufeboben« angehalten". Sie pufcen Sanfter, Sieffer, Siech,
Steffing unb Stupfer; fie fegen, roifchen unb fcheuern genau roie in
ber §au«haltung«fchule; fte befifcen im Sldgemeinen bie förperliche
fieiftung«fähigfeit z u biefen Arbeiten unb fmb zumeift auch fchon
Zu §aufe geübt. Qn manchen Solf«fchulen (Staffel, Karlsruhe),
tragen fie auch bie Sereitungsroeife ber ©erichte in ein Such ein
nebft Hngabe ber Stoften für bie 3uthaten. Sn anberen (Ghemnih,
©lauchau) ift ber 3 c iterfparnifj wegen ein gebruefte« Behrbuch mit
Kochrezepten eingeführt; hoch führen bie Stäbchen ba roenigften«
ein Ausgabenbuch unb lernen babei auch, »nach ben Serhältniffen
fich einrichten, lernen berechnen, roie bie theuren Speifen am Eitbe
ber 2Socf)e (be« Stonat«) mit ben bidiaen fid) au«gleichen."
Enblich müffen fie auch bie Küchenroäfche felbft roaftben, fpülen,
aufhängen, legen, roden unb fchabhafte Stücfe au«beffern. Ader*
bing« fann bie Söäfchebehanblung naturgemäß in ber Schule feine
fo große Sode fpielen, roie in ber felbftftänbigen §au«haltungS*
fchule; e« muß genügen, baß bie Stäbdjrn bie einfachsten £>anb*
griffe beim ©afchen fennen lernen. Die grünbliche Unterroeifung
tm AuSbeffem ift Sache be« #anbarbeit«unterricht§, bei bem ja
erfreulicßerroeife mehr unb mehr Sßerth auf praftifepe Au«ge[taltung
« roirb. Daß bie Sehanblung ber ^iätt* unb Stärfroäfche in
olfsfdjule ganz fortfaden muß, bürfte bei ber Seurthetlung
be« bauSroirtbfd)aftlichen Unterricht« in ber Solf«fchule rool;I faum
in« ©eroicht faden, wenn man bebenft, baß feine 3^ h^r hoch
roefentlich anbere ftnb, al« bie einer felbftftänbigen £au«baltuitgS*
fcßule. Beßtere roid fertige Dienftboten au«bilben, bie Solf«fchule
aber roid feine ^JerufSbtlbung geben; fie roid ben Stäbchen oor
aden Dingen bie roichtigften Keuntniffe ber Ernährungslehre oer*
mittein, rotd ben in ben naturroiffenfd^aftlichen Stunben behanbelten
Stoff in feiner Sebeutung für« praftifeße Beben ihnen oerftänblich
machen, roid fte zur Sauberfeit, Umficht unb Dreue im Kleinen
erziehen, fiuft unb Siebe zu ben befonberen Sflidjten ber £>au«frau
unb eine Ahnung oon ber h°^n Serantroortltchfeit be« §>auS*
frauenberufe« in ihnen erroeefen.
©eitergehenbe 3i^ e mürben bem hau«roirtl;fchaftlichen Unter*
rieht aber auch bann nicht geftedt werben fönnen, wenn er au«
ber Solf«fd;uIe in eine obltgatorifche 3ortbilbung«f«huIe oerlegt
roürbe; benn nach ben Erfahrungen, bie bi« jeßt mit ber Au«*
breituitg ber 3ortbilbung«fchulpfIid)t gemacht roorben finb, ift roohl
faum zu erwarten, baß in abfehbarer 3 e rt in obligatorifchen Sort*
bilbungSfchulen bem l;au«roirthfd)aftlid;en Unterricht fooiel 3eit zur
Serfügung ftehen wirb, roie in felbftftänbigen §au«haltung«fd;ulen.
Sinb hoch bi« jeßt nur einige fübbeutfeße Staaten zur Einführung
ber 3ur!bilbungSfd)ulpflicht für Stäbd;en gefeßritten, Sacßfen hat
fte ben einzelnen Scbulgeuieinben freigeftedt mit ber Seftimmuitg,
baß bie Serpflid;tuitg z u ^ ^h^dnahnte fieß nur auf einen zmet*
jährigen KurfuS mit zmei roöcßentlidjen UnterricßtSftunben erftreefen
fod; im Banbe aber ift oon biefer Erlaubniß faft gar fein ©c*
brauch gemacht roorben. Den oiel adgemeiner oerbreiteten unb
länger befteßenben Knabenfortbilbung«fd;ulen ftnb in ber Segel
oier bi« fecß« Scßulftunben roöcßentlid) zuertheilt; ift ba nießt an*
Zunehmen, baß oier bi« fecß« Stunben roödjentlicß aueß ba« .Spöcßfte
fein roirb, roa« zunäcßft für obligatorifcße Stäbcßenfortbilbung«*
fcßulen erreicht roerbett fann? Auf biefe paar Stunben aber
maeßen neben bem hauSioirthfchaftlicßen Unterricht nod) oiele anbere
Säcßer Anfprucß unb mit oodem Sed^t.
E« roirb nötßig fein, beit Stäbcßen in ber SuAbilbungSfcßute
(Gelegenheit z u beruflicher AuSbilbuna für ben Kaufmann«* unb
©eroerbeftanb z u bieten. E« roirb aber eben fo bringenb nöißig
fein, in ber Sortbilbungsfcßulc Saum zu feßaffen für eine weitere
allgemeine geiftige Anebilbuitg unb fittlid; religiöfe Seeinfluffung
ber jungen Stäbdjen. Skttn iit Sr. 17 oorgefcßlagen roirb, ent*
Sogiale SßrctfiS. Centralblatt für Sogialpolitif. Br. 81.
862
861
begliche Untercid)fdfiunben lieber 311 m ßefen guter Schriften ald
gmn ^auSroirt^f^aftlid^en Unterricht gu oerroenben, fo mu& bem
entgegengehalten werben, bafj bie rechte 3 c ü gur weiteren Etn-
führung in bie gciftigen Schäfte bed beutfcften 95oIfeS bie 3^ ber
gortbilbitngSfchmjahre ift, bad 2llter, wo bie größere geiftige Steife
ber SJtäbchen ed ermöglicht, ihnen Sachen gu bieten, bie in ber
Bolfdfdjule noch nicht mit Berftänbnift gelefen werben fönnen, unb
wo gugleich eine forgfältig gewählte unb geleitete ßeftiire ein
©egengewirf)t bilben fann gegen ben £>ana gum $ufc, gur ©enuft-
fucht, 311 m Öeichtfinn, ber fich in ben gefährlichen fahren nach ber
Schulentlaffung fo oft entwicfelt. ©0 wäre fef?r bebauerlid), wenn
burch ausschließliche Verlegung bed haudwirthfchaftlidjen Unter¬
richte in bie gfortbilbungdfchule bie 3 «t, bie gur Vertiefung ber
Mgemeinbilbung fo nötftig ift, gu ©unften ber rein praftifchen
Sludbilbung bort befchnitten werben follte, wenn bie fünftige
3Räbchenfortbilbungdfd)ule baburch gu einer bloft praftifchen Hnftalt
gemacht würbe, beren Einrichtung in ben 5Ääb<hen bad ©efüftl er-
wecfen müftte: „B3enn wir mit 14 3ahren bie Schule oerlaffen,
ift bad ßernen abgethan, bie Sucher werben bei Seite geworfen,
unb ed wirb blofj noch ßefocht, gewafd)en, geflicft unb ©elb oer¬
bient."
£>a erfcheint ber 3öeg, ber in 9Mn<hen eingefd^Iagen ift, bodfj
empfehlenSwerther, inbem er gugleich eine grünbliche praftifche wie
eine weitere geiftige Sludbilbung oerbürgt. Sn Batjern befiehl be-
fanntlich nur fiebenjährige Schulpflicht, bie Stäbchen oerlaffen bie
Schule alfo mit 13 Sahnen. $)ie Stabt München aber h®t
8 klaffen eingerichtet, ben oberften klaffen ber fiänber mit achtjähriger
Schulpflicht entfprechenb. Sn biefen achten Eiaffen h a ^en oie
3Räbd)en neben 20 anberen Schulftunben 8 Stunben $audhaltungd»
funbe, 4 Stunben rein theoretifch, 4 Stunben praftifch in ber
Schulfüthe. Sluf bie achte Eiaffe folgt noch ein Sortbilbungd-
fchuljahr, bad neben theoretifcher #audhaltunadfunbe fjauSmirth*
fdjaftliched Rechnen, ®eutfch unb bie Elemente oer Ergiehungdleftre
bietet. SRäbchen, bie bie achte Eiaffe nicht burchmachen wollen,
müffen bie gortbilbungdfchule brei Sahre lang befuchen. Sie
haben bann im erften 5ortbilbungdf<huljahr nur alle 14 Xaae ein¬
mal Unterricht in ber Scfjulfüche, in ben beiben folgenben Sahren
nur tbeoretifchen ftaudhaltungdunterricht. So geigt bad Seifpiel
oon B?ünd)en, bafe bem in bie Bolfdfdhule eingeglieberten hauS-
wirthfchaftlichen Unterricht oiel mehr 3eit gu ©ebote fteht, als bem
auf bie gortbilbungdfdjule befchränften, unb ähnlich würbe fich
bie Sache wohl überall geftalten, wo man bei Einführung ber
obligatorifchen gortbilbuitgdfchule neben händlicher Sludbilbung
noch anbere 3 *ele ind Sluge faftt.
3>afj ber haudwirthfchaftlijhe Unterricht aber auch int fchul-
pflichtigen Silier fchon fegendreidf) wirfen fann, bafür fprechen be¬
reits eine gange Steife günftiger Erfahrungen. $>ie 13- bis
14jährigen SRäbchen — bad fei gum Schluß noch gang befonberd
betont — betrachten ihre ^hätigfeit in ber Schulfüdje nicht ald
eine Spielerei, fonbern geben fich ih r mit groftem Ernft unb Eifer
hin, erfaffen fthneU unb gelangen währenb ber $>auer eined Eurfud
gu einer gang erfreulichen Sicherheit unb Selbftftänbiafeit in häus¬
lichen ©efdjäften. Bod) nachhaltiger aHerbingd würoe ber Unter¬
richt wirfen, noch eingehenber fönnte er betrieben werben, wenn
überall, wie in München, bie obligatorifche Sortbilbungdfdhule
(Gelegenheit böte, bad ©eiernte gu befeftigeit unb gu erweitern,
©arutn follte bie fiofung nicht lauten: „$)er h a n§mirthfchaftliche
Unterricht mufj aud ber Volfdfchule in bie portbilbungdfchule oer¬
legt werben," fonbern: „$>er haudwirthfchaftliche Unterricht gehört
fowohl in bie Solfdfchule wie in bie Sortbilbungdfchule!"
3)redben. Srangidfa Dhneforge.
Obltfl atm-if dje gortbilbnitfldfdjtile in Blagbebttrg. Stm 13. Slpril ge¬
nehmigten bie Bfagbeburger Stabtoerorbneten bie Errichtung einer obli¬
gatorifchen faufmäunifcben gortbilbungdfchule (Berichtcrftatter bed Schul-
audfdjuffcd war ber um bie görberung bed gefammteu gortbilöungdfchul-
wefen Ijodwerbiente Stabtuerorbnete Sombart), fowie Befoluttonen,
worin bie Berfammlimg fich bamit einoerflanben erflärt, baß ber 3J?agiftrat
bad Drtdftatut für bie allgemeine gewerbliche obligatorifche gortbilbungd-
fdjule nicht früher publigirt unb bie Schule eröffnet, ald bid bie ftaat»
liehen Befjörben fid) bereit erflärt haben, bie Hälfte ber burch bad Schul¬
gelb nicht gebeeften Soften (erflufioe Beleuchtung, Neigung unb totale)
für bie Schule gu tragen, ben ^agiftrat crfiufjt, auf biefem Stanbpunfte
gu oerharren unb alle für ihn möglidjen Sdjritie gu thun, um bie all¬
gemeine gewerbliche obligatorifche §ortbiIbungdfchule in Btagbeburg auf
biefer ©runblage balbigft gur Durchführung gu bringen, unb bie oor-
Iäufige gortführung ber fafultatioen gortbilbungdfchule billigt, gn ber
Berhanblung würbe manches bittere SBort gegen ben ginangminiftcr
Dr. 0 . SKiquel laut, beffen Berhalten in ber grage bed Staatdgufchuffed
bie Bergögerung ber Einführung einer pflichtigen allgemeinen gort-
bilbungdfchule oerfchulbe.
CUetorirdje ^njelgett.
I. trab Brof(hären.
Efdjwege, fiubwig, ^rioilegirted Spelulantenthum. Ein Beitrag gur
$ppothefenbanffrape. ‘i. Auflage. (Sogiale Streitfragen. Bei¬
träge gu ben Eäntpfen ber ©egeitwart. §eraudgegeben oon
Slbolf 2>amafdjfe. §eft 5.) Berlin, S. §arrmifc 9?ad^f. 23 S.
Breid 50 &f.
Sieghart, Dr. Siubolf, $ie öffentlichen ©lücfdfpiele. SSien 1899,
Bfang’fche E. unb E. §of-Berlagd- unb Uuioerfitätdhanblung.
411 S.
Bteper-Btarfau, $&., Sogialbemofratifche Sagfobfchriften. (Samm¬
lung päbagogifdjer Borträge, ^eraudgegeben oon SBilh- SReper-
Btarfau. XI. Bb. ^eft 12 .) Bonn, 5 - Soennecfend Berlag.
36 S. $reid 60
Jahrbücher für 9lationalöfonomie unb Statiftif. ©egrünbet
oon Bruno $ilbebratib. §eraudgegeben oon $rof. Dr. J. Eonrab
in Berbinbung mit $rof. Dr. Gbg. Öoening unb Brof. Dr. 933. Serid.
III. golge. 17. Bb. 3. unb 4. |>eft. 3*na 1899, ©uftao gifc§er.
Monatlich erfcheint ein §eft, fed)d $efte bilben einen Banb.
Breid bed Banbed 15 M., eined eingelnen §efted 8 M.
Le Mouvement Socialiste. Revue bi-mensuelle internationale. No. 6.
Avril 1899. Paris, Georges Bellais, 17 rue Cujas. Prix de
l’abonnement: France et Belgique un an 8 fres., Exterieur 10 fres.;
le Numero: France et Belgique 0,40 fres., Exterieur 0,so fres.
L. Vigouroux, la concentration des forces ouvri^res dans PAmerique
du nord. Bibliotheque du Mus4e Social. Paris. Colin & Cie.
1899. 4 frs.
$)ad oorliegenbe Buch ift bad Ergebnis einer Bliffton bed Must'e
Social unb fchilbert monographifch bie Crganifationeit ber Arbeiter in
ben Bereinigten Staaten.
E. Martin Saint-Leon, les anciennes Corporations de metiers et les
syndicats professionnels. Paris. Guillaumin. 1899.
$)er Bibliothefar bed Musee Social giebt in biefer Brochüre, aud
einem Bortrage fjeroorgegangen, einen 2ludgug aud feinem im gleidjen
Berlage erfchienenen größeren SBerfe über bie ©efdjichte ber 3ünfte in
granfreidj.
B?ühlbred)t, 0tto, Ueberfnht ber gefammten ftaatd- unb rechtdwiffen-
fchaftlichen fiitteratur bed Jahred 1898. XXXI. Jaljrg. Berlin 1899,
Buttfammer & SRühlbrecht. 274 S. Brriö 6 Jt.
Revue politique et parlamentaire. .^eraudgegeben oon SKarcel
gournier. Barid. Eolin & Eie.
Slud ben Bttirg» unb Slprilheften citiren wir bie folgenben ?luffä&e
fogialpolitifdhen Jnhalteö: Mauchez, l’impot general sur le revenu;
Guillot, la Suppression des octrois; Mathorez, les associations ouvrieres
de production en France; grau üilp Braun-©igi)di, le mouvement fe-
ministe en Allemagne; Merlin, la participation des ouvriers aux b4n£fices
dans Pindustrie; Fontaine, revue des questions ouvrieres; ferner bie
Ghronif bed parlamentarischen Sehend in granfreidj unb im Sludlanbe.
The Economic Journal, the Journal of the British Economic
Association. Edited by F. Y. Edgeworth and Henry Higgs. No. 33.
Vol. IX. London, Macmillan and Co. Price 5 sh.
II. ^rtuffadjen tum Bermaltmtgen, Bereinett k .
greiburg i. B., Boranfchläge ber Stabtgemeinbe greiburg i. B.
pro 1899.
— Bortrag" bed Stabtrathd ber Stabt greiburg i. B. über bie Er¬
bauung einer Eentrale für Sicht unb Eraft unb einer eleftrifchen
Straßenbahn.
Eharlottenburger Statiftif. 5. £>eft: Stanb ber Beoölferung,
Ehefchliefeungcn, ©eburten, Sterbefäüe, gugüge unb gortgüge im
Jahre 1898. §eraudgegeben 00 m Staliftifchen 2lmt ber Stabt.
2)redben, Berwalhmgdberidht bed Bathed ber Eöniglidjen §aupt-unb
Beftbengftabt ^redben für bad Jaljr 1897. S)rcdbett 1899,
0 . 3«h n & 3aenfch-
Earldruhe i. B., ©raphifche ^arftellung ber Earldruljer gleifchpreife
in ben Jahren 1889 bid 1898. Bearbeitet 00 m Statiftifdjen ?lmt
ber Stabt.
953iedbaben, |)audhaltd-Etatd ber Stabt 9öiedbaben pro 1. Äpril
1899/1900 (Bechnungdfahr 1899).
— Spegial-Etatd pro Bechnungdjahr 1899.
9Sormd, Boranfdjlag über Einnahme unb 9ludgabe ber StabtSKornw
pro 1899/1900.
3eifc; ^audhalldplan ber Eämmereifaffe ber Stabt 3«fe P ro 9lpnl
1899/1900.
©efdjäftdberidjt bed 2)redbener Spar* unb Bauoereind
pro 1898.
BerantiooTtUcti für bie Xebattton: Dr. (Srnft ft tan de in Berlin W., Sapeat|erftrafee 29 .
868 ©ojiale ©rajiß. ©cntralBIatt für ©ojialpolitif. 9k. 81. 864
©ie Praelw" erlernt an jebem ©onnerStafl unb ift burd) ade ©uchhanMimflen unb ©oitämter (©oitjeitunaßnunimcr 7072) *u belieben, ©er ©reiß
für baS ©ierteljabr ift M. 2,50. 3ebe Kummer foftet 30 ©f. ©er mnjei«enprei8 ift 60 ©f. für bie breiqefpaltcne ©eti heile.
_ fj lcriqfl von gMemntro ttj & <jE rgrd)gt, jjterlin W.
gjattbel unb ©rurerbe
^ettfcfyrtft
für bie
jhi Vertretung non fanitrl unb ©emrrhe grfr|lid) berufenen pr^tfd)aftrn.
Sm Aufträge bes ©eutfdjen ^anbilstageu
§erau 8 gege&en
oon
Dr. Voetbeer,
©eneralfefretär bei ©eutfcben ^anbelitagei.
„Hanbel unb ©eroerbe" crfc^ctnt im Binter roöcbentlid), im Sommer äße 14 ©age.
©er Kbonnementßpretß betrögt jährlich 10 Mart.
©ie 3^tfc^rtft roirb oon bem ©reufjifdjen Minifter für £anbel unb (Se¬
ro erbe $ur Uebermittelung amtüdjer Mitteilungen an bie faufmännifdfjen Korporationen
benufct. 3« feiner anberen 3eitf<brift ift ein fo reidjfjaltigei Material für bie
Hanbelß* unb ©eiöerbepolitif oereinigt.
©urdj alle ©uchhanblungen ju begehen:
$btt btt ffijwdjctt
ber
ttettfrtn ©ffdjidjte.
Oorträge
bem König Ktajimilian n. Don Bauern
im fjerbfl 1854
3 U Bcrditesgaben gehalten
fropolö uou glaube*
Heraußgegeben
oon ^.Ifrcfe ©attc.
3 roeiter Sonberabbrud ber „©orträge"
fünfte Auflage.
9tot)aI 8 °. ©reiß 3 M. 60 ©f., geb. 4 M. 60©f.
1899.
$otbtn etfdjieneu:
König Ludwig II. w w
w w fttr$t Bismarck
4* Mrt w«.
Don
$<rntfe turn fabelt*
*
ItTit einem 5#kflmüe Des KaiferDricfes.
*
BoDal 8 °. Preis 1 PT. 20 Pf.
Otto Liebmann, Verla gsbuchhandlung, Berlin W. 35.
Vergleichende Darstellung d. Bürger¬
lichen Gesetzbuches u. des Preuss.
Allgemeinen Landrechts. v„nDr.F.Leske,
Geh. Justiz- und Vortragendem Rat im preuss. Justizministerium.
Krste and zweite Anflage.
. ^. Erscheint in Lieferungen zu ca. Mk. 15 kemplett
Das Werk soll die Einführung des BGB. für die Praxis
erleichtern. Durch eine vergleichende systematische Gegenüber¬
stellung des BGB. und de* ALR. (unter Erstreckung auf alle
Reichsgesetze, das neue Handelsgesetzbuch sowie die Nebengesetze
zum BGB. und unter eingehender Berücksichtigung von Litteratur
und Rechtsprechung) nach dem System des Bürgerlichen Gesetzbuches,
wodurch die Abweichungen desselben von dem bisherigen Rechte
leicht zu erkennen sind, sollen Kenntnis und Verständnis des neuen
Rechtes gefördert werden.
jpurdy alle ^orttmentebudiltanblungen %vt brfiriym:
Btt $i#tttcm&0 (Stebttdjtttte*
Sott
©uflan SdjmoUrr, Pag ge»j,
Uerltn. töerlin.
<Ertd) Pank»,
ffcipiig.
1899. «r fit bis hrtttr, tttmeränbfrte phage, *rei* 3 p* 60 Pf.« gebunhen 4 p. 80 flf.
3n ihrer Kummer 242 oont 22.Märj benotet bie„@traf 3 burger©oft": ©ißtnartfß etnbrang, unb Me abgeflörte 9htfje unb bic Bahrbaftigteit,
,,92orf) immer ergießt ficb Sie $lut oon ÜBürfjern uttb Schriften, roomit er fein Urteil abroog unb fällte. . . . 3n biefen Sluffähen
bie bem 2lnbenfen beß ©egriiiiberß beß ©eutfdjen ©etdjeß geroibmet erroeift 3d)motler bie Bahrheit feines eigenen Borteß an ©tßntarcf,
fmb unb bie oott neuem geigen, roie tief bie Chmneritug an ben „bafj bic breitefte Birffamfeit ber großen (Renten ber Mcncbbeii
groben Mann im beutfehen ©oifc rourselt, roie feft baß Oer ,5 uttfereß grabe ttad) ihrem 2obe beginnt. . . ." © 01 t ©rofeffor Mar Seng
©olteß att il)m bängt. OJerabe fein ^oa tf r '* nocfi einmal bie Jlut enthält ber ©attb einen Sluffnp über beit „Schöpfer oon Kater unb
entfeffelt. 2lucf) ßcutc liegt und roicbei' ; JoHeß ^cucgni3 ber 9tetcb" unb bie Siebe, bic ^rofeffor ^enj über ©idmarcf bei ber
Siebe unb ©erehrung für bett großen Mr ii r „3« ©idmartfd (^ebädjtnidfeier ber ©erlincr Unioerfität gehalten hat. ©oti ^Srofeffor
©cbädjtnid" nennt [ich bad ©udj, ju Dem bie Uniuerfitätd- Cfricf) Marcfs in yetp^tg, bem getftoollcn ©erfaffer ber gefd)id)tltch
profefforen (^uftao Sdimoller, Mar ^enj unb ($vi d) Mardd tief unb roahv erfaßten ©iographie Kaifer Bilhelntd 1 ., fmb bic
bebcutungdoollc 0 )aben beigeftcuert haben. . . . ©ie 3djmollerfd)cn ©ebenfroorte, bie er bei ber ©rauerfeier bco ©creiti» beutfdjer
9luffähc über ©idinarrf, bie roir unferen liefern gelegcntlid) ihred 3tubentrn am 2. 9lugnft 1898 fprarf), bie Mbhanbhmg über „Jiirft
(Jrfdjeiuend in ber „Sojtalen ©rariß" ihrem Hauptinhalte nad) mit- ©iontarcf utib ba^ Hanß Hohen^olleru", unb bie 9iebe," bie ©rofeffor
geteilt haben, gehören jum ©eftett, roaß über ©ißmarcf gefdiricben Marcfß bet ber 0)ebäd)tniC’feicr ber i'eipjigcr Unioerfität gehalten, in
roorbett ift, uttb jroar über ©ißtnarcf al» Menfchen roie alö Staats- bem ©anbe enthalten! 3o jählt bac^ ©iidj 51 t ben rocrtooüften
mattn, alß ©olüifer toie als ©olferoirtfdiafter uttb Socialpolitifer. ©entmälern, bie bem brimgegangenen ©egrüttber beß ©eutfehen
©er freien Höhe beß 3tanbpunfteß, bert 3d)mollcr habet tu hiftorifdjer Sieidjeö gefept roorbett finb, uttb eß totrb loefentltch mit ba^u bei®
©ejtel)ung eiunimmt, entfprid)t bie Sicfe unb Klarljcit beß ©liefeß, tragen, audj ben fpätereu Olefdjlcdjtcrn baß ©ilb unb Befen beß
mit roeldjtVY-ber feelentunbige Mann in baß Befen unb Birten groben Mautieß fcftjithalten."
L i3erantiBüVUi4j juc ote Mtucigcii: vcUumtij fÄctPd, fccipiy. — 4>«iaj uuu £uucfer & $mublot, — WcDuia’t bet Sittcurelb, öerltn.
©erlitt, bett 11. ÜDiai 1899.
itumnur 32.
VUL ftt^rpHg.
Soziale prajts.
^enfrafMatf für g>03ia£porifiü
mtt ber 2Ronat«betlage:
Vas ©ewerbecjevicZt*
®rgan bes üerbattbes beutfdjec ©erperbegericfyte.
«Reue golge &ct „Blätter für fogtale unb be« „©ogtalpolitifdjen deutralblatt«*.
Ovfi|ei«f tu jrtest 2o#i«rft«a. £>CCau«geber: Vtei* »iertdjttvU* SS 9t. 60 Vf.
SRcbaftton: SBertin W., BapreutZerftrafje 29. Dl*. Ctttfl «ftötukc. Verlag Oon Duncfer & Smmblot, Setpgtg.
3nl)ölt
©ojialpolitifc^et Botmatfch in
©eutfdjlanb. Boit Dr. ©tnft
ftraitcfe, Berlin.865
«UtaBctat «•»«al* «ti» KNrttf*•!»•
poltttt.869
Betljeiligung ©eutfc&lanb« an
bet ©rünbung einer inter«
nationalen Bereinigung aur
^örberung be« Arbeiter*
fehlte«.
5Boljnung«politif in ben ©emeinben,
im Staat unb im Sfteid).
©ie gSfänbbarfeit bei Arbett«lobne«
in ftranfreidj.
©ie amerifanifebe Liga für foaiale
©ienfte.
ftoaunraftle ©oaialpoltttK .... 872
Stöbtifdje Au«funft«fteUe für bie
arbeitenben klaffen für fßofen.
Unentgeltliche Bcerbiguitg in ©burgau.
St&btifcbe 3Hiiceflen.
•totale 3«ftünbe { .873
©ie Banbwirlerei in unb um
Schwelm Bon £elene Simon,
Berlin I.
Urtbeit eine« gfabrifanten über ben
3ebnftunbentag in ber ©ejtilinbuftrie.
AtbeiWoerbältniffe in SRufclanb.
Arbeitgeber* unb liniernehmetber«
bänbe.876
Berfuch einer Unternebmerorganifation
in ber £olainbuftrie.
Berbanb ber grofefö^rifanten unb
Böttchermetfter.
©er Berbanb ber Arbeitgeber im
Baugewerbe au Blünchen.
„Scbmarae Lifte" ber Spänglerge*
noffenfebaft in BJiünchen.
Arie iterbemegstaa.877
©ie Bewegung ber ©emeinbe»
arbeitet. Bon Bt. Boerfcb,
Sefretär bei ©entraloerbanbe« ber
in ©emeinbebetrieben befchäftigten
Arbeiter, Berlin.
©et Streif ber belgifcben ©tu*
benarbeiter.
©er Berbanb ©eutfeber Budjbrutfer.
Auifperrungen wegen ber HRaifeier.
©er a«bnte internationale Berg*
arbeiterfongreb-
Bereinbarung in ber englifeben Baum«
Wollweberei.
Sdjottifcher ©ewerfbereinifongre§.
Lohnbewegung ber belgifcben ©lai*
arbeitet.
©ejtilarbeiterauÄfianb in Brünn.
Arbetierf*«#.882
Abänberungen ber ©ewetbeorbnung«*
tfooeüe in ber 9tei<bitagifommiffion.
Arbetterfdiub in ber ferantifeben 3n*
buftrie ©nglanbi.
Arbetterberfiibeniitg- ©pnrfaffe» 882
Annahme ber 2>nbalibenüerficberungi*
nooeHe in ber 9teichStag«fommiffion.
©er ©ubetfulofenfongrejj unb bie
Äranfenfaffen.
Arbettbimftwei«.883
ßuiti paritötifeben Arbeitflnachwei«.
Arbeitsnachweis ber ©ifeninbuftrletlen
in Hamburg.
©er unentgeltliche Arbeitinacbweii in
grranfreidj.
©enofTenfibaftStoefen.883
ßtoei Arbeitet • Brobuftioge*
noffenfebaften im £ara. Bon
Dr. gfrifc Specht, ©harfottenburg.
Snbalt bei ©ewerbegeriebti Slv. 8.
Beilage t »9t$ ©etoerbegetidji" «r. 8.
Abbrud fämmtlicber Artifel ift Bettungen unb BeUfchrtften geftattet, jeboeb nur
mit Poller Quellenangabe.
Qojialpolitirdjer Uorntarfd) in Seutfrfjliinö.
Drci Sage Z<*t bic große Debatte im $ReicZ«tag über bie An*
träge §ifce*ßie6er, Baffermann*$et)l unb SRoeficfe^ac^niefe gebauert.
Die am 26. April abgebrodjene BerZanblung mürbe am 3. s D?ai roieber
aufgenommen unb am 4. 5Rai beenbet. Da« äufjere drgebnifj
mar bie Bermeifung ber fänuntücZen Anträge an bie um 7 3Rit*
glieber oerftärlte Sfommiffion, bie bie Slooelte gur ©emerbeorbnung
gu beraten Z a *- Da biefe iljre urfprünglidje Aufgabe halb er*
lebigt §aben mirb, fann fie ungefäumt an bie neue Ijerantreten.
@3 roirb fic^ babei im 2SefentIidE|en um bie grage ber drricf)tung
gemeinfamer Drganifationen oon Arbeitgebern unb Arbeitern ber
gnbuftrie unb bie ©Raffung eine« 9ieic^«*Arbeit«amt« ^anbeln,
roäf)renb ber roeitere Antrag, ber bie 3Recf)t6fäl)igfeit unb S3e*
roegung«frei^eit ber SBeruf«oereine oerlangt, roo^l in Serbinbung
mit ä^niie^en Anregungen be« Zentrum«, ber Slationalliberalen
unb ber g^ifinnigen noc§ an anberer ©teile gur grünblid)en dr*
örterung gelangen mirb. SBir fc^liefeen un« bem Sßunfd^e be«
Abgeorbneten ^ifee an, „ba& au« ben Verätzungen ber tfotnmiffion
VorfcZläge au f aIIe Parteien, melcZe bem
©runbgebanlen gugetZan finb, fuZ oereinigen, bafe mir fo nodZ in
biefem gu einem Abf(Zlu6 Jommen unb bafc audf) bie oer*
bünbeten Regierungen fi(Z ben drroägungen anfcZliefeen."
$iemanb Z^t Bcffer al« SreiZerr o. ©tumm in Jürgen SSorten
bie ©ituation im 9lei(Z«tage mäZrenb biefer Debatten geJenngeicZnet.
dr leZnte e« ab, in bie $ommiffion eingutreten, ba er gefeZen
Zabe, „bafj bie grofee 2JleZrZeit felbft bi« in bie Jonfer*
oatioe Partei Zinein, mit Au«naZme eine« DZeile« ber National*
liberalen, bem ©ianbpunJt, ben icZ mit meinen politif<Zen gf^unben
feit 30 3>oZ^ en eingenommen fyoht, abfolut ableZnenb gegen*
überfteZt." Da« ift ein eZrlidZe« ©elbftbeJenntnife ber Sfoli^ng;
unb in ber DZat, Jäme e« bei oollbefebtem §aufe Zeute gu einer
Abftimmung für ober miber ©tumrn, mir glauben, Jaum 50 Abge*
orbnete mürben fi<Z um biefen 2Rann fcZaaren, beffen Sporne ein
Sßringip bebeutet. Diefe ©tZeibung unb Klärung bemirJt gu Zaben,
ift bie eine bebeutfame drrungenfcZaft biefer fogialpolitifdjen De*
batte. 3u bem ©runbfafc ber ©leicZberecZtigung ber Arbeiter
Zaben ftcZ alle bürgerlitZen Parteien, mit ber angegebenen Au«*
naZme, laut unb nacZbrücHid) beJannt, QFreifinnige mie Confer»
oatioe unb dentrum; unb e« ift begeicZnenb, baß biefe gro&e StteZr*
Zeit unter ber güZrung gmeier fo Zo(Z angefeZener ©rofeinbuftrieller
mie ÖreiZerr o. $epl unb Stoefitfe ftanb, benen ficZ ber bemäZrte
©ogialpolitiJer ^i^e unb Abgeorbneter ©tödler gur ©eite fteHterr.
Da« ift ba« grneite Moment, ba« gu beacZten ift. Sefet finb bie
Arbeiter*drlaffe unfere« Slaifer« oom 4. gebruar 1890
mieber in ben 3JlittelpunJt unferer gartgen ©ogialpolitil gerüeft.
©ie finb auf« ÜJleue bie treibenbe, belebenbe ^raft für bie Reform*
bemegung, unb fie merben e« bleiben, mag ber 2öeg gum 3iel, mo
fogialer Snebe unb fogiale ©ere<ZtigJeit ficZ bie §änbe reicZen,
audj notZ fo meit fein.
3)lan barf freilicZ bie Vebeutung folcZer parlamentarifcZer
VerZanblungen, mie bie lebten SöocZen fie un« gebraut Z^ben,
nid)t einfcZäben nacZ iZ^en unmittelbaren praJtifd)en folgen für
bie ©efebgebung. AucZ mir oerJennen bie großen ©(ZmierigJeiten
867
©ogiale $raEtS. Ecutralblatt für Sogtalpolitif. Dr. 32.
868
nid)t, bic mit ben Einträgen §iße uitb H e 9l ber DeicßStagS*
fomntiffion nun erroaeßfen. Wir fragen uns, ob ber roeit|c|id)tige
linb oerroicfelte Apparat ber arbeitsfammern glatt unb nüfelic^
fungiren fann? Es ift unS groeifelßaft, ob bie angüeberung ber
geplanten Drganifationen an bie ©eroerbegerießte ratßfam ift. UnS
feßroebt oielmeßr ein anbereS Vrojeft oor: aus Vertretern ber arbeit*
geber unb Arbeiter ber oerfeßiebenen Snbuftriebrancßen bilben fid)
paritätifd)e körperhaften, etroa nach 2lrt ber £arifgemeinfcßaft im
beutfeßen Vucßbrucfgeroerbe ober beS EinigungSamteS in ber englifcßen
koßieninbuftric, unb groar mit Unterftüßung unb unter aufficht
beS Steiges, liefen Remtern mürben mißt nur bie. Regelung ber
Soßn* nnb arbeitSoerßältniffe in ber betreffenben Snbuftrie, unter
Verücfficßtigung ber regionalen Verfcßiebenßeiten, unb ber austrag
oon 2)ifferengen übertragen roerben, fonbern eS Iiefee fh audj
unf<ßroer ein Weg finben, i^nen roenigftenS einen £ßeil ber auf*
gaben guguroeifen, bie bie Anträge §i^e unb H e 9l in auSficßt ge«
nommen haben: llnterfucßung ber 3uftänbe ißreS ©eroerbeS, ©ut*
aeßten an bie Veßörben in Sachen ber Sogialoerfh erun 9/ beS
arbeitSfcßußeS, ber ht)gienifcßen Verßältniffe, ber Wohnungsfrage,
UnterftüßungSfaffen für Slrbeitslofe u. f. ro.
9lber felbft roenn man über bie groeefmäßigften Wittel gur (Sr*
rießtung gemeinfamer Drganifationen oon arbeitgebern unb
arbeitern oerhiebener anjhl ift, fo füllte ber DeicßStag hoch
roenigftenS ben gemeinfamen ©runbgebanfen mit allem Dacßbrucf,
beffen er fähig ift, auf ©runb ber kommiffionSberathung in einer
Defolution baßiit gum ausbrud bringen, baß bie oerbiinbeten De*
gierungen enbli(h „für bie pflege beS griebenS groifeßen arbeit*
geber unb arbeitneßmer" bureß ©efeß Einrichtungen hoffen, „in
benen arbeiter burch Vertreter, roelcßc ihr Vertrauen befißen, an
ber Regelung gemeinfamer angelegenßeiten betheiligt unb gur
Wahrnehmung ihrer Sntereffen bei Verßanblung mit ben arbeit*
gebern unb mit ben Organen. ber Regierung befähigt roerben".
©teilt ber Reichstag mit großer Weßrßeit biefe SJorberung, in ber
er rieh lebiglich mit ber kaiferlichen 3ebruar*Erlaffen ibentifigirt,
fo fann ber VunbeSratß auf bie 3)auer meber feßroeigen noch aus*
meichen. ES roirb hier ebenfo gehen, mie mit bem arbeiterfeßuß:
3aßre lang hat ber Reichstag feine gorberungen erhoben, Satire
lang hat bie Regierung fie oermeigert, enblith famen fie hoch mit ben
Vorlagen über bie (Sonntagsruhe, bie Verftärfung unb Erroeiterung
beS arbeiterfcßußeS, bie ©eroerbegerießte. auch ber Errüßtung eines
eigenen Deid)S*arbeitSamteS mirb bie Regierung fid) nicht entgiehen
fönnen, menn ber Reichstag barauf befteht. 2>ie Dotßroenbigfeit
einer folchen Snftiiution, bie fh unhroer mit geringen koften
auf hon oorhanbenem Voben unter Venußung oorßanbener Ein*
rießtungen bilben lagt, ift fo einleucßtenb, baß biefer antrag in
ben DehStagSoerßanblungen mit Ded)t faft als etroaS Selbft*
oerftänblicßeS betrachtet mürbe.
Wag ber augenblicflicße praftifche Erfolg ber fogialpo!itih cn
Debatte nun groß ober gering fein, bie moralifcße Vebeutung ift
eine gemaltige. $>ie große Deformberoegung hat einen Sieg gu
uergcichnen, mie er feit 1890 faum bagemefen ift. ®ie kurgfießtig*
feit ber ©eroaltpolitif fürchtet oon ihm nur eine Wirfung unb
Sörberung ber Sogialbemofratie; in biefer einen (Sorge liegt ja ihre
gange ©ebanfenroelt befdjloffen. Wir bagegen finb übergeugt, baß
baS Vefenntniß beS DeicßStageS gum ^ringip ber ©leichberechigung
nicht nur bei ben WiHionen oon beutfeßen arbeitern, bic mit ber
Sogialbemofratie nichts gu thun haben, baS ©efühl beS Vertrauens
unb ber Hoffnung neu belebt, fonbern baß auch &en bei ben
Wahlen fi«h gur Sogialbemofratie ßalienben arbeitern bie Em*
pfiitbung geroeeft mirb, baß bie bürgerlichen Parteien ein Veronßt*
fein ber $flid)t befaßen, an ber fogialen unb roirthfahaftlicßen
Hebung beS gangen beutfeßen arbeiterftanbeS mitgumirfen. an
biefe gemaltige aufgabe, mit -ber £eben unb ©ebeihen oon Deich,
Staat unb ©emeinbe, unfer kulturleben, unfere gange 3atanft eng oer*
fniipft finb, tritt bie Sogialreform in ber llebergeugung h«ran, baß
baS fjeiBe Gingen unb Streben ber arbeiterhaft nach Vuft uitb
Vicht eine ber erhabenften unb fruchtbarften Erfdjeinungen in ber
Wcltgchhtc ift. Wer fid) erbreiftet, bie llnierffiipung ber ge*
rechten unb billigen Sorbermtgcn biefer Veraegung als etne
VopularitätShah crc i/ c i ne 'Sogialbentagogie, einen Stimmenfang
gu ocrunglimpfen, ber fteHt bamit lebiglich felbft bie armfeligfeit
feiner ©efinnung unb bie Vehranftheit feines kopfeS oor aller
Welt blofc.
auf bem Warhe ber Sogialpolitif in ^euthlanb bilben bie
breitägigen $Rcid)StagSöcrhanbIungen einen Werfftein. Wirb baS
Parlament in biefer Seffion noch weitere errichten fönnen? $>er
©ebanfe gemeinfamer Drganifation h°t bie grofee Wehrheit für
fh, bie anträge oon Sonberorganifationen ber arbeitet in Vc*
rufSoereinen, bie SRechtsfähigfeit erlangen, mit einanber in Ver*
binbung treten unb ihre roirthhaftlidjen Sntereffen ohne Veengung
oerfolgen fönnen, haben hon früher bie 3nftümnung beS ^Reichs*
tageS gefunben, menn auch bie Wehrbeit geringer mar. aber auch
hier mirb baS $ringip ber ©ereebtigfeit feine mächtige Werbefraft
üben: Wan fann ben arbeitern auf bie $>auer nidjt oorenthalten,
maS ben angehörigen anberer Stänbe unb Verufe nicht nur erlaubt,
fonbern oielfach fogar gefeglid) geboten ift. ®ag mir auch auS
9?ühlichfeitSgrünben für baS freie koalitionsrecht eintreten, brauchen
mir heute nicht meiter gu erörtern, ba biefe Vlätter oon jeher fh
gu biefer Sörberung befannt haben. Wir halten baber auch kie
aufhebung beS §. 153 ber ©eroerbeorbnung für nothmenbig, ba
bie Wifjbrauche, henen baS koalitionsrecht ebenfo mie alle anberen
menhlichen Einrichtungen auSgefefct ift, burch baS gemeine Stecht
geabnbet merben fönnen, mährenb nach ber tbatfäd)Iid)en Vage ber
2>inge ber §. 153 jefet ein auSnabmegefefc miber bie ßohnarbeiter
bilbet. $)ie Vefeitigung biefeS privilegium odiosum märe bie
richtige antroort beS ^Reichstages auf bie „3uchthauSoorlage", oon
ber abgeorbneter Srhr. o. £>et)l treffenb fagte, er halte fie „felbft
in ber abgehwächteften Sorm, in biefem augenblide, mo ein 93e*
bürfnig nad) feiner $Rid)tuug oorliegt, für eine hmere Erfchütterung
ber frieblichen Empfinbungen in ben kreifen ber ftaatstreuen
arbeiter."
$>ie oerbünbeten ^Regierungen haben gu ben Verhanblungen
im StcichStag gefchmiegen; auch bie offigiöfen korrefponbengen unb
Vlätter, bie fonft fo gern einfeitige Unternehmerroünhe mit ben
Staatsintereffen perquiefen, haben fh meift ber 3 ur ücfhaltung
befleijjigt. Wir hüten uns, barauS meitgel)enbe Schlußfolgerungen
gu gießen; baS consentit qui tacet trifft hier geroiß nicht gu. aber
baS möchten mir nicht begmeifeln, baß auch in StegierungSfreifen
bie kutibgebung beS SteidjStageS tiefen Einbrucf gemacht hat.
Wan gögert, märtet ab, man fträubt fh oielleicßt, meil man aus
bem Vannfreife einer beftimmten Sbeenmelt nicht heraus fann; oiel*
leicßt, baß auch ein Unbehagen bie Vureauy burchfcßleicht. aber es
regen fh botß auch ba manche kräfte, manche Hoffnungen. ®ie
9tooelle gur SnoalibitätSoerfidjerung, ber Schuß ber öabengehilfen,
bie Verfudje, Schöben ber H c ^ mar ^ e ^ beigufommen, bie Schuß*
oerorbtiungen für gefährliche ober übermäßig anftrengenbe Sa*
buftrien — geroiß, es finb alles feine Waßregeln, bie mit großen
^ringipien mie benen ber ©Ieidjberechtigung ber arbeiter unb ber
Koalitionsfreiheit irgenbmie an Vebeutung oerglichen roerben fönnen,
aber es ift boeß praftifeße ®etailarbeit, bie nüßlicß unb förberlicß
roirft. 3a bie Sorberung ber örtlichen SRentenfteüen ßat fogar
ißren Urfprung in bem ©runbfaß ber gleichberechtigten Witarbeit
ber Verfidjerten. Sogialreform für bie arbeiter läßt ficf>
mit Erfolg nießt treiben gegen bie arbeiter, unb oßnc
bie arbeiter ebenforoenig. SDiefc Uebergeugung gog fieß aud)
burd) bie, prioater Snüiatioe entfprungenen, Verßanblungen über
bie Vetßeiligung SJeutfcßlanbS an einer internationalen Vereinigung
ber Öörberung beS arbeiterfcßußeS ßinbureß; ßier ift ein neuer
Voben für bie oerfeßiebenften fogialpolitifcßen Dichtungen gefunben,
bereu Vßätigfeit eine mertßoolle Ergängung gu ber ftaatlicßen
Sogialpolitif bilben mirb.
So feßen mir auf maneßen ©ebieten einen Vormarfcß ber
Sogialpolitif in ^eutfcßlanb, ber bie anßänger ber Deform unb
bie Sreunbe einer gefunben ärbeiterbemegung mit Hoffnungen er*
füllt. Docß freilich erblitfen mir meßr Wünfcße unb Verfucße als
mirflicße 3:ßaten, aber bie Stagnation ber leßten Saßre ift boeß
bureß einen frifeßen Winb oerroeßt roorben unb bie Sonne feßeint
roieber auf gefunbe, triebfräftige keime, bie eine gute Ernte im
neuen Saßrßunbert oerfpreeßen.
Verlin. Ern ft granefe.
869
Sogiale $ra£is. Eentralblatt für ©ojialpolüif. Br. 82.
870
Allgemeine Sozial- Htti Ätrtjjfdjaftepolitilu
Beteiligung $eutfdjlanbs an ber ©ränbnug einer internationalen
Bereinigung gur 3$*berang beS SlrbeiterftuheS*
Sin bie Begebungen für einen internationalen Slrbeiterftufc
ftnb unfere Sefer erft Jürglit burt einen SlrtiFel ber „Sogialen
Praxis" in Br. 23 erinnert worben. Bat beut fie guerft in ber
Stweig erörtert waren, würben fie auf ber berliner Konfereng
int Srü^jabr 1890 in ben Bereit ber Berbanblungen gezogen,
bann im Sluguft unb Anfang 0Jtober 1897 auf ben Kongreßen
in 3üri(i) unb Brüffel wieber aufgenommen; aut in Defterreit
trat eine Strömung bafür 3 U Xage. £>ie jefeigen Bemühungen
gur Bermirtlid)ung beS Planes Jnüpfett an ben Brüffeler Koitgreh
an, bei bem eine Slngabl Freunbe beS ©ebanJenS aus oerftiebenen
Säubern ein Belgifdjeö Komite mit bem ©anbate betrauten, gunätft
einen Statuteneutwurf auSguarbeiten, ber bann in ben eingelnen
Sänbern beratbcn werben follte. Anfang Sanuar b. 3$* war in
Berlin unter Borfifc bes F*h rn - o. Berlepfd) in einem Heineren
Greife oon SogialpolitiJern biefer ingwiften eingegangene Entwurf
befproten worben; es würbe befttoffen, einer größeren Berfamm*
lung fpäter bie Safcungen mit ber Srage oorgulegen, ob beutfcbe
Sogialreformer fit an ber ©riinbung einer internationalen 23er*
einigung gur Förderung beS SlrbeiterftufceS beteiligen wollten.
$)iefe Konfereng bat nun am 3. SJtai gu Berlin im SlrtiteJten*
häufe ftattgefunben, unb i^r Ergebnih war bie grunbfäblid)e 3u*
ftimmung gu bem plane.
lieber ben Berlauf ber Berfammlung hot bie £ageSpreffe un*
mittelbar natb cr berichtet, unb wir Jönnen uns baber auf eine
Batlefe beftränJen, bie nur bie wefentlichften Momente berührt.
$)er Einlabung waren etwa 70 Herren aus ben oerfdbiebenften po*
litifcheu Dichtungen unb BerufsJreifen gefolgt; eine Singabt anberer
Herren hatte ihr Sern bleiben entftulbigt, aber auSbriicJlit ihre Bet ei*
Iigung an bem Unternehmen in StuSfitt gefteHt. Unter ben XfytiU
nehmern befanben fich Srhr. o. Berlepft, bie Parlamentarier
Sieber, Bachem, $ifee, Hille, Srimborn, StoecJer, Baffermann,
FranJen, §ieber, DoeficJe, pachnicfe, Stmibt*Elberfelb, 9Jt. Hirft,
Sifchbecf, ©olbfdjmibt, bie Profefforen StmoKer, ©agner, ^elbrücJ,
Sombart-BreSlau, aus Snbuftrie* unb §anbels!reifeit Simons*
Elberfelb, Stntolbein*KöIn, o. Pfifter*9Bünten, 0. ©cigert*Berlin,
Freefe*Berlin, §erg*3)UllS*SranFfurt a/©., ©irtftingbauS, §anbels*
Jammer felretär in Köln, ©ittenftein * Barmen, ©iScott * Breslau,
ferner BerlagSbuthonbler Karl ©eibel*£eipgig, SanbeSöJonomie*
rath Bobbe, Dr. F^eunb, Borfifcenber bcS EentraloerbanbeS ber
SlrbeitSnadbweife, SanbgerittSrath Dr. F- ©eper, Pfarrer Baumann,
ßitbograpb £iftenbörfer, Kamin, Borfifcenber bes BerbanbeS
beutfter ©ewerJoereiue, ©eigel, Borfifcenber beS „SlrbeiterftufceS",
Berlin, Bergmann Bruft-Sllteneffen, £. Sonnemann, Berieger ber
FranJfurter Leitung, Prioatbogent Dr. o. HoHe*Berlin, Dr. Sl. Boigt*
Franlfurt, Sebrer Slgahb*Dijborf, Dr. (5. $irfd)berg, Stabtrath
Dr. Diuenfterberg * Berlin, Stabtoerorbneter Kott * Erfurt, Paftor
Phüipp^^Plöhenfee, Gbefn’baJteure ten BrinJ, Dippier, o. Derzeit,
o. ©eriach u. Sl. m. ®en Borfitj führte Prof. ScbmoHer, Schrift®
fübrer waren Dr. (5. Srancfe unb Dr. p. Boigt.
3?rbr. o. Berlepfch leitete bie Beratbungen mit einem Jürgen
Slbrifc ber ©ef<hi<hte ber Beftrebungeu für internationalen Strbciter*
fchufe ein. ®ie BebenJen, bafe burd) fie ber öortfdbritt beS Slrbeiter*
fchu^eS im eigenen Sanbe gehemmt werben Jönne, thcile er nicht.
Söenn man bie Srage ber Bethcüigung an ber ©riinbung einer
internationalen Bereinigung bejahe, müffe man gur Errichtung einer
beutfchen SeJHon fchretten, in ber fich alle Slrtbänger einer energi*
fchen Sogialreform gufammenfinben unb für bie görberung beS
Slrbeiterfd)ufceS in ®eutfdt)Ianb *wirJen müfeten. 3n ber Debatte
würbe betont, bafj baS »on ber internationalen Bereinigung gu
errichtenbe Bureau fich nicht auf Sammeln, Beröffentlichungen unb
Informationen befthränJen bürfe, fonbern ben Sftittelpunlt einer
Jräftigen Slgitation für bie Fortführung beS SlrbeiterfchuheS bilben
müffe. Stls Sife biefeS Bureaus würbe bie Schweig empfohlen.
Ferner möge babin gewirJt werben, bafe bie großen Staaten eine
ftärJere Bertretung in bem internationalen Komitee erhielten, als
ber Entwurf oorfebe. Slls Staat fei in biefem Faße baS ^eutfehe
Deidb, nicht bie Eingelftaaten gu oerftehen. Deben feiner Aufgabe
als Sammel* unb FnformationSfteHe für bie internationale Sir*
beiterfdjuh s ®efebgebung fott auch bie befonbere Sfufgabe ber natio*
nalen SeJtionen betont werben, burch Schrift unb 2£ort propa*
ganbiftifch für SluSbebnung beS SlrbeiterfdbuheS gu wir Jen unb über
ihr Borgehen an ben Ieitenben SluSfchuft jährlid)e Berid^te gu er*
ftatten, bie bann im „Bulletin" ber internationalen Bereinigung
veröffentlicht werben. Slls felbftoerftänblid) würbe angenommen,
bafc auf ben internationalen 3ufammenJünften auch in beutfcher
Sprache oerbanbelt werbe. ®ie Hauptfrage würbe einftimmig mit
folgendem Befchlu& bejaht:
„2)te heute int Slrd)iteftenhaufe gu Berlin uerfammelten Bertrcter
ber oerfd)tebenften fogialpoliüfchen Dichtungen befchliefien bie SESaljl
eines prooiforifdjen MomiteS, beftehenb aus 20 Sftitgliebern, mit bem
Dechte bcr Kooptation, bas ben Sluftrag hat, fid) an ben Berathungen
einer internationalen Bereinigung gur $orberuug bes nr*
beitel-fchubcS gu betheiligen unb bie Bübung einer natio*
nalen SeJHon für ^eutfchlanb oorgubereiten. lieber bic gu
biefem 3 tye£ J e unternommenen Sdjrüte ift in einer im Herbft eingu«
berufenben neuen Berfammlung Bericht gu erftatten."
^amit ift alfo bie Betheiligung S)eutfchlanbs an einer intern
nationalen Bereinigung für Slrbeiterfchufe befchloffen unb gugleid)
bie Bilbuna einer nationalen SeJtion in bie ©ege geleitet. Es
würbe auch fofort bie ©abl beS prooiforifchen SiuSfchuffeS oor*
genommen, ber nach erfolgter Kooptation einiger Dhtglieber nun*
mehr beftebt auS ben H erren: ^taatSminifter F^h r - ü - 23erlepfch,
Prof. Brentano * Dtüncben, Dr. E. F^ancfe, H erau ^9 e ^ er ^ er
„Sog. Praxis", Slbgeorbneter Dr. 9R. Hirfch, Slbgeorbneter Prof.
Htfee, §. Kamin, Borf. beS BerbanbeS beutfcher ©ewerJoereine, Slb*
georbneter Dr. Sieber, Pfarrer Daumann, SanbeSoJonomieratl) Dobbe,
Slbgeorbneter Dr. pnd)nicFe, Komntergieuratb o. Pfifter*Dtiinchen,
©eneralfeJretär Dr. pieper*©.*©labbad), Slbgeorbneter Kommergien*
rath Doeficfe, FabriJant Schmalbein*KöIn, Slbgeorbneter Schmibt*
Elberfelb, Prof. Schmoller, prof. Sombart*BreSlau, S. Sonne*
mann, Berieger ber F^anJfurter 3 e ^ ul1 9/ Slbgeorbneter Stoecfer,
Sitbograph Sifchenbörfer, Prof. Sl. ©agner, Pfarrer. ©eher*
9D.*©labbad), H an ^ e ^^ ammer f e f re Fö r Dr.©irmiugbauS*Köln,©eigel,
Borf. bes BereinS „Slrbeiterfchufe". SluS biefem Komite follen
wieberum einige Herren gu ben internationalen Berbanblungen
belegirt werben.
©ie in Dr. 30 Sp. 811 ber „Sog. Praxis" mitgetheilt/ haben
bie gur Betheiligung an ber Konfereng eingelabenen fogialbemoJra*
tifeben DeichStagSabgeorbneten laut FraJtionSbefchlufe ftch fern*
gehalten, weil bie „begrünbete Slnficht" oorlag, man habe mit ber
SluSmabl beftimmter perfonen einen Xbeil oer Partei abfonbern
wollen. Es liegen hier, wie fefjon in jener Dummer auSeinanber*
gefegt, irrtümliche Sluffaffungen oor, bie auch in ber Berfamnt*
lung am 3. Dtai gur Sprache gebraut worben finb. Dach längerer
Debatte würbe ein Borfchlaa beS Borfifeenben angenommen, wonach
bem Komite überlaffen würbe, bie burch bie Farm ber Einlabung
bei ben SogialbemoJraten entftanbenen DtifjDerftänbniffe gu be*
feitigen, um ©itgliebern einer Partei, hinter ber gwei SKiEioiten
Slrbeiter als ©äbler fielen, bie jc^t burch FraJtionSbefdblitfe ab*
gefljnittene Beteiligung an ber internationalen Slrbeiterftuh*
oereinigung offen gu halten. SluSbrücflich fei hier feftgeftellt, ba|,
wenn aut in ber Debatte bie Slnfitten auSeiitanber gingen, ber
Beftlufe felbft einftimmig gefaxt worben ift. ©ie wir hören,
ift eine entfprechenbe SlufJlärung erfolgt, baS Dliftoerftäubniji ift
befeitigt; bie*fogialbemoJratifte FraJtion wirb bic Slngelegcnljeit
nodjmals erörtern. ^)ie Slblebnung ber eingelabenen ©ewerJftaftS*
fübrer ift bagegen mit bem Hinweis auf baS BereinSgefejj, baS
ihnen bie Steilnabme unmöglich mate, begrünbet.
Frbr. o. Berlepft fd)Iofe bie Berfammlung mit bem Slusbruc!
ber Hoffnung, bafe bie nun oottgogene Bereinigung ber oerfticbenen
fogialpolitiften Dittungen eine ErftarJung unb -gefunbe Fort*
entmicJelung ber Strbeiterftubgefefcgebung in ^)eutftlanb bewirJeit
werbe, ©ohl ftelje auf bem ©ebiete ber Slrbeiteroerfiterung
2)eutftlanb in ber Sogialreform an ber Spifce, oom eigentliten
Slrbeiterftuh bagegen laffe fid) ebenfowenig behaupten, bafe ®eutft s
lanb barin gurücf, als bah c§ barin allen anberen Sänberit ooran
fei. Stuf Jeinen Fall bürfe man fit auf ben StanbpunJt ftellen,
bah ^Deutftlanb, weil es etwa anberen Staaten ooran fei, jeht
nitts mehr gu tun braute, fonbern oorerft ruhig abwarten
müffe, bis bie anberen Staaten natgeJommen feien: ,,©ir biirfen
niemals oergeffen, auf bie Qnbuftrie gebübrenbe DütJ*
fitt gu nehmen, aber anberfeits müffen wir uns aut
immer oergegenwärtigen, bah jeber Stritt oorwärts
auf bem ©ege beS oernünftigen SlrbeiterftufeeS eine
StärJung unfercr Fnbuftrie bebeutet!"
©ohnungSpoliti! in ben ©emetnben, im Staat unb im Dcit*
3m preuhiften Slbgeorbnetenhaufe finb in lefeter 3eit gwei Kunö*
gebungen ber Degierung gur ©ohnungSfrage erfolgt, bie grohe Be*
Deutung befihen. Bei ber ^Debatte über ben neuen 5 9DiUionen*Krebit
für Slrbeiterwobnuugen theilte ©inifter o. Diiguel, ber oon je bcr
©ohnungSreform feine SlufmerJfamJcit gugewenbet hot, mit, bah bie
871
Sogiale $ra£is. Eentralblatt für Sogialpolitil. Ar. 32.
872
Eifenbaßnoerwaltung nicßt weniger alg 30 250 ftaatgeigene Bk>ß*
nunaen, barunter 23 250 Sienftwoßnungen befifet. Er perfönlic^
fei Der Meinung, baß bag Bebiirfniß (naeß eigenen 5Öliet^
nicßt Sienftwoßnungen) in ben ftaatlicßen Betrieben noch längft
ni<ßt erfüllt fei, unD baß bie Regierung Stritt für Scßritt auf
biefem ©ebiet weitergeßen ntüffe. Er fönne baran nur ben SBunfcß
fnüpfen, baß bie großen Kommunen unb Berbänbe meßr alg
bisher bem Borgern beg Staateg auf biefem ©ebiete folgen:
„E3 giebt eine Steiße oon großen Stabten, bie aueß woßl bagu
tn ber Sage wären, inbeß bisher nicßt bag Eeringfte für bie Berbeffe*
rnng ber SBohnungSoerhältniffe ißrer Beamten unb ihrer ftänbigen Ar*
beiter getßan haben. SSie ber Staat bie Berpflicßtung anerfennt —
wenigftcnS bie moralifche Berpflicßtung —, auf biefem fo hochwichtigen
fogialen Gebiet ooraitgitgeßen, fo trifft nach meiner Meinung btefe ntora*
lifeße Pflicht bie großen Kommunen ebenfo wie ben Staat. B?an fann
natürlich feiteng ber Kommunen — unb bas ift auch oielfacß gefeßeßen
— inbireft auf anberent SScge, namentlich bureß 3 ur bigpofitiong|tellung
billiger Baupläne f)dfen; aber ich habe ba3 Gefühl: Begüglicß ber
eigenen Beamten unb Arbeitnehmer fönnte wof)I feiteuS ber Kommunen
noch mehr gefeßehen alg cg hi e unb ba in banfenSwertßer Bkife ber
TvaÜ ift."
Ser Btinifter meinte, ber ©runb biefer llnterlaffung fei, baß
bie .jperren in ber Stabtoerwaltung, wie überhaupt bie befißenben
blaßen, oielfacß gar feinen Begriff haben oon ben 3uftänben in
ben SöoßnungSoerhältniffen ber armen Seute. Sag ift gewiß richtig!
tiefer Mahnung beg BtinifterS an bie ©etneinben folgte
wenige Sage barauf an berfelben Stelle eine SRittheilung eines
Slomtniffarg beg 9Rinifterg beg Snnern baßin, baß bie Be*
giemng fotnmiffarifeße Erörterungen über bie Regelung beg
gangen BSohnunggwefeng mit fpegieüer Bücffußt auf Be*
feitigung ber SOtißftänbe beg Scßlaffiellenwefcng oeranftaltet habe.
Siefe Berathungen feien gunt Abfcßluß gelangt unb eg feien Bor*
lagen gu erwarten, „fowohl auf bem ©ebiete ber ©efeßgebung
wie ber Boligeioerorbnung, ‘ unb unter biefeit Borfcßläaen
werben fieß auch folc^c befinben, welche gerabe bag Unwefen oe*
fämpfen f ollen, bag fleh mit ben Bf affen quartieren, fei eg in
Brioatwohnungcn, fei eg in Scßlafßäufern, oerbinbet. Alfo
in biefer Bicßtuna ift Bemebur in furger 3gu erwarten."
Aug biefen Aeußerunaen folgert bie „Boft" bereitg, eg fei
fchr wahrfcßeinlicß, baß, abgefeßen oon ben aueß ohne neue gefeß*
liehe Unterlage möglichen Berwaltunggmaßregeln, Bunbegrat^ unb
Beicßstag bemnäcßft mit Borfchlägen gum Erlaß ein eg Beicßg*
woßnungSgefeßeg befaßt werben. Sag glauben wir nun nicht,
wir finb aber aueß feßon gufrieben, wenn überhaupt auf bem ©e*
biete beg Böoßnunggwefeng ernftßafte Btaßnaßmen gur Befeitigung
ber bringenbften Bfißftanbe oorbereitet werben.
Sie ^fäubbarfeit beg Mfleifüißtieg in gfrattfretiß. Ser fran*
göfifeße .faanbelgminifter, Baul Selombre, hat ein Bunbfcßreiben
an bie bebeutenbften Arbeitgeber gerichtet, in bem er fie um ihr
©utaeßten über bie Bfänbbarfeit beg Arbeitslohnes erfueßt. Ser
Btinifter oerweift auf bag bem Senate oorliegenbe BrojeEt eineg
begüglithen ©efeßeS unb hebt ßeroor, baß eg fieß barurn ßanbele,
ob ber ©rutibfaß beg ©efeßeS oom 12. Sanuar 1895 (Bfänbbarfeit
beg gehnten Sßeils beg Arbeitslohnes) beigubeßalten fei ober ob
cg üorgugicben wäre, ben gangen Arbeitslohn für nicht ejequirbar
gu erflären, wie bieg bereitg in Bußlanb, Seutfcßlanb, Borwegen,
Ungarn, Spanien unb Bußlanb ber galt fei. Sie Anhänger ber
Unpfänbbarfeit beg Sohneg ftüßen fich auf bie uuoerhältnißmäßige
Höhe ber EjefutionSfoften, bie bem Arbeiter gur Saft faßen,
wäßrenb bie gegnerifche Anficßt barauf oerweift, baß bureß Statui*
rung ber Uupfänbbarfeit bie Sage beg Arbeiterg burd) ben Berluft
feineg Ärebitg oerfchlecßtert werben fönnte. Ser Bfiniftcr erfueßt
beghalb um Bfittheilung ber Erfahrungen, bie mit bem ©efeße
oom Qahre 1895 gemacht würben.
Sie amerifattifdje Siga für fogialc Stewfte. Einem Berichte
über bie oor Bürgern erfolgte ©rünbung einer „Siga für fogiale
Sienfte" in Bew^^orf unb ihre meitauggreifenbe B^irffamfeit ent*
nehmen wir goigenbeg: Eine Angaßl oon Btenfcßenfreunben oer*
feßiebener Berufggebiete: anglifanifcße Bifcßöfe, ©eiehrte, angefeßene
Bubligiften u. A. m., haben fidj gufammengefunben, um für bag
freiwillige fogia^humanitäre Brirfert ber wohlhabenben unb ge*
bilbeten SUaffen eine Eentralftelle gu feßaffen, bie ben Eßarafter
einer mobernen Siga angenommen hat. An ber Spiße beg Bureaug
fteht alg leitenber Eßef ißreg praftifeßen SBirfcng ein 3Rann, beffen
Beruf fo reeßt aug ber fteigenben Bebeutnng ber fogialen fragen
für unferc 3 e it ßeroorgegangen ift: ein „fogialer Sugeuieur", wie
er firi) nennt, $err Dr. William Solmann. Sie gegenwärtig im
Borbergrunbe fteßenbe Aufgabe ber Siga, welcßer ficß Dr. Solmann
mit ber gangen Sßatfraft eineg Amerifanerg ßingiebt, ift bie Ber*
befferung ber gefunbßeitlicßen Sebengoerhältniffe ber Arbeiterflaffe.
Siefeg 3iel oerfolgt bie Siga auf oerfeßiebenen SSegen. 3m
Seben ber großftäbtifeßen Beoölferung gewinnt Angeficßtg ber fon»
fequenten Berunreinigung ber Suft burdß bie oerfeßiebenften, aug
ber gewerblichen unb mbuftrieHen Sßätigfeit m biefelbe aug*
ftrömenben Stoffe bie Hautpflege eine fteigenbe Bebeutung. Sorg*
fältige Hautpflege ift ein Hauptfaftor ber "Erhaltung ober ©ieber*
aewinnung ber ©cfunbßeit unter ben mobernen Sebengoerhältniffcn.
Aug biefer Erfenntniß entmicfelte fieß ber Srieb, aueß ben unbe*
mittelten klaffen bie SRöglicßfeit eineg billigen ober gang unent*
geltlicßen Babcg bag gange Qaßr ßinbureß bureß reieße Gelegenheit
gum Baben gu bieten, ©eleitet oon biefer Erfenntniß, bie bereitg
in einer Angaßl oon europäifeßen ©roßftäbten gu ähnlichen Ein*
rießtungen geführt hat, ftiftete bie Siga bem &ew*S)orfer Bolfe
eine große Ängaßl oon Sreibäbern, bie, in allen Stabttßeilen gweef*
mäßig oertßeilt, eg bem armen Btanne ermöglichen, mit geringem
3eitaufmanbe unb oßne alle Sfoften jebergeit ein erfrifeßenoeg Bab
gu neßmen. 3n Solgc beg BMrfeng ber Siga wirb eg gegenwärtig
woßl faum eine anbere ©roßftabt geben, Die in biefer Hinficßt fo
oortrefflicße unb auggebeßnte Einrichtungen befißt wie 9few*?)orf.
Eine gweüe Aufgabe, bie fieß bie Siga gefeßt, befteßt in ber
praftifdßen Berbefferung unb Berfdjönerung ber ilmgegenb oon
Sabrifen unb Arbeiterwoßnftätten. Ein reießer aßafcßinenbauer in
Eolorabo, ber feinen Arbeitern gaßlreicße Arbeiterwohnßäufer er*
rießtet hatte, fam auf ben ©ebanfen, ben Söertß biefer BSoßnftätten,
bie in einer unwirtßlicßeu, oerwaßrloften ©egenb lagen, bureß
gärtnerifeße Anlagen gu erßößen. Siefen Unternehmer naßm fieß
bie Siga gum Borbilbe. Sie ging baran, bie weiten, oben SRäume
gwiftßen ben gabrifen naeß einem feften Biane umgugeftalten. 3«r
Anwenbung gelangte hierbei bag fogenannte „BaoiHonfpftem".
Sie Straßengüge würben mit Bafengängen unb Blatanen bepflangt,
gärtnerifeße Anlagen gefeßaffen unb gaßlreicße fleine, gierlidße
Arbeiterßäugcßen in biefer gu einer Art B<rcf umgeftalteten ©egenb
errießtet. 3ebeg Hö«^fßcn erhielt einen fleinen ©emüfegarten, einen
S ofraum unb 3ierpflangen. Sener Arbeiter, ber am Enbe ber
aifon ben Hofiaum, bag ©emüfegärteßen unb bie Umgebung
feineg H e img am beften in Stanb gehalten, erßält oon feinem
Öabrifgßerrn einen ^SreiS oon 25 Soüarg. Sie SSirfung biefer
Umgeftaltung auf ben ©eift ber Arbeiterfcßaft ift eine gang be-
beutenbe. 3n einem Salle in 9tem*?)orf, wo eg fieß um eine
2000 Arbeiter faffenbe Anlage ßanbelt, ift bie ©egenb faum wieber*
guerfennen. Sie ßat einen oöHig geänberten Eßarafter ange*
nommen. Borßer war bie Sabrif in Solge ißreg büfteren Aug*
feßeng alg „©efängniß" im Arbeitermunbe berüchtigt, heute ift ber
Arbeiter ftolg auf „feine" ißm liebgeworbene Arbeitgftätte. Bon
nod^ größerer Bebeutung ift, baß folcße Anlagen leießt oorbilblicß
werben unb bamit baßnbrecßenb wirfen.
ftotttmitimle Soilitlpoltttk.
Stäbtifcße Augfunftgftclle für bie arbettenben klaffen für
Bofen. Am 19. April berietßen bie Bofener Stabtoerorbneten über
bie Einrichtung einer Augfunftgftelle für bie arbeitenben klaffen.
Ser SDfagiftrat ßatte gur Begrünbung einer folcßen Einrichtung
eine neue Sefretärftelle im ©ewerbeamte mit einem ©eßalt oon
2400 c 1t. geforbert. Ser Augfcßuß, bem bie Borlage gur Beratßuug
überwiefen worben war, war einftimmig gu ißrer Ablehnung ge*
fommen. Sie Bebner in ber Stabtoerorbnetenoerfammlung em¬
pfahlen aug bemfelben ©eifte ßeraug mit biefen unb jenen ©rünben
bie Ablehnung unb nur ber warmen unb gerieften Begrünbung
unb Bertßeibigung ber Borlage bureß bin SRagiftratgaffeffor Scßolg
unb ingbefonbere bureß ben Dberbürgermeifter ©itting würbe eg
ber Stabt Bofcn erfpart, baß eine folcße Borlage glatt gu Soße
gebraeßt würbe. iRacßbem Suftigratß Sewingfi noeß ein Amcnbe*
ment bureßgefeßt ßatte, baß mit ber hier geforberten neuen Sefretär*
ftclle im ©ewerbeamte feine befonbere Arbeiter-Augfunftgftefle ge*
feßaffen werbe, würbe bie Borlage nunmehr an bic Sinangfommiffion
oerwiefen. Kaufmann Säcfel bradjte eg fogar fertig, m ber Ein*
rießtung biefer Augfunftgftelle eine Beoormnnbung ber Arbeiter gu
finben unb bag Scßlagwort oon ber Selbftßülfe angubringen —
bag bei einem Borfcßlage, ber nießtg weiter begmeeft alg einen
Btann angufteUen, ber ben um Batß frageitben Arbeiter ober bem
Sienftmäbdjen Augfunft gu geben ßat über feine ißm bureß ©efeß
gewäßrleifteten Anfprücße aug ber fogialpolitifcßen ©efeßgebung! —
B3ir fönnen bem Dberbürgermeifter BMtting mir guftimmen, wenn
873
Sogiale SßrajiS. Eentralblatt für SogtalpolttiF. 9lr. 82.
874
er in richtiger ErFenntitiß ber oeränbertcn Aufgaben einer ©emeinbe
bie Uebergeugung auSfpradj: Die Sclbftoerroaltung roirb
fogialen gbeen gugänglicß fein ober fie roirb nicht fein!
3J?öge biefeö fogialpolitifcße güßlen and) in beit itorbbeutfcßcn
©emeinben fi<ß roeiter oerbreiten, roie eg in Sübbeutfcßlanb oiel*
fad} in feßr erfreulicher VBeife ber gaß ift.
Unentgeltliche Veerbignng iit Sßttrgait. gm tfanton 2ßuvgau tritt
am l.^nnuar 1900 ein ©efeß über bie unentgeltliche Veerbigung in
Straft. Das ©efeß geftattet bie geuerbeftattung, jeboch nur auf Soften
ber Angehörigen. Die Stoffen ber Veerbigung tragen bie ©emeinbe unb
ber Staat gu gleichen Dßeilen, roobet bie öeießenfebau, bie Vefannt*
maeßung ber Veftattung, bie Sieferung beS Sarges unb bic Einjargung
ber Reiche, beren Verbringung auf ben griebliof, bas ©locfengeläute,
bas Teffnen unb 3ubecfen beS ©rabeS unb bie Vegeicßnung beS (Grabes
inbegriffen fmb. Die jä^rlic^en Soften ber unentgeltlichen Veerbigung
roerben für ben Äanton 2ßurgau auf 60 000- 70 000 gres. gejcßäßt,
ber Staatsbeitrag alfo auf 30 000—35 000 grcS. Sieben 3ürid) unb
©laruS ift nun Dßurgaü ber britte Danton, ber bie unentgeltliche Ve*
erbigung eingefüljrt b«t* Deutfcßlanb bot btöl^er nur Stuttgart ben
Anfang beS gleichen fecgeS betreten, roenn auch immerhin feßon mehrere
©emeinben, roie Bresben, eine ftäbtifche VccrbigungSanftalt mit Siormal*
fäßen beftßen.
Stftbtifdje äWiScellen. Siacfjbem ber berliner AnroaltSuerein bie
Errichtung eines VedjtSbureauS für unentgeltliche AnSfunftS* unb 9Fatl)S*
ertheilung an Unbemittelte abgelehnt hat, bat bie V erlitt er genügte
Äommiffion gur Vorbcratßung einer ftäbtifchen allgemeinen Aus*
funftsftelle ihre Arbeiten roteber auf genommen. — Die öffentlichen
Spielplätze VerlinS roerben ootn 3. 3Jiat ab ber Scßuljugenb gu
VeroegungSfpielen unter Leitung oon üiehrern 9?acßmittags oou 4 bis
6 Uhr gur Verfügung [teilen, fieiber fehlt noch bie freie Vettußung ber
i*läße nach englijdjem dufter. — gn Schöneberg ift ber Viagiftrat
bent Vefcßluffc ber Stabtoerorbneten eines foftenlofen ftäbtifchen ArbeitS*
nadjroeifeS nicht beigetreten, fonbern forberte bie Einfeßung einer ae*
mifchten ftommiffion gur Vorberatßuna ber grage, bie bie Staot»
oerorbneten ablehnten, dagegen rouroe bie VFagiftratSoorlage auf
Errichtung eines ftäbtifchen EleftricitätSroerfeS auf eigene Verfjnung
(bie Vaufoften fmb auf Vh Millionen VFarf oeranußlagt) grunb|äßlicß
gut geheißen unb in eine ftommiffion uerroiefen. Der Vfagiftrat rourbe
roeiter ermächtigt, bie nöthigen Verträge für bie Vorarbeiten gu einer
gemein [amen Entroäfferung ber ©emeinben Schöneberg, griebenau unb
Dcut|rf)*9BilmerSbürf auf ©runb beS 15 VFilüonenplaneS bcS Stabt*
bauratheS a. D. Vrij abgufcßließen. — Die Aufhebung ber Schlacht*
[teuer, bie in VreSlau beantragt roar (ugl. „Soziale Vra^iS" Vr. 19),
ift oon ben Stabtoerorbneten abgelehnt roorben. — Das Stabt*
oerorbnetenfoUegium in Erfurt hat einftimmig bern Anträge beS
Vfagifirats gugeftimmt, für bic VolfSfchitlen oier Scßulärgte mit einem
Honorar oon 1600 jl angufteUen. — Die Stabt Hainichen hat ein
umfangreiches ©runbftücf als Stabtparf für 7000 ju erworben — gn
SBien hat bie ©emeinbeoerioaltung befchloffen, gur Errichtung ftäbtifcher
EleftricitätSioerfe eine Sin leihe oon 15 VUliioneit ©ulben gu machen.
Sojtalc Jttflätt&e.
Die VcmbtoirFerei in nitb nrn Sdjtoeftn.
I.
SSott Schroeltit nach Sßeftfalen gu breitet ftch eine blüßenbe
$Iein*Eifeninbuftrie aus. $od)enbe Hämmer, rauchenbe Schorn*
fteine beeinträchtigen mehr unb mehr bie 2Mb* unb 28iefeuibt)ße
ber freunblichen JÖanbftrecfe. 9Fadj ber Dichtung beS 3^^einIaiibeS
gu finben roir bie VanbroirFerei. Veibe gnbuftrieen theilen fich
auch in bas Stäbidjen Sdjroelnt. ^)ie nach Vkfifalen bliefenbe
a gehört ber SJtetaHoerarbeitung, bic nach ^ cm ^h c t l1 I ai1 ^
be Hälfte ber 2:eftil*3nbuftrie.
®ie §auptprobuttionSpläje ber VanbroirFerei fmb aufeer
einem fächfffcheu üöegirF hauptfächlich bie Drte Sdjroelm, Varmen,
SFonSborf, Vlettmann unb ihre llmaegenb. ®ie in ben eingelnen
©egenben h^efteßten Vanbarten finb ocrfdjieben; fo roerben in
Varmen roefentlid) ©ummibanber, in 9>FonSborf Seiben*, in Schroelm
hauptfächlich Vaumrooßbänber geroebt. S)ie ber Snbuftrie in ihrer
heutigen ©eftaltung eigenen VetriebSformen unb baS intereffante
Uebergang’Sftabium, in bern fie fich Sum 2:h c ^ noch befinben, Fehren
aßentpalben roieber.
2Scnn ich gunädhft hi^ nur bie Sachlage in unb um Schroelm
fchilbere, fo giebt baS, foroeit bie VetriebSroeife in Vetracht fommt,
im Söefentlichen ein auch für bie VanbroirFerci ber oorgenannten
rheinifdjen ©egenben geltenbeS Vilb. *)
&ie VanbfabriFat'ion in Sd;roelm unb Umgegenb umfaßt bie
,^erfteßung aßer Slrten ein* unb mehrfarbiger, leinener unb bäum*
*) lieber bie fndififdjeu Vcrhältniffc fehlt mir bas ilrtbeil.
roollener, glatter unb geFöperter Vänber, in aßen Seiitheits* unb
Vrcitegraben, oom orbinäreit ^attunbanb, hi^ ,,£>°ßcmberbanb„
genannt, bis gum Vatiftbänbchen. $)cr ftärfftc Xheil ber Schroelnter
Vrobuftion fäüt auf Stapelartifel, roie 2Säf<hebänber, Sot*, Slorfet*,
^aißenbänber, fiijjen; in geringerem SJFafje roerben auch ©ummi*
bänber unb §ofenträger angefertigt. Eine bebeutenbe 3>Foße fpielen
ferner hoppelt geroebte, fchlauchartige, fd^male fieinenbänber, gur
§>üße oon ^aißenftäbdhen, foroie breitere baumrooßene, ftar! unb
bicht geroebte Vorten gum Vefefcen unb Einfafjeit unb für bie fo*
genannte Vefenli(je, bei ber eine rooßige, befenartige baburdh
entfteht, bafe baS hoppelte ©eroebe in ber VFitte burchgefchnüten
roirb. ^hfiltoeife fehr ^übfdj ausgeführte VFobeartiFel roechfeln
nach SJFaterial unb SJFufter oon Saifon gu Saifon. £iergu gehört
befonberS bie lebhafte gfabrifation oon mit Vudjftaben (warnen
oon gfirmen u. f. ro.) geroebten Vänbern.
SDie Vrobuftion erfolgt auf Vanbftühlen, nach ähnlichen
ißringipien roie bei ber SSkberei überhaupt. Sämmtliche Veroegungen
bcS VanbftuhleS roerben hetoorgebracht burch llmbrehung einer im
hinteren ^h e ^ c Stuhles gelagerten, ein Schroungrab tragenben
horigontalen SBeße. Vei ber fogenannten ^anb*ßataue roirb bie
®efle mütelft ber oorn befinblichen Sreibftange mit beiben §änben
gebreht, eine ShätigFeit, bie eine ftarfe Snftrengung beS gangen
HörperS erforbert. Es bebarf nur ganj geringer Veränberungen,
um ben mechanifjhen Vetrieb, 2)ampfFraft, Petroleum*, ©aS* ober
Venginmotoren für bie tataue nufebar gu machen.
$er ißreis einer einfachen §anb*Äataue, roie man fte früher
baute, unb roie fie heute nur nod) bie alten Heimarbeiter benubeit,
mit 36, 40, 42 ober 48 ©ängen *) beträgt bis gu 700 c 4L, bie
großen mobernen 3)oppelftühle mit 60, 70 unb 80 ©ängen Foften
1300—1400 e /ff, Stühle für gemufterte VFobeartifel, Manien* unb
5)oppelroeberei bis gu 2600 c ^.
gfür bie gu oerroebenben fiängS* ober Sl'ettenfäben fmb groci
oorbereitenbe ShätigFeiten, baS Spulen unb Scheeren, erforberlich-
Sie roerben gunächft gefpult, b. h- au f bie fogenannte ©orpfpule
geroidfelt, bann roerben bie eingelnen gäben mittelft beS ScheerenS
oon ber Spule gefammelt unb in gleichmäßig paraßeler &age auf
eine Söalge, ben Scheerbaum gebracht, dagegen Fommen bie
Cuerfäbett nur auf bie Einfchlagfpule, roelche bie VFafchine burch bie
auSgefpannten ^ettenfäben hi^ s unb h cr t re ibt unb fo bie Ver*
fdßingung oon 5?ette unb Einfchlag gu einem feftFantigen Vanb
beroirft. 3 U * H cr fl e Öung gemufterter Vänber roirb bie Qacquarb*
SRafchine oerroanbt, bie Durch Verfchränfung oon Äette unb Ein*
fd)fag ober Schußfaben in einer burch ein befonbereS Spftem ge*
regelten 2lrt unb SFeihenfolgc üerfdjicbcnfarbige 3eichnuugen auf
Seinen ober Vatiftgrunb heroorbringt. 2)ie Emfchlagfpulen liegen
hier in Schiffchen ober Schüßen, ^urd) Verrocnbung oon xroei
ober mehreren übereinanber liegenben Stößen Faun auch ber Ein*
fcßlag mehrfarbig unb in oerfdjiebenen StärFegraben genommen
roerben. 9Fach bern Sßeben gefchießt baS Slufhafpeln beS geroebten
VanbeS, foroie gasreiche fortirenbe Arbeiten. ®aS Spulen erfolgt
auf 9JFafd)inen, bie theils mechanifch, in Verbinbung mit bern
Vanbftuhl, theils getrennt oon bemfclben, mit ber panb getrieben
roerben; bie §afpel roirb h^ute noch überroiegenb mit ber Hanb in
Veroegung gefeßt.
9Focß oor 20 3ah™u lag bie gange Snbuftrie, noch uor
10 gaßren ber größere £h e il berfelben in ben Hänben oon bloßen
Verlegern unb Fleinen VanbroirFermeiftcrn. ®ie Arbeit rourbe in
ben Hütten ber um baS Stäbtcßen in ben Vergen, auf Eßauffccn,
groifdjen 2öalb unb VHefe gerftreut Iebenben VanbroirFer, entroeber
mit eingelnen ©efeßen, ober mit grau unb SFinbern gethan, unb
roar faft bureßroeg oerbunben mit ber gleicßgeitigen Veroirthfchaftung
eines Stüdfcßen eigenen ßanbeS.
ES begannen bann eingelne unter ben VanbroirFermeiftern, oft
aueß nur Vauern unb $Hein*©runbbefißer, VFictßSfabriFen mit
Dampfbetrieb gu errichten unb SFraft unb 9Faum an benachbarte
HauSinbuftrieße gegen eine Vergütung oon 3 JL bis 3,50 JL
ßerguleißen. Die Vennietßer lernten baburdj gnbuftrie unb £unb*
fd)aft in erroeitertem 3JFaße Fennen unb entroicfelteu fieß gu FonFur*
rirenben gabriFanten neben ben alten, eingefeffenen Verlegerfirmen,
roäßrenb fie gleicßgeitig fortfußren, übrigen S^aum bureß Ver*
mietßen auSgunußen. Die Verleger ißrerfeits gingen gur ©rünbimg
oon gabriFen über. Hm ber ÄonFurreng ber 5KiethSfabriFen*3n*
ßaber gu fteuem, ließen fie ebenfaßs SfFaum unb Hraft an biejenigen
ber nur oon ißnen befcßäftigten HuuSiitbuftrießen, bie, geftiißt auf
ben Vefiß ißrer Stüßle, mißt geneigt roareu, eine relatioe Selbft*
*) «iS ©äuge begcidjnct man bic 3^1)1 ber Vänber, bie neben*
eittanber glcidj^citig cntfteljeii.
875
©ojiale PrayiS. ßcntralblatt für ©ogialpolitif. Br. 32.
876
ftänbigfeil anfgugebeit. demzufolge finben mir in bcr gabrif fo*
mol)! an ben Stühlen beS gabrifanteu arbeitenbe Lohnarbeiter als
Banbwirfer mit eigenen Stühlen; bie Letzteren ftefjen bem Unter*
neljmer als Biiethcr von Baum nnb Kraft unb als Berfäufer ber
nach feinen Angaben unb mit feinem Material geroebten Artifel
gegenüber unb werben al^ f>au3gemcrbetreibenbe aufgefafet. ßin*
gelne gabrifanten befdjäftigen auf biefe Seife brei verfdjiebene
Kategorien von Arbeitern, erfienS Lohnarbeiter, zweitens fogenannte
HauSgemerbetreibcnbc innerhalb ber gabrif unb brütend §auS*
gemerbetreibenbe außerhalb bcrfelben, unb zwar foroohl folrfje in
eigenen Scrfftätten als in BüetljSfabrifen.
die Batibfabrifen nennen fid) heute medjanifdje Banbmcbereicn;
bie einzelnen Arbeiter merbcit burdjmeg als Banbwirfer, bie Klein*
gemerbetreibenben als Banbwirfermeifter bezeichnet. ßs ift baS
ein rein nomineller llitterfchicb; erft feit ber ßinfiihruug beS
BtotorenbelricbS unb in Berbiitbung mit bemfelbeit ift bie Be*
Zeidjnung „Btedjanifdje Banbmeberci" aufgefommen, mährenb mau
gleichzeitig an ber alten Terminologie gur Bezeichnung ber ArbeitS*
fräftc fefthielt.
gn unb um Sdjwehn giebt es heute 12 Banbfabrifen, bie auf
4 bis z» 10° Banbftiihlen von ca. 6 bis zu ca. 130 bireft ab*
hängige Arbeiter befdjäftigen, uneiugeredjnct bie für fie thätigen
HauSgewerbetreibeuben unb auswärtigen Spulerinnen unb Hafple*
rinnen. diirdjfchnittlid) Fommen auf bie einzelne gabrif 30 bis
35 Stühle in* unb außerhalb berfelbeit.
Gröfecrc BJietljSfabriFcn giebt cS etroa 30 bis 35, in beneu
etwa 1000 Arbeiter Baum unb Kraft benutzen. ßin nicht unbe*
trädjtlidjer Tfjeil biefer HauSinbuftriellen arbeitet ganz °ber tljeil*
meife für Barmer gabrifanten.
gerner giebt cS noch etwa 700 bis 800 Banbwirfermeifter mit
etwa 400 bis 450 Gefeiten, bie nad) eigenen gbecn unb mit
eigenem Material arbeiten unb ihre Saare an gabrifanten ober
Groffiften verfaufeu.
ßine grofec Anzahl von grauen unb Kiubern ift mit Spulen,
Hafpeln unb fortirenbeit Thätigfeiten in ben eigenen Reimen bc*
fchäftigt.
gn jeber gabrif, BJietfjöfabrif unb Serfftätte werben je nach
Bebarf unb Bfobe halb bie gleidjen, halb uoit einanber abweichenbe
Banbarteu in aufeerorbentlidjer Blanuigfaltigfeit neben einanber
hergeftellt. Dft werben in einem einzigen Betrieb bis zu 200 ver*
fdjiebene Artifel gefertigt.
gn ben gabrifen ift bie Beanffidjtiguug ber Stühle vormiegenb
Btännerarbeit. Sn ben BiiethSfabrifcn lieht man aud) uiele
grauen, bie im Sefentlid)en aber nur zeitweife ihre Biäitner, Bäter
ober Brüber ablöfen, bamit bie Stühle auch wätjrenb ber Mittags*
paufe ber eigentlidjen Banbwirfer feinen Augenblicf fülle ftei>en
unb bie Briefe voll auSgenujjt wirb. ßs giebt aber auch in
BticthSfabrifen unb Heimen eine ganze Anzahl felbftftänbiger Banb*
wirferinuen. (Schlafe folgt.)
Berlin. §elene Simon.
Urtfjcil eines gabrifanten über ben 3 c ^uftunbnttag in bcr
TcytiUnbuftrie. Sn ber Teytilarbeiterbevölfernng deutfchlaitbs unb
CejterreidjS wirb bie Bewegung für einen geljnftünbigen ArbeitS*
tag immer ftärfer; aud) bcr grofee Streif in Brünn (fiehe unter
Sp. 8S1 biefer Bummer) ift burd) bie Bcrwcigeruug einer Ab*
fiirzuug ber Arbeitszeit entftaubeu. Unter biefen Itmi'tänbcn oer*
bient cs Beadjtung, bafe ein Brünner gabrifant, BamenS piSfo,
ber feit längerer Seit in feinem Betriebe nur lOStunben arbeiten
läfet, fid) äufeerft günftig über bie gefdjäftlidjen Sirfungcn biefer
ßiuridjtung äufeerte. ßr tritt mit feinen ßrfahruugcn in ber
Briinner „SonutagSgtg." an bie Ccffentlid)feit:
Tic ßiufülinmg bcr zcljnftiiiibigeit Arbeitszeit bat — fo fdjreibt
er — uidjt bic miiibcftc Bcräuöcriiug in bcr Leiftimgvfäljigfeit meines
Kerfes Ijcroorgcrufen. 3 dl bege bic wolle Ucbcrgeugitiig, bau irf) biefe
Beränberuug oljue jebcs Cpfcr burdigefülirt ljabc; bte fd) ein bar wer*
lorene Arbeitsfiimbc nmrbe burd) bie intenfioere Arbeit bcr befiel*
ausgernljteii nnb geftärften Hiilfsfräitc wollig bereingebradit. !
Malige Arbeitszeit befbrbert nur ben öang zum Tröbclu. 3<h halte es (
mit bem cnglifdjen Tunern bcr furzen, uidjt mit bem oftcuropäifdjcu |
Sijftent ber laugen Arbeitszeit. Tcuu bie einzige Bictbobe, nufere |
Arbeiter auf bie Höbe ber englifdieu zu bringen, befteljt bariu, fie all* |
mdljlid) au bie wolle Ausniipuug furzer Arbeitszeit zu gewölmen. ßs ,
ift bies eine iubuftrielle ßrziebuugsirage; wirb fie riditig aitgewadt, fo |
werben wir otiue jebeu Tdiabeit für bic'probuftion fpäterhiu aueb nod) 1
fingere Arbeitszeiten erreidjeu föuueu. Tie ßntwiefeluug ber Tertil*
iubuftrie wirb uns bas uid)t nur ntöglidi madieit, fie wirb es uns fo* j
gar auibräugeu. Tenn bie ßiuiülirmtg bcr moberueu, idiuellgebeubeu |
’A'aidirne-u mutbet bem Arbeiter ein früher ganz uubefauutes 'A>iaf) won ;
Aufmerffnmfett unb Tpamtfraft z»/ fo zwar, bafe unter beut bisherigen
Snfteme bie wolle Ausnubuug ber neuen BZafdjiucn bireft ausgcfdiloffcn
ift. Unb bcr ßrhnltuug won alten, längft überuumbeuen B?nfd)tiien
Zit Liebe bic Arbeiter langer arbeiten lagen, wäre bas wiberftmtigfie
Borgeheu, beffeti man fid) and) als WefdjäftSuiann fdjulbig machen
föiuite. 3c mefer unb je intenfiwer, aber uidjt — je länger wir arbeiten,
brfto wortheilhaftcr für bie ganze gnbuftric.
3m ^ebereibetriebc ift ber ^ehuftunbentag non ganz befouberem
Bortheil, ßs fällt baburd) ltämlid) im hinter eine won beit Sieber*
meiftern gefiirditete Stiinbe fiiiiftlidjer Beleuchtung Ijinweg, in welcher
oft Gehfehler übcrfeheii, bic Augen bcr Arbeiter überangeftrengt, weniger
unb unerafter gearbeitete Sdaarr erzeugt wirb. Bidit minber hat fid)
ber Aehnftunbeiitag and) in ben Borarbeiten ber Weberei, bem Spulen,
Tdiwcifcn unb and) zmit grofeten Tbeile in ber Appreturarbeit bewäbrt.
Bio biefe, wie bas Boppen, AuSiiäl)cn gänzlid), baS ^reffen grofeten*
tfecils -Banbarhcit ift, fomitc fein Ausfall fwnftatirt werben, nnb fclbft
beim 'üafdieu, halfen, Baufeeu, Sdjcren ift ber Ausfall burd) rnfdjeres
Bebieueu ber ARafdiincu beim ßiu* nnb AuSIegeit theilweife tu foldient
BJafec hereingebradjt worben, bafe er faunt in bie SSagfdjale fällt.
Abgcfcfecu bawoit, bafe bie LeiftuugSfäbigfeit meiner gabrif jidi
uidjt werriitgert hat, habe id), feit td) biefe erfte SRorgcitftimbc aitfgc*
laffen habe, eine faft zehnprozentige ßrfpamife an Kofele nnb Sdtmicr*
material unb eine foldjc uou über 20 % beim Beleuditungsfonto z 11
werzeidjiteit.
CSublicf) ift bie Kürzung ber Arbeitszeit um eine Bforgenftunbe eine
wahre 3BoI)Itl)at für bie fdjwcrgcplagten gabrifbeatnten, bie unter bem
Stiftern langer Arbcitsftunben uidjt weniger z» leiben haben als bie
Arbeiter.
£>err ^iSfo erflärt, er werbe beim 3 c Ö n f^ un ^ cn ^ a 9 bleiben,
unb meint, eine fo oernünfüge ßinrichtung brauche man fleh bod)
uidjt erft abringen z» laffen. T)ie Biehrzaljl ber gabrifanteu ber
Tcytilinbuftrie ift leiber auberer Anpdit.
SlrbeitSUerhaltniffc in fRufelanb. 35Me bie „Times" inittheilt,
hat Fürzlid) in Bufelanb non regierungSmegeu eine ßrhcbuitg über
bie ArbeitSoerhältuiffe bcS LanbeS ftattgefunben unb jmar im §)in*
blicf auf bie Berfoi gütig ber Sttbuftrie mit Ijinreidjenbcn gelernten
ArbeitSfräftcu. B3ir entnehmen ber „Times" folgenbe Büttheiliiugcn
über bte ßrgebniffe biefer ßrhebungen: Unter mannigfadjeu anbertt
golgcn ber ^Bauernbefreiung in Bufelanb geigte fief) aud) bic, bas
bas'allgemeine Lohnniveau burch baS plöfelith vermehrte Angebot
von ArbeitSfräften rjerabgebrücft würbe. T)ie Urfacfeen b\eu%
LohttbrncfS finb hrute noch biefclbeit. 2Bemt ein Bauerngut grofe
genug ift, ben ßigeuthümer unb feine gamilie zu erhalten, fo lüirb
bcr Bauer bod) oft froh fein, über ben Sinter, in bem er feine
gelbarbeit verridjten Fantt, in ber Stabt Arbeit gu nehmen, wäre
es auch uur um gang geringen Lohn, ber für ihn immerhin
reinen ßjeminn bebeutet. hiervon abgefeljcn, bietet ein fedjSmonat*
lidjer Aufenthalt in ber Stabt eine angenehme Abwechslung. So
ift ber ArbeitSntarft im Sinter ftets überflutet unb bie Löhne
fallen um 20 bis 25 %. gft aber baS @ut nicht grofe genug,
um beit ßigenthümer unb feine gamilie gu erhalten, bann über*
läfet ber Bauer bie Bewirthfchnftung grau unb Kinbern unb geht
über baS gange Qahr in bie Stabt arbeiten, um oon beit höheren
Sommerlöhnen gu profitiren. T>iefeS Stjftem ber gluth unb ßbbe
auf bem ArbeitSmarft fdjäbigt natiirlidj bie 3nbuftrie, eS beeilt*
trädjtigt bie LciftungSfähigfeit beS einzelnen Arbeiters wie ber
gabrifen überhaupt. — ^egüglicf) ber gegenwärtigen Lohnverhält*
itiffc werben folgenbe T)aten mitgetheilt: gm T)urd)fchnitt erhalten
gabrifarbeiter, bie baS gange gahr Ijinburdj arbeiten, 370 <JC
jährlich, im Gouvernement St. Petersburg beläuft fich ber T>urcfj*
fdjnitt auf 470 dt unb int centralen Bufelanb um BtoSfau hrrutn
auf 335 , f(. jährlidj.
Arbeitgeber' mtb Unterneljtttertierbänbe.
Bcrfucf) einer Unternchmcrorganifatton in bcr ^olztnbitftric.
Bott $)errn G. Tripp in Kaffcl ergeht an bie Biöbelfabrifantcn
ein Aufruf gur Begrünbung einer Bereinigung beutfdjcr ÜRÖbel*
fabrilanten unb Tifd)lermeiftcr gur „Abwehr unberechtigter 33c*
jtrebuugcu" ber Arbeiterfdjaft. SDie Bfitgliebcr ber Bereinigung
füllen fid) bauadj verpflichten, gegen .Hinterlegung eines Sidjt*
wedjfels von 300 bfs 1500 c ff_ bei Ausbrud) eines Streifs, ober
wenn bie Sperre über bie Serfjtättc eines BiitgliebeS verhängt
wirb uub feine giitlidie ßiuiguitg gu crgielen ift, bem Holzarbeiter*
verbaub angiibroheit, bafe, wenn binnen längftens ad)t Tagen bie
Sadje nidjt beigelegt ift, fäutmtlidje bem Berbanb angehörigeit
gabrifanteu fvlibarifdj ihre Betriebe fperrcu werben. B?an rechnet
babei barauf, bie Muffe ber Arbeiterorgauifation gu fprengen, ba,
wenn fid) vorläufig mir 200 Unternehmer mit je 50 Arbeiter an
877
Soziale $rayt8. Gentralblatt für ©ogialpolilif. Br. 82.
878
bem Berbanb betßciligen, eine Arbciterzaßl oon lOOOO außer
St^ätigfcit gefeßt wirb, bic n>öcf)cntlic^ minbefteng 150 000 <//
Streifgelber beanfprucßen. 2Ran will burch bic Bereinigung „feinen
Srucf" auf bie Arbeiterfdßaft augüben, fonbcrn nur „unberechtigten"
Sorberungen entgegentreten. Alg folc^e füllen gelten:
1. (Garantie beg 3Borf)enlotjne$ bei Afforbarbcitcn;
2 . acht* ober ttetmftünbigc Arbeitszeit, Durch bie ber Arbeiter*
bebarf um 10—15 % fteigt unb weitere Soßncrßößungcu erzwungen
werben;
3. bic Sulaffung oon Arbetterfonimtiftoueu jur Prüfung uon
Streitigfeiten im betriebe, moburch ber Arbeitgeber nicht mehr £>err im
eigenen Haufe fein mürbe;
4. frioolc unb übermäßige Soßnerßößunggforbcruugcn u. A. nt.
Um im gafle ber Botßwenbigfeit einheitlich ^anbclit 311 fönnen,
crfcheint eg zwerfntäßig, baß bie Berbattbginitglieber möglicfjft gleich*
iautenbe Arbeitgorbnitngeu in ihrem betriebe einführen.
©ie man Angeficßtg folcher Berfucße, bie bureßaug meßt oer*
cinjelt bafteßen, noch behaupten fanu, baß Unterueßmerorganifationen
fidj nicht mit ben Soßn* unb Arbeitgoerßältniffen ber Arbeiter ihrer
einzelnen Biitglieber befcßäftigen, ift feßwer begreiflich-
Serbanb ber gaßfabrifantett mtb Böttcßermciftcr. Ser „Braun*
fchmeiger Bolfgfreuitb" ucröffentlid)t ben Statutenentwurf biefer in ber
©riinbung begriffenen Drganifation. $er eiuleitenbe Paragraph lautet:
„SDie Unterzeichneten felbftftänbigen gaßfabrifanten unb Böttcßermeifter
haben bcfcßlofien, 311 m 3wecfc ber görberung eineg gebeißlicßeit Ber*
ßältuiffeg unter einanber unb jurn Schüße gegen irgenb weldje unbe*
redjtigte Angriffe eine Bereinigung ju begri'mben."
&em §. 2 zufolge umfaßt ber Berbanb bie Bezirfe Borb», Mittel*
unb Sübbeutfdjlanb. Ser §. 10 führt im Einzelnen bie Pflichten beg
Berbanbgoorftanbeg auf; baruntcr beßnbet fiel) unter Ar. 4 „Bericht*
erftattung über bie wirfjtigfieii Angelegenheiten beg Bcrbanbeg, uament*
lief) über 2oßn* unb Streifbewegungen :c., au ben Bcrbanbgtag."
2>er Berbanb ber Arbeitgeber im Battgcmcrbe 311 BKmdjeit hat in
feiner ^auptoerfantmluug eiuftimmig eine Aefolution bcfdjloffeti,
„wonach alle Berbanbgmitglieber cg alg (Hircufache betrachten, ihre
Arbeiten nur wieber Berbanbgmitgliebcrn zuzuweifen, unb fic alleu
gelten zu oerweigern, bereu Barnen fuß nicht in beut ftet§ 311 ergänzen*
ben 9Witglieberoerzeichniß beßnbeit." $ur Begrünbmtg biefer Slefolittiou
würbe angeführt, baß man auf biefe SSei'e bie big jeßt bei Seite
ftehenbeit Arbeitgeber im Baugewerbe zum (Eintritt in beit Berbaitb
nötßigen werbe.
„Sd}tt>airze fiiften" ber Spaitgfergcitoffcnfcßaft in SHündjett. tiefer
Arbeitgeberoerbanb ßnt feilte Aiitgliebcr aufgeforbert, feinen ber Arbeiter,
bie bei einem BHtgüebe ftreifen, itt Arbeit zu nehmen. Auf ber üifte,
bie Bor* unb ^unantett oon 30 ©eßülfeu, fotoie 3cit unb Drt ber @c*
burt angiebt, flehen aber auch - ©cßiüfen, bie niefjt geftreift ßabeu,
foubertt regelrcdjt auggetrcteit finb; biefe wollen nun bie ©enoffenfeßnft
wegen Bcrrufgerflärttng oerflagen.
^tbeitetbewegirog.
Sie Bewegung ber Gcmcinbearbciter.
3m September 1896 brach in einem Xßeile ber Berliner
ftäbtifchen Gagwerfe wegen ber Befeitigung ber 18ftünbigen
©ecßfelfcßicht ein Streif au8. Gitbete biefer auch für bie Arbeiter
fo gut wie ohne Erfolge, fo jeitigte er hoch anbererfeitg ein er*
freulicßeg Befultat. Sie Augftänbigen befcßloffen nämlich, eine
Zentrale Drganifation zu grünben, bie bie in Gemeinbebetricben
befcßäftigten Berfoiten umfaffen unb bereu Sntereffen oertreten foHte.
Siefe Berufgoereinigung trat benn auch am 1. Dftober 1896 mit
ungefähr 150 Btttgliebern ing ßeben. Gegenwärtig gählt fie
1650 Bütglieber, bie fieß in 22 giliatcn befinben. Schon in
früheren 3aß*en hüben in Berlin lofale Bereinigungen ftäbtifcher
Arbeiter beftanben, bie aber nur fur^Iebig waren. Auch gegen*
wärtig giebt eg in Sregben, Stuttgart unb Hamburg noch lofale
Drganifationen oon Gemeinbearbeitern.
Bielfach finbet man bie Anficht oerbreitet, baß bie Gemeinbe¬
arbeiter eigentlich gar feine berufliche Bereinigung nothwenbig
hätten, ba bie Kommunen feßon für fie forgen würben. Siefe
Meinung ift jebocß irrtßümlicß. Ginmal giebt eg bigßer nur feßr
wenige Gemeinben, bie ein tiefereg fozialreformatorifcßeg Ber*
ftänbniß befißen unb baßer auch anerfennengwerthe Ginridjtungen
für ihre Arbeiter gefeßaffen hoben. Sen meifien Kommunen fehlt
ieiber noch biefe Ginficßt. Berlin z* ^8v i n feinen Betrieben
an 10 000 nicht penfiongbcrechtigte B^rfonen befcßäftigt, fyat btgßer
noch nicht einmal einheitliche Beftimmungen in Betreff ber Soßne,
Arbeit^seit, Anftellunggbebingungeu, Gntlaffungggriinbc getroffen.
$>a8 Alleg ift ben mittleren unb unteren Drgauen ber Genteinbe
überlaffen. 2)iefe mögen in tecßnifcher Beziehung Borzüglicßeg
leiften, eg fehlt ihnen jeboch in ber Begel jebeg Berftänbniß für
fozialen Sortfdjritt. 2)aßer bilben fid) natürlich Biißftänbe unb
Ungerecßtigfeiten in §iiHe unb Sülle ßeraug.
Anbererfeitg ift jeboeß aueß in ben Gemeinben mit fozial*
refonnatorifcher ^enbenz bie Drganifation ber Gemeinbearbeiter
feßr am s $laße. ®ie unteren unb mittleren Beamten ber Gemein¬
ben neigen oft zu lleberfchreitunaen ißrer ÜJtadßtbefugniffe. B3ir
fönnten ßier SüHe mittßeilen, in Denen bie Arbeiter nußt einmal
ißre etatgmäßigen Sößne auggezaßlt erhielten, inbem bie tecßnifche
Leitung biefe waßrfcheinlich alg z u ßoeß befanb unb gern mit
großen Ueberfdjüffen abfcßließen wollte. Gegen folcße unb äßnlidße
Uebergriffe anzufämpfen,. ift ber einzelne Arbeiter ohnmächtig. Bei
bem bureaufratifeßen Befcßwerbeweg zieht er in ber Siegel ben
kürzeren. S)aburdj, baß bie Gemeinben gefeßlicß oerpflicßtet ftnb,
eine Beiße oon Bhlitäranmärtern in ißren ©ieitft zu nehmen, wirb
ber erwähnte llebelftanb noeß bebeutenb oerfcßlimmert. S)iefe Seute
glauben Ieiber nur fo oft, baß aueß bag ganze bürgerliche ßeben
fteß naeß militärifcßen Sormen regeln muß, unb meinen bem*
entfpreeßenbe Anorbnungen treffen zu müffen.
©ie Drganifation ber Gemeinbearbeiter ftrebt u. A., wie alle
gewerffeßafHießen Bereinigungen, uaeß einer Grßößung ber £ößue.
§n oielcn ftäbtifeßen Betrieben zahlt man erßeblicß niebrigere ßößne
alg in ber ^rinatinbuftrie. So fangen z- iu ben Berliner
ftäbtifeßen Btorftßaflen unb auf bem Scßlacßt* unb Bießßofe bie
Arbeiter mit einem $ageloßn oon 2,25 ^ K an.
Aueß bie täglidße Arbeitzeit bebarf in nielett Gemeinbe¬
betrieben einer Berfürzung. 3n ben Berliner ftäbtifeßen $anali*
fationgwerfen müffen z- 23- bie Arbeiter innerhalb einer 14 tägigen
Doßnzaßtung 3* big 4mal 20 Stunben an einem Stage arbeiten.
Sie fangen bann Btorgeng um 6 Ußr an unb arbeiten big 5 llßr
Abenbg; hierauf tritt eine oierjtünbige Buße ein, um 9 Ußr be¬
ginnt bie Arbeit oon Beuern unb bauert big um 6 Ußr beg an*
Deren ÜKorgeng. — $)ie 10* big 12ftünbige Arbeitzeit ber Betorten¬
arbeiter oieler ftäbtifeßer Gagwerfe muß alg gefunbßeitgfcßäblid;
angefeßen werben. Gbenfo ber 18* refp. 24 ftünbige Sdjicßtwecßfel
in Gag* unb B3affermerfen.
Gin feßr großer Stßeil ber Giemeinbearbeiter unterfteßt ferner
nicht ber Arbeiterfd)ußgefeßgebung. S)ie fragüdßen Betriebe werben
nid)t alg gewerbliche, fonbcrn alg gemeinniißige angefeßen. 2)ie
Beftimmungen ber Glewcrbe-Drbmmg in Betreff ber Sonntaggruße,
ber Beftrafungen, ilünbigunggfrift, Arbeitgorbnuugen 2 c. eyiftiren
für £aufenbe oon ftäbtifeßen Arbeitern baßer aueß nießt. Biele
Gemeinben ßabeit bcbauerlicßer SScife fteß biefeit Umftanb zu Buße
gemacht unb gewähren ißren Arbeitern nießt bie Becßtc, weldje bie
gewerblichen Arbeiter befißen. So haben z* 23. bie Berliner
Öaternenanzünber wäßrenb beg ganzen 3aßreg nießt einen Sonn*
noeß Bußetag. ©ollen fie einmal frei haben, fo müffen fie biefer*
ßalb befonberg bei ißren Borgefeßten oorftettig werben. Ung ift
eg befannt, baß man ßaternenanzünbern, bie ein ganzeg 3ußr
ßinbureß ^ag für Stag im S)ienfte waren unb nun einmal einen
Sag frei haben wollten, mit ißrer Bitte abwieg.
Aueß werben ftäbtifeße Arbeiter oft bebeutenb härter beftraft,
alg bie gewerblichen Arbeiter beftraft werben bürfen. Bhirren fie
barüber, fo heißt eg: „Sür ung gelten bie Beftimmungen ber Ge-
werbe-Drbnung nießt, unb wir fönnen bie Arbeiter beftrafen, wie
wir eg wollen." Serner befißen Betriebe mit oielen £unberten oon
Arbeitern feßr oft feine Arbeitgorbnung. Sann finb aug benfelben
Grünben oielfacß ganze Kategorien ftäbtifeßer Arbeiter in feiner
Kranfenfaffe, noeß gegen Unfälle oerfießert. 3n Berlin z- 23. ßat
bie Genteinbe für bie Arbeiter beg ftäbtifeßen Koßlcnplaßeg bie
ganzen oicr leßten 3aßte ßinburd) feinen Pfennig zu berKranfen*
oerfitßerung ber Arbeiter beigetragen, obgleich jeber Arbeiter bei
Strafe ber Gntlaffung gezwungen würbe, einer Krattfenfaffe anzu¬
gehören.
Sie Drganifation ber Gemeinbearbeiter oerlangt baßer aueß
auf Grunb ber angeführten Singe, baß Gemeinbe- refp. ftaatlicße
Beftimmungen gefeßaffen werben, bic ben Gemeinbearbeitern
minbefteng biefelben Becßte gewäßren, wie biefe ben gewerblichen
Arbeitern burch bie Arbeiterfcßußgefeßgebung bereite gewäßrt
würben.
Gegen bie Grricßtung oon Arbeiteraugfcßüffen, bie erft in ben
wenigften Gemeinbebetrieben aufzuweifen finb, fträuben fieß oielfad)
aueß einzelnen Kommunalbeßörben, wegßalb bie Drganifation
für bie Grridjtung folcßer tßätig fein will. Blit ber Berforguitg
banernb arbeitgunfäßig geworbener Arbeiter unb mit ber Sürforge
für bie Hinterbliebenen oon Gemeinbearbeitern ift cg in ben meifteu
Kommunen aueß noeß ziemlich traurig befteüt. Soweit matt über-
879
©ogiale SßrajtS. Eentralbtatt für ©ogialpolitif. Etr. 32.
880
feaupt f)ter etroaS geroährt, finb biefc lluterftüfeungen Almofen, bic
erbettelt roerben muffen. 5Rur wenige Drte, roie Stuttgart, Jranf*
furt a. ER., ERaing 2 C., machen in biefer Begichnng Ausnahmen
unb haben eine gerechtere Regelung eingefü^rt. deshalb forbert
auch bieDrganifation: „Einführung ber VenfionSbered)tigung unb
$interbliebcnen«Verforgung für bie ©emeinbearbeiter".
$>ie Bewegung ber ©emeinbearbeiter hat trofe ihrer 3ugenb
fefeon eine gange SReihe non Erfolgen, namentlich betreffs ber
Verbefferung ber Söhne, aufguroeifen. ©treifS waren bisher nicht
gu oergeichnen, ba ben ©emeinbearbeitent eine gange $Reil)e oon
anberen Mitteln gur Verfügung fielen, bie gut Befriebigung ihrer
EBünfcfee führen. Bebauern ntüffeit mir, bafe einige ©emeinbe*
oerroaltungen es ihren Arbeitern bireft oerboten haben, wie g. B.
Altona, fid) ber Drganifation ber ftäbtifchen Arbeiter angufchliefeen.
Huch finb in ben betrieben anberer Orte roieberholi wegen
ber Draanifation ERaferegelungen oorgefommen. $)ie Leitung beS
VerbanbeS ber ©emeinbearbeiter befielt burchgängig aus ©ogial*
bemofraten; hoch fteht fie auf bem ©tanbpunft, bafe innerhalb ber
Draanifation möglichft bie Erörterung parteipolitifcher unb reli*
giöfer dinge auSgufd)liefeen ift.
Berlin. Br. s $oerfd).
$er ©treif ber belgifchen ©rubenarbeiter.
Aus SBrüffcI, ben 5. ERai, wirb uns oon unferem Morre*
fponbenten getrieben:
$>a es groeefmäfeig fein bürfte, über bie Sehren beS grofeen
SohnfantpfeS in ber belgifchen Mohleninbuftrie erft nach feiner Be*
enbigung ein abfchüefeen'beS EBort gu fagen, fo befdjränfen mir uns
heute auf eine 5>arfteflung beS Verlaufs ber Ereigniffe feit unferem
lefetenBeridjt. EBie oorauSgufchen roar, hat ber©treif bis gum Arbeiter*
feiertag ftäitbig an AuSbeljnung gewonnen, unb am 1. ERai, oben*
brein einem Montag, feierten rooljl nahegu 90 % fämmtlicher ©ruben*
arbeiter. £ie fogialbemofratijd)en Abaeorbneten hatten ihre Snter*
peEation, in ber fie ben ERinifter für jnbuftrie unb Arbeit fragten,
roaS er gur Seilejung beS SohnfampfeS in ber Mohleninbuftrie gu
thun gebenfe, erft auf ben 2. ERai feftfefjen laffen. ©ie hofften,
bitrch biefes Mittel bie ftreifenben Arbeiter gu oeraniaffen, wenigstens
bie laufenbe EBodje über noch auSguhalten, nub bieS ift ihnen auch
im EBefentlichen gelungen. 3n ben Becfett oon Efearleroi unb
Siittid) hätt fich ber ©treif noch auf ber ooEen <£)öhe, unb im
Borinage unb im Eentrum geht bie Abbröcfelung menigftenS lang*
fam oor fich-
3>aS Beftreben ber fogialbemofratifchen Abgeorbneten ber
ERinenbiftrifte, bie fich über bie ©chmäche einer unorganifirten unb
beShalb über feine Jinangreferoen oerfügenbeit Hrbeitcrfchaft feine
3Eufionen machten, mar oon Anfang an barauf gerichtet, einen
Ausgleich herbeiguführen. ©ie mirften besljalb mit aEen Kräften
barauf hin, beut Mampf jeben politifchen Hnftrich gu nehmen. 2)em
entfpraef) auch ihre $altung in ber breitägigen Debatte über ben ©treif,
bic erft gefteru in ber M'ammer gu Enbe ging, ©elbft bie Jorberung
nach Serftaatlichung ber Bergroerfe mürbe nur oorübergehenb geftreift.
Rector ^eniS brach eine fräftige Sange für bie obligatorifd)e Ein*
führung einer glcitenbeu Sohnffala unb oon HrbeiterauSfcf^üffen.
3ui Vorbergrunbe blieb aber befoitberS gulefet, nachbem Vanber*
oelbe baS ©igital bagu gegeben hatte, bie Erörterung ber Srage,
roaS bie ^Regierung gur fchneßen Beilegung beS gegenwärtigen
Sohnfampfes thun fönnte. der ERinifter für Snbuftrie unb Arbeit
Eooreman, ein Sanfter aus ©ent, ber bis gu feinem Amtsantritt
oor einigen ERonaten niemals (Gelegenheit gehabt hatte, ftd) mit
Arbeiterfragen abgugeben, geigte fich entgegenfommenber, als man
ermartet hatte. Befamttlich hatten bie für ben 23. April gufammen*
berufenen conseils de Tindustrie et du travail nirgenbS im Sanbe
eine Verftänbigung groifchen ben beiben Parteien herbeigeführt.
An biefem negatioen AuSgang ber Verhanbluitgen roar befonberS
ber llmftanb ©cfjulb, bafe nur 3ntereffenten ben Verfammlungen
beimohnten. 3efet nun oerlangten Rector $)eniS, Vanberoelbe unb
Jurnemont, bafe bie conseils noch einmal berufen roerben, bafe
bieSmal aber BeooEmäifitigte ber Regierung, mit bem Auftrag,
auf einen Ausgleich htajaroirfen, ben Verfeanblungen beiroobneti foEen.
3in ^riugip erflärte fid) ber iliinifter mit biefen Sorfchlägen
einoerftanben. ^od) traten in Segng auf ihre Serroirflichung
©egenfätje groifd)cn ihm unb ben Vertretern ber Arbeiterintereffen
hcroor, bie bisher uuauSgeglid)en geblieben finb. Auf ben 3 Us
fammenfünfteu am 23. April haben bie ‘^ireftoren ber AfiengefeE*
fdjafteu au oielen ©teilen AuSgiige aus ihren ©efd)äftsbiid)ern
oorgclegt, bic beroeifen follten, baß fie außer ©taube feien, bie oon
beu ©treifeubeu geforberten Sohnerhöhungeu gu' gal)len. ^er
ÜJtinifter oerlangt nun, bafc auSfchlieftlid) bie 2)iSfufRon biefer
3iffern unb ber oon beu Arbeitern ihrerfeitS aufgefteflten Be¬
rechnungen ben ©egenftanb ber Verhanbluitgen ber oon neuem gu
berufenben conseils de i’industrie et du travail bilbe unb bafj bie
oon ber Regierung gu entfenbenben Vertreter auch nichts roeiter
thuu, als bei ber Prüfung ber oon beiben ©eiten ooraebrachten
3iffern mitguroirfen. ^)a nun aber natürlicher 2öeife biefe 3iffcrn
aEerortS oerfchieben lauten müffen, fo fteEt fich ber SJlinifter auf
ben ©tanbpunft, bafj bie Verhanbluitgen in aEen fleinen Segirfen
eingeln unb ohne Serücffid)tigung ber Einheitlichfeit ber
Veroegung ftattgufinben haben, demgegenüber betonen bie
Arbeiterführer, bafj man einem ©eneralftreif gegenüberftehe unb
bafe beShalb bie ©eftionen beS conseil de Tindustrie et du travail
jemeinfam oerhanbeln müffen. Serner rooEen fie, bafj bie Be*
Tugniffe ber SfegierungSoertreter roeniger eng fein foEen, als ber
ERmifter es in AuSficht fteEt. ©ie roünfchen, ba& bie SRegierutigS*
oertreter bireft auf ein $ompromijj hinarbeiten, unb roenn biefeS
nicht fofort gelingt, ihrerfeitS ben Vorfd)lag machen, ben gangen
©treit einem ©chiebSgericht gu unterroerfen.
9ßie man fieht, ift in Icfeter Sinie ber ©egenfah groifchen
ERinifter unb Arbeiterführern boch pringipieEer SRatur, inbem ber
Elttnifter fnh noch nicht h^rbeilaffen roiE, bie ftreifenben Arbeiter
als eine gefchloffene ©efammtheit augufehen. ES ift bieS ber ©tanb
ber Situation, roo ich &i e f c 3 e *i en abfenbe. Söenn bie VermittlungS*
oerfudje, auf roelche bie Arbeiterführer hingielen, fcheitem, unb ber
Sfantpf fortbauert, fo roirb ber ©treif roahrfd)eitilich abebben unb
aEmählid) einfchlafen. Db bie Arbeitgeber aber ©runb haben
roerben, fich ihres ©iegeS gu freuen, baS bleibt eine ernfthaft gu
erroägenbe $rage. 3m lebten Augenblicf erfahre ich, bafj bie
©rubenarbeiter beS Vorinage befchloffen haben, ihre gorberuug oon
20°/o Sohnerhöhung auf 10 o/ 0 herabgufehen. gallS aber bie Arbeit*
geber biefen Vorfdjlag ablehnen, rooEen fie ben Mampf fortführen.
©o unfer Morrefponbent. Am 6. ERai Tmb bie Arbeiterführer
bem Vorfdjlage ber ^Regierung nachgefommen. ®er Bunb ber
belgifchen ERinenarbeiter erliefe ein ERanifeft, roorin bie gorberungen
ber Arbeiter giffernmäfeig begrünbet roerben. ©obann roerben bie
ERitglieber ber lofalen conseils du travail aufgeforbert, bem
EBunfcfee beS ERinifterS gu roiEfahren unb ihrerfeitS bie 3ufamnten*
Berufung ber lofalen EonfeilS gu beantragen, roenngleid) bie oon ben
Arbeiterführern geroünfehte, oom ERinifter aber befämpfte Berufung
ber Vkaaroerfammlung ber regionalen EonfeilS roüufchenSroerther
geroefeit roäre.
®er Berbanb beutfdjer Bnchbruifer, ber beftorganifirte Arbeiter*
berufSoerein in $>eutfchlanb, gählt nach bem fürglid) herauSgegebenen
Jahresbericht beS §auptoorftanbeS für 1898/99 (oom 1. April 1898
bis 31. ERärg 1899) 26 377 fteuernbe ERitglieber gegen 24 376 im
Vorjahr, bie fich auf 960 $rucforte (im Vorjahr 899) oertheilten.
35ie Maffenoerhältniffe beS VerbanbeS begeidjnet ber Bericht als
„hocherfreuliche", der Maffenbeftanb betrug am 31. ERärg b. 3-
2 106 822 c 4L S)aS VerbanbSoermögen habe fich f e ^ 1896 in ber
§auptfaffe um 902 681 J( oermehrt, unb betrage mit bem Ber*
mögen ber Eentral*3noalibenfaffe i. S. 2 876 188 .AL ($ie Eentral*
Snoalibenfaffe befinbet fich in Siquibation; bie Unterftiitjung ber
neuangemelbeten Snnaliben roirb aus ber £>auptfaffe geleiftet.)
^ingugurechnen fei nocf) baS Vermögen ber ©au* unb BcgirfSfaffen,
fo bafe etroa 3 200 000,//& bem Verbanbe gur Verfügung ftänben,
für bie er aEerbingS auch roeitgehenbe unb bauembe ÜuterftiifeungS*
anfprüche gu garantiren habe. 2)er Buchbrucferocrbaub ift bem*
nach bie reidjfte beutfehe ©erocrffchaft. An Eteifeunterftüfeung
rourben im oergangenen ©efchäftsjafer gegafelt 115 177 t AL, an Ar*
beitslofenunterftüfeung 141 688 <A (, an UmgugSfoften 49 154 d( t
an Mranfe 372 138 an Snoaliben 67 949 c tC, an ©terbegelbem
19 197 <AL An VerroaltungSfoften, Beiträgen für bie Hamburger
©eneralfommiffeon, baS internationale ©efretariat 2 c. 2 c. rourben
76 225 c AL auSgegebcn. SDaS VerbanbSorgan, ber „Eorrefponbent"
(Auflage 14 250), ergab 6418 M. Ueberfdjufe. ®er Bericht befpricht
u. A. auch bie Erfolge auf bem Slarifgebiet. ®em Sarifamt fpricht
ber Bericht Anerfennung aus unb betont bie fogialpolitifche Bebeutung
ber Sarifinftitution. Auch roirb bie fortfdjreitcnbe VeraEgemeinerung
beS Tarifs auf giffernmäfeiger ©runblage öeroorgeboben. ^er
„Eorrefponbent" hebt im Anfdjlufe an ben Jahresbericht h cr nor,
bafe bie Crganifation in ben brei lefeten 3ahren auf Erfolge gurücf*
blirfen fön ne, roie fie in früheren 3^iten für ben gleichen 3eitraum
nodj niemals befchieben roaren, obroohl noch gu feiner Jcit bie
Verhältniffe für bie Crganifation aud) nur im entferntefien fo
fehroierige unb eigenartige getoefen feien, als bieS in ben lefeten
3aferen ber Jall geroefen fei. 5£emnächit roirb bie regelmäßige
©eueraloerfammlung beS VerbanbeS, bic aEe brei Jahre abgehalten
881
Sogtale Praxis. Eentralblatt für Sogtalpoliiil. !Rr. 32.
882
roirb, ftattfinben. Einer oom Verbanbe im Tegember o. 3* auf*
genommenen Statiftif ift gu entnehmen, baß in 38 betrieben
174 Seherinnen unb 10 fießrmäbcßen kräftigt mürben. Tie
meiften Seherinnen mürben in Tresbeu (44) befcßäftigt, in Oft*
preußen 27, in Sdjlefien 35, in dBeftpreußen 23, in Berlin nur 16.
Qm ga^re 1894 gäßlte man 151 Seherinnen, ihre 3aßl hat fuß
alfo nur menig oermehrt. Ta bie Seherinnen häufig unter beut
Tarif arbeiten, bemerft ber „Eorrefponbent": „©liicflicßerroeife
fiheinen einer umfangreicheren .^erangiehung oon Seherinnen für
ben Bucßbrucferberuf recht roefentlicße |>inberniffe entgegengufteßen."
AnSfpertmtflett toegett ber dRaifeier. Tie Maifeier hat an oer*
fcßtebenen Orten mit ber AnSfperrung ober Entlaffung ber Arbeiter,
bie ohne gnfiimmung ber Arbeitgeber am 1. SRai oon ber Arbeit roeg*
geblieben roaren, geenbet. Stedenroeife, fo in Leipgig unb Lübecf, haben
bie Ausfperrungen gu Streifs geführt. gn Berlin finb auf (Gruub eines
BefcßluffeS ber freien Vereinigung ber Holginbuftriedeu mehr als
3000 Arbeiter auSgefperrt roorben. Tie AuSgefperrten fonnten aber am
8. b. dRtS. roicber gur Arbeit gurüdfeßren. Aucß in ber dRetadinbuftrie
haben Entladungen ftattgefunben, hoch mürbe ben Entladenen frei-
geftcdt, fiel) in einigen Jagen megen SBieberaufnaßme ber Arbeit oor«
gufteden. Someit bie Arbeitspläne nicht anbermärts befefet roorben
roaren, finb bie Entladenen roieber eingeftedt roorben. dfur bie ben
Arbeitgebern mißliebigen Vertrauensleute ber SBerfftätten rourben nießt
roieber eingeftedt. Soroohl in ber £olg« roie in ber dRetadinbuftrie
ßerrfeßt g* eine äußerft günftige Äonfunftur unb Bebarf au ArbeitS«
fräften. Tie auSgefperrten Bauarbeiter, befonberS bie dRaurer, ftnb
roieber eingeftedt roorben.
Ter gc|ite internationale Bcrgarbriterfongrcß fod oom 20 . bis
26. dRai in Brüffel im fogialbemofratifcßen Maison du peuple
ftattfinben. Auf ber TageSorbnung ftehen meift alte Berannte:
Acßtftunbentag, Haftpflicht ber Unternehmer bei Unfäden, £oßn«
frage, ©rubeninjpeftion, Verftaatlicßung ber Bergroerfe 2 c. Als
neuer $unft erfeßeint bie Streitfrage, rooßl mit Rücfficßt auf
ben dRaffenauSftanb ber belgifchen Bergleute. Aus Teutfißlanb
roirb ber Kongreß bieSmal bureß brei SDelegirte befchicft merben.
Vereinbarung in ber englifcßen Vaunttooffmrberei. 3n ber
Baumroodinbuftrie oon £ancafßire hatten fich in ben lebten döoeßen
bie ©egenfäße groifchen Arbeitgebern unb Arbeitern fehr ^ugefptfct.
Es mürbe eine £ohnerhößung oon 10 % geforbert. Tie Unter«
nehmer oerlangten, es fode oor ber Entfcßeibung eine Umfrage bei
ben oerfihiebenen BegirfSoerbänben ftattfinben. Tiefe aber fpradjen
fich 9 Wn bie Beroidigung aus. Am 3. dRai traten bie Vertreter
ber Arbeitgeber unb Arbeiter in dRancßefter gu einer $onfereng gu«
fammen, unb bie £age fihien fehr ernft. Snbeffen fam hoch nach
mehrftünbiger Beratung ein Ausgleich gu Stanbe: bie Vertreter
ber Arbeiter begnügten fich mit 2 l /2 °/o £oßnerhößung für bie
dBeber unb ihre Hilfsarbeiter oom 1 . 3uli an.
Schottifdjer ©ctoerldereinSfongreß. Vorige dBoiße fanb in
Tunbee ber britte Kongreß ber feßottifeßen ©eroerfoereine ftatt, an
bem 120 Telegirte als Vertreter oon 50 000 Arbeitern tßeilnaßmen.
Tie roichtigften ber angenommenen Refolutionen begogett fich auf
bie Begaßlung ber ^arlamentSmitglieber, bie Ausgestaltung beS
Labour Departement im HanbelSamte, Herbeiführung einer gemein«
famen Aftion ber gefammten Arbeiterflaffe bei ben nächften dBaßlen, bie
Errichtung oon öinigungSämtern,Arbeiterfchuh unbAlterSoerficßerung.
Sobnbetoegtittfl ber belgtfdjen (Glasarbeiter. Ter für ben 1. dRai in
AuSjicßt geftedte ©eneralftreif ber (Glasarbeiter im Aeoier oon Eßarleroi
ift nicht eingetreten, ba bie dRcßrgaßl ber Arbeitgeber bie gorberungen
ber Arbeiter (5 % Lohnerhöhung :c.) fofort bewilligten. gm ©egenfaß
gu ben (Grubenarbeitern finb bie (Glasarbeiter oorgügüch organiftrt, unb
ihr ©eroerfoereiit ift einer ber beften beS LanbeS.
TegtilarbetteranSftanb in Brünn. 3n ber §auptftabt dRäßrenS
finb gegen 12 000 Textilarbeiter (Spinner, ©eher unb Arbeiterinnen)
in einen Streif gur Ergroingung beS 3eßnftunbentageS rin«
getreten. Schon oor dRonaten roaren bie Arbeiter mit biefer gor«
berung an bie gabrifattten herangetreten, gugleich oerlangten fie
auch Aufteilung einer neuen Arbeitsordnung im Einoerneßmen
mit ben Arbeitern, fomie Aufhebung ber SRacßtarbeit in ben
Spinnereien minbeftenS in ber SRacßt oom Samstag auf ben
Sonntag. Tiefe lefcten gorberungen finb burch Vermittelung beS
Eentral»@cmerbeinfpeftorS bemidigt roorben, bagegen oerroeigerten
bie gabrifanten ben 3 e hnftunbentag, obgleich biefer fich in oier
Brünner gabrifen gut beroährt hat. (Vgl. hierüber bic $Rittheilung
auf Sp. 875 biefer SRummer.) SDie öffentliche dReinung fod auf
Seiten ber Streifenben fein, unb ber aus döien herbeigeeilte
EentraI«©eroerbeinfpeftor fucht noch immer gu oermitteln. J)ie
ftreifenben Arbeiter oerlangten neuerbinaS für bie im Sagelohn
ftehenben, im AUgemeinen fehlest entlohnten Arbeiter eine £ofin«
erhößung, liefen aber auf Anrathen ber öüßrer biefe gorberung
roieber faden unb beharren nur auf bem 3 c hnfiunbentage.
$ie Brünner Arbeiterfchaft, unter ber fich °irie grauen unb ^inber
befinben, roohnt gumeift in ben iRacbbarbörfern, oon roo fie häufig
lange dJiärfche ober Eifenbahnfahrtett nach ber Arbeitsstelle gu
madheit haben. 2 )ie öfterreichifche ©eroerffchaftsfommiffion hat gur
ttnterftüßung ber Streifenben einen Aufruf an bie gefammte
organifirte Arbeiterfchaft £)efterrei<hs erlaffen. 3n dteuhenberg
(Böhmen) broht ebenfadS ein AuSftanb ber Textilarbeiter roegen
beS 3^hnftunbentagS, ber eine gemeinfante Sorberung ader Teytil«
arbeüer ÖefterreichS ift. Bisher gilt in Defterreich auch für bie
Textilarbeiter ber gefeßlidhe elfftünbige dRaximalarbeitStag.
ärbeftarftyitl.
AbSnberungen ber ^etoerbeorbmtngSnoPeffe ist ber Reichstags«
fommiffion. Tie VeichStagSfommiffion für bie SRooede gur ©eroerbe«
orbnung hat ihre Berathungen im dBefentlidjen beenbigt. 3m Adge«
meinen ift bie VegierungSoorlage angenommen roorben, jeboef) finb
groei Abänberungen oon erheblicher Bebeutung befdßloffen roorben: für
bie HauSgeroerbetreibenben roirb troß beS dBiberfprucßeS ber die«
gierung bie EranfenoerficherungSpflicht geforbert, bie dRiitimalruhe«
geit für Angeftedte in £abengefdE)äften ift in Stäbten über 20000
Einroohnern auf 11 Stunbeit (ftatt 10) feftgefeßt, bie VtittagSpaufe
fod, roenn bie Hauptmahlgeit außerhalb eingenommen roirb, nidjt
1 , fonbern IV 2 ©tunben betragen.
Arb etter fchuß in ber feramifeßen ^abuftrie EnglanbS. Ein
AuSfchuß oon gabrifanten ber feramifeßen 3abuftrie EnglanbS hat
in Beantroortung beS dtuubfcßreibens beS Home Secretary unb
beS Berichts ber ^rofefforen Tßorpe unb Dlioer (ogl. „Sogiale
^raxiS" Sp. 758) ein dRemoranbum an baS Home Office gefeßieft,
in bem fie einerfeits in Abrebe fteden, baß ein Erfaß für Bleiroeiß
oorfianben roäre unb fomit oon ber Verroenbung beffelben gang
abgefehen roerben fönnte, anbererfeits jebo^ fich gern gu roeit«
gepenben Schußmaßnahmen bereit erflären. So treten fie für eine
regelmäßige periobifeße ärgtlicße Unterfucßuna ber Arbeiter ein unb
roünfcßen eS obligatorifcß bunßgeführt gu feljen, baß fi^ bie Ar«
beiter beim Verlaffen beS Arbeitsraumes ben dRunb reinigen. Sie
betonen, baß bie Unoorficßtigfeit ber Arbeiter gumeift adern baran
fcßulb fei, roenn Bleioergiftungen noeß oorfommen.
J&tbetteroetflifyentttg. SparböfTtn.
Annahme ber 3nt>alibenberftdiemngSnobefle in ber Reichstags«
fanttniffion» Tie neunte Äommiffion' beS ReicßStaqS naßm am
6 . dRat bie gefiftedung ß e s Berichts über bie dtooelie gur gnoali«
bitätSoerficßerung oor. Bei ber bann folgenben ©efammtabftimmung
über bas ©efeß rourbc biefeS mit allen gegen bie brei Stimmen
ber Sogialbemofraten angenommen. Tie groeüe ^lenarberatßung
beginnt am 10. dRai; möglicßerroeife fommt baS ©efeß noeß oor
ben fßfingftferien unter Ta<ß unb gaeß.
Ter Tttüerfttlofefongreß nnb bie ^ranfenfaffen. An bie
^ranfenfaffen TeutfcßlanbS ergeßt ein Aufruf oon ber Eentral«
fommiffion ber $ranfenfaffen Berlins, bem roir golgenbes entnehmen:
Vom 24. bis 27. dRai b. $3. ßnbet in Berlin ber Kongreß gur
Befämpfung ber Tuberfnlofe als VolfSfranfßeit ftatt. . . . SMne Scßicßt
ber Beoölferung ßat aber ein gleiches gntereffe an ber Scßroinbiuißts=
befämpfung als baS in ben 5franfenfaffen organifirte gnbuftrieproletariat.
. . . Äranfettfaffen TeutfcßlanbS! gßr, bereu ^iirforge bie ntatertede
unb ibcelle Wohlfahrt oon ttteßr als aeßt dRidiouen dRcttfcßcn — ber
Sfem ber arbeitsfähigen Beoölferung Tcutfdilanbs — anoertraut ift,
habt bie Bfiidjt, mit ber gangen Scßroerfraft Eurer Crgaitifatiott auf
biefettt Kongreß baßin gu roirfen, baß bem Arbeiter nießt als Almofen,
fonbern als gefeßließe Berechtigung bie dRöglicßfeit gegeben roerbc,
bureß .'oeilftättenbeßanblung ben $eim ber mörberi'fißcn Scudje gu
überrotitbett. Eine ftärfere Herangießung ber gnoalibitätsauftaltcn gur
oorbeugenbett üranfenfürforge, eine Verroenbung ber reießen Mittel be*
größten Jßeiles biefer Anftalten gur ScßroinbfudjtSbefämpfung fod her=
beigeführt roerben, gu Eurer Etttlaftimg, um Eud) bic Erfüllung Eurer
roießtigett Aufgabe, ben erfraitften Arbeiter oor bem Vcrfittfeti ins Elcub
u beroaßrett, meßr als btSßer gu ermöglichen. Eine Vertretung
ämmtlicßer Ärattfettfaffen TeutfcßlanbS auf biefem Kongreß
ift eine Aotßro enbigfeit.
Tie Eentralfommiffion ber $ranfenfaffett Berlins ßat im uh*
mittelbaren Anfcßluß an ben Kongreß für Sonntag, ben 28. dRai,
eine £onferettg fämmtlicßer aus gang Teutfcßlanb gutit Kongreß
belegirter ^ranfenfaffenoertreter geplant. Tie oon (Graf ^ofaboioofn
ftßon für bie näcßfte i» AuSfidjt geftedte Aooellc 311 m M raufen«
SS 3
884
«Sojtale $raji£. (Eentralblatt für ©ojtalpolitif. Ar. 32.
faffciigcfefe, bte Vefdjliiffe be? 27. beutfdjen Aeqtetage? in Bresben
betreffs obligatorifd^cr (Einführung ber freien Aqtroahl, ba? Ver»
hältniß ber Äranfenfaffen au ben gnoalibitätsanftalten unb ben
Veruf?genoffenfd)aften, alle biefe für bie ^ranfenfaffen fo mistigen
Materien joHen am 28. 2 Jtai auf ber berliner Monferens nad) ihrer
prin 3 ipieüen Vebeutung fceratfjen roerben.
JUbeitetiödjniete.
3»w ßaritattfdjeu SWieitSmuftfoeiS* Ser Verein ber Arbeit*
geber*Veifißer be? ©eroÄbegerid)t? 31 t Verlin hat an ben ©taat?*
fefretär be? gnnern eine (Eingabe gerietet, welche fieß gegen bie in
0p. 855 ber „ 0 O 3 ialen $rafi?" ermähnte Eingabe be? ©efamrnt*
oerbanbe? ber beutfd;en INetallinbuftriellen richtet, in ber bie
paritätifeßen Arbeit?nacßroeife befämpft roerben. Sie ©egen*
eingabe macht aufmerffam auf bie Aacßroeife:
1 . lieber bie erfprießltd)e, non gabr 3U gaßr roatßfeitbc Jhätigfeit
ber paritätißßen Arbci*nad)meife unb 2. über bie ben fo^ialeu grteben
fiörcnbcn, bie (Sriftenj 001t laufeitbeu gefährbenbe, burd) bie angeblich
„er3ieöcriirf)e", auf giibruug febroarjer Siftcn berubenbe 2ßättgfeit be?
Wefammtoerbanbe? beutfdjer iiietallinbuftrieller unb ber mit ißm oer*
bunbeueit Arbeitgeber=Verbänbe.
Ser Vorfißenbe be? Verbanbe? bentfeßer Arbeit?nadjroeife,
Dr. greunb, bat ebenfalls eine (Eingabe an ben ©taat?fefretär be?
Innern in ©adjeit ber paritätifdjen Arbeit?nad)ioeife gerichtet, bie
fid) gegen bie Senffcßrift be? Verbanbe? beutfdjer SDietaUinbitfirieller
roenbet. Ser (Eingabe ift umfangrekße? SJcaterial über bie Sßättg*
feit be? (Eentraloercin? für Arbei?nacßroei? 3 a Verltn unb be?
paritätifdjen gad)arbeit?uad)rocife? ber Vrauer beigefügt. And)
roirb ber ©taat?fefretär eingelaben, bie berliner Arbeit?nacßroei?*
(Einrichtungen einer üöeftd)tigung su unter 3 ieben.
Arbeitsnachweis ber (Eifeninbufiricllen in Hamburg. 3m gaßre?*
beridjt für 1898 finbet fiep folgenbe bemerfcu?roertße Au?füßrung:
Sie ©tfengießcreibcfißer haben bie Öifte ber burd) ben lssser
Streif uuliebfam geworbenen Former aufgeßoben, roeü biefer Streit
cnblidi einmal begraben roerben mußte. (Ebenfaßö nerjidjtct man auf
eine llmcridjriit ber Former, baß fie, fo lauge fie in beit 3U unferem
Verbanbe gehörenben betrieben arbeiten, nießt bem gadjuerein ber
Former augel)öreu bürten, weil mau cingefeben bat, baß oielc gormer
cs mit if)rer „Untcrfcbrift auf (Ehrenwort" nicht genau nehmen, Safiir
aber haben fid) bie ©ießercicn eine Verpfädung aufcrlegt, wcldje bie
genaueftc Aachadjtmtg ber ©efdjciftsorbmuig be? Aadjweife? garantirt,
unb hoffen mir, baß alle gorrnermeifier nunmehr unfereu ASimfcßen
nadjfommcn, bamit nidjt nod) weitere Vfaßnaljincn getroffen werben
muffen, welche fleh hinfort bireft gegen bie unbotmäßigen 9 K ei ft er
richten würben.
Ser Arbeit?nad)roei? non Untcrnehnieroerbänben ift alfo ein
9 ttad)tmiitel uidjt nur gegen Arbeiter — 10 gaßre rourbe eine
„fcßroaqc ßifte" geführt! —, fonbern unter ilmftänben auch gegen
„unbotmäßige" Arbeitgeber!
Ser unentgeltliche Arbett?muhtoet? in granfretdj. Sa? Office
du Travail ocröffentlicßt folgenbe Säten, betreffenb ben öffentlichen
Arbeit?nacßroei? im gaßre l s ^ 8 : SDie fommuuale ©tellenoeruiitte*
lung in $arib founte non 25 658 Ittänneru unb 46 416 grauen,
bie Arbeit fud)teu, 18 683 Männern unb 46 354 grauen Arbeit
naeßroeifen; ber Axbcit?oermittclung?oereiu im XI. Arronbiffement
hat 1010 ^crfonen Arbeit itacßgewiefen. Mommutiale Arbeite
nachroeife beftanben 1898 noch in Vreft, Souap, (Epinat, goigni),
ße ^ßm), ßcnalIoi«' s ^crret, ßille, ßificuy, ßouoiciS, ßrjou, s JKoui=
lu^on, Aancn, £rlean£, Saint^ie, 0 cn§, Senotie^, Srouniße
unb 5>erfaille$; benfelben lagen in^gefammt Arbeit^gefudje non
4011 s JÜtänneru unb 5814 grauen nor; uad)geroiefeu würbe Arbeit
1453 Männern unb 2481 grauen. 2>ie lijätigfeit ber Arbeite
börfen in Ai£, Angerö, (Earcaffonne, (Sljolet, SDijon, .fpaorc, 9?ime§,
Saumiir, 0t. Aa 3 aire, Toulon, ^onloufe, 3>ictrp unb Algier um«
faßte bie Unterbringung non 7346 iltännern unb 3175 grauen
non 16173 äRännern unb 6800 grauen, bie Arbeit fuchten.
©enoflcnfdjaftetttfett.
3 tnei Arbcitcr ^rcbüUinQenoffcnfchnftcn im ^ar^.
^er Arbeit ihren nollen (Ertrag 3U fiebern, fie au? ber Ab«
hängigfeit 00m Kapital 31t befreien, ift ein Sdjlagwort ber Arbeiter*
fdiaft geworben, ba? non ber politifd)en Arbeiterbewegung rocfent=
lid) anbei*?, al? non ber lüirtjfd)aftUcfjen aufgelegt roirb. Aidjt
auf bem it'ege ber gewaltfamen (irpropiatiou, fonbern burd) bie
ber Arbeit iunewobuenbe Alraft fclbft uub bie non ber fapitaliftifd)en
©ntroicfelung gefepaffenen §)ilf?fräfte ha^cn bie? 3 ^ ^robuftin*
gen offen fchaften ber Arbeiter 3 U erreichen gefudjt. 3n 2 )eutfd;Ianb
giebt e? 3 roar faft 3 roeihunbert gewerbliche „^robuftiogenoffen*
fchaften", bie s l)tehr 3 ahl aber ift im Sidereffe non Äonfumenteu ge*
grünbet, in Anlehnung an $lonfumoereine 2 c., bie eigentlichen
$robuftingenoffenfd)aften, bie be? s $robu 3 enten, be? Arbeiter? ßage
burch gemeinfame ^Srobuftiou heben wollen, finb meift gefcheitert,
3 um Shell allerbing?, weil bie ©rünber beim Aufblühen ihre?
betriebe? biefen 3 U einer rein fapitaliftifdjcit Unternehmung beroußt
umgeftalteten ober aber biefe (Enhoicfeiung hoch baburch 3 uließen,
baß fie auch beim Abftcrben bc? alten 0tamme? feine neue ©e*
noffen aufnahmen. s Dcit bem ßeben?lauf gpeier roirflicher Arbeiter*
^ßrobuftinncreinigungen macht un? nun ein S3u<h be? Regierung?*
^atpe? Dr. 0tegemann*) in üörauufdjroeig „Sanne unb SSieba"
befanut, bie bi?ljcr ein faft unbead)tete? Safein geführt ha&en.
Ser SSerfaffer hat fidj in feinen ©egeuftanb fo liebeooll uerfenft, bie
©orgen unb grcubeit biefer ©iu 3 elorgani?men be? üöirthfchaft?lcben?
fo anfdjaulich gcfchilbcrt, baß bie ßeftüre ein roirflicher ©enuß ift.
Saune unb SBieba finb 3 roei abgelegene §ar 3 orte, bereu Se*
roopner feit gahrhanberten ihren Unterhalt in ber §auptfacf)e oon
ben herrschaftlichen (Eifenroerfen 3 ogen. Al? baper ber Auffd>amng
ber ©ifeninbuftrie in ben ©teinfohienreoieren bie braunfcßroeigifche
©ifenitibuftrie unrentabel machte, bie Söraunfdhroeigifdje Regierung
bie $>ar 3 er ^iittenroerfc oerfaufte unb bie Jütten in Sanne unb
2 £ieba nicht weiter geführt würben, ftanben biefe beiben armen in
23crge eingefeilten OJemeinben, beren gelbmarfen noch § eu te «id)t
©eläube für ben befdjeibenften Acferbau aufroeifen, oor bem fRuin.
Sie arbeit?fräftigen ©inroohner roanberten au?, ber fümmerlichc
©runb* unb § auf erb eiiß rourbe oöllig entwertet.
3u ihrem OMüd fanben bie Sanner, bie 3 uerft oon biefem
©^icffal betroffen waren, in biefer Sebrängniß felbftlofe greunbe.
Ser .f)iitteninfpeftor $recn, ein geborener $ ar S er / rc 9tc bie ©elbft*
einrid)tung unb ©efbftfiihrung oe? betriebe? burd) bie Sarmer
Arbeiter an, unb ber fpätere &ei<h?tag?abgeorbnete ©erid)t?aiieffor
iöaumgarten unterftüßte fie bauerub mit juriflifchem S^ath uab
feiner Vermittelung bei ihren finan 3 ietten Döthen. Sie 23raun*
feßroeiger Regierung unb ßanbe?oertretung, an bie fuh bie Unglücf*
lidjen roanbten, erleichterte ihnen ben Anfang burch birefte ©elb*
3 uroenbungen unb größere Sarlel)ne.
Sa? ©djroierigfte war natürlich in einem fo armen Drte bie
©clbbefchaffung. Vei ber Vcrfchiebenheit ber SJtittel unb bem tjeil*
weife gäii 3 lid)cn gehlen wählte man bie gorm ber Aftiengefeüfchaft
unb benannte fie „Sanner*£)üite, ©ifengußroaaren*Aftiengefellfchaft".
Sa? erforberliche ©runblapital oon sunädjft 25 000 Shalern
wollte man burch Au?gabe oon 500 Aftien 3 U je 50 Shalern auf*
bringen, roooon fofort 40% baar cingegahlt roerben follten.
Sie Aftien follten im Vefiß ber Sanner bleiben unb bürfen baßer
nur mit ©enchntigung ber ©eneraloerfammtnng auf Aubcre über*
tragen roerben. Ser Ärbeiteraftionär barf nur bei bi? 3 ipliuarifchen
ober ehrenrührigen Vergehen cutlaffen roerben. ©? hatten über*
nommen: 60 Hüttenarbeiter 239 Aftien, 10 Hanbroerfer 99, 1 ©aft*
roirtl) unb 2 Aagelfdjniicbcmriftcr 40, 4 guhrleute 30, 2 Hütten*
beamte 55, 10 Vkge* uub Haabarbciter 15, 1 ©iiihlenbefißer 10 ,
4 Vklbarbcitcr unb yimmerleute 6 , 1 ßeljrer 6 Aftien. SBurbe
e? auch fchrocr, biefe Veträgc in einer fo armen ©enteinbe oon
no^ nidjt 1000 (Einwohnern 3 iifammen 3 ubringen — man ging
gerabe 3 u oon Hau? 311 Han? betteln — fo war bod) fd)Iießlid) ber
Anfang ba.
s ^ßreen gab, ohne SJfiUfficht auf feine gatuilie, feine ficßere, gut
bezahlte ©teHung in Söeftfalen auf unb übernahm bie fad)männifd)e
ßeitung. Unb ber SGßurf gelang im Anfang iiberrafchenb gut.
©nbe 1871 rourbe ba? V>erf mif 25 Arbeitern eröffnet. (E?
betrugen:
galir
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ber
Arbeiter
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7
'■) Jamic nnb VJicba, e^cfdiiditc zweier Harter Arbeitcr*©cini|fen«
iMmitni. Vraimidjweiger Verlag für taitnnäuuifd)c« lluterridjte'Weien
uub Viirtl)fil)aftvfiuibe. 1MW.
885
©ogtale ifrajts. Eentralblatt für Sogialpolitif. Rr. 82.
886
Ser allgemeine wirtpfpafttipe Riebergang unb unooriiptige,
überftürgte ©efpäftSerroeiterungen brauten ber ©enoffenfpaft eine :
fo fernere $rifis, bap fie oon 1878 bis 1885 feine Sioibenbe ae* |
währen fonnte, ja, baß fie Berlufte erlitt. Wan legte fip Bie |
äuperften Ehtfpränfungen unb Semüihigungen auf. lieber waren
es uneiaennüpige greunbe unb bie braunfpweigifpe Regierung,
bie bie Bereinigung über biefe $titen äuperfter ®elbfnappf>eit pin*
wegpalfen, an ber fie fonft gu ©runbe gegangen märe. Sagu
fam bie Einführung beS beutfpen RopeifenS, ber Bau ber ©arg*3apn*
rabbapn, befonberS bie Stredfe Blanfenburg— Sanne, bie BaS grapt*
fonto ftarf perabfepte. Wit bem Sapre 1886 fepte ber Sluffpwung
mieber ein, ber bis jept angehalten hat* Es betrugen:
3apl
ber
Arbeiter
SluSgegaplte
Ööpne
in !
jff.
Beamte
©e»
haltet
Jt.
Brobuftion
in
Eentnern
Sioibenbe
(Snbc 1886
124
61 300,41
8
8480
15 134
4
* 1887
124
68 585,65
8
3480
16 971
6
* 1888
134
75 474,88
3
4500
17 822
6 s /3
= 1889
134
82 431,68
3
4500
19 875
10
* 1890
138
87 751,53
3
4500
21143
13 s /s
- 1891
138
84 516,38
2
8500
20 579
13>/s
* 1892
137
85 769,38
2
3600
20 374
13*/$
= 1893
I 138
88 602,62
2
8600
21 247
13*y s
« 1894
139
92 577,27
2
3600
21 915
13*/s
* 1895
145
88 953,oo
2
3600
20 812
13'/3
* 1896
155
99 043,45
2
3600
| 22 056
13*/ s
* 1897
156
102 508,oi
2
3600
22 146
16*/ 3
Ser Werth ber gefammten Baulipfeiten ift in ber geueroer*
ficherung auf 150 000 cif abgefd^afet. Sie gabrifation erftredCt
ftp h^ute auf Defen aller Rrt, Stall*, Heller*, gabrü* unb Sap*
fenfter, ©erbe unb ©erbehtriptungen, fowie Sauerbranb*Einfap*
Öfen, ^Sflug- unb Saftwagenapfen. Alle Neubauten werben aus
bem laufenben Sfonto beglichen. gür unoorhergefepene gälle ift
ein Referoefapital unb ein E^trareferoefapital in ©öpe beS ge*
fammten 2lftienfapitalS angefammelt. Sie Siegenfpaften unb baS
3noentar finb auf oerpältnipmäpig geringe Summe abgefprieben.
3ur Secfuug ber für bie Eifenbapn Walfenrieb—Sanne über«
nommenen Garantie oon 150000 jfL wirb .fpon jept ein Referee*
fapital angefammelt. Slbgefepen oon ber gabriffranfenfaffe hat
baS Werf noch eine BenfionS*, Wittmen* unb Waifenfaffe einge*
richtet, bie mit 12 000 ,>!L funbirt ift. Bei biefer oorgüglipen
ginanglage hat baS Werf einen Banffrebit nicht mehr nötpig, eS
hat oielmehr einen BetriebSfonbS oon 100 000 <Jt bei ber
Wernigerober Bau! liegen. Sie 3 c i* ber harten finangieHen
Spwierigfeiten hat bie Sanner gu einer eorforglip abmägenben
©efpäftspanbpabung ergogen. $reen ift ingmifpen geftorben,
bie Herren Sen cf unb ©ropp, bie Witbegrünber, ftnb bie Seiter.
Sie Rohmaterialien, namentlich EoafS unb Eifen, werben feit
3apren oon feften ßieferanten gegen Baargahlung bezogen. Ber»
lauft wirb faft auSfplieplip bireft an etwa 80 btS 90 Eifen*
waarenhänbler.
Sie Slrbeiterlöhne betragen im Sagelohn 2 bis 2,g 0 oli. unb
im Stücflopn 2, 50 bis 3 ,50 t 11, ben ßopnfap ber Britmtwerfe im
©arge. Saneben haben fie ihre Sioibenbe aus bem Slftienbefip.
Sie Arbeiter refrutiren ftp meiftenS aus ben Söpnen ber Arbeiter*
aftionäre. Sie ßehrgett beträgt oier Sapre; im erften gahre
werben 50 4 $, im gmeiten 60 aI, im brüten 1 bis 1 ,: 0 M, im
oierten l /50 *-M Sagelohn begahlt; hoch fommen fie fpon balb,
wenn auch gu niebrigen Säpen, an bie Slfforbarbeit. Sie gabrif*
orbnung ift ftreng. Sn ber Emtegeit wirb ber Betrieb etwas
nachgelaffeit, weil faft jeber oerheirathete Arbeiter im gorftgrunbe
etwas Äartoffellanb unb Wiefe hat. Sie SebenSpaltung biefer
Arbeiter hat fich in biefem Wenfpenalter fehr erheblich gehoben,
unb ba oon feinen jept 240 ©auSpaltungen 129 auSfplieplip unb
etwa 40 ber ©auptfape nach auf ben Beftanb ber ©ütte ange*
wiefen finb, fo ergiebt fich bie golge für bie ©emeinbe oon felbft.
Sie benft fogar baran, eine eigene Wafferleitung mit einer Summe
oon 34 000 JL gu erbauen.
Sie ©rünbuttg ber Wiebaer ©üttengenoffenfpaft ging eben*
: falls oon Breen aus, ihre Drganifation gefchah nach bem Sanner
| Wufter. Sie Sanner ©ütte nahm felbft oon ben 800 Slftien gu
I je 50 Splr. fofort 200 Slftien, Br een unb ein Sanner Sfufftpts*
ratpSmitglieb je 40 Slftien. Sie fachmännifche ßeitung beforgte
gunächft Br een mit. Siefe B^fonalunion gmifchen bem Sanner
unb bem feiebaer Sßerf ift auch nach BreenS Sobe aufrecht erhalten.
Ser Befip oon gegenwärtig 267 Slftien fiepert ben Sannem einen
bauernben Einfluß auf baS BHebaer Sochterwerf.
Sn ©ernt Erimm fanb baS SBiebaer 2Serf einen aufjerorbent*
litf) tüchtigen unb aufopferungSooKen faufmännifchen ßeüer. Ohne
feine unb anberer greunbe ©ülfe wie bie Unterftüpung ber braun*
fchweigifchen Regierung wäre bie ©rünbung, bie in baS gahr 1875
fiel, bei bem ungenügenben SlnfangSfapital nicht über bie erften
Sabre binauSgefommen. Bon 1888 ab gahlte baS SBerf inbeffen
bis 1890 je 20 % unb oon 1892 bis 1897 je 16% % Sioibenbe
an feine Aftionäre. ES hatte 1897 :155 Arbeiter (barunterl04 Slf*
tionäre), an bie 171 245,94 <//£ Söhne gegahlt würben unb pro*
bugirte 37 036 ,52 Eentner, wooon 36 385,36 Jt oerfauft würben.
Ser ©elbwerth betrug 373 918 ,47 JL Sie SlrbeitSgeit währt wie in
Sanne oon 6 bis 6 Uhr, <§onnabenbs wirb nur bis 4 Uhr, in
Sanne bis 5 Uhr gearbeüet. Söieba fteHt ungefähr biefelben Er»
jeugniffe wie Sanne her, nur benupt SSieba burchweg eigene 3ßo*
Belle, bie fämmtlich unter Btufterfcpup geftellt werben. Sie 28erfe
haben ihren Wettbewerb nicht im ©arg, fonbera nur in ©effen*
Raffau unb Dftfrieslanb. Wieba fpart gegenüber Sanne an graepten.
Bterfmürbig ift ber erpeblidje Unterfcpieb ber Arbeiter biefer
beiben, nur brei Wegftunben oon einanber entfernten Drte. Bei
ungefähr gleich groper 9trbeiterf<paft oerfaufte 1897 Sanne eine
Brobuftion oon 22146 Eentner ©upwaaren, Wieba eine folcpe
oon 36 787 Eentnern. Sie auSgegaplten ßöpne fteüten fiep auf
102 508 gegen i71 245 jH bei ungefähr gleichen fiopnfäpen.
Sie Wiebaer ftnb, wie man fiept, bebeutenb flottere Arbeiter, bie
eS bei bem Borwiegen beS SlfforblopneS auf weit püpere SageS*
einnapmen als bie Sanner bringen, ©leicpwopl bürften bie Sanner
im OTaemeinen ben Wiebaern öfonomif^ überlegen fein. Um
gelbarbeit fümmern fup bie Wiebaer Arbeiter faum, unb nach ben
Scpilberungen unfereS ©ewäprSmanneS finb bie ©runbfäpe einer
rationellen ^onfumtion bei ben Sannern oorperrfepenb, wäprenb
bie Wiebaer noep fein recpteS Berftänbnip für bie moralifcpe gor*
berung ber probuftioen Ausgabe haben. Ser ©tanb beS Wiebaer
WerfeS ift finangiett gut. WoplfahrtSeinricptungen fehlen aber
noep faft ganj.
Ser Berfaffer fuept bie grage gu beantworten, wie weit bie
fogialbemofratifcpe ©efinnung unter Biefen beiben Slrbeiterftämmen
Eingng gepalten pat. Er ftellt feft, bap bei ben Waplen bie fogial*
bemofratifipe Stimmengapl im umgefeprten Berpältnip gu ber gefepäft*
licpen ßage ber ©ütten geftanben ift. 1898 würben in Wieba 215
fogialbemofratifcpe unb 25 fonftige Stimmen, in Sanne 117 beg. 73
abgegeben. Sropbem glaubt ber Berfaffer, bap biefe Sbftimmungen
feinen Wapftab für bte fogialbemofratifdbe ©efinnung abgeben.
Ser Arbeiter ftimmt im Allgemeinen für jeBen Bertreter beS
„flehten BfanneS", mag er ein politifcpes ©ewanb anpaben, welcpes
er wolle. Sie mitgöpeilten ÄunBgebungen monarepifeper unb
fird^licper ©eftnnuitg, bie Stellung biefer Arbeiter gu Streifs 2 c.
ftüpen biefe Anfcpauuna. Snx ©inblicf auf manepe Borgänge ber
iepten 3«t gewinnen oeS BerfafferS Worte hoppelte Bebeutung,
wenn er fagt:
,,ES ift mertwürbig, wie hierbei oft bte fpetnbar unbebeutenbften
Borfälle bie Richtung beftimtnen. Ein etwas gu fcparfeS Borgepeit ber
unteren Boflgiefjungsbeamten, bie etwas ftrengere Auslegung einer
gorftfepupbeftimmung, ber unoorftpüge Sienfteifer eines EeitSbarmen,
ber feine Bflüpt baburp befonberS gut gu erfüllen glaubt, bap er
Äontraoentionen nipt oerpütet, fonbem mit befonberer Rüprigfeit aus*
finbig mapt unb gur Slngeige bringt, alle biefe fleinen SKomente treiben
in fleinen Orten bie Wähler ntaffenweife ber Bertretung beS „fleinen
SRanneS" gu, unb biefe fiept bie Slrbeüerfpaft, in Ermangelung einer
eigenen Bertretung, eben in ber Sogialbemofratie."
Wöpte biefe Erfenntnip aup wieber in unfere preupifpe Ber*
waltung einbringen!
Eparlottenburg. grip Spept.
Sie gleipgeitig hiermit ausgegebene Rr. 8 ber RlonatSfprift
„SaS ©ctoerbegeript" enthält:
Ser §. 626 beS Bürgerlipen ©efepbupS unb baS MnbigungS*
rept in ber ©ewerbeorbnung. — ©ewerbegeript, Slrbeiterfefretariat,
RuSfunftSfteUe. — Berfaffung unb Berfahren: Erweiterung
ber 3aftänbigfeit ber ©ewerbegeripte. — Reptfprepung: Wit*
theilungen aus ben Entfpeibungen ber ©ewerbegeripte Bfagbeburg,
granffurt a. Bf., Dffenbap a. 3R., Stettin, ©amburg. — Slllge*
meines über ©ewerbegeripte unb ArbeitSoertrag: RuS
ben gapreSberipien oon ©ewerbegeripten.
8trantoortlt4 für bie »ebattion: Dr. Crnfi Stande in »erltn W., Bagreut^erftrafee 29.
887 kostale grafte. Sentralblatt für Sogtalpolttif. 9?r. 32. 888
©ie Pvavl*“ erfdjeint an jebem ©omteiStaci unb ift burd) ade Biubbanblungen unb ^ 0 ,'^mter ((ßoftzeitunginummer 7072) gu beziehen. ©er ^JreiS
für ba« Btetteljahr ift 907. 2,50. Sebe Stummer foftet 30 Bf. ©er Ärtzetflenpreiä ift 60 Bf- für bie breigefpaltene Betitjeile.
Uirafj alle BurfiljattMuttgen ju bejiv'^cn:
Deutsche üJirt$cbaTt$ge$cbichte.
Omt
H. Cb. von Tnama-Sternegg.
I. ^cuffttje Ä)irtrrf!aft 00 Eftfjirf|fc bi« jum Srf|Iug ber HavxJÜngerpertobe. 1879 . preis 12 M.
n. PeuJfdie ]©irtfd|affs{irfd|i elfte bes 10 . bis 12 . ifaJjrfjunberfs. 1891 . preis 13 M.
in. 1 . ®eutjtfje BDirtfcfjatisgerrfiirfife in ben teufen Jaljrljunberfen bes JBtftelalfers. 1899 . preis 12 Ml.
3 n ihrer 9 iummer 87 uom 15 . Slpril 1899 Berichtet bie
„SSiiettembevgifriie SoltSjeitnng" (Organ ber
©eutfdien Partei):
Unter bem £itel „3 U BiSmartfd (Gebäcfitntö" ift im Verlag oon
©uncfer 4 .fmmblot in öeipjtg ein SSerf erfdjtenen (174 3., 8 9)?. 60 $f.,
gebbtt. 4 2JL 80 fßf.), auf Da3 mir unfere S?cfcr aufmerffatn ju
machen nicht unterlaffen moDen. 63 enthält gehn Huffäße über
ben großen Staatsmann, oon benen fünf oon bem ^rofeffor
(Gnftao Sehntolter, bem berühmten SSoIfSioirtfchaftstehrer, jroei
oon bem §iftorifer fßrofeffor 3J?ar fienj in 93crltn unb bret oon
Seffern leipziger gachgenoffcit 6 rieh SRartfä herrühreit. 9Bic fefjou
bie tarnen ber Serfaffcr oermuten Iaffen, ftnb alle btefe Stuffä^c
nach ^orat unb Inhalt jeber Beachtung roert unb liefern roichtige
Beiträge $ur Srfenntnis unb SBürbigung ©ismarefs. Sie ftnb
aßerbnigä feine fritiftofen Bcrbimmelimgen beS groben Spannes.
Hm meiften hat Scfjmoller fich ihm unabhängig gegeniibergeftettt
unb }. 93. 1890 bie Hnficf)t ausgefprodjen, Sie mir h^r mieberholt
lefen, baß mit 93isntarcfs Sturs eine unabroenbbare tfataftropfjc ft<h
oonjogeu habe, meldjc and) ihr OJuteS enthalte. HIs ciitfdjiebencr
(Gegner ber BtSmarcffcheit Steuer^ 3oü s ' Sozial* unb fianbelspolitif, j
fomie ber Btömarcffchen Hitffapung oon (Grmcinbe* unb Slrete*
oenoaltung, hat Schmollet bnrd) Sctt Sturj beS 9Uefett bie 9Köglidjfeit 1
fich eröffnen febett, baß neue SBegc eittge|chlageu mürben, toährettb j
bie HHmad)t Btemarcte bis bahin eine burchgreifettbc reformatorifche 1
2hätigfcit oerhinbert unb bas Stuhcbebürfnis bes alternben Staats* j
mannes bie fiojung „quieta non movere!" auch auf Berhältniffe an*
gemanbt habe, mo fic gar nicht hinpaßte. Hud) ßc»z unb STOardS
oerhehten ba unb bort nicht, baß fic biefett ober jenen 3 ug im 2 öefen
beS gelben, biefe ober jene einzelne 9J?aßnal)mc nid)t ganz billigen;
bie .ftärtc feines Urteils, bie $ei‘bigfcit feines Nabels, bie zornige
Beradjtung ber (Gegner, bie fchroffe Ein fei tig feit gegen bie ^arteien,
ja gegen ftreunb unb ^einb, feilte heroifchc Schroffheit, feine ftolge
Sclbftherrlidjfcit heben fte, jeber unabhängig oottt anberu, faft mit
benfelbctt Porten heroor. Hber gerabe meil fte bas thun, meil fte
ben 9J?anu fo zu erfaffett fuchen mie er mar, gerabe Scshalb ftnb
biefe Huffähe ein bes .frclben mürbtges ©enfinal intb eins, baS ihn
mit gefd)icf)tlid)er Breite oergegenmärtigt. 9Kas immer man an Bte*
marcf ausjeßett mag, bas alles ftcljt bodi am leßtcit Ettbe in engftent
3ufammenhang mit feiner (Größe; menn bei irgenb einem Btann,
fo gilt bei ihm bas 3öort, baß feilte fehler nur Sie ftehrfeitc feiner
iugenben ftnb. Schtnollers Httffäßc fiitb oor allem beslialb bebcutfam,
meil fic jur fritifd)en Sßürbiguug ber Sisntarcffdjen Sozialpolitik
anleiten. 9öir fteheit felbft auf einem anberen 93obeit als ber 93er=
faffer biefer Stubien, aber mir haben oon feiner Huffaffiutg hoch
oiel gelernt, nttb mir freuen uns hoppelt, baß auch biefer Beurteiler,
mie bie „ 0 )cbanfen unb Erinnerungen" erfcheincn, fidj fofort hinfeßi
unb einem ^ublifum, bas großenteils nicht aus BiSntartffrfjmärmern
befteht, bem ^eferfreis ber „Sozialen ^rarts" ben grofjcit 9Nantx in
feiner politifdien unb feelifcfjen Wröfje nahe 511 bringen unternimmt:
„Sein Icftantcnt flingt hetrmonifd) aus; es mirb bem bcutfdicu Bolfe
Saburdi um fo mehr aus .fterz madß'eu; es mirb laufeubc ber
politifdien (Gegner Bisntarcfs entmaffnen burdi feine oli)tnpifd)c 9iuhe,
Sie Beruteibung jeber ^ifanterie, Sie rittcrlidie •'ood)ad)tung, montit
er felbft feine (Gegner unb (Gegnerinnen bei aller Cffeuheit behaubeit."
Venz unb 9J?arcfs ftimnten Sarin überein, baf) fte bie großartige
(Sinheitlidifcit in BisntarcfS Entmicflung heroorheben . . . „er murzelt
im altpreußifdicn Staat, er ift Hriftofrat intb Biouardjift .^itqlcidi —
fein Hbfolutift, aber burdibruugen oon ber 9?otmenbigfcit eines ftarfen
Staats, einer muditigeu Autorität"; auf biefcit (Gruitblageit hot er
audj baS SHeidi aufgcriditct unb es fo befähigt, allen Stürmen zu troßen.
Balb mirb cs ein ^ahr fein, baß uns Bismarcf cntriffeu ift.
BiaS er felbft mar unb mas er uns mar, bas fagt uns neben ben
„(Gebanfctt unb Erinnerungen" uidit Ieid)t jentattb beffer, als baS
Buch ber brei ^rofefforen.
Verlag von DUNCKER 4 HUMBLOT in LEIPZIG.
Entwicklnngsgeschichte
des Eigenthums
unter ciütnrgescUcMMeni und wirWaflüGlei GesicMspiintte.
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des Eigenthums. 1883. Preis 7 M.
II. Der Einfluss der Sitten und Gebräuche auf die
Entwicklung des Eigenthums. 1886.
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III. Der Einfluss der Religion auf die Entwicklung
des Eigenthums. 1889. Preis 8 M.
IV. 1. Der Einfluss von Staat und Recht auf die
Entwicklung des Eigenthums. Erste Hälfte.
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3 ttl)itli
Der brittc ßongreb ber©en>etf«
febaften DeutfcblanbS. ... 889
«Olgcwetec ©ogial* snb &irtbf*«ft fc
Unfidf.893
©etbeilißung DeutfdjlanbS an bet I
internationalen ^Bereinigung jur
f^örberung beS ArbeiterfcbufceS. '
Der ©üangelifdj*€;ojtale Äongrefe. j
<§-in SBort jur ©ertbeibigung. 33on '
^3rofeffor@e org 0.3Rabr,3Rfm(ben.
Die 9 trbeit 83 eitung be$ 5fierrei^tfd^en I
Arbeitsamtes.
©ojialpolitifdbe Debatten in ber freut» ,
jöfifeben DeputiTtenfamnicr. |
*9gft«Ie Bnftttnbe i .896
Die ©anbmirferei in unb um
©cbwelnt II.33on£etene©imon,
©erlfit. |
Die ArbeitSflatiftif unbbie3nbuftriellen ,
in Defterreidj. |
Die ©laSbütte üon Sttlbi. ]
4fe*(ttcffcetBC(titta.899
Jßur ©rünbung ^riftlicber ©emerf» j
oereine. !
Streifs in Deutfcblanb tüäbrenb befl I
April. !
Deutfcber ©etbanb faufm&nnifeber |
Vereine.
■©in SöergarbeiterauSftanb in Älein»
Toffeln.
Die 3 e bnftunbenbeu»egung in ber
bfterreiebifeben Dejtilinbuftrie.
Der ©lreif ber belgifdjen Äoblenberg*
meefarbeiter.
Die ©ifenbabnerbemegung in ftrem!» I
reich. j
©oit ben englifeben ©emerTbereinen.
«UfretterWtt*.902
Die ©eroerbeauffiebt in $tanf*
reich 1897. S?on ftr. ©d&ottböfer,
SßartS.
Die ©emerbeaujfidjt in Sßerflenburg
1898.
Der 9 Ubt«8abenfd)lufe in ber tReidjS»
tagsfommiffion.
Urbeitertoerftiftetung. ©farfaffen 904
Die Unfalloerficberung in ber
belgifcben ÄoI)Ienbergtoer!S*
inbuftrie. 33on Dr. ©uftao
ÜJiaper, Sörüffel.
fian einer ©erfidjetung gegen Ar»
beitSiofigfcit in ©afel.
©in oberücr 9iatb ber freien ,£>iilf$»
Oereine in ^-raiifrcicb».
9Ufrett9iia4*et*.906
©pejiatifirung ber ArbeitSOeimittelung
in ftabtifdjen ArbeitjSnacbmeifen.
©etllner ©entraloerein für ArbeitS*
nadjtoeiS.
Sage beS beutfeben ArbeitSmarfteS.
fBobnmigftoefeii.907
SBobnungSfürforge inbeutfeben
©täbten.
2BobnungSftatiftif in ßarlSrube unb
aRannbeim.
©rgicbmig «mb «Ub traft.909
©ebufc bet 3ugenbli<ben oor 33er»
tobung im preufeiidjen ^errenbaufe.
Die J^o<bf(buIborträge für ^ebermamt
in Seipiig.
©etocvbegevitbtt. ©inignngOümter.
©ditebSgertdite.909
Abänberung beS beutfeben ©etoerbe»
gericbtSgefefeeS.
©cbicbSgericbte bei SirbeitSftreitigfeiten
in ©djmeben.
Dbligatorifcbe ©inigungSämtet in
fyranfreicb-
SUterariffte %tt$ef§tst.910
■Abbrucf f&mmtlicber Artifel ift ßeitungen unb ßeitfebriften geftattet, iebod) nur
mit ooHer Quellenangabe.
Ber iritte j&oitgnß ber ©etoethfdjaftett
Beutjiijlanbsü
©otn 8. Bis 13. b. 3RtS. mürbe ber britte beutfdje ©eroerFfdjaftS*
iongreft in granFfurt a. 5R abgeBalten. D)ie Vertreter oon ttaBegu
einer falben Million geroerFfcBaftlid) organifirter Sirbeiier roaren b^r
oerfammelt unb befunbeten bei i^ren SSerBanblungen einen (Srnft,
eine 3Räfeigung unb einen mit praftifdjer 0a<Bfunbe unb ($inftd)t
oerbunbetten (Sifer, bafe jeber gfreunb einer frieblidjett ©o^ialrefortn
amb ruhigen (Sntmitfelung barüber erfreut fein Faun.
gleich su ben früheren £ongreffen trat unucrFennbar ein beträcf)t*
lieber gortfefiritt su 2:agc. 9iid)t me^r [tritt man über bie OrganU
fationaformen, Äompetensett 2C. fonbern man richtete ben Slicr auf
praFtif(f)e ®inge, auf ba8 oorlaufig (IrreitBbare, unb oermieb babei
tBunlidjft alles SSerlefeenbe. 3)ian Faun es nur bebauern, ba^
biefetn ^ongrefe, ebenforoenig roie bem FürslicF) in Berlin abgeljaltenen
Sauarbeiterfd^ufeFougrefe, Feine Vertreter ber Regierung beigemoF)nt
Baben. SlUerbiugS mar Feinedinlabung erfolgt, roeil, mie auf bem £?on*
gre& erFlärt mürbe; man fitf) Feiner erneuten 2l6fage auSfefcen
roofite. Slber aud) o^ne ßinlabung müfete es bod) für bie mag*
gebenben Greife oon Sntereffe fein, baS D)enFen, güBlen unb
Streben ber im praFtifdjen fieben fteBenben Arbeiter aus eigener
unmittelbarer Slnfdjauung Fennen su lernen. 3n @nglanb merben
bie Vertreter ber ©emerfoereine, menn fie ihre ^aBreSFongreffe ab*
Balten, oon ben ftäbtifcBen SeBörben begrübt, unb in ber ©cBrneig
pflegen ben Slrbeitertagen Vertreter ber Regierung beisurooBnen
— nicBt sum ©dBaben einer ruBigen (SntroidFelung ber D)inge!
ßS roaren in granFfurt 127 D)eleairte, bie 493 638 Arbeiter
oertraten, erfcBienen. 28ie ber SSorfiBenoe fiegien, ber @eFretär ber
Hamburger ©eneralFommiffton ber ©emerFfcBaften D)eutfcBlanbS,
mittBeilte, Baben bie mit ber ©eneralFomntiffion oerbunbetten sen*
traliftrten ©emerFfcBaftSoerbänbe einen BÖ^ren StanbpunFt erreicht
als je guoor. ©ine Slufroärtsberoegung beS ©emerFfd^aftSlebenS fei
unoerFennbar. $ie ©inBeit fei feft begrünbet unb bie Sonber*
organifatiotten loFalett @B a niFterS fpielten Feine SRoHe. Me ©e*
merFf(Baften oon nenttenSrcertBer SÖebeutung feien ber ©eiteral*
Fommiffion angefd^loffen. Mgeft<BtS ber s»neBmenben Aufgabe
mürbe eine ©rroeiterung ber ©eneralFommiffton für notBroenbig
eracBtet. ©S mürbe ntept nur baS SßkiterbefieBen ber fommiffion
einftitnmig gutgeBeiften, fonbern autB befctjloffen, bie 3*#
alieber ber fommiffion oon 5 auf 7 gu erBöl)cn. S)aS 0rgan ber
fommifffon, baS „forrefponbengblatt", foH gu einer 0rtS*9teoue
erroeitert merben, bie infortnirenbe 5lrtiFel über SlrbeiterfcBufe unb
SlrbeiteroerficBerung, StatiftiFen zc. bringen foH, aber nur in bem
Umfange, ben bie gegenroärtigen finangieHen Mittel geftatten. D)ie
fommiffton foE ferner eine StreiFftatiftiF oeranftalten, bie gur
fontrole ber amtlitBen ©tatiftiF bienen fott. SSorauSfebung ift ba*
bei, ba& bie Drganifationen ftcB ber $>urd)füBrung biefer Aufgabe
anneBmen. 3n einer 9iefoIution mürbe aufeerbent eine beffere 23e*
gaBlung ber Beamten unb SRebaFteure ber ©eroerFfcBaftett unb bie
©infiiBrnng oon Sßenfionett für iBre ütoalib geroorbenen 33eamtett
unb SRebaFteure empfoBlen, mobei eine betnerFenSroertBe
©cBäBung ber geiftigen Arbeit gu 2:age trat.
3m TOttelpunFt ber SSerBattblungen ftanb bie grage beS
foalitionSrecBtS. ©cBon oor SöocBen BaEc es baS „for*
refponbengblatt" für unbebingt erforberlic^ erFlärt, „bajj bie SSer*
treter ber organifirten Arbeiter eine Mtroort ertBeileit auf bie
§>efcereien gegen bie ©eroerFfcBaftett, bie oon Seuteit auSgeBen,
roelcBe offen bie ©efefee übertreten unb ben Arbeitern beit mingigen
SReft SSereinigungSrecBtS rauben motten, um bie SluSbcutuug
ber 3lrbeitSFraft ungeftörter betreiben gu Föttnen". D)aS ^Referat
Bielt Segie'tt. ©r oerroieS auf bie itt ©nglanb, SlmeriFa unb and)
in grattFreicB befteBenbe Koalitionsfreiheit unb fcBilberte bas oer*
Sogialc $rci£t8. Gentralblatt für ©ogialpolitif. Sir. 83.
892
m»i
idjiebenartige Vorgehen bcr beutfcgen Voligei gegen bie Arbeiter*
unb Unternehmerorganifationen. Dann proteftirte er gegen bie
Behauptung, baß bie Gewerffchaften nichts alg Streifoereine feien.
$äufig neigten btejeitigen gabrifanten gum Streif, toelc^e bie Ver*
treter ber Arbeiter, ftatt mit ihnen gu oerhanbeln, aug bem Bureau
htitaugwerfen liefen, Gin oölliger Wbbrucf) beg Vertraueng ber
Arbeiter gu ben SRegterenben roerbe bie Solge fein, metin man bag
Koalitiougred)t noch mehr oerßhlechtere. Dte Arbeiterberoegung fei
ftaatgerbaltenb, bemt fie wolle ben breiten Volfgmaffen bö^ren
Antbeil an ben Grrungenfchaften ber Kultur bringen. 2Rit bem
elenben Arbeiter fönne bie heutige Wirthfchaftgorbtmng nicht be*
fteben, nur mit bem materiell unb geiftig gehobenen Arbeiter. „Wir
Gewerffchaftler ftnb für ruhige Gutwicfelung, mir halten bie £>er*
beifübrung einer befferen Gefeflfrfjaftgorbnung nur für möglich,
meitn ber Arbeiter geiftig gut entroicfelt unb förperlidj gut genährt
ift. Darum freie Bahn für bie Arbeiterbewegung unb ein freieg
Koalitiongred)t. „Dhne weitere Debatte gelangte eine in biefem
Sinne gehaltene unb gegen bie Beftrafung ber Anreigung gurn
Streif mit 3 uc btbaug energisch proteftirenoe SRefolution gur Sin*
nähme.
Der Streit über bie Darifgemeinfdjaft im Bucbbrucfgeroerbe
bat inbireft Beranlaffung gegeben, baß auch ber V ul V* „Tarife
utib Darifgemeinfchaften im gewerffdjaftlichen Kampfe"
auf bic Dagegorbnnng beg Kongreffeg gefefet mürbe. Gg gelangte
folgenbe, bie Darifgemeinfchaften grunbfüblich befürroortenbe
Vcfolution gur Slnnaßme:
„tarifliche Vereinbarungen, welche bie Sohn* unb Arbeiigbebin*
gütigen für eine beftimmte 3rit regeln, ftnb alg Verneig ber Slnerfenmmg
bcr <>Heid)bcred)tigung ber Arbeiter feiteng ber Unternehmer bei geft*
fepung bcr Slrbeitgbeoingungen gu erachten unb in ben Berufen er*
ftrebcngincrth, in wcldjen füinobl eine ftarfe Crganifation ber Unter*
nehnter, wie aud) ber Slrbeitcr norbanben ift, welche eine (Gewähr für
Slufredjterhaltung unb Durdjführung beg Vereinbarten bieten, iauer
unb Umfang ber jeweiligen Vereinbarungen laffett ficb nicht fdjema*
tifiren, fonbem hängen non ben (Eigenarten beg betreffenben Be*
nifeg ab."
Der Befürworter biefer SRefolution, Döblin*Verlin, führte
aug, baß in ber Darifgemeinfchaft bie Anerfennung ber Gleich*
berechtigung ber Arbeiter unb ißreg Viitbeftimmunggrechteg liege,
unb oermieg auf bie günftigen Grfolge, welche ber Vucßbrucfer*
oerbaub mit ber Darifgemein fefjaft gemadjt habe. Die Öeipgiger
oerwahrten fich in ber £Sauptfacf)e nur gegen lange Darifgetnetn*
fchaften, ba biefe bag „Klafferibewußtfein" cinfchläferten, währenb
hoch bie Grgiehung gunt wirthfdjaftlidjen Kampfe bie ^auptfaeße
fei. Die Sinnahme ber ©öblin’fdjen SRefolution mit fehr großer
Mehrheit hat bewiefen, baß immer mehr bie Uebergeuguttg Blafe
gegriffen hat, wie fiabüeSlrbeitgoerhältniffe and) im Sntereffe
ber Slrbeiter felbft liegen. Bereitg haben einige Gewerf fchaften,
befonberg bie ber Bauarbeiter, ihre Bereitwilligfeit erflärt, fefte
Vereinbarungen mit ben Unternehmern gu treffen, anbere finb be*
reitg bem Beispiele ber Buchbrucfer gefolgt unb haben Verein*
Innungen abgefcßloffen. Bei biefer Gelegenheit fei bemerft, baß
bcr graufurter Kongreß ben Üeipgiger Vertreter ber oom Buch*
brueferoerbanb aug Slnlaß beg Darifgemeinfchaftgftreiteg abge*
fplitterteu unb bebeutungglofen neuen Budjbrucfer* Gewerffcßaft
nidjt gugelaffeu unb baburd) mit übergroßer Vfeht'heit ben für bie
(^ewerffd)aftgorganifation prinzipiell wichtigen Grunbfaß aufgefteUt
hat, baß neue örganifationen in einer unb berfelben Branche nicht
anguerfeuneu finb.
Der Vmtft „Die Gewerbe*3nfpeftion* führte gu einer
Befpredjung unb Befdjlußfaffung barüber, welchen Slntheil bie Ge*
werffchaften an ber Slugführung ber 3nfpcftion nehmen fönnen.
Gg würben oerfdjiebene ^Referate erstattet, eineg über bie Gewerbe*
vsnfpeftion im Allgemeinen unb bann folcße über bie Kontrole ber
Bauten, bic Bergiufpeftion, bie £mfeninfpeftion, bie Scßiffg*
infpeftiou unb bie Gewerbeaufficht im Kleinfjanbrnerf unb in ber
£>auginbuftrie. Sn ber Debatte würbe fonftatirt, baß in Bauern
bic Sluffid)tgbeamten augemiefeti feien, mit ben Arbeitern in Ver*
bitibung gu treten, unb baß Württemberg bie ooHfommenfte Qform
beg Verfehrg habe; bort oereinigten fid) bie Vertrauengleute ber
Gewerffdjüften mit ben Gewerbeinfpeftoren alljährlich auf einer
Monfereug. Diefeg Vlufter würbe auch oom Kongreß empfohlen
unb im llebrigen bic Bübung oon Befchwerbefotnmiffioncn nach
fdhweigerifd)em Vlufter befürwortet, bie unter §)ingugiehung weib*
lieber Vertraueugperfonen unb im Slnfchluß an bie Gemerffcbaftg*
rartclle mit ben Sluffichtgbeamten regen Verfeljr unterhalten follen.
Die Slrbeiterorganifationen follen außerbem ihre Vublifationen
i3al)regbericht, 8tatiftifen :c.) regelmäßig an bie Gewerbeinfpeftoren
fenbeu. Slußerbem würbe eine Reform ber Gewerbeinfpeftion felbft
geforbert: Slugbebnung ber Slufficßt auf §anbwerf fowie Älein^
unb 5>auginbuftrie, ^anbel, Srangport unb Verfehr, Gentralifirung
in eine SReidjginfpeftion, Vermehrung ber Beamten burdh Geholfen
unb Gebülfiniten aug Slrbeiter* unb Slngefteütenfreifeu, fowie Slug^
ftattung ber Beamten mit Voflguggredjt unb ooller Unabhängigfeit.
Geforbert würben auch £>afeninfpeftoren oon SReichgwegen, be=*
fonbere Bauinfpeftoren, ^erangiehung ber Bergleute gur Gruben*
infpeftion, Beaufftd)tigung beg 0chiffgbaueg unb ber 0dßiffe
überhaupt.
Slrbeiterfefretariate fanben eine einmüthige günftige
Beurteilung. (Eg würbe ihnen bie oolle 0pmpathie beg Äon*
greffeg auggefprochen, aber gugleid) oor lleberftürgnng bei ber
Grünbung neuer gewarnt. 0ie füllen erft bann errichtet werben,
wenn bie finanziellen Grunblagen für biefe immerhin foftfpieligen
Drganifatiouen gefiebert finb. £ie 3efretariate follen engfte Füh¬
lung mit ben Gewerffd)aftgorganifationen unterhalten unb barauf
in ben Slrbeitgplänen 3^ücffict)t nehmen. 3für Valvationen foll
ihnen bag „Gorrefponbengblatt ber Generalfommiffionen" gur Ver*
fügung ftehen. £>ag Verlangen, bie 8efretariate möchten nur
orgamfirten Slrbeitern SRath ertheilen, würbe für unmöglich erflärt,
eg fei auch ferner, gwifchen Slrbeitern unb Kleinbürgern eine
Grenge gu gieljen. Sllg wünfehengwerth würbe bie ^erauggabc
eineg befonberen Drgaug für bie 3efretariate bezeichnet.
Bezüglich ber fommunalen, begw. paritätifchen Slrbeitg*
itachweifc gingen bie Meinungen Slufangg fehr augeinanber, bod>
würbe ber Bcfdjluß beg oor brei Sahren in Berlin abgehaltenen
Kongreffeg, ber biefe Slrbeitgnad)weife grunbfäßlich ablehnte, all*
feitig alg burch bie (Entwicfelung überholt unb thatfädjlich oiel*
fach burd)brod)en begeichnet. 0ie Slntheilnahme ber Gemerffchaften
in 0übbeutfchlanb an ben ftäbtifchen Slrbeitgnachweifen, bag Gin*
treten größerer Gewerffchaftgfreife in Berlin für paritätifche
Slrbeitgnad)weife unb ber Vorftoß ber Unternehmer, bie Slrbeitg*
oermittelung gu einem Vlonopol für fich auggugeftalten, haben bie
0ituation wejentlich oeränbert. 8elbft bie Gegner ber paritätifchen
Slrbeitgnatweife gaben biegmal ben Berliner Kongreßbefdjlufi
preig. 0ie fanben gwar bie „3chwärmerei" ber,8übbeutfd)en, be*
fonberg ber Bapern unb Schwaben, für bie fommunalen Slrbeitg*
nachweife nicht gerechtfertigt, erflärten eg aber nach ßage bcr Xitige
für unmöglich, Die frühere fchroff ablehnenbe £>altnng bcigubehalten.
3)ie Storbbeutfdjen finb oieljach noch ber SMnung, baß ber
Slrbeitgnachweig fich in ben .gmnben ber Slrbeiterorganifationen be*
finöen müffc, oerwerfen bemgemäß auch &i e 3Ronopolifirung ber
Slrbeitgoermittelung burch bie Unternehmer, wollen aber fich bod>
möglidjften Ginfluß auf bie paritätifchen begw. fommunalen Sir*
beitgnachmeife fichern. ^)ag reaftionäre Gemeinbewefen Vrcußeng*
paffe nicht für paritätifche Slrbeitgnachweife. Umgefehrt trat
ber .<pauptrefereiit &eipart * Stuttgart mit großer Wärme unb
Sachfenntniß für bie ftäbtifchen Slrbeitgnachweife ein. SRad) fehr
langen Verhanblungen gelangte eine auf einem Kompromiß be-
ruhenbe SHefolution o. Glmg mit allen gegen 5 Stimmen gur Sin*
nähme, bie gwar an bem Grunbfaße fefthält, baß ber Slrbeitgnach»
weig ben Slrbeiterorganifationen gebühre, aber anerfennt, „baß eg
unter ben gegenwärtig beftehenben Verßältniffen an manchen Drteu
für eine SReihe oon Berufen oon Vortheil fein fann, fi^ an fom*
munalen Slrbeitgnachweifen gu betheiligen." $)iefe finb jeboch nad>
folgenben Grunbfäßen auggugeftalten:
a) Verwaltung burd) eine, aug in gleicher 3 a hl oon ben Slrbeit*
gebern unb Arbeitnehmern je in freier B$al)l gewählten bireften Ver*
tretern gufamntengefcßte Sfonunifrion, unter Leitung eineg unparteilichen
Vorfißenben;
b) Rührung ber C^efchäfte burdj aiw ben Sleihcn ber Arbeiter
heroorgegangenc Beamte; Wahl berfelben burch bic Verwaltung^
Kommiffiou;
c) Slblebmtng ber Vermittelung oon Arbeitgfräften au foldje Arbeit*
geber unb £ienftberren, weldje uotorifdj ihre VfUdjtcn Slrbettgebcr
nicht erfüllen, fowie .an foldje Slrbeitgebcr, weldje bei augbrechenbcu
Differenzen mit ihren Slrbeitern in feine Verhanblungen gur Bciiegimc\
mit ber guftätibigen Slrbeiterorganifation eintreten wollen;
d) genaue ^eftftclluugeu über bic £ohnbcbingungen mtb Ver*
öffentlidpmg mit ben übrigen Grgebniifen bcr Arbcitgnad)weig=2tatijtif;
e) oertragmäßige Vcrpflidjtung bcr Arbeitgeber, bic oor bent Slrbeitg*
amt angegebenen Slrbcitv** unb ^ohnbcbingmigcn nad) erfolgter Gin^
ftefluug auch 3 » erfüllen, um ben Slrbeitcr ober ^ienftboten oor iäufdpmg
ober Venad)theiligung git fdjüpeu;
f) ooUftänbige (^ebühreufreiheit unb Ucbernahute ber gcfamnttcu
Koften auf bic Gemciube* ober Staatgfaffe.
Wo fontmunalc Slrbcitgämter errichtet werben, foll bte orga*
niftrte Arbeiterfchaft für bte Durchführung oorftehenber gorberungen
eintreten, ohne baß bie eingelne Gewerffchaft oerpflichtet werben
fann, ben etwa beftehenben, gut funftionirenben Öa<harbeitgnad)=--
893
Sogiale B*ajt$. ©eniralblatt für Sogialpolittf. Dr. 38.
894
roeis ohne befonberen ©runb aufguheben. derartige gadjarbeitS*
nad)meife finb jebod) möglichft mit bem ftäbtifcfjcn Arbeitsamt in
Berbinbung gu bringen, um eine ooDftänbige ArbeitSnad)roeiS*
ftatiftif gu ermöglichen. Baritätifche ArbeitSnachmeife finb ni<ht
ju uerroerfen, menn es baburd) ben Arbeitern gelingt, gugleid)
ifyxt ßohn» unb ArbeitSoerhältniffe günftiger unb ftabtler gu ge*
ftalten.
©em Äongrefe roo^nten auch Vertreter ber bämfdjen, öfter*
reid)ifcben unb f<hmeigerifd)en ©eroerff(haften bei. ©er bänifdje
Vertreter S^nfen gab eine 0d)ilberuiig ber glängenben Sage ber
bänifdjen ©eroerffchaften. Dur ein uerfcbmtnbenber ©heil ber
Arbeiter fei nidjt organifirt. Unter bem tarnen ©entralifirte ®e*
roerffcbaften ©änemarfS fei eine Drganifation ber ©eroerffchaften
in gang ©änemarf errichtet morben, bie 75 000 bis 80 000 BHt*
alieber aufmeife. ©er Vertreter ber fchmeigerifchen ©eroerffdjafien,
Arbeiterfefrctär ©reulid), fanb Gelegenheit, bei einem gu ©hren bcS
ÄongreffeS non ben granffurter (fernerffcbaften oeranftalteten
Kommers bie geftrebe gu halten, in ber er auch gegen bie Dach*
läffigfeit unb Sicherlich feit mancher Arbeiterfreife gu gelbe gog.
©er Vertreter ber öfterrei<hif<hen ©eroerffchaften, £>ueber*38ien, legte
bem Äongrefe bie Untcrftiifeung ber roegen bes 3 e h”fiwnbeutagS
ftreifenben 12 000 Brunner ©ejtilarbeiter ans £>erg unb batte autb
©rfolg, benn ber Äongrefe beroiüigte gum BemeiS ber internationalen
6olibarität für bie 0treifenben 25 000 t //. (5 4 für bas Btitglieb
ber auf bem Äongrefe oertretenen ©emerffchaften), roelcbe 0umme
bereits an baS Brunner 0treiffomite gur Befchaffuug uon SebenS*
mittein übermittelt morben ift. Bttt bem Äongrefe mar auch eine
AuSftellung oon BerroaltungSmaterial ber ©eroerffchaften (Ab*
rechnungSformulare, £egitimattonSpapiere, Staffen* unb (Statuten*
büdjer, gragebogen, fiohntarife, ^rotofolle, fd)ioarge fiiften ber
Unternehmer :c.) oerbunbett, bie fchliefelid) bem granffurter Arbeiter*
fefretariat übermiefen mürbe.
3n ber 0d)luferebe bab ber Borfifeenbe Bömelburg h^roor, bie
beutfdjen ©eroerffchaften feien groar unpolitifcb, aber ihre Btitglieber
feien faft ausnahmslos Sogialbeniofraten. 3n einem früheren
0tabium ber Berhanblungen batte Regien fdjon bemerft, bafe bie
©eroerffchaften als folcbe nid)t fogialbemofratifd) feien, ba fie
alle Arbeiter aufnäbmen, ohne Unterf<bicb beS ©laubens unb ber
Sßolitif. 3n granffurt haben fid) bie ©eroerffchaften aflerbingS
nur als ArbeiterberufSoereine gegeben. Alle S3efrf>Iüffe bezogen ficb
auf bie Mittel gur roirtbfcbaftlitben unb geifiigen Hebung beS
ArbeiterftanbeS. ©ie Berhanblungen finb ftenographifd) aufge*
nommen morben; ihr griittblicbeS Stubium fann gar nicht bringenb
genug all benen empfohlen merben, bie fi<b über bie 0trömungen
in ber ©tite ber beutfeben Arbeiterfchaft unterrichten roollen. ©er
granffurter Äongrefe unb bie lebten fogialpolitifdben ©ebatten beS
Reichstages ergänzen fid): 3n beiben ftanb im Biittelpunft ber ©r* !
örterungen bie ©leichberedjtigung ber Arbeiter! I
JUlgettteltte Sozial- unb ttlrtJjfdjaftejJoltUh.
Betfjeiltguttg ©ttttfrfjlattbs an ber internationalen Bereinigung
gut görbemng beS ArbeiterfdjubeS. ©S liegt uns eine grofee An*
gabl 3 u f^ r 'ften oon Herren oor, bie gu ber Arbeiterfd)ufefonfereng
am 3. ÜLRai in Berlin eingelaben, aber am ©rfdjeinen uerbinbert
roaren. Btit bem ^lane felbft befunben biefe3ufd)riftcn burchroeg
oolleS ©inoerftänbnife. Äarbinal Äopp* Breslau fdjreibt: „3<h
halte bie prioate internationale Bereinigung für ben Arbeiterfchufe
für baS gur 3 c ü eingig mögliche Biittel, um rücfläufigcn Be*
ftrebungen entgegengumirfen unb bie fogiale ©efefegebuna auf
einem ruhigen, aber fortfefereitenben ©anae gu erhalten. 3<$ trete
ber Bereinigung bajjer mit greuben bei." Oberbüraermeifter
Dr. ©afeuer*Bcaing erflärt fein oolleS ©inoerftänbnife. Beigeorb*
neter grljr. o. b. ©olfe*6trafeburg bringt ben Begebungen baS
lebbaftefte 3«tereffe entgegen. 0tabtratb Dr. glef<h*granffurt
a. Bi. hält bie ©rridjtung ber Bereinigung für febr etftrebenS*
mertb. Dberbürgermeifter 2Bagner*Ulm bebauert lebhaft, megen
beruflicher Berbinberung nicht ber Äonfereng beimobnen gu fönnen.
Äommergienratb 0d^mibmer*9iürnberg, ©ebeimratb o. Biaffom*
fßotsbam erflären ihre Betbeiligung, ebenfo treten bei bie ^ßro*
fefforen 0 er in g* Berlin, Brentano, ßofe unb o. Biapr*3)iünd)en,
§Ratbgen*3Karburg, guchS unb o. 0d)ulge*©äoernife*grei*
bürg i. B., Biaj* s feeber*|)eibelberg, 9ieumann«Tübingen, ©e*
beimratb (Sobnu^eipgig, in beffen Brief es b^ifet: «©er 0ad)e
bringe ich natürlich bie gröfete 0pmpathie entgegen!" — ©ie
fogialbemofratifcbe graftion bat am 10. b. Bits, nochmals bie
grage, ob eingelne ihrer Biitglieber, an bie ©inlabungen ergingen,
[ich an ber Bereinigung beteiligen follten, beratben, ift aber auf
ihrem ablebnenbcn Befdjlufe befteben geblieben. 0b bie Herren mit
ihrem Berbalten ben 3«tereffen ber 3nbuftrie*Arbeiter, für beren
0<bub bie internationale Bereinigung eintreten roiH, mirflich
bienen, überlaffen mir bem Urteile ber öffentlichen Bieiuung.
©er <$dangctifd)'6ogtale Äongrefe tagt oom 24.-26. Biai in
Äiel. ©aS erfte Referat bat fßröfeffor Dr. Äaftan*Berlin über*
nommen; er fteflt gu feinem Sbema ,,©aS Berbältuife ber Iutbe*
rifchen Äird)e gur fogialen grage" folgenbe ©beffn auf:
1. ©te lutf)crifrf)e Äircfec mcift ben unmittelbar firdjlidjen Organen
feine birefte flVitmirfnng im fogialen nnb mirtbfdiaftlichen Öcbcn gu,
meil fie anbere (meltliche) Organe be§ (hriftlirfjen BolfsförperS als bie
oon ©ott hierfür berufenen anfiehi unb bereu ©tenfi an unb für fi^
als ©otteSbienft unb Üebensfunftion ber Sfirdjc oerftanben miffen miü.
2. ©iefe Stellung ber lutherifdjen Stirche gu ben fogialen fragen
unb Aufgaben ift mit innerer 9?otljiocubigfeit aus ber Deformation
SutherS heroorgegangen unb mufe als ein pringipieller gortfd^ritt
in ber firdjlidjcn ScbcnSorbnung ber proteftantifdjeu Bölfer eradjtet
merben.
3. ©ie Iutherifdje SHrdje foü unbeirrt an ihrer mistigen ©rfenntuife
fefthalten, foD aber nidjt oerfennen, bafe bie fogiale Bewegung ber
©egemoart mit bem ©runbgebanfen beS ©oangeüumS unb ber Defor*
mation Luthers inuerlid) gujamntenhängt, unb fie baljer bie ^flidjt hat,
in Sßrebigt unb Bolfscrgiehung eine nad) biefen djriftlicben ©ebanfen
bemeffeue Sogialreforui gu befürworten unb gu förbem.
gabrifbefifeer Heinrich greefe*Berlin fprid)t über baS fon*
ftitutionelle Spftem im gabrifbetriebe; er wirb ber Berfammlung
feine Seitfäfee oorlegen. ©aS britte Beferat liber „©anblungen beS
BilbungSibealS in ihrem 3«faiamenbange mit ber fogialen ©nt*
micfelung" bat ^rofeffor l)r. $aulfen«Berlin übernommen; er
gelangt gu folgenben ©b e f en:
1. ©aS herrfdjenbe ©rgiehungSibeal einer 3?it ift abhängig oon ber
Äonftitution ber ©cfellfchaft. Beränberungen im ©rgiefjungsibeal finb
golgeerfdjcinungen oon feaublungen im ©efellfchaftsieben.
2. ©aS ©rgiehungsibeal feber 3 cl t fpiegelt baS Bilb meufdj*
lieber Bollfommenheit, bas in ben führenben ©efellfdjaftsfcbidjtcn
berrf^enb ift.
8. ©ie Bilbung ber führenben ©efelifd)aftsfd)id)ten hat ftets bie
©enbeng, gu ben unteren Sdjid)teil burd)gubringcu burd) bemufete ©hätig=
feit unb uubcwufete Dadjahmung.
4. 3Ber in ber (Sutwicfelung aller Bolfsgenoffen gu freier fittlicher
^erfönlidjfeit bas Bilbungsibeal unfereS BolteS fiefjt, b. h mer nidjt
bie 0flaoerci für bie im ©ruube ftets nothwenbige ©efellfdjaftSorbnung
hält, ber fann jener natürlichen ©enbeng (ber ©urdjbringung bcS gangen
BolfeS mit ber gei[tig*fittlid)en Bilbung feiner führenben 6d)id)tcn)
nicht wehren wollen.
5. 38er bie 9J?acht unb Selbftburchfefeung beS beutfehen BolfeS
unter ben Bölfern ber ©rbe will, ber mufe bie Hebung ber geiftigeu
unb ftttlid)en Strafte aüer ©lieber beS BolfeS fid) gum giele fepen.
6. ©ie fogiale <vrage ift, oom ©efidjtspunft ber Selbfterhaltung ber
Station gefchen, gleidjbebeutenb mit ber Brage: wie ift unter ben mehr
unb mehr fid) oeränberuben Sebensbebinguügen bes BolfeS ber gamilie
bie gähigfeit gur ©rgichuug eines tüchtigen DachwudjfeS gu erhalten,
unb wie ift ber uuoermeiblidie Ausfall bnreh gefteigertc ©hätigfeit beS
Staates unb ber ©efelifdjaft gu erfepen?
Aufeer ben Blenaroerhanblungen werben nodh gmet 0pegial*
fonferengen ftattfinben: 1. ©ie bisherigen ©rgebniffe beS grauen*
ftubiumS in ©eutfdjlanb unb feine oorausfithtlidje ©ntmicfelung;
Deferent gräulein Dr. Ääthe 3öinbfcheib*ßeipgig, 2. Borfchläge
gur Deubelebung ber ©oangelifd)*fogialen Äonfereng in 0chleswig*
$olftcin; Deferent ^aftor 3. Äähler*0teliau.
©in lÜort gur Bertbetbigung. Obwohl mir bie oon Brof.
0ombart*BreSlau angeregte ©rörterung gefdjloffen haben, fönnen
mir nicht umhin, noch folgenber 3uf<hrift Baum gu geben, ba fie
einer rein perfönlidjen Abroefer gilt:
©er f)err Äollege 0ombart mibmet in bem Auffafe „©yport
unb Äultur" in Dr. 31 ber „0ogialen oom 4. b. BttS.
meinem Auffafe in Dr. 89 ber Beilaae gur „Allgemeinen 3eüang"
oom 19. April b. 3^- //2)ie beutfehe ^anbmirthfehaft unb bie
BerufSftatiftif oon 1895" eine eingeljenbe gufenote. 3« einer De*
baftionSbemerfung gu bem Auffafee oon 0ombart erflären 0ie
bie ©rörterung über baS fragliche ©h ema für gefdjloffen. 3d) habe
hiergegen nichts einguroenben, ba 0oinbart bei ben in her genannten
Dote gegen mich gerichteten Angriffen auf eine ©ingelmi’berlcgung
meiner „gahllofeu 3orthümer" nicht eingeht, fold)e oielmehr oief*
leicht fpäter einmal bei befferer ©elegeuljeit gu bringen in Ansicht
[teilt. Äann id) hi ern ad) aus äufeeren unb inneren (^riinbcii hier¬
in eine ©rörterung mit Sombart nid>t eintreten, fo habe id) bod)
baS Decht unb bie Bflid)t, in aller Äiirgc bie geehrten i'efer ber
„0ogialen B^afiS" auf eine raefeutlidje Auslafiung hia^imeifen,
895
Sogtale $rojt§. ©entralblatt für Sogialpolitif. Rr. 88.
896
roelcße meinem geehrten ©egner gur Saft fällt. Bäßrenb er meine
„Scßroargtnalerei, bie an büfterer Stimmung faft nocß bie Manien
OlbenbergS übertrifft/' bem Sefer oorfüßrt, ermähnt er mit feinem
Bort, baß jene« eytreme Bilb beS BerfattS auSbrücflic^ nur für
bie Stonjunftur entroorfen ift, „baß alle lanbroirt^fdjaftlidhen Ißro*
bufte billiger oom AuSlanb bezogen roerben fönnten." Sür biefeit
Satt fann in ber &ßat ber 3uftanb, ben bie „reinen Beltroirtß*
fcßaftler" herbeiführen mürben," nicht büfter genug gefcßilbert
roerben. S)aß ich aber nicht nur liefen ejtremen Satt, fonbern
auch ben ©intritt nur partieller ©rfeßeinungen ber in Srage faßen*
ben Art Berührt unb bemgemäß — um SombartS AttSbrucf an*
guroenben — meine „Scßroargtnalerei" abgefchroächt habe, fagt
Sombart 3ß*en öefern auch nicht. 3<ß halte mich nicht für be*
rechtiqt, in biefer referirenben Uebertreibung Sombarts einen „Stich
ins $omifcße" gu finben; bagu ift hoch überhaupt bie gange Srage
gu ernfter Ratur. Sombart möge mir es aber nicht oerübein,
menn feine AngriffSroeife mich auf naeßfteßenbe ©ebanfenfolge
bringt. Man fagt geroößnliiß: Bkr feßimpft, hat Unrecht; ich
möchte biefen Spruch bahin erroeitern, baß berjenige, melier fieß
nur bamit befcßäftigt gu oerßöhnen, ohne gu miberlegen, fuß auch
ins Unrecht oerfeßt — jebenfaflS fo lange, bis er bie oerfprochenen
Biberlegungen bringt. $)aS mirb ja §err Sombart nach feiner
Mitteilung oietteicht thun — auf Bieberfeßen alfo bei ^h^PPi’-
Müncßen. ©eorg o. Mapr.
$te ArbeitSgcitung brS öftcrrcicßiffßen Arbeitsamtes. 2>aS
arbeitsftatiftifche Amt im öfterreießifeßen ^anbelSminifterium hat
bie inbuftrietten Berbänbe oerfiänbigt, baß eS beabfießtigt, eine
Monatsfdjrift, betitelt „Sogiale Rmtbfcßau", in äßnlidjer Beife,
mie bieS feitenS ber in anberen Staaten (©nglanb, Sranfreicß,
Belgien) befteßenben Arbeitsämter gefchieht, in Salbe ßerauSgugeben
unb (faxan bie ©inlabung gur Mitarbeiterfchaft befonberS bureß
regelmäßige Bericßterftattung über bie ßage beS ArbeitSmarfteS
gefnüpft. $)em oon biefem Amte feftgeftettten Programme gemäß
fott bie „Sogiale Runbfcßau" SoIgenbeS enthalten:
1. Berichte über ben Arbeitemarft. ^iefelben roerben für ben
jeweiligen Vormonat eine $arfteßung ber Sdjroanfungeit unb
Beränberungeu in ber Befcßäftignng ber ArbeitSfräfte bieten,
unb gmar:
a) nadj Jnbuftriebe^irfen;
b) nach ©eroerbebraneßen;
c) eoeutuell nach einem gemilchten Spftcmc.
2. ©rgcbnijfe ber ArbcitSoermittelung;
3. Monatsberichte über Reränbenmgen in ber Lohnhöhe unb
Arbeitzeit;
4. Monatsberichte über Streifs unb Ausfperrungen;
5. Rechtspflege in Arbeitsftreüigfeiten unb uermanbten fragen;
6. Sogialpolitif. 3 U biefem Abfdinittc merben Mittheilungen
erfolgen über bas Affogiationsroefen ber Unternehmer unb
Arbeiter, insbefonbere auß über bie (Intmidelung ber ©rrocrbS*
unb trth|rf)aftsgcnoffen i d)aften, fogialpolitifdje Refdjli’iffe oon
Unternehmern unb Arbetteroereinigungen unb Mongreffeu,
Bohlfabrtgriiirtdjtungcu, bie (irgebniffe unb ^ortfdiritte ber
Arbciterocrfid)crung unb berglcidjen mehr;
7. fogiale ©ejeßgebung unb Berroaltung;
8. Arbcitsftatiftifdjcs Amt.
3n einem fpegietten Abfchnitt fotten bie oben begeichneten Ser«
hältniffe ber übrigen Staaten in fnappfter Sfiirge befproeßen roerben.
$er leßte Abfchnitt mirb ber fogialroiffenfcßaftlicßen Bibliographie
geroibmet fein. 3)er BerfaufSpreiS einer Rümmer fott 10 Sfreuger,
ber 3aß*eSabonnementSpreiS i ©ulben nießt überfteigen.
So^alßotttifdje Debatten in ber fraitgöfifcßets $eputirfenfammer.
Mit Beginn ihrer Sommertagung trat bie SDeputirtenfammer fofort
in bie Beratung fogialpolitifcßer ©egenftäube ein. Auf ber £aaeS*
orbnuug ftanb gunächft ein Antrag ©autßier auf meitere Ber*
feßiebung ber Ausführung ber geroerblicßen Unfalloerficße*
rung auf 1. 3anuar 1900, um einerfeitS bie Reoifion einiger
mangelhafter Beftimmungen beS ©efeßeS oorneßmen gu fönnen
unb anbererfeits ben Unternehmern 3*it gu laffen, bie genoffen*
fcßaftlicßen Organifationen gu bilben. 3 U reoibiren finb nament*
ließ bie im Artifel 3 beS ©efeßeS firirten Rentenanfpriicße ber Ber*
unglüeften ober bereit ©rben. Sm 2:obeSfalIe ermäßigen fid) bie
bem Unternehmer aufcrlegten (Sntfchäbigungen feßr bebeutenb, memt
nur auffteigenbe ©rben oorßanben finb, mobureß bie Arbeitgeber
bireft oeranlaßt merben, möglichst nur Unoerßeirathete gu bcfdjäf*
tigert. Ungefähr biefelben Bortßeile erroaeßfen betn Unternehmer
aus ber Befcßäftigung frember Arbeiter. 2)ie prioaten Berficße*
rungSgefellfcßaften hatten aüerbingS fd)on erflärt, baß fie gur
gleichen B^Ömie auch baS Rififo für bie oerßeiratßeten Arbeiter
übernehmen, liefern Mangel beS ©efeßeS hatte aueß ein feßon
friißer oott Mirman eingebraeßtes Antenbement abßelfen motten.
®ie Debatten führten nur gur Bermeifung beS Antrages in bie
$ommiffion. 3ünnterhin mies ber §anbelSminifter jebe Bertagung
beS AuSführititgStermineS gurücf unb oerfpraeß eine Reorganifation
ber ftaatlidjcn freien Unfattrentettfaffe, um fie in breiterem Majje
für bie Berficßerung ber flehten Betriebe oerroertßbar gu maeßen.
— ®ie ©eneralbebatte über bie Borlage gur Regelung ber
ArbeitSbebinaungen in ben öffentlichen Arbeiten ift noeß
nicht beenbet. Sie entfpann fid) ßauptfäcßlith greifeßen Sogialiften
unb ben Bertretern beS ftarren ßiberaliSmuS, bie jebe ©inmifeßung
in bie ArbeitSfontrafte ber Unternehmer abtebnen. ®en Stanb*
punft ber Unternehmer oertrat mit befonberer Scßärfe ber $)eputirte
oon ^5ariS, StaniSlaS*S«ranb, Herausgeber eines forperatipen
Organes ber ^arifer Bauunternehmer. $)ie Debatte feßt fieß
nädjfte Sßocße fort.
$03tale 3 n(tänbr.
$ie Banbreirferei in nnb nm Sdjtoelm-
II.
2)ie Girier erhalten Stücflößne; biefe roecßfeln je naeß Artifeln
in ber Seife, baß bie £ößne um fo ßößer finb, je größer bie 3*it
ift, bie in Solge ber S^ftigfeit unb Scßroierigfeit beS ©emebeS gu
feiner .^crftellung erforberlitß ift. Bielfacß finb eS bie fleinen
Banbroirfermeifter, bie auf ©runb ißrer ©efcßiif ließ feit bie fom*
pligirteren Arbeiten übernehmen. Mit Mobearbeiten, namentlich
mit ber Ramenmeberei, oerbienen eingelne Banbroirfer in ber Saifon
bis gu 60 JL möchentlicß. 2)aS finb aber, menigftenS in unb um
Scßmelm, nur Ausnahmen.
3m Allgemeinen beroegt fteß ber Berbienft ber ßoßnarbeiter
bei elfftünbiger ArbeitSgeit gmifeßett 22 bis 30 Jt. 2)er Refto*
oerbienft ber HauSgeroerbetreibenben ftettt fieß bei gleicher ArbeitS*
geit etroaS niebriger. Bon einem S)urd)f<ßnitts* s BodhenDerbien5t
bis gu 25 , ff. geßen hier noeß 3 bis 3,so c 41-* bie Bocßc für
Raum unb Straft ab.
©troaS fcßlecßter als bie Birfer ftehen fieß bie Scßeerer mit
einem ^)urcßfcßnittS*Bothenoerbienft oon 20 bis 21 Marf bei elf¬
ftünbiger ArbeitSgeit. £)aS Scßeeren ift auSfcßließlicß Männer*
arbeit. 5)ie Sabrifattteit laffen eS bureßroeg im eigenen Betriebe
beforgen. ^)ie HauSgemerbetreibenben feßeeren entroeber felbft ober
befcßäftigen ißrerfeits Sßeerer.
3um Spulen, H fl fpcln unb fonftigen ergängenben Sßätigfeiten
roerben Srauen unb Stinber oerroanbt. 3n Sabrifen roerben Sinber
faft gar nießt befßäftigt. Soroeit baS Spulen im Betriebe erfolgt,
gefeßießt eS burch Arbeiterinnen oon 16 3aßren att. ®ie in ber
Sabrif befcßäftigten Spulerinnen erßalten tßeils Bocßen*, tßeils
Afforblößne, im Bocßenloßn oerbienen fie oon 10 bis 12 c /ft, im
Afforb unter Umftänben bis gu 15 Jl. 2)er ^urcßfcßnittSoerbienft
ift 10 JL 2)ie Hafplerinnen oerbienen im Bocßenloßn 8 bis 9 <1L t
im Afforb bis gu 10 JL. Obgleich ben Männern nad) AuSfagen
ber Sabrifanten gu biefen Arbeiten bie ßanblicße ©efdjicfli^feit
feßlt, fo baß bie Srauen ßiergu nießt lebiglicß auf ©runb ißrer
Bittigfeit genommen roerben, ift ein Steigen ber £ößne oorerft
burtß bie große 3 a ßl ber im Rebenerroerb arbeitenben Spulerinnen
auSgefcßloffen. 2)ie £ößne ber H^itaarbeiterinnen roerbett itt 3*>lge
beS ftarfen Angebots fogar noeß fortroäßrenb weiter ßerabgebrücft,
troßbetn fie, rote ber Sfaffenfüßrer einer alten, oorroiegenb ßauS*
inbuftriell probugirenben Sirma bemerfte, bereits fo fnapp finb,
baß „faft nichts meßr abgugießen ift". ©s ßanbelt fieß hier um
Bocßenoerbienfte oon 3 bis 10 JL für Spulen, oon 2,: l0 bis 4,' 0 JL
für Hafpeln. 2)aS finb natürlich Arbeiten, bie naeß Berricßtung
ber bäuSli<ßen aber länblicßen ©efdjäfte oft bis tief in bie Racßt
hinein oott Srauen unb Stinbern gefeßehen. ©ie Hafolerintten in
ben Heimen fittb meift alte Srauen. 2>ie jüngeren Arbeitsfräfte
roenbett fuß bem etroaS einträglicheren Spulen gu. 2)abur<ß finb
bic Sabrifanten, obrooßl fie es oorgießett, bie Hafpdarbeiten ans*
gugeben, meßr unb nteßr genötßigt, fieß eigene Hafplerinnen im
Betriebe ßerangugießen. Aber aueß baS Spulen geßt guneßmenb
in bie Sabrif unb Mietßsfabrif über, rocil es bort mit Berroenbung
mecßanifd;er ilraft gefeßehen fantt. Snnnerhin haben roir eS ßier
noeß mit einer ftarfen uttb feßr bebenflicße ©rfeßeinungen geitigenben
Sorm ber Heimarbeit gu thun.
SDic burdjfcßnittlidje ArbeitSgeit in ben Sabrifen ift bie beS
§.137 beS Titels VII ber ©eroerbeorbnung. llebergeit fommt
feiten oor, boeß erßalten bie Hafplerinnen naeß Scßluß ber Sabrif
Arbeit mit naeß Haufe. 3n ben MietßSfabrifen roirb im Sommer
897
© 05 tole ^raftS. ©entralblött für ©ojialpoiitif. 92r. 33.
898
ooti 6 bis 8, im SSinier oon 7 Bis 9, in her Siegel mit anberthalb*
ftüitbiger $aufe, ©onnabenbs Bis 7 Ufjr gearbeitet.
UeBer eine Slorrn BinfitBtlid) ber 33eauffi<htigung fonnte idf)
nichts in ©rfahrung Bringen. gn aßen großen ShethSfabrifen
Bangen bie Sorfchriften ber ©emerbeorbnmtg auS; in ben Heineren
fehlen fie. ©ofern bie ©efeBgebung SJtietBsbetriebe überhaupt ein*»
Begreift, müßten inbeß auch biefe Heineren 511 ©ewerbssmeefen her*
geliehenen Släumlichfeiten mit 5, 6 unb meBr Sanbftühlen, felbft
wenn fie nid&t als gabrifen gelten, bo<h als SBerfftätten mit
Dampfbetrieb ben §§. 135 bis 139 b in ber gaffuncj ber ©emerbe*
Drbnung oor 1891 unterfteBen, bie menigftenS bie jugenblicBen
Arbeiter fcf)üBt. Die SSißfür ber gefeBlidjen ©inbesiehung erflärt
ficB sum DBeil barauS, baß biefe fleinen SäethSbampfbetriebe in
abgelegenen ©egenben roie Sßil^e aus ber ©rbe fc^ieften unb be*
fonberS oben auf ben Sergen bie SanbftüBle ber ringsum oer*
ftreuten §utten allmählich auffaugen.
SöaBrenb nach AuSfage ber gabrifanten in ben gabrifen bie
OrtSpoligei feBr fcharf aufpaßt, fümmert fie fid) aucB in benjenigen
SlietBSfabrifen, bie gefeßlich einbegogen finb, Bo<hftenS um bie ©in**
friebuna einseiner SJlafchinentBeile. Der SermietBer roirb jroar
nominell mit bafur oerantmortlid) gemacBt, ftrafpflid)tig ift aber
im UnterlaffungSfaße nur ber Sefißer. Son einer burcBgreifenben
Seaufficf)tigung fann ittbeß in feiner Skife bie Siebe fein; feBr
häufig feBlt es an ben elementarften ©chußoorrichtungen.
SiocB weit weniger als bie UnfaßoerBiitungS * SSorfdjriften
merben bie grauen* unb $inberfdf)ußgefeße tn ben SBiethSfabrifen
beobachtet, gn gaBIreitBen gäflen faB ich Bort 9-, 10 * unb 11 jährige
Sfinber beim ©pulen. „SBenn nun bie Sßoli^ei fornrnt?" fragte ich
einen alten Sanbwirfer, auf bie auShängenben SaragrapBen ber
©eroerbeorbnung meifenb. „Da fagt man, bie $inber finb bloß
SU SefucB ba. ©teBlen barf man, aber fid) nicht friegen Iaffen."
Aehnliche Aeußerungen mürben mir oielfacB gemacBt. Die Seute
fmb ooßftänbig arglos unb überseugt, nur einer gang überflüffigen
Solisei*©Bifane auS 3 umei<hen. ©S liegt baS in ber ArbeitSmeife
felbft. gaft nocB meBr als früher im eigenen §eim fpricf)t in ber
SßietBSfabrif bie $iilfe oon grauen unb Sfinbern mit. Der ©e*
roinn beruBt ja in ber AuSnußung jeber freien Minute, fcBon um
bie SßietBe BerauSsufchlagen. Steinet man ferner bie 3eii, bie ber
HauSgewerbetreibenbe für baS ©cBeeren, ©pulen unb Hafpeln oer*
menbeit muß, ober bie Hnfoften, bie iBm barauS erroacBfen, fo
fteßt fuB für iBn baS SerBältniß oon ArbeitSseit unb ©ntgelt oer*
glichen mit bem für ben ßoBnarbeiter im SBefentlidjen feBr un*
günftig. ©elbft wenn bie Slafchine, foroeit es 00 m Sanbwirfer
abBängt, oon Borgens 6 bis AbenbS 8 Uhr nicht eine SKinute ftiß
fteBt, fo fomnten hoch in golge mangelnber Aufträge 3«iten beS
gesroungenen ©tißftanbes, mäBrenb bie SKiethe für Slaum unb Sfraft
weiter gebt.
S2a<B AuSfagen oon gabrifanten unb Arbeitern bleibt ein
überwiegenber DBeil ber HauSinbuftrießen nur aus einem gemiffen
Dünfel bei ber ©elbftftänbigfeit. Slehr unb meBr neBmen benn
auch bie fleinen Unternehmer ab. gunge Arbeiter laufen fich, auch
wenn fie BeiratBen, feBr feiten meBr einen SanbftuBl. Siele ber
alten Seute müffen ihre ©tiihle außer Setrieb feßen, weil ihre
©röße nicht meBr genügt ober fte fonft unbrauchbar werben. Auch
Swingen zahlreiche SliethSherren bie bei iBnen Staunt unb $raft
nußenben Sanbwirfer sum Serfauf ber Stafcßine, weil fte bie
SJtietBsfabrifen in ein eigenes Unternehmen ummanbeln .*)
Das AßeS gilt inbeffen nicht für bie SSirfermeifter, bie mit
einem, smei, brei unb mehr ©efeßen, oielfacB mit ©aS*, Sensin*,
s #etroleum*S 2 otoren ober mit SBafferfraft arbeiten unb sum DBeil
bie befferen Sanbforten weben.
§>anbftühle werben nur nodf) oon alten Säuern in ber Um*
gegenb ©d)weImS benußt, bie nicht in bie SJtiethSfabrif woßen,
weil fte bie SBirferei währenb ber gelbarbeit beliebig ruhen iaffen.
3ur Seranfd)auli<hung ber ©acljlage foßen Bier nod) bie An*
gaben eines gabrifanten folgen, in beffen Setrieb fämmtliche
UnterneBmerformen ber Sanbmirferei sufammenlaufen. Diefe gabrif
Bat fich aus einem feit Sflitte beS oorigen gahrhunberts beftehenben
SerlagShaufe entmiefeft. Sieben 30 fiohuarbeitern an 36 ©tühlen
mit Dampfbetrieb arbeiten in ber gabrif 7 felbftftänbige Sanb*
wirfer an eigenen, oon ©aSmotoren bewegten ©tühlen, bie bem
gabrifanten für Slaum unb $raft 3,25 < K. wöchentlich s a W CT, r un B
bie er als oon ihm befefjäftigte ^auSgewerbetreibenbe bezeichnet.
*) 3 n ber lljat erfdietnen l)icr bie ä)?icil)Sfabrtfcn nur als eine
Uebergattgefonn non ber ^auötnbitftrte sutn geschloffenen Setrieb, nidit
wie fte manchmal amgefcftt werben ale 9)iittel 3111 ’ (Irbaltttng ber .s>au^*
inbuftrie, wenn fie ibr and) seitweilig alv ©tii^e bienen.
Drei berfelben beforgen gugleid) einen ber DampfftüBle unb ftnb
fo an ber einen ©teße, um mich ber gang unb gäben Dermino*
iogie s« bebienen, unabhängige §auSgewerbetreioenbe, an ber
anberen abhängige ßohnarbeiter. SluBerbem arbeiten für ben ga*
brifanten noch 20 ^auSinbuftrieße, beren ©tühle su* *&ülfte im
eigenen §eim, sur ^älfte in SJiietBsfabrifen ftehen. gerner werben
im Setrieb etwa 15 ©pulerinnen unb 7 §afpleriitnen, au&erhalb
8 bis 10 ©pulerinnen unb etwa 18 §>afplerinnen befchäftigt.
Die ©ewerffchaft Bot trofe lebhafter Agitation unter ben Sanb*
wkfern in ©chwelm unb Umgegenb bisher noch nicht fonberlidf)
feft Sßursel gefa&t. ©ine Heine 3ohl früher lofal*organifirter Sir*
beiter ift feit acht gahren bem Dertiiarbeiteroerbanb beigetreten.
3 eitweife sohlte er Bier 100 SKitalieoer, gegenwärtig ift ihre 3 oBl
burch ben ooßftänbigen Slbfaß oer weiblichen Sßitglieber auf 45
Berabgefunfen. 2llS bie Urfache beS SHicfgangS wirb eine SteiBe
miBglücfter, waBrfcheinlich übereilter ©treifs angeführt, für bie bei
ber großen Slnsahl unorganifirter Arbeiter unb Heimarbeiterinnen,
bie sur SiotB einfpringen, feine SluSftcht auf ©ewinn war. 2lu<h
treten bie Sanbwirferinnen in ber Siegel bei ihrer SerBeiratBung
aus ber ©ewerffchaft aus.
gm ©ansen Ttnb bie 3nftänbe burch bie Sereinigung oon
Sßarseßenmirthfchaft unb gnbuftrie gänftige unb werben aud) oon
ben giihrern ber ©ewerffchaft als relatio befriebigenb gefdjilbert.
gn golge einer feit gahren anbauernb oortheilBoften Äonjunftur
unb beS ©inbringenS beS mechanifchen Setriebs Baben fich bie
SerBältniffe in ben leBten 30 gahren oon gaB^nt su gahrschnt
gebeffert. ©benfo merfbar wie ber Uebergang oon ber Hau § 5
inbuftrie sur gabrifarbeit, ben bie oielen rauchenben Kamine unb
baS ©urren ber SHafchinen für Slugen unb 0B re ^ im ^§al unb
auf ben Sergen aufbringlicf) genug befunben, foß bie ©rhöhung
ber ©oloens unb bie Sefferung beS ©efunbheitSftanbeS ber Sanb»
wirfer fein. Die früher feBr häufigen gäße oon ©elenferfranfungen
Baben burch baS Serfdjwinben beS HanbftuhlS faft aufgehört.
Öuch fonft ift es wefentlich ber fchneße ©ieg ber medhanifchen
Driebfraft, ber fegenSreidh gewirft Bat. grüher nahm in Räumen,
bie oielfad) zugleich als $üche, Söohn» unb ©chlafsimnter bienten,
ben Hauptraum bie Slataue ein, beren SenuBung bie ©tube
mit ©taub erfüßte. Die Sanbwirfer blieben Dag unb 9£a<ht
bei ber Arbeit, ohne aus bem engen Slaum B erfl uS s u müffen.
geBt Baben fte ben Steg sur gabrif ober StietBSfabrif Bin*
unb BerswQeBen unb arbeiten felbft itt ben SJlietBSfabrifcn nicht
mehr oiel über 12 ©tunben. gn golge ber befferen ©ntlohnung
ift auch bie ©mährung eine beffere geworben.*) greilid) Baben
günftige Umftänbe wefentlich basu beigetragen, ben Uebergang oon
Heim* unb Hanbarbeit snm mechanifchen gabrifbetrieb su erleichtern.
Die ©inführung ber SÄotoren Bat in ber Sanbmirferei bie alten
Kräfte nicht wie anberSmo aus ber Arbeit geworfen, fonbern fie
ihnen oiclmehr unenblich erleichtert. Sei $lnwenbung ber mecha*
nifchett Äraft oerbient ber Sater fo oiel als früher bie ganse
gamilie. Die oergröfeerte ^robuftionSgefchwinbigfeit fiel sufammen
mit bem gefteigerten wirthfchaftlichen Sebarf, fo ba& fich bie ©nt*
wicfelung ohne Sfrife ooßsiehen fonnte unb befonberS in ben lebten
Sehn gahren bie gnbuftrie fogar saB^eithe Arbeiter aufnehmen
mußte, bie ben früher aefteßten Slnfprüchen nicht genügt Batten.
2lu<| bie SlrbeiterfchuB*©efeBgebung Bat feit 1891 burch bie Ser*
fürsung ber Arbeitszeit, Sefd^ränfung ber Sfinberarbeit unb ©ani*
ruttg, tn ben gabrifen wefentlich auf bie H e ^nng ber 3 nftänbe
unter ben Sanbwirfem eingewirft. Slnbererfetts finb auf ihre Un*
Sulänglichfeit snm grofeen DBeil bie oorhanbenen Slängel, bie un*
aenügenöe Durchführung gefunbheitlicher Sorfchriften, bie fiänge
ber Arbeitszeit, bie Ueberanftrengung oon grauen unb ^inbern in
SliethSfabrifen unb Hinten snrücfsuführen.
Serlin. H e ^ enc ®imon.
Die Slrbeitsftattfttf unb bie gnbnftriefleu iu Defterreich. Das
öfterreichifche arbeitsftatiftifche Slmt trifft umfaffenbe Sorbereitungen
Su ©rhebungen über bie ßage ber Sergarbeiter im 0ftrau*far*
winer Sleoiere. Die ©rhebungen foßen jebod) gans auSfchliefeUch
bie Sergarbeiter betreffen, ohne bafe sngleich audt) bie ©yiftens^
bebingungen ber gewerblichen unb lanbm'trthfchaftlicben Arbeiter in
Setracht gesogen würben, gn einer ^onferens zroifcfjen Sertretern
ber ScrgwerfSbeftBer unb Delegirten beS arbeitsftatiftifd)en SltnteS
oben erftere oerfd)iebene Anregungen, um bie Durchführung ber
eoorftehenben ©rhebungen ben gegebenen Serhältniffen ansupaffen.
*) 3d) oerbanle bie Angaben über ben oerbefferten ©cfunbbeit!?*
Suftanb einem feit 1874 am Orte tfiatigcii, allgemein bodjijefduit'ten
Arzte.
899
Soziale SßrajiS. Eentralblatt für Sozialpolitik 9h:. 38.
»00
Die Borfcpläge bcr Alontaninbuftriellen würben jebocp abgelepnt,
worauf lief) bcr Eentraloerein ber öfterreiepifepen Bergwerfsbefiper
veranlagt fap, in einer Sfunbgebitng an bas arbeitöftatiftifcf>e Amt
leine AUtwirfnng bei ben Erhebungen abzulcpnen.
Das Berggefep giebt glüeflieper BSeife bie $anbpabe bagu,
bic Bergwerfsbefiper zu oerpalten, bem arbeitöftatiftifefjen Amte
afle notpwenbige Unterftüpung bei feinen Erhebungen ju Ieiften.
greiücp gilt bieö niept oon ben Arbeitgebern im Allgemeinen, unb
es ift fepr bebauerlicp, bag fid) oon Anfang an ein ©egen fap
Zwifdjen Unternehmern unb Arbeitsamt perauSzufteUen fc^eini. Die
Arbeitsftatifti! in Defterreicp wirb noep auf eine ftärfere ©runb*
läge zu fteflen fein, als fie ber BcrorbnungSwcg bot, auf bem
baS Arbeitsamt ins Seben gerufen mürbe.
Die ©laSpütte von Albt macht banf ber energifepen Unter*
ftüpung bur<p bie franjöfifdje Arbeiterbeoölferung einige gort*
fcfjritte. Der ©efcpäftSabfd)lug für baS 3up£ 1898 geigt eine
merflicpe Befferung in ber ginanzlage unb fteflt einem Aftiobeftanb
oon 723 944 grcS. ein Sßafftoum oon 259 990 grcS. gegenüber.
3n bett Aftioen figurirt aüeibingS ein Borrath fertiger Saaren im
Bkrtpc oon 131 252 grcS. An ßopnritcfftänbcn finb immer nod)
40171 grcS. oorpanben, naepbem bie EntfcpäbigungSanfprüche oon
acht an ber ©rünbutxg ber ©laSpiitte bcttjeiliaten unb fpäter aus*
gefepiebenen Arbeitern aus ben eingelaufenen UnterftüpungSgelbern
gebeeft mürben, welche fich auf ca. 20 000 grcS. beliefen. Die Be*
triebSlcitung gebenft bie gabrifanlacjen um einen neuen ©laSofen
ZU oergrögern, ba fepon im Berichtsjahre bic ^robuftion um 9 %
unb ber Bcrfauf um mehr als 100 000 grcS. geftiegen mar.
SUrbeitarbeitiegisttg.
Bur ©rflnbuitg rf)ri glich er ©etoerfoeretite roirb in einem Slug*
blatte, welches ber BolfSoerein für baS fatpolifcpe ®entfct)lanb
über bie „Aotpwcnbigfeit unb Aufgaben ber chriftlidjen ©ewerf*
oereitte" jüngft perauSqegeben pat, bringenb aufgeforbert. Die
Drganifation wirb als baS natürliche Aecpt ber Arbeiter, als eine
BfUcpt im eigenen Sntereffe beS Arbeiters unb als eine Bflüpl ber
Arbeiter im Sntereffe beS allgemeinen BßopleS bezeichnet. 3n
lepterer Beziehung peigt eS:
„$n allen 2änbem fdiltcgen fid) bie Arbeiter ju Berbänben ju=
famnten. 2iu Dcutfdjlanb ift bis oor kurzem bie ©ewerffchaftsbewcgung
faft nusfrfjlieglirf) in ben Rauben ber Sozialbcmofrntie gemefen. Die
chriftlidjen Arbeiter tonnen fid) bemgegeniiber in ber immer mefjr an*
madjfcnben Arbeiterbewegung nur bann adjtunggebietenbeu (Hinflug oer*
frfjaffeu unb igre Selbftgänbtgfeit magren, wenn fic fidj in dinglichen
(Semerfoercinen orgauifiren. Damit banbelu fie in Ijofjem BZagc int
^ntcreffc oon Staat unb ©efeflfepaft; benn eine ftarfe Drganifation ber
cfjrifilicfjcii Arbeiter, bie nidit ben ftlaffenfanipf will, fonbern auf gefep*
mäßigem Bobcn in georbneter Bkifc ntoglidjft eine tricblidje Ber*
fiänbigimg unb Bereinbanmg mit ben Arbeitgebern fudjt, an bereu
2pipc cpriftlidj unb patriotifrf) gejinnte Bfänuer geben, bie fidj ihrer
Berautmortuug bemugt fmb unb ihren Einflug bahnt geltcnb machen,
bag fehler unb Ausfdireitungcn uermieben werben, ift eine iinfcpapbarc
Gewähr beS fo^ialcn ^rieben». Neuffen mir einmal mit ber
Dhatiachc rechnen, bag Differenzen jwifdjeu Arbeitgeber unb Arbeitern
halb hier halb ba ausbrcdien, bann ift es ein Echot ber Atlugheit,
burch ben Ausbau gutgclcitetcr Drgamfatioucn zu oerhinberu, bagütiept
ein regelloser unb gieilofer Stampf ausbridjt, bei beut aflgulcidjt Un*
berufene bic Leitung in ihre £>anb bringen, um fie ocrberblidjen glätten
bienftbar ju madjen."
Es wirb nod; befonberS heroorgehoben, bag alle djriftlidj
bettfenben Arbeiter, gieüpoiel toeldjer Sonfeffion ober welcher
politifcheit fk angehören, fid) bie £>cinbe reidicn miigten, um i
unter ftrenger Beifeitelaffntig aller fonfeffionellen unb j
politifdjett Erörterungen gemeinfain bie Hebung ihres !
Staubes auf d)riftlid)em, gefepmägigem Bobcn zu förbern. B3o eS I
Zur Bfit noch nicht möglich fei, djriftlicge Bcrufsoereine zn bilben, 1
möchten bic Arbeiteroereine burch [yad)abtl)eiliingeu, fogiale Unter* |
ricfjtsfurfe, Arbeiterfdjupfommiffionen :c. bie Dljätigfeit ber Berufs* j
oereine vorläufig inöglidjft zu erfepen, guglcid) aber bie balbige i
^rünburtg einer Crganifation burdj fogialpolitifdic Schulung ihrer '
Dtitglicber oorgiibcrcitcu fudjeu. Als Aufgaben bcr Crganifation |
bezeichnet bas Flugblatt bic wirthfdjaftlidje, fittlidjc unb geiftige j
Öebung ber Arbeiter. Es minie bie Drganifation befonberS für |
Turd)* unb BJcitcrführung, fomie für Äusnüpiiug ber fogialeit
(')e|epe eintreten unb gleichzeitig neben ber Jadibilbung für eine ]
griinbliche Menutuig bcr fogiaicu t^efepgebung, furz fn r riue ;
tüchtige fozialpolitildic Schulung forgeu unb für bie Biagl tiidjtiger, |
chnftlicher Arbeiteroertreter in bie Bmminbe ber Mraufeitfaffeu unb |
in bie ®emerbegerichte eintreten. D)er zu Bfmgften nach Afaing
einberufene erfte Äoitgreg ber chriitlichen ©ewerffchaften 2)eutfd)-
laubs foK fich befanntlich ebenfalls mit ben ©runbprützipien,
Einrichtungen unb Aufgaben ber chriftlichen ©ewerffchaften bc*
fchäftigen.
Streifs in D)entfchlanb toährenb beS April. D)ie Streif*
Bewegung hot eine groge AuSbehnung angenommen: 84 im April
ausgebrochene Streifs ftehen 54 im 9Mrz gegenüber. 3m Bor*
fahre zählten wir im nämlichen BRonat nur 74. D)ie ÖeBhaftigfeit
biefer Bewegung ift, wie ber „ArbeitSmarft" betont, auf bie über*
aus groge ©unft ber wirthfdjoftlichen Ä'onfuitftur zurüefzuführen,
an ber auch bie Arbeiter mehr als bisher theilneljmen wollen.
3m Baugewerbe oerzetchnen wir oerhältnigmägig bie meiften
Streifs (38), hoch ift noch Btetall* unb Biafchinen*, fowie baS
Xeytilgewerbe mit je 11 gälten oertreten. 2)ie grögten AuSftänbe
waren bie ber Seber in 9teichenbadj in Schlefien, ber Bäcfer in
München, ber Schuhmacher in Hamburg, ber SKaurer in Bremer*
hauen, ber SRaler unb Dacfirer xn granffurt a. 9R.; neuerbingS
noch ber BergarbeiterauSftanb in ^leinroffeln. S)ie meiften Streifs
waren inbeffen oon geringer Bebeutung.
^(utfeher Berbanfe faufmannifchcr Bereine. Aus bem uns
oorliegenben 3ah rc§ t>ericht beS BerbanbeS, ber zur 3 c tt 97 Ber*
eine mit 126 677 Btitgliebern utnfagt, erfehen wir, bag ber Ber*
banb in einer Aeihe für ben £>anbelsftanb wichtiger gragen mit
praftifdjen Borfdjlägen bei ben fompetenten Stellen h en) o r 9 e trcten
ift. Unter Anberem würbe er wegen Abänberung ber B r üf un 9 s<
orbnung für Einfährig=greiwiIIige zu ©unften ber für ben fauf*
männifdjen Beruf wid)tigcren UnterrichtSgegenftänbe oorftellig unb
forberte zur Befeitigung ber grogen Btigftänbe in ber praftifchen
AuSbilbuna ber Dehrlinge bie nothwenbigften gefeplichen Anorb*
nungeit. gerner ift er wegen Beftellung faufmännifeper iloitfurS*
oerwaltcr mit ben beutfefjen §anbelsfammern erfolgreich tu
Binbung getreten. D)ie oon ber Aooeüe bcr ©ewerbeorbnung be*
aonnene Regelung ber Arbeitszeit im ^anbelSgcwerbe gab bem
Berbanbe Beranlaffung, ben Achtuhrlabenfchlug, meitigftcnS aber
eine elfftünbige Auhezeit bcr §anbIungSgehülfeit oom AcichStage
Zu erbitten. Deptere würbe inzwifepen oon ber betreffenben Aeicps*
tagSfommiffion auch angenommen. — Auf ber £ageSorbnung für
bie bicSfährige $auptoerfammlung ftepen auger ber „Aooetle zur
©ewerbeorbnung" a. A.: „D)ie Errichtung faufmännifdjer Scpiebs*
geriepte", bie „Befreiung ber §anblungSgepülfen oom Suoalibitäts*
unb AlterSoerficperungSzwange unb bie etwaige Errichtung einer
befonberen BerficperungSfaffe für bie Angehörigen beS Kaufmanns*
ftanbeS", „©eregelte Unterftüpung bei Stellenlofigfeit", „ber beutfepe
^anbelSftanb in ben Berufs* unb ArbeitSlofenzäplungen", „bie
Erweiterung ber Sonntagsruhe".
Eilt BergartettcrauSftanb ift in ber lotpringifihen ^rioatgrube
leinroffein ausgrbroepen, weil oter Arbeiter, bie ber ©rubenoer*
waltung bie gorberungen ber Arbeiter übermittelt hatten, cntlnffen
worben fmb. Die Arbeiter forbern in bcr fmuptfacije ©leidjftcüung
mit ben gsfalifcgen Arbeitern im benachbarten Saarreoicr, alfo
h Va-Stunbenfchidjt (fegt 10 Stunben), SKinbeftlopn oon 5 Jt. für$äuer,
Bilbuna oon ArbeitcrauSfcpüffen, Schaffung oon Babeoorricptungen :c.
Die Arbeiter fmb niept organifirt.
D>ic 3*httfta«&enbctoegwng t» btr öfterreiditfdiett Deftiliniiftrie.
Der Streif in bcr Briinner Deytilinbuftrie fepeint auep naep ben
böpmifcpen gubuftriebezirfen übergreifen zu wollen; bie Aeicpen*
berger Deftilarbeiter paben bereits ipre gorberungen formulirt unb
ben Unternehmern oorgelegt.
gn einem Auflage beS „Briinner Dagesboten" wirb ber gragc brr
Arbeitsbauer in ben Sdjafwollwaarenfabriten Brünns näher getreten.
BMr erfahren ba: Am Biontag beginnt bie Arbeit um 7 Uhr früh, au
ben übrigen Dagen um 6 Uhr früh unb enbet, wobei oormittags eine
mertrlftimbige grühftücfSpaiife imb mittags eine einftiinbige Auhepaufc
begeht, um <j Ithr^abenbs, mit Ausnahme Samftags, wo jpätrfrrnS um
i> Uhr, in nieten Jvabrifen fdjon um 4 Uhr, bic Arbeit beenbigt wirb.
Die egcftiuc Arbeitsbauer Briiims beträgt bager 62 V 3 Stunben in bcr
B?od)e, fo bag bie bnrchfdjnittlidje Dauer bes Arbeitstages nad) oben
abgerunbet ln' V Stunben beträgt. Bkimgleid) in einzelnen Sdjafwoü*
waarenfabrifen Defterreidis eine fiirzere ÄvbcitSbaucr im Durdjfcfjnittr
begeht, fo wirb bod) in bcr weit iiberwiegeitben BZcgrzagl ber öfter*
reiigifdieit Dertilbetriebc att bem gefeglicpen elfgitnbigcn Aortitalarbcits*
tage reggegnlten, ber mir burd) bic JnihftücfSpaufc eine .Siitrzimg erfährt.
Sn bett Unternegmerfreifen wirb bie Berfiirzung ber ArbeitS*
Zeit au fid) nidjt fo fepr perporreSzirt als bie burep' fie bebingten
unb mit erpeblicpcH ft'often nerbunbenen teepnifepen Aen*Einricp*
tungen. Aamentlid) bie Briinner gnbuftrie ift teepnifep ftarf zurücf*
geblieben, urtb bie gabrifanten z^pen bie lange Arbeitszeit ber An*
fdjaffiiug tnoberner s .Wafd)inen oor.
901
Sogiale prajts. Eentralblati für Sogialpolitif. Nr. 33.
902
$er Streif ber bclgifdjen Sohlenbergtoerfarbeitcr. Aus B r ü f f e l
roirb uns oom 13. b. 2RtS. getrieben: (Seit unferem lebten Be*
ridE)t hat ber Streif im Norben unb ©üben beS Borinage unb im
23edfen beS Zentrum eine abnehmenbe Xenbeng gegeigt, roährenb er
in Eharleroi ein allgemeiner geBIieBen ift unb in ber Brooing
ßüttich unb im mittleren Borinage nicht an Stärfe eingebüßt Bat.
Nod) immer Befinbet fich etroa bie £>älfte fämmtlicher in ber belgi*
feßen Sfohleninbuftrie befcßäftigten Arbeiter im Streif. SBir Baben
fürglicB ben ©egenfaß auSeinanbergefeßt, ber groifchen bem ArbeitS*
minifter Eoooeman unb ben güBrern ber Bergarbeiter über bie
notBmalige Einberufung ber Conseils de Pindustrie et du travail
beftanb. 3ngmif<hen mürbe auf einer in Eharleroi abgeBalienen
Sfonfereng ber Federation nationale des Mineurs ber Befcßluß
gefaxt, alle Sorberungen ber Negierung gugugefteBen, um bur<h
eine erneute Berhanblung ber Sfonfeüs oicHeid|t ben Trieben herbei*
xufiihren. 2)ie Arbeitermitgüeber ber oerfchiebenen lofalen Seftionen
oeS Äonfeil (Abteilung 3Rinen) richteten alfo non Neuem, mie ber
SRinifter eS geforbert Batte, an iBn baS ©efu<h um Berufung ber
ÄonfeilS, inbem fie bie nerlangte Erflärung beifügten, baß fie oBne
imperatioeS 3Ranbat fämen, unb baß fie ihrerfeits Sohnftatiftifen
mitbrächten. darauf mürben burd) einen Erlaß im amtlichen
„Boniteur" überall bort, roo non Arbeiterfeite baS ©efueß geftellt
mar, bie lofalen Conseils de Pindustrie et du travail (Abteilung
SDhnen) für einen ber £age groifchen bem 11. unb 14. 5Rai ein**
berufen. ©leicßgeitig mürben Staatsbeamte mie ber ©ouoerneur
non Süttid), ber ©eneralbireftor ber 5Rinen unb eine Angaßl non
SDtineningenieuren nom SRinifter gur ^heilnahme an ben Berßanb*
lunaen aufaeforbert. 2)ie XageSorbnung, bie in nichts iiberfeßritten
roerben barf, lautet überall: fontrabiftorifcBe. Sßrüfung ber ßößne
in ber ^oBleninbuftrie unb ber ßohnerhöhungSforberungen ber
Arbeiter. Bis gur Stunbe finb erft menige Ergebniffe über Ber*
Banblungen ber Sfonfeils befannt. 3n (S^atelet (Bedfen non
Eharleroi) mar ber AuSgang ein oöllig negatioer, in Schleppe
(Beden non fiütticß) mürbe roenigftenS für eine Angahl non ©ruben
ein Kompromiß ergielt, inbem bie ©efedfehaft ^effaleS für iBre
Söerfe eine. ßohnerhöhung non 5o/ 0 fofort unb meitere 5«/ 0 gum
28. 5Rai genehmigte. $)ie SßiberftanbSfraft ber Streifenben ermeift
fitB als eine ungleich gäBere als man auf allen Seiten anfänglich
geglaubt Balte. 3 U NuBeftörungen ift es BiSBer nicht gefommen.
©ang nereingelt Baben Attentate gegen folche Arbeiter, bie nicht am
Streif theilneßmen, ftattgefunben, bo<h mar bie ©enbarmerie überall
auSreichenb, um bie „ArbeitSroidigen" gu feßüßen. — Nach ben
lebten Nachrichten geht ber AuSftanb feinem Enbe entgegen.
$ie Eifenbahner&eüjegmtg tu gfranfreid), »on ber mir guleßt in
in Nr. 30 Spalte 816 Beruhtet Baben, graoitirt gur $eit noch immer
um bie grage ber Annäherung ber brei großen Eentralorganifa*
tionen. 2)aS Syndicat national bisfutirt m feinem publigiftifcßett
Organe bie ablehnenbe Antroort, bie ihm oom Kongreß Association
amicale auf fein ©efuch um $erftedung einer Entente gu Xßeil
geroorben mar. $>ie leßlgenannte Bereinigung Batte es übrigens
für nötBig gefunben, in iBrem Organe ihre Ablehnung mit Morn»
mentationen gu begleiten, bie oon ihrer früheren oerfönlicßen Stirn*
tnung abroichen. Nacßbem fo bie formelle Entente gefefjeitert ift,
giebt baS Nationalfpnbifat bie Hoffnung nicht auf unb langirt unter
Scheinbarer Nefignation bie 3bee, anftatt ber folleftioen eine inbioi*
buede gufion gu oodgießen, babureß baß eine Angahl SRitglieber
ber einen Orgauifation gleichzeitig bie Niitgliebfdjaft bei ben anberen
erroirbt unb fo eine bie offizielle Berfcßmeljung erleichtcrnbe ood*
enbete ^Batfache gu fchaffen. 5)aS fuh m ben Annäherungs*
Begebungen fehr referoirt Baltenbe Syndicat professionnel Bat
biefer Xage ben präfibenten ber Nepublif gum Banfett feines
3aßreSfongreffeS eingelabcn unb gufagenben Befd;eib erhalten. Es
marfirt bamit noch immer baS abfolute gefthalten an feinem alten
Programm, gu bem baS bisher auSgefprochene fogialiftifch s reoolu*
tionäre Syndicat national hoch faum einlenfen fann troh feines
beften SßiUenS.
Bou beu euglifchen ©etoerfuereinen. $)aS Barlamentarifdje
^omite beS ^rabe llnion^ongreffeS Bat am 11. 3Rai einftimmig
befchloffen, feinem tiefen Bebauern AuSbrucf gu geben, ba& ber
energifche, ftaatsmännifche Berfuch beS ^anbelSminifterS, ein Ber*
föbnunaSamt gur Bermeibung oon ArbeitSftreitigfeiten eingufehen
(ogl. „Sogiale BimjiS" Sp. 695), an bem BHberftanbe ber Arbeit*
geber gefdjeilert ift. $)eS Weiteren tourbe mitgetheilt, bafe 23 Xrabe
Unions mit 235 000 Btitgliebern bis fegt in ben gu Dfanchefter
befchloffenen Nationalen Berbanb ber ©eroerfoereine eingetreten
finb. darunter befinben fich bie SRafchinenarbeiter, bie Eifengiefrer,
bie Spinner, bie ©aSarbeiter, mährenb bie Äeffelmacher unb
3immerleute ebenfo mie ber mächtige Bergarbeiter*Berbanb fich
fernhalten. S)er ©emerfoereinSoerbanb hält am 19. Sali einen
©eneralrath in ßonbon ab. — $)er 3Rafchinenarbeiter*©emerf*
oerein, ber 1897/98 ben gemaltigen £ampf bnrchgemacht Bat, blieft
jefet auf ein ruhiges unb erfolgreiches ©efdjäftsjahr gurücf. 3)ie
Sunben, bie jener Streif gefchlagen, finb geheilt. Alle bamalS
aufgenommenen Anleihen finb bereits guriicfgegahlt. S)ie Einnahmen
beS lefeten 3aBi*$ betrugen 9 Btillionen SDiarf, bie Ausgaben über
8 SRidionen s JRarf, fo oah mit £)ingure<hnung früherer Waffen*
beftänbe baS Bermögen beS BereinS jefet mehr als 4 s IRiKionen
9Rarf beträgt. $)ie 3RitgliebergaBl am 31. 5)egember 1898 Belief
fich auf 83654 unb ift feitbem ftänbig gemachfen. — $)ie EifenbaBn*
arbeiter*Union Bat auf ihrer ©elegirtenoerfammlung in Dlbham fich
für einen Achtftunbentag auSgefprothen. — $>ie ^rifiS im Bau*
geroerbe, bie aus Anlaß ber Stucfarbeiter*AuSfperrung broht, ift
noch nid)t befeüigt. $)ie Arbeitgeber ftnb fich aber nicht einig.
ätbetterftyttfe.
^ie ©emerbeanfftcht in gfrattfreidj 1897»
^)ie Berichte ber ©eroerbeinfpeftoren gelangen in granfreich
mit ziemlicher Berfpätung, menn nicht gur SertigfteHung, fo hoch
gur öffentlichen ^enntnifc. ^er fummarifche Napport ber oberften
AuffichtSfommiffion, in bem ein allgemeiner UeBerblicf über bie
Ausführung ber Arbeiterf<hubgefefce, namentlich baS ftatiftifche
dRaterial, gegeben mirb, ift groar regelmäßig fchon gegen Enbe
beS auf baS Berichtsjahr folgenben 3aB*eS oollenbet; hoch oer*
jögert fich bie ^Sublifation ber eigentlichen Snfpeftorenberichte Bis
in bie erften SRonate beS groeiten SahreS, Bon einer BHebergabe
beS ftatiftifchen 3Raterials, mie es im fummarifchen Rapporte ent*
Balten ift, fehen mir ab, ba bie „Sogiale B ra £i 3 " int porigen
Sahre einen betaillirten AuSgug für 1896 gebracht Bat (3aB* s
gang VII Spalte 375 ff.) unb ba für 1897 teinerlei mefentliche
Berfchiebungen eingetreten finb. Ermähnt muß immerhin merben,
baß für baS in SRebe fteßenbe Berichtsjahr gum erften 5RaIe An*
neye über bie Arbeiteroerbältniffe in ben Kriegs* unb SRarinearfe*
nalen angehängt mürben. ^)ie Beröffentlichung ber ursprünglichen
3nfpe!tionSberichte befchränft fi<h auf jene ber elf Oberinfpeftoreti;
oon ben ^Rapporten ber auSfüßrenben AuffnhtSbeamten erhalten
mir alfo nur auSgugSroeife ^enntniß, foroeit fie in ben 3 u fam*
menftellungen ber ÖberinfpeftionSbegirJe citirt merben. Aus ber
offigiellen Berichterftattung über bie ©emerbeaufficht läßt fich fo
ein tieferer Einblid in bie^rayiS beS frangöfifchcn Arbeitend)ußeS,
ben nur bie S)o!umente erfter Duelle eröffnen fönnen, faum ge*
roinnen. ^er allgemeine Einbrucf bleibt, baß bie Uebermachung
fid) in ber £>auptfache auf bie Anroenbung beS ©efeßeSbudjftabenS
befchränft. Klagen über bie Schroierigfeiten, bie oon oielen
Unternehmern bereitet roerben, §inroeife auf s )Rängel unb Süden
in ber ©efeßgebung, Bilben bie ftets mieberfehrenben ©ebanfen.
Bon ber Auffaffung beS Amtes im fogialen Sinne ift bei bem
AuffidjtSperfonal roenig gu finben; bie Begiehuugen jur Arbeiter*
beoölferung entmideln ftdh feiten über bie bienftlichen Berührungen
hinaus; baS lebenbige Einbringen in baS Arbeiterbafein erftredt
fich nur auf bie Beobachtung eingelner ejceptioneller Säße, roelcbe
bie Mängel ber gefeßlid)cn Schußbeftimmungen beleuchten.
^amit foH nun nicht gejagt fein, baß bie Snfpeftoren nicht
innerhalb ihres SaftruftionSbereidjeS ihre gunftionen in beftem
Sinne erfüllten. Sie brängen lebhaft auf bie Bermehrung beS
BerfonalS, ba fie felbft bei oen erhöhten Anftrengungen im 3ah^
1897 nur 43, 32 % ber gu überroad)enben Betriebe befugen fonnten;
fie betonen ferner bie bringenbe Nothmenbigfeit, bie im Parlamente
lagernben Nooellen gur Schußgcfeßgebung fdjleunigft gu erlebigen;
fie Juchten bur<h Bermittelung beS SaftigniinifterS gu erroirfen, baß
bie roenig gefällige StaatSanmaltfchaft fich gu prompterer Unter*
ftüßung beS AufficßtSbienfteS oerftehe. Someit es in ihrer 9Rad)t*
oodfommenheit fteht, feßen fie bie ben Saifoninbuftrien gu ge*
roährenben Ausnahmen oon ber Einhaltung beS Nachtarbeitoer*
boteS auf baS äußerfte BUnimum herab, unb beantragen alljährlid)
bie gänglicße Befeitigung biefer Xolerangen, ba fie nur mißbraucht
merben. Es ift üielleid)t ein Ausfluß biefeS auf bie formelle
Uebermachung fongentrirten ©eifteS im AuffichtSperfonal, bafg aud)
bie $)epartementalfommiffionen noch feßr menig entroidelt finb.
Es funftionirten 1897 nid)t mehr als 11: bie. Bermaltung motioirt
biefe geringe AuSbilbung allerbings mit bem Umftanbe, baß Pie
Äommiffionen in 3alge ber genügen ben BMrffamfeit ber eigen t*
liehen S^fpeftoren nur unuiiße Apparate barftelleu. Aud; bie
908
Sögiale SJJrajiS. ©entralblatt für SogialpolitiF. SRr. 33.
904
loFalen BatronalFommiffioneu, benen bie gurforge für gute £efjr*
lingSauSbilbung gufäßt, cnttoicfeln ficf) nicht Beffer. Daraus er*
Belli jebenfaßs, baß baS Berhältniß ber ©ewerbeinfpeFHon gu ben
llnternehmerFreifen nod) ein fe^r Fühlet ift.
Aus ben objeftiocn Beobachtungen über bie UBirFungen beS
ArbeiterffhußeS ^eben wir bie Bewertungen ber SnfpeFtoren ber
nörblidjen Departements Terror, nach benen bie effeFtioe ArbeitS*
leifiung in ben Spinnereien non Boubauy, Toucoing :c. unter ber
Behuf tion her ArbeitSgeit nicht nachgelaffen hat. 3it ben Seiben*
fpinnereien roirb fogar eine 3 u naf)me Fonftatirt. 3m ©angen
mad)t fid) in ber Tej;tilinbuftrie jener Begirfe bie Tenbeng geltenb,
ben engliffhen ©effhäftsgebrau<h beS SamStagnachmittagfchluffeS
eingubürgern. — (Sine große Schmierigfeit finbet bie ©inhaltung
beS 12 ftünbigen BtayimalarbeitStageS für ©rmachfene in ben
Fleineren Betrieben, bie erft bei einer Befdjäftigung non 20 Arbei*
tern unter baS ©efeß faßen; ber Unternehmer hält fich in ber
Begel auch regem ©efd)äft'Sc}ang unter jenem SRinimum unb
erfeßt ben Ausfall an ArbeitsFräften bureß längere ArbeitSgeit. —
Unter ben nämlichen Beroeggrünben begünftigen nad) ben Be*
rid)ten aus bem Departement Aube bie großen gabrifen bie ©nt*
midlung ber £>auSiiibuftrie, bie ebenfalls außerhalb ber Schuf}*
gefeße fleht. 3m genannten Begirfe ift eine feßr beträd^tlidje
Decentralifirung ber 3trumpfroirFerei in bie gamilienmerfftätten gu
beobachten. Der gabrifßerr fteßt in ber Siegel ben Fleinen $etro*
leummotor, ber gum Betriebe nöthig ift, uno finbet in ber burd)
ungehemmte lleberfchreitung ber gefehlten ArbeitSgeiten oer*
mehrten $robuFtion, ©rfaß für jene Auslagen. gür ben ©efeß*
gebet ermächfi barauS ein weiteres Argument gur ©inbegießung
ber ßauSiubuftrießen Betriebe in ben Schub ber ©efebe.
Baris. g. Schotthofer.
Die ©etoerbeaitffuht i# Bfedlenbitrg 1898* Beibe ©roßßergog*
thiimer, Schwerin unb Strelib, hüben in ber Berfon beS Sanbbau*
meifterS £>ennemann einen gemeinfamen ©ewerbeinfpeFtor. Seine
Berichte für bas 3abr 1898*) finb foeben erfeßienen unb bieten
einige intereffante BemerFungen. So wirb ber BerFehr beS Be*
amten mit Arbeitgebern unb Arbeitern als „ein im ©angen oer*
trauenSooßer unb befriebigenber" begeichnet, wogu bie wathfenbe
perföitlidje BeFanntfcßaft beitrage. Durch ©ewerFfchaftSFarteße,
eingelne Arbeiter, Arbeiterblätter gemelbete ÜRißftänbe hat ber 3n*
fpeftor berürffichtigt. Bei ben jugenblicßen Arbeitern ift bie ge*
ringe 3 u uahme eingetreten; fie entfällt hauptfädjlitß auf eine Sehr*
lingSgüdfferei in Fleinen Bucßbrudereien, bie oon ben befferen Be*
trieben als preisbrüefenbe ÄonFurreng empfunben wirb. Schlimme
gäße gewerblicher Ausbeutung oon Scßulfinbcrn fuib namentlid)
beim BrotauStragen bemerFt worben. Btit Begug auf bie 10 bis
llftünbige Arbeitszeit für grauen unb ßßäbcßen wirb erFlärt:
„©rßeblidje Bacßtbeile in gefunbheitlicher, fitilicßer ober fonftiger
«tnnfießt haben ficß nirgenbs ßerauSgefteßt. ©s liegt baher aus
biefem ©runbe Feinerlei Beranlaffung oor, eine AuSfdjließung ober
©infchränFung ber Befcßäftiaung oerheiratheter Arbeiterinnen ßerbei*
gufüßren." Dagegen wirb oon oereingelten gößeu übermäßiger
Arbeitszeit für SKänner berichtet aus größeren 9Rafd)inenfabri!en
unb Sägereien, in Fleineren ©etreibcmühlen, in 3iegeleien :c.;
15* bis 16ftünbige ArbeitSbauer finb hi« mehrfach gu beobachten
gemefen. Die neue 3i e ß e fooerorbnung roirb in 9RecFlenburg faft
feine Aenberungen feßaffen. üRit ben Uebelftänben mangelnben
Siebtes, abnonner Temperaturen, fchäblichen Staubes unb Dampfes
in ben Arbeitsräumen ift troß aßmäliger Berbefferungen bod) noch
oielfad) gu fämpfen. Bametitlid) finb offenbar bie gefunbheitlichen
©inrießtungen in Bädereien bureßweg noch höcßft mangelhafte. Die
Bädereioerorbnung inbeff'en feßeint gu Anftänben Feinen ©runb gu
geben; es ergab fid) auSnahmSlofe AuSfömmlicßFeit mit ben ber
Beftimmung ber SDieifter überladenen 20 Tagen Ueberarbeit. ArbeitS*
auSftänbe oon Belang finb nid)t oorgefommett. Die Bebeutung
oon ArbeiterauSfcffüffen blieb gering. Das erfte ©emerbegericht im
Sanbe ift am 1. 3anuar 1899 gu Stoftod in Sßirffamfeit getreten.
Der Beimttbr*£abenfrf)l«ft in ber BeicßStagSfonimiffton an¬
genommen. Die BeicßStagsFommiffion für bie ©eroerbeorbnungS*
nooeüe hat bie .ftonfcqueng aus ber ©rßößung ber IRinimalruhegeit
für Angcfteßte in offenen Sabengefcffäftcn auf 11 Stunben gegogen
unb fid) für ©inführuug beS gwangSweifen 9teuuuhr*SabcnfchlnifeS
ausgefprochen. Der 139e wnrbe in folgeitber gaffung an*
genommen:
; ) Xeu Beriilit für ÜlRrdlenbnrg = Sihwrrin ift in Sdjiocrin in
(5-b. .^erbergcrS BerlagSbuditjanblung erfdiienen, ber für Strelifi ift in
Acitftrclin uon ber .'orfbudjbriidcrei Bohl gebrurft.
„Auf Antrag oon minbcftenS einem Drittel ber betheiligten ®c*
fdjäftstnhaber hat bie höhere BcrwaltungSbehörbe bie betheiligten @e*
fdjäftsinhabcr burd) ortsübliche BeFanntmndhung ober befonberc 3Rit*
theilung gu einer Aeußerung für ober gegen bie (Einführung beS Saben*
fdjluffeS aufguforbern. ©rflären ftch jwei Drittel ber Abftimmcnbcn für
bie ©inführung, fo Farm bie höhere Berwaltungsbehörbe bie entfpredjenbe
Anorbnung treffen. Bon 9 Ußr Abenbs btS 5 Ul)r SRorgens
müffett BerFaufSftellen für ben gefchäftlicßen BerFehr ge*
fchloffen fein. Der BunbeSrath ift befugt, Beftimmungen barüber gu
erlaffeu, tu welchem Berfahren bte erforberlidjen gtoei Drittel ber ©e*
fchäftSinhaher gu ermitteln finb."
3n biefem Befdjluß erbliden wir eine erfreuliche Söirfung ber
zahlreichen ©ingaben oon ©ehülfen unb B^iagipalen, bie einen
einheitlichen £abenfd)luß forberten; neuerbingS ift gu ben früher
bereits gemelbeten B c titionen auch eine folche beS Altonaer SJFanu*
faFturiftenoereinS geFommen, ber für ben 9?cunuhr*£abenfchluß als
eine gur Äontrole ber ©inhaltung ber ÜJtinimalruhegeit gang un*
erläßliche Btaßnahme eintritt. hoffentlich fteßt fidh baS Betch&tagS*
Plenum auf ben Boben beS ÄommiffionSbefchluffeS! 3ff erft ein
Anfang gemacht, fo werben bie praFtifdjen ©rfahrungen balb be*
weifen, baß eS auch mit bem Achtuhr*£abenf<hluß geht- — Tie
im preußiffhen Sföinifterium beS Sntiern herausgegebene „Berliner
$orrefponbeng" wenbet fid) fth fl rf gegen ben 5FommiffionSbefchluß,
ber mit feiner Schablone Ungufrieben heit erregen, ben Angefteßten
Feinen Bortheil bringen unb bem „aßgemeineit BtayimalarbeitS*
tage" einen breiten B>eg ebnen werbe. Der Reichstag möge ben
Befcßluß ablehnen. Die Ausführungen ber „Berliner Äorrcfpon*
beng" fchtneden ftar! nach ben abgeftanbenen ©emeinpläßen beS
SRanchefterthumS; wir haben oon ben oerbünbeten Begierungen
hoch eine beffere Bteinung, als baß wir auf ihre Haltung aus
ber BkiSfjeit jenes DrganS fließen möchten.
Jltbettemrfli^etattg. Sparbö(Teu.
Die Unfaßoerfichcrung in ber be(gif<hen ^ohFenbergwerfS^nbnftrte.
Obgleich eS in Belgien noch Feine obligatorifd)c Unfaßoer*
ftcherungSgefeßgebung giebt, befiehl hoch für bie übermiegenbe
Btehrgahl ber ©rubenarbeiter, man Fann fagen für aße, eine ge*
wiffe Berficherung für gang fchwere gäße unb befonberS für ben
gaß einer bauernben ArbeitSunfähigFeit in golge eines Betriebs*
mtfafleS. Dies Fommt baher, baß ber Staat bereits feit Sahrgehnten
bie Äongeffion gur Ausbeutung eines ^ohlenbergmerFS nur bann
erteilte, wenn ber ©igenthümer ffch bereit erflärtc, mit feinen
fämmtlichen Arbeitern einer caisse de prevoyance beigutreten. Die
leßte 1898 erfeßienene offigieße StatiftiF beriieffichtigt bie 3iff c m
beS SahreS 1S96, boeß haben fi<h bie Berhältniffe feitbem nicht
geänbert unb für unferen heutigen 3 roc ^/ anläßlich ber gegen*
wärtigen fogialen £rifis in biefer Snbuftrie, gu geigen, inwieweit
ber belgifdje Bergarbeiter in feinem gefahrooßen Beruf gegen bie
golgen oon BetriebSunfäßen im Allgemeinen oerfidjert ift, genügen
biefe 3 a ht e a. Tie gang unbebeutenoen »taffen für bie Beden oon
Bamur unb Suyemburg Fönnen wir hier außer Betracht laffen
unb uns auf bie taffen für bie oier großen Beden BFonS,
©harleroi, ©entrum, Süttid) befcßränFen. Die Betheiligung ber
oerffhiebenen fogialen gaFtoren an ber Speifung ber caisses
communes de prevoyance geigt bie folgenbe Tabefle:
Beiträge (in grancS)
"
ber
Arbeiter
b. Unter*
ncßiner
beS
Staats
ber
$rooiiig
Maße oon Atons ....
_
730 791
11 385
2 466
= = ©harleroi . . .
—
627 241
13 635
2 086
* = ©entrum . . .
211 405 i
211 405
7 236
1448
* * 2üttidj ....
- i
607 614
11 461
—
Dagu Fommen noch bie in berfelben Bietung wirfenben
prioaten ^ülfSFaffen:
Beiträge (in grancs)
ber 1
ber
Arbeiter 1
i
Unternehmer
Maße oon
iPt'ons.
_
379 820
* r
©Ijavlcroi.
©entrinn.
76 265
646 828
76 265
Lüttich.
LS5 538
492 064
905
©ogiale $rasiS. Eentralblatt für Sogialpolittf. SRr. 88.
906
Sie man fiept, tragen in 3RonS unb Eparleroi bie Arbeitgeber
faft bie ganzen Saften biefer VerfiSerung, wäprenb im Zentrum
bie Arbeiter im gleichen ©rabe perangegogen roerben.
Bei ber ©tatifüf ber Aufgaben wollen mir uns auf bie ©e*
fammhiffern für gang Belgien befSränfen. Es oerauSgabten in
1896 bie 6 caisses communes de prevoyance*) 2 653 347 %xc%.,
wooon 44180 grcS. VerwattungSfoften unb bie übrigen
2 609167 QfrcS. UnfaHentfSäbigungen refp. 3noalibitätSpenfionen
finb. ©agu fommen noS bie Ausgaben für gleite 3roetfe feiten«
ber caisses particulieres de secours, baS waren 1 895 528 f$rc£ v
fo bap gufammen an EntfSäbigungen 4 504 695 0frcS. gejault
mürben. 3m ©angen mürben non ben caisses de Prevoyance an
18 757 ^erfonen EntfSäbigungen refp. $enfionen gezahlt, in einer
burcbfdjnittlidben ,f)öpe non 139 3rcS. $ieroon mürben wegen
Unfall 11012 unb gwar mit inSgefammt 1 609 358 SrcS. bebaut,
wegen Alter unb Snoalibität 7745 Verfonen mit 999 807 ÖrcS.
©ie 3apl ber wäprenb beS ganzen SapreS non ben caisses com¬
munes de prevoyance in ber belgifSen $opteninbuftrie fonftatirten
Unfälle betrug 375, banon waren 117 töbtliS unb bie übrigen 258
fernere Verlegungen. S^atürlid^ oerunglüeften in einer ©ruben*
arbeiterbeoölferung non 120 044 $erfonen in einem 3^« rnepr
als 375. Aber oie peute beftepenben VerfuperungSfaffen nehmen
fiS nur ber gang fSroeren UnglücfSfälle an unb fie finb f<f)on
gang allein aus biefem ©runbe als nottig ungureiepenb gu be*
geiSnen. ©öS ift auch bie |)öpe ber gezahlten Benfionen unge*
nügenb unb auS baS gunftioniren im Eingelnen mit Mängeln
behaftet ©er ©eneralbireftor ber 9Rinen £>arge felbft nennt in
einer non ihm 1894 unter einem Vfeubonptn perauSgegebenen
BrofSüre biefe Waffen neraltet. ES ift befatmt, bap bem belgifSen
Parlament, ein non bem norigen SRinifter für Snbuftrie unb
Arbeit, §errn SRpffenS, eingebracpteS ©efep gur Einführung einer
obligatorifSen Unfaüoerficperung norliegt. ©öS pat baS ©efep
in inbuftriellen Greifen fo niel Seinbjcpaft gefunben, bap ber
SRinifier im SBefentliSen beSwegen aus feinem Amte gebrängt
würbe, unb gegenwärtig ift, angeficbts ber politifSen ßage, gar
feine AuSfiSt mehr oorpanben, bap biefer einige Sage nor ben
lebten BSaplen perauSgefommene ©efepeSoorfSIag in ber gegen*
wärtigen Sfatnmer noep gur Verpanblung gelangt. 3n Belgien
tobtet leiber noch immer bie $olitif bie ©ogialpolitif, unb wenn
ficb bie SRaStpaber fSon mal auf ©ogialpolitif einlaffen, fo banbeit
es fub auch bann meift nur um ein politifSeS SRanöoer.
Brüffel. Dr. ©uftan SRaper.
$lan einer Verficbemng gegen ArbeitSloftgfeit in Bafel. 3m
5Rai 1897 bat ber ©rope Vatp ben ©efepentwurf, betreffenb Ver*
ficperung gegen Arbeitslofigfeit an bie oorberatbenbe ©ropratpS*
fommiffion gum 3n)ecfe ber Vorlage eines abgeänberten Entwurfes
gurüefgewiefen. ©ie Äommiffion bat nun unter BerücffiStigung
ber Ergebniffe ber erften Veratbung unb ber anberwärts gemachten
Erfahrungen einen neuen Entwurf ausgearbeitet, ber namentlich
in Begug auf ben Umfang ber VerfiSerungSpflicpt, bie ©ruppen*
eintbeilung ber Verfilterten, bie Beiträge ber Öopnflaffen unb bie
ginangirung ber Anftalt Abweisungen oom erften Entwurf geigt,
©er „Bunb" berichtet barüber: ©ie 3 a bl &er oerfiSerungS*
pflüptigen ftänbigen Arbeiter wirb auf 10000, bie ber niept
ftänbigen Verwerten auf 1322 angenommen, ©ie 3 a bl bet
ArbeitSlofen wirb auf 2200 ober 22 7 0 gefSäpl. ©ie Ausgaben
für Unterftüpungen werben auf 163 580 3rcS. bereSnet, wooon
bie Arbeiter 87 179 3rcS., bie Arbeitgeber 63 184 grcS., gufammen
150 363 grcS. an Beiträgen gu Ieiften hätten. Es würbe fiep alfo
ein mutpmapliSer AuSgabenüberfcpup non 13 217 grcS. ergeben.
3 ur ©eefung bes ©efigits unb eoentueH barüber hinaus wirb bie
ßeiftung eines orbentlicpen ©taatSbeitrageS oon 30 000 3rcs. in .
AuSfiSt genommen, ©ie VermaltungSfoften, bie auf 15 000 3rcS.
oeranfSlagt finb, trägt ber ©taat.
Ein oberster ber freien £>filf#fcereine in f^ranfreiS mirb
bemnäSft fonjtituirt werben, ©ie Aufgabe biefer bem SRinifterium
beS Snnern beigeorbneten Äommiffion beftept in ber oberften in
©emeinfSaft mit bem SRinifter auSjufüprenben UeberwaSung ber
societes de secours mutuels; inSbejonbere fott er bie 3ntpeilung
ber ©taatsfuboentionen an bie einzelnen Vereine übernehmen unb
jährlich einen Bericht über ben allgemeinen ©tanb beS ^ülfsfaffen*
wefenS erftatten. 3ufammengefept ift berVatp aus 36 9Ritgliebern,
*) 2)ie unbebeutenben Sfaffen oon SRamur imb Suremburg bics*
mal sugereepnei.
bie gur ^älfte regierungSfeitig ernannt unb gur §älfte oon ben
Vereinen gewählt werben, ©ie erfte §älfte, naep ben ©efepeS*
beftimmungen aus Parlamentariern, ©taatSrätpen unb anberen
©taatsbeamten gu nepmen, beren SReffortS in bienftliSer Begiepung
mit ben |>ülfsfaffen ftepen, ift bereits ernannt, ©urep VegierungS*
befret oom 2. 3Rai werben nun bie Vorfcpriften (SBapIfreiS*
eintpeilung :c.) für bie ©apl ber gweiten §älfte erlaffen, ©ie
Söaplfreife Tmb territorial abgegrengt. ©iefelben wäplen gunäSft
proportional ber SRitgliebergapl ber in ihnen ejiftirenben Vereine
1 bis 5 ©elegirte, bie bann iprerfeits bie befinihoen Vertreter gum
oberften SRatpe beftimmen.
3lrbeit3»od)öiei^
©pegtalifirnng ber ArbeitSoermittelung in ftäbtifepen IrleitS®
naSmeifeu. 3n ber meprfaS erwähnten Eingabe, bie ber Vorftanb
beS ©efammtoerbanbeS beutfeper 3Retattinbuftrieller an ben ©taats*
fefretär beS Snnern gegen ben Antrag $Roefitfe*Sßa<pnic!e auf Er*
rieptung fommunaler ArbeitSnaSweife gerichtet pat, wirb gur Be*
grünbung u. A. angeführt, „ber Verbanb pabe pauptfäSlicp gegen
bie gemetnblicben ArbeitSnacpweife einguwenben, bap fie, um ben
©Sem ber UnparteiliSleit aufreSt gu erpalten, ftreng naS ber
©S«blone arbeiten müpten. Unb baS tpäten fie in ber Vegel
auS- Von ipnen würben bie Arbeiter ber Velpe naS, tüie fie fiS
gemelbet patten, opne Anfepen ber ißerfon, ben Arbeitgebern gu*
gewiefen, eine UnterfSeibung fönne nüpt gemaSt werben."
©egen biefe Behauptung wirb uns oon bem ßeiter beS größten
fommunalen Arbeitsamtes ui ©eutfSlanb, §errn Snfpcftor §art*
mann in 9RünSen, gölgenbeS gefSrieben:
„2öer ben Betrieb bei einem gut geleiteten fommunalen Ar*
beitSamte fennt, weip, bap biefe Behauptung ben mirfliSen Ver*
pältniffen in feiner 2Beife gerecht wirb. BefannttiS njirb bei ben
Arbeitsämtern oon ben ©tellenfuSenben wie oon ben Arbeitgebern
eine genaue ©pegialifirung berjenigen BJünfSe oerlangt, bie fie
in Begug auf bie gefuepte ©teile ober ben gefuchten Arbeiter pegen.
©arauS gept fSon peroor, bap bie Arbeiter niSt naS ber Veipe
ber Anmelbung gugewiefen werben fönnen. Ein intelligenter Be*
amter weip fepr halb gu unterfSeiben, worauf es anfommt; er
brauSt burSauS fein gaSmann gu fein, fo wenig wie berVicpter,
ber gewerbliSe ©treitigfeiten entfSeibet. Er ift überbieS unab*
pängiger unb uitparteiifSer als berjenige, welSer bem b^treffenben
©taube felbft angepört, wäprenb biefe PS leiS* DOn irgenb welSen
perfönliSen Vücfficpten leiten taffen. AuS ber ÖaSmann fann
niSt in jebem eingelnen galle ben Arbeiter auf feine gäpigfeiten
prüfen; unb tpäte er bieS, fo würbe er oft anberS entfd)eiben, als
irgenb ein SReifter, bem bie betreffenben ArbeitSfräfte gugewiefen
werben. Auf biefe Art würbe bie ArbeitSoermitlelung burep eine
gu eingepenbe 3nbioibualirirung eper gehemmt als geforbert
werben. Qum Beweife bafür, bap bie fommunalen ArbeitSnaS*
weife gur Vermittelung gelernter Arbeiter burSauS qualifoirt finb,
bebarf es nur eines ^inweifeS auf bie peroorragenben Vefultate,
welSe in biefer £>infiSt baS 9Rün(pener Arbeitsamt gu oergeiSnen
pat. 3m 3apre 1898 würben oon ben fämmtliSen 23 452 an*
gebotenen ©teilen ber männtiSen Abteilung 13 090 (= 55,$ %)
? jewerbliSc Arbeiter — |>anbwerfer — oerlangt; pieroon
onnten 11338 (= 86^o/ 0 ) ©teilen befept werben, 3BaS bie 3«*
weifung ber ArbeitfuSenben ber Veipenfolge naS betrifft, fo finbet
biefe nur bei gleicher Duatififation ftatt; wenn beifpielSweife ein
©cploffer auf ©itterarbeit gemünfSt wirb unb es finb mehrere
gleiS qualifigirte Arbeiter oorpanben, bann wirb gang natürliSer
Seife ber guerft PS angemelbete Arbeiter an biefe ©tette guge*
wiefen. 3S fpreSe pier aus ber $rajiS unb pqbe auS fS^n
mehrmals ©elegenpeit gepabt, ber ArbeitSoermittelung oerfSiebener
Snnungen unb ©ewerffSaften (pier unb auswärts) beiguwopnen
unb fenne ipren Betrieb fepr genau. SRaS meiner Anfidjt pat ber
Verfaffer obiger Petition weoer ben Betrieb eines fommunalen
ArbeitSnaSweifeS jemals gefepen, noS felbft ber Vermittelung
eines 3aS*ArbeitSnaSmeifeS beigewopnt, fopin gar feine praftifSen
Erfahrungen, wie überhaupt oermittett wirb."
Berliner EentralPerein für ArbeüSnaStoeiS. 3« ber ©eneral*
oerfammlung erftattete ber Vörfipenbe Dr. Sreunb Bert BeriSt für
baS abgelaufene ©efepäftsjapr. §iernaS betrug bie ©efamtntgapl
ber ©efuSe ber Arbeiter: 34 317, bie ©efammtgapl ber befepten
©teilen: 24141. ©er Verein pat eine genaue ©tatiftif aufgeftellt,
inSbefonbere naS ber ViStung, wie oft ein unb biefelbe V e rion
907
Sogtale Sßrajig. ©entralblati für Sogtalpolitif. Sir. 33.
908
fid^ innerhalb eineg Sa^red bei bern Arbeitgnacbroeig Ijat einfdjreiben
laffen unb roie oft ein unb biefelbe $erfon Arbeit erhalten bot.
Aud) läßt fid) itacbroeifen, roie oiel in jebem einzelnen faße
einerfcitg groifcben bem Eintritt ber Arbeitglofigfcit unb berSMbung
im Arbeitgnacbroeig, anbererfeitg groifc^en ber Reibung im Arbeitg*
nadjroeig unb ber 3uroeifung non Arbeit oerftricben roar. Durch
Abbition biefer 3eit ergiebt fid) bie ferner ber Arbeitglofigfeit.
Dem ©entraloerein ift eg gelungen, bie berliner 5Irbeitcrfd)aft für
bie Veftrebungen beg Vereutg gu intereffiren. Siacbbem bag Statut
bie erforberlidje Abänberung erfahren bot, traten in beit Vorftanb
beg Vereing je oicr Vertreter ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer,
roelc^c burd) bie Viitglieber beg Augfd)uffeg geroäblt rourben. Der
herein bot befanntlub aud) befcbloffen, auch ber Siegelung beg
3acb*3lrbeitgnad)roeifeg auf paritätifdjer ©nutblage näher gu treten
unb bat gu biefern 3 rocc ^ c burd) eine befonbere Sfommiffion ein
Stormalftatut für berartige Öacb^rbeitgnadjroeife auffteßen laffen.
feer herein giebt bie Hoffnung nidjt auf, auch bie Arbeitgeber*
freife für bie ©inricbtung ber Öa<h*Arbeitgnacbroeife gu geroinnen.
Sage beg beutfdjctt Arbeitörnarftcg. Die ©unft beg Arbeitg*
marfteg hält an. Die meifteti Snbuftrien ftnb fo gut befcfjäftigt,
baß bic Arbeiter in Sobnberoegungen eingetreten finb, fooiel ftcb
big jeßt feben läßt, mit ©rfolg. Von 56 Arbeitgnad)roeifen, beren
Berichte an ben „Arbeitgmarft" eingegangen roaren, weifen im
Vergleich jum nämli<ben SJionat beg Vorjabreg 31 eine Abnahme
unb 25 etne 3unabtne beg Anbrangeg auf. Dagu bemerft bag
Vlatt:
„Die Berichte geigen im Durdjfdjmtt einen ftänbigen Aiangcl an
Arbeitefräften. (5g famen auf 100 offene Stellen nur 95,5 Arbeit*
fudjenbe (gegen 108,6 im gleiten SNonat beg Vorjafjreg). 2roß biefer
ungemeinen ©unft biirfen bic bebrofjlicben fünfte unferer gütigen
(Wjdmftglage nicht überfehen roerben. Die freiöfteigerungen in Aob*
eifen, £mlbgeug unb anberen ^abrifaten ber (Sifeninbuftrie finb in Ie^ter
3eit fo rapibe, baß oon Seiten b^oarragenber ^ubuftrießer ernftc
sfearnungen für uothroenbig erachtet rourben. Aud) bergen bic Heber*
fpefulationen in Snbuftrteroertben an ben beutfdjen Torfen große ©e*
fahren in fid). daneben fpielt aber im Augenblicf bie Arbeiterfrage im
SBergbau eine heroorragenbe StoHe. SJian hat feit Auvbrud) beg
belgifcheit Streifg fdjon ein Uebergreifen ber Augftanbgberoegung nach
Deutfdjlanb befürchtet. 3« ber Dljat roirb ber große Vergarbeiterftreif
im Saarreoier als ein folcheg aufgejaßt roerben muffen".
Wol)titttig9ttiefett.
SBobnnngöfürforge in beutfe^en Stabten*
3ögernb unb anfänglich beinahe roiberroiHig geben bie Stabt*
oertretungen an bie fiöfung ber fßobnunggfrage im mobernen fogial*
Politiken Sinne heran, aber fie geben hoch mehr unb mehr heran. feag
geigt einmal ben Siadjbrucf, roomit bie elcnbeit SBobnutiggoerbält*
niffe ber ärmeren großftäbtifeben Veoölferung Abhilfe beiden, unb
gum Anbern, roie aßeg Sträuben gegen ben fogialpolitifd)en Öort*
f cfjritt biefen groar oergögern, aber nicht auf halten fann. Steuer*
bingg ift in München unb Hamburg, in s $ofen unb ©ifenad)
ein Schritt oorroärtg in ber ftäbtifeben V3obmtnggfürforge gemacht
roorben. Dag ©enteinfame babei ift, baß iiberaß bie Stabt nicht felbft
ben Vau non Wohnungen übernimmt, fotibern ficb auf bie Unter*
ftüßmtg gemeiitmißiger Vaugefeßfdjaften bureb lleberlaffung oon
Bauplänen gu mäßigen ober gum Selbftfoftcnpreife unb bureb
Üebernabme oon ©arantien gegenüber ben ©elbgcbcrn befebränft.
3n ©ifenad) bot om 5. SKai ber ©emcinberatb einen Antrag
feineg Augfcbuffeg auf Abtretung oon 800 qm ©eläitbe für ben
Vau oon 2öobitungen Unbemittelter gum Selbftfoftcnpreife ge*
nefjmigt, freilich ben Antrag auf Üebernabme oon 15 000 JL An*
tbcilfd)einen abgelebnt.
Am 3. 3 Rai bißigten bie $ofener Stabtoerorbneten eine
Vereinbarung mit ber gemeinnüfeigen Vaugefeßfcbaft gu ^ßofen
über bie Veleibung oou 2lrbeiterroobnungen. SDie Stabt $ofen
beleibt banach innerhalb beg Stabtgebietcg belegene ©runbftiicfe ber
gemeiunitijigen Vaugenoffenfd)aft big gu 75 °/o beg jeweiligen
©rititb* unb Vauroertbö aud) fdjon beim 2 lnfauf, begro. roäbrenb
ber Vaugeit, forocit bie Snualibitätg* unb Altergoerforgunggauftalt
^ofeit bie erforberlidjen s lUittel bagu b^rgiebt. ^)ag Siififo ber
Stabt ift nad) oben, entgegen bent SRagijiratgantrage, burcf) bie
Voraugfebung begrengt roorben, baß bie gcfamuiten ©runberroerbg*
unb öerfteßunggfoften eine Ijalbe ^Ucißiou Sliarf nid)t iiberfteigen.
S)er 3 lIlö f ll 6 ift auf nur 2 A / 2 u /o, bie Amortifation auf 1 % unter
3uredjnung ber erfparten 3i«f e ” feftgcfetjt, entfpred)enb bem An*
gebot ber ^ofener Verficberungganftalt. ^ureb eine Sieibe weiterer
Vertraggpunfte roirb ber Stabt ein Auffidhtgred)t unb eine geroiffe
©inroirfung auf bie Auggeftaltung ber ^Bohnungen unb bie bamit
gu oerbinbenbeit SBoblfabrtgeinricbtungen (Spielpläbe, ©arten,
Väber, £inberberoabranftalten, Grippen u. f. ro.) gewährt, foroie bie
tbunlichfte Verücffichtigung ber ftäbtifeben Arbetter. feer Ober*
bürgermeifter Söitting fünbigte gugleich an, bafj er, fobalb erft ein
SBobnunggoorratb ba fei, bie ffaubalofen SBobnunggoerbältniffe in
^ofen, ber bichteftbcbauten Stabt ®eutfcblanbg, ja ©uropag, alg
feräger ber Vaupoligei nicht mehr gulaffen roerbe.
SJach bortem Kampfe gegen bie in aßen Stabtparlamenten
einflußreiche ^augbefißerpartei, bie bie Sache roieberum gu oer*
tagen gebaute, ift in ber Hamburger Vürgerfcbaftgfibung oont
10 . SDiai ber Verlauf oon ftäbtifebem ©runb unb Voben gur ©r*
bauung guter fleiner SBobnungen unter ben oon ber Senatg* unb
Vürgerfchaftgfommiffiott für bie Verbefferung ber ©obnungg*
oerljältniffe feftgufteßenben Vebirtgungen mit großer Üßebrbeit an*
genommen roorben. tiefer Vefchluß giebt bie ßßöglicbfeit, Schritt
für Scßritt bie Söobnunggoerbältniffe in ber inneren Stabt gu oer*
beffern unb bie nicht beroobnunggroürbigen ©obnungen aßmäblig
gu befeitigen. S)er Durchbruch neuer Söobnungen, bie lieber*
legung oon ©ebäuben foß weiter halfen. (Vergl. „Sogiale ^rayig^
Sp. 652).
3n München enblicb bot eine oorbereitenbe Verfammlung ge*
tagt, in ber Stecbtgratb Söolfram oom SÄagiftrat Stimmung für
ein gemeinnüßigeg ©obnunggunternebmeit unb beffen Unterftüßung
burch bie ©enteitibe machte. 3 u 9l e '(h mürbe babei eine Vermehrung
ber Verfebrgroege unb bie eitglifdje Slrbeitggeit alg Unterftiißung
ber VSobnunggpolitif geforbert, ja, ein Stebner begeichnet eg afe
bie böchfte 3 e ft unfern beutfehen Stabten anbere Sformen gu
geben alg bigber. ©inftöcfigeg ^äugehen mit ©arten unb £of fei
allein praftifch-
Söobttuttgifiatiftif w Äarlgruhc unb Mannheim. Aug Vaben
roirb ung gefchrieben: Die Stäbte Äarlgrube unb Vfannbeim
oeröffentlichten oor Burgern roieber Slatiftifen über bie leer*
flehen ben ^Bohnungen. $arlgrube fonnte ber neueften ©rbebung
bereitg oier frühere gum Vergleich gegenüberfteßen, roäbrenb \u
SRannbeim nur eine ©rbebitug oon 1895 oorauggegangett ift. 3n
beiben Stäbten finb bie 3 a bl en fo, baß oon einer genügenben Aug*
wähl an ^Bohnungen für 3 ugiebenbe nicht gefprochen roerben fann.
3n ^arlgruhe ftanben 301 SBobnunaen leer, in Vtannheim 331.
Von 5 3iutmern aufroärtg mag bag Angebot wohl genügen, aber
bei ben fleineren ift eg jebenfaßg noch ungulänglid). ^augbefißer
oerneineit eine Sioth, wenn überhaupt ^Bohnungen leer flehen,
roährenb ber 2 Bohnunafu<henbe auch bei 2 lngebot einer fdjeinbar
größeren 3 oh^ uon SBobnungen mit fo oiel 3 immern, alg er braucht,
bod) oeraebUcb fueben fann unb fcbließlicb entroeber Scblecbteg, Un*
gureid)enbeg ober für feine Verufg* unb Arbeitgoerbältniffe un*
günftig ©elegeneg nehmen muß. 3Bag bag unter Umftänbcn Reifet,
braucht faum mehr erläutert gu roerben, benn eine entlegene
SBobnung oerlängert bie Arbeitggeit oielleicht um 1—IV 2 Stunben
täglich, oerbiubert an gemeiitfamen SOtablgeiten ber Öamilie unb
entgiebt bem Arbeiter oielleicht fogar bie VJöglicbfeit eineg bäug*
lieben ßßittageffeng, treibt ihn ing VHrtbgboug ober oerroeift auf
falte Stoft mit erbeblidjen 2 luggaben. feie ©ingimmerroobnungen
fpielen in ben babifeben Stäbten feine Stoße für Arbeiter, aber "bie
3roei* unb Drcigiimnerroobnungen, unb oon biefen ©attungen
ftanben in ^arlgrube nur 52 unb 87 leer. Sie bo&en groar gegen
1897/98 erheblich unb auch noch etroag gegen ©nbe 1898 guge*
nommen, aber troßbem ift bag Angebot noch nicht augreichenb.
3n Vtannbeim roaren 71 ©ingimmerroobnungen leer, in Ä'arlgrube
nur 4. Die 89 3meigimmerroobnungen in Sßannbeim überfteigen
auch bag £arlgrubcr Angebot noch erheblich, bagegen ftnb
Dreigimmerroobnungen bort nur 66 frei geroefen, in Harlgrube
jeboch 87. Die Viictbpreigftatiftifen hoben weit weniger Vkrtb olg
bie über bie Stäume, bettn bie Dualitäten ber ^Bohnungen laffen
ficb ftatiftifcf) gu ßbroierig erfaffett. Vtan barf annebmeit, baß bic
billigen greife für alte, fdjlecbte ^Bohnungen gelten unb bie Durdj*
fcbnittggablen fo beeinfluffen, baß baraug feine richtigen Schlüffe
gegoejen roerben fönnen. 2 Bir geben baher aug ber Vtannbeimer
Statiftif nur bie Durcbfchnittgpreife für neue (noch nie begogene)
leerftebenbe ^Bohnungen. Diefe finb für
1 ^iuuuer mit ^iid}c.216 JL
2 = = = 307 *
3 * * * 468 *
4 = * - 628 *
5 * * * 1159 *
909
©ojiale Vrajiß. Eentralblatt für ©ojialpolitif. SRr. 33.
910
SBobnmtgen ohne &üd)e befinben ft<h unter beit neuen nicht
mehr. dinginunenüo^nungen ohne $üdje fofteten burchfchnittlid)
106^/, Sroeijitmnerroofjnungen ohne Sh’idje 212 <,ft.
Sir Befd>ränfeu unß auf Btittheilung über bie Heineren
Sohnungen, ba nur foldje erheblidjeß Sntereffe für ben Sozial*
politifer fabelt.
dr$itl)injg mtb filUmtng.
©djug bet gttgettbltdjeit tot Berrthiutg im prenttfdje« ftmenhattfe.
$ie Bemühungen beß prcufjifchcn §errenhaufeß, bte gugeno »or Ver¬
rohung 31 t fchugen (ocrgl. ©p. 605 unb 712), hnt «nt 12 . SDZai jur An*
nähme einer Aufforberuttg an bte Regierung geführt, „ 1 . bahüt 311
toirfen, bafc für bie fehlt lentlaffene mämtltdje unb weibliche gugenb biß
31111 t Filter non 17 gahren ber Vcfud) non ©djanfftätten, namentlich
non folchen, in bencn Branntwein gefchänft tnirb, nerboten werbe,"
2 . an bte engeren unb weiteren Kontmuualoerbänbe eine Anregung
baljin ergehen ju laffett, ba& fie Einrichtungen treffen ober auß öffent¬
lichen Mitteln unterftüpen, welche ben genannten jungen Leuten bie
Vföglidjfcit bieten, an ©ontt- unb gefttagen in angemeffener Seife eine
erfrifchenbe unb oercbelnbe Unterhaltung 311 erlangen. Sieß Kompromiß
jwifcheu ben Verpflegungßbcbürfnijfen ber ©rofjftäbte unb bem Suufdje,
bie gugenb ben ©djanfftätten fern 511 h a ^ en , war in ber eigettß jur
Veratfjung bicfer grage eingefegten Komntifftoit gefdjloffen worben. S)a
bie $arteigenoffcn ber SRefjrheit, bie biefe Einträge befdjloffett, jur felben
gcit im Abgeorbnetenljaufe auf eine Verfügung ber ©chuljeit unb
Schulpflicht ber länblidien gugenb fünarbeitet, fo glauben wir nicht
recht an einen (Erfolg ber »orgefdjlagenen SRafcnahmen.
$te $odjfch»I#»rttage für gebermttim in ßeipgig, bie bie Fosenten
ber Unioerfität im Sinter 1898/99 oeranftaltet hoben, haben eine ftarfe
Abnahme beß Vejudjcß erfahren. Rechnet man bte Vefudjer ber 10 Vor-
tragßabenbe ber (Ein^eloorträge unb ber tnßgcfantntt 22 Abenbe ber
Vortragßfurfe jufammen, fo ergiebt ftch eine Vefud)ßjiffer »on jufammen
4788 Verfoncn gegen 10 104 Vefttcher bei 12 unb 24 Abenben beß Vor-
jaljreß, alfo ein Viicfgang beß Vortragßbefudjß non 47 %. Seibliche
Vefucher waren barunter 650. Unter ben männlichen Vcfudjern ftefltcn
bie Kaufleute (481) unb ©tubenten (176) ein ftärfereß Kontingent. 2>ie
Arbeiter entfanbten 69 Sifchler, 45 ©attler, 44 Vudjbinber, 30 ©djneiber,
25 gormer, 29 Vautedjnifcr, 10 9Raler. Ucbcr bie Art ber Seiter-
führuttg beß Uitternehmenß foH auf ©runb ber nunmehr breijährigen
(Erfahrungen bemnächft VefdjluB gefaxt werben.
(Bewetbegetitfyte. dinigungsämtcr. ßdjirbggcridjk.
Ablnbenmg beß ©et»erbegerid)tß»©efeheß. $>er »out Abge-
orbneten £rimborn »erfaßte Bericht ber 7. Kotnmiffion beß SReichß-
tagß über bie Anträge, betr. bie ©eroerbegerichte, ift im $Reid)ßtage
erfchienen. $>er ©efefcentwurf, betr. Abaitberung beß ©efefceß »om
29. Soli 1890 über bie ©eroerbegerichte, lautet nach ben Befchlüffen
ber Kommiffion:
^Irtifel I. 35ent §. 1 beß ©efepeß oont 29. guD 1890 wirb alß lefcter
Abfafc bie folgeitbe Vorfdjrift hin 3 itgefügt: „gn ©euteinbett mit mehr
alß 20 000 (Einwohnern mufj bie (Errichtung eineß ©ewerbegeridjtß ooit
ber Sanbeßjentralbehörbe auf Antrag beteiligter Arbeitgeber ober Ar¬
beiter angeorbuet werben".
Artifel II. $em §. 3 ift folgenbe neue Veftimmung hiujujufügen:
„über (Entfchäbigungßanfprüche auß gefefcwibrigcn (Eintragungen in
Arbeitsbücher, 3 cu 9 ri tffe, Kranfenfaffenbiicher unb Ouittungßfarten ber
gmjaiibitätß- unb Alterßoerfidjerungßanftalten, fowie wegen wibcrrcdjt-
Iicher Vorenthaltung bicfer Rapiere".
Artifel UI. 3m §• 13 beß ©efefeeß wirb alß Abf. 5 bie Vcftimmung
hiitjugefiigt: „^ic ©emeinbebehörbe hat eine Sifte ber Sahlbercdjtigtcn
auf^uficllen. ^olijeibehörben, Kraitfcnfaffcn, welche im Vejirf beß Oe-
werbegerichtß beftehen, ftnb oerpflidjtet, ber ©enteinbebebörbe auf Ver¬
langen bie für bie gertigung ber Sählerliftc für Arbeitgeber unb Arbeit¬
nehmer erforbcrlidtnt Außfünfte ju geben, itißbefonbere (Einficht ber
SRitgliebcroerseichniffe, be^w. ber ©ewerbean^eigeit su gewähren, ^ie
VJifte ift währenb uier Soeben »or bent jur Saljl beftimmten 2age $u
3ebcmtannß (Einficht außjulegen, unb ift bieß juoor öffentlich befannt-
Snmadjeu. Ser biß jum 2agc »or ber Sahl feine Sahlberechtigung
nadjweift, ift in bie Sählerlifie einjutragen".
Artifel IV. 9tadj 62 beß ©efefceß wirb folgenbc neue Veftimmung ein¬
gefügt: §. 62a. (Erfolgt bie Anrufung nur »on ©eiten einer Partei,
fo hat ber Vorfigenbe hi^on einer ober mehreren ber ihm alß Ver¬
trauensmänner ber anberen Partei befannten ^erfouen Äeuntnife 31 t
geben unb zugleich nach SWöglidjfeit bahin ju wirten, bah auch bie
anbere Partei fich jur Anrufung beß (Einigungßamtß bereit fiubet. Auch
in anberen gäüen foH ber Vorftgenbe bei ©treitigfeiten ber im §. 61
bejeichneteu Art auf bie Anrufung beß (Einigungßamtß hw&aroirfeu
fud»en unb biefelbe ben Parteien bei geeigneter Veranlagung nahe legen.
2)er Vorftgenbe ift befugt, au ben ©treitigfeiten betheiligte Verfonen
»or^ulabett unb 31 t »ernehmen (Er fann hierbei für beit gatf beß 9Ucht-
erfcheinenß eine ©elbftrafe biß 311 100 JL anbrohen. Oiegen bie geft-
fegung ber ©träfe finbet Vefd)werbe nach ben Veftimmuugen ber (Eiuil-
pro 3 ehorbnung ftatt.
5)er Artifel I will alfo bie bißher nur fafultatioe Errichtung
»on ©eroerbegerichten für bie größeren ©emeinben obligatorifch
madhen. Artifel II erweitert bie 3 u ftäubigfeit ber ©ewerbegerichte.
Artifel III legt ber ©emeinbe bie öerfteüuitg oott 2Sahllii”teit ge-
feglich auf, währenb bißher bie Beftimmungen über bie SSahl bu'rch
Drtßftatut geregelt würbe. S)er neue §. 62a erleichtert unb »er-
ftärft bie $£f)ätigfeit beß ©ewerbegerichtß alß (Einigungßamt bei
Arbeitßftreitigfeiten.
©(htebßgerichte bet Arbeitßftreitigfeiten itt ©djmeben. Ein Antrag,
ber bie (Einfegmtg »on ©d)iebßgerichten bei Arbcitßfonfliften forbert, ift
in ber 3 weiten Kammer berathen worben. Er würbe 31 W llcoerweifung
an bie Regierung angenommen.
Obltgatorifdbe ©inignngßämter in gnutfreidj.. ^ie Arbeitß-
fommiffton ber ©eputirtcnfatnmer hat in ber Beratung beß An-
trageß gfern) (fiehe ,,© 03 iale ^ßrayiö" S?r. 17 ©palte 461 b. 3.)
fich mit beffen $rin 3 ip einoerftanben erflärt. ©ie wirb bemnad)
in £ur 3 em einen ©efegentwurf oorlegen, welcher bie Einführung
beß obligatorifchen Einigungßoerfuchß be 3 wrdft. $a<h bem
heute geüenben ©efege »om 27. $)e 3 ember 1892 ift baß Einigungß-
»erfahren bei foHeftioen Arbeitßftreitigfeiten befanntlich nur faful-
tatio. ®ie Sfommiffton wirb für ihren ©efegentwurf bie befchleunigte
parlamentarifche Behattblutig beantragen.
Cttttttrifd)* Änjtige«.
I. Bücher nnb Brofchüren.
©tatiftif ber Veichßtagßwahleu »on 1898. ^weiter 21jeil.
9febft 3 wei graphifd)cn 5)arftellungen, betreffenb bie Acidjßtagß-
wablen 1871 biß 1898. Vearbeitet int Kaifcrlidjen ©tatiftifchen
Amt. Ergän 3 ungßheft 3 u ben Vierteljahrßheften 311 » ©tatiftif
beß ^eutfdjcn Aeidjß 1899, I. Berlin 1899, Vuttfaminer & SRühl-
bredjt. 101 ©. Sabeitprciß 1 Ui .
©ehr überftchtlid] bearbeitet wirb biefe ©tatiftif fich für i e &cit
Volitifer alß unentbehrlid) erweifen.
Ard)i» für f 03 iaIe Olefepgebung unb ©tatiftif. geitfehrift 3 m*
Erforfchung ber gcfellfdjaftlichen ^afläube aller Sättber. $erauß=
gegeben »ott Dr. Heinrich Braun. XIII. Battb. 5. unb 6 . §eft.
Berlin 1899, Earl «peijntannß Verlag.
gnhalt: 2>er neue Entwurf eineß 3u»alibcnüerrtcherungß-
aefegeß in ®eutfd)lanb. Von Dr. Ernft Sange itt Berlin. — Sie
fo 3 tnlett guftättbe in ber ©eibeninbuftrie ber 0 ftf<hwei 3 . Von
Dr. g. ©$uler, gabrtfinfpeftor in 2Rolliß (©d)t»ei 3 ). — 5)ie
©teucrprogreffioti. Von Dr. Elemeuß .^eiß itt Berlin. — 2>aß
neue Wefejj, betreffenb bie 9?atiottal-Verjorgungßfaffe für baß
Alter unb bie guoalibität ber Arbeiter. Eingeleitct »ott
Earlo g. gerrariß itt Vabua. — ^ie Urfacbett ber Erwerbß-
unfähigfeit nach bem beutfehen 3u»alibitätß- unb Alterßoerfiche-
rungßgefeg. Von Dr. Entft Sange in Berlin. — Salbcigeitthunt
unb Salbmirtbfchaft. Von Xh^obor Eurti, Aegieruitgßrath in
©t. ©allen. — Sie fran 3 öftfchcn Arbeiteraußftänbc ber 3uhrc
1893—1897. Von Dr. gerbinanb Aurin in Berlin-griebenau.
gah^üueh beß Allgemeinen Verbanbeß ber beutfehen Ianbrnirthfchaftlicbett
©enoffettfehaften für 1898. Offenbad) a. 3R. 1899, Verlag oer
Anioaltfchaft beß Attgemeinen Verbanbeß. Sabenpreiß 6 M.
Yrkesinspektionens verksamhet ar 1897. Stockholm 1899, E.
L. Beckmanns Boktryckeri. 332 ©.
o
EconomUk Tidskrift. Utgifven af David Davidson. Arg. I. 1899.
Haft 1 — 4. Stockholm, Hngo Gebers Förlag. Pris per argaug
(12 haften) 10 kronor.
II. $nuffa<h*tt tum BentmUttttgett, Bereiue« jc.
§agen t. S. Vericht über ©tanb unb Verwaltung ber ©etitettibe-
Angelegenheiten ber ©tabt £>agen i. S. pro 1897/98 unb £>aitß=
haltßpläne für 1899.
Karlßruhe i. V. Vorlagen an ben VürgcraitßfdjUB.
Vofen. Voranfchlag für bie Einnahmen unb Außgaben ber ©tabt-
gemeittbe Vofen pro 1 . April 1899/1900.
Elberfelb. guhreßberidjt ber ©täbttfd)en Armenuerwaltuttg pro 1897.
greiburg i. V., Vorlage beß ©tabtratheß ber ©tabt greiburg i. V. att
ben Vürgeraußfchujj.
Berant»ortete für bte Stebafttan: Dr. Crnfl Stande tu Setltn W., »Qjjreut^erftrafec 29.
911
(Soziale ^rayi*. Gcntralblatt für ©ojialpolitif. 92r. 33.
912
®' c Pvarlo"
für ba«
eriefjeint an jebem ©onnerStag unb ift buvcb alle S3ud»l)anblunv)en unb ^oftäntter (^oftsefttuigOnunimcr 7072) 311 bejieben.
©ierteljahr ift 9)2. 2,50. Jebe 92umnier foftet 30 ^r- ©er 8 ln 3 eiflenprei 3 ift 60 ipf. für bie breigefpattene ^3ctit^cUe.
©er 4 )reiö
Belanntmacfyung.
^ci i>cr Ijicjifleu ®cmcr 6 c%snfpcftioN ift bic Stelle eines
HF** (J>cnicrbc- 3 itrachtors
*u beferen.
©a* ?lnfaug*(jclialt betragt 33?. 3 200.— jährlich unb fteigt nach je 4 ^ienftjatjrcn um
9)2. 600.— bi* jum öd) ft betrage non 9)2. 5 (XX).—
9)emcrber, mcldjc eine ted)iiifrf)e .'podjt'dutlc abfoluirt, bic erfte 8 taat*= ober ©ipIom^Srüfuiig
im 9J2afd)incn= ober Schiffbau beftanbert babnt unb imlf*mirtl)fd)aftlid)e ftenntniffe, fomie ge=
niigcrtbe $rari* tiadiftuiucifcu uermögen, merben crfudjt, ibre Reibung unter Beifügung einer
furjen yebensbcfdircibung unb non 3 cuguif)abid)vifteu &iä (*»bc b. an bic wch»crbc=
Jnfpcftiou, Stabtbnu^briirfc 15, II $u rieten.
Hamburg, ben 1. 9J2ai 1899.
©ic ©cwcrbc-§nrp«ht!i>it*
X. ©xmigelifrij-bnialfr Kongreß in fiirl. ji- :
dajxcsuvbmutjt. Hering m
I. Wiimiod), Seit 24. 9Wni: —---—
a) 92ad)mittags 4 Ubr: ©e ich I offene Si^ung be* 9lu*fd)iiffc* |
im .frotcl ©ermania am 9?al)nliof. Ifmi
b) StbeubS S Ubr: Ceffentlidje 33egrüfjungSoerfammlung in ZUlU
©riebt* (Stabliffement (Sopbienblati).
II. foitncrftofl, Sen 25. 9Hoi: Hi-rfiiirnnii«.
a) griib 9 lU)r: 9?ci ©riebt. yiC|U||UlllJS j
1. (Eröffnung be* Stongreffe* burdi ben 9?orfipcnben, ÜanbeS«
öfonomierat 92obbe = 5?crlin. r « .. r
2 . Jab re* bericht be* ©eneralfefretär*. ,le8 I ,rcu B l M
3. ßrftc* Referat: **crbältiti* bei* lutbcrifcfjcii ftitd)c
jur f oktalen Jvngc (Referent ^rofeffor Dr. Staftan*
Berlin). (
b) 92ad)mtttag* 3 Ubr: Sei triebt.
Zweite* Steferat: fonftitutioitcUcSi)ftcni imjyabrif-
betriebe (Referent Jabrifbefifcer $einrid) greefe*Serlin).
c) 9lbcnb* 8 Ubr: Sei triebt.
Solfsabenb mit befonberem Programm. (Puitltlf
III. Cyrcttafl, *cn 26. SWai: WlUJUfl
a) Jrül) 9 Ubr: Sei ©riebt.
©ritte* 9tcfcrat: Utfnubluitgcit beä s ^itbuug*ibcnlc< in
ihrem ;Jitfamnieitl)aiigc mit ber foktalen (*uttmcfliutg
(Referent Srofeffor I)r. griebricb ^auIfen»Berlin).
b) 92ad)mittag* 2 Ubr: Sei ©riebt. j < 7 w
(Jrfte Spe$ialfonferen$: $ic bisherigen <*rgcbniffc
bcS lyroucnftubiiimS in ©cutjd)laitb nnb feine tior= II. Poti
au*ftd)tlirt)c (Jmnrirtlitug (Referent Jrl. Dr. State |
©inbfd)cib = ^eip^ig). — jmeite Spcjialfonferenj: Sor*
fdiläge jur 92eubelebung ber eoaugeIifd)=fosiaIen Stonferenj in j-
3djle*mig*£>oIfteiii (Referent ^aftor J. Stäbler*@tcllau).
c) 92 ad) mit tag* 5 Ubr: Jabrt in See unb jum92orb*Dftfee*StanaI.
9)?an mirb bringenb gebeten, ftd) megen ©obnuug (^rioat* ober
.frotelmobnung) rechtzeitig an ben „Serfcbr*oerein", Stiel, Sd)lof)= ÖfSr
garten 15, ju menben. (Sine 9lu*funft*= unb t5mpfang*fteüe befinbet W4
ftd) mäbrenb be* Stongreffe* im Sabubof unb int Stongrefjtofal.
(Sinlafefarten für alle Seranftaltungen be* Stongreffe* foften
2 .«., lage*farten 1.50 X, für ben Segrüf)ung*abeub ober bic Spc$ial=
foitferenjcn 0.50 3Witgliebfd)aft mirb bitrifj Jahresbeitrag ooit5.l.
au aufmärt* ermorben; aufecr freiem (Sintritt erhalten bie 9)?itglieber |
ben ftenograpbifdjcn Seridjt über bic Serbanblungen unb bie monatlich /]
erfdjeiuenben „AVitteilungen" ohne meitere Stoften. Sämtlidjc Starten v
ftub nur für bic ^erfon giltig. Sic finb 511 taufen in ben ?lu*funft*=
fteflen, in ber Sudibanbluug uon •'oagge (.^oltenauerftrabe unb in ber
9)2ufifalienl)anblung oon ^ä^el (s3olfienftraf}e). Jeber Scfudjer mirb
ueranlafjt, fid) in bic ^räfenjlifte ein^utrageu. ... — ■ —
Otto Liebmann, Verlagsbuchhandlung, Berlin W. 35.
Die soziale Lage der
arbeitenden Klassen in Berlin.
Von Dr. E. Hirsehberp,
Assintcutco am Statist. Amt der Stadt Itcrlin
1897. Mit mehreren graphischen Darstellungen. M. 5.50.
Das Buch eutbiilt ciuc, auf genauem sfatistisch-m Material fuDeude
Darstellung der sozialen Lage der gesamten arbeitenden Klassen in Beillu
unter Vergleichung mit anderen Städten.
Bürgerliches Gesetzbuch. = Liliput-Ausgabe. =
Nebst Sachregister. Zwoiter. uti verHmlcrter \aelidnu-k.
11.—20. Tausend. 014S. kl.Formats. (7:llcm). Dauerhaft in Leinen geb. M. 1,—.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
Soebeu erschien:
Über
Inhalt, Natur und Methode
des
internationalen Privatrechts
von
Itr. Franz Kalm.
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Abdruck aus Iherlng’s Jahrbüchern für die Dogmatik
des bürgerlichen Hechts. 40. Bd. 2. Folge 4. Bd.
örrlng mm Puitriirr k fjnmMnt in fripMH-
llmriffe uitö Hittcrfudtuttacn
int
Pttfn|iuiig 5 -, Jtrrnmliuugs- utiii nitttf(i)ttft 5 grf(|ti|tc
befonbers
ifes |)rcu§ifrfim Staates im 17. unit 18. dalirliiuufert.
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II. Pont 14 . bis jum 1 ( 5 . ^altrlmnbcrt.
©etii). 14 311. 80 Pf.
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unb ber
Bolksmii'ffrfiaftsrrfirr.
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Schriften von Georg Simmel:
lieber sociale Differenzierung.
Sociologische und psychologische Unter¬
suchungen. 3 M. 60 Pf.
Probleme der Geschiehtsphilosophie.
Eine erkenntnistheorethische Studie.
iicriintiDOClii.lj far t>tc «meinen: ^eQmutt) <Hetbd, ßclpitj. — »frlog oou Duucfcr dt ^uuiblot, öripiifl. — tScDvucfi bet 3ullud Sittcnfelt», S.rlm.
VDL l^rpng.
©erlitt, ben 25. 2JJat 1899.
llumnur 34.
Senate ptajis.
für ^»ogictrpoCifiß
mtt ber aflonatSbetlage:
Das (Bewetrbegericht.
©rgan t>es Oerbantles beutfdjer (Bcwcrbcgeri^te.
97eue golge bcr „©lätter für fogtate prayi&* imb beS „@ogtatpolittfSen (SentralblattS*.
«rffttte* n jekem 9«me*f«f. |>eranSgeber: frei« »iertdiXtrtt* 2 9t. 50 ff.
Slebaftton: ©etlht W., ©aßreutberftraße 29. Dp* Cfttß «ftGttlfet* ©erlag bon ©»uncfer & £umblot, Selpgig.
3ii Bült
SRcfotm ber gabtifgefefeflebung
in (Srnßlanb. ©on g. SB. Gatton,
Bonbon.913
©ie obligatorif <pe Anrufung
bc8 GeteerbegeridjtS all
<$iniguttg8amt in HrbeitB*
fümpfen. ©on D. Steigert,
gabrifant, ©erlin.917
VSiMctai ffteb mm Wetlfdiftl*
»#( tttt.920
©ie ©erfeanblungcn über bie
„Seutenoip" im preufeiftfeen
f bgeorbnetentjauf e.
3ut 9teförm ber ©erjtdjerung8gefefe»
gebung beS beutfdjen 9lei<b8.
gütfotße für Srbeitfllofe in freufeen.
2>a8 Gefcfe über bie SoßnjaHlung in
granfreidj.
••«Ule daftftnbc : .922
©ie ftontlicfee Regelung ber Griffel«
inbuftric in SDieiningen.
SäftcitcsMMatwg.922
®a8 Gnbe beS ©treifß ber bet*
giften Grubenarbeiter. 33on
Dr. Guftaö SJlaper, ©rüffel.
©eenbigungbeSSetgarbeiteraufiftoitbe«
in tfleinroffeln.
Streifs in Oefterreitfe 1898.
Sie gelbarbeiter in Ungarn.
24 ©tunben ©rieftrftgerftreif in f ariS.
©ie Geteerffdjaften im Staate Siete«
2Jorf.
SKaffenauafperrungen in ©fanbinabien.
tttbetletf*«*.927
©er ©anarbeiterfdjufe unb bie ©au*
arbeiter.
9 UHr»9abenfd&Iufe unb SKinimalru^e-
seit für $anbet8angefteUte.
Unterfucfeung über bie Sage ber 3*nf»
Hüttenarbeiter.
SRafenafemen gegen bie gewerbliche
Äinberarbeit in ©erlin unb ©ororten.
Siegelung ber grauen* unb ftinbet*
arbeit in Italien.
Urbciterterffffcesaaf. 929
©ie jlranfenberftcberungdpflicHt ber
©ertiner &au8inbuftriellen.
©ie Unfattberficfeerung in Deftexreidj.
Sur §ragc ber 8Uter8berforgung in
Gnglanb.
UnfafiberficbeTung in Sftuferanb.
.930
©ie Srbeitabermittetung, bie Unter*
nehmet unb bie Arbeiter.
©er ©erbanb babiftper ÄrbeitBnacfe*
weife.
fifo|IM«t5ei«ft4tt8tttcai .... 931
©ie 8. Äonfereng ber Gentralftelle für
frbeitetteobLfabrtaeinricbtungen in
©tuttgart.
©ie ©ereinigung gut gffirforge für
franfe Arbeiter in ßeipjig.
»otnaagitotfcs.932
^ppotfeefenbanfen unb ©aufpefulation.
©au bon Mrbeitertoofenuugen in
©reabeu.
©rgitbKn« **b mmurng .933
©ie Gcfeflfcbaft für ©erbreitung bon
©olfabilbung.
«etectbcgexiibte. •hti$st*g5ftmtes»
MUbSgertftte.934
froteft bon Unternefeniem gegen
Ginigungaümter.
Steuerliche gälte bon einigungaamt*
lieber ober fd}ieb8gert<btlicfeet Söfung
oon Slrbeitaftreitigfeiten in (Snglanb.
Äbbrutf fämmtli<ber Srtifel tft geltnngen unb Beüfdndfien geftattet, jebod) nur
mit boUer Quellenangabe.
Urform ber «fabrUtgefelgebttttg in (England.
Unter ben gabIreiSen gefeßgeberifSen Stufgaben in ber bieS*
jährigen 0effton beS Parlaments, roelcbe in ber Sbronrebe oom
7. J$ebrnar angegeiqt mürben, befinbet ficf) eine SftooeHe gum gabrif*
gefeß. SDoS giebt jene feine Slnbeutung über ben oorauSfiStliSen
Snbalt beS VegierungSoorfSIageS, unb eS ift nic^t unmöglich, baß
im prange anberer unb für bie Regierung oiel mistigerer gefefe-
geberifSen 2luf gaben ber Plan ber 3looeIIe roieber auf gegeben merben
roirb. 9UStSbeftoroeniger erfdjeint baS ©efefe einer meiteren fUeuifion
reSt bringenb bebürftig. 2)as beftänbig maSfenbe fogiale PfliSt*
bemufetfein innerhalb beS ©emeinmefenS immer mef)r gemiffe
©eftimmungen unb Porfebrungen geltenber ©efefee für un 3 uläng*
liS- ®as u fommt, bafe ein großer Sbeil ber Öabrifgefebgebung
ber iüngften 33ergangen|eit nur ben ©b^rafter non Serfucbert auf^
roieS unb baber ergänzt merben mufe, fobalb bie ©rfabrung be*
roiefen bot in melSen 9ltStungen man am leiSteften unb ficberften
fortfSteilen fann.
^etraSten mir beifpielSroeife einige ber 3äHe, in roelSen aus
biefem ober jenem ©runbe eine erneute ©efefegebung b*ute notb*
menbig ift. 3)a finben mir gunäSft unter ben b cy te oeralteten
SSorfStiften bie ©rlaubnife ber Permenbung oon ^albseit^
arbeitern, b. b- ^finber im fSulpfliStigen SUter, benen auf
©runb eines äqtliSen 3 e ugniffeS geftattet roirb, einen bul&en
in einer gfabrif ober ©Jerfftatt unter ber Üöebingung gu arbeiten,
bafe fie ben anberen halben Sag bie ©>S u l e befuSen. 0eit langen
Sabren roaSft bie 3 a bi ber protefte gegen bies 0^ftem fort*
roäbrenb. ©S beftebt namentliS in ben Seytilgeroerben, unb feine
üblen aBirlungeit b a &en niSt nur in einer 6Säbigung ber ©e*
funbbeit, einer Hemmung beS aßaSStbumS, einer ÜBeraubung biefer
jungen 2Sefen oon 11—13 fahren binfiS^iS ber 3Bobitbaten einer
regelmäßigen ©rgiebung mäbrenb einer befoitberS bebeutfamen 3eit
ihres öebenS beftanben, fonbern bie $inber fiitb auS oielfaS einer
oerbältnißmäßig größeren 3 a bl nun Unfällen auSgefeßt als irgenb
eine anbere ?lrbeiterflaffe in benfelben ©eroerben 1 ). 9liStSbefto*
roeniger batten bie Unternehmer bis jeßt bie UnentbebrliSfeit ber
SSeiterbefSäftigung biefer Äinber betont, unb bie ©Itern haben nur
gu oft begierig eine SSermebrung ihres Samilieneinfommens auf
biefe aSeife ohne SlücffiSt auf bie folgen für ihre $inber gu er*
reifen gefuSt. ©lücfliSermeife aber ftnb mir jeßt boS in einem
0 tabium angelangt, roo ein aßanbel mögliS ift- 0S°n feit 1890
ift eine ftänbige unb regelmäßige Abnahme ber befSäftigten §>alb*
jeitarbeiter gu oergeiSnen. 3m Ießtcn 33eriSt bcr Sabriftnfpefiorett
fteHen fte ausnahmslos bie ftänbige Slbnabme ber §albgeitarbeiter 2 )
feft; in einigen ©egirfen fanben fie biefe klaffe jeßt bereits „tbat*
fäSIiS oerfSmunben". SieS geigt flar, baß es ben Unternehmern
niSt mehr fo uncrläßliS unb fo einträgliS erfSeint, fte in bem
früheren Umfange gu oerroenben. Slnbererfeits haben bie aotit*
glieber ber SeytilgeroerffSaften SlngefiStS beS oon innen unb oon
außen her maSfenben aßiberfpruS$ gegen biefeS 0pftem neuer*
bingS befStoffen, baß feine $lbfSaffung notbroenbig fei, unb fiS
gu biefem 3mecf mit einer gur ©rreiefjung ber SlbfSaffung be*
grünbeten Bereinigung gufammengetban. Unter biefen Umftänbeit
finb mir gu ber §>offnung berechtigt, baß bie SRooeHe beS fyabrif*
gefeßeS eine oouftänbige ©efeitiguug biefer flägliSen ©inriStung
enthalten roirb. Sie Annahme beS bt era uf abgielenben Antrags
SRobfon 3 ) am 1. 5Dlärg im Unterbaufe fann biefe ©rroartung nur
beftärfen.
ferner mirb man boffcntliS halb in ber Sage fein, bie ©e*
ftimmungen beS ©efeßeS oon 1895 über bie Ventilation unb
l ) ©gl. bie SabeHen unb bic ©emerfnngeit bagu in bem ©ericfit
beS Cbief Iospector of factories 1896 ©. 8 (c. 85,61. 1897).
*) ibid. e. 53.
3 ) ©gl. „@oj. praytS" 0p. 626.
915
©ogiale PrajiS. Eentralblatt für ©ogialpolitiF. Str. 34.
916
ben Sßinimal-ßuftraum für ben eingelnen Arbeiter in gabriFen
unb ©toFftätten gu ergänzen. 3>aS ©efefe fdjreibt einen SJtinimal-
Luftraum oon 250 StubiFfufe (engl.) = ca. 7 ShtbiFmeter pro SFopf
roährenb ber gewöhnlichen ArbeitSgeit unb 400 SlubiFfufe (engl.)
= ca. 11 $ubiFmeter roährenb etwaiger Ueberftunben oor. S£)ieS
ift ein recht niebrigeS SRafe unb bie 6ad)üerftänbigen ftnb ft<h ba*
rüber einig, bafe ein langer Aufenthalt in mangelhaft oentilirten
©krFftätten bei einem fo geringen gur Verfügung ftehenben ßuft-
raum für bie Arbeiter unb fpegiell für grauen gefunbheitSgefährlich
ift. gerner erfdjeinen ©eftimmungen nothroenbtg, bie bie fofortige
(Einführung oon ©djufcbecfeln an ben ©öebefchiffchen
aller ©kbftühle anorbnen. 3ur 3*it fc^cint allerbingS ein geroiffer
3meifel gu beftehen, ob eS möglich fein roirb, biefe ©chufemaferegeln
gefefelid) anguorbtten, unb oiele Xaufenbe oon SBebfiühlen finb noch
ohne ©chufeoorfehrungen, obgleich bei ber ftänbig gunebmenben
©etriebsgefchroinbigFeit ber SBebftühle bie 3ahl ber jährlich oer-
geichneten Unfälle an ben ©*ebef<hiffd)en angefid^tö beS gehlenS
biefer ©chufeoorrichtungen rapibe roäcfeft. $)abei mären fie alle
leicht gu oermeiben unb man müfete bemgemäfe unoergüglich ein-
fchreiten. 4 ) ©chliefelich fcfjeint es gleichfalls nöthig, gefefelidse
©orfehrungen gegen bie Gefahren, ber als Betriebs* ober
£eu<httraft oermanbten EleFtricität gu treffen, ba ihre ©er-
roenbung nunmehr bereits einen breiten Staunt einnimmt. igd)
roünfchie, ich Fönnte meine Hoffnung auch auf ein Eingreifen gu
©unften ber gahlreichen unb begrünbeten ©efeferoerben ber 2 oben¬
an ge ft eilten auSbehnen. Seiber aber ftnb fie bisher noch nie in
ben Bereich ber gabrifgefefegebung einbegogen unb es fcheint
feinerlei ©erbefferung beS traurig ungenügenden ©efefceS über bie
©efcfeäftsftunben für Säben oon 1892 (shop hours legislation acts)
für biefe ©effion in AuSfid)t gu ftehen.
©kttben mir uns oon benjenigen ©eftimmungen ber aeltenben
©efefegebung, bie oeraltet finb, gu ben gefefegeberifchen ©erfaßen
ber lefeten gahre, fo ift auch hier ein reifes gelb für oerbeffernbe
ShntigFeit oorhanben.
ErftenS hinfichtlid) ber lebenSgefährbenben ©eroerbe.
Unleugbar tragen bie bisherigen SRafenahnten betreffs biefeS
©cgenftanbeS nur ben EharaFter oon ©erfuchen. ©iS 1883 hat
man überhaupt bas ©ebürfnife nach einem befonberen Einfehreiten
in gällen, too ber betrieb eines ©emerbeS mit ßcbenSgefäljrbung
oerfniipft ift, nicht anerfannt. damals mürbe bie Eintragung oon
©leiroeifefabriFen in ein befoitbereS Stegifter unb bie Einführung
fpegieller ©orfeferiften für biefelben oerorbnet. Es folgte bas ©efefe
oon 1891, beffen eiitfchlägige ©eftimmungen über bie lebenS-
gefährbenben ©eroerbe ben ©taatsfefretär beS gnnern ermächtigten,
befonbere ©orfeferiften für jebeS ©eroerbe, bas er für gefährlich
erflärt, gu erlaffen. &odj hat eS bisher nur eine fehr fpärlicfee
Anroettbung gefunben. ©on 1891—1893 rourben bie betreffenben
©orfdjrifteit überhaupt nicht gur Anroenbung gebracht. 1893 er¬
nannte bann bie liberale Regierung eine „SEinifierialFomiitiffton
für gefährliche ©eroerbe". SDiefe oeranftaltete eine forgfältige
Prüfung ber ©erhältniffe oon 16 gnbufirien. ®rei baoon rourben
als nidjt befonberS gefährlich alsbalb aufeer ©etraefei gelaffen, bie
anbereu 13 rourben für gefährlich erflärt unb eilte Steüje oon
©onberoorfdjriftett für fie in ©orfcfelag gebracht, gebodj hat baS
SKinifterium beS gnnern bisher nur groet oon ihnen 5 ) für gefähr¬
lich erflärt unb ©pegialbeftimmungen nnterroorfen.
©Soran liegt biefe Unthätigfeit? $E)er ©runb beruht in bem
©efefe felbft, roelcfecS oerorbnet, bafe roenti ein ©eroerbe für gefähr¬
lich erflärt unb ©otiberbeftimmungen erlaffen finb, jeber Unter¬
nehmer in bem ©eroerbe bie Iefeteren anfechten unb Abänberitngen
oorfcfelagen barf. 3>aS SJtinifterium beS gttnern ift oerpflicfetet,
bie Einsprüche eutgegengunehmen unb bie ©orfcfeläge gu prüfen,
©kntt fie abgelehnt roerben, barf ber Unternehmer einen ©efeiebs-
fpruefe gur ©erättbentitg ober ©efeitigitng ber ©orfeferiften anrufen.
$aS Ergebnis biefer lächerlichen ©ehaitblungSart ift, bafe in allen
gälten, nt benen ©onberoorfeferiften erlaffen roerben, biefer ober
jener Unternehmer Einspruch erhebt. S>ann Schliefet baS SKinifterium
beS Innern, um nur ja bie SJtüfeen, Unfoften unb ©ergögerungen
eines ©djiebSücrfaferenS gu fparen, einen Etomprontife burd) Ab-
änberung ber angefochtenen Bestimmungen unb bamit roerben bie
CTonbcroorfchriften fo lange oerroäffert, bis ihre 3 rc ecfmäfeigFeit
x ) it'id. ©. 15—1H.
5 ) dämlich öte Auffüllung oon fohlenfaurent SSaffcr unb btc
^ulfautfirung oon ftmnnti mittelfl boppclfcf)iocfcllaurcr «ol)Ie. SeS
Ajeiteren finb bann allcrbings bret ©eroerbe für gefährlich erflärt unb
©pegialbeftiuimimgen ohne Borfrfjläge ber üDJtuifierialfomnttffion unter-
uvurfen, uüe 3ünbholgfabrifatiou, baS ÜBoIlfortiren unb baS SRifrfjcu
unb C'üefjeu uon jAefftug, Äanoncuinetall u. f. w.
gerabegu iKuforifch roirb. 5lüerbingS fönnen fie auch f° DOn
einem geroiffen geringen SRufeen feilt, aber bie Berichte ber gabrif*
infpeftoren geigen ipre SöirfuitgSloftgFeit in praxi flar. 6 ) 3)ann
befteht h^r ein fernerer Uebelftanb. 2)ie Xhatfadhe, bafe bie 35er*
orbnungen oorauSfuhtlidh fo oiel 'Biberftanb finben unb bemgemäfj
fo bebeutungSloS roerben, nimmt bem SDUnifterium beS gmtern bic
Neigung, fie auf anbere ©eroerbe auSgubehnen. ®aS ift groeifelloö
ber ©runb, roarum nur 2 oon ben 13 gu befonberer gürforge
burch bie 3Rinifterialfommiffion oorgefchlagenen ©eroerbe bisher
in biefer ^Richtung herangegogen finb. Es ift burchauS nothroenbig,
bafe baS Stecht ber Unternehmer, ein ©chiebSgericfet gegen bie 33or-
feferiften augurufen, Befeitigt roirb. 2)ie Erfahrung h a * geleB^t,
bafe feine SBeibeijaltung ber Ergielung irgenb roelchen gortfehritts
in ben SBeftrebungen, bie Slrbeiter in lebenSgefährbenben ©eroerben
gu fchüfeen, oerhängnifeooll roirb. Ein berartigeS Stecht befiehl für
bie Unternehmer ^inftd^tlidh Feiner eingigen atiberen 23eftimmung
ber gabrifgefefegebung. ^)er SKinifter beS gnnern unb feine fad)®
oerftänbigen Stathgeber finb gang geroife einfichtSooH genug, ber*
artige 2$erorbnungen ohne EinfprudfeSmöglichFeit gu erlaffen unb
bie Unternehmer ihrerfeits finb hinlänglich ftarF in beiben Käufern
beS Parlaments oertreten, um eine Slnroenbung biefer SDtacht*
befugniffe ohne ungebührliche (Strenge ober UngerechtigFeit gu
fid)ern. 7 )
gerner bebarf bie ©efefegebung über bie Heimarbeiter
bringenb ber Ergängung. S)ie Heimarbeiter (home workers) ober
Slufeenarbeiter (out workers), roie fie genannt roerben, rourben guerft
in baS ©efefe oon 1891 einbegogen, roelcheS ben SRinifter beS
gnnern ermächtigte, oon ben Unternehmern aller ©eroerbe bie
gtihntng unb Beibringung einer £ifte mit ben Stauten uttb Slbrcffen
aller berjenigen Perfonett gu oerlangen, an roelcfec fie Slrbeit gur
Ausführung aufeerhalb ihrer ©efchäftSräume auSthun. ®iefe Be¬
fugniffe rourben burch baS ©efefe oon 1895 auSgebehnt, in bem
ber SJtinifter beS gnnern ermächtigt rourbe, oermittelft Perfügutig
für ein ©eroerbe ober Steile eines ©eroerbeS iiberatt iit jebem be¬
liebigen ®iftriFte bie Aufeenarbeiter ben fanitären ©chufebeftimmungen
ber gabriFgefefce gu unterftetlen. 23iSher finb foI<he SSerorbnunaen
für oier ©eroerbe in eingelnen SanbeStheilen erlaffeit: baS Be-
FleibungSgeroerbe, baS ©aloaniftrungSoerfahren, 6chranf- unb
SRöbelfabriFation unb baS polflerg.eroerbe foroie biegdlenfabritaiion.
Aber auch h^r ift gu £age getreten, bafe baS ©efefe in feiner
jefeigeit ©efialt oon fehr roenig Stufeen ift. Es oerorbnet, bafe,
roenn nach Erlafe ber S9eftimmungen bie gnfpeftoren Aufeenarbeiter
an Pläfeen ober unter SSerhältniffen, bie gefunbheitsfd)äblich ober
-gefährbenb erfdjeinen, bei ber Arbeit finben, fie bem Unternehmer,
roeld)er bie Arbeit auSthut, eine Tarnung gu erteilen ha^^n;
roenn bann nach SDtonatsfrifi ber Arbeiter an bemfelben plafee ober
unter gleid)en ArbeitSbebingungen roieber angetroffen roirb, ift ein
©erfahren gegen ben Unternehmer einguleiten. Aber gerabe biefe
©eftimmung hinsichtlich ber einmouatÜchen ©erroarnung mad)t baS
©efefe thatfächlid) bebeutungSloS. ^ie Aufeenarbeiter ftnb in ber
Siegel bie Aermften ber Armen; fie leben in ben fdjauberhafteften
6 pelutiFen unb giehen leicht unb fchnett oon ©pelunFe gu 0pelunFe
um. ®ie golge ift, bafe fie, roenn ber gnfpeFtor fie aufgefutibeit
unb bie SRittheilung erlaffen h^t, bafe ihre SebenSbebinguitgen ge¬
fährlich finb, unmittelbar aitSgiehen. Qhre neue SSohnftätte ift
ebenfo fdjlecht roie bie bisherige. SUcfetSbeftoroeniger nuife nadf)
bem abermaligen ©efuch roieberum eine einmonatltche ©Tarnung
ertheilt roerben unb ingroifd)en giehen fie gu ihrer urfprünglichett
SBohnftätte gurücf ober finben roieber eine neue @pelunFe, 'roorin
fie häufen Fönnen. ä'urg, ber gange ©organa ift nicht oiel mehr
als eine Slotnöbie, unb es ift fraglich, ui^h^r gu einem ge¬
richtlichen ©erfahren überhaupt gcFommen ift. i)ie S^ooelle mufe
unter allen Umftänben ein unmittelbares gerichtliches Einfcfereiten
gegen bie Unternehmer oorfefeen. ©ofem ©eftinttnungen barin
Aufnahme finben, entfprechenb jenen, bie fo überaus günstig bei
ben Aufeenarbeitern in 5RiethSFaferncn-©3erFftätten aeroirft haben^
roo bie ©erantroortung für bie gefunbheitlich unb fonft angemeffenen
3uftänbe bem Eigentpümer ber öoFalität, in roeldjer bie Slrbeit
gefefeieht, gugefchoben roirb, Fönnte man halb eine erhebliche ©er-
befferung beS fiofeS ber Aufeenarbeiter ergielen.
®aS finb einige ber Stillungen, in welchen bie greunbe ber
gabrifgefefegebung unb ihrer Ausführung ^Reformen erwarten, ^er
6 ) ©gl. fpegiell bie ©cricfjtc ber Herren ftnijoett (©cgir! ©irming-
Ijaiu) itnb Hüd (®cgir! ber Stafforbfhirc-^öpfcrci) a. a! D. 6. 27 u. 29.
7 ) Die Sieporttf über bie ©leiocrgiftungcn in ber ferantifd^en gn-
buftrie unb bie PboSpbomefrofe in ber 3ünbboIgfabri!atton ftnb in ber
„3og. prariv" 3p. 882 fdjon erwähnt worben. $ie Sieb.
917
©ogtole $rajts. dentralblatt für ©ogtalpolittf. 9h:. 34.
©egenftanb ift bamit feineSwegS erfchöpft, bodE) ftnb bie meiften
bcr Tt»id)tigcrcn fünfte, welche $ur 3«* fpnuhreif ftnb, Berührt.
®ic öffentliche Meinung ift auf etnen Ausbau unb eine Verbefferung
bcr ^abrifgefepgebung oorbereitet; wenn bie beseitige Regierung
überhaupt geneigt ift, ben ©egenftanb in Angriff gu neunten, wirb
fic faurn irgenb welche nennenSwerthe ©egnerfdpaft non Bebeutung
gu befürchten Baben.
ßonbon. 8. ©. ©alton.
Bie obltgatorifdje Anrufung be? ®rnitrbegtrid)te
ol*. (Eintgtutpamt in Ärbeitehämpfen.
©ie Bereits erwähnt, ^at bie für bie BeratBung oon Wb*
änberungen beS ©ewerbegerichtSgefepeS eingefepe WeichStagS-
fommiffion befcploffen, folgenben neuen §. 62a eingufügen:
drfolgt bie Anrufung nur oon ©eiten einer gartet, fo Bat ber
3*orftpenbe pieroon einer ober mehreren ber ihm als Vertrauensmänner
ber anberen gartet Befannten Verfonen Äemttnip gu geben unb gugleich
nacB Vtöglicpfeit baBin gu wirfen, bap auch bie anbere Partei fic§ gur
Anrufung beS dinigungSamteS Bereit finbet.
Auch in anberen §äUen foü ber Vorftpenbe Bei ©treitigfeiten ber
im §. 61 begegneten Art auf bie Anrufung ber dinigungSamter pin-
guroirfen fu<pen unb btefelBe ben ^arteten Bei geeigneter Veranlaffung
naBe legen.
% er Vorftpenbe ift Befugt, an ben ©treitigfeiten BetBeiligte Verfonen
oorgulaben unb gu oemeBmen. dr !ann pieroei für ben Saft be$ SRidEjt*
erfcpeinenS eine ©elbftrafe Bis gu 100 Jf. anbroBen. ©egen bie geft*
fepung ber ©träfe finbet Veftpwerbe natB ben Veftimmungen ber dioil-
progeporbnung ftatt. '
Beoor wir auf biefe Anträge ber ftommiffton näher eingeBen,
wollen mir an ber #anb ber bisher geltenden gefeplichen Be-
ftimmungen beren ©irfung in ber ^ßrayis feftfteüen, bereu Mängel
beleuchten unb aisbann unterfudpen, ob ber eingufcpaltenbe §. 62 a
bie notpwenbig geworbene Abpülfe fcBafft.
3 m ©efep über bie ©ewerbegeriepte oom 29. 3uli 1890 mürben
audfj Veftimmungen über bie £pätigfeit ber ©eroerbegeridBte als
dinigungsamt getroffen. §. 61 Beftimmt:
£aS ©emerBegericBt fann in gatten oon ©treitigfeiten, roelcBe
gwifepen Arbeitgebern unb Arbeitern über bie Vebingungen ber gort*
fepung ober SBieberaufttapme beS ArbeitSoerpältniffeS entfteBen, als
dinigungsamt angcrufen werben.
§. 62 lautet:
$>er Anrufung ift golge gu geben, wenn fte oon Beiben $peilen
erfolgt unb bie BetBeiügten Arbeiter unb Arbeitgeber — leptere, fofern
tpre 3apl meBr als brei beträgt — Vertreter beftetten, welche mit ber
Verpanblung oor bem dinigungsamt beauftragt werben.
$)ie Raffung biefer Beiben Varagrappen erfdpwert ein recht¬
zeitiges, wirffameS dingreifen beS @ewerbegeri<BteS als dinigungs¬
amt in Böthfam SRape. ©enn eS Beipen würbe, „baS ©ewerbe-
gericht mup angerufen werben", bann würbe Bei jebetn bropenben
ober auSgebrochcnen AuSftanbe ber 3mang für bie ©treitenben
oortiegen, baS ©ewerbegeriebt gu erfucBen, oermittelnb eingu-
fcBreiten unb bie im AuSftanbe befinbltdpen Arbeitgeber unb Arbeiter
fofort gur geftfteHuna beS SpatbeftanbeS oor fein gorum gu
laben. &urch baS pierburch 3 ur ?fli^t geworbene dingreifen beS
©ewerbegerichts würbe oor allen Gingen einem Utnficf)greifen beS
AuSftanbeS oorgebeugt werben, ber bann, wie Bei einem Branbc
burdE) dinfdBreiten ber geuerwepr, auf einen engen SrieiS befdpränft
bleiben würbe. dS würbe ein UeberpanbneBmen ber gegenfeitigen
Seinbfeligfeiten unb Vepreffalien oermieben, fowie bie Verbitterung
bcr ftreitenben Varieien. @8 würbe aber aucB, unb bieS ift Be»
fonberS gu beachten, ben Agitatoren bic ©öglidpfeit Benommen,
burdE) £>epen anb Aufreigen bauemben 3miefpalt gwifcBen Arbeit¬
geber unb Arbeiter gu fäen. ©an würbe weber oon gewiffen Ar¬
beitgebern baS ©dplagwort: „3B* SRejBt eigenen $aufe
gu fein," fei BebroBt, no«B oon Arbeitern baS ©egenwort: „@ie
wären ben AuSfaugungen ber Arbeitgeber recBtloS überantwortet,"
gu Boren belommen.
®ur<B ben drfap beS 3öört<BenS „mup" an ©teile beS „!ann"
in §. 61 würbe auebbie Beftimmung beS §. 62, bafj beibe ^Beilc
anrufen müffen, hinfällig werben. ^)aburdB würbe baS ©efep
für bie allgenteine SBoBlfaBrt unb inSbefonbere ber Snbuftrie nup-
Bringenb auSgeftaltet werben. ®ie 23eBauptung ber ©egnet ber
©ewerBegeri(Bte als dinigungsamt grünbet ft<B in ber £>aupifacBe
barauf, bafe bie diniaungSämter fo wenig Bislang angerufen
worben feien. $)amit fei erwiefen, ba& biefe Snftitution oerfeBU
wäre. dS wirb babei oerfcBmiegen, bap in ber unpraftifdBen
918
Raffung ber §§.61 unb 62 ber Bouptfä<BKd) c ®runb für biefen
SRangel gu fud^en fei. Sßenn bie ©emerbegericBte ftcB Bei allen
AuSftänben lebiglidp ftreng an ben ©ortlaut ber §§. 61 unb 62
geBalten Bütten, bann würben audp bie oerBältnipmäpig wenigen
Anrufungen beS dinigungSamteS fcBmerlidE) erfolgt fein, wie burdB
nadpfteBcnbe prägnante Satt«/ bie ftcB in ben jungften 3<*B r *n i* 1
Berlin ereignet Baben, erwiefen wirb.
Anfang 1896 Bradp ber grope AuSftanb ber ÄonfeftionS-
arBeiter aus, an bem etwa 60 000 Arbeiter unb Arbeiterinnen,
in Berlin unb Umgegenb BetBeiligt waren. dS mar weber Bei ben
Arbeitgebern nodB ben Arbeitern eine ©eneigtBeit oorBanben, baS
©eweroegeri(Bt als dinigungsamt angurufen. dagegen gelang
es burep prioate UnterBanblungen mit Beiben Parteien, eine
gemeinfame Anrufung B^BeigufüBren. $>urcB eintägige BerBanb*
lung oor bem ©emerBegeridE)t würbe ber grope AuSftanb prooi-
foriftB Beigelegt, ©enn bie baran gefnüpften drwartungen nicht
in drfüUung gegangen ftnb, bann ift bieS nicht einem BerfdEjulben
beS dtnigungSamteS gugn[(BreiBen, baS in fünf 9Jhmate bauember,
angeftrengter Xfiätigfeit feines Amtes waltete, fonbern nur ben Be-
tBetligten Arbeitgebern, bie, wie ft<B fpäter B erfl aSftelIte, baS
dinigungsamt gu bem 3mecfe mipbraucBten, burdE) feine Snter-
oention eine fdEjneHe Beilegung beS AuSftanbeS B^cBeigufüBren, um
burdE) ©ieberaufnaBme ber Arbeiten bie günftiae ©aifon auS-
gunupen unb alsbann burdp einen unerBörten ©ortbrudE) bie Arbeiter
um bte drrungenfcBaften beS AuSftanbeS gu Bringen.
AIS im 9Rai 1896 burtB bie 9Jtoifeier ein AuSftanb in ber
©olIButbrandEje entftanb, ba waren moBl bie Arbeiter geneigt,
baS ©emerBegericBt angurufen, bagegen leBnten bie BetBeiligten
Arbeitgeber febe Bermütelung fchroff ab. ©ieS war um fo un-
oerftänblidEjer, als im gebruar beffelben 3&BreS Bie Arbeitgeber Bei
einem AuSftanbe in ben fämmtlicBen Berliner Betrieben biefer
Brande gern bie Vermittelung angenommen Batten unb burdE) baS
dinigungsamt bamalS nadp adjfttünbiger BerBanblung ber AuS¬
ftanb Betgelegt worben war. ©ie fich fpäter geigte, B°t int 9Rai
1896 ber BerBanb biefer Arbeitgeber nur beSBalb baS dinigujtgS-
amt nicht angerufen, weil er bie (Gelegenheit Benupen wollte, oie
Arbeiter gu gmingen, aus ber Drganifation ber ^utmacBerarbeiter
auSgutreten. dr Bat bieS baburdE) erreicht, bap er tBatfäcBlich nur
folthe Arbeiter einftellte, bie fcBriftlidfj auf dprenwort erflärten, bem
gadEjoereine ber §utmad^er nicht angugehören ober fofort aus bem-
felben auSgutreten. $)ie Herren Begrünbeten ihr Verfahren bamit,
bap fte fortan „Herren im eigenen §aufe fein wollten," unb burdE)
baS Vorgehen Ber Arbeiter gu biefen ©apnahmen gegmungen
worben feien. Snwiefern bie Arbeiter fich 9tecf)te angemapt Batten,
bie mit ben Rechten ber Arbeitgeber foüibirten, xft Bis gum hantigen
2 ^age ber ^enntnip weiterer Greife oorenthalten geblieben. ^aS
gernbleiben ber Arbeiter oon ber Arbeit am 1. Sttai, baS wir
ewip nicht Billigen, !ann hoch nicht als (Eingriff in baS $auSrecht
er Arbeitgeber Betrachtet werben, ©ürbe bie Anrufung beS
dinigungSamteS obligatorifch fein, bann würbe folgen Uebergriffen
fowohl oon Arbeitgebern als auch Arbeitern fdEjon im dntftchen
wirffam gefteuert werben fönnen.
3m £odbfommer 1897 gab es in Berlin innerhalb beS Ver-
BanbeS beutfeher ©etallinbuftrieller einen monatelangen AuS¬
ftanb, in bem auf Beiben ©eiten grope drbitterung Bcrrfdt)te. Alle
Anerbietungen beS ©ewerbegerichts, oermittelnb eingugreifen, würben
oon ben Arbeitgebern feproff gurüefgewiefen. Auch tu biefem 3alk
war es ber prioaten 3nteroention oorbehalten, ben mapgeBenben
Vcrfönlichfeiten in Arbeitgeberfreifen flar gu machen, bap, ehe fte
ihre Drohung, bie in Berlin BefdE)äftigten 60 000 Arbeiter biefer
Branche auSgufperren, wirflicp gur Ausführung brächten, fie hoch
wenigftenS ber Allgemeinheit gegenüber bie Verpflichtung Batten,
oor oem unparteiifchen gorurn beS dinigungSamteS bie ©rünbe,
bie fie gum AuSftanbe unb gur Verhängung ber Arbeitsfperre ge¬
führt Baben, öffentlich flar gu legen. SRadj breiwöchentlichen Vor-
oerhanblungen trat baS dinigungsamt gufammen, legte nach gwei-
tägigen Verhanblungen ben AuSftanb bei, unb bis gum B^wtifi^»
Xage ift ber Örieben in ben ©erfftätten beS VerbanbeS Der
beutfehen ©etaHinbuftrieHen erhalten.
©ie nothwenbig bie dinführung ber obligatorifchen Anrufung
beS dinigungSamteS ift, Bat fich erft jüngft wiebet beim AuSftanb
ber ©eper oeS „Berliner ßofal-AngeigerS" ergeben, ^er
Verleger biefer hatte fich oon feinen ©epern unb Bud)=
brurfern einen VeoerS untergeichnen laffen, wonach biefe fich ocr=
pflidpteten, währenb ber $auer ihres ArbeitSoerhältniffeS in feiner
IDffigin ber Drganifation beS VerbanbeS beutfeher Vuchbrurfcr unb
©chriftfeper nicht angugehören. Auf ©runb biefcs VeoerfeS bat
nun ber Verleger im 3anuar b. 3- einige ©eper entlaffen, weil fie
919
Sogiale $rajig. ©entralblatt für Sogialpolttif. Kr. 34.
920
ofene feine ©rlaubniß eine Verfatnmlung abgefealten Ratten, um
über Sibfc^affung einiger Sißftänbe gu beraten. 3« Solge beffen
legten 88 Sefeer, baoon ein Tfecil unter $ontraftbruefe, bie Arbeit
nieber. Tie mieberfeolt angebotene Vermittelung beg ©eroerbe-
gerid^te mürbe abgetefent. ©rft ttaefe feefeg SBocfjen gelang eg ber
Vrioatoermittelung eine« Sitgliebeg be§ ©eroerbegeriefetg, eine
Einigung groifefeen bem Verleger unb bem Vorftanbe beutfe^er
VucfeDruaer unb Scferiftfefeer baourefe feerbeigufüferen, baß ber Ver¬
leger ben Aeoerg fallen liefe unb ben Verbanb anerfannte. Sären
bie Parteien genötigt geroefen, fofort bag ©inigunggamt angurufen,
bann mürben in einer furzen Verfeanblung bie Strcitpunfte flar-
gelegt unb bie Augfpernmg oon gafelreiefeen Arbeitgroilligen, bie
gum grofeen X^eile fefeon 8 big 10 Safere in biefer Dffigin ge*
arbeitet featten, oerfeinbert roorben fein.
Vei ben ftanalifationg- unb Safferroerfen beg Sa-
giftratg finb im lefeten 3 aferc mieberfeolt angebliefe Arbeiter megen
iferer 3 u 9 e feöngfeit gur Drganifation gemaferegelt unb entlaffen
morben. Tie Arbeiter feaben begfealb bag ©eroerbegeriefet alg
©inigunggamt angerufen, ber Sagiftrat feat jeboefe naefe längerer
3 eit abgelefent, ber Anrufung Solge gu geben, inbem er einfadfe
erflärte, bafe fein Arbeiter megen ferner 3 ugefeörigfeit gur Drgani-
fation gemaferegelt roerben bürfe. Sir feaben ferne Veranlagung,
gu begroeifeln, bafe eg bem Sagiftrat ernft ift, bag Sloalitiongreefet
ber Arbeiter gu aefeten. Aber gerabe meil bieg ber gall, marum
meigert er fi(fe, in feiner ©igenfefeaft alg grofeer Arbeitgeber oor
bem unparteüfefeen gforum beg ©eroerbegeriefetg, beffen Vorfifeenbe
er felbft gu ernennen feat, gu erfefeeinen, um feftftellen gu laffen, bafe
tfeatfäifelidfe nur liebergriffe eingelner feiner Veamten oorlagen, mie
fte ja in jebem gröfeeren Vetriebe einmal oorfommen fönnen?
Sarunx meigert ber Sagiftrat ber £auptftabt beg Teutfefeen Aeicfeeg
fiefe, öffentlich Anfflärung barüber gu geben, bafe ben in angemeffener
Seife oon ben Arbeitern eingereiefeten Vefeferoerben, mie biefe glaub¬
haft behaupten, feäufig niefet einmal ein Vefcfeeib gu Tfeeil mirb,
fonbem bafe bie ifem unterteilten Veamten furger £>anb bie Unter¬
gebner berartiger Vefcferoerbefchriften maferegeln unb entlaffen?
.fiat ber Sagiftrat ber Stabt Verlin benn fefeon oergeffen, bafe bag
©eroerbegeriefet alg Ginigunggamt im Dftober 1896 burefe feine
Tfeätigfeit ben brofeenben Augftanb ber ©agarbeiter oerfeinberte,
fennt er benn bie in feinem Kamen feerauggeqebenen Safereg-
beriefete biefer Snftitution fo roenig, bafe er glaufet, (Streitigfeiten
groifefeen ifem unb feinen Arbeitern niefet am fcfenettften unb roirf-
famften oor biefem Sorurn augtraejen gu fönneu? Sill ber Sa-
giftrat ber Stabt Verlin burefe fein Verfahren burefeaug bie Un-
gufriebenfeeit ber oon ifem befefeäftigten Arbeiter oermeferen unb ben
Sogialbemofraten neue Anhänger gufüferen?
kommen mir nun gur llnterfucfeung über bie 3 roecfmäfeigfeit
beg Snfealtcg ber Veftintmungen beg neu beantragten §. 62 a, fo
müffen mir oor allen Gingen feftftellen, bafe bag, mag bie beiben
erften Abfäfee enthalten, bereits feit Saferen in ber oon
eingelnen ©emerbegeriefeten geübt mirb: Ter Vorfifeenbe eineg ©e-
merbegeriefetg, ber märtet, big feeibe ftreitenben Parteien bag ©e-
merbegeriefet anrufen, mirb fcfemerlicfe jernalg in bie Sage fommen,
oermittelub in Aftion gu treten. Senn erft beibe Parteien bereit finb
angurufen, gefefeiefet bieg niefet im Anfänge eineg Augftanbeg, fonbern
erft bann, menn fte naefe langem Kampfe erfcfeöpft fiefe enblitfe nacfe
Aufee unb Stieben fefenen. Aucfe finb bie im §. 62a in ben beiben
erften Abfäfeen gegebenen Veftitmnungeu gu eng gefafet unb er¬
innern gu febr an ben bureaufratifefeen ©efcfeäftggang; eg fefelt ber
©eift ber fcfenellen unb freien Gntfefetiefeung. tiefer fann tn SäHen,
mo fcfenelleg §anbeln allein oiel llnfeeil oerfeiiten fann, nur gum
Augbrucf fommen, menn bem Vorfifeenbcn Sänner ber
ftänbig gur Seite ftefeen. Tiefe Art beg Vorgefeeng feat fiefe in
Verlin beroäfert unb ifer allein finb bie ©rfolge beg Verliiter ©e-
roerbegeriefetg, bie eg meit über Teutfcfelanbg ©rengen befannt ge¬
macht feaben, gu banfeit. ©inem roirfliefeen Vebürfitiß mill bie
Veftitnmung beg Abfafeeg 3 abfeelfen, leiber trifft fie in ber oor-
liegenben Raffung niefet bag Aiefetige. ©ine ©elbftrafe big gur
.pöfee oon 100 , // ift fo geringfügig, bafe oon iferer Anmenbung
für bie Vrarig ©rfolge niefet gu ermarten finb. Ter Verbanb ber
Teutfefeen Vfetall - Snbuftriellen g. V. oerpfliefetet burd) feine
Safeungen feine üJtitgliebcr, unter Vcrmeibung feofeer Monoentional-
ftrafen, bei Streitigfeiten fiefe nur ben Vefcfeliiffcn beg Vorftanbeg,
begro. ber Vcrtrauengfommiffion gn fügen. Ter in bereu Safeungcn
feftgelegte ©runbfafe: „Herren im eigenen vmitfe gu fein unb gu
bleiben" läfet eine ©inmifefeung britter $erfonen niefet gu. Seher
ber beteiligten ©roßiubuftricllen mirb gern bie feöefefte Strafe oon
100 t //. gafelcn, um baburefe bem ©eroerbegeriefet fern bleiben gn
fönneu. Tic Strafe für bag Kiefeterfefeeinen miifete alfo oiel feofeer
normirt unb mit ber Saßgabe feftgefefet merben, bafe niefet einmal,
fonbem fo lange mieberfeolt roerben fann, big ber Vorlabung Sfolge
gegeben mirb.
Aug allen biefen Augfüferungen erfeellt, bafe bie ©infüferung
obligatorifefeer ©inigunggämter niefet nur ber roirffamfte
Sefeufe ber Arbeitgroilligen, fonbem audfe gleiefegeitig ber
eingige Seg ift, ber gum Stieben gmifdfeen Arbeitgebern
unb Arbeitnehmern füfert.
Um aber reefetgeitig bei brofeenben ober auggebroefeenen Arbeitg-
einftellungen unb Augfperrungen, fomie bei Uneinigfeiten groifefeen
Unternehmern unb Arbeitern über bie Arbeitsbedingungen ein-
greifen gu fönnen, rnüfete aug ber 3<*fel ber Veififeer beg ©eroerbe-
geriefetg ein ftänbig er Augfefeufe oon gleüfe oiel Arbeitgebern
unb Arbeitnehmern gemäfelt merben, ber alle Vorgänge auf bem
Arbeitgmarfte oerfolgen mufe unb folefeergeftalt in ber Sage ift,
gur gegebenen 3*ü oermittelnb eingugreifen; oorfommenben öaOg
rnüfete er feine Arbeiten bem angurufenben ©inigunggamt unter¬
breiten.
Verlin. D. Seigert.
3Ulgettteitu gojid- mtb
^ie Verfeanblnngen über bie „Seutenoife" im prettfeifdfeen
Abgeorbnetestfeanfe«
Sn brei Sifeungen roäferenb ber erften $älfte beg SRonatg
Vfai erlebigte bag preufeifefee Abgeorbnetenfeaug bie 12 Anträge,
bie bag ©rgebnife Der Sfommiffiongberatfeung über ben Antrag
©amp unb ©enoffe» (oergl. Sp. 533) maren, in ber £auptfaefee
burd) unoeränbertc Annahme. Sit Aücffiefet auf bie in ber Sanb*
roirtfefefeaft feerrfefeenbe Arbeiternotfe mirb banadfe bie Regierung gu
einer Aeifee gefefegeberifdfeer unb Vcrroaltunggmaferegeln aufgeforbert.
©ntfpredjenb bem Aeicfegtaggbefcfelufe füll erfteng für ©cfinbemafler,
Arbcitgoermittler u. f. m. bie Eongeffiougpfliefet, bag Verbot bes
Vetriebeg biefeg ©emerbcg im llmfeergiefeen unb ifere fefeärfere
Ueberroaefeung auggefprodfeen roerben.
Ter gmeite Antrag forbert bie ©rfefemeruug beg Äontrattbruefeg
a. burefe Veftrafung ber Arbeitgeber unb Stellenoermittler megen
Verleitung bagu, b. burefe Veftrafung beg Arbeitgeber, roelefecr
miffentliefe fontraftbriidfeige Arbeiter befefeäftigt, c. burefe ©ittfiiferung
einer ©rfafepfliefet nad) Analogie ber §§. 124b unb 125 ber ©eroerbe-
orbnung. Kaefe bem ©efefe oom 24. April 1854 fönnen bag ©efinbe
unb länblicfee Arbeiter mit einer ©elbftrafe big gu 15 «//£ ober
einer .?>aftftrafe big gu brei Tagen beftraft roerben, menn fie ofene
©runb ober ofene gefefemäfeige llrfatfee ben Tienft ober bic Arbeit
oerlaffen. Sie finb alfo feiertn anberg alg bie geroerbliefeen Arbeiter
geftellt. ©ine Verfefeärfuitg biefer Strafbeftimmungen, bie geforbert
mürbe, ging niefet burefe, roofel aber mürbe in bem erften Tfeeil
biefeg Antrageg augbrüefliefe bie Veftrafung audfe ber „Tienft-
ober Arbeitggenoffen" megen Verleitung gum Sfontraftbrud)
aufgenommen. So fefer mir auefe ben ftontraftbrnefe oerurtfeeilen,
fo erbliefen mir boefe in ber friminelleu Veftrafung beg £ontraft-
bruefeeg ein Sittel oon äfenliefe fulturmibriger Aidjtuitg, mie bie
meiter geforbertc Verfügung ber Scfeulgeiten auf bem platten
Sanbe (^albtaggunterriefet, Soinmerftfeule, Seriengeit) unb bie Ve-
feferänfung ber greigügigfeit.
Sunge Sentc unter 18 Saferen foHen nämliefe niefet ofene auo-
brücfliefee ©euefemigung Derjenigen, unter bereu (oäterlicfeer ober
oormunbfefeaftlüfeer) ©eroalt fie ftefeen unb niefet ofene ben Kaefe-
roeig eineg feften Arbeitgoerfeältniffeg aug iferern §eimatfeg-
orte fortgiefeen bürfen. Tie ©emeinben follen neu Angiefecnbe ab-
meifen fönnen, menn biefe niefet ben Kaeferoeig einer ben fittlicfeen
unb fetigienifd)en Anforberungen entfpreefeenben Sofennng erbringen,
mobei bag Sd^laffteüeuunmefcn gu befeferänfen ift. S^ Verbinbung
ftefet hiermit bag Verlangen ber ©ittfeferänfung beg bigfeerigen
Verfafereng, ben Arbeitgmarft burefe (^emäferung oon befonbereu
Tarifoerbilliguitgen auf meite ©ntfernungen ginn Kaefetfeeil ber
Sanbmirtfefcfeaft gu oerfefeieben. Tie ©ifcnbafenoermaltung ließ
bagu erflären, baß fte im Vegriff ftefee, bie Jrage gu unter) uefeen,
ob bic Arbeitcrrücffafertfarten infofern eingefd)ränft merben fönnen,
alg fie auf ©ntfernungen über eine gerotffe ©renge feinaug nidn
mefer auggegeben roerben. ©ine oollftänbige Vefeitigung ber ©e-
fellftfeaftgfarten für Arbeiter fefeeine ifer untnöglid) gu fein.
Seiler mirb eine größere Verücffid)tigung ber ©rntegeit ttttb
beg großen Vebarfg an länblicfeeit Arbeitern in biefer 3 e ü oon
ber Regierung ocrlangt. Sie fott roäferenb ber ©rntegeit unb
bringender laubroirtfefefeaftliefeer Arbeiten bie Vefefeäftigung ooit
921
6ojialc $rajis. Eeutralblatt für ©ozialpolitif. Rr. 34.
022
Arbeitern in ben eigenen betrieben tßunlitft verringern, ben ©traf*
nollsug banat entrichten, mehr Sforrigenben unb ©trafgefangene
bei SMiorationSarbeiten unb lanbroirthfchaftUchen Arbeiten be»
ftäftigen Iaffen, Rtannftaften beS aftioen RHlitärbienfteS beur¬
lauben; bie Einziehung ber Referoiften unb Lanbweßrleute gu
militäriften Hebungen tßunlitft oermeiben unb burcb Reoifion ber
Dienftoorftriften über bie Vtarftgebührniffe bie Rtannftaften aus
länblichen Greifen nach ihrem $eunath$* ober ©eftellungsort ent*
Iaffen. Die Erweiterung ber3ulaffung auSlänbifter Arbeiter wirb
aeforbert, foroeit eS bie nationalen Rücffttten irgenb geftatten, ins*
befonbere auch 3 um ©efinbebienft in nicht gemifd)tfprachigen Se-
flirfen, fomie bie Vereinfatung ber non ben Arbeitgebern ben Se*
hörben gegenüber abzugebenben VerpflußtungSerflärungen.
Die Verpflichtungen ber ©oßnfißgemeinbe nach bem Unter*
ftüßungSwohnfißgefeße feien burch ftärfere Heranziehung ber Ar*
beüSgetneinbe $u erleichtern. Das Verlangen auf planmäßige An»
fiebelung oon lleinen unb mittleren ßanbwirtßen, fowie oon lanb*
wirtßftaftliten Arbeitern burch ©enoffenftaftsoerbänbe unb
unter SJHtwirfung beS ©taateS in ba$u geeigneten Sezirfen ge¬
wann eine erhöhte Sebeutuna burch bie Antiinbigung eines Dota*
tionSgefeßeS mit einer fjörberung oon 10 Millionen für biefe
3mecxe, baS ber Vizepräfibent beS ©taatSminifteriumS noch für
biefe Tagung in AuSfitt ftellte.
3m Reform ber Verftterung8*©cfeßgebmtg beS Reiche# hol
©taatsfefretär ©raf VofabowSfß in ber ©ewerbefommiffion beS
Reichstages am 18. b. 2JJtS. angefünbigt, baß für bie nächfte
©effion eine Reform beS UnfaIloerfi<herungS-©efeßeS unb
für bie zmeitfolgenbe ©effion eine Reform beS $ran!enücrficße*
rungS*©efeßeS in AnSficßt genommen fei. Die Abänberuug
beS Alters* unb SnpalibitätSgef eßeS, weite bie gegen¬
wärtige ©effton befcßäftigt, ift in ber Zeiten Seratßung beS
VlenumS oor ben Vfingftferien bis §. 51 (Rentenftellen) gebießen.
Aus EentrumSfreifen ift eine Refolution eingebracht, bie Regierung
möge bem Reichstag thunlichft balb einen (»efeßentwurf oorlegen,
woourch im Anfcßluß an bie Snoalibenoeriithßrung bie VHttwen*
unb 2Baifenoerfid)erung für bie in Fabrifen befdjäftigten Ver*
fonen nnter entfprechenber Erhöhung ber Beiträge eingefüßrt unb
ben übrigen Verfidjerten bie Setßeiligung im feege freiwilliger
Verfiterung ermöglicht wirb. 2öir werben auf bie ©eftaltung beS
©efeßeS nach Abfcßluß ber zweiten fiefung zurücffommen.
Ifütforge für ArbeitSlofe in fßrenßctt, 3m preußifcßen Ab*
georbneienßauS haben bie Abgeorbneten o. Vuppenßeim (fonf.) unb
©enoffen ben Antrag eingebracht, bie Regierung $u erfuchen, balbigft
einen ©efeßentwurf, betr. Fürforge für ArbeitSlofe, oorzulegen,
welcher auf ber ©runblage a) ber Einführung oon ArbeitSnacß*
weifen für ArbeitSlofe an ben Drten, an benen ein Sebürfniß be*
fteht, b) fowie ber Seftrafung beS ÜRißbraucßS folcßer Einrichtungen
feitenS ber ArbeitSlofen, c) enblich einer Setßeiligung beS ©taats,
ber Vrooinzen unb ber Greife an ben Soften biefer Einrichtung,
ben Sebenfen Rechnung trägt, welche feiner 3 e it her Serabftie»
bung beS ©efeßentwurfs oon 1895 entgegenftanben. — danach
haben bie Äonfematioen im 2Befentliten bte ÄHeberaufnaßme ber
Seftrebungen für bie VerpflegungSftationen im Auge, benn um
biefe ßanbelte es fit in betn angeführten ©efeßentwurfe (ogl. ,,©oz*
VrafiS" ©p. 526).
DaS ©efcß über bie Lohnzahlung in ftranfreit* Seit bem
Qaßre 1894 wanbert ein ©efeßentwurf über bie 3 a ßlnng beS
Arbeitslohnes zwifcßen ber franzöfifd^cn Deputirtenfammer unb
bem ©enate hi« unb her. 3« ben ©ißungen oom 6. unb 8. De¬
zember o. 3- hat bie Deputirtenfammer ben leßten ©enatSentwurf
neuerlich reoibirt unb amenbirt unb an ben ©enat zurücfgeftitft.
Diefer Entwurf hat jeßt folgenbe Hnuptbeftimmungen: Die Arbeits¬
löhne müffen in ber LanbeSwäßrung bezahlt werben; abweicßenbe
Abfommen finb ungültig. Arbeiter im3eitlohn müffen wenigftenS
Zweimal im Rtonat ausbezahlt werben, bei ©tücfarbeit entfcßeibet
baS Abfommen. Die Auszahlung hat an einem Arbeitstage zu
erfolgen unb barf nicht in einer ©cßanfftube, Kantine u. f. w. oor»
genommen werben, ©elbftrafen, ftrafweife Abzüge ober ftrafweife
Zeitweilige Arbeitentziehung finb gefeßlicß oerboten; geftattei finb
Abzüge für Arbeitsfehler, ©treitigfeiten heraus unterliegen ben
allgemeinen Rormen über ©cßabenerfaß. ^lontraoentionen werben
polizeilich beßanbelt unb finb mit einer ©elbftrafe oon 15 grcS.
bebroßt, bocß oßne V^äjubiz cioiler Rechtsfolgen. — Da bie am
©enatsentwurfe oorgenommenen Aenberungen nicht belangreich finb,
ift anzunehmen, baß ber Entwurf enblich bo<h ©efeß wirb.
$0|iaie 3«^änör.
Dte ftaatHcße Regelung ber ©riffeltubuflrte in SReuungeu*
Ueber bie fisfalifchen Setriebe ber ©$ief er griff eiinbuftrie im H er 5°9 s
tßum RJeiningen ift oom ginanzminiftenum biefeS ©taateS eine
Denffchrift oeröffentlicht worben, bie auch für weitere Greife großes
Sntereffe ßaben bürfte. 2öir entnehmen ber uns oon ber herzog¬
lichen Regierung zugefanbten ©cßrift SolgenbeS:
Die troftlofen 3 u ftänbe ber ©riffelmacher im vorigen 3aßr*
Zeßt ßaben ben Entfcßluß wachgerufen, ben Setrieb in ©taatsßänbe
Zu übernehmen, ba ja auch bie ©cßieferbrüthe für ©riffel ©taats*
eigentßum ftnb. ES war um fo meßr Hoffnung auf gute Erfolge
oorßanben, als ber ©riffelfchiefer faft ein Rtonopol beS ©taateS
Rteiningen war, unb nur wenige ©riffelbrüche in Rachbarftaaten
ober fonftwo oorßanben finb. Rur bie unfinnige $onfurrenz ber
Hänbler, bie lleberprobuftion unb baS baburcß erzeugte ftete
Unterbieten ber Arbeiter unter fidj hatte biefen 3nbuftriezweig fo
herunter gebracht, baß eine Arbeiterfamilie faum oiel über eine Rterf
auf ben Dag zu erarbeiten oermochte. Die greife würben immer
weiter gebrücft, unb ber große Sorratß, ben bie Hünbler hatten,
ließ auch für bie 3 u ^u n fi nichts anbereS erwarten. Die Arbeiter
würben aber auch noch benachteiligt baburch, baß fie oft fein ©elb,
fonbern SSaaren ober öebenSbebürfniffe als 3 ö ßfung erhielten unb
Zu hohem angerecßnet befamen.
Der ©taat, ber bisher ben gabrifanten bas Rohmaterial ge* ‘
liefert ßatte, trat nun mit ben Arbeitern biereft in Serbinbung,
inbem er biefe felbft organifirte unb ißrer Vereinigung
bie ©riffelbrücße oerpachtete. Sür ben Vertrieb ber VSaaren
ßat ficß ber ©taat bie Rolle beS Verlegers Vorbehalten. Die oon
ißm eingefeßte ©efcßäftsftelle nimmt bie Aufträge entgegen, unb
biefe teilt fie nach gewiffen Rormcn ben Arbeitern zur Ausführung
ZU. ©ofort ftiegen bie V rc ifc erheblich- @ine ©riffelmacßerfamilie
hatte nun, troß ber notßwenbigen Sefcßränfung auf ein SRajrimal*
quantum fertigen V^obufteS, einen ©ocßenoerbienft oon 15 JL
Dabei ßaben bie Setriebe, ©riffelbrücße unb VerlagSgefcßäft,
1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898
lTl86 40 637 56 246 74 333 89 560 54 464 54~318 48 215^
abgewogen unb eS fonnten baoon neben Silbung oon Referoen
anfehnlicße Seträge aut ber ©taatsfaffe als Rente für ißren ©tein*
brutbeftß zufließen. Die befferen ©eftäftSergebniffe führten aut
Zu weiterer Erhöhung ber SBaarenpreife, unb bie Arbeiterfamilie
fann jeßt 17 ,.//. pro Söote oerbienen. Eine Vergleitung mit
©pielwaarenarbeitern, Porzellan- unb ©laSarbeitern eraiebt, baß
bie meiften höheren 3<treSeinfommen auf bie ©riffelaroeiter ent¬
fallen. Aut bie in ßanb* unb Swrftwirtßftaft gezahlten fiößne
finb niebriger. Droßbem fcßeint bei ben Arbeitern tßeilmeife Un*
Zufriebenßeit zu ßerrften, weil man aus ben ©taatSretnungen bie
Ueberftüffe beS ©taateS aus ben Setrieben fennt unb ficß be*
rettigt glaubt, höhere für bie ©riffel forbern zu fönnen
als ber ©taatSoerlag z^hll* Dbgleit nun eine weitere H c &nng ber
immer not bürftigen Lebenshaltung ber ©riffelarbeiter gewiß
wünftenSwertß ift, fo ift bot S u berüdffittigen, baß Rleintngen
ein armes ßanb ift unb ber ©taat ben Rußen, ber aus ben ©riffel¬
brüten ißm zufließt, aut lieber zur Erfüllung allgemeiner Kultur*
aufgaben oerwenbet. SebenfaHs liegt ein bebeutungSooller Finger¬
zeig in bem Vorgehen, welches ber gänzlich planlofen VrobuftionS*
weife, bie bis oaßin in ber ©riffeiinbuftrie ßerrftte, erfolgreit
entgegen zu wirfen oerfutt hat.
^tbetterbetoegung.
Das Enbe beS ©treifS ber belgtften ©rubenarbeiter.
Der ©treif, weiter länger als brei SSoten ßinburt ben
größten Dßeil ber beigiften Äoßleninbuftrie zur Untßätigfeit oer*
urtßeilt ßatte, ift vorüber. Die Arbeit ift faft überall wieber auf¬
genommen, unb wo eS heute not nitt ber Fall ift, bürfte es bann,
wenn biefe 3eilen im Drucf erfteinen, gefteßen fein. Der Vor*
ftanb beS nationalen SunbeS ber Vtinenarbeiter ßat in feiner am
15. ÜDtoi in Eßarleroi abgeßaltenen 3ufammcn!unft beftloffen, ben
©eneralftreif fofort für beenbet zu erllären. Freilit ßat man bie
Droßung beigefügt, baß bie Arbeit binnen furzem oon neuem
eingefteüt werben foü, wenn bie Arbeitgeber bie zugefagten Lohn¬
erhöhungen nitt gewähren würben. Dies ift aber nitts weiter
als eine RücfzugSfanonabe, bie Mittel ber Arbeiter finb erftöpft,
unb fie werben fit hüten, in abfeßbarer 3 e *t ben ©treif wieber zu
eröffnen, natbem biefer unter oerßältnißmäßig fo giinftigen Sc^
923
Soziale Praxis. Eentralblatt für ©ogialpolittf. Ar. 84.
924
bingungen Begonnene Kampf mit einer Aieberlage geenbet h fl t
Denn bie Arbeiterfcßaft ift Beftegt, fie oermodjte ißre gorberungen
nicht burefjgufeßen, unb nur ben oon ber Regierung gurn groeiten
Male einBerufenen Conseils de Tindustrie et du travail ift eS gu
oerbanfen, baß ber griebenSRhluß noch einigermaßen ehrenoofl
ausgefallen ift. Die griebenSbebingungen, auf bie man fich Bei
ber Mehrgahl ber ©ruben geeinigt hat, lauteten etwa fo: Die
Arbeiter fahren fofort roieber an; oafür roirb ihnen gugeRchert, baß
feine Maßregelungen erfolgen follen unb feine EntjdjäbigungS*
forberungen erhoben roerben. Die Direftoren oerpflichten fi<h
ferner, in bem ©rabe, mie bie Marftlage R<h weiter Beffert, Lohn¬
erhöhungen eintreten gu laffen. S3ei einer größeren Angaßl oon
©efeßRhaften tourbe eine fofortige Lohnerhöhung oon 5 o/ 0 , ftatt
ber oerlangten 20 o / 0 gugeftanben.
33on beginn beS KonflifteS an hatten bie Direftoren ben
Stampf als eine Kraftprobe angefeßen. „28enn mir bieSmal nach*
geben, treten mir bie öerrfdjap in unferer gnbuftrie enbgültig an
bie Arbeiter ab," fo gaben oiele unter ihnen fid) auSgefprocßen.
Der AuSgang beS Kampfes hat gegeigt, baß oorläuRg noch bie
Arbeitgeber bie ©tärferen finb. Die äußeren Umftänbe toaren, mie
toir fdjon beroorboben, bieSmal für bie ©treifenben außerorbentlich
günftig. Söenn Re bennoeß unterlegen ftnb, fo bemeift ihnen biefer
kuSgang enbgültig, baß bie 6 <bulb eingig bei ihnen felbft liegt,
gn einem früheren Artifel mürbe bereits barauf hingeroiefen, baß
eine ernftbafte gewerffchaftliche Drganifation unter ben belgifc^en
(Grubenarbeitern fo gut mie überhaupt nicht beftebt, unb roo eine
fol<be fehlt, fann felbft bie oorgüglichfte politifcbe Leitung feinen
Erfaß bieten, ©oll ein ©treif erfolgreich fein, fo muß er oon
langer £>anb oorbereitet fein, alfo über reichliche (Gelbmittel oer*
fügen, er muß auf ein gegebenes 3 e ^ en überall gleichmäßig aus*
brechen, unb bie ©treifenben müffen fo gefthloffen oorgeßen, mie
bie oerfeßiebenen glügel einer ©cßlachtorbnung. Sefet aber gefebab
es, baß g. 23. bie Arbeiter beS 23orinage erft tn bie 23eroeaung ein*
traten, als in einem großen Dßeil ber fßrooing Lüttich bie Mittel
bereits erfchöpft waren, gälten bie Direftoren einen eingigen feften
Mißen in ber ArbeiterRhaft oerfpürt, mürbe ftatt nur etwa 70 %
bie gefammte ©rubenarbeiterbeoölferuna fich am ©treif beteiligt
haben, fo mären bie Arbeitgeber roafjrfcbeinlidj fofort gu 33er*
ßanblungen bereit geroefen. Auch bie Hoffnungen auf baS ©oli*
baritätSgefüßl ber auSlänbifchen, inSbefonoere ber englifcßen ©ruben*
arbeiter erfüllten Reh nicht, unb fo fam benn bie auSlänbifche Kohle
maffenroeife ber belgifthen gnbuftrie gu Hülfe. ®ie güßrer ber
Arbeiter Rnb fich über bie Urfachen ber Mißerfolge burchauS flar,
unb Re haben fofort in allen Minenbegirfen eine energifeße Drgani*
fation für bie Errichtung oon ©eroerfoereinen eröffnet.
Es mürbe bereits betont, baß bie Urfache beS ©treifs weit
mehr auf fogialem als auf öfonomifchen ©ebiet gelegen hat, nnb
natürlich ift bie fogiale KrifiS, unter berem 3 c i<h e n bie belaiRhe
Kohleninbuftrie fteht, mit biefem ©iea beS Unternehmertums
feineSroegS aus ber Melt gefchafft. Die Xheilnaßme oon AegierungS*
beamten an ben 23erhanblungen ber Conseils de l’industrie et du
travail, bie fonft befanntlicf) auSfd)ließ(id) aus Arbeitern unb Arbeit¬
gebern beftehen, hat fich an oerfchiebenen ©teilen als förberlicß er*
miefen, unb eS brängt Reh beShalb bie Erwägung auf, ob es nicht
rathfam märe, baS ©efeß oom 16. Auguft 1887 baßin gu änbem,
baß überhaupt ein Unparteiifcher, ber aber nicht nothmenbig 23e*
amter gu fein braucht, aßen Serßanblungen ber Conseils de l’in-
dustrie et du travail, am beften rooßl in ber EigenRhaft als $rä*
fibent, beiroohnen follte. Um baS ©leichgeroicfit oon Arbeitern
unb Arbeitgebern unter aßen Umftänben gu magren, fönnte man
bem UnparteiiRhen baS ©timmred)t oerfagen. Dod) wäre biefe
Maßregel nur eine oon oielen unb feineSroegS bie bringenbfte, bie
gu ergreifen märe; mir Rhicften Re nur oorauf, weil bie Ereigniffe
felbft Re empfohlen haben unb weil fie burch eine einfache Aooeße
gu einem oorhanbenen ©efeß gu oerroirflicben märe. 1 )
Meit tüirfiiiigSooßer mürbe bie Durchführung einer ©ruppe
oon gorberungen fein, bie fich auf eine anbere Erfahrung beS
foeben beenbeten LoßnfampfeS grünbeit. ES liat Rd) nämlich bei
biefem Anlaß gang befonberS beutlich ßerauSgefteßt, mie oerfeßieben
bie einzelnen (Gruben in 23egug auf görberungSbebingungen,
Cualität bes Materials unb ©encraluufoften bafteßen unb mie
oerRßiebcu beShalb bie finanzielle LciftuugSfäßigfeit ber einzelnen
Aftiengefeßfchaften fein muß. Mäßreub bie eine feßr wohl in ber
Lage märe, bie geforberten 20 % Lohnerhöhung unb oielleicht baS
Doppelte gu gewähren, ift bie anbere mirflich außer ©ianbe, ohne
M bic ©cicpgebung fonft für bie 2?efferuug ber Lage beS
©rubenaibeitcr* in Belgien tl)im fann, bleibe hier unerörtert, ba mir
uue? auf bas Verbal tu iß oon Arbeiter unb Arbeitgeber gu befcfjränfen haben.
mit 23erluft gu arbeiten, bie Löhne auch nur um 5% ßeraufgu*
feßen. Die Hauptwaffe ber Arbeiter unter ben heutigen S3erßält*
niffen befteht in ihrer ©olibarität, unb es hiefee beShalb oon ihnen
gu oiel oerlangen, wenn fie ft<h burch SRücfRdjten auf eingelne
finangieß Rhmädjer baftehenbe Unternehmungen hinbern laffen
foßten, gemeinfame gorberungen aufgufteßen unb generaliRrenb
oorgugehen. ©ie roerben aus Einroänben foldßer Art höchftenS bie
golgerung giehen, baß bie 33erftaatlichung ber 23ergroerfe eine
Glothmenbigfeit fei. ©erabe AitgefichtS biefer ©achlage aber mürbe
es im roohlnerftanbenen gntereffe ber Direftoren liegen, wenn fte
als ©egengemicht gu ben Mittheilungen über bie gefammte Lage
ber Snbuftrie, roeld)e bem Arbeiter heute oon aßen ©eiten gufließen,
ihn auch über bie fpegiRRhen Eigenthümlichleiten beS 253erfeS,
an welchem er beRhäftigt ift, aufflärten. Dies ift aber nur
möglich, wenn Reh fefte, bauernbe SBegiehungen gmifchen Arbeiter
unb Arbeitgeber herfteßen unb wenn bie Direftoren ben SBunfd)
ber Arbeiter erfüßen unb ArbeiterauSfchüffe, bie Reh regelmäßig
oerfammeln, auf jeber ©rube ins Leben rufen. 3 a h^ rc ^ e Streitig*
feiten ließen fid) mit Hülfe einer folgen Einrichtung im Keime er*
ftiefen unb für bie im gntereffe ber Unternehmer liegenbe inbioi*
bueße 23ehanbtung ber Lohnfragen märe auf biefe 2Seife ein Organ
geRhaffen. Auch mit ber gleitenben Lohnffala foßte man in ber
belgifjhen Kohleninbuftrie troß beS wenig ermuthigenben englifchen
23eifpielS ernftbafte 33erfuche machen. Die Arbeiter Rnb außer*
orbentlich für biefe Reform eingenommen, unb wenn bie Einrichtung
gut funftionirte, fo mürbe fie rooht für ben AftienbeRßer gunt
Minbeften ebenfo oortheilhaft fein, mie für ben Arbeiter.
gn einer intereffanten Auffaßfolge im „^euple" '*) hot
t ector Denis foeben bie bisherigen Erfahrungen mit ber gleitenben
ohnffala unb bie barauS gu Rhöpfenbeit Lehren unb H°ff nun 9 cn
bargefteßt. Natürlich ift baS SBeftehen einer gleitenben Lohnffala
ohne baS S3orhanbenfein oon ArbeiterauSfcßüffen unbenfbar. Sie
im potitifdjen Leben in ben leßten 3 ahrhunberten bie große Maffe
beS 33otfS Reh Organe gefchaffen hat, burch bic fie mit beit Macht*
habern oerhanbeln unb Reh mit ihnen oerftänbigen fonnte, fo em*
pRnben jeßt bie 3nbuftriearbeiter in ihrem befebränfteren Kieife
baffelbe SBebürfniß. Es fteßt leiber feft, baß bie oelgiRhen Arbeit*
S eber weit weniger als bie beulfcßen ober gar bie englischen ben
;ug ber 3 e ^ unb bie 3*üh*n ^ er 3 c it oetftehen. Die öffentlich
Metnung ift hier gu Lanbe noch f el fe r wenig foüal ergogen. Aber
ber unausbleibliche ©ang ber Ereigniffe wirb unb muß barin
SSanblung fchaffen. Die „©ogiale ^rafis" ift nid)t ber Ort, um
auf bie politiRhe 3 u ^ ul! ft Belgiens einen 23licf zu werfen. Dies
aber fei gefagt, baß in feinem Lanbe Europas Dem ©ogialiömuS
fo wenig ihnt an Rttlicher Kraft ebenbürtiger ober überlegener
©iberftanb enlgegenfteht mie in bem blüßenben gnbuftrieftaat
23elgien. Die Arbeiterfchaft beS LanbeS beRnbet fich auf
fogialiftiRhem 23oben, aber Re giebt Reh lR cr weniger als irgenbroo
außer in Englanb mit Dheorien ab unb gum orthoboyen Maryis*
tnuS befennt Reh fautn einer ber gührer. Der praftifche ©eift beS
nieberlänbiRhen 23oifeS oerleugnet Reh auch in ber Arbeiterbewegung
nicht unb in ihren großartigen unb fortroährenb weiter um Rd)
greifenben Korporationen hat Re beroiefen, baß Re fßoRtioeS gu
leiften im ©tanbe ift. Die ©rubenarbeiter unb ihre gührer Rnb
burcbauS geneigt mit ben S3ertretern beS Kapitals auf einen AuS*
gleich ber beiberfeitigen gntcreffen binguarbeiten unb, in ihrer treffe
tauchen manche beachtenSmerthen Sorfcßläge 3 ) auf. Es ift Bebauer*
ließ, &aß bei ben Unternehmern fo wenig guter ©iße unb tieferes
23erftänbnife oorhanben ift. greilich gehörte gur ernfthaften An*
bahnung eines fonftitutioneßen gnbuftriefpftemS ein geioiffer
fonaler 2Bagemuth unb Bei ben Direftoren oon fapitaliftifcfjen
Aftiengefeßfchaften bie Neigung gu fogialen Experimenten oorauS
jufeßen, h^fei wohl in ber Dßat, Unmögliches oon ihnen oerlangen.
Unb bennoch ift fein gortRhritt benfbar ohne Experimente.
23rüffel. ©uftao Mat)er.
51 ) Aummer oom 8. Mai, 9. Mai ff.
8 ) Ein Seifpiel, baS mir nicht fritifiren moßen, roelcßeS aber für
bie Ebarafteriftif ber fogialiftif^en Sorfcßläge oon gntereRe ift:
S. ^ertranb, ein Veteran ber belgifcßen Arbeiterpartei entwirft im
„^euple" oom 9. Mai bie folgenben (Gruttbgüge gu einem ©efep:
Dem Kapital wirb aus bem Erträgniß ein 3inSmiiiimum oon 6%, beu
Arbeitern unter ber Erbe ein Minimallohn oon 5 grcS., beneit über
ber Erbe oon 4 grcS. gewährt. Der bann oerbleibenbe Aeft bes (Ge*
winnS gerfäflt in brei gleiche Dftetle, ein Drittel fällt ben Aftiouäreii
als gweite Dioibenbe gu, ein weiteres Drittel ben Arbeitern pro rata
ihres Arbeitslohnes, baS leßte Drittel lommt in eine Aeferoe, um bie
Miuimalbioibenbe unb bie Minimallöhne für bie feiten ungiinftigcr
Koniunftur gu fiebern. _
925
Sogiale PrajtS. Eentralblait für Sogtalpolitil. Nr. 84.
926
Beenbißtsna beS BergarbeiterauSftonbeS in Sleinroffefa. 3n einer
am 15.9Rat gu ©ro&roffein abgehaltenen Berfammlung geigte fid) bei
einem her AuSftänbigen eine weniger ftreifluftige Stimmung,
dagumag bieBefanntmacfjung ber©rubenbireftion beigetragen haften,
bafe ber 3 u ft an B Ber ©ruben e$ nicht mehr geftatte, bie gange
Belegfchaft gleich angulegen; non jefet ab müßten bie Bergleute bet
bem betreffenben Dberfteiger anfragen, mann fie bie Slrbett roieber
aufnehmen fömtten. die Berfammlung legte bie Entfcheibung, ob
angefabren werben folle ober nicht, in bie £>änbe beS oon ibr ge»*
wählten AuSfdjuffeS unb biefer entfcfiieb fid) mit 15 gegen
10 Stimmen für bie SBieberaufnabnte ber Arbeit. die direftion
nimmt bie Äünbigung ber oier Arbeiter gurücf unb anerfennt ba*
mit bie Koalitionsfreiheit; au&erbem genehmigt fie bieBilbung ber
geforberten ArbeiterauSfchüffe; im llebrigen behält fie freie £>anb,
in wie weit fie bie Berbefferung ber ArbeitSoerhältniffe Beroerf*
fteEigen roiE.
Streifs in OefterretA 1898. die öfterreidf)ifche ©ewerffchaftS*
fommiffton pubügirt bie Ergebniffe ihrer Erhebungen über Arbeits*
einfteEungen im Sabre 1898. Böir entnehmen biefer Beröffent*
lichung, bafj ber Sfommiffion 217 Streifs unb 4 AuSfperrungen
angemelbet würben, wooon fich 122 als Zugriffs*, 95 als Abwehr*
ftreifs barfteEen. die Statiftif ber Äommiffion ma(ht auf BoE*
ftänbigfeit feinen Anfprud), aber bie oorliegenben Ergebniffe reichen
aus, Schlüffe über bie Drganifirung unb daftif ber Sämpfenben
gu liehen. die Streifs, bie in ber Statiftif in Betragt fommen,
umfa&ten 40160 ArbeitSperfonen, wooon 32 655 männliche unb
7505 weibliche Arbeiter gu gählen finb. Berfäumt würben
383 677 Arbeitstage, was bei einem durchfdjnittslohn oon 90 fr.
einen Entgang oon 345 309 fl. 30 fr. an ßof)n bebeutet. An Unter*
ftüfcungen würbe für bie Streifenben eine ©efammtfumme oon
102 107 fl. 16 V 2 fr. aufgewenbet, fo bafe bie ©efammtfoften ber
Streifs 447 416 fl. 46 V 2 fr. befragen.
Bon ben 122 Angriffs ftreifs würben 46 mit Erfolg, 27 mit theil*
weifent Erfolg, 27 erfolglos unb 22 mit unbefanntem Nefuttat beenbet.
Bon ben 95 AbroehrftretfS enbeten 48 mit Erfolg, 19 mit theilweifem
Erfolg, 21 erfolglos unb 12 mit unbefanntem AuSgang. das ©efammt*
ergebnife aller Arbeitseinteilungen fteEt fich bemnadj, in progeitten aus*
gebrücft, folgenbermaben bar: 41 ,01 % mit Erfolg, 21,19 °/o mit theil*
wetfem Erfolg, 22,19% erfolglos unb 15,ei °/o mit unbefanntem Nefultat.
ES ift 18 575 ftreifenben Arbeitern in 46 gäflen gelungen, ihre gorbe*
rungen um Sohnerhöhung oon einem Eulben pro Kopf unb SBodje fo*
wie eine halbftünbige Berfürgung ber täglichen ArbeitSgeit gu erringen.
SnSgefammt hatten biefe Arbeiter bei 114 521 oerfäumten Arbeitstagen
103 068 fl. 90 fr. an Sohnoerluft; nach einer Unterftüfcung oon 82 757 fl.
91 l /a fr. gelang es ihnen, auf Erunb ber Errungenfchaften bie
Eefammtoerlufte bereits innerhalb acht SBodjen gu beefen.
Unter ben mit theilweifen Erfolgen beenbeten Angriffsftreifs finb foldje
Streifs gu oerftehen, bie mehrere gorberungen, h au ptfä<hlrch bie Ber*
fürgung ber ArbeitSgeit unb 15 bis 20 % Lohnerhöhung, gur Urfadje
haben, wo jeboch nur eine oon ben beiben gorberungen, entmeber bie
Berfürgung ber ArbeitSgeit ober eine Lohnerhöhung oon 5 bis 10 %
errungen würbe. Ein foldjer tljeiiweifer Erfolg, ber trofc ber geringen
Büttel unb fchwachen Organifation ber Betheiligten ergielt würbe, ift in
27 gäflen mit 3104 Streifenben unb 62 918 oerfäumten ArbeitSftunben
fowie mit einer Streifunterftüfcung in ber uhe oon 21 785 fl. 14 fr. gu
oergeiebnen. Bach bem oerarbeiteten Biaterial brauchten bie Betheiligten
oier Bfonate, um ben erlittenen Berluft gu beefen.
gn 27 gäflen hatten 4316 Streifenbe mit 37 181 oerfäumten ArbeitS*
tagen unb mit einer Unterftüjung oon nur 4747 fl. 1 fr. erfolglos gefämpft.
28enn man nun fammtlidhe Angriffsftreifs bahtn beurtheiit,
bafe 65 °/o mit Erfolg, 14 % mit theilweifem Erfolg unb 27 %
ohne Erfolg Beenbet würben, fo ergiebt bieS einen wefentlidjen
gortfehritt m ber oorftchtigen gührung ber Streifs gegenüber ben
früheren Qahren. Aber nicht nur bte Angriffsftreifs weifen ein
günftigeS Nefultat auf, fonbem auch bie Abwehrftreifs, beren
Urfache in ben meiften gäEen in ben geplanten ßohnabgügen, Ber*
längerung ber ArbeitSgeit, Ntafjregelung oon BertrauenSmännern
u. f f. gelegen ift.
5816 Arbeitern ift es in 41 gäflen gelungen, ben Unternehmer*
gelüften begügltd) ber SfteljrauSbeutung erfolgreich entgegengutreten. gm
Eangen famen hier 17 356 oerfäumte Arbeitstage unb eine minimale
Unterftiifcung (1208 fl. 49 fr.) in Betracht. die Unternehmer muhten in
biefen gäflen bie Btafcregelung oon BertrauenSmännern aufheben, bie
Crganijation ber Arbeiter anerfennen unb noch babei fo manche ntinber
wi^tige gorberungen, g. B. bie Einführung oon Raufen gewähren.
Büt theilweifem Erfolg würben 19 AbroefjritreifS mit 7226 Betheiligten
unb 82 779 oerfäumten Arbeitstagen uno einer Unterftüfcung oon
10 837 fl. 84 fr. beenbet. §ier muhten ftch bie Arbeiter manche Lohn*
abgüge gefallen laffen, bie ArbeitSgeit würbe nur in gwei gäflen oer*
länger! unb bie Btahregelungen oon Arbeitern blieben aufrecht. da*
gegen finb 1764 Arbeiter mit 21 537 oerfäumten Arbeitstagen unb einer
Unterftüfcung oon 3608 fl. 88 fr. ooflftänbtg unterlegen.
die gelbarbeiter in Ungarn. den jüngften SWelbungen aus
Ungarn gufolge ift für biefen Sommer bei ben Erntearbeüen faum
eine Bewegung ber gelbarbeiter gu erwarten. $)er überwiegenbe
Zfyil ber lanbwirthfchaftlichen Arbeiter h a f bk 00 m ©efefce jefet
oorgefdhriebenen Eertifxfate gelöft, unb bie ©runbbeftfcer fonnten fich
aEe nothwenbigen ArbeitSfräfte im B3ege gerichtStnähiger Äontrafte
fiebern. S)och h^t bie Bewegung ber gelbarbeiter fehr günftige
Sßirfungen auf bie ßohnhöhe gehabt; währenb früher ber Schnitt
für Vu ober V 12 ber gechfung übernommen würbe, ift h^wer a /o
als Eflinimalgrenge betrachtet worben. Auch würben fefte ©elb*
lohnoereinbarungen getroffen, desgleichen erfolgen h^uer bie fo*
genannten Nacharbeiten, bie bisher unentgeltlich geleiftet würben,
gegen daglohn.
24 Stmtben Briefträgerftreif in $ariS. Auf bie Nachricht,
bah ber Senat bie oon ber Kammer bewiEigte Erhöhung ber
Briefträger*©ehälter um 1800000 grancS abgelehnt fyalt,
weigerten ftch am 18. 9Nai früh Briefträger ihren dienft
angutreten. B^rfönliche Aufforberungen beS UnterftaatSfefretärS
blieben fruchtlos, die grühpoft blieb unbefteEt, im ßaufe beS
dageS würbe ein Nothbienft eingerichtet. 3m Senat wie in ber
Äamtner fam ber Streif gur Sprache; bie Negierung erflärte, fte
werbe nicht butben, bah ein gro|er unb wichtiger 3^9 b&
öffentlichen dienfteS ber BHEfür einer ^anb 00 E AngefteEter
preisgegeben werbe. 3 u ^ cm f e ^ & cr ©tretf ber $oftbeamten ein
gewaltfamer ^roteft gegen ein Botum beS Parlaments unb auch
beShalb haöe bie Negierung bie Pflicht, feftgubleiben. 9Rit arofeer
Ntehrheit biEigten bie Kammern biefe ^unbgebung. Am Abenb
beS 18. würbe an aEe Briefträger ein amtliches Nunbfdjreiben ge*
richtet, in bem ihnen angegeigt würbe, ba| fie, wenn fte am 19.
ben dienft nicht auf nehmen würben, enbgültige Entlaffung gu ge*
wärtigen hätten. 3n ber grühe beS 19. 3Eai war ber Streif be*
enbet.
die gegenwärtigen EinfommenSoerhältniffe ber Briefträger —
fo wirb uns aus Paris gefchrieben — beruhen auf einem 1882
erlaffenen Status, darnach werben fie mit einem fiyen ERinimal*
gehalt oon 1000 grcS. angefteEt, baS fich in fünf Stufen nach
unb nach ba& ERayimum oon 1500 grcS. erhöht. An Neben*
einfünften begiehen fte bei ber AnfteEung eine einmalige 3uroenbung
oon 80 grcS., ferner bauernb 1 % 00 m Betrage ber bur<h fie ab*
gefegten Briefmarfen, unb 5 EtS. oon je 20 grcS. ber burch fte
erhobenen ©elbbeträge, fowie 15 EtS. oon jebem Poftfparfaffen-
buch, baS burdh ihre Bermittelung gelöft wirb. Aufeerbent erwächft
ihnen aus ben fpftematifch gefammelten unb ©erteilten Neujahr^*
trinfaelbem beS PublifumS ein anfehnlidfjer 3nfthnfe. die
Penjionirung erfolgt nach ben aEgemein gültigen Negeln. 3«
Paris wirb ihnen eine dheuerungSgulage oon 150 grcS. jährlich
gugeftanben. An ber Aufbefferung oiefeS ©ehaltSftatuS wirb feit
3 ahren gearbeitet.
die ©ewerffchaften im Staate Neto-gorf. der lefete 3ahreS*
bericht beS Arbeitsamtes für ben Staat New*9)orf enthält u. A.
folgenbe dabeEe über ben Stanb ber gewerffhaftlidhen Drganifation
unb bie ArbeitSlofigfeit innerhalb ber Bereine am 30. 3«ni 1897:
Berid^tenbe
aRitglteber*
Arbeitslofe
Eewerlfchaften
»afjt
%
Baugewerbe ....
252
46 056
23
Sabafinbuftrie . . .
52
6 962
8,9
BefleibungSinbuftric
51
18 633
15,8
Äuttdjer.
5
2 036
19,4
NahrungSmittelinbuftrie
31
2 578
14,8
iifthler.
4
551
33,4
ElaSinbuftrte....
15
881
34,2
öutmacher.
14
2 297
10,8
Eaftgewerbe ....
15
2 009
31,8
Eifeninbuftrie . . .
127
10 759
13,2
Leberinbuftrie . . .
12
2 336
24,9
Braugewerbe....
29
3 353
7,6
Seetransport....
14
2 860
9,1
Btetaflinbuftrie . . .
12
946
22,7
Bhtftfer.
13
2 168
22,8
Bucfjbrmfer ....
Eifenbahnarbeiter . .
62
132
13 133
17,i
3,i
Strafeenbahnarbeiter .
2
9 745
Steininbuftrie . . .
32
3 203
23,i
pflafterer.
8
5 114
6,7
ieytilinbuftrie . . .
Sheateraroeiter . . .
7
10
674
1 174
38,i
54,8
^ohinbuftrte ....
21
1 S70
27,,-
Berfchiebene Eewerbc .
56
10 082
2 1 , ;i
guSgefammt . .
976
151 206
IS,,
927
Sogtale PragiS. ©entralblatt für Sogialpolitif. 9h:. 34.
928
VfaffenanSfpermttgeii in Sfanbittafctett finb jeßt an ber £ageS*
orbnung. 3)ie Arbeitgeberoerbänbe greifen faft regelmäßig gu
biefem Mittel, um partielle Streife gu befämpfen. So |at in
Stocfßolm ein Streif bei oier Väcferfirmen bagu geführt, baß eine
allgemeine AuSfperrung oom Väcfermeifteroerein beßhloffen ift.
©benfo bat fid) ber „©tocffjolmer Vaumeifteroerein" für allgemeine
AuSfperrung im Baufach im Anßhluß an bie gunbamentarbeiter*
AuSfperrung auSgefprodjen, meil man bei ben Verhanblungen mit
ben VaugeroerfSoerbänben betreffs ber ßöhne gu feinem Nefultat
fommen fönne. (Sine allgemeine AuSfperrung im Vtalerfacfj in
Stocfbolm bauert ßhoti längere 3 «t. — Sn atopenhagen bat ber
©entraloerbanb ber Arbeitgeber anläßlich eines ßobnftreiteS ber
£ifd)ler eine ©efammt*AuSfperrung ber Arbeiter in allen mit ber
Vauinbuftrie oerbitnbenen ©eroerben oom 24. 3M an proflamirt.
Ärbettwfd)«^
$cr Vajiarbeiterßbm? nnb bie Bauarbeiter. An bie bau«
geroerblidjen Arbeiter $)eutfchlanbs erläßt bie ©entralfommiffion für
Vauarbeiterßhuß in Hamburg einen Aufruf, bem mir golgenbeS
entnehmen:
3ur ©rringung eines oernünftigen SdjußcS für Sehen unb ©efunb*
beit ber Arbeiter mie anberer Verßältniffe im Baugewerbe, um bie
Sage biefer Arbeiter erträglicher ju gepalten, bebarf es einer energißhen
Betätigung im Sinne ber lebten ftongreßbeßhlüffe (oergl. „Sogtale
PrajiS" Sp. 700). Vor Allem roerbeit bie leitenben roie Vertrauens*
perfonen ber baugeroerblicben Arbeiter nach ber Dichtung »orgugeßen
ßabeit, baß fte neben ber agitatorißßen Beßaublung biefer f^rage in ben
einzelnen Orten ^ontmiffionen hüben, bie ßcb ber Aufgabe untergießen,
bie guftänbe auf ben Vauten fortgefeßt gu beobachten, non 3eit gu 3eit
eine ftontrole in befonberer Begießung gu ben Unfadoerßiitungsoor*
fünften ausüben unb oerfueßen, bie ortsbaupoligeilichen Scßußbeftim*
mungen burchguführen unb ißre 23aßrneßmungen ber untergeteßneten
.Stommiffton eitifenben. Die ©entralfommiffion roirb, ihrer Aufgabe ge*
maß, bei unterem Vorgeben überall unterftüßenb unb beratßenb ben in
ber Sache tbätigen perfonen gur Seite fteben. Sie roirb auch, nnt ben
SanbeS», prooingial* roie Ortsfommiffionen ihre Aufgabe gu erleichtern,
ebenfo unferem Vorgehen einen einheitlichen roie gtelberoußien ©ßarafter
gu geben, es für nothroenbig halten, AnroeifungS* roie Aufnahme*
feßemata ben Vertrauensleuten gugehen gu laßen, aus benen bie Diref»
tioe unferer gemeinfanten Ißättgfeit leidet erfirfjttich ift. SBenn roir, un¬
beirrt um baS ©eßßrei ber Vaufpefulanten, aller Vorher» unb hinter*
tnänner ber Arbeiterausbeutung im Vaugeroerbe, unbeirrt um bic
Drohungen roie reaftionären Vfacßenfcßaften ber VaugeroerfSgünfter,
unfer großes 3^1 »erfolgen, fo roerben roir — roie auch bie Aus*
Iaffungen ber VegierungSorgane in ben leßten lagen über
bie Stellungnahme ber NeicßSregierung gu biefer 3^age
roieber beroeifen — bem 3iele Stritt um Schritt näher fommen. Vor
Adern gilt es, für unfere Sache bie öffentliche Meinung gu erfämpfen.
Ade $aftoren beS öffentlichen SebeitS: bie VMffenfcßaft, bie politißßen
.Streife, bie Parlamente müffen roir für bie oder Kultur roie bem NecßtS*
beroußtfcin ßoßnfpredjenben 3»ßänbe im Vaugeroerbe gu interefftren
fuchen. 3« ber Preffe unb ben öffentlichen Verfammlungen barf bie
grage nicht non ber lageSorbnung unb auch nicht aus ber DtSfuffion
uerßhroinben!
Die ©entralfommiffion für Vauarbeiterfcßuß gu Hamburg be*
ftel)t aus 18 Vhtgliebern, bie SKaurer, 3inimercr, 3Raler, Vau*
arbeitet, löpfer, Vautifdjler, Stuffateure, Dacßbecfer, Steinbilb*
Bauer, Steinmeße, ©lafer finb. 28eitn bie Negierungen ber (Singel*
ftaaten roirflich ernftbaft für einen anSreichenben Vauarbeiterfchuß
gemäß ben Vorfcßlägen beS befannten NunbfdjreibenS beS ©rafen
PofaboroSfp (nergl. „Sogiale PragiS" Sp. 751) eintreten roollen,
tnuß ißnen bie fachfunbige Vtithilfe ber organifirten Arbeiter nur
roiflfommen erscheinen.
9tanm!jr • Sabenfdjluß nnb Vlimmalrußcgcit für $anbel$att*
eßettte. Die NeichStagSfommiffion für bie ©eroerbenooede nahm
egüglidß beS CabenfdßiuffeS folgenben Antrag §iße in gm eit er
ßefung troß lebhaften ©infpnidjs ber Regierung an:
Von 9 llhr Abcnbs bis 5 Uhr ViorgenS müffen bie Verfaufsfteden
für ben geßßäftlicßen Verfehr gcfchloffeii fein. Veim iiabcnfcf)lnfj im
2abeu fcfioit anroefenbe Muubcn biirfen noch bebient roerben. lieber l U
nach 9 Uhr Abcnbs bis fpäteftenS 10 Uhr biirfen Verfaufsfteden für
ben’gefrfjäfHieben Verfehr geöffnet fein: 1. in unoorhergefeheneu Aoth s
fällen; 2. an hödificns 4° non ben CrtSpoIigcibehörbcn gu beftimmcu*
ben lagen; d nadi näherer Veftimmung ber höheren VerroaltuugS*
behörben für länbliiße OJcincinbcn, in roclcben ber WeidjaftSoerfehr fid)
in ber .öauptfadie auf eingetne läge ber S^ocßc ober cingelne Stunben
bes lages befchränlt.
ferner mürbe bie Vorfd)rift, baß in ©emeinben mit mehr als
20 000 ©iiiroofmern in offenen Verfaufsfteden bie ununterbrochene
Sdubegeit für bie Angeftedten minbeftenS 11 Stunben betragen muß,
auf ©eßhäfte mit minbeftenS gmei ©ebilfen unb ßebrliitgen ein»
geßbränft. dagegen befd)loß bie Stommiffion, an ber Veftimmung
feftgußalten, baß bie VUttagSpaufe für auSroärtS Vßobnenbe min*
beftenS l l /2 Stunben betragen müffe.
ttntcrftfdjmtg über bie Sage ber 3mfHüttenarbeiter. Am 14. April
fanb in Verlin eine nom VeidhSfangler einberufcitc Äoitfereitg ftatt, in
ber bie 2age ber 3infbüttenarbeiter befprochen merben fodte. AIS Ver¬
treter roaren aus Cbcrfchlefien ein Vergrath als 9iepräfentant ber Aftien*
gefedfehaft ©. o. ©iefd^eS (Srben unb ein Argt Dr. VißhopinSfi anroefenb,
bie „5Sabl" ber Arbeiteroertreter roar lebiglich burd) bie Unternehmer
erfolgt. Von ben Vefnltaten ber tfonferengberatbungen ift noch nichts
befannt. 3n Arbeiterblättern roirb folgenbc ©efcbidjte ergählt: Auf bas
drängen ber 3infhüttenarbeiter in Antonienhütte hatte ber 9ieicf)Sfaitgler
einen oon ben Arbeitern felbft empfohlenen Arbeiteroertreter gur Verliner
^onfereng eingelaben. ®er fiütteninfpeftor gab jeboch biefem feinen
Urlaub unb bebrohte ihn mit (intlaifung aus ber Arbeit, fads er bennodj
nach Verlin reife, ^er Arbeiter mußte fid) fügen. — (SS flingt bod)
faum glaublidh, baß ber VeichSfangler fich baS hätte gefaden laffen.
9Raßuahtneu gegen bie getterbltdje ^inberarbeit in Berlin ttnb
Bororten. SDie Vertreter ber Poligeibebörben unb ber ftäbtifchen
Schulbeputation fmb übereingefommen, ben ©rlaß einer ^oligeioer*
orbnung oorgufchlagen, melche für hinter unter 9 Qabren bie Bor*
nähme geroerblidjer Arbeiten, inSbefonbere auch baS Austragen non
Örübftücf unb 3eitungen, baS 5fegelauffeßen unb baS Aufmarten in
V5irtbf<haften überhaupt oerbietet, für bie über 9 alten
ßhulpflidjtigen £tnber aber bie Vornahme geroerblicher Arbeiten in
ben 9ia<htftunben groißhen 8 llhr AbenbS unb 6 Uhr früh unter
Strafe ftedt. ®ie Vornahme folcher gemerblicber Arbeiten, bie in
f iauSinbuftrieden Betrieben ber ©Item unb ©rgieber geleiftet roerben,
od nicht oerboten merben. dagegen fod eine bereits beftebenbe
Voligeioerorbnung oom Sabre 1879, melche $inbern unter 14 3ah rcjl
ben Straßenhanbel unterfagt, in £raft bleiben. Adgemein mürbe
anerfannt, baß ein befonberer 9?othftanb oorliege, ber, fo lange ein
bie Materie regelnbeS dteichSgefeß nicht oorhanben fei, nur auf
bem SSege ber potigeioerorbnuntj abgeftedt roerben fönne. — S»
Sdiyborf mirb ebenfalls eine ähnliche $oligeioerorbnung oorbereitet.
©ine gleichmäßige Regelung ber jyrage ift für Verlin unb fämmt*
liehe Vororte nothroenbig. — Soldje poligeioerorbnungen finb
aber nur SRotbbehelfe bis gur Siegelung bind) SdeidjSgefeß.
bleibt benn übrigens bie Veröffentlichung ber bereits im 5)egember
1897 angeorbneten, am 1 . April 1898 abgeßhloffenen unb im faifer*
liehen ftatiftifchen Amt Iängft bearbeiteten ©rhebung über bie $inber*
arbeit? ÜnfereS 2BiffenS liegt fie feit mehr als einem halben
Sabre im SfteicbSamt beS Snnern.
fde^elung ber grauen» unb föttberarbeit itt Stalieu. ^ie
£>auptbe)timmungen oeS oor Burgern ben Kammern oorgelegten
©efeßentrourfS gur Regelung ber grauen* unb ^inberarbeit lauten
nach bem „VorroärtS" folgenbermaßen: S)ie Veßhäftigung oon
Knaben unter 15 Salden unb oon grauen in inbuftrieden Ve*
trieben (barunter fmb gabrifen gu oerftehen, bie mehr als gehn
Arbeiter befchäftigen unb in roelchen fich 3dotor befinbet), in
©ruben unb in Veramerfen ift an bie ©rlaubniß beS Präfeften
gebunben, ber bie ©rfaubtiiß ertheilt, roenn bie gu Vefdjäftigenben
nach einer ärgtlichen Uitterfuchung für burcf>auS gefunb unb tauglich
erflärt merben. ®ur<h föniglicheS befrei, baS nach Anhörung beS
oberften Sanitätsraths unb beS Snbuftrieraths erlaffen roerben fod,
roerben bie gefährlichen unb ungefunben Arbeiten Begegnet roerben,
bie für Knaben unb ddäbchen unter 15 Safjren unb für minber*
jährige grauen oerboten finb, unb biejenigen, bei roelchen Re in
folchem Alter unter 3nnehaltung einer gefeßlid) feftgelegten ArbeitS*
S ’t unb unter Beobachtung befonberer tec^nifdö*=h»pgicnifd^er Bor*
riften befdjäftigt roerben Dürfen. Verboten ift bie Verfügung
oon Äinbern unter 10 3ahren(!) in inbuftrieden Betrieben; oon
Äinbern unter 14 Sahren bei unterirbifchen Arbeiten in ©ruben
unb Vergroerfen; oon £inbern unter 12 Sahren bei ©rbarbeüen.
VUnberjährigen grauen ift jebe Arbeit in ©ruben unb Vergroerfen
unterfagt. Nachtarbeit in inbuftrieden Betrieben, in ©ruben unb
Vergroerfen ift Knaben unb ÜRäbchen, bie baS 15. ßebenSjahr noch
nicht oodenbet haben, unb minberjährigett grauen, bie Bei bem
Snfrafttreten beS ©efeßeS nicht fdjon beßhäftigt finb, oerboten.
©rei Sabre nacfi bem Snfrafttreten beS ©efeßeS roirb bie ^acht*
arbeit aden minberjäbrigcn grauen oerboten; unter Nachtarbeit ift
gu oerftehen bie Arbeit groißbeti 8 Uhr AbenbS unb 6 llhr Borgens
oom 21 . September bis gum 20. Vlärg unb oon 9 UI)r AbenbS bis
5 Uhr ädorgenS in ben anberen ddonaten. Knaben unb Idäbcben
groifchen 10 unb 12 Sahren bürfen nicht länger beßhäftigt roerben
als 6 Stunben täglich, nnb Minber oon 12 bis 15 Sapren unb
minberjäbrige grauen nicht länger als 12 Stunben. $)ie Arbeit
929
Soziale $?a£i£. Eentral&latt für Sogtalpoliiif. Nr. 34.
930
mu& oon einer einftünbtgen Nuhepaufe unterbrochen werben, wenn
fte weniger als 8 Stunben bauert, non einer gweiftünbigen, wenn
fic länger bauert. Kinbern bis gu 15 3ab«n unb minberjährigen
grauen mu& wöchentlich eine Nuhepaufe non 24 aufeinanber fol-
genben Stunben gewährt werben; 2Bödf)nerinnen bürfen frübeftenS
14 Xage nach ber Entbinbwtg wieber befdjäftigt werben.
3Ubdtm)rrßii)entng. Spatkaffett.
KranfaibcrfidjmingSpfltdjt ber berliner £>au$inbuftrtf(len.
$sur<h bie £ageSpreffe wirb bie befrembenbe NHttbeilung oer-
breitet, ber Ntagiftrat habe bie neue Vorlage ber ©ewerbebeputation
gur Kranfenoerficberung ber §>auSinbuftrieIIen abgelebnt unb bie
Sache auf gwei Sab« nertagt. Seit länger als brei Sauren ift
bie Einführung ber gwangSroeifen Berfitherung in ber Schwebe
gebalten worben. Eine Entfd)ulbigung liegt !auut mehr oor, nadf)*
beut bie Äonfeftionäre aller Branchen einhellig erflärten, bie Bei*
tragspflicht für bie ©efammtheit übernebnten gu wollen, wenn bie
Beiträge progentualiter non ben effeftio nerbienten ßöhnen beregnet
unb abgewogen werben bürften (nergl. ben Auf fab non D. Seigert,
bie obligatorifche Kranfenoerficberung ber £>ausinbufiriellen. 3«>eite£
$>eft bes ScbmoIIerfchen SafjrbucheS, 23. Sabrg- ßeipgig 1899.)
5)ana<h follte jeher Arbeitnehmer nach Ntofcgabe feines Arbeits¬
lohnes, ber SroiWenmeifiet nad) Ntofegabe ber $)iffereng beS non
ibm empfangenen unb beS non ibm bezahlten ßobneS, alfo feines
BerbienfieS unb gu minbeftenS einem drittel ber eigentlichen Arbeit*
geber, ber Konfeftionär gur $5ecfung ber Kranfenlaft berangegoaen
werben. $>ie ©ewerbebeputation batte aüerbingS — begeichnenoer
Seife — in ihrem SSorfdtjIagc bie Äonfeftionäre gleichfalls frei
laffen gu müffen geglaubt. $>iefe fogialpolitifche Kurgfidjtigfeit
mufe um fo tieferes Bebauern benmrrufen, als non ben 170000
|>auSinbuftrieflen, bie etwa in Berlin unb ben Bororten befd)äftigt
werben, bie Ntehrgahl ber Konfeftion angeboren unb in ben un-
günftigften ßohnoerhältniffen leben.
$tc ttnfaHfoerftdjening in Defterreidj. 3m nädjt’ten 3ah*e foö,
wie fcf>on erwähnt, eine reoibirte ©efabrenllaffeneintbeilung ber
unfaHnerfichcrungSpflichtigen Betriebe in Defterreicb in Kraft treten.
2)aS Nftnifterium beS Snnern b°t beSbalb eine Sifcung non
Experten einberufen:
hierbei gelangte oorerft bie grage gur S'isfuffion, ob es ben
Sünfdjen ber Sntereffentcn entfprecfjcn würbe, wenn unter gefthaltung
ber etitbeitUcheu ©efahrenftaffeneintbeilung int Allgemeinen bet eingeliten
BetriebSgattungen, bei betten bie Erfahrungen ehtjelnerllnfanoerfidjerungS*
onftalten über ben (Gefahrengrab wefentlidhe llnterfcfttcbc aufweifen unb
bie Beobachtungsmenge fid) als eine binreidjenbe oarfieHt, im Berorb*
nungSwege nad; Anftaltsbegirfen oerfchiebene Gefahrenflaffeti feftgefe^t
würben. 2)iefe f^rage würbe nach eingehenber Beratfjung allgemein
bejaht. Ueber bie weitere $rage, ob bie in ber geltenben Berorbnung
oorgefehene Unterfcheibung ber Betriebe in foldje mit „geringerer", „ge*
wohnlicher" unb „erhöhter" ©efaljr mit je einer befonberett ©efafjren*
Haffe auch weiterhin aufredjtguerhalten fei, waren bie Meinungen ge*
tfjcilt, bagegen würbe allgemein einer Anregung gugeftimmt, bas Sdjema
für bie ©efahrenflafftfifation in einer feichen Seife abguänbem, bafc
bei Einreihung ber Betriebe in bie ©efahrenpergente einer möglidhft
weitgehenben Berüdfidjtiguitg ber UnfaHoerhütung Naum geraffen
toerbe. ferner würben an ber .§anb bes iejteS unb ®dfjema$ ber
gegenwärtig in Straft ftehenben KlaffififationSocrorbnung bie weiteren
©runblagen für bie gu erlaffenbe neue Berorbnung erörtert, wobei auch
bie grage ber Berütffidjtigung ber Berwaltungsfoften bet geftftellung
ber ©efafjrenflaffen gur $)tSfuffton gelangte unb iitSbefonbere audj ber
Söunfdj auSgefprod)ett würbe, bah uor ber Entfdjeibung über Einfprüche
unb Nefurfe in Angelegenheit ber ©efatjrenflaffeneintfieilung ©utadjten
fadjoerftänbiger Kommiffionen eingcholt werben, Schließlich würben
gur Berathung ber für bie eingelneu Betrtebstitel feftgufejjenben ©efaljren*
flaffen fünf Subfomites beftcllt, oon welchen jebetn mehrere Betriebs*
gruppen gur weiteren Bebanbltntg gugewiefen würben. —
2>ie fo bringenbe unb feit Beftanb beS ©efefceS erörterte
Beform ber Unfalloerfidherung felbft b<rt «och immer feine greif*
bare ©eftalt angenommen.
3ur grage ber AlterSPerfitherung in @ng(anb. 3u einer
neuen Brofchüre: .,01d age Pensions a ProposaP* bol ©barleS
Booib*) fein populäres ^rojeft einer englifdljen AlterSoerforgung,
bemgufolge jeber 65 jährige englifdje Untertban Anfprutb auf eine
wöchentliche Benfion oon 5 s h haben folle, abgeänbert. Er bat
bie AlterSgrenge auf 70 3ab*e biaauSgefchoten, bagegen bie
Benfion auf 7 sh in ber Bßoche erhöht; in AuSnabmefällen follte bie
BenfionSberechtigung fd)on gwifd)ett 60 unb 70 gabreit cintreteu
*) Bonbon, Bhicmtllau anb Eo*.
fönnen, bodh würben bann bie BBodhenbegüge bauernb gefdfjmälert.
grauen follten jebodb immer nur ^öd^ftenS 5 sh in ber 3Bo<hc er*
halten. 3Rr. Bootb oeranfcblagt bie Soften biefeS B™jeftS auf
20 Millionen Bfunb jährlich, wooon öielleidht 15—20 B^ogent
wegfielen, wenn bie bemittelten alten ßeute ihre B cn ft° n nicht
regelmä&ig begieben würben, unb weiter wären 2 l ji BUÜionen
Bfunb in Abrechnung gu bringen, bie heute für Armenunterfiüfcung
(„outdoor relief**) außerhalb ber Armenhäufer in Englanb uno
SßaleS oerauSgabt werben.
3« einem X^cil ber Srabe* UnionS hetrfcht eine ftarfe Be¬
wegung für bie ftaatliche AlterSoerforgung, bie namentlich oon
Nottingham aus geförbert wirb. 3n btefen Sagen fanb bort eine
Berfammlung oon 181 ©ewerfoereinS * $)elegirten ftatt, um ber
Agitation für ben Blau neue Straft gu geben.
3ngwif<hen hat bie für bie Erörterung ber AlterSoerforgung
gewählte llnterhauSfommiffton bereits einige ©runbfäfce aufgeftellt.
danach wirb ein Alter oon minbeftenS 65 Saften für ben B e nftonS*
empfänger feftgefefet, beS Weiteren mufe er weniger als 10 (Shilling
fidbere Söodheneinnabme begieben unb minbeftenS 20 gab** einer
eingeschriebenen §ilfsfaffe angebört haben. Nicht berechtigt gu
einer Nente pnb folche B cr f° nen / e i nen ßahn oon mehr als
5 , // mödhentlidj begiehen, bie eine Armenunterftüjjung wäbrenb
ber lebten jwangig Sabre genoffen ober eine greibeitSftrafe erlitten
haben. 2Bte man uns jeboch aus ßonbon fchreibt, hegen bie An¬
hänger ber AlterSpenfion nur geringe Hoffnungen, ba§ aus ben
Berathungen biefeS StomiteS gebeihli^e Nefultate h^roorgehen.
Hnfaatierftthemng in Nn§(anb. £as ruffifhe gtnangmintfterium be*
fhäftigt fth gur Seit wieber mit bern bereits tm Sabre 1893 auSge*
arbeiteten Brojeft ber ftaatlichen UnfaHoerftcherung für Arbeiter. $)aS
Brojeft foH enbiieh ©efeh werben. ®ie ruffifdje Breffe befchäfttgt ftdj
auch mit ber ffrage unb ift in ihrer SNefjrheit für etn folcheS ©efeb mit
BerftcherungSgwang. ES wirb bei ber ©elegenheit auf baS rapibc
SBadjstbum ber tuffifefjen Snbuftrie hingewiefen, in ber fchon im gabre
1896 über l 8 /* Bftüimten Arbeiter thätig waren. Unter 3ugrunbelegung
beutfeher Bcrhältniffe fämen auf eine folche Arbeitergapl jährlid) 6000
Unfälle, wobürch 766 9Kenfhen getötet unb 1237 oöllig erwerbsunfähig
würben.
Ätteifcuadjniete.
%it ArbeitSPermittelung, bie Unteruehmer- unb bie Arbeiter.
3e mehr fi<h bie organiftrten Arbeiter jur Niitroirfung an ben
ftäbtifeben unb paritätifdhen ArbeitSnacbwetfen bereit erflären, befto
fchroffer wirb in manchen Arbeitgeberorganifationen bie ArbeitS*
oermittelung als Kampfmittel in ber |>anb ber Unternehmer ge*
forbert. 2Bir haben in ben lebten Numern ber „©ogialen Brayis"
einige Beifpiele bafür mitgetbeilt (oeral. Nr. 31—33). £eute er¬
wähnen wir, bafe auch ber Berbanb beutfeher Bterfgeugmafcbinen-
fabrifanten fich gegen gemeinblidhe ArbeitSnacbweife wenbet, ebenfo
erflärt ber ©efammtoorftanb bes ArbeitgeberoerbanbeS für baS
Nlaurer- unb 3i mmer 9 eroer ^ c Don Berlin unb ben Bororten, ba&
bie ArbeitS oermittelung 0a<he ber Arbeitgeber fei unb bafe baber
bie Arbeitnehmer auf oie Berwaltung ber ArbeitSnacbweife feinerlei
Nechte befifeen. Auf ber XageSorbnung ber ^)elegirtenoerfammlung
beS EentraloerbanbeS beutfeher 3nbuftrieHer am 3. Sani gu Berlin
ftebt gleichfalls bie grage ber Drganifation beS Arbeitsnachweis;
baS Neferat wirb gabrifbefifeer |>ecfmann führen, unb es famt
fein gmeifel befielen, bafe bie Berfammlung fief) gleichfalls auf ben
(Stanbpunft fd>rofffter Ablehnung aller gemeinblichen unb pari-
täiifdhen ArbeitSnacbweife fteUen wirb. — Es ift bafjer bringenb gu
wünfehen, bafe ber Antrag Noeftcfe-Bachnicfe auf Errichtung oon
ftäbtifchen ArbeitSnadhweifen — nach Analogie ber ©ewerbegerichte —
burth Neid)Sgefefc halb im NeichStage gut* Berhanblung fommen
möge! Seine Annahme wäre bie befte Antwort auf biefe ein-
feitigen Kampf- unb 9)ia<htbeftrebungen oon Unternebmeroerbänben
auf bem ©ebiete ber ArbeitSoermittelung. Befanntlidh bat auch b\t
preufeifche Negierung fich wieberbolt für gemeinbliche ArbeitSnadh-
weife, neuerbingS auch für Betbeiligung oon Arbeitgebern unb
Arbeitern auSgefprochen. 3m NegiermtgSbegirf ®üffelborf ift hierin
auch bereits Erfreuliches gefcheben. 3n einer Sihuna bes Suter*
nationalen BereinS ber ©aftbofbefifcer am 22. April in Berlin
würbe mitgetbeilt, bafj bie Negierung ben Arbeitgebern nabegelegt
habe, mit oen ftäbtifchen Arbeitsnachweis gufammen gu arbeiten.
Sn Bapern, SBürttemberg, Baben, Bieiningen 2 c. haben bie Ne*
ierungen bie Söfung ber wichtigen Aufgabe felbft mit Erfolg in
ie $anb genommen. Sie ungemein ftarf bie Strömung in
Arbeiterfreifen für bie gemeinblichen ArbeitSnadjweife ift, beweifen
bie Berhanblungen auf bem ©ewerffdjaftsfongrefg in grauffuit
931
Sogiale prajis. Eentralblatt für Sogialpolitif. Kr. 34.
932
a. 3R. ®ic Einnahme unb Durchführung beS Antrag« Koeficfe wäre
baher eine gang heroorragenbe Sörberung beS gewerblichen Stiebend.
Der SBerbaub (abtfdjer 9rfiett£«a<fjtoetfe tagte am 8. 2Rai in
EarlSruhe unter bem Vorfifc beS ©eheimen DberfinangratheS
guchS unb im Seifein mehrerer KegierungSoertreter. Dem Ser*
banbe gehören jefct 11 gemeinnützige ArbeitSnachroeiSfteßen an.
Die Erwartungen begüglp ber weiteren AuSbehnung beS ArbeitS*
nadfjroeifeS finb erfüllt roorben. Es mären im ©angen 49 455 Arbeit¬
geber, welche 71 782 Arbeitskräfte oerlangt höben unb auf ©runb
welcher Oefuc^e 51 279 Arbeitskräfte eingefteHt roorben finb, gegen
43 041, begro. 57 436, begro. 46 035 beS Vorjahres. Der SöhreS*
beriet pbt befonberS tyxvox, bafj ber KadjroeiS oon italienifc^en
Arbeitskräften in faum nennenSroertpr Söeife in Anfpnp genommen
roorben fei. Die Nachfrage nach roeiblpen Dienftboten ift faft in
allen Anftalten ftärfer geroefen als baS Angebot. Aebnlid^ oerhält
es fp mit ben ßeplingen. Ilm biefem VHfeftanbe einigermaßen
abguhelfen, rourbe oom Dberbürgermeifter £>olgroarth (^for^eint)
ber Antrag gefieflt: Alle Anftalten mochten an fämmtlpe Vürger*
meifterämter, Pfarrämter unb an bie Herren ßeper einen ent*
fpredjenben Verpt ergehen laffen unb auf bie Unentgeltlichfeit beS
Arbeitsnachweis aufmerffam machen. 2Rit greuben rourbe Be*
grüßt, baß aud) ber fatholifche Arbeiteroerein unb ber fatholifche
Dienftbotenoerein EarlSruhe bem Verbanbe fuh anpiießen.
Äoljlfaljrteeitiridi hingen.
Die achte Eoufereug ber Eentralftefle für Arbeitertooljlfahrtß*
etttrptnttgen tu Stuttgart. Am 15. 2Kai trat in Stuttgart bie
Eonfereng unter bem Vorfiß beS StaatSfefretärS a. D. o. £>ergog gu*
famnten. Viinifter o. ^3ifd^ek begrüßte bie Anroefenben unter ftarfer
Vetonung bes 3^8 Ber Söohlfahrtsbeftrebungen, bie unteren VolfS*
pichten geiftig unb materieß gu heben, bie unheilooße, baS öffent*
Ipe ßebert oergiftenbe ©egen faßlich feit groipen Arbeitern unb Ar*
beitgebern gu milbern unb baS ©efühl ber 3 u fömmen gehörigfeit
aller klaffen ftärfer auSguprägen. Der Vertreter ber Stabt Stuft*
gart, ©emeinberath Stocfmaper, h°b in feiner Vegrüßung heroor,
baß bie Arbeiterbewegung befto mehr ihren gefährlichen Eßörafter
oerliere, je mehr fich bie Arbeiter oon ben anoeren klaffen politip
unb materieß als gleichberechtigt angefehen roiffen. Die Ser*
hanblungen brepen fp um Einberfchuß unb Wohnung»*
frage, Die gürforge fü r @äuglinge unbemittelter Eiaffen be*
geichnet ber ßWebiginalrath Dr. |>aufer*EarlSruhe in feinen ßeitfäßen
als fogiale pflpt bes Staates roie ber prioaten SßohlthötigfeitS*
oereine. Als Mittel empfehlen fp:
a) ©efeblpe Veftimmuugen gum Schüße IppProangerer Perfonen
im geroerblichen Setriebe, b) gefeßltche ©eroährleiftung oon Unter*
ftüßuitgen burch bie Eranfenfaffen, c) Vefferung unferer gelammten ©e=
burtS* unb Wochenbcttshpgiene burch Hebung bes ftebammenftanbeS
unb görberung ber SSodjcnbcttSpflege, d) Afi)le unb Anftalten gur geit*
wetligen unb gleichseitigen Aufnahme oon Säuglingen unb SOZüttern naclj
Entlajfuug ber 2eßteren aus ber erften ©eburts* unb SSarfjcnbettSpflege,
e) Anftalten gur gcitweiligen Aufnahme unb Verpflegung erfranfter
Säuglinge, f) gefeplpe Drganifation beS öffentlichen EiuberPußeS unb
Schaffung einer gut organiprten unb gut Übermächten Außenpflege.
3. ©nt iiberwadfte unb gut geleitete Grippen finb für roenig bemittelte
Scoölferungspichten oon Segen unb barum bei uns in erweitertem
Umfange aiiguftreben.
gür bie .gmltefinber empfahl Dr. Staube baS ßeipgiger
finbcrftjftem unb bie aßgemeine Einführung ber ©eneraloormunb*
paft, bie in Sachfen feit 13 fahren beftehe. Qn ßeipgig finb
9239 ttinber bei untergebracht. ES roerben acht be*
fonberS befolbete Pflegerinnen gehalten, bie in ©emeinfehaft mit
bem Vlrgt ftrenge 91 ufficht führen im hiJöißniPen unb moralipen
Sntereffe. 3freitoißige Pflegerinnen eignen |'p nicht, ^ie 9luffpt
ift and) au f bie unentgeltli^ untergebrachten Einber auSgubehnen.
Dr. Mlumfer (Frankfurt a. unb Pürgermeifter 2öalg*£>eibelberg
fprachen fich in ähnlichem Sinne ans, elfterer unter Verurteilung
ber Erippen. Dr. Oppenheimer*Stuttgart trat für ambulatoripe
unb SäuglingSfranfcnbäufer ein. KegiernngSrath ?alcf) forberte
Verbot ber gabrifarbeit ber grauen, ©eheimer Kath poft ftatt ber
Sabrifarbeit bie .vmusinbuftrie für bie grauen, roooor Vlinifterial*
rath ^hlel mpbriicflich roarnte: Er fei ein ©egner ber .§auS*
itibuftrie, ba biefe bie ßöbne briirfe unb ba bie Jiausarbeiter ber
gürforge entbehren, bie in beit gabrifeu oorgepricbeu fei unb bie
ber mobenie Vienp gu beanfpripcu höbe, roenn er in ber ßagc
fern moße, beit an ilpt gcftellten 9lnforberungen gu entsprechen.
®ie Erleichterung ber VePaffung ber ©elbmittel für bie ge*
meinnüfcige VouthÖtigfeit fah ber Verichterftatter VranbtS*2)üf)eI*
borf in ber oermehrten ^erangiehung ber Sparfaffen neben ben
VerfperungSanftalten, foroie aßer öffentlichen Verwaltungen unb
Stiftungen, folange npt öffentliche Vaubanfen oorhanben feien.
Oberbürgermeifter Vec! (VZannheim) begepnete bie Schöffung oon
ßogirhaufem für Arbeiter unb Arbeiterinnen für noch ^ rop*
tiger als bie oon Arbeiterroohnungen. ®iefe Anftalten, bie in Ver*
binbuug mit Vibliothefen, ßefe*, Speifefälen u. f. ro. eingerichtet
roerben müßten, bürften aber niemals ben Eharafter einer Söohl*
thätigfeit höben. ®ie ©emeinbe höbe ben Vau oon Eiein*
roohnungen burch Prioate, Vaugenoffenpaften unb gemeinniibige
©efeßpaften anguregen unb gu unterftüfcen burch roeitgehenbe Ver*
günftigungen, burch SKitroirfung ihrer techniPen nnb VerroaltungS*
Organe, burch Einroirfung auf bie ihrem Einfluffe unterftehenben
Snftungen unb Sparfaffen unb burch Uebemahme ber Vermittelung
mit anberen hülftkiftenben Eorporatiotten (VerficherungSanftalten,
VerufSgenoffenfchaften u. A.), nöthigen gaßs unter VürgPaftS*
teiftung. Sn ber Vefprechung biefer Referate würben empfohlen:
Einführung ber Katengahlung (Dr. glefch*granffurt a. 3K.), VBoh*
nungSfommifftonen mtt einer 9teichS*Eentrale unb ftaatlp garan-
tirte Vaupfanbbriefe (ßed)Ier*Stuttgart), Vauaenoffenfchaften ftatt
ber Vauoereitte (Dr. ßiebrecht*§annooer), Unteritüpung ber Arbeiter*
Vaugenoffenpaften burdh gabrifanten unb ©emeinben (Profeffor
Albrecht*Verlin), ©eroährung oon Vau*S)arIehen bireft an Arbeiter
(SDiefc*$)armftabt) nach bem Vorgänge ber fjeffipen VerficherungS*
anftalt, bie 300 folget Darlehen oon 500 bis 6500 Jt gegeben
habe, ^erangiehung ber länblidjen Kaiffeifenfchen ^)arlehnsfaffen
(Sohnrep*Verlin), tilgbare oerginSliche ftaatlp garantirte Vau*
pfanbbriefe (Dr. Scf)aeffle*Stuttgart) unb Anrufung ber AeicbS*
gefefcgebung (prof. Eamp*granffurt a. 2R.). £)er ©rünber oer
Stuttgarter ©ohnungSfolonie Dftheim, ©eheimer ^ofrath Pfeiffer,
forberte gur Vrecfjung beS VauunternehmereinfluffeS in ben ©e*
meinben auf. Er ift für bie ©erangiehung ber Arbeiter gur 9Rit*
arbeit, auch ber Aftiengefeßpaften, roie es in Dftheim burch einen
AuSPufe aus ben Arbeiterfreifen gepeben fei
Vät bem Vhtnfdje, bafe bie Verhanblungen für bie Praxis
gute grüßte tragen möchten, pioft ber Vorpenbe bie Verathungen.
$te VeteitiißMitfl gur gürforge für fraitfe Arbeiter itt fieipgtg erftattet
ihren oierten gahreSbcricht (2eipgtg 1899). gh^ 3iel, bie Ergängung ber
ftaatlichenArbeitcroerftcherungburd) prioate ÜiebcSthätigfeit, hat fie babup
erreicht, bab fie eine Acihe oon ganttlten roirthpaftlp roieber fo gefräitigt
hat, bap ftefid) mit eigener Eraft weiter helfen fonnten. Es würben Unter*
ftiijjungen gewährt an Empfänger oon Eranfengelb 30, an Empfänger oon
gtioalibenrente 48, an Empfänger oon Altersrente 3, an Empfänger oon
Unfallrente 18, an gamilien, bie gum Slieil oon Eranfenfaffen ober
^noalibttäts*Verfid)erimgSanftalten gamilicnunterftüpung erhielten, 20.
SSohl bie mciften Anträge auf gnoalibenrente in ßeipgig fmb auf An*
regung ber Vereinigung guriiefguführen. Anträge auf Einleitung bc*
^eiloerfahreuS würben 265 (229) geftellt, baoon 101 (135) ohne Erfolg.
§tt etwa 300 (200) gälten würbe bie Stellung eines Antrages auf
gnoalibenrente ocnnittelt. Eranfengelb würbe gewährt tu 253 gäßen,
in benett ber Ernährer nach Ablauf ber Erantenunterftüfeung nod)
weiter erwerbsunfähig franf war. gamtliemtnierftüfcung würbe loegeit
aßgemeiner Kothlage in 4, weil ber Ernährer fid) in einer .^eilanftalt
befanb, in 16 (27), VerpflegungSgclb in 56 (60), 2Bödjncnnncn=Unter=
ftübmig in 29 (44), freie ärgtlidje Vebanblung unb SKebigin in 10 (8)
gäßen* gewährt, gn 20 (15) gäßen würbe in golge Eingangs oon
©efud^ert bei ber Vereinigung oon ber Drtsfranfenfaffe nach ben aus*
geführten Erörterungen ber Anfpnp ber Vctrcffenben noch anerfannt.
git 78 (76) gäßen erhielten bie oon uns Unterftüpten außerbem öffent*
Iidje Armemmterftüpung. S« 3 gäßen würben gwar Unterftü^ungeit
gewährt, biefe aber fpäter gurüderftattet. Vaare 9Bcihnad)tSgefd)enfe
erhielten 63 perfoiteti oon 10 Ul. bis 30 JL unb im ©cfanimtbetrag
oon 1109 Uf. $ic Vemiihungen beS Vereins erftreefen fich auf Er*
Weiterung ber KefonoaleSceittenpflege itnb Sorge für geeignete SBohnuiig
unb Arbeit.
ttojinunpraefen.
^t)^°^^eubau!cit unb Vaufpelulation. Einen für bie fchlimme
Entroicfelung unferer VJohnungSguftänbe oerhängittpoßett Plifefianb
beeft Dr. paut Voigt in einem biefer Üagc erpieneiten Schnfpcit
„^ppothefenbanfen unb VeleihungSgrenge" (Verlin, Verlag oon
©eorg Stilfe) auf. Er weift an 135 ©runbftiicfen in Verlin unb
ben Vororten an ber .s^anb oon atntlpcm VZaterial nadh, bafe in
ber Vegel bie .ssupothefenbanfeu eine bem gemeinen SBerth unb
ben KupungSroerth weit überfteigenbe Velethung oorgenotnmen
haben. Xamtt ift npt nur eine pwere ©efährbung ber pfaitb*
983
Sogiale $raji3- Ecntralblatt für Sogialpolitü. Br. 34.
934
Brief gläubiger oerbunben, fonbern eg wirb baburch auch ein Be«»
benfltcfjer Anreig gu übertriebenen Kaufpreifen ober unseren Be*
leihungen für ^rioatperfoneti unb ein f>öd)ft ungünftiger Einfluß
auf bie Boben* unb SRiethpreigbilbung auggeübt: „X>te leidet gu
erlangenben hoben Beleihungen erzeugen einmal unrmnig hohe
Bobenpreife unb eine roilbe Spefulation, unb fie ergwingen
groeiteng SRiethfteigerungen, ba bei ber üblich geworbenen Btethobe
übertriebener bppothefanfcher Belaftung jeber fpätere Käufer ohne
folche TOethgfteigerungen banferott werben würbe." £)ag Beweig*
material oon Boigt wirb bei ber im preufjifd&en Abgeorbnetenhaufe
Beantragten ©nquete über bie £>ppothefenbanfen fieser eine bebeui*
fame Stolle fpielen/
Bau oon Arbetiertoohminfteit in kreglen. Slug ber fächfifdEjen
$auptftabt wirb ung getrieben: 2 )ent im oorigen 3 ahre (je*
grünbeten X)regbner Spar* unb Bauoerein, E. G. m. b. p.,
ber feit furgem unter beut ^roteftorate beg Bungen Sriebrich
Auguft oon Sachfen fteht, ftnb neuerbingg burch eine, unter bem
GbrenuorFifce beg Bringen abgehaltene Berfammlung £)regbener
3nbuftrieHer namhafte Mittel gu einer umfaffenben Snangriffnahme
beg immer bringenber nöthig werbenben Baueg oon Arbeiter*
Wohnungen gur Berfiigung geftettt werben. Bon einer Angahl
Öirmen würben im (fangen lOOOO J( Q?^h[^Sbeiträgc unb gwar
auf 10 Qahre hinaug bewilligt, wogegen biefe firmen bag Be<ht
erbalten, eine eittfprecbenbe 3 ahl ihrer Arbeiter, bie gugleich Bttt»
lieber ber Genoffenfdjaft fmb, gur oorguggtoeifen Beriicffichtigung
ei oerfügbar werbenben Söohnungen in ben Genoffenfdjaftghäufern
angumelben. Um bag Unternehmen allen Arbeiterfreifen gugänglich
gu machen, oerpflichteie fief) ber Spar* unb Bauoerein, ber bigher
nur für Btttglieber beg ^regbner eoangclifchen Arbeiteroereing be*
ftanb, biefen ^Saffuö feiner Statuten gu ftreichen. Bur im Stuf*
fichtgrathe Bleibt bem eoangelifdben Arbeiteroereine, ber bie Ge*
noffenfehaft ing Leben gerufen hat eine begrengte Bertretung gc*
fiebert. X)a bem Berein gröfeere Kapitalien oon ber Berfidjerungg*
anftalt für bag Königreich Sachfen unter günftigen Bebingungen
gugefidjert finb, unb ooraugfid)tli(h auch bie Berwaltung ber
ftäötifdjen Stiftungen unb bie fädbfifche Staatgeifenbabn in biefer
Dichtung helfen werben, aufcerbem einige Baupläne fd&enfweife
überlaffen fmb, fo barf erwartet werben, baft mit ber g>erfteÜung
flciner Wohnungen in X)regben unb beffen Bororten in 3 u ^ un ft
fchneU unb umfaffenb oorgegangen werben wirb.
<Et|iel)ttitg unb fiilbnng.
Xic GcfeUfdjaft für Serif titeg oon Softgfcilbmtg hielt am 13. unb
14. 9J?ai in Sofen ltiticr bem Borfifce be§ Abgeorbneten liefert unb in
(Gegenwart beg Dbcrpräfibenten gretherm o. 2Bilamowi|i*S?ölIenborf
ihre 29. ^auptoerfammlung ab. Xer Gefcflfdjaft gehören u. A. 1543 Ber* i
eine an, barunter “2 Arbeiter*, 234 Bilbungs* 83 faiifmännifdje, 107 I
Lehrcruereine, 60 Olewerfuercine, 42 Beamtenocreine unb 174 Biagiftrate, I
Gcmcinbe», Kirchen» unb Sdjuluorftänbe an. Xte ©efcllfdiaft hat oon
ihrer EentralftcHc aug im ^ahrc 1898 297 Bolfgbibliothefen mit
IS 512 Bänben neu begrünbet unb 96 bereits beftcfjetibe Bibliothefen
mit 3098 Bänben unterftüfct, inSgefammt alfo 21 605 Bänbe uuentgelt*
Iid) abgegeben. Bon biefen 393 neu begrünbeten ober imterftiifcien
Bibliothefen entfallen 314 auf bie öftlidjeit Groningen. ben lebten
brei fahren hat bie Gefeflfchaft 41 622 Biidjer für Bolfgbibliothefen
unb an ftrebfame junge 2eutc unentgeltlid) abgegeben. Ein erheblicher
Xljeil ber Bibliothefen entfällt auf baS platte £anb. Xie Öefcüfdiaft ift
jept in 448 länblidjcn Crtfdjaften Durch 313 förperfdjaftlidje unb 135
pcrfönlidje 2J?itglicbev oertreten, Geiieralfefrctär XewS gab einen lieber*
blief über bag freiwillige ftortbilbungswefen im Borjahre. 29 Stabte
gahlten für bie Bolfölefeinftitute gufammen 185000 Jir, allerbiugg eine
geringe Summe gegenüber ben großen Aufwenbungen englifdjer unb
norbamerifanifd)cr Kommunen. Xie geitgemäf; eingerichteten 2efeanftalten
würben ftarf benufct. So lieh g. B. bie Bolfsbibliothef in i^ena 58 000,
bie in rtranffurt a. Bf. 57 000 , in Xüffelborf 48 000, Stuttgart in 9 Bfo*
naten 36 000, Königsberg i. $r. 27 000, Jyreibtirg i. S. 33 (XXJ, Karls*
ruhe 27 000, Bfannheim 48 OCX), 23ieSbaben 51000 Bänbe aus; ben
Berliner 27 Bolfgbibliothefen würben 600 (XX) Bänbe entnommen.
Ebenfo erfreuten fid) bie öffentlidjen SefehaUen eineg ftarfen Befndjeg.
Erfreulich fei, bag bie Staatgregierungen bie Bolfgbibliothefen neuer*
bingg materiell unterftüpeit. Xie Borträge behanbelten bie Pflichten
ber föebilbeten unb Bcfißenben in ben oft liehen ’Sßrouingen ((Mpmnafial*
Oberlehrer (Sollmann), bag Bolfgfdjulwefen in ben Dftmarfen unb fein
2tuffdjwütig fBiittelfdniHehrer ©utfrfie^ojen). lieber bag Sedhfeloerhält*
nif) oon Bolfsbilbung unb wirthfdjaftlicher CSntwidelung fpradjen
3- Xewg nnb Dr. (Srnft Schulfce*Bcrlin. Xie wirthfdjaftlichen folgen
ber Bolfgbilbung geigten fid) oor SHIem in erhöhter $robuftion, in gu*
nehmenber Sparfamfeit, in bem Berfchwinben roher Bergnügunggarten
unb bem Sluffommen eblerer Erholungen, baneben in ber Abnahme ber
Berbrechen unb ber Firmenlaften, 3 una hwe ber BaterlanbSliebe unb
einer günftigen Beeinfluffung ber Bolfggefunbheit — fowohl bireft bnreh
Berbrcitung hPflienifcher Kcuntniffe alg auch önreh Abnahme ber Xrunf*
fucht u. f. w. nm wichtigften fei aber jene Steigerung ber perfön*
liehen ^robuftiongfähigfeit, bie überall im (befolge ber BoIfSbilbungg*
beftrebungen auftrete unb bie fich aug ber BirthIdjaitggcfcbidjte Eng*
Ianbg, Stinerifag, ^ranfreidhS unb anberer Sänber erweifen laffe. Xen
SBerth ber Bilbung für bie lanbwirthfdjaftlidje Bcoölferung lege eine
Bergleirfjung, befonberS ber bänifchen unb ber irifcfjcit Sanbwirthfdjaft,
bar. Xic Dberbiirgermeifier Bitting*Bofen unb Brinfmann*Koniggberg,
ber Mbgeorbnete Emft, ber Banberrebner Dr. ^ohlmepcr, SReftor
Xriesner-Bokn nnb L)r. BalI*Berlin betheiligten ftd) burch weitere
Sieben, Berichte unb Begrünungen an ben Berhanblungen.
<Daaerbegeriri)te. (Klnigungsöwtcr. Sdjiei^gcriitjte.
fßroteft tum Untcrnehmrrn gegen ^tnignnggämtet. £>er „Berein
beutfeher Söerfgeugmafdhinenfabrifen" in Sachen ber fogial*
politifchen Snitiatinanträge an ben Staatgfefretär beg Beidhgamtg
beg Snnnern eine Eingabe gerichtet, in ber eg u. 21. in bombaftifdher
Uebertreibung Reifet:
Xag Selbftbeftimmunggrecht beg gabrtfeigenthümerg, alfo ber
Eigenthumobegriff überhaupt, würbe burdE) folche Bfafcnahntcn, mic
obItgatorifd)e Schiebggerid)te ober Einigunggämter, §lrbeitgnachweife
unb bergleichen, erheblich beeinträchtigt werben, ba eg hoch allenthalben
eine unbeftreitbare Beredjtignng beg Arbeitgebers bleiben muß, Scute
nach feiner eigenen Beurthcilung ihrer Eigenfdfjaften angufteHen ober gu
entlaffen, unb ba, abgefehen oon ben an oielen Orten beftehenben OJe*
Werbegerichten, baS allgemeine Becht ausreichenb ift, bie fich auS & ein
Arbeitsoerhältnib etwa ergebenben Streitigfeiten gu fcf)Iichten. Xtc
buftrie mii&te eg alg einen unerträglichen 3wang betrachten, ber ihre
Schaffcngfreubigfeit lähmen unb bie fdjöpferifche Untemehmunggluft
bradjlcgen würbe, wenn fie gehalten fein foHte, jebem aus beliebigem
Erunbe gegen ben Arbeitgeber flagbar werbenben Arbeiter oor einem
oielfach gänglid) fadjunfunbigen EinigungSantte Bebe unb Antwort gu
ftel)en. Xer Icptc Beft ber gegenwärtig nur noch mühfam aufrecht er»
haltencn unb hoch im ^intercffc beg Betriebes burdjaug nothwenbigen
gabrifbisgiplin würbe ocrloren gehen, wenn ber Arbeiter wüfctc, baf*
er jebergeit ben Arbeitgeber oor bas Sd)iebsgericht ober Einigunggamt
forbern fönnte.
X)ag ift ber £>errenftanbpunft, ber fnh meigert, mit bem Arbeiter
auf bem 0fufje ber Gleichberechtigung gu oerhaubein, in ooüfter
BacftheiL
9{enerlt<he 8f8fle bon einigmiggamtltcher ober fchiebggericht»
liehet fiüfnng bott Alrbeitgftreitigfeiteit in Englanb* Xie Bfai*
Bummer ber amtlichen Labour Gazette berichtet wieber (ogl. „Sog.
^rajis" Sp. 829) oon mehreren 0?äflen, burch Einigunggamt
ober SchiebSgerid)t Arbeitgftreitigfeiteu frieblid) beigelegt würben.
Unter bte Berföhmniggafte fällt ber Auggleicf) itn Baugewerbe oon
Söigan, wo 3 immerleute, Xifchler unb X)achbedfer Lohnerhöhungen ge*
forbert hatten, beggleichen bieLohnforbermtg ber'JBaler unbAnftreidher
in Barrow in Öurne§, ferner eine Befchwerbe ber Kohlenarbeiter
in ^olegworth- 5)urch gegenfeitige Bereinbarung ber Arbeitgeber
unb Arbeiter würben Schiebgrichter befteHt für bie Sorberungen
ber ÜKaler in Affjton unter Lpne fowie ber 3 t mt n er kute unb
Slifchler in bem £öpferei*X>iftrift. X)ie jübifchen Sdhneiber in £>ull,
bie Glagflafchenarbeiter in ?)orffhire, bie Spifcen*§ilfgarbeiter in
Bottingham, bie Korbmacher in Birmingham haben in freier Ber*
einbarung mit ben Unternehmern neue Arbeitgbebingungen erhalten.
X>a& einem aro&en Streif in ber Baumwollweberei oon Lancafhire
erft fiirglich ourcf) eine friebliche Bereinbarung oorgebeugt nnb oor
einigen 9J2onaten in ber englifchen Kohleninbuftrie ein Abfomnteu
burdh Berhanblungen gwifcheit Grubenbefitjern unb Bergleuten er*
Sielt worben ift, haben wir fdjon früher gemelbet. Augftänbe unb
Augfperrunaen mit ihren lärtnenben Begleiterfcheinungen gieljen
freiüdh bie Aufmerffamfeit beg ^ublifumg mehr auf fich alg biefe
meift in ber Stille oerlaufenben Berhanblungen. Angefid)tg ber
aber auch in X>eut[d)lanb oorhanbeneit Bemühungen, ben frieblichen
Augtrag oon Arbeitgftreitigfeiteu auf bem Bege oon Besprechungen
ber Betheiligten burch gefejjliche Biafenahmen gu förbern, halten
wir ben .£)inweig auf bie hierher gehörigen Xhatfachen in Englanb
für fehr nufelich.
eeranhoorüicfi für bte ttebaftion: Dr. «rnft Stande tn Berlin W , Bagreustjerftrafec 29.
935 ©ojiale fragte. CcntralBIatt für ©ojtalpolitif. 9?r. 34. 93U
S)i< «Mal« firavt*“ erfc&eint an jebetit ©onnerfitafi unb ift bur$ ade ©ut&Banblungen unb Zollämter (^oitaeitunflSnunmwr 7072) ju bejie&eit. ©er
fftt ba« ©ierteliahr ift 9tt. 2,50. gebe Kummer foftet 30 $f. ©er ÄnjetgenptetS ift 60 $f. für bie breigefpaltene $etitieile.
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel in Berlin W.
Innnngskrankenkassen
nach der Novelle
zur Gewerbeordnung
TOB 26. Uli 1897.
Von
Dr. Holtmann,
Regierungsassesaor.
-Preis 80 Pfg. ——
Revue d’ £conomie
PoJitique.
Hgg. von Oaumrdty Gldo f Soh wrlodland und VIHoym Redactionssecretäre:
J mj und Sonolion. Diese Monatsschrift brachte bisher u. A. Beiträge von Beauregard,
y. B5hm-Bawerk, Brentano, BQ eher, Clark, Cossa +, Foxwell, Issajer, t. Kördsi,
Laveleye f, Levasseur, Loria, Macleod, Matqja, dn Haronssem, Menger, t. Hlaakowaki,
Monro, ▼. Phlllppovleh, Plemas, Pigeonneau +, Rabbeno f, Sanzet, Sehmoller, Walras,
Webb, Westergaard« — Ständige Chronik der Wirtschafts-Gesetzgebung Frankreichs.
Preis jährlich 21 Francs.
Verlagshandlung L. Larose in Paris.
$trlng noit JhtUtt« grprhtgrr in $*rlitt fl.
IUol)lfril)rt5Eiurid)tmtgrn ßrrlins
nnb ftintv
(£tn WtaäfttttfiäBitd)
fcrauflgegeben t>oit brr
&n*knnflt*|teUt her f eutfiiien ©ffrlifdjuft für ttififtye JtaUur
Broettr PoUftgnbtg nwflrarbettftr mtb kraffnfte Xnflnge.
Urber 400 Seiten gt. 8°.
Aarto tritt $rci6 ©t. 3,—; tu Seintoattb gebttnbett 3R. 3,60.
«u«fUbrli^e ^rofpette fiepen jn ©ienflen.
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ardtdii« an lebt« »»«ncr#«|. £ierau 3 ge 6 er: Vreis »lertefiltrti« * m. SO vr.
SRebaltion: SBcrlm W., Sabtcutljerfira&e 29. Dr. dtttfl dtltttdte. «erlog Don ®umfer & $um6(ot/ Ccipjig.
3 nl|nlt.
Sie Bücfereiöerorbiuiiifl in ber
pret^t«. BonProf.Dr. Ä Dlben»
berg, Marburg.937
tTFarmrieif Sogtal« unb QirtgfbaHl*
bolitil. 945
Ser ©oannelifch*©ojiale Äon*
flrefe in Äiel.
Sarifoereintflungcn
Sie Bcrgebung fißfalifcher Arbeiten
in Preußen unb bie ©treifflciufel.
3>ir Auslegung beö jüchfifchen Bcreinß*
recht«.
Sie 2Boljlen ber Arbeitöfammcrn in
Amfterbnm.
Snternotionaler Äongrefe für fogial*
wiffenfehoftaebe« Unterrichtöwefen
1900 in Pari«.
f«anHRsal« Soglnlbolttif .... 949
©emeiitbliche $ürforge in ber 2öoh*
nuugöfrage gu Biüncfcen.
©täbtijcbea SRcgulatiü für Vergebung
oon Arbeiten an ArbeitSlofe in
Offenbac^ a. 9)2.
Altcrßberforgung bon ©emetnbe»
beamten in©laögow unb Sartmouth.
Vrbftterbftocgnna.950
Betrachtungen übet bie bte«»
jährigen Lohnbewegungen int
©chneibergewerbe. Bon So»
banne« Simm, ATbeiteTfefretäT,
München.
Ser jehnte internationale Bergarbeiter*
fongtefe.
Set erfte Äongrefe chriftlidjer ©ewerf*
fefeaften. j
Äongrefe ber ©oangelijchen Slrbeiter» |
»ereilte in Altona. i
Ser Berbanb ber fatholifchen Arbeiter» j
beteine in Sübbeutfchlanb. |
©in Berbanbfefeau« bet beutfehen ©c*
werfocreine in Berlin.
©nbe bc« Büderftreife« in München.
Äampf um ben ;5el)nftunbcutao in
Brünn.
©ine SWaffenauöfpetrnng in SänemaTf.
Bergarbeiterbewegung in ©übfranf*
Teich.
Srf»rfterf4«*.-.957
Sabreßbericbtbctheffifchen ©e*
werbe*3nf peftion.
Sie ©ewerbeaufficht in SBürttemberg.
ttefctitcvfeerlUfcmNM' Sparfaffen 959
proportional» 2Bahl für bie
Allgemeinen Ortßfranfen*
Faffen in ft-rarnFfurt a. '1)2. Bon
gabrifant Ph. $ e r a • 9)1 i 11 S, $K>nf«
furt a. 3)2.
Äongrefe ber ÄranFcnFaffen Seutfch*
lanb«.
Sie AtbeUerFranfenPeTfitfeerung in
Defterreich.
Sie ^pauptergebniffe ber öfterreichifchen
Unfallftatiftif für bie $ahre 1890 biß
1896.
ßur Drganifation ber gewerblichen
llnfallbetfiefeerung in ftranfreich.
Sa« Äranfen» unb UnfaUoerficherangß*
gefefe in ber (Schweig.
Berficberung gegen ArbeitfllofigFeit in
Amerifa.
CBobtfafcvtteimHtfihingen .... 963
greefe’ß Schrift „$abrifantenglüd".
Berichtigung.
SoMale Spgiene.965
Scr SuberfulofeȀongrefe in
Berlin.
©tftbtiicfee ©efunbheitßinfpcFtorinnen
in ©nglanb.
Snhalt beö ©ewcTbegeridt« 92r. 9.
Beilage: „Saß ©etoerfcrgericht“ 9hr. •.
Abbrud fämmtlicher Artifel ift ßeihingen unb ßeitfehriften geftattet, jebodj nur
mit »oller Quellenangabe.
Bie ßftdiereiocrorimung in ber Prari-ä.
Rian fanrt einer neuen ^rbeiterfchußoorfdjrift feinen fd)Ied^tereit
3>ienft tf)un, als menn man ungebulbig alsbalb nach ihrer praf*
tifdjen Vewäßrung, b. h- nach ber ITngufrie ben heit ber betreffenbett
Sntereffenten forfdjt. Qn ben erften Sauren ^errfefjen aEerhanb
UebergangSfchwierigfeiten nor, fac^lic^e unb pftjdjologifdje;
fpäter glätten fic^ bie SSogen. flafftfc^e 33eifpiel biefer dr*
faljrung f)at ber engtifc^e 3ef)n|tunbenarbeit£tag uon 1877 geliefert.
! S3eim beutfehen 5lrbeiterfd)ufe non 1891 befinben mir unö erft
im 3 tueiten 6tabium beß 2Cbflärung§DorgangS ber öffentlid)en
^Reinung; bei ber SBäcfereioerorbnung Dom 1. Q>uli 1896 im erften
6 tabium.
3Senn bemnaä) eine augenblicflicfye ^erftimnuing ber 33äcfcr**
meifter nur ein normales 6pmptom ift, fo rneift boc^ bie 33äcferei-
oerorbnung oon 1896 gmei ^rfd)einungen auf, bie if>r gegenüber
bem fonftigen Slrbeiterfc^uö eigentljümli^i fmb; baS ift einmal ihre
überaus forgfältige unb langwierige Vorbereitung unb groeitens
bas Vfifeoerbältnife ber fd^reienben Klagen über iljre Verberblidjfcit,
oerglirf)en mit bem (Srgebnife ber t^atfdefilieren geftftellungen, bie
burdb biefe Klagen boroorgerufeit finb. 9J7it biefent TOfeoer^ältnin
unb feinen ©rünben befcf)äftigt fnb bie folgenbe (Erörterung.
I.
SBäbrenb Regierungen, VunbeSrat^ unb Parlamentarier mit
Väcferpetitionen fortgefe^t überfc^üttet werben, wä^renb bie Vätfer*
Innungen fd)on im £>erbft 1896 auf i^rem @ermania*VerbanbS*
tage einen beinabe eiuftbüibternben Sllarm erhoben, beeilte fidb bas
ReicbSamt beS Snnern, bereits am 23. September 1896 bie Re**
gierungen um eine fcblcunige ©nguete gu erfud&en. 2)aS (Srgebnift
biefer Erhebungen ift oom Staatsfefretär am 17. TOirg 1897 bem
Reichstage fummarifd) nütgetbeilt worben, daneben höben wir bie
fortlaufenben SahreSberichte ber ^abrifinfpeftion. Veiberlei Duellen
gehen naturgemäß in erfter ßinie auf bie fubjeftioen $luSfagcn
Der Rteifter gurücf, aber fie fmb both baS oerläffigfte ÜRaterial, bas
wir höben.
6 at wäbrenb ber bisherigen llebergangSgeit bie Verorbnung
wirthfehöftlich ober fogial gefdßabet? ®iefe gwei Sragen fmb gu
beantworten.
Vorweg ift gu bemerfen, baß nach ben oorauSgegangenen ßr*
inittlungen ber arbeitsftatiftifchen Slommiffion eine merfliche
Schäbigung wirthfchaftlicher Prioatintereffen wefentliih nur ba gu
erwarten war, wo bie Rfeifter bisher an frember Slrbeitsfraft
Raubbau trieben unb nun gur Ä'ompletirung ihres perfonals ge*
nöthigt finb. @S waren ja nur ÜDUnimalforberungen, bie ber
VunbeSrath aEgemein oorfchreiben fonnte. 6twaS ungünftiger
lautete bie fogiale Proanofe infofern, als bie $ontrole ber Ver-
orbnung ungefchitfter Seife gum £f) e ü öuf ^Denuugiation ange*
legt ift.' * 1 )
2>aS Srgebniß ber atnüiihcn (Ermittelungen ift ein bider Stridj
burd) bie oon ben Wortführern ber Värfermeifier entworfenen
Schrecfbilber.
1. (Eine erhebliche wirthfdjaftliche Schäbigung höt in einem
großen ber VerichtSbegirfe, fo bei ber Reichsenquete in
Den meiften preußifchen Vegirfen, überhaupt in feinem eingigen Jafl
fonftatirt werben fonnen. 3« ben übrigen Vegirfen ber Reichs*
enquete befchränft fich bie Sdjäbigung meift auf Söüe, in benen
entweber oorübergehenbe Umftänbe als mitwirffam h^ riJ orgehoben
werben, ober aber fleinere Väcfereien großer Stäbte jeßt bie Äoften
einer angemeffenen (Ergängung ihres ungureid)enben Perfonals
gahlen tnüffen. Unb ähnlich lauten bie Sonberberichte ber gabrif**
') Bcrtjl. „Soginlc prariv" o a l)i*g. V, 2p. 79 ff.
940
939
©ogiale BrajiS. ©eutralblatt für © ogialp oltlif. Nr. 35.
infpeftion. @8 geigt fi<h babei gugleich, bafc offenbar nur erfahrene
AuffichtSbeamte im ©tanbe finb, ßegenben grünblich gu gerftören, bie
ber Neuling für baare Bfünge nehmen mürbe, ©erabe in ©täbten,
beren Snnungen befonbers laut über bie 3d)äblid)feit ber Berorbnung
flogen, roie Hamburg, befagt ber amtliche ^oligeiberid^t baS ©egen«
tfjeil.-) Seiber crgicbt ficf) aber auch, baß in mannen ©egenben
bie Agitation ber Bteifter gu einer lajrett ft'ontrole geführt bat, bie
notbroenbig ben SBiberftanb ftärfen mußte. AitS Bremen unb
Stuttgart mirb benn aud) gerabegu berietet, baß oielfad) abfic^tlid^e
Uebertretungen in ber Annahme erfolgten, bie Berorbnung roerbe
bod) halb roieber aufgehoben. 3 m ilebrigen mar bie Durchführung
augenfrbeinticb am leicbteften gerabe auf bem Laube, mo nad) ge«
roiffen Brophegeiungen bie ©djäbigung befonbers fcbroer fein foule.
Unb mo orbuungSmäßig fontrolirt mirb, geigt ficb fcfjon jeßt eine
Abnahme ber ohnehin nicht übermäßigen 3a pl &er ltebertretungS«
fälle. Der Dbermeifter einer preußifchen Begirfshauptftabt, anfangs
erbitterter ©egner ber Berorbnmia, erflärt fc^on im hinter 1896^97,
fie habe fich beffer beroährt, als er glaubte, unb fei nach feiner
Anfid)t gang gut burd)führbar. ©leichgeitig berichtet ber ©hef ber
babifd^en Sabrifinfpeftion, „baß bei allen neuen Borfcßriften be«
güglid) beS Arbeiierfchußes bie Angaßl ber Uebertretungen in ben
erften Monaten relatio oiel größer mar als hier", 3 ) unb feine fpäteren
Berichte beitätigen ben Öortfdjritt biefer günftigen ©ntroidelung.
3ur Beranfdjaulichung beS ©efagten mögen hier einige füb*
beutfdje Urtheile folgen.
(Sin Bädcrnteißcr einer mürtteinbergifdicn großen Stabt rrflärtc
ßcm Wemerbein)'peftor, bie Berorbnung föitne ba unb bort an Bor«
abenben ber Sonn« unb Zcßtage gemiffe Sdpoierigteiten bereiten, bie
aber burd) intctifioes Arbeiten leirijt »ibermunben merbeit fönuen. Zm
Hiitblid auf bie in ben Stuttgarter Bädereien beftaubeneu 3»ftänbe, mo
ficf) fein eigener Sobit beinahe gu Dobe habe fdjinben muffen, betrachte
er bie Berorbnung als eine ©rlöfnng unb nehme alle übrigen Be«
idiroerlichfeiten gern in ben .Häuf. v Yn Baben nmrbe oon Anfang an
„genau unb ftreng" reuibirt, im erften Zaßre nur Berroantungen et«
theilt, im gmeiten geftraft; ber giinftige (Srfolg ift fchou ermähnt morben.
Zahlreich maren g. B. 1897 bie Uebertretungen nur betreffs mehr for«
mcüer SJtängel Oegiiglidj ber oörgefdiriebenen Nushänge; biefe mürben
einfach ben Begirfsämteru mitgetheilt, „mas n ad) ben gemachten Wahr¬
nehmungen gur Herbeiführung eines georbneten ^uftanbes ohne Zuhilfe¬
nahme ftrafenbeu (Sinfd)reitens genügt". „BefonberS groß ift (1897) bie
Zahl ber Berfehluugen in einer eiugelncu größeren Stabt. l£ß fdjeiut,
baß mau hier es befonbers barauf ablegte, burd) eine große Zahl oon
Uebertretungen bie Unburdjführbarfeit ber Bunbesrathsöcrorbnung bar«
gutljun, man geigte menigftens nicht bas geringfte Beftreben, mit ber
gugelaffenen ArbeitSgeit ausgufommen, unb machte oiclfad) aus eigenem
Antriebe auf # bie oerfchiebeueu Uebertretungen aufmerffam." „Zn ben
Betrieben, in'benen im Borfalfrc Uebertretungen feftgefteflt mürben, ift
man mit ber guläffigeu ArbeitSgeit im laufenbeu Zähre ausgefointnen.
(itue Ausnahme ntad)en nur 8 Betriebe ber obeugebad)teu Stabt." —
„Nur in einigen meuigeu beträd)tüd)en Bädereien größerer £>rte mürbe
barauf hingemiefen, baß man einen meitereu Cfen hergeftellt, ober einen
(behülfen mehr eiugefteflt habe. Zomiemeit bies burd) bie Berntehrung
ber Brobuftion mitbebingt mar, tonnte nicht feftgefteflt merben. Da«
gegen fonnte in feiner ber fleineren Bädereien ermittelt merben, baß
eine Berbefferung ber ©inridjtungen ober eine Bermehrung beS B cr “
l’onals megen ber Durchführung ber Berorbnung nötl)ig geworben fei"
(1896). „Wo in eingelnen Anlagen gefeit umgebaut mürben, hanbelt
es fid) um ausgefprodjenc Beroollfomuinungen beS Betriebs, bie früher
ober fpätcr bod) oorgettommen morben mären. . . . einige. SNeiftcr
fönnen jeßt nidit mehr bie Lehrlinge unb bie jüngeren ©ehilfeu nad)
langer Nachtarbeit nod) ben gangen Bormittag ober aud) bis itt ben
Nachmittag hinein gum Brotaitstrageu oermeuben. Das ift aber feine
nad)tbeilige Wildling" I1S97). „Bei ben Neoifionen mürbe aud) banadj
gefragt, ob bie Durchführung ber Berorbnung gu einer tiinfd)ränfung
ber Brobuftioti ober gum Berlufte ber .Uunbfchaft geführt habe. ©rftereS
mürbe in feinem ZaUe angegeben. Zn festerer Begießung fonnte nur
ein äußerft geringfügiger ft all ermittelt merben, mouad) in einer Bäderci
ein ciugiger Mimbc meggebliebeu fei, meil ihm an einem Sonntage
megen oorgeriiefter Zeit ein .Huchen itugebadeu habe guriidgefd)idt merben
miiifen" (1*96). „Auf auberc Naditheile mürbe oon bciY Bififteru nicht
bingemiefeit. Nur an einigen fleiucu Drteu fugten einige Bieifter mit
fleiuen Betrieben, bie Berorbnung fei ber Nuin bes BädergemerbeS.
Als fie barauf aufmerffam gemadit lourben, baß in ihrem Betriebe bie
guläffige Nrbcitsgeit lauge nidit in Nnfprud) genommen merbe, beriefen
fie fid) barauf, baß biefe i^irfuiig in ben a ad)geitfd)riften mieber«
holt uaehgemiefeu morben fei. Nus eigner Wahrnehmung fonnteu
aud) fie nichts nad) biefer Nichtuug mittl)eilen" (ls<)7).
-) „Sogiale Bi'aris" Zahrg.VII, Sp. lose».
3 ) „efiuigeu biefer Borfdjriften mürbe mährenb biefer Z c il faß
burchmeg entgegeugebanbelt, unb bod) fonnten fie alle im Berlauf oon
gmei bis brei Zähren als ciugelebt gelten. Nod) niemals hat mau
megen ioldier Wahrnehmungcu eine Borfdirift als unburchführbar be«
A'iduict/'
2. Der ©influfe auf baS fogtale ©inoernehtnen wirb Dielfad)
toentger güttfiig beurtheilt; am ungünftigften, mo, mie in Bremen,
bie Durchführung ber Borfdhrift gu roünf^en läfet; am günftigften,
ido, roie in Baben, eine gielberoufgte Durchführung ftattfinbet. 3m
Reichstag rourbe befonbers betont, bafe bie ©efellen jeht mit
Denungiation brohen fönnen; ein ©efelle habe feinemBieifter cor«
gehalten, in ben legten groei BJonaten fei bie Berorbnung 45 mal
übertreten roorbett. BJan fann biefem Bieifter nur raihen, fi<h um
feine Bacfftube mehr gu fummern unb bie Beobachtung eines
heffifchen NufRchtSbeamten gu behergigen, bafe bie Berorbnung
überall ba burchgeführt fei, roo ber Bcetfier felbft mitarbeite.
^InbererfeitS tritt in ben Berichten auffällig h^or, baft uon
ber oielfach erroarteten fogiatbemofratifchen Nufroiegelung faft nichts
gu bemerfen ift. 2öo auSnahmSroeife oon berartigen ©rfcheinungeu
berichtet roirb, fügt ber Beferent einige BJale auSbrücflich bin$n,
bie fogialbemofratifchen 0 i)mpathien hatten aber Iängft oor (5rla&
ber Berorbnung unb unabhängig ooit biefer ©inlafe gefunben.
BeichStagSabgeorbneter Bielhaben, eilt Hauptanroalt ber ungu«
friebenen Bädermcifter, fattn fich &aS Sßohloerhalten gerabc ber
fchlimmften fogialbemofratifchen Bädergefeöen nur unter 3ahi^ s
nähme beS ©eriiehts erflären, bie 6 ogialbemofratie habe eine Carole
auSgegeben, man folle oorläufig ftill fein, ©eitbem hat bie Streif«
beroegung oon 1898 bieS Überfluge Argument Dernidjtet; benn fie
gilt natürlich als 2Öerf fogialbemofratifdher Bfache. Der Biagiftrat
einer BÜttelftabt beS BkftenS, beren Bädergefellenfchaft früher mit
ben Bieiftern in llnfrieben lebte unb fich grofjentheils ber Sogial*
bentofratie gugeroaitbt hatte, berichtet gerabegu, ber fogialbetnofra«
tifchen Agitation fei burd) bie Berorbnung ein roefentliches Stampf«
mittel entgogen. Unb ber Dbermeifter in einer Stabt beS Dfteits
oerfichert bem ©eroerbeinfpeftor, bie Berorbnung fei für bie ©nß
roidlung unb ©chaffenSfreubigfeit beS BädereiperfonalS fegenSreich
unb bagu angetljan, mit ber 3eit ein beffereS ©inoernehmen groifchen
Bieiftern unb ©efellen berbeigiifithren.
II.
Nachbent roir bie Dhatfachen femteit gelernt, bleibt je^t übrig,
fie gu erflären. Bkirum führt gerabe biefe Nrbetterfchutoor«
fdjrtft, roenn auch in geringem Biaafee, gu fogtalen Biißhelligfeiten,
unb roie erflären fich bie maßlofen Klagen angefichts ber in SSirf«
Xidjfeit ungeroöhniieh geringen ©d)ioierigfeiten? Beibc fragen
hängen gufammen, aber fie roolleit nach änanber beantroortet fein.
Slnlafe gu einer geroiffen ©thabettfreube beS Arbeiters giebt
jebe begrünbete Slrbeiterfchubbeftimmung; aber nur gegenüber
bemjenigen Arbeitgeber, ber bisher feine Seute fchlechter beljanbelte,
als bie Beftimmung forbert. Dagegen ift eine BloßfteHung beS
humanen BädermeifterS, ben bie Borfd)rift gegen iüoijale ^on«
furrenj burch minber humane Kollegen fchü<jt, jchlechterbingS un»
erfinblich- 9Jian ergäl)lt groar ooit boshaften ©efellen, bie nach
Ablauf ber guläfftgen ArbeitSgeit ben Bieifter teuflifcf) angrinfen:
9iu, Bieefter, baden ©e aUeene! — als ob fie bieS Bergnügen
fich nicht auch früher fchou hätten leiften fönnen; fie roürben aber,
foflte ntan meinen, „hinausfliegen". @S hei&t roeiter, bie ©efellen
gögen ie(jt auS ©h^ane bie Arbeit in bie Dränge; roarum traten
fie baS früher nicht, ba hoch ber Bieifter fein griihftüdSgebäd
(biefeS fpielt für bie 3 e ü e iutheilung bie Hauptrolle) fchoit immer
piinftlicf) abliefern mufete? unb roarum geroinnt nicht ber Bieifter
ben guten SBillen feines ©ehilfen auf bie einfadjfte Sßeife, inbem
er einen Dfjeil beS Lohnes in 0 orm einer B^ämie für 3 C ^ S
erfparnifj berechnet? ©S roar ja ein fjeilfamer Nebengroed ber
Berorbnung, mit bem oerbreiteten „©chlenbrian" gu brechen. Unb
hoch finb Sälle ber begegneten Art unb finb auch Denunziationen
burch ©efeflen hif »ab ba groeifellos oorgefommen unb
böfeS Blut gemacht. 2öie erflärt fich baS?
1 . 3m ©egenfaß gn ben roidjtigften anberen Arbeiterfchufe»
oorfchriften fiel ber Bädcrfchuß tu bie einer gef^äftlichen
Häufte, unb biefe H au Ü e f)at bisher mit feltener Bachhaltigfeit an«
gebauert. Biait hat bieS 3 u fammentreffen bisher nicht beachtet.
Db bie ©efdjäftshauffe baS Bädergeroerbe bireft betroffen hat,
etroa burch Biidgang ber Hauäbäderei unb Btehrfoufum oon
ßu^uSgebäd, ift nicht gang fidjer. 3ebenfatts mn& aber bie gerabc
im Bädergeroerbe fcbroer brüdenbe Arbeitslofigfeit 4 ) bei allgemein ge«
fteigerter ArbeitSnachfrage fortbauernb abgenommen haben, aud)
ber im Bädergeroerbe gleichfalls fefjr umfangreiche 3 u Ö a ng non
Lehrlingen 5 ) mehr in anbere Bahnen abgelenft roorben fein; unb
roer bie Arbeiterroelt fennt, roeiß, roie bis in bie lebte Bkrfftätte
4 ) Sog. ^rnris If, Sp.
5 i Sog. Braris V111, Sp.
941
Sojiale Braji$. ©entralblatt für 6ojiaIpoIitif. SRr. Br».
942
hinein baS Selbftbewußtfein beS Arbeiters erftarft, fobalb bic
Arbeitsfraft meßr gefudjt wirb. SRicht überall ift gerabe in folgen
feiten ber OTeiftcr in ber Sage, ©efeffen, bie auf Sachführung
ber Berorbnung befielen, oor bie Shü* ?u feßen, obgleich bie
babifcße Öabrifinfpeftion non foldjcn thatfräftigen Bäcfermeiitern
berichtet. ^hatfäcßlich wirb auch bereits feitenS ber Bäcfermeifter
über ©efettenmangel geflagt. Sie junebnienbe UnliebenSwürbigfeit
ber ©efeflen ift aifo nicht notßwenbig eine golge ber Berorbnung,
auch wenn fie aus Anlaß ber Berorbnung fid) äußert. Als 3 folge
einer aufheßeitben Berorbnung ^ätte baS ©ebatjren ber ©efetten oer*
muthlid) einen fojialbemofratifcben Auftrieb gehabt, was nid)t ber
SaJtt war. Sie angeblich fo^ialbemofratifdie Streikbewegung oon
1898 aber wirb erft oerftänblich als Brobukt eben jener Konjunktur,
bie überhaupt bie ©efetten eigenwilliger uralte.
2 . 3 ur Störung beS ©inocrneljmenS bietet bie oielfacb
mangelhafte Sachführung beS Bäcferfd)ußeS breiteften Anlaß. Sie
©efeüen werben erbittert unb finben ©elegeuheit gur Senun^iation.
Ser ©egenfaß Bremen—Baben fpricht beutlid) genug.
3 . Ser Bäcferfcßuß trifft Kleinbetriebe, nicht, wie fonft ber
Arbeiterfdjuß gewöhnlich, große ©tabliffements. 3 m kleinen betriebe
fpürt ber Arbeitgeber bie Stimmung beS Arbeiters unmittelbar;
im ©roßbetiiebe bleibt fie mehr latent, fie wirb oon ben Korre*
fponbenten ber öffentlichen Meinung weniger beobachtet, bis fie bei
gegebenem Anlaß um fo plößlicher eflatirt.
Sie fojial ungünftige Birtung ift aifo tbeils nur fcheinbar,
tbeilS burch bie mangelhafte Kontrole oerfchulbet; biefe ledere
aber theilweife wieber bie Birkung beS oon ben ÜReiftern erhobenen
©ntrüftungSlärmS, — auf beffen Urfachen wir nunmehr eingehen.
Abgefehen oon ber nothwenbig auch, in Bfeifterkreifen er*
bittemben Birkung 6 ) einer mit ungleichmäßiger Bittkür burd)*
geführten Kontrole ift bie Eigenart ber Bäckerei als Klein*
gemerbe auch ^ er DOn entfeßeibenber Bebeutung . Sie be*
troffenen Arbeitgeber wählen hier nicht nach £>unberten, fonbern
nach 3 ^ataufenben. Ser größeren Kopfzahl entfpricht bie ftärkere
^ungenfraft, aber auch ^ cr mächtigere politifche ©influß beS oon
faft allen Parteien umworbenen £>anbmerkS; bie betäubenbe
Birkung beS parlamentarifchen ScßattrohrS, baS biefe neue SRoth
beS .^atibwerfs oerkünbet, fteigt ben Urhebern beS Spektakels, ben
urfprünglichen Bortführern 311 Kopfe, unb fo ergiebt fich im fehler*
haften ©irkel jenes ©reScenbo entrüfteter Klagen, oon ben Shat*
fachen fid) mehr unb mehr ablöfenb, baS ber Ausgangspunkt
biefer ©rörterung war.
©S barf babei nicht überfein werben, wer jene „urfprüng*
liehen Bortführer" finb. ©S finb nicht bie bieberen Bäcfermeifter
als folche, fonbern ihre kottcttioen Organe: Sie 3 anungen unb
bie jaeßpreffe. Sie finb innerhalb beS Berufes faft bie alleinige
Duelle politifchen SenfenS; ein mcrfwiirbigeS Bcifpiel oon
KotteftioiSmuS unb Btoffenpfpchologie, wie man eS in Arbeitgeber*
{reifen nid)t erwartet, bis 31er Preisgabe beS eigenen Urteils;
oon jenen babenfifchen Kleinbäcfern an, bie, im ©egenfaß 3U ihren
eigenen ©rfahrungen unb Beobachtungen, aber im ©inllang mit
ber Öachpreffe 3aß* für 3aßr mit ihrer perfon ftramm bafür ein*
treten, baß bie Berorbnung ber „SRuin beS ©ewerbeS" fei, bis
herab 311 jenen feltfamen Sutfmäufern, bie gerabe3U in 3wei Befen
gefpalten ftnb, ein inbioibuetteS unb ein fo3ialeS, oon benen baS
erftere unter oier Augen anberS auSfagt als baS 3weite in An*
wefenheit wortführenber Kollegen. „ 3 dj kenne", erflärte 1897 ber
Abgeorbnete §iße, „eine gan3e Steiße oon Snnungen unb Bäcfer*
meiftern, bie anfangs ber Berorbnung als folcher 3uftimmten, unb
erft burch bie Berliner Bäcfermeifter unb anbere Agitationen gur
abfoluten Ablehnung gekommen finb". Sie praktifeße golge ift,
baß, nach S a hlrcid>en 3 eugniffen, baS erforberlicße Bhnbeft-
maß guten Bittens 3um ©inßalten ber Berorbnung häufig fehlt
unb bie aus biefem ttRangel unoermeiblicß refultirenben Schwierig*
feiten wieber willkommene Scßcingrünbe gegen bie Surcßfüßrbarkeit
beS BäcferfcßußeS fehaffen. So greift in biefer mohlorganifirten
gabrif öffentlicher Meinung ein Steib in baS anbere. 3 *ue fottef*
tioen Organe aber, bereu ga^es Pflichtgefühl fich auf bie nod)
ba3u fur3fi<htigc Bertretung oon Sonberintercjfcn ko^entrirt, finb
allein oerantmortlicß 311 mad)en für bie gegen ben Bäcferfcßuß
infeenirte, unoerantmortliche Stimmungsmache. Saß wir mit
biefer Bofabel bem Sreiben jener Herren nicht 3U nahe treten,
bleibt in einem Schlußabfchnitt biefer AuSeinanberfeßung 311 be*
grünben, foweit nad) ber iRatur ber Sache für ein berartigeS
llrtßeil bie objeftioe Begrünbung 3urcichen fann.
Bgt. bie Aiwiiibrung be* Abgeorbneten .'oüpeben über feine
baranf beyiglidjen (irmittluiigeii (Aeid)^iag, in. Januar ls 97 j.
III.
Sie Ungebärbigfeit ber Bäcfermeifter batirt nicht oon geftern.
Ser innere Biberfpruch ber faiferlicßen So3ialpolitif mit ben all*
feitigen Berbungen um bie ©unft beS §anbwerfs fant feban oor
Sahren in bem rücfftchtslofen Biberftreben 3um AuSbrucf, baS ber
im Bewußtfein feiner politifchcn ©ewießtigfeit nicht befcheibener ge*
morbene Bäcfermeifter ber allgemeinen Sonntagsruhe oon 1892
entgegenfeßte. Seine Klagen, bie in3mifd)en in ben £>intergrunb
getreten finb, weil man ihnen nicht nachgab, erhoben fidj bamals
in ber Sachpreffe bis 3U reoolutionären Srohungen, als es 1893/94
mit einem STOajimalarbeitStage fpe3iett für bie Bäcfer ©ruft 311
werben fchien. „SRoch fteht bie $ohen3otternburg unerfchütterlid)
feft," fo fchrieb bie SReitjahrSnummer 1894 ber Bäcfer3eitung in
einem anfeheinenb 00m Berliner Obermeifter Kunße oerfaßten, bie
Sonntagsruhe ber Bäcfer fritifirenben Artifel, wie ich hoffe,
für ewige 3 *iten! SRod) ftehen wir treu gu Kaifer unb SReid), aber
ich hoffe unb wünfehe, baß enblich burd) eine weife ©efeßgebuug
bie 3 ufriebenheit ber großen Btaffen beS BolfeS wieberhergeftettt
unb nicht für einzelne beoor3ugte Klaffen Ausnahmen gefcfjaffeit
werben. SaS walte ©ott!" unb bie ,)Attgemeine Bäaer* unb
Konbitor3eitung" erklärte am 7 . Februar 1894 , für} oor ben amt¬
lichen Bäcferoernehniungen, in Sperrbrucf: ,,©S hieße Sanb nad)
Berlin tragen, wollte man aud) nur ein Bort barüber oerlieien,
baß ber hier beabfid^tigte neue ©ingriff in baS ©ewerbe einftimmig
abgelehnt werben muß." ©S fcheint, baß wäßrenb biefer Ber*
nehmungen felbft, Btitte gebruar 1894 , Konbitoren unb Bäder*
meiftcr hinter ben ©ouliffen in bebenflicher Beife über bie 31t
machenben AuSfagen ihre Bereinbarungen getroffen haben. 7 ) „©ifie
3 reube war es, mit an^uhören, wie ©iner ben Anbern, welcher nod)
nicht gebeichtet hatte, 3u belehren fuchte, baniit auch ja nicht wo
ein fehler gemacht würbe, ber unfern Sutereffen fchaben könnte."
Sann folgte (im Btär3) in 3wei Bäcfer3eitungen bie Auf*
forberung, fich mit Borftellungen an ben BunbeSrath 311 wenben;
fein Schritt bürfe unoerfucht bleiben, „um fo mehr, als ich feft
über3eugt bin, baß wir im BunbeSrath eifrige gürfpredjer finben
werben. 3 <h hj&e ^aS ©efühl, baß man in Sübbeutfchlanb ba*
fo3iaIpolitifche Borgehen Preußens mit fehr gemifd)ten ©mpfinbungen
betrachtet! unb wie könnte eS auch anberS fein." „Bis 3um Biai
biefeS 3 ah*eS," fügt eine britte 5ach3eitfchrift h^u, „in weldjeui
biefe Kommiffion abermals in Berlin 3ufammentritt, muß hiu*
rei^enb beweiSfüßrenbeS Btaterial bafür gefammelt unb oorhanbeu
fein, baß fo, wie jeßt bie sperren am grünen Sifd) befchloffen
haben, bie Sache nicht geht." Unb nun bricht ein Schneegeftöber
oon SunungSpetitioneu herein, baS bis heute anhält, unb beffen
Schluß bei ben 3U feiner $ortfeßung reichlich oerfügbaren
©elbmitteln nicht ab3ufehen ift. SieS Betitionen-Unwefen tritt
1896 burch ben enblidjen Bott3ug ber Berorbnung in eine neue
Bhafe.
Sie Agitation jielte 3unächft auf ben Biberruf ber fd)on tot*
geglaubten Berorbnung, fie beflritt bemgemäß bie ©efunbheits*
fchäblichfeit ber bisherigen Arbeitsbauer uno barum auch bie SRecht^*
fraft ber Berorbnung. Sie Dfterferi<>n 1896 — am 1. 3 uli fottte
bie Berorbnung in Kraft treten — würben 3U einer grünblichen
Bearbeitung ber Parlamentarier in ihren Bahltreifen henußt, unb
balb hottteu bie ParlamentSwänbe wiber oon ben SReben ber
URittelftanbSanwälte, bie mit gerabe3u blamabler llnkenntniß unb
Oberflächlichkeit, 8 ) aber mit befto 3Uoerfi<htlicheren Behauptungen
bie Berorbnung als redjtSwibrig unb fchäblich bekämpften, bie fie
hoch felbft hatten fehaffen helfen. Sie bamaligen Sebatten habe r n
für jeben Kunbigen gur ©oiben3 gebracht, mit welchen Schein*
grünben gegen bie Berorbnung geftritten wirb. Sen Bäcfermeifiern
würbe bamals aus bem Sttunbe bes fd)eibenben SRinifterS
0. Berlepfd) eine leßte kräftige Abfage 3U Sheil. Sie Berorbnung
trat in Kraft, unb ber für biefen 3 eitpunft nach 3 e itungSnachri<hten
geplante allgemeine Berliner Bäcfermeifterftreif hat nicht ftatt*
gefunben. Sie Agitatoren begnügten fich, einem SRatbe bes Ab*
georbneten 0. Karborff folgenb, bie momöglid) mit Abficht h^bei*
geführten Strafmanbate 3U Speftafelpro^effen auS3unußen unb auf
SegimentSunfoften bie ^Rechtskraft ber berorbnung gerichtlid) bis
in bie oberfte 3uftan3 beftreiten 311 laffen. Ser SRechtSfprud) bat
meines BiffenS überall 3U ©unften ber Berorbnung gelautet, ber
bemagogifd)e ©ffeft ift aber bod) erhielt worben.
Ser Ablauf einer 3weiten Angelegenheit geftaltetc fid) für bie
7 ) Bergl. bas Aäberc in meiner ^djrift über ben ^anmalarlieits-
tag irn Bäcfergewerbc; Beilage 311 „Sibmoücis psabrlnulr', 1*94, B. i:w.
8 ) Bergl. baS Aäbere in ben „Brenniidjen oabrbüdimr,
Banb Ha, S. 887 ff.
944
94:1
feogiale prajiS. ßentralblatt für Sogialpolittf. Nr. 3?».
Päcfenneifter noch unerfreulicher. die Erörterungen über ben
NlajimalarbeitStag hatten nebenbei ncrfd)iebentUd) eine bebenkliche
Schmuferotrthfdiaft gur Sprache gebraut, bie, nicht ohne 3nfanitnen*
hang mit überlanger ArbeitSbauer, in manchen Pädereien henrfdjt.
Es tonnte baher nicht iiberrafchen, ba& fchon 1895 gunächft
in Nürnberg ber Pkagiftrat eine Spegialoerorbnung gegen bie
Bäcferfräfee erliefe. 2US berfelbe bann bagu fdjritt, bie tarnen ber*
jenigeit Päcfenneifter regelmäfeig gu oeröffentlichen, bie fräfefranfe
(behülfen befchäftigt hatten, erfudjte groar ber Pädermeifteroereiti,
bas gu unterlaffen/ tourbe jeboch abfcfelägig befd)ieben mit einem
.?iinroetS auf bie Äräpeftatiftit beS Nürnberger Spitals, Hamburg
folgte 1897 mit umfaffenben Poligetoorfdjriften über bie gefunbe
nnb faubere AuSftattung ber Patfräume, 1898 Bresben unb
Lübetf, 1899 fcheint in Strafeburg etmaS AehnlidjeS im Bkrfe gu
fein unb im NeidjStage geigt fitf) ueuerbittgS bie nationalliberale
Fraktion bereit, gu einer berartigen Regelung für baS Neicf)Sgebiet
bie £>anb gu bieten. 9 ) Gleichgeitig crfd)eint auch fd)on bie bisher
oielfad) übliche Perroenbung oon Schultinbern gum Austragen oon
Bacfroaare fyvc unb ba poligeilid) in Srage gefteHt. — Auf baS
agitatorifcfee Gefchäft mirtten biefc unliebfamen Erfahrungen einer*
feitS bämpfenb, anbererfeitS oerftimmenb. die Perftimmung oer*
rath [ich in bem giftigeren don ber neueren Petitionen. die
nieberbämpfenbe BHrkung aber tritt in einem entliehenen Sront*
roed)fel gu Sage: ber Anfangs gum ^^eil mit grofeer Schroffheit
abgelehnte Gebaute einer biofeen Abf<hroäif)ung beS PäderfchufeeS
mirb jefct acceptirt.
fragen mir fchliefelid) nad) bem fachlichen Gehalt ber Petitionen,
bie übrigens in bebauerlichem Piafee als SnformationSmaterial
oielbefchaftigter BolfSoertreter bienen, fo geftaltet fuh bie Antmort,
foroeit unfere $enntnife reicht, fehr einfach; ber Gehalt ift faft
gleich Null. Neuere Petitionen, g. 8, eine an ben BunbeS*
rath gerichtete beS FnnungSoerbanbeS Germania oorn 17. SNärg 1899,
nnterfcheiben fid) barin burch nichts oon ben älteren. Ntit erftaun*
lieber Hartnäckigkeit mirb bie Bekömmlichkeit beS Bäcfergefellen*
berufs entroeber mit ber burd)fd)nittlid)en Lebensbauer ber Bäder*
meifter ober mit ber Äranfenfaffenftatiftif begrünbet, obroofel es
hoch bis gum Ueberbrufe heroorgehoben morben ift, bafe bie lefetere
foroohl megen ber Lebensalters* roie megen ber ArbeitSlofigkeitS*
oerhältniffe im Bädergeroerbe feine mafegeblidjen 3 a &ten barbietet,
^er alte, längft als AuSrebe erfannte 10 ) unb burch &te 20 bis
40 jährlichen UeberarbeitStage in liberalster Seife berüeffichtigte
HinroeiS auf bie Abhängigkeit ber Arbeitsbauer oon Natureinflüffen
fefert gleichfalls rnieber unb mirb burch bie neue Entbecfung ergängt,
bie gum Ausgleich foldjer Störungen oerfügbaren fleinen PUttel,
mie Berroenbung oon mehr $efe, feien unter Umftänben für bie
ftonfumenten gefunbhcitSf^äblich, gunächft für ben Plagen unb in
roeiterer 3olge auch für baS SlUgemeinbefinben; roährenb es früher
hiefe, bafe bei oorfidjtigem Perfahreii §öd>ftenö baS AuSfehen ber
Pröbchen leibe unb aus biefem äfthetifefeen Grunbe bie Saare
nicht fo gut fchmede. die Ergebniffe ber oon Bebet in extenso
publigirten Enquete roerben als „unberoiefen" 11 ) begegnet unb auf
baS burch ihn erregte Ekelgefühl ber PunbeSrathSbefchlufe gurüd*
geführt, obgleich ber Gang feiner Porbereitungen beutlid) ergiebt,
bafe gerabe oiefer GefichtSpunft uicht mafegeblid) gemefen fein kann,
die Pernehmung entliehener Pertreter ber Gefeilenintereffen burch
bie arbeitsftatiflifche Äommiffion mirb bemängelt; als ob nicht
ebenfo entfehiebene Pertreter beS PteijterintereffeS gefragt morben
mären! „Safe unter biefen AuSfunftSperfonen als Gefellenoertreter
auch ein Geiftlicfeer einen plafe finben burfte, ift uns bisher un*
erklärlich geblieben"; bie petenten fcheinen bentnach oergeffen gu
'•') Abgeorbneter -v>affc am 17. N?ärg 1897.
ll ’) £ter fei beifptelsioeife an eine Niiitheiluiig SMolfettbuhrS, bes
fogialbemofratifdicn NJitglicbeS ber arbeitsfiatifüfehen .Hoinmiffiott, im
ÜHeicfe*tage (22. April 189«) erinnert: „Als nun einmal bie Pädernteifter
in ber Ntominiffion fo retfjt mit Empbafc gegen ben PiarimalarbeitStag
gemettert liatteu, ging id) mit einem ber Päctermeiftcr uad) .ftanfe unb
jagte: ES ift feltfam/ bafe btc Päcfermeifter meniger oont Gefchäft gn
oerftehen fcheinen, als bie Wefeüen; bie Gefclleu miffen immer ?(ushülfs*
mittel, bie S»?eifter nidit. ^a, jagte er, mir miffen's and), bas geht
aud) gang gut, aber mir mofleu ben Gemerbeinfpeftor nicht in ber Pacf*
fiubc haben."
n ) Pei ber .Horrettur biefer feilen gehen mir Pcridjte über bie
jüngften, anfdjeiuenb fdjmer belaftenbcu Piürgburger unb Siannheimer
(^erid)tsocrhanblungen über uufauberc Päifcrcicu gu. Xer Naum oer*
bietet, auf bas? uuäfthetifdic 2hema eiugugchcn, bns .{lautfledjteu, Nacht*
topfe unb 5’äfolieu auf ber Pi'thue cridjcineu lägt. 2:ie Ihatfadie einer
meit oerbreiteteu, menn audj feiuesmegs allgemeinen UnfauberFeit flaub
ohnehin feft, mar and) bei nbrrmnfeiger ?lrbeitsbauer faum ntibeiv gu
ermarten.
haben, bafe biefer Geiftlidje als Leiter eines cjrofeen Gefeiten*
oereinS mit befonberer Päcferabtheilung Gelegenheit gu merthoollen
oergleichenben Beobachtungen h^- dergleichen Pergefelidjfeiten
ftnb für bie 3u&erIäffigfeU ber Petenten ebenfo charafteriftifch, roic
ihre fonftigen Entbecfitngen neueften datumS:
ber Pkciftcr 1194 :
Päcfer* unb tfonbitorgeitung,
17. ftebruar : ^i'tr bie ber Erami*
nation beimohnenbeu Herren ge*
manu biefc bm Nnfchein, als ob
bic .Stommiffionsmitglieber in ein
paar Stunben bie gange Päderci
erlernen moHten.
Pädergeitung, 18. Februar: ^ie
Pemchmungen gefefeehen mit einer
Grünblid)feit, ioie fie faum für
ntögltd) gehalten merbeit füllte.
Allgemeine Päder* unb Äonbitor*
geitung, 21. Pfärg: Pfau mufe bem
Porfifeeubeu, $errn Unterftaats*
fefretär Dr. oon Nottenburg, bie
Ijöchfte Anerkennung bafiir gölten,
bafe er bemüht gemefen, bie Per*
hanblungen mit ber äufeerfteu
Grnnblid)feit gu führen, unb es
mirb mohl feine ArbeitSoerridjtung,
feine Eiuridjtung nnb Eigenheit int
Pädergemerbe geben, bie nicht oon
allen «eiten beleuchtet morben märe.
ES folgen bann in ber obengenannten Petition gehäffige Be*
fihulbigungen gegen bie arbeüsftatiftifdje tfommiffion, bie iich eben*
üürtig 'bcn ^rioolitäteu über bie Sonntagsruhe an bie Seite fteDen,
mit mcldjeit ber fchon ermähnte Päcfermeifterkongrefe oon 1896
fuh unterhielt. ES üt Doch ein gemagteS Unterfangen für bie
loyalen Pädfenncifter, menn fie ben oermeintlichen Äampf gegen
ben Umfturg u.it perfönlid)en 3»junen gegen bie eigenen Organe
ber NeichSpegierung führen h c ^f en - dabei geben fie baS Por*
kommen ungebührlicher AuSnufeung ihrer Gehülfen unb Lehrlinge
felbft gu, miffen aber kein anbereS Gegenmittel in Porfchlag gu
bringen, als — eine NooeHe gum Strafgefefebuch-
Neben folgen phrafeologifchen Petitionen giebt es übrigem-'
auch attbere, bie mit „umfangreichem Enquetenmaterial" arbeiten.
3u ihrer näheren Eharakterifük mag h^f gu™ Schluffe ein burd)
bie „Ntünchener Poft" an bie Oeffeiitlidhfeit gekommener, übrigens
oon ben „inbolenten" Pfünchener Pädermeiftern nicht gur oollen
3ufriebenheit beS SnnungSoorftanbeS beantmorteter Pfünchencr
Fragebogen oom Nooember 1897 auSgugSroeife mitgetheilt
merben.
„PMr erfudfen Sie baljer bringcitbft, betliegcnben Fragebogen genau
auSgujüllcn. Sic haben burd) biefc Peantmortung nicht int gcrittgftni
etmaS gu befürdjten, ba bie Namen nidjt genannt unb nicht oeröftem=
licht merben.
Unt Fhnett btc Arbeit git erleidjtcrit, erlauben mir uns, ohucii
einige Peifptele oon Peantmortungcn angugeben, nach toeldjcit cs
Fhnctt nicht fehmer fallen bürftc, beit Pogett aitSgufüden, g. P.:
2)urd) biefe Pcrorbnuttg bin ich nidit ntchr in ber ^age, täglidi
gmettital Semmeln gu baden, mas einen täglichen Eimtal)nteauSfan oou
. . M. beträgt, bas finb im Fahre . . M.
£urd) biefc Perorbnung tourbe ich gegiouttgen, eine Protträgcriu
gu nehmen, ba bas Prot itid)t eher aus bem Ofen fommt uttb ber (#c*
hülfe in bie lleberarbeitsgeit luneinfommeit toürbe. Xiefelbe oerurfadit
mir jährltdi eine Ausgabe oon . . J4.
Fn Folge biefer Perorbnung bin ich gegmungen, einen eigenen
^ausbiener git halten, mas mir eine NfehrctnSgabe oou . . M. oer*
urfacht.
£nrd) bie Einführung biefer Perorbnung mürbe irf) oon einem
Gehilfen benungirt uttb gur Zahlung oon . . ,4t. oernrtheili, obgleidi
bie Nichtcr unb Peififeer felbft gttgebett mufeten, bafe id) nidit attbers
haitbeltt konnte.
Seit Einführung biefer Perorbnung tttufe meine Nfagb oiel mehr
Arbeit leiften nnb idi iljrctt Lol)it bcbcutenb erhöhen, tocil ber Lehrling
I bie Arbeit innerhalb ber gcfefelidjcn ;]eit nicht mehr oerrid)tcn fami.
I Seit Einführung ber Perorbnung finb meine Gehülfen oiel ntchr
: int BMrthshauS als früher, toeil biefelbeit bei mir keine Äoft mehr er*
| halten. F» Folge hoffen kommen fie nteiftcnS erft gu Pegintt bev Ar=
beitsgeit gu .gtaufe nnb madien fchledjte, gleichgültige itrtb nadiläffige
Arbeit, toas meinem Geschäfte 3diabeit bringt.
£urcb biefe Perorbnung habe ich einen gröfeerett SBedifel unter
meinen GelüUfen gu oergeiduteu mie früher, toeil iljr ganges Iraditeii
nur bahin geht, fdincllftens fertig gu fein; fee beiden nicht mehr bei ber
Arbeit, ertoerbeit fidt bentnach aud) feine richtigen deuutniffe mehr unb
| merben fddechte Arbeiter, mas mieberum ber P?eifter büfeeu uttb ent*
i pfilibeii mufe.
Petition beS Pädcr-^nnnngStier'
bonbeS ® ermonia o om 17 .2»? ä rg 1 8 9 s;
ES ift uns bternad) Ieicfjt üe*
grctflich, bafe ber .Vtotniuiffiott oon
öortthereitt bie Neigung fehlte, bie
Eigenart ber Pädereibetriebe ocr*
ftchen gu lernen; fittbeit fidt bodi
hödjft feiten afabemifd) gebribetc
perfonert, meld)e ein liebeuoUes
Perftänbnife für bas 0 an bin cif,
feine Sorgen, bie Urfadiett, inetdm
feinen Perfall oorberetteu, tntb bie
Mittel bagegeu fid) gu eigen
machen.
945
©ogtale BrajtS. EentralBlatt für Sogialpolütf. 9k. 35.
946
2Bir haben 3ßnen, oereßrter &err College, burch biefe Erläute*
Hingen angebeutet, wie Sie ben beiltegenben Fragebogen beantworten
follfen, uni) bitten Sie in 3ßrem eigenen ^ntereffe, benfelben richtig unb
ber SBaßrßeü gemäß auSgufütten unb ifjn fobann an bie beüiegenbe
Abreffe innerhalb ad)t lagen eingufenben."
Blau bat bisher ni<ßts unterlaffen, um bem Bäcferfcßuß baS
rußige Sicßeinleben gu erfahrneren, baS alle übrigen 2lrbeiterfcf)ufe-
oorfeßriften gefunben haben, Bt'an bat ben Erlaß ber Borfcßrift
über eine Reiße uon 3al)ren ßingegögert unb fuß bamit ben An*
feßein ber Un faß liiffig feit gegeben. Der Btinifter, ber als ibr ener*
gifeßfter Anwalt gegolten, ift furg nach ihrem Erlaß aus bem Amte
gefeßieben. Der fogialreaftionären Strömung bat es beliebt, mit
ihrem ganzen Schwergewicht unb ihrer gangen unbelehrbaren Rücf*
ficßtslofigfeit fid) oorgugSweife gegen biefe Berorbnung 'gu menben.
Die ungleichmäßige unb zaghafte Durchführung ber £ontrole bat
ben BSiberftanb förmlich organiiirt. Der bureß finfenben betreibe*»
preis feit 3aßrgeßnten ftaatlicß fuboentionirte Bäcfermeifterftanb ift
burch bie BJittelftanbSagitation beinahe übermütßig gemacht roorben.
Es fehlte jefct nur no<ß — unb 3citungSnad)ricßten beuten bereits
auf folcbe glätte bin —, baß ber Bunbeoratß feine Berorbnung
wiberruft unb bie uom ReicßSgefunbheitSamt für Racßtbäcfer ge*
forberte gufammenßängenbe gwölfftiinbige Rußegeü noch weiter oer*
fnqt, als es jefct faßon gefcheben ift, ober bie faßon jeßt febroierige
$ontrole burch Einführung ber BJayitnalarbeitSwocße ooDenbS auf
Denungiation bafirt. Radjbem baS franfe ©lieb ftücfweife bis gu
brei Biertein abgefchnitten ift unb ber Patient noch immer faßreit,
empfiehlt eS fid) gewiß, gunärfjft einmal mit einem ftumpferen
Bteffer weiter gu jeßneiben. Die Bäder müßten nicht Söäcfer fein,
wenn Tie nicht ein halbes 3 u ß*ftänbniß auSnufcten, um bie hart
mitgenommene Berorbnung ooUenbS gu biSfrebitiren.
Marburg. $. DIbenberg.
ÄUgewthte Sozial- wtb SlittfjfdjitftepolUUt.
Der Eoangelifcß-Sogiale Äongreß in Äiel.
3um geßitten B2ale feit feinem Befteßen war ber Kongreß bieS*
mal oerfammelt. Rocß einem BegrüßungSabenb fanb am 25. Btai bie
erfte £jauptoerfammlung ftatt, bie oon etwa 1000 ^erfonen befugt
war. 3n feiner einleitenben Anfpracße führt ber Borfißenbe, ßanbeS*
öfonomieratß Robbe, aus, baß bie Hoffnungen, bie fich an bie
©rünbung beS ÄongreffeS gefnüpft hatten, noch nicht in Erfüllung
gegangen feien. Es fei bisher nicht gelungen, einen Ausgleich ber
fogtalen ©egenfäße unb ber fircßlicßen Ridjtungen ßerbeigufüßren.
Eine gewiffe ©leicßgiltigfeit habe fich in fogialen Dingen weiter
.treife bemächtigt, ja man halte bie Erörterung ber fogialen Srage
oielfach für unoereinbar mit bem Eßriftentßum. Söir wollen bie
fogiale S^age auf bem ©runbe ber cßriftlicßen Etßif löfen. Es
wirb uns gugerufen: Sinb benn nicht bie fogialen 3uftänbe beffer
eworben? Es ift nicht gu leugnen, baß baS gewerbliche Ceben
lüht, bie wirthfahaftlicßen unb fogialen Berßältniffe finb beffere
geworben. Es finb bieS gum Dßeil bereits bie ßrüchte ber faifer*
iichen Botfcßaften. Unb bennoeß foll mau biefe Berßältniffe nicht
überfcßäßen. 3aimer größer wirb bie Abwenbung oon ©ott. Auf
baS Aufblühen beS gewerblichen £ebenS fann ein S^ücffdjlag er*
folgen. Üöenn man erwägt, baß 70% aller beutfeßen ^auSftanbe
oon ber $ommunalabgabe befreit finb, weil ihr jährliches Ein*
fomnten weniger als 900 , ' beträgt, wenn wir bie UeberfüEung
ber ©oßnungen unb Schlafftellen mit ihren fittlichcn unb gefunb*
Zeitlichen ©efahren in ben ©roßitäbten unb baS ßeerfteßen ber
Wohnungen auf bem ßanbe in 33eirad)t giehen, bann fteht eS für
uns feit, bafc uns noch c i ne Biefenarbeit beoorfteht. Saft fönnte
uns oor ber Sftenge unferer Arbeit bange werben. Mein wir
haben feinen ©runb, gu oergagen. 533ir fennen bie $raft unfereS
EoangeliumS unb wiffen, bafe eS uns, wenn wir auf biefem ©runbe
bauen, gelingen wirb, ja trofe aller Söiberfacher gelingen muß, bie
fogialen unb fittlichen SNi&ftänbe in unferem Bolfe gu befeitigen
unb fogiale Reformen gu fchaffen, wie fie unfer oolfSthümlid)er
£aifer erftrebt.
Den elften ©egenftanb ber DageSorbnung bilbete ein Bortrag
beS B*of. ^aftan*Berlin über bas Berhältnijg ber lutherifdjen
Kirche gur fogialen Srage. BMr haben bie Seitfähe, in benen biefer
Bericht gipfelte, bereits in $r. 33 ber „Sogialcn BrayiS" mitae*
theilt unb befdjränfen uns barauf, mitgutheilen, bafe biefe Dhefett
mit einem 3 u f a h^ angenommen würben, worin ber Stongrejj bie
Bitte auSfpridjt, bie Bertreter ber f^ftematifchen Dheologie möchten
fich eifrig ber Söfung ber Probleme gumenben, bie ber proteftan*
tifchen Ethif aus ber fogialen Bewegung ermachfen.
Das 9öort erhielt fobann Ffabrifbefiher 3reefe*BerIin gum
zweiten Referat über baS fonftitutionellc Spftem im Jabrifbetriebe.
Referent ffiggirt gunächft bie Entmicfelung ber ©efchichte ber
2lrbeiterauSfd)üffe unb djarafterifirt bie oerfchiebenen Slrten ihrer
Draanifation. Die Einführung eines SlrbeiterauSfchuffes in einer
fjabrif bebeute ben Slnfang beS UebergangeS gum fonftitutionellen
Spfteni: bie Einräumung eines DbeileS ber |)errfd)aft an bie bis
batjin ausfthließlich beherrfchten Arbeiter. Die Bortheile, bie bem
Arbeitgeber aus ber Abgabe eines DheileS feiner Souoeränetät er*
warfen, feien weittragenb. Er empfehle, ben Arbeiterausfchufj nicht
ju flein gu geftalten. Aud) halte er eS für billig, bafc aud)
ben Arbeiterinnen ©elegenheit geboten werbe, ihre Satereffen im
AuSfchuß wahrgunehmen. Das nach ber Einführung eines Arbeiter*
auSfd)uffeS entftehenbe Berhältniß gwifeßen bem Arbeitgeber unby
ben Arbeitern fei gumeift befriebigenb; jeber Arbeitgeber, ber mit
Aufrid)tigfeit an ben Berfucß h era ntrete, werbe finben, baß bie
Befürchtungen wegen £ocferung ber Disgiplin unbegrünbet feien.
Dhne ^ongeffionen feitenS beS Arbeitgebers werbe es freilich
nid)t abgeßen. Die ArbeiterauSfcßüffe foUen mit bem Arbeit*
geber über bie Arbeitsorbnung, bie ArbeitSoerhältniffe, itohn*
unb ArbeitSoerträge, Schufcoorrid)tungen, Arbeiter * 9öohlfahrts*
einrießtungen u. f. w. beratßen. Es liege nur im ßntereffe
beS öabrifbetriebeS, wenn bei allen biefen Dingen ber aus
freien SBaßlen ßcroorgegangene ArbeiterauSfcßufe gehört werbe. Die
Arbeiter gewinnen babureß größeres Sntereffe an bem Betriebe,
bie Arbeiten werben beffer unb fauberer auSgefüßrt, es werbe mit
einem Söort tneßr Crbnung unb größere Äontrole in bem Betriebe
gefeßaffen. Er fönne nur ben Arbeitgebern empfehlen, feinem Bei»
fpiele 3olge gu leiften unb gwar in frieblicßen 3 e itcn bie Bilbung
oon ArbeiterauSfcßüffen oorgunehmen unb nießt gu warten, bis er*
regte 3eiten eintreten unb bie Ausfcßüffc oietteicßt oon ben Arbeitern
abgeleßnt würben. Daß ein Satereffengegenfaß gwifeßen Arbeit*
geber unb Arbeiter auch troß ber ArbeiterauSfcßüffe befteßen bleibe,
oerfteße ficß oon felbft. Eine Satereffengemeinfcßaft werbe erft
eintreten, wenn baS beim Referenten eingeführte Spftent ber ©e*
minnbetßciligung allgemeine Anwenbung finbe. — Die Berfamm*
lung ftimmte unter lebhaftem Beifall ben Ausführungen Öreefes gu,
inbem eine Refolution angenommen würbe, bie bie erften Anfäpe
auf bem ©ebiete fonftitutioneÜer AuSgeftaltung inbuftriellcr ©roß*
betriebe begrüßt unb bie Erwartung ausfprießt, baß bie Staats*
betriebe gerabe aueß in ber BJeiterentwicfelung ber ArbeiterauSfcßüffe
oorbilblid) auSgeftaltet werben.
lieber bie Bknblung beS BilbungSibealS im 3afammenßange
mit ber fogialen Entwictelung fpraeß Brof. Baulfen*Berlin. Das
beutfeße Bolf, ber preußifeße Staat haben, fo fcßloß er feine Aus*
füßrungen, ein 3ntereffe, baß aüe BolfSgenoffen gur Dßeilnaßme
ßerangegogen werben gu bem geiftigen lieben ber Ration. Allen
©liebem beS BolfeS muß bie Rtöglicßfeit gur Entfaltung aller oon
ber Ratur in ben Eingelnen gelegten Kräfte gegeben werben.
Selbfterßaltung unb Selbftbur^feßung bes BolfeS unter ben
Bölfern ber Erbe hängt baoon ab. Die geiftige Begabung wirb
meßt flaiienmäßig oererbt. 3*ber bebeutenbeit Begabung muß
bie s D?öglid)feit ber Entwicfelung gegeben werben. Die fitt»
ließe Ergießung gehört in erfter Reiße ber Öamilie. Die BoifS*
bilbungsanftalten müffen fo entmicfelt werben, baß fie ber 3ugenb
oom 14. bis 20. fiebenSjaßre geiftige unb fittlicße $raft unb einen
S alt gewähren. Diefe Arbeit im Dienfte beS BolfeS ift eine
cßulbigfeit beS brüten StanbeS. Er ßat feine Bilbung bureß
bie Arbeit ber anberen Stänbe empfangen, bie ißm oorauS waren.
Er ßat nun bie Bfließt, ben oierten Stanb emporgußeben. Ein
BilbungSftreben wie ßeute bei ben Biaffen ift nodj niemals ba*
gemefen. 2Bir fönnen bie Entmicfeiung meßt aufßalten. Soll fie
mit unferem guten Bhllen gefeßeßen? 9Bir wollen bagu bie $anb
bieten. — Die oon uns ebenfalls bereits mitgetßeilten Dßefen
beS Referenten („Sogiale B ra l*i § " ©P* ö94 ) fanben bie Billigung
ber Berfammlung.
Darifoercinigungett. Einer ber bemerfenSwertßefteu Befcßlüffc
beS granffurter ©ewerffcßaftSfongreffeS war baS naßegu einmütßige
Eintreten für bie Errichtung oon Darifoereinigungen gwifdjen Arbeit*
gebern unb Arbeitern bcffelbett ©ewerbcS. Der giißrer ber bciitfdieii
Bucßbrucfer, §>err Döblin, ßat mit fo triftigen unb übergeugenben
©rüitben auf bie namentlich aud) für bie Arbeiter erfprießlicßcn
folgen folcßer Bereinbarungen ßingewiefen, baß unter betn Ein*
brurf feiner Ausführungen, bie ber praftifeßert Erfahrung im
947
©ogtale VrajiS. Eentralblatt für ©ogiatpolitif. 9lr. 85.
948
beutfdjen Buchbrucfgewerbe entnommen waren, fic§ faum ein
nennenswerter Vöiberfprudj unter ben Belegirien oon einer halben
Million Arbeiter erhob. BMr haben ftets in folgen Barifoer*
cintgungen, bie je nach ben Umftänben einen engeren ober weiteren
Umfang buben fönnen, gnftitutionen erblicft, bie für unfer fokales
unb wirthRhaftlicheS fieben äufeerft fru(btbringenb gemacht werben
fönnen. 3n welker Vkife fie gu wirfen oermögen, baS erhellt
wieber aus bem biefer Bage im „Eorrefponbent" oeröffentlicbten
^Srotofott über bie ©jungen beS BarifauSfchuffeS ber beutfd^en
Buchbrucfer am 15. unb 16. Mai in München. Es trafen Reh ^icr
Vertreter ber Bnngipale unb Eehilfen ber 9 Bariffreife beS ®e*
werbet, bie gufammen gang ®eutfcf>lanb umfaffen. Anfang Mai
gehörten ber Bereinigung 880 Drte mit 2704 girmen unb
27 449 ©ebülfen an. Ber Bericht fonftatirt,
bafe unfre Sariffadje in ber Bfjat eine fo allgemeine ift, baR ftd) bas
v larifamt an allen Orten treuer Mitarbeiter gu erfreuen haben wirb.
Biefe 3unerfi(bt labt uns hoffen, bab eS feinen ©tiüfianb in ber tarif*
lieben Arbeit geben fann, fo lange nicht baS $iel, ben Barif aU
Öobngefep burdjgcrungcu gu haben, an allen Orten crrcidjt
ift. 0o lange bie Bartforgane fo emftlicb unb mit fo feltener Gin*
miitbigfeit ihre Kräfte gur Erreichung biefeS einen 3iclc3 gufammen*
faffen, fo lange ift AuSfid)t oorbanben, alle baS (bewerbe berübrenben
gragen aus bem ArbeitSocrtragc mit Erfolg gu löfen. hoffen wir, bab
cs un§ gelingt, bie gweifler in beiben Sägern gu übergeugen, bab Re
unniip fid) bemühen, bie Angehörigen beS Gewerbes in gwei feinbliche
Parteien gu fpalten, unb bab man nach ben Erfolgen ber Iepteu galjre
eS oorgieljen wirb, an ©teile beS Kampfes parlautentarifcbe Verhatib*
lungen unb Verftänbigungeit gu fefeen. Bie Bartfbehörben uno namentlich
unfer Amt finb wäbrenb ihres Dreijährigen VcftehenS in einer groben
3 abl oon gäflen als Vermittler angerufen worben unb gwar in ben
weiften gällen mit Erfolg; in feinem gatle ift bie Vermittlung oerfagt,
oielmebr erbetener Abhilfe bei tarifwibrigen Verbältniffen ftets ftf^riell
cntfproäjen worben.
Bie Bemäntlungen geichnetcn fid) burch mufterbafte ©adf)lichfeit
unb Drbnung aus. 2Bo es nicht gelang, fofort gu einer Einigung
gu fornmen, würben paritätifch gufammengefebte £ommiffionen be*
auftragt, bie fiöfung ber ©chwierigfeit gu fuchen, fo g. B. in ber
grage nach bem Barif für ©ebmafdjinen, wogu auf Antrag eines
BringipaloertreterS, §>erm Büjenftein * Berlin, einfiimmiq erflärt
würbe, „bab R<h bie Bariforgane um bie Einführung jener gu
befchliebenben Erunblagen genau fo gu bemühen haben, wie um
Einführung beS BartfeS." gerner würbe bas Barifamt, beffen
©ip oon Mündjen nach Berlin oerlegt wirb, einftimmig beauf*
tragt, ben AgitationSplan für baS neue EefcbäftSjabr gu entwerfen,
bamit ber Barif, wie bieS auch in biefent gahre gefefje^en ift,
immer weitere Anerfennung finbe. — Ein berartigeS gebeihlicheS
3ufammenwirfen oon Arbeitgebern unb Arbeitern ift nur moglid),
wenn beibe fich einer guten Drganifation erfreuen, Bie Barifoer*
einigung im beutfeben Buchbrucfgewerbe ift ber befte Beweis, baR
erft auf ber ©runblage ftarfer, wohl biSgiplinirter ©ottberorgani*
fationen eine gemeinfatne Bhätigfeü fid) entroidfeln fann. gn feinem
(bewerbe finb Arbeitgeber unb Arbeiter beffer organiRrt unb in
feinem herrRht mehr ber fogiale grieben! „Bie ©d)affung ber
Barifinftitutionen foUten nach unferm Ermeffen nicht fowol)t bem
Tarife allein gu gute fornmen, fonbern auch bariiber hinaus eine
höhere Bebentung für bie Begehungen gwifchen Unter*
nehmer unb Arbeiter gewinnen unb fittüchere ®runb*
lagen in fogialem ©iitne anbahnen h^fen," erflärt baS
Olchilfenorgan.*)
Bie Vergebung ftSfaltfdjer Arbeiten in Brettften unb bie ©treif«
HetifeL Burch eine Verfügung beS Ministers beS gnnern wirb
fünftig bei Vergebung Rsfalifcher Arbeiten in bie Verträge mit ben
Unternehmern folgenbe $laufel aufgenommen:
ArbeitSauSftänbc gelten nicht als höhere Gewalt unb
begriinben fein Anrecht auf griftoerlängerung ober VreiSerbobuug. ^ t,s
träge auf griftuerlängcrung fönnen nur in gang befonberen fällen in
Verücffidjtigung gegogen werben unb unterliegen ber Genehmigung ber
oberen Veljörbe, haben aber oon oornherein feine Ausfidjt auf Erfolg,
wenn nidjt oom Unternehmer glaubwürbig nadjgewiefen wirb, bafj
ber „Gewerffcbaftlicbe Verein ber Maurer Berlins" auRcr ©taube war,
*) SSic audi in anbereu Berufen foldie ^artfabmaebungen gead)tet
werben, bewein eine Mitteilung ber „granffurter 3 c d uli g" aus Vforg*
heim. Strt haben bie Gijpfcr unb ©tuefateure mit ben Unternehmern
einen Xarif oereiubart. 2lnf bie Mittheiluug beS VringipalocreiuS, bah
ein Mitglieb beS Crtsoerbanbes ber OUjpfcr wortbriidjig geworben unb
unter bem Tarife arbeite, würbe oom Ortsoerbanbe bie ©perre über
beit ^arifbredjer ucrljängt mit ber Vegriinbimg, bafj berartigeS Xurdj 3
bredieit eines Tarifs Meifter wie Arbeiter gleidierweife fdjäbigen muffe, i
bem Unternehmer $üfe gu leiften. Mehroergiitungen werben inbefg aud)
bei ^nanfprudjnahme beS genannten Vereins nicht gewährt.
S)er gnnungSoerbanb beutfeher BaugemerfSmeifter h°t be*
fdhloffen, gegen biefe ^flaufel eine Eingabe an bie Regierung gu
richten.
3ur Auslegung beS fächftfdjen VereiuSredhteS» Eine wichtige
Entfcheibung hat baS fächfifch^ Vtinifterium beS gnnern in ©egug
auf bie Auslegung beS VcreinSgefeheS getroffen. 2)ieS oerbietet
befanntlich nach & en Befchlüffen beS lebten ÖanbtagS Btinberjährigen
bie ^h e it na haie an Vereinen, welche fich mit öffentlichen, begro.
Politiken Angelegenheiten befaffen, läfet aber bie Sheilitahnte an
Verein Seinrichtungen gu, weldhe wie Oehr« unb gortbilbungSfurfe,
Vergnügungen 2 i\, biefeS Eebiet nicht berühren. Nunmehr hat baS
Vtinifteriuin lehtinftanglich bie Verfügung einer s ^oligeibehörbc be*
ftätigt, bafe Vhnberjährige auch oon VereinSoeranftaltungen nicht
politifchen EharafterS fern gu halten finb, wenn ber Verein ein
notorifch politifdjer ift. 2)em in grage fommenben Verein ift bie
Auflöfung angebroht worben, wenn er bie Btinberjährigen nicht
oollftänbig auSfchlieRt. ®ie ^h^ilnahme an ben in 9tebe liehen ben
Einrichtungen quatifigirt fid) nach ber Auffaffung beS BüniiteriumS
als „^h c ilaahme an 3 u fammenfünften oon politifchen Vereinen",
unb biefe fällt unter baS Verbot beS neuen VereinSgefeheS. —
2)amit ift wieber eine ber Befürchtungen eingetroffen, bie bei ber
Beratung beS neuen VereinSgefefceS in ©achfen oielfach gehegt,
bamalS aber oon ben Anhängern beS AuSfd)luffeS ber Btinber*
jährigen als gänglich haltlos hincjeftellt würben.
Bie lEBahleu ber ArbeitSfammeru itt Amfterbam finb, wie man uns
fd)reibt, mit befnebigenbem Erfolg ooHgogcn worben; bie Beteiligung
ber Arbeiter war oiel größer als im |)aag. Aur bie Biamantarbciter*
lammer ift nid)t gu ©tanbe gefommen, ba oon ben 10 000 Arbeitern
unb aud) oon ben Arbeitgebern nur jedjS Verfeuern gewählt haben. Bei
Vunb ber Biamantarbciter hatte fich nämlich baljin auSgefprodjen, bnf;
bie lammet* in ber geplanten gnfammenfepung nnmöglid) einen guten
Erfolg haben fönne, unb war baber gegen bie 2Sal)l. ErfreuliÄ ift,
bafe bei ben ÜBaljlcn bie politlfche Gefinnung mehrfach aufger Betraii
geblieben ift. ^n ber Äonfettionsfammer ift eine Aäljterin gewählt
worben. — Auch in anberen ©täbten ^oHanbS haben bie Atahfcn für
bie ArbeitSfammeru ftattgefunben, fo baR ihre üonftituirung bcmnädifi
erfolgen fann. Biefe Kammern, bie auf bem Gefep ooni Mat 1897
beruhen, fmb gemeinfame Vertretungen oon Arbeitgebern unb Arbrc/cm
eines ober mehrerer Gewerbegweige in einer ©labt. 3h rc Aufgabe ift
in eriter 2inie baS ©ammein oon gnformaüonen über Arbeiter*
angelegenheiten, ferner bie Erftattung oon Gutachten an bie fiaatlidjen,
prouingicüeu ber ftäbtifchen Vehörbeit, auf Anfuchen auch au Vnmite.
Enblich foH bie Kammer als EiniguugSamt bienen.
gnternatioualcr $ongreft für fo^ialwiffenfchafttichcS Unterrichts*
toefen 1900* Unter ber Vatronage beS College libre des Sciences
Sociales in Baris wirb anläßlich ber VöcItauSftellung ein inter*
nationaler ÄongreR oeranftaltet werben, ber ftth mit ben gragen
beS UnterridhtS in ben ©ogialmiffenfchaften befchäftigen foH. 5)ic
BorbereitungSfommiffion, ber bie angefehenften frangöfifd)en gadj*
leute angehören, hat fürglich baS Brograntm für bie ÄongreRarbeiten
feftgeftellt unb eine Einlabung gur Bheilnahme oerfanbt. ©ie oer*
weift barin auf ben fyofyn Söerth, welchen biefer erftmalige Aus*
taufch ber Anfichten unb Erfahrungen in beit oerfdjiebenen Öänbcrn
für bie görberung ber ©ache hat. BaS B r ogramm umfaRt bic
folgenben B un ^ e:
1. Unioerfitäten, höhere ©djulcn unb gadjfdjuleu.
©taub beS fogialwtffenfchaftlichen UnterridjtS in ben ocr*
fchiebeiten Öänbern. Verbefferungen.
2 . Mittelfd)ulen.
Gegenwärtiger ©taub. Verbefferungen. BtSfuffton ber grage,
welcher Vlafc bem Unterricht in ben AnfangSgrünben ber
SBirthf^aftswiffenfdjaft einguräumen ift.
8 . Ber populäre ©ogialunterricht.
Gegemoärtig erregter ©taub. Monographien über bic
©pegialorganifationen, welche ftch in oerfihiebenen Räubern
Ijerausgebilbet haben.
4. ©d)affung eines internationalen SehrförperS.
AuStaufd) ber Öehrfräfte gwifchen ben Unioerfitäten unb ©diuictt
ber oerfdjicbenen 2äuber. Vilbung eines ©pegialjonbs für
biefen 3 wecf.
Ber SfongreR foll fünf Bage bauern. Baoon Rnb oier ber
£öfung unb BiSfuffion ber Rapporte, ber lefete ber Erörterung
unoorhergefehener gragen gewibmet. Bie Bljeilnebmer am £on*
greffe begahlen einen Beitrag oon 25 grcS. Anmelbungen werben,
wie man uns Rhrcibt, entgegeugenommen beim ©efretär ber
OrganifationSfommiffion, 22 Rue Victor-Masse in Bari^-
949
©ogiale $ra£i$. ©entralblait für ©ogialpoUtü. Nr. 35.
950
fiotttmiittale Sozialpolitik.
©enteinbfuhe grürforge in ber 2BoßmmgSfrnge gn SWüudjen.*)
SJÜttel gur §ebung ber BoßnungSnotß in ERüncßen follcn jeßt non
ber ©emeitibe felbft in Angriff genommen roerben (oergl. „©oktale
BrayiS" ©p. 908). An bie beiben ©emeinbefoHegien ift ein oom
erften Bürgermeister Unterzeichneter Antrag eingegangen, fie mochten
auf bie Berbcfferung ber BoßnungSDerßältniffe baburcß ßingu*
roirfen frühen, baß fie
1. bie ©rbauung oon NHetbhäufcrn für ißre Arbeiter unb 93e*
bienfteten ins Äuge faßen;
2. einem bemnädjft gu griinbenbeit Vereine aus bem ©runbbefifc
ber ©emeinbc in ben Vororten nach Bebarf je 1 bis 2 ha Baugrunb
auf bie $)auer oon 99 fahren gegen eine jährliche ©ntfdjäbigung oon
2% beS bergeitigen Berthes unter bem Sorbehalte beS unentgeltlichen
NücffafleS ber ©runbftücfe unb ©ebänlichfeiten nach Ablauf obiger grift
Zur Berfügung ftcHen;
3. burch ©eroährung oon Darlehen aus ber ©parfaffe, foroett
möglich, bie $apitalbefchaffimg erleichtern unb
4. im .ftiublicf auf ben funftigen Nüdfatl beS ©igentbumS an bie
©tabtgemeinbe bie 3 a blnng, begro. ©tdjerftellung oon ^5flafteritngö* unb
NanbfteinfeßungSfofteu gang ober roenigftens tljeilroeife erlaffen.
tiefem Antrag geht eine ausführliche Begründung ooran. S)ie
Bewegung, „welche bie Bereitftellung Heiner, allen Anforberungen
ber ©efunbßeitSpflege entfprechenber Bohnungen für Arbeiter,
SHeinßanbroerfer, ©ubalternbeamte unb anbere, biefen roirtßfehaft*
lieh gleichgeftellte Berufsarten gu bauernb billigem greife anftrebt",
wirb als oollbered)tigt anerfannt. 2>ie^ ^rioatiinternehmungen
haben bem Bebürfniß nicht gu folgen oermocht, abgefeßen baoon
ift ber NlietßpreiS im Berßäliniß gurn ©ebotenen oiel gu ßocß.
©ine Boßnung mit groei Heineren 3immern mit je einem genfter
ift unter 200 faum erhältlich, eine folthe mit gmei größeren
3immem, bereu eine Arbeiterfamilie oon feeßs köpfen minbeftenS
bebarf, fofiet oielfach 300 c 4t unb mehr, ©o roohnen ca. 12%
ber Münchener Arbeiter unb ber ihnen roirthfcfjaftlich gleicßgefteHten
Berufsarten in einer ben bpgienifchen unb fittlicßen Anforberungen
fciiteSroegS entfpreeßenben Beife. $)ie fanitären unb fittlichen ©es
fahren biefer ^uftänbe roerben nadjbriicflich ßeroorgeßoben. ^ie
gemeinnüßigen unb genoffenfchaftlichen Bemühungen haben ben
llebelftänben bisher nicht gu fteuern oermocht. $>ie ©emeinbc felbft
muß nun ßelfcnb unb föroernb eingreifen, foroohl aus ©rünben
ber öffentlichen ©efunbbeitSpflege als auch in ©igenfeßaft als ©roß*
Unternehmerin. D)er Bürgcrmeifter empfiehlt für ben Anfang gur
Bermittelung beS UebergangS bie ^erftettung einzelner Heiner
Käufer mit je brei ©toef werfen über bem ©rbgefcßoß unb groei
Bohnungen in jeber ©tage im gefcßloffenen Baufpftem unter AuS*
fcßluß oon Wücfgebäuben unb giügelbauten empfehlen. $>er ©runb*
riß berfelben ift fo gebacht, baß ein in ber SUtte groifeßen groei
Bohnungen gelegenes 3i^mer nach Belieben gu ber einen ober
anberen Bohnung gezogen unb, ba es eigenen AuSgang auf ben
Borplaß hat, als möblirteS 3rotmer an ein ober groei aHeinfteßenbe
£eute gleichen ©efchlechts mit ©enehmigung ber BereinSleitung
toeiter oermiethet roerben fann. 2)urcß biefe ©inrießtung roirb eS
möglich fein, baS ©cßlafiiellenroefen gu befämpfen, infofern anftatt
einer ©cßlafftelle ein reinliches, gut eingerichtetes 3^ m rr treten
mürbe. 3nt ©rbgefcßoß wären Löben für bie Bebürfniffe ber 3n*
mohner, eine Babeanftalt mit Braufen unb Bannen, eine Grippen*
anftalt, eine BolfSfücße unb eine Lefeßalle oorgufehen gür bie
äußere AuSftattung biefer Käufer müßten einfache, gefällige, jeboch
unter fich oerfeßiebene Bauformen gewählt werben, um bem ©angen
nicht ben ©harafter ber SJtietßfaferne aufguprägen. derartige
$äufer foll — unter ber oben angegebenen Beihülfe ber ©tabt*
gemeinbe — ein Berein bauen, in beffeti ©tatuten befonbereS ©C*
roicht barauf gelegt roirb, baß biejenigen, für roelche bie SBohnungen
errichtet roerben, BHteigenthümer roerben unb baher Jraft eigenen
Rechts unb nicht in golge beS SBohlroollenS ber befifcenben klaffen
ihre ^Bohnungen inne haben.
©täbtifcheS 9iegnlatio für Bergebnng ton Arbeiten an ÄrbeitS-
lofe in jDffenba<h a. SW. $)ur<h bie ©tabtoerorbnetenoerfammlung
*) Als Unterlage ber gcmetnbltchen Äftion bient eine treffliche
Arbeit beS Dr. Ä. ©inger, ©efretärS am ftatiftifeben Amt oon ÜDhüidjeit,
über bie 'Bohnungen ber SJHnberbemittelten in 3Künchen, eine
im Aufträge bes StagiftratsbireftoriumS herausgegebene 2)enffchrift
(Serlag ber 3- Biubaueridjcn Buchbanölung, 2Jtünchen). §ier roirb oon
funbiger .ftanb nicht nur ein Bilb beS Bohnungsclenbs ber Unbemittelt
ten in ber bapcrifchen .^auptftabt entworfen, fonbent cS roerben auch
Maßnahmen äur Serbefferung ber Serhältniffe oorgefchlagen. Beigefügt
ift ein reichhaltiges Material über ©chritte anberer ©täbte gur Hebung
ber Bohnungsnoth-
ift am 10. 9Rai ein Wegulatio angenommen roorben, baS großes
fogialpolitifchcS 3ntereffc bietet, ba cS thatfächlich eine Berficherung
gegen ArbeitSloftgleit barfteüt unb in einem mit ^autelen oert
fchenen Umfang ein offizielles Befchroerberecht bei Sohnbifferengen
ein führt. 3n Öffenbach roerben groar fchon längere 3^it erroerbs*
befchränHe ober geitroeife arbeitslofe ^ßerfonen gu ftäbtifdjen Ar*
beiten (©traftenreinigung, Äanalarbeiten ic.) benu^t bei einem ben
ortsüblichen iaglohn nicht erreiefjenben ßohnfah- Nunmehr aber fmb
hierfür 30 000 , // im ©tat beS Bauamts eingefteHt, bie möglicher*
weife noch überfchritten roerben. 3)aS Bauamt roirb fämmtli^en
©efueben um Befchäftigung ArbeitSlofer ftattgeben, fofern biefe ben
UnterftüßungSroohnfih haben. $>iefe Bebingung fchien erforberlich,
um gu oerhüten, bafj in Solge biefer (Einrichtung erroerbSbefchränfte
Berfonen h^r ben Unterftüßungsroohnfih erwerben, ißach §. 7
fteht ben ©ingefteUten roegen ber £>öhe beS Sohnes ein Befchroerbe*
recht gu an ben aus Bertretern ber Arbeiter* unb bürgerlichen
Bartei beftehenben BauauSfchufe. 5)aS Wegulatio hat wie man
uns fdjreibt, folgenben SBortlaut:
§. 1. ©efuche arbeitsfähiger, aber geitroeife arbettslofer foroie er*
roerbsbefchränfter B er fonen um oorübergeheube ober bauernbe Be*
fchäftigung bei ber ©tabt ftnb bei bem Bauamt angubringen.
§. 2. Bei ©tellung beS ©efudjs ift ber Nachweis gu erbringen,
baß ©efuchfteller in Dffenbach umerftü^ungSroohnü^berechtigt unb
arbeitslos ift. Birb biefer Nachweis nidjt erbracht, fo fann bas Bau*
amt bie Bfrfonaloerhältniffe auf oorgefdjriebenem gormular feftftellen
unb ermitteln Iaffeit, ob bie betreffenbe Berfon ben UnterftüfcungS-
roohnftfe in 0ffenbach hat, foroie welche ©rünbe baS ©cfuch oeranlaffen.
§. 3 ©ine Befchäftigung ooit B^rfonen, bie ben UntcrftiihungS*
roohnfip in Cffenbach nicht haben, barf aus ben für bie Befchäftigung
ArbeitSlofer oorgefehenen 80 000 M. nicht angeorbnet roerben. Auf bie
30 000 ji. bürfeu Arbeiten, welche als ooranfcfjtagSmäßige angufeljeit
fmb, nicht bcredjnet roerben.
§. 4. $)aS ©tabtbauamt roirb gunächft bie ArbeifSfähigfeÜ unb
*©igcnfchaft ber ©ingeftedten ermitteln unb biefelben ihren Kräften ent*
fprechenb befchäftigen.
§. 5. 'Sen ©ingefteKten roerben folgenbe Böhne bis auf BeitereS
geroährt: 1. ben großjährigen Arbeitsfähigen jeboch geitroeife Arbeits*
lofen, welche jür bie ihnen oom Bauamt guguroeifenben Arbeiten ge*
eignet ftnb, pro ©tunbe nicht unter 22 /^; 2. diejenigen, rocldjc für bie
ihnen gugeroiefenen Arbeiten nur mangelhaft geeignet finb, ben Btiitber*
jährigen foroie ben ©rroerbSbefdiräuften je nad) ber in ©emäßheit beS
§. 4 erfolgten ©infehäfcuna nach Hftaßgabc ihrer Beiftungcn pro ©tunbe
20, 18, 16 unb 14 Afinberjährige, foroie ooöftänbig arbeitsfähige
Icbige Bcrfonen foEen nur in befonberS bringenben gäEen Bcrücf*
fichtigung finben.
§. 6. Beträgt ber Berth ber Beiftungen weniger als 14 pro
©tunbe, fo hat baS Bauamt mit Begrünbung ber Deputation für bas
Ärntenroefen httroott Äenntniß gu geben, welche hernach Baaruttter*
ftüpuug eintreten laffen fann.
§. 7. ©egen bie ©infdjäpung in Bohnflaffen gemäß §. 5 B°f- -
unb §. 6 fteßt ber betreßenben Bfrfoit baS Befdjroeröeredjt an ben Bau*
ausfdjuß gu, roeldicr enbgültig cntfdjeibet.
§. 8. ®ie Anftettung oon Arbeitern, roeltfje bas Bauamt für
feine regelmäßigen Arbeiten benötßigt, roirb bureß biefe Beftimntungen
nidjt berührt.
.^öffentlich roirb nach ereigneter griff auch öffentlich amtlid)er
Bericht erftattet, roie bie neue ©inrichtung funftionirt. 5)a in ber
^hat hier ein neuer Berfuch norliegt, eine Befämpfung ber ArbeitS*
lofigfeit oon ©emeinberoegen burchgufüßren, oerbient ber Borgang
bie allgemeinfte Beacßtung unb, falls er fieß beroäßrt, Nachahmung.
AlterSoerforgung bon ©emeinbcbeamteit ist ©laSgow unb 2)art-
mouth- ^)er ©tabtratß oon ©laSgoro beabsichtigt, eine Friendly
Society für bie Bebicnftetcn ber ©tabt gu grünben. ©S roären bicS
6000 NHtglicber, gu beren Beiträgen bie Kommune aus ©igenem
fooicl jaßlen würbe, baß bie Niitglieber 60 unb bie ©tabt 40°/ 0 ber
©innahmen ber Friendly Society aufgubringen hatten. Auf biefe
BSeifc rourbc ein hinreießenber B^nfionSfonbS gefeßaffen roerben,
um 150 Beamten eine wöchentliche Bcnfion oon V ‘2 bis 1 £ ae*
roäßrcn gu fönnen. — $>er ©tabtratß oon 2)artmouth hat oc*
fcßloffcn, alten ftäbtifeßen Arbeitern, bie nießt meßr arbeitsfähig
fmb, eine roocßcntlicßc B^afion oon 2 sh 6 d gu begaßlen.
^rbeiterberoegung.
Betrachtungen über bie bieSj[ährtgen Lohnbewegungen
im ©chneibergewerbe.
3n ber ©efeßiehte ber fogialen Kämpfe 2)eutfcßIanbS war nodj
feine ArbeitSeinftettung gu oergeicßiten, bie in gleidßer Beife baS
öffentliche Sntereffe erregte, roie ber ©treif ber ÄonfcftionSarbeiter
im gebruar 1896. Nocß nie hatten fid) in 2)eutfcßlanb bie öffent*
Soziale ©rajis. Sentralblatt für ©ojxalpolttü. Ar. 35.
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licpe Meinung, bie ©reffe aller Parteien, mit AuSnapmc ber „Haut 5
burger Aacpricpten" unb ber „Aorbbeutfcpen Allgemeinen 3 e itung",
fo rüdpaliloS auf Seite ber Arbeiter geftellt, roie in bem bamaligen
Kampfe, ber in allen gefitteten Streifen als eine $htlturberoegung
erften langes betrautet mürbe unb im SReicpStage ju ben benf*
mürbigen ©erpanblungen oont 12. gebruar 1896 führte.
gn ber ©efprecpttng ber nationalliberalen gnterpettaüon mürbe
non ben SRebnern aller Parteien anerfannt, bap fcproere ©Üpitänbe
in berStonfeftionSinbuftrie beftepen, bie einer balbigen unb grünblicpen
Abpiilfe bebürften. der gnterpellant Abgeorbneter greipcrr o. §epl
fpracfj fid) babin aus: „©Bcnn fid) in itnferer ©efeüfcpaftsorbnung
folcpe ©iipftänbe jeigen, fo ftnb nach meinem Ermeffen diejenigen,
roeldje bie jepige ©efeilfcpafisorbnung für eine richtige halten unb
aufrecht erhalten motten, oerpflicptet, gegen berartige ©Ripftänbe
energifcp aufsutreten." Er glaubte, bap nicht nochmals eine En*
quete in biefer Sache erforbertid; fei, foitbern mar im ©egentpeil
ber Anfiept, „bap, roenn man bie Enquete oom gapre 1887 genau
unb grünblid) burchfiebt, man su ber ileberjeugung fomrnen mup,
bap eine fofortige gefepgeberifcpe |)ilfe nothroenbig ift",
Staatsfefretär oon ©öttidjer äuperte fich bamals jur ©eant*
mortung ber Interpellation, bap er oollfommen auf bem ©oben
ftelje, auf ben fich bw H crr Interpellant geftellt hatte. „gcp halte
bafür," fo erflärte $err oon ©ötticper roeiter, „bap er ben ginger
in eine ber fchlimmften ©Bunben unfereS roirtpfcpaftlicpen SebenS
gelegt hat, unb ich halte ferner bafür, bap eS nicht allein Aufgabe
ber ^Regierungen unb ©olfSoertretungen, fonbern oielmehr aller
©aterlanbsfreunbe ift, bahin su ftreben, bap ber ^rebsfcpaben, ber
auf biefem ©ebiete beftept, aus ber ©Belt gefcpafft mirb. ... So
grop bie Schmierigfeiten fein mögen, fie müffen überrounben roerben,"
unb er „glaube, für fämmtlicpe oerbünbeten ^Regierungen oerfichern
SU fönnen, bap fie bemüht fein merben, unb s^ar eifrig bemüht,
an ber H e &ung ber ferneren ©Ripftänbe, bie auf biefem ©ebiet
oorliegen, mitsuroirfen".
©Ran fieht, bap an ©erfprecpungen bamals baS ©Röglicpfte
geleiftet mürbe. ©Ber bamals, roie ber fo^ialbemofratifdje Abge*
orbnete gifcper, noch smeifclte an ber durcpfüpruitg beS ©er*
fprocpenen, mürbe umoittig abgetrumpft, gn ber ©reffe piep es
S- ©., bap „Herr gifcper in feiner oon ©epäffigfeit unb §eperei
erfüllten SRebe offen ben Aeib unb baS Unbehagen oerrietp, bap
bie bürgerlichen ftlaffen fich ber Aotpleibenben fo roarrn angenommen
hätten". Als ber StonfeftionSarbeiterftred überall fcpitell beenbet
mürbe unb hinterher bie reichen ^onfeftionäre treulos bie einge*
gangeuen Vergleiche brachen, ba mürbe allgemein um fo fdjnettere
Hilfe burep bie ©efepgebung oerlangt, ©lätter aller ©arteien
roaren entrüftet über baS ©erhalten ber ftonfeftionäre; fie forberten
bie roeitgehenbften ©Rittei jum Scpupe ber pilflofen Arbeiter.
diefe Vorgänge mü|fen immer roieber in baS ©ebäcptnip
Suriicfgerufen merben, um baS „im Sanb ©erlaufen" ber bamals
angefünbigten roeitgepenben Reformen mürbigen su fönnen.
die oon ber ©teicpsfommiffion für Slrbeiterftatiftif oeranflalteten
eingepcnben Ermittelungen über bie ArbeitSoerpältniffe in ber
Kleiber* unb ©Bäfdjefonfeftion beftätigten oollauf, bap fraffe ©Rip*
ftänbe beftepen. Sille aucp nur einigermapen geeigneten ©orfcpläge
Su einem erfolgreichen gefepgeberifdjen Eingreifen mürben Ieiber
fcpon in ber Slommiffion für Arbeiterftatiftif abgelepnt der bem
SRekpStag im grüpjapr 1897 sugegangene ©efepentrourf blieb meit
hinter ben ©orfcplägen ^urücf, roelcpe bie ©lationalliberalen gleicp*
Seitig mit ber gnterpettaüon ipreS graftiouSgenoffen gretperrn
o. §epl am 12. gebruar 1896 im $Reid)Stage einbracpten, nocp oiel
meiter blieben fie aber surücf hinter ben berechtigten gorberungen
ber beS ScpupeS fo bebürftigen Arbeiterfcpaft.
der bamalige Entmurf fant megen beS Schluffes ber Seffion
nicht iux Erlebigung. „V3ir finb peffimiftifd) genug", fo fctirieb
icp bamals in biefen ©lättern („Sosiale ©rafis" 1897 $r. 36),
„ansunepinen, bap im SRooember ober desember biefcS gapreS,
roenn ber SReicpStag su neuer Seffion fid) oerfammelt, felbft biefe
©eftimmungen ooin ©unbeSratpStifcpe aus als oiel su meit gepenbe
Eingriffe erad)tet merben fönnen." Es mar aber nocp ein s u
groper Optimismus, ansunepnien, bap fcpon im ??ooember ober
desember 1897 eine neue ©efepesuorlage bem 9teid)Stage sugepen
mürbe, ein Optimismus, ber oiellcid)t baburep entfcpnlbbar mirb,
bap man fd)ort patte böfen ©Villen ooransfepen müffen, um oon
oornperein ber ^Regierung, nad)bent fie burep ipre Vertreter in
binbenber gorm eine Diitroirfunq an ber ©efeitigung ber fepmeren
Vhpftänbe oerfprodjen, eine Verfdjleppung ber fo bringenben Vlu*
gelegen peit susumutpen.
s 3^un, bie erneute Einbringung einer Vorlage sum Sdjnpe ber
MonfeftionSarbeiter pat länger gebauert, als angenommen merben
mupte, unb burep baS ©Sorten ift fie niept beffer gemorben. Sie
fonnte niept beffer merben roeü niept mepr ber ernftpafte V^ille
oorpanben ift, bte beftepenben Vtipftänbe su befeitigen. die gefep*
gebenben gaftoren paben fid), mie eS ja in ben ©Jotioeit s u *
gegeben mirb, mit bem „©eroupifein" begnügt, baS gprige getpan
SU paben, „um in ben ©rensen beS äRöglicpen bem ©hpftanb ein
giel su fepen".
die ©orfcpläge felbft paben in biefen ©lättern (SRr. 26 unb
27) oon 51lfreb ©eher eine fo treffenbe ^titif erfahren, bap eS fid)
erübrigt, näper barauf einsugepen. gnbem icp biefer Äritif unb
ben ©orfcplägen, bie Sllfreb Söeber maept, im Allgemeinen ooll
beipflid)te, mup icp nur in bem ©unfte roiberfpreepen, bap ©kber
bie gefepgeberifcpeit Eingriffe auf beftimmte ©auSinbuftrien be*
fepränfen miß. ©ian mürbe hierbei in ben bebenflicpen fjepler
geratpen, bap bie ilebelftänbe ber Heimarbeit s^ar in ber einen
gnbuftrie eingebämmt, bagegen auf eine anbere ©ranepe fort*
gepflanzt merben. ©Ser bie fprungpafte Entmicfelung geioiffer
HauSinbuftrien oerfolgte, mirb biefem Einroanb feine ©ereeptigung
niept abfpreepen fönnen. Aber felbft auf biefe ©efapr pin ftimme
icp aucp ^ er & cn ©orfcplägen ©3eberS inforoeit bei, bap man lieber
in einseinen ©ranepen grünblicp mit ben beftepenben fraffen 9Kip*
ftänben aufräumen foHte, als unter bem ©amen Scpupgefepgebung
blope fansleiarbeit su liefern, bie für bie ©rafiS pro nihilo ift.
5Sie bie dinge gegenmärtig liegen, paben mir uns mit ber
dpatfaepe absufinbeit, bap ber fosialpolitifcpe SSeitblicf, unb roaS
nocp fcplimmer ift, ber gute ©Bitte feplt, gefepgeberifcp ben Uebeln
ber entfepieben auf ben Seib s u rüden, die Arbeiter
finb oorerft oottftänbig auf fiep angemiefen, ben fampf für beffere
3uftänbe s u füpren. die oielfacpen Oopnbemegungen, bie in
biefem grüpjapr im Scpneibergeroerbe ftattfanben, patten biefen
3med. greilicp roaren es peuer pauptfäcplicp bie ©fapfepneiber,
bte beffere ©erpältniffe anftrebten.
diefe Arbeiterfcpicpt ift fosial etioaS beffer geftellt als ipre
fottegen in ber fonfeftion; aber aucp bie ÜRapfcpneiber (eiben
feproer unter ben Uebeln ber oorroiegenben pauSinbuftrietten ©etriebS*
form. diefeS Entpfinben ift niept bloS bei ben Arbeitern oor*
panben: es mirb oielfacp aucp oon ben teepnifepen Seifern ber
©ranepe, ben 3uf<pneibern, unummunben anerfannt. gn 5
beS gacpblatteS: „der beutfepe 3ufcpneiber" äupern ftep meprere
biefer gacpleute su ber grage. der* eine fepreibt: „gft ber An*
fturm aus bem ©ros ber Scpneiber, in eine gufepneiberftettung su
gelangen, burep ©efeitigung ber H au Sarbeit, Einführung oon
©etriebSroerfftätten unb auSfömmlidpen ßopn bei mäpiger ArbeitS*
eit erft gepöben, bann merben aucp mir rupiger unb erfolgreicher
ür ©efferung unferer Sage, foroie beS gansen ©efepäfis unb
Hebung unfereS Ieiber fo fepr peruntergefommenen H an ^ ,ücr ^
arbeiten fönnen. ©ept es bem Arbeiter im ©tapgefepäft jept oiel*
leitpt beffer, als bem SJonfeftionSfcpneiber? 3Rit niepten! gn ber
Saifon übermäpige Arbeitzeit, Attfpannung aller Mräfte unb
£enntniffe bis sum Aeuperften unb in ber füllen 3^it, bie beinape
fo lang ift mie bie gute, Arbeitsmangel unb barauS entfpringenben
datteS sunt Erbarmen."
Ein anberer 3ufcpneiber fepreibt: „tlnfere Aufgabe mupte oor
Allem fein, barauf su palten, bap mieber ©Berfftätten eingefüprt
merben, bie augenblidlicp immer mepr oerftpminben ... Es ift
Sacpe beS 3ufcpnetberS, ben Epef auf bie Vorteile ber Söerfftatt
unb bie ©aeptpeile ber Arbeit auper bem H au fe aufmerffam s u
maepen. Einmenbungen maepen manepe EpefS megen ber ©lap*
frage, fie finb in ben meiften gälten niept fticbpaltig, benn eS ift
nid)t fcplititm, mettn aucp ein beffereS Sofa! su ©Berfftatt oermenbet
mirb."
©ei Einleitung ber Erhebungen über bie ©erpältniffe in ber
Kleiber* unb ©Bäfdjefonfeftion beantragte ©erfaffer biefeS, aucp ba*
©tapgefepäft in bie ünterfuepung ber ©tipftänbe einsubesiepen. 1 )
gebentafls unter bem Einbrud, bap fepmere ©iipftänbe nur in ber
ftonfeftionSinbuftrie ansutreffen finb, lepnte aber bie Slommiffion
in iprer ©teprpeit eine Ünterfuepung ber ©erpältniffe in ber ©tap*
brattepe ab. 2Bie Unrecpt fie bamit patte, bemiefen u. a. bie
jüngften Erhebungen ber barjerifepen gabrifinfpeftoren über ba*
Scpneibergeroerbe. diefe Unterfucpungen finb übrigens ein neuer*
lid)er ©elag, menn es überhaupt nocp eines folcpen bebürfte, ba*
für, bap niept blop einseine ©ranepen, fonbern baS gefamntte
©ebiet ber pauSinbuftrietten ©etpätigung einer roeitgepenben gefep*
lidjcn Regelung bebarf. ES ift im Stapnten biefer ©efpreepung
Ieiber niept möglich, bi e intereffanten Erhebungen eingepettb su
M drurf[ad)cu ber Mommiffton für ArDeiterftatiftif. ©erpanbluuqcit
Ar. 9 3. 11 .
953
©ogtale $rajt8. Eentralblatt für ©ogtalpolitil. 9fcr. 35.
954
würbigen. 3Öer ber fogialen Xriebfeber ber ßobnfämpfe in bec
©cbneiberei näher nadjgeben will, fei auf biefe unb ähnliche Unter*
fucbungen 2 ) ^ingeroiefert.
Der Sabrifen* unb ©ewerbe * 3nfpeftor §crr $farl ißocUat^
in SHünchen, fd)rcibt am ©cblufe feiner Einleitung, bie auf ©runb
ber Eingelbericbte oerfa&t ift: „Safet man baS Ergebnis ber Er*
hebungen furg gufammen, fo ftnb bie Regelung ber Sohnoerhält*
niffe unb ber Arbeitszeiten, bie Reform beS ßebrlingSwefenS unb
bie §erftellung oon BetriebSwerfftätten biejenigen $unfte, welche
behufs Berbefferung ber ßlrbeitemerf»ältniffe im ©ebneibergewerbe
oor Sittern Berücfficbtigung oerlangen." Diefe Auffaffung beeft
fief) mit ben Sorberungen, welche bie organifirten Arbeiter erbeben.
Der im Auguft porigen 3abreS in Biannbeim tagenbe Allgemeine
beutfebe ©djneiber* unb ©ebneiberinnenfongrefj oerpfliebtete bie
©ebnetber unb Näherinnen erneut, mit allen ihnen gu ©ebote
ftebenben Mitteln für bie Befeitigung ber Heimarbeit unb Erricb*
iung oon BetriebSwerfftätten feitenS ber Unternehmer, foroie für
Einführung fetter ßobntarife gu wirfen.
Die Sohnbewegungen in biefem Qafytt batten nun ben 3mü,
einen Dheil ber aufgeftettten Sorberungen gu oerwirflicben. Am
umfangreiebften roaren bie ©treifs in Hamburg, Seipgig unb
SRüncben; aufeerbem fanben noch Sohnbewegungen ftatt in Nlagbe*
bürg, Berlin, Hagen, H e 'fbronn, $iel, BMeSbaben, Halberftabt,
Bremen, Bielefelb unb einigen anberen Orten.
Am bartnärfigften oerliefen bie AuSftänbe in Seipgig unb
Hamburg. 3a Scipjig batten bie Arbeiter im Borjabre einige
Berbefferungen erfämpft, oie im SBefentlicben in einer mäßigen
ßobnerböbung bureb Einführung eines gweiflaffigen, genau
fpegialifirten DarifeS unb tbeilroeifen Einführung oon Betriebs*
roerfftätten beftanben. Die Arbeitgeber oerfuebten nun in biefem
Sabre, ben gweiflaffigen bureb einen bebeutenb niebrigeren brei*
flaffigen Sobntarif gu erfefcen, ein Borgeben, welchem bie Arbeiter
mit einer entliehenen Abwehr begegnet finb. Das Nefultat ber
Hamburger Bewegung mar eine allgemeine Erhöhung ber©tücf*
löhne unb beffere Begabung ber Extraarbeiten. Die Säuberung
ber Errichtung oon BetriebSwerfftätten war ebenfalls mit geftettt;
fie fonnte aber nach Sage ber ©acbe nicht in ben Borbergrunb
gerüdft werben.
3n München batten bie organifirten ©ebneiber ein ootteS
3abr planmäßig für bie Erreichung befferer Sofjn* unb ArbeitS*
bebingungen oorgearbeitet. S3ei Ausbruch ber Sohnbewegung würbe
baS ^ubiifum bureb gwei Slugblätter, bie in einer Auflage oon
75000 Exemplaren gur Bertheilung gelangten, mit ben im ©ebneiber*
ewerbe unb namentlich in ber HaaSinbuftrie beftebenben Ber*
ältniffen befannt gemacht unb für bie Bewegung intereffirt. Diefe
Slugblätter batten eine febr' günftige SBirfung unb oeranlafeten
eine Anzahl ©efhäfte, BetriebSwerfftätten einguriebten begiebungS*
weif? bie beftebenben gu oerbeffern. Unter bem Drucf ber öffent*
lieben Meinung entfhloffen ficb elf ber größten ©efebäfte gur Er*
ridjtuncj folcfjcr SBerfftätten.
Dte Sohnbewegungen in ben übrigen Orten DeutfcblanbS
waren weniger umfangreich unb würben tbeilS nur partiell gegen
eingelne ©efebäfte geführt. Sn Bremen unb einigen anberen Orten,
wo bie Vertreter ber Arbeitgeber mit ben Sobnfommifponen ber
Arbeiter oerbanbelten, würbe in einigen Dagen ein beibe Xbeile
befriebigenbeS Nefultat ergielt.
Saffen wir baS ©efammtergebnife ber bieSjäbrigen Sobnbe*
wegungen in ber ©cbneiberei gufammen, fo fann man feftftetten,
bafc faft überall mäßige Sobnerböbungen erreicht würben. 2Seld)en
SSertb biefe Bortbeile inbefe in einer Branche mit oorwiegenb
bauSinbuftrietter Betriebsweife für bie Dauer haben, bebarf für
ben Kenner ber Berbältmffe feiner befonberen Erläuterung. Sft
bie furge ©aifon in ber ©cbneiberei oerftricben unb macht fich erft
baS Ueberangebot oon ArbeitSfräften wieber geltenb, fo erfolgen
Abgüge, benen wirffam nur erft wieber in ber flottgebenben ©e*
fhäfteperiobe begegnet werben fann. ©aifonbraneben mit HauS*
infcmftrie finb eben baS größte Htu^utfe für ftabile Arbeitsoer*
bältniffe. Die organifirten Arbeiter finb ficb beShalb auch barüber
flar, ba& ohne Einbämmung ber Hausarbeit feine ge*
regelten ArbeitSoerbältniffe, feine Berfürgung ber
ArbeitSgeit, feine wefentließe Hebung ber Sage ihrer
2 ) Die 2>abreSbericbte ber königlich batjerifeben Sabrtfen* unb
^emerbc^nfpeftorcn für bas Jahr 1898. — ©uftao Hcrgbera: 2)aS
©ebneibergewerbe in München. — Dr. Auguft SSinter: ^aS ©ebneiber®
gewerbe in Breslau. - ©uftao 2?tai)er: Äonfeftion unb ©ebneibergewerbe
in Breslau. — 3ur Sage bcr Arbeiter im ©ebueiber* unb ©hub*
macbergewerbe in Sranffurt a. 9K. ©ebriften beS freien beutfeben
HoebftiftS.
BerufSgenoffen ^lab greifen fann. ©ie finb ficb aber auch ber
©cbmierigfeiten bewufet, bie ihnen entgegen fteben. ®ie ßobn s
Bewegungen in biefem 3ab* geigen wieber, wie aufterorbentücb
febwer es ift, praftifebe Bortbeile in Begug auf Einführung oon
BetriebSmerfftätten gu ergielen.
Grifft baS febon gu für bie immerhin noch beffer geteilten
Arbeiter ber Biaafjfcbneiberei, um fo mehr für bie äu&erft fcblecbt
geftettten Arbeiter ber ^onfeftion. S^ili^)/ wo bi e ©efebgebung
in ber Hulfeleiftung ooÜftänbig oerfagt, ba bleibt oorerft fein
anberer SSeg als bie gemerffcbaftlicbe ©elbftbülfe, fo wenig Bor*
tbeile fie auch bei ber ©cbmierigfeit, bie Heimarbeiter gu organifiren,
gunäcbft Bringen mag. Um wenigftenS auf biefem ©ebiete erfolg*
reich Befferung gu fchaffen, feblägt Brofeffor ßujo Brentano oor,
bie H e imarbeiter gwangSweife gu organifiren, ein Borfcblag, ber
oon ber amtlichen „Berliner S?orrefponbeng" mit „fogialpolitifcber
Dilettantismus" gefenngeiebnet wirb. Blan mufe ficb auch hierbei
immer wieber fragen, was bat benn biefelbe Breffe, bie jept mit
Behagen folcbe Urteile naebbrueft, 1896 barunter oerftanben, wenn
fie oerlangte, „ba& ber ©taat felbftoerftänblicb nicht gleichgültig
anfeben fann, wenn eine Hanboott@ro&fonfeftionäre grofee, abhängige
Arbeitermaffen bureb s l)U6braucb ihrer Eapitalmacbt in S^olb unb
Elenb ftürgte", ober wenn „bie Angelegenheit wieberum bringenb
ber Aufmerffamfeit beS BolfeS unb ber tnafjgebenben Greife
empfohlen würbe", unb fo fort?
ES oerftebt ficb oon felbft, ba& in einer 3 e 'h mo bas Be*
ftreben mafegebenber Greife auf bie Einbämmung ber Arbeiter*
organifationen gerichtet ift, nicht gu erwarten ftebt, ba& bie Or*
aanifation gefefciieb geförbert werben wirb. Ebenfo ftebt aber auch
feft, bafe bureb bie $icbtgewäbrung jebweben ernftbaften gefehlten
©ebufeeS ähnlichen Äataftropben wie im Sabre 1896 bie Bahn frei
gemacht wirb. Die Beantwortung hierfür haben bann bie gu
tragen, welche nur f<höne SBorte geben, aber feine entfpreebenben
Dboten folgen laffen.
Btüncben. SabanneS Dimm.
Der gehtite internationale Bergarbeiterfongre§ f ber in ber
Bfingftwocbe in Brüffel tagte, war oon 47 Delegiiten befebieft, bie
1 433 000 Bergarbeiter oertraten. Englanb allein batte oon biefen
47 Detegirten 32 entfanbt,' bie im tarnen oon 670 WO Arbeitern
ftimmten, auf Belgien mit 125 000 Bergarbeitern entfielen 7 Dele*
girte, aus Srunfreicb waren 4 mit 152 000 ©timmen, aus Deutfcb»
lanb 2 mit 350 000 ©timmen unb aus Defterreich ebenfalls 2 mit
140 000 ©timmen erfebienen. Ueber bie Berbanblungen wirb uns
aus Brüffel gefebrieben: Die oon englifeber ©eite oorgefdjlagene
Sorberung einer gefeblicben Einführung beS Acbtftunben-
tageS in ben oerfebiebenen ßänbern würbe mit allen gegen 30 000
©timmen, über welche bie beiben Delegirten aus SRortbumberlanb
oerfügten, angenommen. Ein öfterreicf)if<her 3ufafcantrag, biefe
Sorberung aud) auf bie an ber Oberfläche befhäftigten Bergarbeiter
auSgubebnen, würbe einftimmig genehmigt. 3« ber Debatte waren
bie Ausführungen beS Delegirten H arDe 9 ail 3 Derbpfbire oon
Sntereffe, ber mittbeilte, ba§ oon 750 000 englifchen Bergarbeiteru
fidE) bei einer Abstimmung ungefähr 600000 für bie gefeplicbe
Einführung beS AcbtftunbentageS auSgefprochen halten, ©egenüber
ben extremen Drabe*Unioniften, bie jebe ©taatSeinmifcbung ab*
lehnten, wies er auf ben großen oorfährigen 9Rafd)inenbauerftreif
bin, wo eS trofc ber oorgüglicben Drganifation nicht geglüeft fei,
bie Sorberung beS AcbtftunbentageS burebgufefcen. Beim gweiten
$unft ber ^ongrefeorbnung würbe eine Befolution ber „Miners
Federation^ 4 einftimmig angenommen; banacb fotten für alle in
ben Bhnen oorfommenoen Unfällen bie Arbeitgeber allein ent*
fd)äbigungSpfliehtig fein unb bie Bergarbeiter feinem ©efefce
guftimmen, baS ben Arbeitgebern erlaubt, bureb befonbere Sfontrafte
mit ben Arbeitern ficb biefen Berpflicbtungen gu entgieben. Be*
merfenSwertb war baS faft allgemein febr günftige Urtbeil, baS
bie englifhen Delegirten über bie bisherige BMrffamfeit ihres
neuen UnfattoerficberungSgcfepeS abgaben. Abraham (2£aleS) theilte
mit, bafe bei 99 % aller Unfälle bie Entfdjäbigung an bie Arbeiter
auSgegablt würbe, ohne baf; eine gerichtliche Unterfucbung über
bie etwaige ©ebulb beS Arbeiters oom Unternehmer geförbert
worben wäre, fßarrot (S)orffbire) bemängelte, bafe baS ©efep nur
für bie Unfälle wäbrenb ber ArbeitStbätigfeit felbft Entfcbäbigungen
gewähre unb nicht für ben Aufenthalt in ben Blinen überhaupt
gelte. Auch frangöfifdjen Delegirten erfennen an, bafc baS guui
1. 3«li in Sfraft tretenbe ©efefe eine bebeutenbe Berbcfferung in
ber Sage ber frangöfifchen Bergarbeiter herbeiführe. Die belgifchen
Delegirten fonftatirten, ba& ihr ßanb ber einzige Snbuftrieftaat
fei, ber noch feine llnfattoerficherung befäfee; fie fritifirten ferner
955
©ojiale $rajt$. Eentralblatt für ©ojialpolitif. Ar. 35.
956
ben Entrourf, bcr ber Kammer oorliegt, aber gar feine Ausfid)t
bat, in einer irgenbroie abfebbaren 3 ß ü aur Berhanblung ju
fommen. Der brüte fßunft, ber jur DiSfuffion ftanb, bie (Sin*=
fübrung eines gefcßlidjen ©ubmiffionSroefenS in ben oer®
fdjiebenen Sänbern, mürbe einftimmig angenommen, nur bie Bcr®
trcter non Aorthumberlanb enthielten ficf) bcr Stimme, nadjbcm fic
bie Berfdjicbenheit ber Berhältniffc in ben oerfchiebenen Diftriften
betont unb erflärt Ratten, bie ©eroerfoereine bitten biefe Forderung
lofal burd) 3 ufeßen. Die bi^rauf 3 ur DiSfuffion gefleHie Aefolutiort
ber ..Miners Federation 14 , baß ber Staat in aßen Säubern eine
öffentli(b*recbtHd)e unb anSreichenbe Alters® unb SnoalibitätS®
oerforgung eingufübren höbe, mürbe ebenfalls einftimmig ange®
nommen. ferner f am au f belgifchen Eintrag bie Streitfrage
*u Berhanblung unb man befchloß, daß bie oerfchiebenen nationalen
Ausflüge ber Bergarbeiter ficf) fünft ; g nicht nur über bie
Ergcbniffe ber Streifs in ihren Qänbern aufflären, fonbern audb
bei ber Eröffnung oon AuSftänbcn in Bemäntlungen mit einanber
treten foflen. Die Srage ber Begulirung ber Sßrobuftion
mürbe bis gum nädjften Kongreß oertagt, hoch fprad) man fi(b
bereits jeßt im ^rinjip einftimmig bafür aus.
Der erfte Kongreß djriftlidjer @et»ertf4aften, ber oon fatho®
lifdjer Seite einberufen mar, h a * S 11 Bftngften in Bfain 3 getagt.
Wit bcacbtenSroertber Schärfe fpracb fich biefer Kongreß für inter®
fonfeffioneffe unb polüifd) unparteiifebe ©emerffdjaften fomie gegen
jebe Befchränfung ber beftebenben Koalitionsfreiheit ber Arbeiter
unb für bie Aufhebung ber bie Koalitionsfreiheit noch befdjränfen®
ben oereinSgefefclicben Beftimmungen fomie für bie gefeßlidje An®
erfennung ber BerufSoereine aus. Es hotten ftd) 30 Delegirte
auS Aorbbeutfcßlanb unb 18 aus Sübbeutfdjlanb eingefunben, bie
37 ftimmbereebtigte El eroerff chaften, 0fachoereine unb Jachfeftionen
oertraten. Solgenbe ßeitfäße gelangten gur Einnahme:
1 . Die djriftlidjcn ©eroerfuereine finb interfonfefftoneU itttb poliüfd)
unparteüfeh. 2 . (5S ift bie Bereinigung gleichartiger ©eroerfoercine in
Eentraloerbänbe behufs befferer Durchführung bcr uorgefteeften 3tele 311
erftreben. 3. Die Aufgabe ber chriftlicfjen ©eroerfuereine befiehl in ber
mirtbl’chaftlichen, geiftigen unb flttlic^cn Hebung bes ArbeiterftanbeS.
Diefclbe ift 31 t erftreben burefj: a) Durchführung ber beftebenben gefeß®
liehen Beftimmungen unb ftörberung bes meiteren Ausbaues ber Sfr®
bcitergcfefcgebung; b) burch genoffenfchaftlichc Selbfthülfc (Ergätt 3 ung
ber Arbeiferuerfrcbcriing burch llntcrftiißuugS® :c. Kaffen) :c.: c) Siche®
rung ber Bedjte unb Freiheit bes Arbeiters beim Abftfjluffe bes ArbeitS®
oertrageS. 4. Die gefammtc Dljätigteit bcr dn'iftlichen ©eroerfoercine ift
getragen oon ber Anerfcnuung gleicher beiberfeitiger Rechte unb Bfüthten
oon Arbeitern unb Arbeitgebern. Arbeit unb Kapital finb bie auf®
einanber angemiefenen gaftoren ber ^robuftion.
^eroorgeboben mürbe, baß Unternehmer unb Arbeiter gemein®
fame Sntereffen hätten, unb bah Streifs nur als leßteS Mittel unb
roettn erfolgoerbeißend angemanbt toerben bürften. Als An®
erfennung ber roirthfchaftlichen ©leidbberedjtigung ber Arbeiter mit
bett Arbeitgebern mürbe bie oon ber Mehrheit beS AeidjStagS
jüugft befürmortete Schaffung oon ArbeitSfammerit begrübt unb
in bcr Dfjätigfeit ber Arbeitsfammern ein mertboolleS Mittel 3 um
Ausgleich ber fo 3 ialcn ©egen f äße erblidft.
Kongreß ber Etmngeliftbcn Arbetterfceretne itt Altona« Am
23. unb 24. 3Rai hült ber ©efammtoerbanb ber Eoangelifcßen
Arbeiteroereine, unter Borfiß oon Pfarrer Bieber, in Altona feine
Delegirtenoerfammluna ab. Der Berbanb 3 ählt jefet in 359 Ber®
eine etroa 70 000 IRitglicberu, aHerbittgS nidjt nur Arbeiter, foitberit
aud) Bkrffüljrer, .^anbmerfSmeifter, Lehrer, Eieiftlidjc. 3u bem
Jahresbericht mürbe benmrgcbobett, baß Staatsfefretär E)raf 'pofa®
doroSft) anläßlich ber (Eingabe um ein Bcichs®B*ohnungSgefeß er®
öffnet habe, es gehöre nicht 31 t ben Unmöglidjfeiten, einen ÄeidjS®
frebit für biefen ^jmeef 3 U getoöbren. (Sollte fü ßr nicht ein Btiß®
oerftänbniß oorliegett? Die Beb.) Der Berbanb ift ferner für
Arbeitsfammern unb für obligatorifchc EinigungSämter eingetreten.
Die Referate beS KongreffeS über bie fo^iale Bebeutung ber alt®
teftamentlidien Propheten unb bie römifd)®fatbolifcheu iRämierorbeit
laffeu mir bei Seite, ba fie mit ber Arbeiterbemegung nid)ts 311
frbaffen haben; bcbauerlid) erfcheint uns babei bie auch fouft mehr®
fach S» ^ a 9 e tretenbe fdjarfc fonfeffiotteflc ^olemif, bie ein 3 u s
fantmenmirfen ber ohnehin nod) fdjmachen d)riftlichcit Arbeiter®
organifationen oerhinbert. Auf Antrag Pfarrer Naumanns be®
fantite fich bie Berfammluug nahezu einftimmig 311 bem Olrunbfah,
„baf? bie eoangelifdjcn Arbeiteroereinc nid)t blofs rcligiöfen, fonbern
ebeufo Rialen (iharnfter hoben", mas eigentlid) f elb f t ü er ft ä n b li cf)
fein füllte, aber burch bie eigenartige Haltung ber rheinifd)®mcft®
fälifd)cn Bereine oeranlaht mürbe. Das lepte Referat am erften
läge hotte Boftor Dhimm®Steitin über bas Dhenia „ s Bie erhalten
mir bas Vcbeit in uttferen Bereuten frifd)?" Beichtiger mar am
folgenben Dage eine ^roteftrefolution gegen bie fog. „3u<hthauS®
oorlage"; eS roirb in ihr 3 roar jeber DerroriSmuS oon Arbeit®
gebern mie oon Arbeitern oerurtheilt, aber hin^ugefügt, bafe bie
Berfammlung — aüerbingS nicht ohne B£iberfpru<h unter ^öhrutig
beS Abgeorbneten ßranfen, mährenb Stöcfer entfehicben für bie
Stefolution eintrat — bie beftebenben Beftimmungen ber ©eroerbe®
Drbnung, befonberS im §. 153, fomie beS StrafgefefcbucheS für
ooÖftänbig geitügenb unb bei gleichmäßiger Aumetibung nach beiben
Seiten angettteffen holt unb in ihrer Berfchärfung ober in einem
eigens h^o beftimmten neuen $efefc eine bebenflid)e ÜBebrohung
ber freiheitlichen Rechte ber Arbeiter unb eine ©efahr für unfer
Bolfsleben erblicft." Ueber bie Errichtung oon Arbeitsfammern
hielt $jrof. ^>üpebcn®Eaffel einen trefflichen Bortrag; ber Delegirtentag
„begrüßte bie auf Errichtung ber Arbeitsfammern gerichteten An®
träge ber Abgeordneten |)iße unb 0 . §epl als einen ernften Ber®
fuch, bie Srage einer getneinfamen, ber Berftänbigung bienenben
unb nad) Berufen geglieberten Drganifation ber Arbeiter unb
Arbeitgeber ber ßöfung näher gu bringen." Heber bie Biißftänbe
bei ber jeßigen Berroaltung ber Drtsfranfenfaffen referirte ^aftor
©ünther (Breslau). Die BHßftänbe beftehen nach ihm barin, baß
über bie freien fmlfSfaffeu nidjt genügende Aufficßt geübt merbe, unb
baß fie oft oon fo 3 iaIbeuiofratifcheu Agitatoren geleitet merben. Die
DrtSfranfenfaffen füllten oeraflgemeinert, bie ^iilfsfranfenfaffen auf®
gehoben unb als fieiter oereibete Beamte angeftellt roerden, bie
politifcher Agitation fernftehen. — Die Angelegenheit foü auf ber
nächften Berfammlung roeiter befprochen merben.
Der Berbanb ber fatholifihen ArbeiterPereiue in @ftbbeutfd|(anb
umfaßt gegenroärtig 281 Bereine mit 46 535 orbentlidjen 8 Kit.
gliebern gegen 223 Bereine mit 40 456 Btitgliebern im Borjahre.
Die nidjt 3 utn eigentlichen Arbeüerftanbe gehörigen 6184 außer®
orbentlichen BHtglieber finb herbei nicht tnitge^ähit. Rechnet man
bie Bereine in Elfaß unb in Reffen noch ^ a 3 U, melche in eigenen
Berbänben organifirt finb, fo ergiebt fich für bie fatholifchen
Arbeiteroereine SübbeutfchlanbS eine ©efammtmügliebe^abl oon
circa 65 000 Bfitgliebern. Bon ben im Berbanbe organifirten
Bereinen befißen i 02 Bereine eigene Sterbefaffen mit 22 454 BRit®
gliebern, an roelcße im 3ahre 1898 25 784 für Sterbegelb 3 ur
AuS 3 ahlung famen. 3n 105 Bereinen beftehen Kranfenfaßen, bie
bei einem Stanbe oon 14 597 Biitgliebern 89 853 Kranfengdb
auSbe 3 ahlten. Das ©cfammt®Baaroermögen ber bem Berbanbe
angehörigen Bereine beläuft fich einfchließlich ber BeferoefonbS für
bie Kranfen« unb Sterbefaffen auf 396 750 d(. Sech^ Bereine
befißen Käufer mit Wohnungen für bie Bfitglieber mit einem Eie®
fammtroerihe oon nahe 3 U 3 mei BliHionen. Die in ben Sparfaffen
ber Bereine hinterlegten (Guthaben ber Bfitglieber betragen
430 962 , t( für bie 3^hl °on 3357 Einlegern. 3öenn man be®
benft, baß es oor 10 3ah* ß n in gan 3 Sübbeutfchlanb faum ein
Dußenb fatholifcher Arbeiteroereine gab, bie 3 ufammen 2000 bis
3000 Btitglieber 3 ählten, roirb man 3 iigeben müffen, baß auf bem
EJebiete ber BereinSprünbung fleißig gearbeitet roorben ift. Der
Delegirtentag roirb im §erbft in Nürnberg gehalten.
Eitt BerbcntbShcmS ber beittfcheit ©ctoerfberettte tu Berliu, Der
Eentralratlj ber ©emerfoeretne erläßt einen Aufruf, bcr bie ©riinbe für
Errichtung eines BerbaubShaufcS Ijeroorljebt. Die oielfeitige £rgani*
fation bcr ©emerfoereine bxaudn', mie nur irgeitb eine, einen Mittel*
unb Sanunelpunft für bie bauptfädjlidjften BereinSthätigfeiten, für große
unb flcinc Bcrfammlungcn unb Sißungen, für Berroaltungsburcaus,
Arbeitsnadjmeis, Verberge, (')cfelligfcit u. j. m., unb 3 mar ebeufo für bie
Berliner mie für bie ausmärtigeu Bereine unb (>lcnoffcn. And) fatfi®
funbiger Jeftftellung laffe fidj ba« Bcrbaubshaus in geeigneter 2 age mit
IOOcmjo^. baarer Anzahlung (:»noc»no .✓/. feften $ppothcfcn) enöerben.
Durd) Antbcilfdjeine ;i 5 Ui. foü bas Kapital gcfaminelt unb bem Ecntral®
ratl) 31 er Bcrmeubuug für bas Berbattbshaus übergeben merben. — 2Bir
münfdjen biefen Bcftrebuugeu ben beften Erfolg!
Eube beS BarfcrftretfcS in Biütitbett. Jn einer Bädergehülfenocr®
fannnlung mürbe am 25. 9 Eai ber Bäderftreif nad) uiermöchigcr Dauer
für beeubigt erflärt, ba 960 ©cbülfen bei 356 SReiftent 311 ben neuen
Bebingitngen meitcrarbeiteu unb bie Jabl bcr nodj uorbaubenen
Streifenbeu ßintcr ben 311 normaler oorljaiibencn ArbeüSlofen
3 urüdbleibe. lieber bie SReifter, bie nodj nicht bcmiUigt haben, roitrbe
bie Sperre oerljängt.
Kampf um beit Behnfhinbeutag itt Brünn. Der große Aus®
ftanb ber Brünner Deytilarbciter bauert unoeränbert fort. BHe
bie Quittungen in ber Bokner „Arbeiterzeitung" bemeifen, fließen
bic llnterftiißuugcn feitenS bcr öfterreidjifthen Arbciterfchaft oer®
hältnißmäßig reichlid). AeuerbingS h<ü außerbem bie öfterreichifcf)e
©emerffdjaftsfonuntfiion in BHeu — 311 m elften Blal feit ihrem
Befteljen — eine eigene Streiffteuer auSgefdjrieben, monach jebern
organifirten Arbeiter unb jebern So 3 ialbemofraten bie ^flid^t auf®
957
Sogiale fßrajiS. ©entralblatt für Sogialpolittf. 9h:. 35.
958
erlegt wirb, möcßentltcß toenigftenS fünf Äteuger für bie Brüntter
Streifenben gu fteuern. 2>te ©rßebung ber Steuer erfolgt burcß
bte Drganifationen. Bööcßentlicß groeimal erßält jeher Streifenbe
einen ßatb Brot, einmal 2 kg 9KcßI, einmal 1 kg ©rbfen unb
1 kg §>irfe ober SReiS unb einmal ©elb. So mäßig aud) bie
Unterftüßung bei ben 12 OOO HuSftänbigen, bie mit ipen gamüien*
angeßörigen 50 000 Sßerfonen auSmacßett, auSfällt, fo foH boeß ein*
mütßig bie Stimmung für gortfeßung beS Kampfes fein, bis ber
geßnftunbentag erreid^t fei. ®ie Strcifenben erfreuen ficß oieler
Spmpatßien in ber Beoölferung oon Bninn unb Umgegenb.
(Sine BfaffemmSfpcrrmtg ttt $äncmarf ift oon bem baS gange
ßanb umfaffeubeu ©entraloerein ber Unternehmer (®änifcf)er Bteifter*
unb Hrbeitgebcroerein) im Hnfcßluß an einen partiellen HuSftanb
ber Sifdjler tßatfäcßlicß oerbängt ioorben. betroffen finb außer
ben Stfcßlern (3500 9Rann) fämmtlicße Arbeiter ber Btafcßinen*
fabrifen unb ©ifengießereien unb im Baußanbtoerf, alfo alle
Scbmiebe, SRafcßinenbauer, gormer, Klempner, 3J?aurer, 3inimer*
Ieute, Bfaler, Stuccateure :c. gufammen 30 000 9)tann, ungefähr bie
§älfte ber organifirten bänifeben Arbeiter (70 000 bis 80 000
Bfann). Hnfcßeinenb banbeit es ficb um eine Sprengung ber Or*
ganifaüonen ber Arbeiter. $>ie centraliftrten ©etoerffcßaftSoerbänbe
ifcänemarfs erlaffen bureb ißren Borfißenben, Janfen, ber erft
fürglicb bem granffurter ©etoerffeßaftsfongreß beirooßnte, einen
längeren Huf ruf an bie beutfeßen Hrbeiter um rafc^e §ülfe, ba es
ficb um 100 000 brotlofer Biänner, grauen unb ftinber pnbele,
bie fie aus eigenen Mitteln nicht längere 3«t unterhalten tonnten.
— 2)ie ©emerffebaften haben M an ben ftänbigen HuSfcßuß gur
©ntfeßeibung oon HrbeitSfonfliften gemenbet, um fein Urtbeil über
bie HuSfperrung gu hören.
Beraarbeiterbetoegnitg in Sftbfranfreüß. Huf einer am
30. Hpril abgebaltenen Berfammlung ernannten bie Bergarbeiter
beS BaffinS oon ©armaug: eine befonbere ^ommiffion unb be*
trauten fie mit ber Hufgabe, bie gegemoärtige Sage beS HeoierS gu
unterfuepn unb eine £ifte ber Befcßroerben aufguftellen, gu benen
Beranlaffunaoorliegt. $)ie Äommiffion hat ipe Stubien beenbet
unb am 19. ÜRai ber Unternehmer *Hftiengefeflfcßaft bie naebftebenben
Sorberungen gur moblmollenben Prüfung überreicht. Bon ber
©rtoägung auSgebenb, baß bie gegenmärtigen l*ö‘ßne meber bem
geftiegenen HrbeitSquantum noch ber günftigen SHarftlage ent*
fpreeßen, baß es ferner nötpg erfeßeint, eingelne ©ebräueße abgu*
feßaffen, oerlangt fte: 1. bie ooüftänbige Hufrecßterßaltung beS oon
ber HftiengefeUfcßaft unb ben Hrbeitern acceptirten ScßiebSfprucßeS
oom 20. SJiärg 1892; 2. eine Soßnerßößung oon 40 ©tS. pro £ag
für alle Hrbeiterfategorien; 3. gleichmäßigere Bertßeilung ber
l'ößne; 4. ftrenge ©inßaltung beS Betriebsreglements oon 1891;
5. Älaffifigirung ber §ülfSarbeiter nach HlterSrang; 6. Hnmerbung
ber Hrbeiterfößne unter Beobachtung abfoluter Unparteiliebfeit unb
ber Drbnung ißrer ©infeßreibung; 7. unmittelbare BHeberannaßme
ber oom Bftlitärbienft guriieffeßrenben Hrbeiter in ihre Hangflaffe;
8. Befcßäftigung aller arbeitsfähigen Hrbeiter bis gum Eintritte
beS penfionSfäbigen HtterS; 9. Berbot für alle Beamten ber Hftien*
gefeKfcbaft, ficb in bie innere Hngelegenpit beS Bergarbeiter»
oerbanbeS gu mifeben, fotoie ftrenge Btoßregeln gegen jene Beamte,
meltbe ihre Stellung mißbrauchen, um bie Hrbeiter eingufdjüdjtern.
3um Schluffe ermähnt bie $ommiffion, baß fie ber Unternehmer*
HftiengefeUfcbaft einen fiebengliebrigen HuSfcßuß gur $)iSpofition
hält, um fornoßl meitere Hufflärungen gu geben, als auch bie
llnterbanblungen über bie ©rlebigung ber Befcßiüerben einguleiten.
^tbeUerfitju^.
Jahresbericht ber pfftfcptt ©etoerbe-Jnfpeftioit.
Seit 1. Juli 1898 ift baS ©roßbergogtbum Reffen in oier,
anftatt mie bisher in grnei, HuffubtSbegirfe eingetßeilt; außerbem
finb in biefem Jahre groei Hffiftentinnen neu eingeftellt morben.
®iefe Beränberungen bemirfen eine erfreuliche Berftärfung unb
©rtoeiterung ber Xßätigfeit ber Beamten. $)er eben erfebienene
amtliche Bericht für 1898 legt baoon ein ooUgültigeS 3 eu QP& ab.
®ie ©etoerbeauffießt in Reffen mirb oon bemfelben ©eifte fogial*
polilifefjer ©infiebt getragen, in bemfelben Sinne oerftänbnißooüen
©iferS geführt, ber unter gübrung unb Borgang Dr. &öriS*
boffers nunmehr bie Jnfpeftion ber fäinmtlicben Staaten Süb*
beutfcblanbs erfüllt. 2Öie bie Beamten BabenS, BapernS, 9Sürttem»
bergS, ber BeicßSlanbe, fo eraeßten es aueß bie ßeffifcfjen für ißre
Hufgabe, nießt bloß meebanifeß bie HuSfüßrung ber Scßußbeftim*
mungen gu übermaeßen, fonbern fie fueßen aueß baS mirtßfcßaftficbc
unb fogiale ßeben ber Hrbeiterbeoölferung gu erfaffen, um auf
©runb ißrer ©rfaßrungen berechtigten Klagen Hbßülfe, begrünbeten
BJünfcßen ©rfüllung gu feßaffen unb fo an ber Bhlberung
ber Älaffengegenfäße mitguarbeiten. S)iefe Beamten finb merftßätige
Organe ber Sogialreform, unb es ift in ßoßem SJtaße erfreulich,
baß fie oolleS Bertrauen fornoßl bei Hrbeitgebern mie bei Hrbeit*
neßmern genießen.
Söenben mir uns gu ben ©ingelßeiten ber oier Berichte, fo
füßren mir an, baß es für ben Begirf $>armftabt pißt: „Jm
HUgemeinen fann gefagt merben, baß bie organifirten Hrbeiter
ein beffereS Berftänbniß ber gefeßlicßen Beftimmungen haben als
bie nießt organifirten" — ein nießt unroicßtigeS 3 eil 0niß für bie
aueß fonft in fübbeutfeßen amtlidjen Berichten ßäußg mieberfeßrenbe
©abrneßmung beS ergießlicßen ©influffeS ber HrbeiterberufSoereine.
BefonbereS ßob fpenbet ber BJainger Beamte ber Bucßbrucfer*
Organifation, „meil fie beftrebt ift, ben fogialen grieben gmifeßen
Hrbcitgeber unb Hrbeiter gu oermitteln." fießrlingSgücßterei mürbe
in maneßen Heineren Betrieben angetroffen, in großen Betrieben ift
fie feltener gu finben. $ie 3aßl ber in gabrifen befcßäftigten Hr*
beiterinnen ift im Berichtsjahre geraaeßfen, bie 3aßl ber oer*
ßeiratßeten betrug 26 o/ 0 . Jn 33 Betrieben mürben 3uroiber»
ßanblungen gegen bie Scßußgefep betreffenb Hrbeüerinnen ermittelt,
beftraft mürben aber nur 8 Sßerfonen. Jn oielen gabrifen mirb
meitgeßenbe Bücfficßt barauf genommen, baß oerßeiratpte grauen
ficß nießt an eine regelmäßige HrbeitSgeit in ber gabrif binben
fönnen, fie fommen fpäter gur Hrbeit unb oerlaffen fie oor Scßluß.
Heber bie Bttrfungen ber Bädferei*Berorbnung mirb gefagt:
„Hacßtßeiligc golgen ... auf bie ©efcßäfts* unb Hrbeitcroerßält*
niffc, bie ocranlaffeu fönnten, eine Hbänberung ber Berorbnung gu be*
antragen, finb nießt beobachtet morben. ©ine Hbänberung ber
Berorbnung in ber 23eife, baß ftatt beS Sßormalarbeitstages eine Hör*
malarbeitSmocße unter Beibehaltung ber acßtftünbigen täglichen Huße*
geit eingefübrt mürbe, ober in ber 2Beife, baß längere als gmölfftiinbige
Hrbeitsfchicßten bei gleichseitiger Berlängerung ber Hußegeit 3 uläffig
feien, mitt uns nießt als gmeefmäßig erfeßeiuen, ba eine jebe Ber*
iängernna ber täglidßen HrbeitSgeit oon 12 auf 13 ober felbft auf
14 Stunoen unguträglicß für bie Olcfuubßcit ber Hrbeiter
roirfeu unb bie Hbficßt ber Berorbnung in gragc fteEen mürbe/' —
llnb an anberer Stelle pißt es für Btaing, bie Bäcferei*Berorb*
nung ßabe ficß meßr unb meßr eingefüßrt; ößnlicß fprießt ficß ber
Beamte für ©ießen aus. derartige Heußerungen oon ebenfo
unparteiifeßer mie faeßfunbiger Seite foHten meßr gelten als ein
$)upnb Petitionen oon Bäcfermeiftern.
3)er Beamte für 3ßaing begrüßt bie Berfleinerung ber Jn*
fpeftionSbegirfe, meil bie Hrbeiter babureß meßr unb meßr bie Be*
amten fennen lernen unb Bertrauen faffen; ber Berfeßr mit ben
Hrbeitern fei befonberS fruchtbar, er liefere gerabegu eine ßöcßft
mertßoolle Unterftüßung ber HufficßtStßätigfeit. ^eroorragenbeS
Jntereffe bieten bie Bemerfungen über bie meiblitße Jnfpeftion.
^)er SÄainger Beamte berießtet,
baß bie Hrbeitaeber im HHgemeinen bis jeßt eine entgegenfommenbe
Stellung gur Hffiftentin eingenommen haben, ©inige Hrbeitgeber haben
ber Hffiftentin befonbere Gelegenheit gegeben, mit Hrbciierimten gu
fprecßeit, iubem fte beliebig oon ißr begeicßnetc Hrbeiterinnen aus bem
HrbeitSraum ßerauSgerufen ßaben unb bort ohne ißre Hnmefenßeit eine
HuSfpracße ßerbeifüßrten. Hnbere ßaben bie Hffiftentin bireft auf*
geforbert, mit ißren Hrbeiterinnen im HrbeitSraum gu fpreeßen. SRancße
Arbeitgeber geigten aHerbiugS beim ©rfeßeinen ber Hffiftentin in ißrem
Betriebe eine gemiffe Unruhe, unb feßien ißnen ein Hnfprecßen ber Hr*
beiterinnen nießt angenehm gu fein. 2)aßer mag es aueß fommen, baß
bie Hrbeiterinnen ftets ben ©inbruef machten, als ob fie es niep roagten,
über ißre Berßältniffe etmaS angugeben. SBenn aus ißnert etmaS ßerauS»
gubefontmen mar, fo feßauten fie babei ängftHcß naeß ißrem Hrbeitgeber
hin. ©S mirb beSßalb noeß eine geit oergeßen, eße bie oerfcßüdßtertc
Hrbeiterin Bertrauen faßt unb bie Beamtin felbft auffueßt.
Unb aus bem Begirf SDffenbacß feßreibt ber Beamte:
SSaS fuß bis gur geit ber Bericperftattung feßfteflen ließ, ift, baß
fuß meiblicße Beamte beffer als männlicße bagu eignen, bie fittlicße
Stellung ber Hrbeiterinnen gu ben Hrbeitgebern unb gu ben mit ben
Hrbeiterinnen gufammen befcßäftigten Hrbeitern, Huffcßem, SBerffiißrcm,
Betriebsbeamten u. f. ro. gu beobachten, bie Uebermacßung ber Bcftim*
mungen ber bie mciblicßeu Hrbeiter betreß'enbcu ^ßeile ber Gcmerbe*
orbnung, namentlich aber bie ber Beftimmungen beS §. 137 Hbf. f» ba*
felbft, melcßcr oon ber Befcßäftigung ber B3öcßnerinnen ßanbelt, gu
übernehmen. $ann erfdjeint uod) bie Beobachtung ber fioßu*, B?ob*
nungs* unb ©rnäßrungSoerßältniffe ber Hrbeiterinnen, fomie ber aus
ber $abriftßätigfeit ber mciblicßeu gamilieumitglieber entfpringenben
MuSlicßen Berßältniffe buriß meiblidje Beamte geboten. Um aber 1 biefeu
groeef gu erreichen, mirb eS nun nicht genügen, ber Hffiftentin oor*
neßmlicß biejenigen Betriebe, melcße Hrbeiterinnen in erßeblicßer gaßl
^ befcßäftigen, gugutßeilen; fonbern alle gemerblicßcu Hnlagen, in mekßcu
959
Sogtale prajtg. Eentralblatt für Sogtalpolitif. Sfr. 35.
960
Arbeiterinnen im betriebe Befcfjäftigt werben, in beiten alfo bie Ar*
betterinnen nicht nur gum 3 u rid)ten ber fertigen Waaren für ben Ser*
fanbt ober gur Steinigung unb ^nftanbbaltnng ber Staunte oerroenbet
finb ober fonfüge an bie I;äu»Iid)e dhätigfcit ber grauen erinnernbe
Sefdjäftigungen hoben, foHen oon ber Affiftentin beaufftdjtigt toerbcit.
®a aud) bie baperifdjen Söeridjte günftige (Erfahrungen über
bie Xhätigfeit ber weiblichen ©eroerbeauffidjt mittheilen, ift gu
hoffen, ba& and) anberc Staaten — oor Allem preuften — ben
gleichen Weg betreten werben.
Mehrfach wirb in ben heffifchen Berichten Silage über bie 3***
ftänbe in ben 3i*9 e fei e n geführt, wo man bie Stinberarbeit in ber
fchroffiten Weife oorfinbe: „3ebeg Minb, bag aug ber Schute
fontmt, mu& fofort an bie Arbeit." Unb gwar finb h^r meift bie
eigenen (Eltern bie wahren Schutbigen. — Xrofc beg günftigen
©efdjäftggangeg rücft bie Berfürgung ber Arbeitszeit immer weiter
oor. Sür Den Begirf Waing wirb mitgetheilt, bafj 64 % ber
3?abrifen, bie Arbeiterinnen befdfjäftigen, eine Arbeitzeit oon 10
ober weniger Stunben h fl ben, 84 o/ 0 fämmtlicher gabrifen haben
11 Stunben unb weniger.
3« bem Bericht für ben Begirf ©iefjen h*i&t eg: „betriebe,
in benen bie Arbeiter wohtwoUenb unb gut behanbelt werben,
föitnen ftch au f ifce &nte oerlaffcn unb befifeen in ihnen lang*
jährige, treue unb brauchbare Mitarbeiter." d)er Beamte warnt
oor ber atlmäligen Entfernung ber oerheiratheten grau aug ber
gabrif: Sie werbe baburch nur in bie Heimarbeit gebrängt, wo
fte beg gefunbheittichen Schuhet entbehre unb fief) bod) nicht um
bie Minber fümmern fönne; „man müfjte benn gleichseitig mit bem
Berbot ber grauenarbeit in gabrifen bem Manne einen entfprechenb
höheren Berbienft garantiren!" — Eine längere alg 12ftünbige
normale Arbeitszeit auch für erwachfene männliche Arbeiter foUte
allgemein nicht geftattet fein.
Wir muffen beg Staumeg wegen abbrechen, obwohl bie Berichte
noch eine überreiche gülle oon lehrreichen Einblicfen in bie Ar*
beitersuftänbe bieten. Wenn wir einen Wunfd) augfprechen bürfen,
fo ift eg ber, bafe bie hauptfädjlichen Ergebniffe aug ben oier Be*
richten in einer furgen einleitenben llcberfidht sufammengeftellt
werben, wie bag für bie acht baperifchen gefd)ieht. d>amit würbe
ein ©efammtbilb oon weit einbringlicherer Wirfung erzielt werben,
alg eg jefct bie oerftreuten unb oft fich wiebertjolenben Eingel¬
mittheilungen gu geben oermögen.
die ©ctocrbeanfftcht ttt Württemberg war am 26. unb 27. Mai
Eegenftanb eingehender Berhanblungen in ber Abgeorbnetenfammer
zu Stuttgart. Bon oerfchiebenen Seiten würbe Berfiärfung ber
Auftld)t, größere (Gleich artigfeit ber Senate unb namentlid) Ein*
fchränfung ber gewerblichen Minberarbeit, bie gerabesu bebrobli<h
anwadjfe, geforbert. der Minifter beg 3nnern erflärte, eg fottten
Swei neue .fpülfgfräfte ber Qlnfpeftion eingefteHt werben. Wenn bie
weiblichen Beamten fich bewähren, werbe ihre 3 a f)l oermehrt
werben, bie fonft in deutfdjlanb mit ihnen gemachten Erfahrungen
feien günftig. Am beften würben fich bie direftrken oon gewerb*
liehen Setrieben su Affiftentinnen eignen. der Hauginbuftne müffe
man allerbingg Aufmerffamfeit guwenben, bürfe aber bag Minb
nicht mit bem Babe augfehütten. der Minifter oerweift auf bie
oom Aeiche oeranlafjte Enquete über bie Hauginbuftrie, bte jeben*
faUg gefcpgcberifche Maßnahmen begweefe. 3^1 Zentrum
eingebrachte Anträge, oon benen ber eine bie Regierung erfucht,
gum Schuh ber Minber geeignete Ma®etn gu treffen, unb ber
anbere bie Augbehnunq beg Ar beiter fchupeg auf bie Hauginbuftrie
oerlangt, werben mit (ehr großer Mehrheit angenommen.
Ärbeiterorrfldjtrung. gparhafltn.
ProportionaBWahf für bie Allgemeinen Drtgfranfenfaffcn in
granffnrt a/M.
Am 14., 15. unb 16. Mai fanben bie Wahlen gu ben Eeneral*
Serfammlungen ber Allgemeinen Drtgfranfenfaffe in granffurt a/M.
gum erften Stale nach bem proportional*Wahlft)ftcm ftatt. dagu
wirb ltng oon bort gefdjrieben:
Eg mag angegeigt erfcfjotiicn, über bag Serfabren fclbft gunärfjft
einige Erläuterungen gu geben. Saut f, 47 Der am 23. degember 1897
oom Scgirfsaussfdniü genehmigten Statuten erfolgt Die Wahl alle Drei
oaljrc im SJfonat SJtai unter Leitung cinctf oom Ataffenuorftanbe aug
feiner Witte gu beftcllenDcn Slugfdjuffeg oon minbeftenC’ ierfn* Witgliebcrn.
Tie W'alil Der Ataffenmitglicber unD Arbeitgeber erfolgt in befonDeren
Saliltcrminen, gu weldjcu Die s £>al)lbercd)tigten fed)^ ^odjen oorher
Durch bie amtlichen Slätter eingulaben futb. Eleichgeitig mit ber Ein*
labung jur SBahl forbert ber SBahlaugfdjufc gur (Einreichung oon 3Sapl*
oorfdjlagsliften auf, bie ebcnfooicl Stimmen enthalten, alg nach ber
Sefanntmadjung jeweilig Vertreter unb SteHoertreter gu wählen finb.
Eine Sorfd)lagglifte bebarf gur Hnerfennung ber Uuterfcfjrift oon
33 Wahlberechtigten unb muh 21 $age oor bem Wahltcrutin bei bem
Wal)laug)d)u& eiugereicht fein. $crfoncn, bie tu mehreren giften alg
Wahlfaubibaten eingegeichuet finb, werben oom Wahlaugidjuh fdjrift*
lieh befragt, weldjer Öifte fie angehöreu rootfcn; erfolgt innerhalb fünf
2agen feine Antwort, fo ftnb fte ber guerft eingegangenen 2i[tc gu*
gurechnen. Eg fleht ben Einreidjern ber Sorfdjlaggliftcn bag Stecht gu,
innerhalb fünf iagen, nachbent fie oom Wal)lau'gfdiuh über etwa ge-
ftrid^ene Stanien ihrer Giften ftenntitih erhielten, foldje Öifteu entfprechenb
gu ergangen. Adjt 2age oor ber Wal)l h at SBahlaugfchufe bic an*
erfannten Stimntliften in ben amtlichen Sölättern gu oeröffentlid)cn. 2)ie
Wahlberedjtigten üben ihr Stimmrecht burch geheime Abgabe einer ber
anerfannten Stimmliften aug. Streichung oon Stauten ift guläfftg;
Stimmgcttel, bic Aamett aug mehreren Sorfdjlaggliften enthalten, finb
ungültig. 3 ur Ermittelung ber Erwählten wirb gunächft bie Eefammt*
galjl ber abgegebenen gültigen Stimmgettel unb bie 3 a bl ^ er au f bie
eingelneit Siften entfallenen Stimmgettel feftgeftellt. Algbann ift aug
jeber Stfle berjenige 2l)eil ber Erwählten gu entnehmen, tueldjje ber 3ah(
ber auf bie eingelne Stifte gefaüeuen Stimmgettel im Serhältnifg gur
Eefammtgal)! ber abgegebenen Stimmen entfprid)t, unb finb diejenigen
ewählt, bie auf ihrer lüfte bie entfprechenb meijten Stimmen erhielten;
ei Stimmengleidjheit entfrfjeibet bie Steihenfolge.
3m l?aufe ber Wahl fonnte biefen ftatutarifchen Seftimmungen
burdjweg ohne Schwierigfeit etttfprochen werben unb eg cntwicfelie fidi
folgenber Hergang: Eg waren bet 41 600 Sftitgliebcnt 142 Vertreter
unb 47 Steüocrtreter auf Seiten ber Äaffemnitglieber unb 69 Vertreter
fowte 23 Stelloertretcr auf Setten ber Arbeitgeber gu wählen, der
Wahlaugfdjuh erliefe rechtzeitig bie Aufforberung oon Wahloorfdjlagg-
Iiften unb big 22. April waren oon jeber Eruppe — Äiaffcnmitglieber
wie Arbeitgeber — je gwei Öiften eingereidjt. Sei ben Äaffenmitgliebem
ging eine ooügählige Öifte (Eruope 1) oont fogial*bcmofratifd)cn Oie*
werffchaflgfarteß äug unb enthielt 142, begw. 47 Stamm, währenb Die
anbere öifte (Eruppe 2) oon ben Ehriftlid)*Sogialen gufamtncngrfteflr
war unb nur 17 Vertreter, begw. gar feine Stelloertretcr auftoieg. Sei
ben Arbeitgebern beftanb eine ooQgählige öifte (Str. 1) mit Stauten oon
grofjen unb fletnen Eewerbetreibenben aller Parteien, loäljrenb bte
weite Öifte (Str. 2) nur 14 Vertreter, begto 7 Stelloertretcr lebrglid)
ogialbcmofratifdjcr Arbeitgeber nannte. Eine britte Wahloorfchiaggiifte,
oon ftäbtifchen Arbeitern ftamutenb, würbe erft bret Tage oor ber 5Wapl
eingereidjt unb fonnte baher Ieiber nicht mehr gugelaffeu werben.
Slug ben fchlenbeu Spanien ber einzelnen Öiften liefe fich unfehtoer
erfennen, wie ftarf jebe Eruppe fid) fühlte, unb mit weldjer Wahl*
betheüigung man aUfeitg rechnete, obfcfeoit eg wahlpolittfchcr unb praf*
tifefeer gewefen wäre, ooDftänbige Öiften eingureichen, um bag Öntercffe
an ber Wahl gu erhöhen, der Wal)laugfchuB prüfte bie einzelnen
Öiften auf SWitgliebfcfjaft unb Wählbarfeit unb eg geigte fich, lütt
einziger Stame gleidjgeitig auf mehreren Öiften ftanb. Eg folgte bie
Seröffentlidjung ber oier Öiften nebft ber Sefanntmadjung, bafe ber
Wahlaugfchub bie Stimmgettel fämmtlicher Eruppcn ben Sntercffentcn
foftenlog gur Verfügung ftelle. den örtlichen Serhältniffen entfprechenb,
würbe bie Stabt in oier Wal)lbegirfe für bie Äaffenmitgiieber eingetheilt,
währenb für Arbeitgeber ein Wahllofal genügte.
die Wahlbetheiligung war trop lebhafter Agitation feine gro^e;
fte betrug bet ruttb 30 000 grofejäferigeu Ataffenmitgliebern unb obfdjon
ein Sonntag unb ein Sftontag für bie Waljl berfelbcn beftimmt war,
nur 13%, währenb oon etwa 8000 Arbeitgebern nicht mehr wie 3%
oon ihrem Wahlrede Eebraudj machten.
Eg erhielten:
a) bei ben $affenmitgliebern oon 3943 abgegebenen gültigen
Stimmliften bie
Eruppe 1 = 3778 Stimmliften = 136 Vertreter unb 45 SteHoertreter,
*2=165 » = 6 * *2 • ‘
l>) bei ben Arbeitgebern oon 228 abgegebenen gültigen Stimm*
liften bie
Eruppe 1 =173 Stimmliften = 52 Vertreter unb 17 SteHoertretcr,
* 2 = 55 * = 17 * * 6 *
dag ^ählgefchäft oerltef äufjerft glatt, ba oerhältnihmäbig wenig
Streuungen oorfamen, unb fonnte bag Stcfultat noch am Abcnb beg
britten Wahltageg enbgültig feftgeftellt werben.
d)ie praftifche ®nrefefüferbarfcU ein eg einfachen proportional*
Wahlfpftemg ift nunmehr auch in deutftfjlanb gum erften SKale
bewiefin; möge bag ©pftem ftch weitere greunbe erwerben!
Sranffurt a/SJ?. Ph- H cr 3-^ü^-
iesgffl ber ^raitfettfaffen dentfdjlanbg. 3ut Anfd)lufe an
ben duberfulofe4tongrefj (oergl. ben befonbereit Slrtifel in biefer
Stummer Sp. 965) fatib auf Einlabung ber Eentralfommiffion ber
berliner Mafien ein Mongief) ber Mranfeitfaffen dcutjdjlanbg ftatt,
ber feine Sebcutuug namentlich in ber Sefunbung ber Eimnüthig*
! feit ber auf gemeinfame 3ielc gerichteten Üöeftrebungen hnt- Maffen*
961
oorftänbc ber uerfcf)iebenftcn Bietungen roaren bcm SRufe gefolgt.
374 Haffen unb Bereinigungen (öaoon 287 oon auSroärtS), bie
gufammen nahezu 2 Millionen Btttglieber h ö & e n, roaren burch
336 ®elegirte oertreten, oon benen allerbingS ein ^^eil ben
Auftrag hai^/ fi<h ie&er Abftimmung ju enthalten, lieber Qwtd,
3iel unb DrjjanifationSform ber beuifchen Hranfenfaffeitberoegung
referirte Dr. Jyriebeberg; fein Antrag, baß bie beutfc^en Hranfen*
faffen fidj 311 einem lofen, im SSefentlidjen agitatorifc^cu 3wecfen
bienenben, namentlich für bie Beeiufluffung ber ©efeßgebung fid)
bereit haltenben Berbanbe oereinigen, fanb nahezu einftimmige An*
uabme. Die Aufgaben, bie jebe Haffe ober jeber Maffenoerbanb
feiner Statur nad) fyat, foHen baburd) in feiner Bßeife beeinträchtigt
toerben. Aus bem Referat beS AJbgeorbneten Bßurm über bie
Stellung ber Hranfenfaffen jum neuen 3noalibitätj5gcfeö erfc^eint
uns, neben bem Borfdjlage ber AuSbehnung ber Hranfenunter*
ftiißung oon 13 auf 26 38od)en, ber 3Serfid)erung$pfIid)t auf bie
lanb* unb forftroirthfdjaftlichen Arbeiter unb baS ©efinbe, baS 93e*
beutungSoollfte ber $lait, & ie Hranfenfaffen unb ^noalibenoer*
ficbcrungSanfialten zur Durchführung ber Arbeiterfd)ußbeftimmungcn
als £>ülfsbeamte ber ©eroerbeauffid)tsbeamtcn h^ansujiehen. 3 U
biefem 3wecfe feien Hontroleure zu befteüen. (Sine Hommiffion foll
hierzu eine Denffchrift an ben Reichstag ausarbeiten. Bei bem Be*
ferat über bie Befcbjlüffe beS 27. Deutschen AerztetageS (l)r. Qfreuben*
berg) fam bie freie Aerzteroapl z lir Sprache. §ier jeigten fich in
ber Distuffion ftarfe üßeinungSoerfchiebenheiten, hoch mürbe
fchließlid) eine SRefolution angenommen, bie fiep in ber |>auptfachc
gegen bie gefeßliche ^eftlegung ber freien Aerzteroahl menbet.
Naturgemäß mürben auch bie ©rgebniffe beS Duberfulofe*HongreffeS
befprochen, roobei es an bemerfenSmerthen Aeußerungen nicht fehlte.
Aus Arbeiterfreifen erfolgte ein lebhafter Sßroteft gegen baS Hneipen*
leben; ein Berliner Arzt empfahl in ben größeren Stabten für bie
H raufen, bie in ben Anftalten feine Aufnahme fiuben fönnen, ($r*
holungSbaracfen zu errichten; $rau Neimcr gab ftatiftifche Nachroeife
über bie £ungenfchminbfud)t als BerufSfranfpeit ber Schneiber 2 c.
Abgefeßt mürben oon ber DageSorbnung bie Referate über bie
Stellung ber Hranfenfaffen jur UnfaHoerficherung unb über bie
(Sentralifation ber Hranfenfaffen. Der Berlauf beS HongreffeS hat
ermiefen, baß auf bem neutralen ©ebiete ber Arbeiterfiirforge ein
3 ufammeuarbeiten oon Btänuern ber oerfchiebenften polüifdjen
Bicf)tungen möglich ift; ber Umftanb, böß bie Beranftaltung fidjtlid)
unter fozialbemofratifdjer Rührung ftanb, hat bie bürgerlichen
Greife nicht oon ber SJtitarbeit abgehalten, mie ja auch auberer*
feits bie So^ialbemofraten oon bem Duberfulofefongreß nicht fern*
blieben, bem ihre Bertreter unb ihre B re ff c bie lebhaftefte Dheil*
nähme jugemenbet haben.
Die Arbeiterfranfemjerfichermtg in Ceftemidjt. Das öftcrreichiicbc
BUuifierium bes Eimern oeröffentlicht ben oorläufigen Bericht über bie
hauptfächlidjftcn (S-rgebniffe ber Hranfenoerficherung im ^afjre 1897.
Berftdiert roaren burchßhnittltd) 2 285 233 (2 1K8 01U in 1896) ^erfonen
bei 2927 (2921)*) Waffen. Die loirfliche 3al)l ber Berftcherten belief
fid) auf 2 060 099 am 1. Januar, 2 421 310 am 1. Juli nnb 2 148071
am 1. Dezember 1897. Die gefammten (Siimahmcn ber Hranfenfaffen
betrugen 20 265 »44 fl., mouon 18 932 879 fl. burd) bie laufenben Bei*
träge ber Arbeiter unb Unternehmer — erftere mit einem Drittel,
leßterc mit jmei Drittel — anfgebradit mürben. Die Ausgaben bc*
trugen 19 007 831 fl., mooon 16 745 507 fl. (15 252 194 fl.) auf bie
£eiftungen ber Haffen für ihre BJitglieber in (SrfranfungS* unb Sterbe*
fällen entfielen. Das Berichtsjahr mar bas bisher ungiinftigfte für bie
.(tränfenfaffen, ba bie prozentuale NeferoefonbSbotirimg nicht unerheblich
— mit 6,64 % ( 9 , 88 %) — hinter früheren fahren zurnrfblciben mußte.
Aftio finb bloß 2018 .Haffen (2215), roährenb 909 Haffen (706) mit
Defizit abjchloffen. Bon ben burcbfchnittlich 2 285 233 (2 188 010) 9KU*
gliebern erfranften 888 647 (813 078) ^erfonen in 1 111 369 (1000 651)
iSrfranfungSfäHen mit zufammen 18 736 400 (17 026 157) Hranfentagen.
Dazu fommen noch 46 999 (45 558) ISntbinbungen mit 1 278 980
(1 234 465) Hranfentagen. Die ^aT)l ber auf ein männlid)cS Btitglieb
im $ahre 1897 burch jdjnittlirf) entfallenbeit Hranfentagc beträgt 8,is
( 7 , 80 ) unb — bei oorläufiger Außeracbtlaffung ber ISntbiubungcu —
bie 3ahl ber auf ein rociblidjeS Btitglieb bnrchfdjuittlich cntfallcuben
Hranfentage 8,25 (7,-2), loetchc fid) bei ISiurcchnung ber iSntbiubungeu
auf 10,75 (10,24) erhöht. — Die burchfcbnittlidjcn Höften eines Hraufen*
tage* fteUten fich mie im Borjahre auf 81 Hreuzer, roooon 50 Hreuzer
auf Hranfengelb, 15 Hreuzer auf ärztlid)c ^iilfe, 11 Hreuzer auf
Btebifamente unb 5 Hreuzer auf SpitalSfoftcn entfielen.
Die ^auptergebniffe ber öflerretdjtfibeii ttnfattflmtifilf fnr bie ^apre
1890-1896. ?lus 5Bieu mirb uns gefebrieben: DnS öfterreidjifchc
Unfatlüerfidferungsgcieb uom 28. Dezember 1887 fdjretbt im $. 14 bie
in fünfjährigen Berioben erfolgcnbe Bcuifion ber Wefabrenflaffen*(5in*
tbeilung ber oerfidjertcu Bcti’iebc uor. Da bas Unfalloerficheruugs*
;: ) Die cingcflammertcn ^ifjcru Deziel)eu fid) auf ba* ^ahr 1896.
' 962
gefep mit bem 1. 9?ooember 1^89 burchfteführt morben ift, fo mirb bie
Zroeite OlefabrenflafftfifationSpeHobe mif 31. Dezember 1899 ablaufen.
Die ftatiftifd) feftgebalteneii (Svfabntngen bilbett bie (tfrunblage für bie
©efabrcnflaffifitation ber einzelnen Betriebstitel. Diefe ftatiftifchen (Sr*
fahrungen betreffen bie ^äufigfeit nnb Sthmcre ber Unfälle bezm. bie
burch fie bebingte (Sntfd)äbigungsbclaftung unb bas ^rozentoerbältniß,
in bem bie Beladung gur Summe ber in ben bezüglichen Betrieben
ausbezablten ^Irbeitsuerbienfte ftel)t.
Die territorialen ^IvbeUn^UnfallociftchcrungSanftnltcn h^bcu alv
bie zur Durd)fiibrung beS UnfalloerfichcrungSgciepeS in Dcfterreid) bc*
rufeneu Organe alljährlich eine betaillirte Stcitiftif in (STfiUluna ihrer
gcfeplid)cu Berpflichtung cnisgcarbcitet nnb bcm Btinifterium bcS Innern
öorgelegi. Da jeboch in bem JJeitpunfte, 01 meldjem bie 3uhresftatifiif
aufgeftellt mirb, bic UnfaDsbelnftung nod) nicht genau bcfannt.ift, tu*
bem noch nicht mit Sicherheit angegeben merben fann, ob bie Unfälle
eine bauembe Belaftuug unb meldje fie zur ^olge haben merben, fo
finb bie jal)reSftatifti)d)en (Srgebuiffe betreffs ber UufaüSbelaftung nidjt
Zuoerläffig. Demnach burftc nicht cinfad) bie Summe ber jaljres*
ftatiftifchen (SutfdjäbiguugSbelaftungeu als Olruublagc für bie Beuifiou
ber Wefahrentlajfeneiiitbcilung augeuomnteu merben, uielmebr mar bie
bebeutenbe "?lrbeitsbelafmng unoermeiblid), meld)e mit ber 9tcnauf=
fteUung ber Statiftif für Sie ^ahre 1Ö90—1896 unter $mimeglaffuug
bcS Iepten, alfo mie oben bargethau unftd)eren Jahres 1897, uer*
bunben mar.
Diefe neue Statiftif erforberte bie Arbeit eines SabreS zu ihrer
^ertigfteflung, tropbem fie auf bie zur ©efahrenflaffcurcoi[iou unbebiugt
erforberlidjen Daten befchrauft morben -mar, nämlid) auf bic betriebs*
titelmeife (Srmittelung ber 3al)l ber Betriebe, ber Bollarbeitcr, b. i. bel¬
auf 300 Arbeitstage rebn^rten Arbeiterzabh her 3abl ber Betriebs*
Unfälle, melcbc eine oorübergebenbe (SrmerbSunfäbigfeit oon meniger
als oier Wochen (alfo megen ber in gleidjcr Dauer feftgefeplen Harenz :
Zeit feine Belaftuug ber Berfichcrungsauftalteu) nad) fich ^ogen, bann
ber Betriebsunfälle, bie eine morübcrgcbcnbc (SrmerbSuufdbigfeit non
mehr als oier 2Sod)eit, eine baücrnbe (gänzlidie ober Ibeilmeife) iSr*
merbsunfäl)igfeit ober ben Dob beS Berlepteu zur Aolge batten.
Außerbem mürbe bie Sobrrfummc, ber Berficberungsbeitrag nnb bie
Unfallbelaftung unb jmar abfolut nnb in Prozenten ber äohnfuimne
ermittelt. Auch mürben bie beroorftedieubften UnfaUsurfadjeu betreffs ber
fchmeren, alfo oon Daueriuoalibität ober bem lobe begleiteten Unfälle
oon mehreren Anftalteu angegeben, moburd) ein menn aud) oorläufig
nur fpärliches Bt'atfrial für bic 3mccfc ber Uujaflocrhütuug bcigcftellt
mürbe, bas aber auch für bie ©cfahreuflafßfifatiou oon Bebeufuug fein
mirb, ba aus biefeu Daten möglidiermeife Borfd)riften für bic Be--
urtl)ciluug ber Bctriebsgefabrcu merben abgeleitet merben fönnen.
Die ftatiftifchen £muptcrgebuiß'e finb bic folgenben: (Ss mavni
auf ein 3«br rebuzirt 6 741 849 Bollarbeitcr oerfichert, meldje in ben
fahren 1890—1896 im ganzen 232 057 Unfälle erlitten, unb zwar
153 428 Unfälle mit oorübergebenber (S:rmerbSunfähigfeit oon meniger
als oier Söochcu, 49 189 Unfälle mit nadjfolgenber oorübergebenber
cSrmcrbsunfäbigfeit oon mehl' als oier B>od)cn, 24 762 Unfälle mit
undjfolgcubcr bauernber gänzlicher ober theilmcifer (Srmerhsimfähigfeit
unb 4678 töbtlidje Uufälie.
Der Beftanb bcS HapHalbccfungSptinzips hat zur ?volge, baß bic
Unfälle mit bauernber (SrmcrbSunfähigfeit unb naih biefeu bic lobe**
fäöc megen ber burch fie oerurfadjten Beuten an bic Hinterbliebenen
ben 4pauptantf)eil au ber Belaftung haben. Die Wcfammtbelaftung ber
Bcrfidjeruugsanftalten aus allen Unfällen betrug 34 464010 ftt., meld/cr ein
(^efammtbeitrag oon 31 696 791 gl. gegouiiberftaub, mobei jebod) z» be*
merfen ift, baß aus biefem Beitrage aud) bic im Durdifdjuittc aller
Anftalteu bisher 0,i7°,o ber öohnfumme betragcubcit BermaltuugsauS*
gaben ber Bcrridjeningsfumme gu tragen finb unb außerbem eine
Dotirung ber Superrcferoe erfolgen füll. Die Olefammtlohnjumme b<*=
trug 2 214 121 160 31.
Drganifattott ber gemerbl )en Unfattoei fidjcrung in
J^ranfrcich mirb uns aus gefebrieben: 3 n Solge B^rla*
mentSbefcbluffeS mirb ber AuSführunqStermin beS ©efepes ootit
9. April 1898, feiner 3 C ^ - öoit ber Begierung auf 1 . 3uni feft*
gelegt, nun bod) noch um einen Blonat, auf 1. Sali 1899, oer*
fdjoben. 3» beiben Iegislatioen Hörperfdiaflen maren mit Beginn
ber Sommerfeffion neben ben AÖänberungSoorfcblägcn auch mehrere
BertagungSanträge eingebradht morben, um cincrfeits bie Berbeffc*
rungeit bcS ©efeptS in Stube oontefjnteri ju fönnen, nnb um anbei*
feits ben Unternehmern 3cit Sn laffen, alle Borfefjrnngen zn treffen,
bie baS Snfrafttreten bes ©efepcS nolljmenbig madjt. B?enn and)
baS Bedangen einer halbjährigen Bcrfdjiebnng runbmeg abgeldjnt
mürbe, fo fonnte man fiep Zülcpj ben ßrroägnngen bod) nicht oer*
fdjUeßcn, baß bie fpäte Beröffentlichung ber AnSfiifjrnngSbefrete
ben ©efchäftsitihabern in ber Dhat feßr menig 3 cit ließ, unter ben
oerfdjiebenen BerficherungSinftitnten, bic ihnen 3111 * Beringung
ftehen, bie iljren BetriebSoerhältniffen zmecfbienlidptcn auszumählen.
Diefe Bi'ahl erfdjien um fo fdjroercr, als bis ^eulc nod) feines ber
Snflitute in ber Sage mar, abfolut flarc Bebiuguugcn zu firiren.
Die autonomen BerfidjerungSgefellfdjaften haben iljre Dartfe bem
oergrößerten Bififo beS neuen ©efepcS noch nidjt angepaßt. (*s
I bebarf fogar erft ridjtedicher (Sntfdjeibung, ob nnb mie meit bie
Soziale ^rayis. dcntralblatt für Sojialpolitif. Br. 3,
©ogiale ^ragiS. Gentralblatt für ©ogialpolifif. Rr. 3.">.
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9(i8
bigherigen Serficherunggoerträge burd) bag neue ©efefc annuttirt
werben. SBag bie für bie Heineren ©eroerbetreibenben beftimntten
folibarifc^ baftenben ©arantieoerbänbe betrifft, fo fehlen nod) faft
alle ©efidjtepunfte für ihre Drganifation, ba bie SSerroaltungg*
bebörbe oerfäumte, SRufterftatuten augguarbeiten. SSo bie SSer*
bänbe cntfteben, bebürfen fie gubem noch ber abminiftratioen
©tatutengenehmigung, bie big jejjt feinem einzigen ertbeilt werben
fonnte. Um ber Verlegenheit ber Unternehmer abgubelfen, hatte
ficb bie Regierung entfdjloffen, bie freie ftaatlidje Unfattrentenfaffe
für bie 3 T °ecfe ber Uttfattoerficherung oerwenbbar gu machen. Rach
bent gelteitbeit Reglement oerfid)ert biefe .taffe blofj gegen fi$e
Prämien non 3, 5 imb 8 3rcg., benen eine ©taatgfuboen'tion gu*
gefügt wirb. Rur burcb ein ©pegialgefefc fonnte ihr £hätigfcitg*
bereich auf bag erweiterte Rififo auggebebnt werben, welcbeg ben
Unternehmern burcb bie neue llnfattoerficherung erwäcbft, wogu
aufjetbem neue Vrämientarife nöthig waren. $>ie ^eputirten*
fammer hat bte Regierunggoorlage angenommen unb bie Tarife
füllen bemnacbft neröffentlidjt werben. $ie prpfüfcben Schwierig*
feiten hoben alfo bod) bie Rothwenbigfeit ergeugt, eine ©taatg*
oerficberung gu organifiren, unb eg wirb augfchlieftlich non ber
£>öhe ber $rämientarife abhangen, ob biefe ©taatganftatt nicht alle
autonomen Verfid)erunggorganifationen oernicbtet. ^ie einmonat*
liebe Verfchiebung beg Augführunggtermineg ber llnfattoerficherung
wirb übrigeng feine Rad)theile für bie Slrbeiterfcbaft bringen.
$ag Sranfett» unb UufaÜbcrftdjeningggcfch in ber ©d)ttetg.
Rad) langen Verhanblungen hot ber Vuttbegrath in ber Vunbeg*
uerfammlung ben Antrag geftellt, bie Veratljuug beg ©efefceg über
Mranfen* unb UufallDerficherung mit Vefdjleunigung gn beenben
unter Aufnahme ber Veftimmung, bafe bag ©efefc erft nach Sicherung
ber finangietten ^Mittel in traft treten foll. 3ur Sinangirung ift
eine befonbere Sinangquette in Angfidjt gu nehmen; alg foldje
feblägt ber Vunbegrath ein Sabafmonopol auf folgenber ©runb*
läge oor.
1 . £ie Einführung bes labafmonopolg barf bic Qualität ber für
beit (Mrofuheil nuferer Vcoölferimg beftimmten Sabafc unb Eigarrcu
weber oerfdjledjtern nod; bereu VreiS oerteuern. 2. $en ©erhältniffen
ber bei ber labafinbuftrie befdjäftigfen Arbeiter ift burcb beit Leiter*
betrieb ber gegenwärtigen gabrifen in ©taatgregie weitgebenbfte
Rcdwung gu tragen. 8. Xer ftortbeftanb ber oorbanbenen Iabaf=
fulturen foll burd) Einführung bes SWonopolg nidjt in ftrage geftdlt
werben. 4. Aus bem Reinerträge beg Sabafntonopolg foüeu ben
tantonen nad) SMaftgabe ihrer Veuolferuitg 25°/o gugefchteben werben
mit ber |Vcrpflid)timg, bie begüglichen Cuoten für bte Hebung beg
i>olfgfd)ulwefeng gu oerwenben.
Am 5. Suli traten bie eibgenöffifchen Räthe gu einer aufter*
orbentlicben ©effion gufammen.
Verfidjentug gegen KrbeiMloftgfeit in flnterifa. Slug ©an
Srancigco wirb gemelbet, bafj bort falifornifebe tapitaliften eine
^Berficherungggefenfcbaft gegrünbet hoben, welche bie Gntfdjäbigung
für Vohnocrlufte in Jolge unocrmeiblicher Vefchäftigungglofigfcit
übernimmt. 3)ie Vcrfid)crunggpolice garantirt bent ©tettettlofen
auf einen gewiffen 3 e itnium, j c nad) ber £>öf)e ber bezahlten
'Prämie, ober auch big gur Erlangung neuer Vefd)äftigung,
bie Sluggahlung oon % feineg früheren Verbienfteg. ffeenn ber
Verficherte bei probeweifer Uebernahme einer neuen ©teile einen
geringeren Vohn begie()t, beeft bie Verfichcrungggcfettfd)aft ben j
Ausfall.
Xot|lfo^ct9eiitttit)tiiiigen.
£>. Srcefeg Schrift „SaBrifantenglütf". £er befannte Sabri*
faut £>. 5^reefe*S3erlin hot unlängft eine ©ebrift*) h era oggegeben,
bie ben iitcl führt „Sabrifantettglücf! Gin SBeg, ber bagu führen
fami." £er Verfaffer hot fchon 1896 „gfobrifantenforgen" oer*
öffeutlicbt, worin er u. Sl. fehr erfreuliche Erfahrungen in ^Betreff
beg in feinen 3-abrifen eingeführten ad)tftünbigen Sfrbeitgtageg i
näher barlegt, ©eine neuefte ©dirift „^vabrifantcngliicf" befdjäftigt !
iid) augfd)lief3lich mit ber Eiewinnbetheiligung. Gr nennt fie bag
„mirffamfte s Diittel gur S>erföhnuug gwifdjcn Slrbeitgeber unb |
Vlrbciier unb eilig ber wirffainfteu gur .^ebung ber Vage ber |
arbeitenben tlaffen" unb behauptet, „bafg eg fein Öohnftiftem giebt,
bag eine gered)tcrc unb roiffenfdjaftlidjere EJruublage hot". j
(liegen ben Giumanb, bag nur ber lluternehmer einen geredjten |
Slnfprud) auf ben (Gewinn habe, bemerft Tvreefe, „bajj bie meiften |
Vlftionäre fapitaliftifd)er (Gefellfdjaften bod) aud) mit ber Veituug j
I Ei)ciiadi, Verlag uou "))l. '^ilcfcug. ^vrig M. j
garniefttg gu thun hoben, trobbem aber ihre ^Dioibenben einftreichen.
Rtan follte meinen, baft fo gut wie bie Slftionäre, auch bie
gefteüten einen Slnfprucb auf einen gewiffen Sfntheil nom ?Rein*
ertrage hoben füllten." 2)em Ginwanb, bafj eine Slntheilnahmc
am (Gewinn nur guläffig fei, wenn bie Slngeftellten auch am 33er=
luft theilnehmen, holt er entgegen: „Slucb bte $)ireftoren oon Slftien«
gefeüfchaften begießen hohe Tantiemen oom ©ewinn. Gg ift aber
noch nicmalg« Qemanbem eingefallen, fie and) gunt Serluft
gugieheu. Söo bie Arbeiter aug ihren ©ewinnantheilen Slftien ober
©efdjäftgantheile beg llnternehmeng enoerben, ftnb fie überall in
gleicher Söeife wie ^ireftoren ober Sluffidjtgräthe, bie gleichzeitig
Slftionäre finb, bem ^erlufte auggefefct."
„5aft alle Unternehmer, fagtjrcefe, beflagcn fid) bariiber, bah bie
®2ehrgahl ihrer Arbeiter bie ihnen übertragenen Dbliegenheiten nur mit
geringer Sorgfalt unb öuft augführen unb ficDen bag geringe Siitcrfffc
ihrer Veute bem oon ihnen felbft entmidelten Gifer gegenüber, ©ie
überfeheit babei Iciber, wag biefe grofje Hcrfdjicbcnheit in ber 2trbcito=
Ieiftung heruorruft. 2Bic tann ber Arbeitgeber ucrlangcn, bafj bei* Sn--
geftellte mit bem gleichen Gifer bic ©efrfiaftgintereffen wahrnimmt wie
er, ba er für fid) felbft, bic AngefteHten aber für einen Anbern arbeiten
ntüffni? icr i^ergidit beg Unteruehmerg auf einen befebeibenen 5hcil
beg Reingewimtg erhebt ben AngefteUten oon ber einfadien ©tufe beg
Entlohnten gu ber höhnen beg SKttnrbeitcrg unb ^etheiligten, uou
bem ber Unternehmer anbere Veiftungen beanfprueben faitn unb er»
retdjen wirb."
$>ag Slutbeilfpftem foll iwifcbeu Unternehmern unb Arbeitern
bag einigenbe Banb bilben, bag oem heutigen Öobnft)ftem, wie ber
Anblicf lehrt, fehlt:
„£ie Arbeiter ftnb, wie ber Unternehmer, benfenbe unb fithlenbe
^ctcit, bie bie Arbeit ihrer £>änbe alg ihr ehtgigeg werbenbeg Kapital
bent Unternehmer gur Mitarbeit aubieteu, um Arbettglciftuugen aug.ju»
führen, bie er allein nidjt übernehmen fanti. ^)aB biefe 3)iaffe arbeite*
williger £>äitbe bem Untcniehmerthum heute feinblid) gegeniiberffeln,
anftatt an feinem Erfolge mit Hopf unb .fianb thcilgimehmen. ift bag
einbringlidjfte Reichen bafür, bah in bent heutigen Vohufnitem nid)!
aüeg jo ift, wie eg fein follte. Xie '©ctheiligung aut Unternehmer»
gewinn fattn hier ^elfcnb eintreten. Rid)t alg eine einfache Vohngulage
ober gar alg eitt Almofen, fonbern alg ein tteueg Vohnfnftetn, bag bte
oorhanbetien ©egettiäfce überbrüdt unb alle 23etf)eiligten eineg Unter»
nchmettg gu einer Familie oereinigt."
3>er Serfaffer hat bie ©ewinubetheiligung 188-8 für feine Beamten
an ©teile ber früheren Söeihnachtggratififationeu eingeführt unb
mit einem Anteil oon 2% beg Reingeminng begonnen, ©either
ift ber Antheil feiner Beamten auf .5% unb ber ber Arbeiter auf
772% erhöht worben, fobafe gegenwärtig 1272 % gur SScrtheilung
fomtiten. S)ie Slrbeiter erhalten % ihrer Slutheiie baar, bag le^te
drittel fließt in eine oon ihnen oerwaltete Unterftüfcunggfaffe, bic
bag Gigenthum ber Arbeiterfchaft ift. ^ie Anteile ber ^Beamten
fchwanftett in ben Sahren 1888—1898 gwifchen 3% unb 24^4 °, 0 ,
bte ber Arbeiter gwifchen 0,43% unb 7 , 33 % ihrer fefteu ©.ehalte
unb Vöhne. Qtt ber 3eit oon 1888—1898 flieg bie 3)urchfchnittg»
gahl ber AngefteUten oon 114 auf 255 unb ber Utnfafe oon
422 371,69 dt auf 1 127 076 f (C. 2)ag ift eine Steigerung beg
Umfafeeg um 167 %, währenb tu bem gleichen 3eürautn ber ©e»
fd)äftggeminn um 268% ftieg, unb gmar nach Abgug berAntheile
ber ^Beamten unb Slrbeiter. „3ch h^be alfo" — fo bemerft ber
SSerfaffer — „feine S3eraulaffung, mit ben Grgebniffett ungufrteben
gu fein."
$ertfbtißmtg. Qn bem Söecicht über bte ^onfereng ber Gcittral*
fteUe für 2Sohlfahrtgeinrid)tungen in Stuttgart (oergl. ©p. 931) ift
mitgetheilt, ba& £>err ©eh- £ber*Regierunggrath Dr. $oft [ich bei
ber 33erathung über bie ©äualinggfürforgc für bie görberung ber
.V>auginbu}trie auggefprochett habe. s Bie mtg gefd)riebett mtrb, be*
ruht bieg auf einem 3rrthum ber ^Berichterftattung. §err^oft gab
in ber Debatte feiner Auffaffung Slugbrucf, ba6 bie Grippe beg*
halb, weil fie ber Arbeiterin bic äßöglidjfeit gewähre, ihrem 5kr*
btenfie in ber ??abrtf nadjgugehen, in manchen ÖdUen eitt noth s
wenbigeg Ucbel fei, bag bigweilett nicht gu oertneiben fei. ©runb*
fab follte cg aber fein, nicht jebeg Siitb aufgunehmen, beffen Butter
barunt nad)fud)t, fonbern genau gu prüfen, ob wirflid) bag
briugenbe S -Bebnrfitiö oorlicge: „3n manchen Sötten fonnte ein
Slugweg baritt gefunben werben, bafe man ber Butter burch §aug*
nrbeit einen Skrbicnft oerfchafft, ber eg ihr ermöglicht, bte pflege
iljrcg .Stinbeg felbft gu übernehmen." $err s ßoft hat alfo garuidjt
oon ber .ymuginbujtrie im gewöhnlidjen Sinne beg SSorteg ge*
fprod)cit, fonbern nur oon eittgelnen Sötten oorübergehettber ^)aug*
arbeit, um ber Butter bie pflege il)reg £inbeg gu ermöglichen.
N fi?ie ung $err $oft itberbieg fdjreibt, ift er ein entfd)iebener ©egiter
ber .sSaii^inbuftrie.
966
965
Soziale $ra£is. Gentrnlblntt für Sogialpolitif. Rr. 35.
Sojtalc IJqgient.
taBerfubf^feiigrrf in ©erlin.
Vom 24. Bis 27. Rfai tagte im Reid)StagShaufe unter bem
Vroteftorate her Kaiferin unb bem ©hrenoorfip beS ReidjSfanglerS
dürften Hohenlohe ber Äongrefe gur Vefätnpfung ber XuBerfulofe,
beffen äufeerer ©lang feiner inneren Vebeutung entfprad). Staats*
fefretär ©raf o. ^ofaboroSfp, ber Vorfipeube beS ©entralfomiteeS
, 5 «r ©rrid^tung oon ^eilftätten für Luitgenfranfe, eröffnetc ben
Äongrefe im Ramen beS ReichSfaitglerS, bie Vorftpenben beS
DrganifationSfomiteeS, £>ergog. o. Ratibor unb $rof. o. Lepben,
leiteten bie Verhanblungen, ©ep. Kommergietirath o. RJenbelsfohn*
Vartljolbp mar Schapmeifter unb Stabsarzt Dr. $annroip ©eneral*
fefretär. X)ie beutfefeen unb bie auSlänbifdjen Regierungen haben
ABgeorbnete entfanbt, eBenfo Sßrooingial* unb ©enteinbeBehörben,
Unioerfitäten, Aergtefammern unb *oereine, Väber, VerufSgenoffen*
fdjaften, Kranfenfaffeu, VerfithernngSanftalten, Teilftätten*Vereine
unb fonftige gemeinnützige Korporationen. Xie 3al)l oon attbert*
BalBtaufenb SE:^eiIne^mern ift an ftd) ftpon ein VeroeiS, mie meite
Kreife bie Veroegung gur Vefätnpfung ber XuBerfulofe, biefer
furdjtbarften VolfSfeiicpe, gezogen Bot.
3für Xeutfcplanb allein Bot man bie 3ahl ber Lungenfranfen
auf meBr benn eine Rüdion Beregnet, mouon jäBrlid) etma ber
achte Bis neunte XBeil fierBeit, für granfreich mürbe bie gleiche
3iffer oon $rof. Vrouarbel ßßariS) Beregnet. XaS Blüfjenbe Filter
ift bie Befte ©rntegeit ber ßnngeitfchroinbfucht. Saft bie^älfte aller
20 Bis 24jÜBrigen männlicBen (47,7 %) unb meBr benn ein drittel
ber roeiBlicpen Snoalibenrentner (36, 8 %) finb ihre Opfer, unb bie
3aBogänge 25 Bis 29 fteHen immer noch 45 unb 30,7%, baS
Alter oon 65 Bis 69 3aBren nur 2,> unb i, 2 %. 3e tiefer baS
fogiale Rioeau, je geringer bie ©iberftanbsfähigfeit. 3« Hamburg
entfielen itacB ber RJittljeilung ber £>anfeatifcBen Verfid)erungS-
anftalt (X)ireftor ©eBharbt*£übecf)
2uberf.*3älle
auf 1000 3teucr.ia^Ici* mit einem oMufoinnien über 3500 M 1
* 1000 - * »non 2000-35CR) * 2
* 1000 * = = 1200 2000 «= 2»/,
= 10CM) * = = * ' 900 1200 * 4
Sei ©infommeu unter 900 ,V/ mirb feine Steuer erBoBen;
Bei biefer Stufe fmb minbeftenS fünf Sülle au XuBerfulofe angu®
iteBmen. Stuf 10 000 Steuerzahler mit einem ©infommen üoer
2000 , // fommen 15, auf biefelBe 3af)l mit einem ©infontmen
unter 2000 JL 40 XobeSfäde an XuBerfulofe.
©rünbe für biefe ©rfcheinung mürben nicht menige angeführt.
ABgefefjen non ber Rechteren ©rnährung unb bem geringeren
Sinn für bie Verhütung ber Aitftecfung, bie ifolirenbe Seljanblung
unb Wartung ber Kranfen mürben in erfter Linie bie fc^fedjten
©ohnungS* unb ArBeitSraum*Verhältniffe angefchulbigt. Statt
20 cbm Luft im ©ohnrautn unb 10 cbm Luft im Schlafraum
fommen oft nur 3—4 cbm Luftraum auf bie $erfon. ©efieigert
mirb bieS ©lenb burch ben Rfaitgel an Lid)t unb ©afferleüung unb
bie Veitupung folc^er Räume gleidj^eitig gu geroerhlichen 3mecfeu,
burch bie TeimarBeit (Vrof. RuBeiter*Verlin). XaS ungeniigenbe
Äranfengelb, bie mangetnbe Sid)erftedung ber t?amilic beS Sir*
BeiterS roährenb ber Vehanblung oerhinbert ben rechtzeitigen Vegiitn
ber Kur. ©irb biefe aber rechtzeitig Begonnen, fo ift bie ©e*
nefuttg möglich, baS ift bie UeBergeugung, bie bie Vorträge ber
mebiginifchen <vacBgeIehrten ^inlerlaffen. ©erben Bei ben fchmereren
SäHen auch Riebifamente für nöthig Befunben, fo ift bie Bngieitifd)*
biätetifdje Sehanblung in Befonberen Slnftalten unter richtiger
Serroenbung ber #uft, beS Siebtes, beS ©afferS unb ber ©pmnaftif
ber Sruft* unb ÄörpermuSfulatur baS attfeitig anerfannte erfolg®
reiche Serfahren. e erfte Befonbere ^eitftätte für Sungeitfranfc
ift groar in ©rtglanb fchon 1814 im Royal Hospital for Diseases
of the Chest Begrünbet, unb ähnliche 2$erfud)e finb in allen fulti*
oirten Staaten unternommen; aüein eine gielBemufete ftetig
roachfenbe „fjeilftättenBemegung" Befteht erft feit gehn Sahnen unb
Bat ihren Urfprung in ^eutfchlanb, mo S9rehmer bie £>eilBarfeit
ber XuBerfulofe ermies, roo ihre (frfenntnife burd) Robert Kochs
CSutbecfung beS XuberfelBagiüuS einen SSorfprung oor anberen
^änbem gemann unb roo enblith bie SogiatgefefegeBung bie|>anb*
habe Bietet, bie reichen Rtittel ber SerficherungSanftalten im Snter®
effe ihrer 2krfi<herten nach bem Vorgehen beS XireftorS ©eBBarbt®
SüBecf ber $eilftättenBeroegung bienftbar gu machen.
Rur bem 3ufammenroirfen oon Staat, 55erficherungSanftaltcn
unb prioater ©ohlthätigfeit mirb bie ©efriebigung beS Sebürf®
niffeS gelingen; bie Äranfenfaffen reichen gur Öofung biefer Sluf®
gäbe nicht aus. S)eitn etma 50 000 ^erfonen jährlich Bebürfen
ber Aufnahme in folche §eilftätten, für bie Bei einer burchfchnitt*
liehen §eilbauer oon 6 ©onaten 25 000 Söetten erforberlich finb,
bie eine einmalige Ausgabe oon 100 RüHionen ©arf unb Bei
4 c 4L täglichen Äoften beS Äranfen eine bauernbe Ausgabe oon
jährlich 37 Millionen Rfarf erheifchen (ßanbeSrath ©eper). ©egen®
roärtig fmb aber in X>eutfd)lanb erft 21 $>eilanftalten mit
1486 Setten; eine Reihe roeiterer ift allerbingS im 93au Begriffen.
X)er §>anbroerfer® unb ärmere Rlittelftanb ift oon bereu Senufeung
leiber Bis jefet faft gang auSgefchloffen (§err §othe*9Rünchen).
23ei biefern llmfang beS SebiirfniffeS uiufe ber Vorbeugung
beS RuSbrucheS ber Äranfheit baS .s^auptgeroicht Beigemeffen roerben.
X»ie RahrungSmittel (Rülch, Rinb®, Schroeinefleifd), ©eflügel) müffen
burch e ^ nc 9 u t e ftaatliche (^efunbBeitSgefe(jgeBnng (R. Virchoro)
Übermacht, bie ©Befchliefeung oon Xuberfulöfen unb bereu ©efaBren
burch öffentli^e unb prioate Velehruug (Ri. Kirchner®Verlin) oer®
rinaert ober oerhinbert roerben, bie Kinber oor ber Slnftecfung Be*
roahrt unb erfranfte burch Minberheilftätten, Seehofpige u. f. m.
auSaeheilt roerben (§eubner unb Salomon*Verlirt). 3m Qrofeen
RiafeftaBe aber fann bie Schroinbfuäjt nur burch eine gielBemufete,
planmäfeige Sogialpolitif befämpft roerben. ©ute ©ohnungS*
gefefee unb Vauorbuungen, Slenberung ber gegenmärtigen, auf
fchöne Jacoben gugefchnittenen Vaumeife, X)ingc, bie feit 30 3ahren
Be* unb oerfprochen finb, müffen bafür forgen, bafe gefunbe ©oh s
nungen auch für bie RiinberBemittelten Bezahlbar finb (RuBener),
ber SlrBeiierfchufe B^i bk JaBrifhpgieue fefjärfer gu Betonen, bie
^abrifen fmb mehr auf baS £anb gu oerlegen. ^er Vegriff ber
(SrroerBSunfähigfeit ift bahin gu erroeitern, bafe bie rechtzeitige ©in*
Ieitung beS §eiIoerfahrenS ermöglicht unb fo bie Slrbeitsfraft er*
Balten bleibt. Unentgeltliche Sputumunterfuchungen in Staats*
ober ©emeinbeinftituten, Siirforge für bie Familien ber Shranfen
unb bie aus ber .^eilftätte ©ntlaffenen (Dr. Vannmip) müffen bic
Teilerfolge unterftüfeen; fie bauernb fichern fann nur bie |>eBung
beS fogialen RioeauS. Xer Vertrauensarzt ber ©entralfommiffion
ber Kranfenfaffen VerlinS, Dr. ^friebeberg, erflärte, bafe unter ooder
3lnerfennung beffen, roaS bie Regierung unb oor adern auch baS
©entralfomite gur UeBerroinbung biefer VolfSfeuche gethan B a H
bie Slrbeiterfchaft X)eutfchlanbs erft oon einer auf ber VafxS un*
Befchränftefter Koalitionsfreiheit fed) aufbauenben ©rringung Befferer
Gebens* unb ^IrbeitSoerhältniffe, oon einer burdjgreifenben ?lenbe*
rung ihrer gangen ©riftengbebingungen fuh eine oödige unb enb»
gültige UeBerroinbung ber XuBerfulofe oerfprechen fann.
XaS ©eutralfomite Bade ben planmäfeigen Kampf gegen bie
XuBerfulofe gu feinem Programm gemacht unb es Bat biefe $uf*
gäbe fomeit als möglich gelöft, inbern eS Vertreter oder gaftoren
unfereS VolfShauShalteS, oon Staat unb ©emeinbe, oon Riebigin
unb VolfSroirthfchaft, theoretifcher unb praftifcher Sogialpolitif gu
genteinfamer Arbeit gufammengufaffen oerftanb. Seine Verhanb*
lungeu, bie im ftenograpBifd)en ©ortlaut erfcheinen roerben, ftedeu
ein oodftäubigeS Kompenbium ber ©iffenfehaft oon ber XuBerfulofe
bar. deshalb mirb ber Kongrefe ein Rfarfftein in ber ©efd)id)te
ber SchminbfuchtsBefämpfung fein; XerVcginn eines plan®
mäfeigen Kampfes gegen bie oerheerenbfte Volfsfeudje
ift eine fogiale XBat ber VolfShpgiene!
SüMtfcfee ©eftrabhettSmfpeftonimeit in ©nglanb. 3« VinningIjam
unb 50?ancf)cftcr finb, rote ber „Vorroärts" berichtet, oerfuchi'rocifc
vier grauen als ^nfpeftorinnen für ©efunbheitspflege angefteüt roorbeti.
obre Aufgabe befteht barin, arme AamilienmiUter in ihrer Täuslichfeit
anfgitfuchen nnb ihnen in allen V>ol)lfabrtSangelegenbeiten, roie bem
lüften ber ©ohnränme, ber fnnftlicben Ernährung fleiiter Kittber :c.,
mit Rath an bie Taub gn geben. 3» Rtandjefter, roo biefe ßinrichtung
fchon einige 3 c it befteht, foÜ fie ftd) beroäbrt haben. — Unferc „^nns?i
pflege" verfolgt äbnlid)c 3i c R-
X)ie gleichzeitig Bifnnit auSgegeBene Rr. 9 ber RfonatSfchrift I
f ^aS ©emerBegeridh^ enthält; I
Xie Lohnzahlung Bei oorüBergehenber RrbeitsBehinberung |
nach S- 616 beS Vürgerlichen ©efefeBiichS. Von Stabtrath oon
,3rattfenBerg, Vorfifeenbem beS ©eroerBegerid)tS Vraunfchroetg. —
626 beS Vürgerlidjen ©efefebuchs unb §§. 123, 124 ber ©eroerbe*
orbnung. — Rechtfprechung. Rtittheilungen aus ben ©tu*
fdjeibungeu ber ©eroerbegerichte LubroigShafeit a. Rh-, Solingen,
XreSben, Hamburg, Stettin unb eines fiibbeutfchen ©croerBcgerichis.
— Allgemeines über ©eroerbegerichte unb ArBeitSoertrag
Aus ben 3af)i'esBerid)ten non ©eroerbegeridjten. — SnhaltSangabe
ber „Sozialen ^rayis".
SerontworUidJ für Me «ebaftion: Dr. «ruft gtanefe tn »erltn W., SagreutMrftra&e 2«.
967 ©ojialc prajis. ßmtralblatt jiir ©ojialpolitif. 5?r. 35._nfis
2 j g~ TT~ ertdieint an itbem Sonnentag unb ift bur$ ade »mtbanblunsen unb tpoiUmter (<poitjeituii 9 «mu.iiner 7072 )ju bejicljen. Sn UreiS
•' s ’" cu, v fflr baS ä) ierte i ja&t ift an. 2fi0. 3ebe Stamm«' foftet 30 $f. Ser «n}eifl enptei8 i ft 60 <|if. für bic btageipattene ttfetitjetle.
(Soeben erschienen:
Der Arbeitsnachweis.
Eine sozialpolitische Studie
von
Dr. jur. Richard Freund,
Vorsitzendem der lnvaliditäts- und Alters - Versicherungsanstalt Berlin and des Verbandes Deutscher
Arbeitsnachweise.
Erweiterter SonderabdrucK aus der ,,Sozialen Praxis“.
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel in Berlin W.
Preussische
Gebührenordnung
für
praktische Ärzte und Zahnärzte.
Herausgegeben von
Dr« med, Ed. Müller.
Gr. 8°.. 23 S. Preis 40 Pfg.
Preis i Mark.
Soeben erschienen:
Der Export
landwirtschaftlicher und landwirtschaftlich¬
industrieller Artikel
ans den
Vereinigten Staaten von Nord - Amerika
und
die deutsche Landwirtschaft.
Studie
von
Carl Simon
in Mannheim,
König!* rumänischer Konsul für das Grossherzogtum Baden und die bayerische Pfalz,
Gr. 8°, XII. u. 13a Seiten, Preis 2 M. 80 Pf.
Verlag von Duncker & Hu mb tot in Leipzig.
Die landwirtschaftiche
Konkurrenz Nordamerikas
in
Gegenwart und Zukunft.
Landwirtschaft, Kolonisation und Verkehrswesen
in den
Vereinigten Staaten und in Britisch-Nordamerika.
Auf Grund von Reisen und Studien dargestellt
von
Max Sering.
---1887. Preis 15 M. -
Die Handelspolitik der wichtigeren Kulturstaaten
in den letzten Jahrzehnten.
Berichte und Gutachten, veröffentlicht vom Verein für Socialpolitik.
3 Bände. Preis 22 M. 20 Pf.
Erster Band: Die Handelspolitik Nordamerikas, Italiens, Oesterreichs, Belgiens, der Niederlande, Dänemarks,
Schwedens und Norwegens, Russlands und der Schweiz in den letzten Jahrzehnten, sowie die
deutsche Handelsstatistik von 1880 bis 1890. 1892. Preis 13 M.
Zweiter Band: Die Ideen der deutschen Handelspolitik von 1860—1891. Von Walter Lotz. 1892.
Preis 4 M. 60 Pf.
Dritter Band: Die Handelspolitik der Balkanstaaten (Rumänien, Serbien und Bulgarien), Spaniens und
Frankreichs in den letzten Jahrzehnten. 1892. Preis 4 M. 60 Pf.
g. $tnridj$’fdje gudjIjanMung in geipjtg.
ifljialpfdjr SrrldjiTit Handelspolitik Englands nnd seiner Kolonien
Hilßdug krs g}tißntiM uk ij|rt JPibttlegug
oon
Bcvutann Büljlcv.
SKit einem Slnfiang: 9$ortrag*tl)cninta mit»
aiKSfiiljrliriiem :)tegiftcr. !
IV, 272 Seiten. $?reis» SK. 4.40, gcb. 3R. ."».40.
Tic erfte ebenfo grüiiblidie lüie fadiucrftdiiDittc 1
xHrlu'it über biejen Hornmrf. I
in den letzten Jahrhunderten.
Von
Karl Johannes Fuchs.
1890. Preis 7 M. 20 Pf.
(Schriften des Vereins für Socialpolitik Band 57.)
ik'caniiDüiiüu) tue ötc Hfücigni; .pcUmuü) Weibel, l'eipjig. — iurlag nun $uncfei \ ymiiblot, iiayjtg. — ük’Dnuft bei ^ultud Sittcnfelb, Srrlin.
VDL Inprgang.
Berlin, bett 8. 3Suni 1899.
flnmmtr 36.
Soziale praiis.
^ettfralblatt für ^ogtctrpoCifiß
mit ber RtonatSbellage:
Das (Bewevbegericht.
(Organ bes Derbemt>es beutfdjer (Bemerbegerigte.
Reue fjoige ber „Vfätter für fokale prajrtS" unb be$ „Soglalpolittften ©entralblattg*.
©rfgeini a« jefcem Stnterfl*§»
Rebüftton: Berlin W., Vafereutherftraße 29.
Herausgeber:
Dr. Cr»i(l «frandu.
grd« »ierteliftlrlht 33 W. 60 gf.
Verlag bon Tuncfer & 4>umb(ot, ßelpgtg.
„©gufcbeß gewerbltgenölrbeitß«
öerbältniffe«". Bon Dr. ©rnft
Stande, Berlin.969
©ie amtlige beutfge Streif«
ftatiftif.974
KHccmetnc ©«fttel« nub *«f£9»
gBlttif.978
©ie gefertigt Regelung ber
©igarren»#außtnbuftrte. Bon
®bgar Soff6, Berlin.
©ie beruflige unb fojtale ©Ueberung
beS beutfgen Bolfeß.
•»»tele 3*n*»U ..981
Sanitäre Berbültniffe im Bäder«
gemerbe Sßfenß.
©entralwerfftätten für Perlmutter«
fnopfbregßler in SSien.
tforporatioe ßobnregelung im 3i m *
merergewerbe non Pari«.
Bergarbeiteroerbültniffe in Spanien.
ttdeiterbcinec«»«.982
©eutfge gewerffgaftUge Arbeiter«
fongreffe.
©Ifter ©elegirtentag beß ©ewerf»
Oereinß bex beutfgen Btafginenbau«
unb Sfietallarbeitex ju Äugßburg.
©er Aufiftanb ber Brfinner Textil¬
arbeiter
©in ftongrefe ber ungatifgen ©emerl«
fgaften.
©er ©iamantarbeiterbunb in Amfter»
bam.
©ie SRaffenaußfperrung in ©änemarf.
©er Außflanb in ben ©ifenwerfen
non Se ©reufot.
grtieblige Beenbigung beß Ärbeitß*
fampfeS im Baugewerbe ©nglanbß.
ttrbettßaagtoei#.986
©ie Beamten bei fommunalen
ftrbeitßnagweifen. Bon Stabt«
ratb Dr. St. $lef g, ftranffurt a. 8H.
©er ©entralöerbanb beutfger $n«
buftrieüer unb ber grbeitßnagweiß.
©in paritätifger Arbeitßnagweiß in
Seipjifl.
SünbligeArbeitßoermittelung in Baben,
©er Arbeitßnagweiß ber beutfgen
©ewerfbereine unb eoangelijgen
Slrbeiteroereine &u ©reßben.
8ittet«*if*t tteftritai.990
3 ttl|aU.
gbbrud fämmtUgex Artifel ift Bettungen unb ßeitfgriften geftattet, jebog nur
mit ooQer Quellenangabe.
„$d)ig genterbligen ^VrbetteoegälhttflTe?“.
„2Senn immer," faat Abam Smith, „bie ©efefegebung bie
3roiftigfeiten groiften Arbeitgebern unb Arbeitern gu regeln unter**
nimmt, finb ftets bie Arbeitgeber ihre Rathgeber." TaS mar oor
125 fahren fo, unb roenn mir uns ber Vorgeftit* e beS nunmehr
oorliegenben ©efefeentrourfeS gum Stufee beS gemerblidjen Arbeite**
oerhäliniffeS erinnern, fo müffen mir mit einem bitteren fiäcfjeln
eingeftefjen, baß eS aut fytute nodh fo ift! Seit 3a^ren roirb bie
Sicherung unb ©rroeiterung beS KoalitionSretteS mehr unb mehr
ber Kernpunft ber gangen Sogialreform. Tie Arbeiter felbft, fo**
roeit fie bewußt im Kampf um beffere SebenSbebingungen fielen,
fpaaren fid) ohne llnterfdfjieb ber Rittung um bieS paHabium,
einfid^tige bürgerliche Sogialpolitifer, barunter auch gasreiche
Arbeitgeber, befürmorten biefe ^orberung, ber Reichstag h«t fich
roieberholt mit großer SKehrljeit für größere BcroegungSjreiheit unb
Anerfennung ber ©erufSoereine auSgefprochen, noch jüngft h^t
eine impofante ^unbgebung für bie (Gleichberechtigung ber Arbeiter
erlebt. 3Die oerbünbeten Regierungen aber pben hierfür taube
Df)ten; ftc folgen ben Mahnungen einiger mächtiger Unternehmer«*
oerbänbe unb treten, aHerbingS erft na$ langem Sägern, jefet mit
einem (GefefceSüorfdjlage hetoor, beffen SSerroirflichung baS
SloalitionSrecht auf bem Rapiere freilich unangetaftet läfet, in
TOrflichfeit aber für bie Arbeiter aufs Aeufjerfte gefährbet.
S)ie (Stifette gmar fieht hannloS genug aus: „0chuh beS
gemerblichen ArbeitSoerhältniffeS," heifei U e - ® er wollte bas nicht?
UnmiÜfürlich benft man ba an Riafenahmen sum frieblichen Austrage
oon Streitigfeiten aus bem ArbeitSoertrage, an eine 8fortbilbung
ber (Geroerbegerichte, an (SinigungSämter unb @<hiebSgerichte, an
Arbeitsfammern. RichtS bergleichen! S)er Schüfe beS ArbeitS**
oerhältniffeS mirb mit einem brafonifchen Strafgefefee erftrebt, ju
bem, roie bie 2Rotioe bemerfen, eine fefearfe |imttbhabung ber %efutio*
poli^ei hingutreten foH. Schon bieS eine Moment fennjeichnet
bie ganx äufeerliche Auffaffung ber Arbeiterberoegung, roie üe in
ben mafegebenben greifen jur 3 e ü mieber herrfd^t roährenb noch
oor roenigen fahren roirflicfee (Sinficht in bie roirthühoftlichen unb
fogialen s JRomente roie in bie pfptholoaifchen Äriebfebern beS
Drängens unb Ringens ber Rtaffen nach öuft unb Sicht bie H<mb
beS ©efefegeberS geführt hat-
Aber fehen roir uns bie £enben$ beS ©ntrourfeS, ben mir
weiter unten im Söortlaute mittheilen, an. An Stelle beS
§. 153 ber ©eroerbeorbnung, ber aufgehoben roirb, tritt ein all**
gemeines Strafgefefe, beffen SSeftimmungen fich gleichmäßig geaen
Arbeitgeber roie Arbeiter bei mißbräuchlicher Anroenbung oeS
ÄoalitionSrechteS roenben follen. tiefes ©efefe bringt gunächft
gegenüber bem jefet geltenben RechtSjuftanbe eine ©rroeiterung beS
perfonenfreifeS, in bem bas ArbeitSoerhältniß gefchüfet roerben fott.
©S erroeüert fobann fefer erheblich ben ÄreiS ber Straftaten unb
erleichtert ihre Verfolgung. Auch behnt es baS Strafmaß nach
unten unb gang befonberS nach oben aus. Schließlich aber finb
feine Vorfcfenften vielfach fo unbeftimmt, baß ber Eunft ber Aus«*
legung ein ungemeffener Spielraum gefdjaffen roirb. Heber aE
biefe $)inge roirb noch ju reben fein. Aber es fommt oiel weniger
auf bie ©ingeloorfchriften an, als auf bie ©runbanfefeauung beS
©ntrourfS.
3n ben SRotioen roirb roieberholt baS Sßort gebraucht, Sicht
unb Schatten fottten burch baS ©efefe für Arbeitgeber roie für Ar¬
beiter gleich oertheilt roerben. Qftbeffen bie Ausführungen ber Ve**
grünbung Iaffen felbft erfennen, baß bei biefer Verteilung alles Sicht
auf bie Unternehmer, aller Statten auf bie Arbeiter fällt. $)enn
bie gefammten Rtotioe bilben faft auSftließlit eine heftige Anflage
gegen bie Arbeiter; ihnen roerben alle Ausbreitungen gur &aft gelegt,
fie allein roerben beS üftißbrauteS beS toalitionSretteS beftulbigt,
oon ihrem Terrorismus allein unb nur oon ihren Hefeereien ift bie
Rebe. Tie Verfehlungen ber Arbeitgeber gegen bie Koalitions¬
freiheit roerben nur gang beiläufig ermähnt. Tie „ftroargen
Siften", mit benen t^atfäd^Xid) Slrbeitcr aufSahre hinaus oon jeher
Veftäftigung in ihrem ©eroerbe auSgefperrt roorben fmb, roerben
auSbrücflit gebilligt. 3ebeS Streifpoftenftehen ber Arbeiter fod
ftreng beftraft roerben. Tie hunbertfaten Mittel ber Unternehmer,
fit S u oerftänbigen unb bie Turtführung einer Abmatung gu
ergroingen, roerben mit feiner Silbe berührt. SSer etwa glauben
fönnte, baß bie ftrengere Strafe für eine geftäftsmäßige roiber**
rettlit^ ©inroirfung auf ArbeitS- ober Sohnoerhältniffe aud) bie
angeftettten Agitatoren ber Unternehmeroerbänbe treffen fönnte,
971
Sogiale SßrajtS. Eentralblati für Sogialpoltttl. 97r. 36.
972
wirb in bcn ©otioert beleßrt, baß bamit nur bie Agitatoren ber
Arbeiter, bie „Streifreifen ben" genteint feien.
tteberßaupt fcßlägt in ben ©otioen immer roieber bie Auf*
faffung burd), baß eigentlich ber Streif bocß eine Auflehnung ber
Untergebenen gegen ihre rechtmäßigen Herren fei. Es rnirb gwar
platonifch gugegeben, baß bie Arbeiter ein Stecht höben, ihre Arbeit
xu oerroeigeru, wenn ihnen bie Skbingungen nießt gufagen. Aber
oaS §öcßfte, wogu man ft<h für bie $rajis auffchmingen fann, ift
bie Einräumung einer „aewiffen fachlichen ^Berechtigung" für Aus*
ftänbe. ©ang erregt roiro proteftirt gegen Streife, in Denen es fleh
nicht um ßoßn-, fonbern um ©aeßtfragen hanbelt. Unb bei ben
Arbeitswilligen fott eS fleh — fo wirb fchlechtroeg behauptet
— „um rußige, in bie Staats- unb SRecßtSorbnung fieß feßiefenbe,
für ben Staat befonberS nüßlicße Elemente ßanbeln, bie in ißren
mit ben Staatsintereffen gufammenfallenben perfönlicßen 3ntereffen
roirffam gu feßüßen eine wichtige unb bringliche Aufgabe ber
Staatsgewalt ift." 3ft eS wirf lieh bie ^fließt beS Staates, ben
Unternehmern billige unb willige ArbeitSfräfte gu fießern? ©ir
bächten im ©egentßeil, bie Allgemeinheit habe aüerftärffte
3ntereffe an einer wirtschaftlichen, fogialen, intettef tu eilen Rebling
ber ©affen, unb in ber fiöfung biefer Aufgabe gehen gewiß nicht
bie meift recht armfeligen Streifbrecher, bie bie ßößne brüefen
unb bie ArbeitSgeit oerlängem, fonbern bie organifirten Arbeiter
ooran.
33ertßeilt bie Abficht beS ©efeßgeberS £icßt unb Schatten feßon
feßr ungleich unter Arbeitgeber unb Arbeiter, fo ift nach *> er bis¬
herigen Sßrayis unferer ©erießte unb SSerwaltungSbeßörben gu er¬
warten, baß hier baS ©aß notß oerfeßiebener fein wirb. ©ir
haben bereits in einem früheren Artifel auf bie jeßt feßon oorßanbenen
3uftänbe ßingewiefen; wir finb beSßalb heftig angegriffen, aber
nid)t wiberlegt worben. 3eßt fommt gerabe gur reeßten Qdt bie
noch oor ber Sßubiifation beS ©efeßentwurfeS gefdjriebene SBrofcßüre
eines berliner Staatsanwalts, bie gwar feinen eingigen neuen (Ge¬
hanten bringt, aber ein SöeweiS für bie in ©ericßtSfälen ßerrfeßen-
ben Anfcßauungen ift. 3n ben Ausführungen ift mit feinem ©orte
aueß nur ber ©öglidßfeit gebaeßt, baß auch Unternehmer wegen
©ißbraucßs beS KoalitionSrccßteS, fei es gegen Arbeitgeber ober
fei eS gegen Arbeiter, gur Stecßenfchaft gegogen werben fönnten.
Es ift immer nur in fcßärffter SSerurtßeilung oon ben Arbeitern,
ißrem Terrorismus, i^ren AuSfcßreitungen unb Stoßßeiten bie
SRebe, für bie neue unb fcßärfere Strafen oerlangt werben, ©ir
wollen in bem SSerfaffer ber 23rofcßüre nießt ben TtjpuS ber
Suriften in ber Strafrechtspflege feßen, aber baS Vertrauen gu
einer Süßt unb Schotten in ArbeitSfämpfen gleich üertßeilenben
Sprutßprayis erßößt biefe Kunbgebung gewiß nießt.
Kein Unbefangener wirb leugnen, baß bei AuSftänben unb
AuSfperrungen Skrgeßen unb SSerbrecßen oerübt werben, bie büftere
glecfen in unferem öffentlichen ßeben barfteHen unb ftrenge Strafen
erßeifeßen. Aber bie ©efdjicßte ber Arbeiterbewegung feit ßunbert
3aßren beweift, baß Strafgefeß unb Sßoligei ßier niemals ©anbei
gefeßaffen ßaben; fie furiren auf Symptome, oßne ben Siß beS
UebelS gu erfaffen. ©egen berartige feßwere Ejceffe in ber Aus¬
übung oerließener S^ecßte giebt es nur gweierlei wirtfame ©ittel:
Tie Ergießung gu größerer ©efittung unb bie Erfüllung gerechter
Sefcßtoerben ber Arbeiter. 3« Englanb feßlt eS nießt an um-
faffenben unb erbitterten ArbeitSfämpfen, aber faft nie fommt eS
babei gu ©ewalttßaten unb AuSfcßreitungen; bie Ergießung bureß
bie Drganifation unb eine gefunbe Sogialpolitif ßaben ßier feßon
oute Qrücßte getragen. Aucß in Teutfcßlanb ßaben wir naeß beiben
Sichtungen Tyortfcßritte gemaeßt. ©ieberßolt ift eS in ben amt¬
lichen SößreSbericßten ber ©ewerbeauffießtsbeamten, befonberS aus
Sübbeutfcßlanb, anerfannt, baß bie Drganifation auf bie Arbeiter
ergießeitb, mäßigenb, berußigenb wirfe. Dffenficßtlicß bemüßen fuß bie
Leiter ber Arbeiterberufsoereine, oor leichtfertigen Streifs gu warnen,
©er freiließ in ben ©ewerffeßaften unb ©ewerfoereinen nur „Streif¬
oereine" erblicft, ber muß aud) leicßt gu ber Auffaffuncj fommen,
baß eine Sefcßränfung unb Verfümmerung beS KoalittonSrecßteS
eine SSerminberung ber ArbeitSfämpfe bewirft, gumal wenn er
noeß beS ©laubenS ift, baß ber Staat bie Aufgabe ßabe, bem
Unternehmer ArbeitSfräfte gu fitßem, bie unter alle Sebingungen
fieß fflaoifd) beugen. Ter bebenft aucß nießt, baß mit ber $e-
fämpfung beS SolibaritätSgefüßlS in ber Arbeiterweit einer ber
ftärfften fittlicßen Kräfte unfereS gefammten SSolfSlebenS gefcßwäcßt
wirb.
llnb liegt benn wirfiieß eine gwingenbe SSeranlaffung gu biefem
feßweren Eingriff in ben rußigen ©ang ber Entwicfelung oor?
Tie ©otioc behaupten es, aber ber Beweis feßlt. Sie weifen auf
Die 3 u naßme ber SRoßßeitSoerbredjen ßin, oßne ben 3 u f a nimen-
ßang mit ber Arbeiterbewegung aufgubeefen. Sie berichten oon
bem Anwacßfen ber Berurtßeilungen aus §. 153 ber ©eroerbe-
orbnung, unb eS finb in ben 3ößren 1896 unb 1897 je runb
250 gewefen! Sie fpreeßen in gang allgemeinen SRebewenbungen,
oöEig im Stile ber Seitartifel befannter Unterneßmerblätter, oon
ben ©efaßren beS StreifterroriSmuS, ber gu einer Bebroßuna ber
StaatSorbnung füßre, unb wir fragen, wo finb bie amtlichen
SRacßweife? Es wirb nun gwar noeß eine Tenffcßrift in AuS-
fußt geftettt, bie baS feßlenbe ©aterial beibringen foH.*) Aber
mag bem fein, wie ißm wolle, wer bie ©otioe lieft, ber fragt
fieß oerwunbert: Öeben wir benn in Teutfcßlanb wäßrenb ber
ießten 3aß« in einem 3 u f* an & e gewerblicher Kämpfe, bie alle
Selbenfeßaften beS inneren Krieges entfeffeln unb unfer Baterlanb
mit ber Branbfacfel ber 3roietracßt oeröben? Steßen wir nießt oiel-
meßr in einer 3eit unerhörter gefcßäftlicßer Blütße? ©o finb benn
feit bem £>afenftreif in Hamburg AuSftänbe gewefen, bie eine
feßwere wirtßfcßaftlicße Senacßtßeiligung mit ficß gebraut ßaben?
Eben gur reeßten Stunbe erfeßeint bie erfte amtliche beutfeße Streif-
ftatiftif für 3anuar üiS ©ärg 1899. ©an feße fie fteß nur ge¬
nauer an unb man wirb finben, baß biefe 191 Streifs mit etwa
8000 Arbeitern faft bureßgängig Heinere, eng begrengte, ^umeift
nur auf einen eingigen ^Betrieb befeßränfte Streitigfeiten betrafen,
bie für ben eingelnen Unternehmer reeßt läftig gewefen fein mögen,
aber bie Allgemeinheit faum berühren.
©ie aucß bie Eingelbeftimmungen ber Vorlage fein mögen, ber
Sogialpolitifer wirb bie ©efammtwirfung ins Auge faffen müffen.
Unb biefe halten wir für fo unßeilooH, baß baneben bie ©öglicß-
feit, biefen unb jenen ©ißftanb gu ßeben, gar nießt in ©etraeßt
fommt. Unter ber Teoife beS ScßußeS beS gewerblichen ArbeitS»
oerßältniffes wirb bie gefammte Arbeiterbewegung gehemmt werben,
ißre frieblicße Entwicfelung, bie gerabe in ber leßten 3 e ü 3ort-
fdritte maeßt, wirb aufs Seue geftört, bie reoolutionäre Strömung
geftärft, bie §ebuna ber unteren klaffen unb bamit beS ©e-
fammtnioeauS beS Golfes erftßwert. TaS ©efüßl für 9fecßt unb
©ereeßtigfeit in ben ©affen wirb erfeßüttert. TaS ©efeß wirb als
ein SUaffengefeß empfunben uitb wie ein AuSnaßmegefeß wirfen,
baS fieß gegen bie gefammte Arbeiterfcßaft wenbet gum ließen ber
Unternehmer SSielfeicßt, baß zeitweilig mit ftrengen Strafen eine
äußere SRußc ßergefteKt wirb, aber unter ber Tecfe wirb bie ©futß
beS öaffeS unb ber Erbitterung gefeßürt. Tenn bie Arbeiter werben
fieß Der Partei guwenben, bie am fcßärfften unb Ieibenfcßaftlicßften
gegen bie S3efcßneibung beS ^oalitionSrecßteS auftritt. TaS werben —
fo füreßten wir — bie folgen eines ©efeßeS fein, baS in Arbeiter*
truß unb Unternehmer!cßuß baS §>eil fießt unb baS mit einem
Scßlage bie allmählich ßeranreifenben fjrüxjßte ber Sogialreform
oernießtet. ©ir ßoffen barum, baß ber AeicßStag fcßleunigft —
unb gwar je eßer, befto beffer! — bie Vorlage in SBeratßung
nimmt unb bem SBunbeSratße wie bem SBolfc feinen
über läßt, baß er biefeS ©efeß nun unb nimmer billigt, baß er
oielmeßr auf feinen alten gorberungen ber Erweiterung beS
ft'oalitionSrecßteS beßarrt. ©öge er gur Unterftiißung biefer
Öorberungen oerlangen, baß, wie oor 30 3aß*en in Englanb naeß
ben blutigen Eyceffen in Sßeffielb eine königliche kommiffion bie
©irfungen ber Koalitionsfreiheit unterfud)te, aucß bei uns, etwa
oon ber Kommiffion für Arbeiterftatiftif, eine Enquete über fämmt-
Iicße wäßrenb ber leßten 3nß« onS ber Ausübung beS KoalttionS-
re^ts entfprungenen Sefcßwerben unb Urtßeile angefteUt wirb,
©ir finb übergeugt, baß wie bamalS in Englanb fo jeßt in Teutfcß»
lanb ftatt einer ^erfcßärfung ber ©efeßgebung bie ©ilberung bie
Solge fein würbe!
SBerlin. E. granefe.
* *
*
*) SBei Scßluß ber Aebaftion fommt uns btefe Tenffdjrtft foeben
gur .^anb, fie ift tnbeffen fo umfangreich, baß mtr fie nießt meßr für
biefe Aummcr üermcrlßeii föunen. Es fei nur furg erwäßut, Daß ihr
Scricßte oon AcgieruugSpräfibenien, CberftaatSanwälten, ^oligeioer-
waltungeu unb .Oaubclsfammcim gu (Gambe liegen. TaS umfangreiche
©aterial betrifft ßauptfäcßlitf) AuSfßrcitungen oon Arbeitern gegen ein-
anber, ben 3waug gum Anfcßlnß an Koalitionen, ben ;gioang gur
ArbcitScinfteßung, llcberwadjung ber Arbeitswilligen, ber Arbeitsjtätten
unb ^crfchrSanlagen burd) Streifpoften, Klagen aus Arbeiterfreiieit über
Terrorismus, Verfolgung Arbeitswilliger nadj Veenbigung beS Streifes
wegen 9?idjtbetßeiligung. Sdjlicßltd) wirb ©aterial gum Aaißweis ber
Ungitlänglidjfeit ber befteßeuben Strafbcftimmungen, insbefonbere Des
ir>3 Der (Gewerbeorbmmg, beigebradjt. Tie gange Tenffdmft ift
eine eiugige Antlagc nur gegen bie Arbeiter; man erfenut aus ihr,
wie wenig cs fid) um bie Vergehen ber Arbeitgeber gegen bie Koali¬
tionsfreiheit hanbelt.
973
©ogtale $raji$. Eentralblatt für Sogtalpolltil. Br. 36.
974
$er „Eitttourf ehteS ©eftßeS gum Sdjitßt M getoerbltdjen Arbeit«*
toerbältmffeS"
hat folgenben SBortlaut:
§. 1. SSer cS unternimmt, burd) förperlicßen Srnnng, $)rohiutg,
(Shroerleßung ober FerritfSerflärung Arbeitgeber ober Arbeitnehmer gur
Sßeilnahme an Bereinigungen ober Bern Drehungen, bie eine (Sin*
roirfung auf 9lrbeitö* ober Sohnoerhältniffe begroeden, gu beftimmen
ober oon ber Sfjeilnaljme an folgen Bereinigungen ober Berab*
rebungen nbguhalten, mirb mit ©efänguiß bis 311 einem Jahr Betraft.
Sinb milbernbe Umftanbe oorhanben, fo ift auf ©elbftrafe bis ju
eintaufenb SD?arf gu erfennen.
§. 2 . £ie Strafoorfchriftcu bes §. 1 finben aud) auf Denjenigen
Anroenbung, welcher eS unternimmt, burdj förperlidjen QiDang, Drohung,
(*hroerleßung ober Berrufserfläntng
1 . gur Herbeiführung ober 3örberung einer ArbeiterauSfperrung
Arbeitgeber jur (Sntlaffung oon Arbeitnehmern 31 t beftimmen
ober an ber Annahme ober Herangiehung folcher 3 U Ijinbern,
2 . 3 ur Herbeiführung ober görberung eine« ArbeüerauSftanbeS
Arbeitnehmer gur Bieberlegung ber Arbeit gu beftimmen ober
an ber Annahme ober Auf|ud)ung oon Arbeit 3 U hmbern,
9. bei einer ArbeitcrauSfperung ober einem AnbeiterauSftanbe bie
Arbeitgeber ober Arbeitnehmer gur Barfjgiebigfeit gegen bie babei
oertretenen gorbernngen gu beftimmen.
§. 3. SBer es ftch gum ©efdjäft madjt, Hanblungen ber in ben
§§. 1, 2 bc 3 eid)neten Art 311 begehen, roirb mit ©efängniß nicht unter
brei HRonaten beftraft.
§. 4. 'Sem förperlicben 3ioange im Sinne ber §§. 1 bis 3 mirb
bie Befcßäbigung ober BorentI)aItung oon Arbeitsgerät!), Arbeite
material, Arbeitsergeugniffcn ober ÄleibungSftücfcn gleidjgeadjtet.
£er Drohung im Sinne ber §§. 1 bis 3 mirb bie planmäßige
Itebermadiung oon Arbeitgebern, Arbeitnehmern, ArbeitSftäftcn, SBegeit,
Straßen, $läßcn, Bahnhöfen, SSafferftraßen, Hafen* ober fonftigen Ber*
fehrscatlngen gleichgeacßtet.
(Sine Berrufserflärung ober Drohung im Sinne ber §§. 1 bis 3
liegt nicht oor, menn ber ißäter eine Hanblung oornimmt, 311 ber er
berechtigt ift, iusbefonbere, menn er befugter SBeife ein Arbeit«* ober
^ienftocrhäüniß ablehnt, Beruhigt ober fünbigt, bie Arbeit einffellt,
eine ArbeitSeinftellung ober AuSfperrung fortfeßt, oben menn er bie
Bornahnte einer folchen Hanblung in Ausßcht pellt.
§. 5. 3Birb gegen $erfonen, bie an einem Arbeiterausftanb cber
einer ArbeiterauSfperrung nicht ober nicht bauentb theilnchmcn ober
tbeilgenommen haben, aus Anlaß biefer Btd)tbetbetligiuig eine Beleibt*
gung mittelft Shätlidjfeit, eine uorfäßluhe Jiörperocrleßung ober eine
oorfäßHcße Sadjbefcßäbigung begangen, fo bebarf es 311 / Berfolguttg
feines Antrags.
§. 6 . $3er Berfoncn, bie au einem Arbeiterausftanb ober einer.
ArbeiterauSfperrung nicht ober nicht bauernb theilneßmcn ober tfjeil*
genommen haben, aus Anlaß biefer Bicbtbetheiligung bebroßt ober in
Berruf erflärt, mirb mit ©efäitgniß bis 3 U einem Saßre beftraft. Sinb
milbernbe Umftanbe oorfjanben, fo ift auf ©elbftrafc bis 3 U eintaufenb
SWarf 5 U erfeitnen.
§. 7. B$er an einer öffentlichen 3ufammenrottung, bei ber eine
Hanbluna ber in ben §§. 1 bis 6 be^eir^netcn Art mit oereinten
Straften begangen mirb, tßeilnimmt, mirb mit ©efängniß beftraft.
$ic BäbelSfiißrer finb mit ©efängniß nicht unter brei Monaten
311 beftrafen.
§. 8 . Soll in ben gäUeu ber §§. 1 , 2 4 ein Arbeiterausftanb
ober eine ArbeiterauSfperrung ßerbcigefüßrt ober geförbert toerben uitb
ift ber AuSftanb ober bie AuSfperrung mit Biicffidjt auf bie Batur
ober Beftimmung beS Betriebes geeignet, bie Sicherheit bes Reiches
ober eines BunoeSftaateS 311 gefährben ober eine gemeine ©efaßr für
BJenfrfjenleben ober für bas ©igentßum ßerbeigufüßren, fo tritt ©efängniß*
ftrafe nicht unter einem SBonat, gegen bie BäbelSfiißrer ©efängnißftrafe
nid)t unter fechs Bfouaten ein.
3ß in ?foIge beS ArbeiterauSftaubes ober ber ArbeiterauSfperrung
eine Öefahrbung ber Sicherheit beS Beides ober eines BunbeSftaatS
eingetreten ober eine gemeine ©efaßr für BJenfchenleben ober baS
(5-igenthum herbeigeführt morben, fo ift auf 3 ll <hthauS bis 3 U brei
fahren, gegen bie BäbclSführer auf 3 llf ßihauS bis 311 fünf fahren 31 t
erfennen.
Sinb in ben gäflen bes Abf. 2 milbernbe Umftanbe oorßanben,
fo tritt Wefäitgnißfirafe nicht unter einem 3 ahre ein.
9. Someit nach biefem ©efeß eine gegen einen Arbeitgeber
gerichtete HanMung mit Strafe bebroßt ift, ßnbet bie Strafoorfcßrift
auch bann Aitmenbung, menn bie Hanblung gegen einen Bertreter beS
Arbeitgebers gerichtet ift.
§. 10 . 4üe Borfdjriften biefeS ©efe^cS finben Anmenbiutg:
1 . auf Arbeits* ober SMenftuerßältniffe, bie unter ben §. 152 ber
©emerbeorbnung faUen,
2 . auf aUc ArbeitS* ober 2)ienftoerhältniffe in folchen BeidiS*,
Staats* ober Äommunalbetrieben, bie ber SanbeSoertheibigung
ber öffentlichen Sicherheit, bem öffentlichen Berfeßr ober ber
öffentlichen ©efunbbcitSpflege bienen,
3. auf aUe Arbeits* ober X'ienftoerhältniffe in ©ifenbahn * Unter*
neßmungen.
§. 11. ^er §..153 ber ©emerbeorbnuug mirb aufgehoben.
Bie atnllidje beutfdje Sfreik^ati|)itt.
3Rit bem 1. biefeS haben für baS gefammte
(Gebiet beS ^eutfeßen 9lei(hS bie auf bem BunbeSratfjSbefchluß 00 m
10. 3uui 1898 berußenben amtlichen ©rhehungen über Streifs unb
AuSfperrungen ihren Anfang genommen, bureß melche bie Unter*
lagen für eine fortlaufenbe Statiftif biefer 00 m oolfSmirthfchaft*
Ii^en unb fogialpolitifcßen Stanbpunfte aus fo bebeutfamen
Kämpfe gmifcßcn Arbeitgebern unb Arbeitnehmern gefdjaffen toerben
foflen. hen beiben größten BunbeSftaaten, in Preußen unb
Bauern, h a ^ c ^i e snnehmenbe roirthfchaftliche Bebeutnng ber
ArbeitSeinfteüungen fc|on früher $u einer regelmäßigen ftatiftifchen
Aufnahme biefer Borfommniffe geführt; eine Veröffentlichung ber
3ahlen oon AmtSroegen ift allerbingS bisher nur in Bauern er*
folgt. *) 3u einer Erhebung ber Streifs bur<h bie Behörben ift
es übrigens auch feßon einmal für baS gan^e BeichSgebiet ge*
fomrnen, unb sioar, als ben oerbünbeten Begierungen im 3ahre
1890 eine Berfcßärfung unb ©rroeiterung ber ftrafrestlichen Be*
ftimmunaen beS §. 153 ber ©etoerbeorbnung ange 3 eigt erfeßien.
®S nmrbc bamals eine fchleunige Qählung ber in ber 3*it uoni
1. Sönuar 1889 bis ©nbe April 1890 im $>eutfd)en Beicße ftatt*
gehabten größeren geroerblichen Arbeitseinteilungen burch bie
zftegierungSpräfibenten oeranlaßt unb beren ©rgebniß ber gur Be-
rat|ung ber ®eroerbeorbnungS*BooeUe eingefeßten Bei^StagS*
fommiffion oorgelegt. 9JUt biefer einmaligen ©elegenheüsftatiftif,
bei ber eS fidß auSgefprochenermaßen nur um Beibringung oon
Material für eine auf bem ©ebiete beS Strafrechts gur ^isfuffion
fteßenbe Srage hanbelte, hot bie nunmehr für bie $>auer ins ßeben
gerufene beutfdje Streifftatiftif feine BerüßrungSpunfte.
2Sie erinnerlich, rourben gegen bie geplante amtliche Streifftatiftif
fofort, als bie 00 m BunbeSratß über ihre Einrichtung, inSbefonbere
auch über bie Raffung ber Fragebogen erlaffenen Beftimmungen gur
öffentlichen Sfenntniß gelangten, h e fU0 e Angriffe gerichtet. Bon ber
einen Seite rourbe ihr gum Borrourf gemalt, ihr raaßrer 3n)ecf fei
gar nicht ber, eine unparteiifche Erforfchung ber roirthfehaftlichen
Streitigfeiten groifchen Unternehmern unb Arbeitern gu ermöglichen,
fie folle oielmehr im ©runbe genommen nur Material für eine ein*
feitige Berfchärfung ber gegen ben ÜRißbrauch ber Koalitionsfreiheit
geri^teten Strafbeftimmungen fchaffen unb einer Befchränfung beS
$oatitionSre<hteS gu Ungunften ber Arbeiter bieBöege bahnen. Bon
anberen Kritifern roieberutn rourbe ihr baS ^rognoftifon gefteHt, baß
fie, beabfichtigt ober unbeabfichtigt, immer nur ein einfeitigeS,
tenbengiös oergerrteS Bilb ber gu unterfueßenben roirthfehaftlichen Er*
fcheinungen barbieten roerbe. ^)enn bie mit ber Erhebung bes Ur*
materials betrauten DrtSpoligeibehörben roürben nur gu leidfft geneigt
fein, feßon in ber bloßen Anroenbung beS Kampfmittels ber gemein*
fatnen ArbeitSeinftellung eine Auflehnung ber Arbeiter gegen bie
beftehenbe Drbnung gu fehen; fie roürben mit ihren Sympathien
meiftenS auf Seiten ber Unternehmer flehen unb ihre Informationen
faft auSfcßließlid) aus ben Kreifen ber Öeßteren begiehen. 3)icS
fönne bann natürlich auch nicht ohne Einfluß auf alle biefenigen
Feftftellungen bleiben, in benen bie moralißhe Scßulb unb Ber«
antroortlicßfeit an ber Entfteßung eines ArbcitSfonfliftS gur Sprache
gebracht roerbe.
$)en in biefer §inficht erhobenen Bebenfen roirb nun, roaS
ficher mit Befriebigung aufgunehmen ift, in ben Borbemerfungen
entgegengetreten, roel^e baS Kaiferlicße Statiftifdße Amt feiner
foeben — (in ben BierteljahreSheften gur Statiftif bes 2)eutfchen
BeicßS 1899 II. &. 191 folg.) — für baS erfte Quartal 1899 oer«
öffentlichten fummarifchen Ueberficßt ber Streifs unb AuSfperritngen
ooranfeßieft. Es roirb bort nämlidh anSbrücflidh h^morgehoben,
baß, um ein möglichft objeftioeS Bilb bes Sacßoerhalts gu ge*
roinnen, bie DrtSpoligeibehörben gehalten fein füllen, bei ben oon
ihnen eingugiehenben Erfunbigungen Arbeitgeber unb Arbeit¬
nehmer gleichmäßig gu benidfichtigen, unb baß ferner bei ber ben
höheren BertüaltungSbeßörben obliegenben Prüfung unb BerooH*
ftänbigung bes oon ben DrtSpoligeibehörben gefammelten s JBaterialS
bie ©eroerbeauffichsbeamten in thunli^ft roeitem Umfange
betheiligt roerben füllen. ^)amit bürfte feßon einem £t)eik ber
gegen bie Unparteilicßfeit ber amtlichen Erhebungen gerichteten
Angriffe bie Spiße abgebrochen roerben. 3m Uebrigen roirb bie
befinitioe Bearbeitung beS gewonnenen BR.aterialS abgeroartet
roerben müffen, beoor ein abfcßließenbeS Urtßeil über bie erft in
*) Bür Breußcit hat ^ßrofeffor Dlbenbei-g^iarburg bie amilidien
(irgebniffe ber streifftatiftif oorn 1 . 3anuar l s89 bis Sommer 1^97 in
ber „Sogialen ^rartö" Br. 52 beS Jahrgangs 1898 oeröffemlichl.
97«
öo^ialc <prajis. Gcutralblatt fiir Sojialpolitif. 9Jr. 36.
ihren Anfängen begriffene amtliche ©treifftatiftif abgegeben werben
famt. $acb ber Dbjeftioität, bie bisher baS Kennzeichen fämmt*
lieber Veröffentlichungen beS Kaiferlicbeu ©tatiftifeben Amtes ge*
wefen ift, bürfte bis junt SRacbweife beS Gegenteils bie Annahme
wohl berechtigt erfebeinen, bafe baffelbe aueb in feiner neueften
©tatiftif biefclben ©ege ber flrengften Unparteiliebfeit wanbeln
werbe.
Bon einer Öeftlegung ber Begriffe „©treif" unb „AuSfperrung"
ift in ben oben erwähnten Borbemerfungen abgefeben worben.
(Sine für aüe Borfommniffe gleitbmä&ig oerwenbbare Definition
biefer Grfd)einungen beS wirtbfäjaftli^en Gebens bürfte aueb ferner
anfjuftcHen fein; oielfacb wirb bie Gntfcbeibuug barüber, ob ein ©treif
ober eine AuSfperrung ober oielleicbt überhaupt feinet oon bfciben oor*
liegt, nur itacb ben befonberen Umft. i:ben beS fonfreten JJaHeS z u
treffen fein. 9lacf; ben uom Bunbcnitl) erlaffenen Befümmungen
bat ficb bie neu eingerichtete ©tatiftif auf biejenigen wirtbfebaft*
lieben Konflifte §u befdjränfen, bei benen „gewerbliche Arbeiter"
betbeiligt finb. ©treifS in ber &anbmirtbfd)aft, fowie ©treifS oon
Aerzten n. f. w. finb fonad) oon ber Aufnahme in biefe ©tatiftif
auSgefcbloffcn. Umfang ober Dauer ber ArbeitSuntcrbredjung
haben grunbfäglicb nichts mit bem ©efen beS ©treifS ober ber
AuSfperrung zu tbun. (Sin ©treif fann an ficb aueb oon einem
einzigen Arbeiter auSgeben. Bach ben für bie beutfebe ©treif*
[tatiftif mabgebenben Beftimtnungen beS BunbeSrathS follen in*
beffen ©treifS ober AuSfperrungen nur bann zur 9tad)meifung
gebracht werben, wenn „mehrere" gewerbliche Arbeiter betbeiligt
gewefen finb, wobei oon auSbrücflid)er geftfefcung einer beftimmten
Bfinimalziffcr mit Siecht abgefeben worben ift. ©elbftoerftänblieb
finb aber, wenn biefer Vorbehalt aueb in beit amtlichen Beftim*
mungeit nicht befonberS zum AuSbrucf gebracht ift, in biefer
©tatiftif nur foletjc Arbeitseinteilungen gu berüeffiebtigen, bureb
welche bie Arbeiter eine „günftigere Geftaltung ihres Arbeitsoer*
träges zu erzwingen beabfiebtigeu". (Sine, fei es mit, fei es ohne
(Einhaltung ber KiinbigungSfrift, erfolgte Slieberlegung ber Arbeit,
bie lebiglid) beSbalb eingetreten ift, weil bie betreffenbeu Arbeiter
fünftigbin bei einem anberen Unternehmer ober an einem anberen
Ort ober überhaupt in einem anberen (bewerbe tbätig fein wollen,
ohne bafj bureb bie gemeinfam erfolgte Ginftellitng ber Arbeit
irgenb welcher ^toang auf ben bisherigen Briuzipal auSgeiibt
werben füllte, fann nicht als ©treif gewählt werben.
Gilt entfebeibenbeS Bierfmal bürfte aueb nicht in ber längeren
ober für^eren Dauer ber ArbeitSunterbrecbung z u finben fein. Gine
oom gefainmten Arbeitsperfonal eines grofeen inbuftrielleii Gtabliffe*
tnents plöfclid) ins ©erf gefegte Arbeitseinteilung, welche nur
wenige ©tunben gewährt hat, fei es, weil bem burd) Uebernahme
bebeutenber öieferungen bei gleichzeitiger Unterwerfung unter hohe
BerzugSftrafen in feiner Bewegungsfreiheit behinberten Unternehmer
nur bte fofortige Unterwerfung unter bie Sorberungen ber Arbeiter
übrig blieb, fei es, weil bie Arbeiter, alsbalb zur Ueber*
Zeugung gelangt, bafe auf Slaebgiebigfeit feitenS beS Arbeitgebers
unter feinen Umftänben zu rechnen fei, febleunigft wieber zur Slrbeit
jurüeffehrten — eine folcbc SlrbeitSeinfteHung oerbient boeb lieber*
lieb als ©treif im ©inne biefer ©tatiftif regiftrirt 311 werben.
Beim Gintritt ber erfteren Alternatioe wirb ja wohl aueb DOn
feiner ©eite bie Zurechnung eines folcben BorfotnmniffeS z u ben
©treifS beanftanbet werben, ba aller BorauSfidjt nad) bie ©ieber*
aufnahme ber Arbeit nur bureb Bewährung höherer ^öhne, Ber*
für^ung ber Arbeitszeit u. f. w. erwirft fein bürfte; aber auch im
zweiten Salle würbe ein wirflidjer ©treif im ©inne biefer ©tatiftif
Zu oer^eiebnen fein, freilich ein „erfolglos" gebliebener.
Unter „AuSfperrung" wirb oielfacb nur bie oon „mehreren
Arbeitgebern gemeinfam" auSgefjenbe BetriebSeinfteHung oerftanben,
bureb welche ben Arbeitern bie Arbeitsgelegenheit entzogen werben
foll, um fie zur Unterwerfung unter bie Sorberungen ber Unter*
nebmer zu jwingen. Bom ©tanbpunfte ber neu eingerichteten
beutfchen ©tatiftif aus foll inbeffen „jebe aemeinfame AuSfdjliefeung
mehrerer gewerblicher Arbeiter oon ber Arbeit" als AuSfperrung
gelten, alfo aud) biejenige, welche felbftftänbig oon einem einzelnen
Betriebsinhaber fei eS gegen feine fämmtliebcn Arbeiter, fei es nur
gegen einen Dljeil berfelben jmeefs Diird)fefeung feiner ©ünfebe
oerhängt wirb. Airfjt um AuSfperrungeii im eigentlichen ©inne
bürfte eS |idj bei ben feitenS ber Unternehmer oerhängten
©cbliehungeu ber ©erfftätten haubein, 311 beneu bas Fernbleiben
ber Arbeiter am 1. Biai bie Beranlaffung giebt. GS bürften bkr
oielmebr 3JJafjnabmen ber Disziplin, ber Bergeltung für ein als
unbcred)tigt angefeheucS Borgehen ber Arbeiter oorlicgcn, wenn
baburd) auch oielfacb gleid^eitig eine Ginwirfung auf ben Arbeiter*
ftanb für bie 3 ufuuft beabfidjtigt werben mag.
Die $ad)meifuugen über ©treifS ober AuSfperrungeii foflen
Zwar beftimmuitgSgemäfj „fofort" nach beren Beenbigung feiten»
ber OrtSpoliseibebörben auSgefüllt unb „alsbalb" auf bem Dienft*
wege ben böh eren BerwaltungSbebörbcn überjanbt werben. Gs
liegt aber auf ber £>anb, bafe bie lebteren oielfaeb nicht in ber
Sage fein werben, nun ihrerfeitS bie für bie ©eitergabe ber3äbl s
farteu an baS $aiferti<be ©tatiftifebe Amt oorgefebriebene Snft oon
14 Dagen nach ©eblufe beS CuartalS inne ju halten, ba ficb
u beren Ablauf nicht immer bie Prüfung unb eoentuelle Grgänxung
eS 3nhalteS ermöglichen laffen wirb, namentlich, wenn bie $acb*
meifungen fleh auf ArbeitSfonflifte beziehen, bie erft gegen Gnbe
beS BierteljahreS auSgebrodhen bexw. beenbet finb. Demgemäß
fteht beim auch bem Slaiferlidjen ©tatiftifeben Amt für bie Auf*
ftellung ber oon ihm „fobalb als thunlieb" SU oeröffentliebenben
fummarifeben Ueberficbt in ©irfliebfeit nur eine oerhältnifemäfeig
fnappe ©panne Z^it 3 ur Berfügung. Diefe Ueberficbten werben
ficb baber auf bie BHttheilung ber wiebtigften ber in ben
9?ad)weifungen enthaltenen Angaben befebränfen müffen unb aueb
biefe nur infoweit bringen fonnen, als ihre 3afammenfteUung
ohne geitraubenbe Unterfuebunaen unb Berechnungen ju beroerf*
ftelligen ift. 9ia<bweife über ^rünbe, Dauer unb AuSgang ber
©treifS 2 e. werben baher in biefen fummarifeben Ueberficbten nicht
gefuebt werben bürfen, ba fie eine eingebenbe ©iebtung unb Be*
arbeitung beS BfaterialS, fowie bie Grlebigung auSgebehnter
©treiffrageu gur BorauSfebung haben würben.
Die oom $aiferli<ben ©tatiftifeben Amt nunmehr ^um erften
9)fal für baS erfte Ouartal 1899 gebraebte fummarifebe Ueberficbt
ber ©treifS unb AuSfperrungeii bat bie Sorm einer Aufzählung
ber einzelnen ArbeitSfonflifte unter Angabe ber Orte, an benen,
unb ber Gewerbe, in benen fie zum Austrag gelangten, ©ofern
ficb ber ©treif nicht auf ben ganzen Betrieb, fonbern nur auf
einzelne in ihm oeitretene Arbeitszweige erftreefte, finb bie an bem
AuSftatib betheiligten Arbeiterfategorien betaillirt nach ben einzelnen
BefebäftigungSarten, in benen fie in bem betroffenen Betrieb tbätig
waren, uad)gemiefen worbeit. Daburcb, bafc bie z uiI ächft nad)
preufeifebeu Brooinzen bezw. nach BunbeSftaaten zufammengefafetcn
©treifS innerhalb biefer politifeben Aahmeit wieber einzeln unD
Zwar nach ber in ber Gemerbeftatiftif gebräuchlichen Aufeinanbrr*
folge ber oon ihnen betroffenen Gewerbe zur Aufzählung gelangt
finb, wirb allen Sntcrcffenten bie ÜRögIid)feit gegeben, etwa in bem
Verzeichnis oorbanbene Süden aufzubccfen; benn bie Btöglicbeit, bag
fieb trofe ber getroffenen ©afcregeln einzelne ©treifS 2 c. ber amtlichen
^enntnifz entzogen haben fönnten, erfebeint feineSwegS ausgefdjloffen.
3 m ganzen Deutfcben Aeicb würben, wie aus ber fummarifd)en
Ueberficbt heroorgeht, innerhalb beS erften Quartals 1899
191 ©treifS begonnen; 10 weitere Arbeitseinteilungen, beren Be*
ginn bereits in baS oerfloffene Qahr fiel, haben fid) noch in baS
erfte Bierteljabr 1899 hinein ober fogar noch über beffen Dauer
hinaus erftreeft. Beenbet würben innerhalb ber erften brei Bfonatc
beS 3ah^ 1899 oon ben zur erfteren Kategorie gehörigen ©treifS
154, oon ben anberen im Ganzen 7, fo bafe ficb alfo bei Aufteilung
ber fummarifeben Ueberficbt nod) 40 ©treifS in ber ©djmebe be*
fanben, bezw. noch nidjt als beenbet gemelbet waren. Bon ben
überhaupt bcenbeten 161 ©treifS — nur bezüglich biefer liegen
nähere Angaben oor, ba binfid)tlitb ber noch nidt beenbigten bem
©tatiftifd)en Amt nur bie blofje Dbatfacbe beS Beginnes mitgetbeüi
wirb — würben inSgefammt 408 Betriebe ergriffen, bie bei Aus*
brueb ber ©treifS im Ganzen 16 246 Arbeiter bcfdjäftigten. Die
.§öcbtsabl ber in biefen Betrieben gleiebzeitig ftreifenben Arbeiter
belief fieb auf 8129 Berfoncn, 50 % ber Gefammtzabl ber über*
baupt in biefen Betrieben bei Ausbruch beS ©treifS befebäftigten
Arbeiter. Daoon waren z u ^ fofortigen ArbeitSnieberlegung be*
recf)tigt (hatten alfo erforberlichen Falles oorher rechtzeitig ge*
fünbigt) 4784 (58, 9 0 / 0 ber ©treifenben), währenb 3166 (38, 0 o/ 0
ber ©treifenben) fontraftbrüdjig gewefen finb.
3n inSgefammt 145 Betrieben (35, 5 o / 0 ber überhaupt oon
©treifS betroffenen) führte bie ArbeitSnieberlegung zum oölligen
©tiUftanbe beS Unternehmens; barnnter befanben ficb 22 Betriebe
( 5,4 o / 0 aller betroffenen Betriebe), in benen ber ©treif an fid) nicht
baS ganze Unternehmen ergriffen, fonbern ficb uur auf einen ober
einige 3 ro eigc befebränft hatte, in benen es aber boeb in weiterer
iyolge zur oölligen BetriebSeinftellung gefoinmen ift. 263 Betriebe
(64, rj % ber Gefammtzabl) würben nicht zum oölligen ©tiUftanbe
gebracht; in 63 oon biefen (15, 4 o/ 0 ber Gefammtzabl aller be*
troffenen Betriebe) waren nur beftimmte Befcbäftigungsarten oom
©treif erfaßt worben. Die 85 zur BetriebseinfteKuug gefom*
menen Betriebe, in welchen nur in einzelnen GcfcbäftSzweigen
geftreift würbe, oertheilten fid) auf im Ganzen 7 <s ©treifS.
977
Soziale Brari?. Gcutralblatt für Sozialpolitik 9fr. 36.
Bon brr Ofrfammtzabl ber überhaupt gezählten Streif? (201) ent»
fäüt naturgemäß ber lueitanis größte 21)^1 (i26 = (»2,7 %) auf Beugen,
mäfjrenb in Sad)fen nur 22 Streif? (10,9%), in kapern nur 20 (10%)
uub in ben fämmttichen übrigen Buube?ftaaten ^ufamnieit nur <13
(16,4%) jur Haihmcifung gelangten. Bon ber lederen Summe fam
bie relativ größte Hnzahh nämlich 8 Streife (4 % aller Streite), in
Hamburg jum Hu?bntd). Ucbcrhaupt nicht geftreift mürbe in folgcubeit
Buube?ftaaten: Btcrflcnburg=Schmcrin, Sachfert=3s$cimar, S)ic dien bürg*
Strcltß, Sad)ien=Hltenburg, Sd)marzburg=Sonber?haufen, Sdhmarzburg^
Hubolftabt, kalbert, 9teng älterer i'inie, Sd)aumburg*Üippe itnb ^?ippe.
Unter ben preußtfrf)cn Brotnnzcn nimmt bie Stabt Berlin mit 36 Streif*
(17,9% ber (^efamuitjahl aller im 9ietd) jur Hachmeifung gelangten
Hrbeit?etuftellimgett) bie bei Weitem erfte «Stelle ein; in bebeutenbeut
Hbftanbe erft folgen bie 9tl)einprooinj mit 17 Streik" (8,5%), bie Bfo*
oinzen Braitbcitburg mit 12 ( 6 ,o%), H$eftfalcn mit 11 (f >,5 %) unb
Sadifen unb £)annoucr mit je 10 (5,o%). 9tur je eine Hrbeit?ein*
ftellnug ift für bie Brouitizen £ft* unb B>cftpreußcn, fomic für Bofen
verzeichnet, gar feine für £>obcnzoHeru. Unter ben preußifrfjen 9tegie=
rung?bezirfcn blieben gänzltd) oon Streife orrjdjont: Oluntbinuen,
Bf arten merber, Möhlin, Brontbcrg, Cppeln, Stabe, Staffel, Jrier unb
Sigmaringen. Hbgefeheu oon ^reufjen batte uon fämmtlicheu Bunbe?*
ftaaten nur uod) Reffen unter ben beruheten Streif? einen foldjeu auf»
Zitmeifcn, bei* eine größere Hn za 1)1 oon betrieben umfaßte; e? mar bie?
ein oon ben Malern, SBcißbinbcru unb 9lnftreid)ern in S'armftabt in?
Bicrf gefegter Streif, ber fid) auf 62 betriebe (15,2% aller im Heid)
ergriffenen betriebe) mit ^ufammen 697 Arbeitern erftredfte, oon meldjer
3nbl fid) 418, unb $mar alle unter Stontraftbrud), an ber Arbeit?»
nieberlegnug beteiligten. 18 betriebe mürben burrfj biefen Streif ju
völligem Stillftanbe gebradjt.
^n ^reußen maren au Hrbcitsciufteflungcn, bie mel)r al? 5 Be*
triebe umfaßt haben, bie nadjfolgcnbeu jit wählen:
Bczcidjitung
ber Streif? itadj £rt
unb Öemcvbe
3 al)l ber er¬
griffenen Be¬
triebe
3 al)l in in ben
Betrieben
3 al)l ber zu
oolligem
Stillftaub
in /„ bet
im ^tcict)
über«
Ijaupt er«
flriffenen
Setriebe
bei Htt?»
brud) be?
Streif? bc*
fdjiiftigten
Hrbcitcr
yu-upzeuig
ftreifenben
Hr beiter
gebrachten
Betriebe
0
O
Q
0
C
in °/o ber
»efdjäf«
tigtru
3
s
a
in % ber
uom
Streif er*
griffeneu
Setriebe
Sd)tteibcr in Sfönig?»
berg i. Br. . . .
55
13,5
054
46*»
71,i
40
72,7
Schreiner unb «t>olz=
arbeiter tu ä 8 ie?=
baben .
33
S,i
131
101
77,i
11
33,3
Schuetbcr in Bod)imt .
32
7,8
157
32
20,4
11
34,4
Biaurer in Heumünfter
i. .
25
; o,i
ca. 450
370
82,2
.V>au?zimntcrer in
^len?burg....
13
! 3 ,,
s4
| 84
lOO,o
__
1 -
Xrofdjfettfubrmrrf itt
Berlin.
s
3,0
129
127
I «V
S
1<X ),11
Bauunternel)mung in
(5ber?malbe . . .
6
1,5
40
40
1
| 100,Ü
—
—
3n?gefammt 140 ber im Xeutfd)eu Heid) überhaupt beruheten Streif?
(*7,o% aller) haben fid) auf je einen betrieb befdjräuft; baoou ent*
fallen auf Üßreugeit 88 ( 54,7 % aller Streif?), auf Bapern 10 ( 6 , 2 %),
auf Sadjfen 20 ( 12 , 4 %) unb auf bie übrigen Bitnbe?ftaaten jufammen
22 (13,7 %). Unter biefen nur je einen Betrieb erfaffenben Streif?
maren nur 9 für Braßen, fomie nur je einer für kapern, Baben unb
lSlfaß=Öotbringcn 511 verzeichnen, bei beiten bie fcödptzabl her gleichzeitig
[treifenben Arbeiter minbeftcu? 100 betrug. 6 ? betrafen biefelbcn bie
folgenben Wemcrbe: Seppidjfabrif itt Berlin (^abl ber bei Hud&rudj be?
Streif? befchäftigten Arbeiter: 120 , .^ödbftjabl ber gleichzeitig Strcifenben:
100 , bamnter fontraftbnid)ig: —), l*i?merf in £ranienburg (ea. 220 ;
ca. 150; —), 9)ied)anifd)e Weberei in Hetd)enbadj in Sd)lefieu (ca. 500;
ca. 500; ca. 500), Bfcdjanifdje Weberei im ^iüertbal (420; 108; 108),
B?ed)amfd)e Weberei in l$fd)cuborf (188; 128; 128), iSifenerzbergbau in
£>erborf (171; 162; 162), iSifeucrzbcrgbau in SEoßenrotf) (142; 112;
112 ), 9)ied)auifche Stoffmeberei in Stentpen a. 9tb* <350; 200; —), Banb*
fabrif in Baruteu*Hitter?ljaufen (320; 120 ; 112), Bfechanifchc Söeberei
in Cbernborf in Bmjertt (111; 111 ; 111 ), Häljmafchinenfabrif in StarI?»
ruhe in Baben (673; 109; 109) uub Babnbau in ^entfeh in iHfaß*
yotljriugen (139; 139; -). ^n 7 biefer ftälle ftttb bie Streifen ben
fämtntlid), in einem beinahe fämmtlid) foutraftbrüchig gemorbett.
HSa? bie Bertl)cilitng ber im Heid) innerhalb be? erften Quartal?
1899 bmtbeten Streif? auf bie einzelnen ©emerbegruppett anlangt, fo
entfielen 30 (18,6% aller beeubeteu Streif?) mit zufammen 141 betrieben
(34,6% aller überhaupt ergriffenen betriebe) auf ba? Baugemerbe, 20
( 12 , 4 %) mit 20 betrieben ( 4 , 9 %) auf bie 2ertiliubuftrie, 18 ( 11 , 2 %)
mit 25 'Betrieben ( 6,1 %) auf bie oubuftric ber Steine unb (irbeu, 18
( 11 , 2 %) mit 18 'Betrieben ( 4 , 4 %) auf bie ^siibuftric her ^uifdiinen,
^uftrumeutc uub Apparate, II (s,?"/».) mii ia betrieben ill,3%i) auf
bie ^nbuftric ber $ 0 ^ uub Sdjnißfioffc, 14 (8,7 %) mit 17 Betrieben
( 4,2 %) auf bie Bfetatlverarbeitung, 13 (s,i %) mit 98 'Betrieben (24 ,0 %)
auf ba? Beftcibung?* uub 9teiuiguug?gemerbe, 11 ( 6 , 8 %) mit 12 Be¬
trieben ( 2,9 %) auf bie ^ubuftric ber Nahrung?» uub (üeuufunittet,
5 (3,i %) mit 12 Betrieben ( 2 , 9 %) auf ba? Berfel)r?gemerbc, 5 (3,i %>
mit 6 Betrieben ( 1 , 5 %) auf ba? polt)grapbifd)c Olemerbe, 4 ( 2 , 5 %) mit
4 Betrieben (l,o%) auf bie £eberinbuftrie, 3 (l,»%) mit 3 Betrieben
( 0,7 %) auf ba? £>anbe!?gemerbe.
^ie übrigen 6 Streif? mit ^Kfainiurii 6 Betrieben uertheilteu fid)
auf Bergbau, .ftütten* uub Salinenmefeu, chemifdje ^nbuftrie, ^subuftrie
ber forftmirtbfdjaftlicheu 9febenprobufte, tfeudjtftoffe 2 c., Bapierinbuftrie
unb füuftlerifd)e Wemerbe.
Bon ben Streifeubeu, bereu .0 öd) ft za 1)1 im 9ietdj 8129 betrug, ent=
fielen iu?befonbere auf uadjftebeitbe (^emerbegruppett:
Olemerbegruppen
bc
abfolut
.ymd)ftzal)l
r Strcifenben
itt % ber
= z- s
Z c ü
i|li|i! |t B
sU 2 5 1 K
darunter maren
fontraftbriidjig
in % ber
«5 ! . 03
BO 3 Jp 0
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abfolut 1 g~ i g-e
i ^«.1 a£ B S
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0 . Ix»'S 5 3
3 = j « 9 ? c £
i •" a» 1 *"
Baugemcrbe ....
1884
71,9
23,2
492
26,i
15,5
2 ejrtilinbuftrie . . .
1745
;> 2 ,s
21,5
1186
68,0
37,5
Befleibiutg?» unb 9ici=
uigung?geroerbe . .
782
59,5
9,6
47
6,0
1,5
^ttbuftrie ber Steine
unb (Arbeit....
779
63,9
9,6
235
30,2
0 4
^nbuftric ber BJafdjt*
neu 2 c.
709
*>r. r
8,7
393
55,4
12,4
3 nbuftrie ber Nah¬
rung?* unb (rtenufj*
mittel.
694
53,5
S,5
276
»V
•V
9)Zetaflüerarbcitung . .
356
35,,
4,4
76
21,3
Csnbuftrie ber .'oolz = uub
Schttipftoffe . . .
352
52,o
4,3
46
13,1
1 ,»
Bergbau, Jütten» unb
Salinenmefeu . . .
274
S7,5
3,4
274
l()(),o
S,7
Berfebr?gemerbc . .
227
7 5,i
2,3
13
.),7
0,4
Hm bäufigften fam e? fottad), fotern nur bie uorfteheub bernor»
gehobenen OJemerbegruppen beriicffichtigt merbett, im Bergbau, Jütten»
unb Salinenmefeu, itäntlid) bei 100 %,' am feltenfteu im Berfehr?=
gemerbc, nämlid) nur bei 5,7 % ber in ber betreffenben OJemerbegruppe
Streifenbeu, 511111 Sfontraftbrud).
Hu?fperruugeu finb im ganzen ^eutfehen 9feidjc 7 zu oerzeidjiteu
gemefen, uon betten eine bereit? im Csubw uerbättgt morben mar.
Bfit Hu?nabutc ber fid) auf ein Baugefchäft in Hlzei) (in Reffen) be=
Ziebettbeu Hu?fperrung ftnb fämmtliche bereit? al? beenbet gentclbet
morben. 2ic beenbeteu Hit?fperrungeu, uon benen 3 auf Brennen,
1 auf Baperit uub 2 auf Sadjfett entfielen, betrafen im (Ganzen 9 Be=
triebe; oon ben in benfelbett bei Beginn ber Hu?fperrung befd)äftigteu
512 Hrbeitcrn mürben 95 (18,6%») au?gefpcrrt, bamnter 5 ( 5 , 3 %
fämmtlidjer Hu?gefperrteit) unter Berlejutug be? Hrbeit?oertrage? feiten?
be? Unternehmer?. 3 n oöUigent Stillftaub tauten nur bie 4 Betriebe,
auf meld)e fid) bie im ftubrgemerbc in Berlin erfolgte Hu?fpermug
bezog.
3unt Schluß fei nodjtnal? barauf hingemtefeu, bafj bie ge»
brachten norläufigen Ejarafter ber fmnmarifd)eit
Ueberfuht entfprechenb, möglidjermeife nod) nad)träglid)en STorrek
turen uittenüorfen fein fönnen. Bezüglich einer §Reil)e non Be»
trieben maren, mie anmerfmtgSmeife unter ber lleberfidfjt beruor»
gehoben roirb, bem STaiferlidben Statiftifd)en Huit überhaupt uod)
ni(|t bie fämmtlidjen 3 a ^ eu SUQcgangett.
Allgemeine Sojtfll- und nHrtj^djaftepolitik.
^ie gefeblidhe Regelung ber (^tgarrett^audtttbttffrie.
9Kit biefer Vyraae befchäftigte fid; bie mit 30. s D?ai in Berlin
abgehaltene 0)eneraloerfamuiluug be? ,/^entfchcH Xabafoereinv'3
ber bie Unternehmer faft ber gefammten beutfdjen £abafinbuftrie
Zu feinen SKitgltebern zählt. 211? Bertreter be? 9ieid)?amte? bc?
Snnern mohnten ber Berfaminluitg bie .sperren (Geheimer DIht»
9fegierung?rath s Bilhelnti itnb ©ebeuiter Bcgieruug?ratt) Mod) bei.
G? hanbeltc fid) um bie Stellungnahme be? Bereit!? \\\ ber be-
979
fanntcn Betilion ber SBtnbencr ^aubetöfauuner an bnt Staates
fefretär beS Snnern, in ber um eine Enquete non BeichSwegen über
bie (Sigarren«£>au$inbuftrie gebeten unb gugleich SSorfdjläge gur
Befeitigung ber beftehenben SBipftänbe gemacht roerben. (3ScrgI.
„Sogiale Brafis" 0p. 581.) S)er herein fyat es fich gur ^«focibe
gemacht, burd) eine Umfrage bei feinen Btitgliebern im gangen
^beutfetjen Beidj SBaterial gur Beurteilung ber grage gu fammeln.
©s ftnb Antworten non runb 300 ginnen eingegangen, bie baS
folgenbe Befultat ergeben:
Hamburg s Ältona*€tteiiien: Bon 31 antwortenben girmen
befebäfttgen 28 Handarbeiter nieift männlichen ©efdjlecfjtd, bie burd)*
gängig am £rtc wohnen, wo bie gabrif fid) befinbet. Bon biefen
werben in ber BMjrgabl ber gälte meift eigene ftinber im Älter non
10 bid 15 fahren 3 bid r> 0tunben täglich befc^äftigt. $ic 3£ohn*
räume genügen nidit immer ben gu fteflenben gorberungen, wieberbolt
werben Sdjlafräunte als Ärbeitdraum benupt.
Bremen mtb llmgegenb: Bon 22 firmen haben 17 Haus*
Arbeiter, unb gwar uberroiegenb männlichen ©efcbled)td. Bei 9 girmen
befchättigten bie HaudinbufirieUeit Kinber (meift eigene) im Älter non
9 bis 14 fahren ooit 4 bis 7 Uhr im Sommer unb 4 bis 8 lU)r im
hinter, £ie Arbeit finbet in ber Sobnftube ftatt.
Begierungdbegirf SBinben, 2ippc, SBalbccf, Csnabriid:
Bon 52 ginnen arbeiten 48 mit Handarbeitern übermiegettb rocibüdjen
Mefdjledjtd, welche gum größten 2heil nicht an bem £rte wohnen, wo
bie betreffenbe gabrif fid) befinbet. Bei ben Handarbeitern oon
39 ginnen werben töinber befchäftigt; biefe ftehen im Älter oon 6 bis
14 ga breit.
0adjfen = Ältenbnrg unb Thüringen: Bon 17 ginnen De*
fdjäftigt nur eine feine Handarbeiter, bie meift auf bem l'anbe wohnen.
Bur bei 4 ginnen werben ftinber befdjäftigt, unb gmar im Älter oon
s bis 14 gabren. BJobnungduerbältniffc werben als giinftig gefdjilbert,
mit. Ausnahme oon Mit hl häufen.
Bljeinprouing: 13 ginnen bcfchäftigen Handarbeiter, 9 nicht.
Miuber im Älter oon 5 (!) bis 14 fahren werben oon ben Ärbcitcrn
gweier gabrifanten befchäftigt. SohnungSoerhältuiffe finb befchränft;
in Äachen wirb im Sdjlafraum gearbeitet.
Helfen, granffurt a. SSt., Hanau: 17 girmeu haben Haus*
arbeitet (meift Männer), 5 nicht, grembr Kinbcr werben uidjt bc*
fdjäftigt. B>ohnräumc unb in einigen gällen bie Schlafräume bienen
ald Ärbeitdftätte.
Mannheim, H e tbelberg, Spcper, Kaiferdlautern: HauS=
arbeiter werben mir wenig befchäftigt; einige oon ihnen arbeiten mit
tiinbern im Älter oon 10 bis 14 fahren.
Äönigreid) Sachfen: Bon 70 ginnen arbeiten 65 mit Hand*
arbeitern faft audfdjlieplid) weibUtfjen ©efdjledits. Bei 45 girmen
werben ilinber im Älter oon 8 bid 14 fahren befchäftigt; in 3 gällen
baoou ftehen bie Kinber im Älter oon 6 bis 14 gahren. B$ohnitngS=
oerhältniffe finb meift recht ungünftig, ba bie Ärbciter in alten Häufern
nntergebra'd)t finb; im Sommer wirb in ber Milche gearbeitet, im hinter
in ber Stube.
Berlin: Bon 3 ginnen haben 2 Handarbeiter, unb gmar eine
oorwiegenb männliche, bie anbere faft nur weibliche; eigene Minbcr oon
10 bid 14 gabreit werben einige Stunben am Sage befchäftigt.
Sdilefien: Bon 8 ginnen haben 3 Handarbeiter, meift ucr*
beiratbete grauen. Miubcr oon 14 bis 16 gahreu werben gum Sbeil
io Stunben befchäftigt.
^ugleid) erflärteu ftd) oon 291 ginnen 23) gegen eine oölligc
Bcfeitigung ber Hausarbeit, jebodj ftimmten oon 279 nicht weniger als
206 für bas Berbot ber Befestigung oon Minbern unter 12 gafjren
unb 41 weuigfteus bafiir, baß hinter unter 10 gaf)reu nicht befchäftigt
werben follen.
gerner münfdjten oon 240 girmen 121 einen befonberen Ärbeitd*
raum, mähreub 119 bies nicht für uothwenbig erachteten.
Auf ©runb biefer Befultate unb nach längerer eingehenber
Debatte würben fobann bie folgenben Seitfäpe einftimmig ge*
nehmigt:
1. Unter Hausarbeit in ber ©igarreninbiiftrie wirb oerftauben bie
Herfteflung oon ©ang* ober Halbfabrifaten (gu beuen ber gabri*
taut bie Materialien liefert), außerhalb ber gabrifbetriebdftätte
bes Ärbeitgcbcrs; ohne Unterfchieb, ob hierbei Hilf*P er foual be*
fdjäftigt wirb ober itidjt.
2. Xie Hausinbuftric in ber (Sigarrenfabrifation fantt in Dielen
(tiegeuben bei ben gegenwärtigen Bcrhältniifen nicht entbehrt
werben unb ift, wenn fic in ber richtigen Steife betrieben wirb,
eine wirthidiaftlidi wohlthätig wirfeubc ©iuridjtung für bie be*
teiligten Ärbeiterfreife.
3. (5*s lägt fid) nicht leugnen, baß mehrfach, »owohl in Begug auf
bie befdjäftigten Bcrfoueu, als auch hinfidjtlid) ber benujjteu
Ärbcitsräume Mif;uänbe oorhaubcii finb, bereu Bcfeitigung im
ontcrcffe ber betheiligten Ärbcitnehmer unb Ärbeitgeber geboten
erfcheint.
4. Hinfidjtlid) ber in ber Hausarbeit bcfdjäftigten 'ipcrfoneii erflcirt fid)
ber Teutfdje Jabafoercin mit einem aflgemeiuen Berbot ber Be*
fchäftiguiig oon Hiuberu unter 10 gahren einoerftauben : fowie
bantit, bnf; giiriorge getroffen wirb, bafj bie gcfetflicf)e Beftim*
9sn
ntuug, wouad) Äinbcr unter 13 begw. 14 galjren tu ben gabriten
nicht* befd)äftigt werben biirfen, aud) auf bie Hausinbuftric bei
ber Befestigung frember ttinber Äntoenbung finbet.
5. Hiuftchtlid) ber ÄrbeitSräunte mühte grunbfäfclid) beftimmt roerben,
bab in Bäumen, welche gur Bachtruhe benuht werben, Haus*
arbeü nidjt ftattfinben barf; ferner mühte bas Ürocfrteu bes
labafs über bem £)fen bed ÄrbeitSraumS oerboteu fein.
^)em Äutrage ber BUitbener Hanbelsfammer, ^bafe felbftänbige
Hausarbeit nur oon grobjährigen ^erfonen auSgeübt roerben
bürfe", rourbe nicht groljje gegeben, ba mehrere Bebner barauf
himoiefen, bab es ftd) h* er Borfchrift hanbele, bie oiel-
leicht im Sntereffe beS gfabrüanten, nicht aber in bem be$ Arbeiters
liege.
@S fanb fobann eine lebhafte BJeinungSäuberung über bie
5 rage ftatt, ob bie Sabrifation oon Zigarren als foltije ber ©e*
funbheit ben Ärbeitenben fchäbli^ fei. Bon befonbereut
Sntereffe waren bie Ausführungen eines babifdjen gabrifanten, ber
nachroieS, bab ungünftigen ©efunbheüSoerhaltniffe hauptfächlich
auf bie früher in ben gabrifen fjerrfchenben ungeniigenben 9taum*
oerhältniffe unb bie frü^eitige Berroenbung oon ^hnberrt gurücf*
guführen feien unb bab in golge ber neueren ©cfebgebuitg eine
wefentliche Befferung gu oergeichnen fei. @in beffereS Argument
für bie Ausbeutung biefer Beftimmungen auf bie HawSinfcnftrie
fönnte fthwerlich gefunben roerben.
BSenit man auch bie feitenS beS ^eutfehen XabafoeretuS gc*
madhten Borfdjläge nicht als weitgehenb genug erachten mag, fo
muß bodh h e ^° or 8 e hoben werben, bab fie etnen bebrutfamen 0<hntt
oorroärtS in ber Regelung ber Hausinbuftric bebeuten, befoubers,
ba fte aus ben betheiligten gabrifantenfreifen felbft h e roorgehen.
2Sie ber Borftbettbe fid) auSbriicfte, „fei man fich wohl bewußt,
bab hier gunt erften Btale bie Brücfe, bie oon ber gabrif in
bas Heim bes Arbeiters hinüberführt, ooit ber ©efcfc*
gebutig betreten werbe." Seitens ber Bertreter ber Regierung
würbe bie BJittheilung gemadht, bab eine ©rljebuttg über bie
(5igarren*H au §inbuftrie ^ödjft wahrfcheinlid) flaUftttben werbe.
Berlin. (5bgar Saffe.
^ie (entfliehe ttttb fogiale ©lieberung beS Betttfdjen Bolfcft.
Unter biefem 4itel hat baS £aiferliche Statiftifche Amt foeben ei«
SBerf oeröffentlicfjt, baS bie drgebuiffe ber BerufSgähluug vom
14. Suni 1895 ausführlich textlich gur ^arftellung bringt (Banb 111
ber Statiftif bes 2)eutfd)en Beichs, Berlin 1899, ^Suttfammer &
BJüblbrecht, ^reis 8 Jfi)- B$ohl liegen bie ©rgebniffe ber ge=
nannten ©rhebung in ^abeüenform fd)on feit ©nbe bed
SahreS 1897 oor unb auch textliche Abljanblungen über eingelne
Sheile ber BerufSftatiftif Tmb in ben BiertelfahrSheften ber
Statiftif beS 2>eutfchen Beides mehrfach erfreuen. ^aS jept oer^
öffentliche Böerf aber witt eine ausführliche unb gugleich ab*
fd)liepenbeBearbeitungberBerufSgähluugbieten.©inleitungSweife wirb
bie äufjerc ©ittrid)tung’ ber BerufSgähluug (ihr Anlafe, ihre Bor*
bereituna unb Aufnahme, fowie bie BJethobc ihrer Berarbeüung
nebft Äojtenaufwattb) aefd)itbert. Alsbaitn gelangt in oiergehn Ab*
fchnitlen baS materieue ©rgebnip ber 3ähhmg ^ur Darlegung.
Alle wichtigeren gragen, über welche bie drhebung Auffchlufe giebt,
finb babei eingehenb beleuchtet, ©s wirb bargethan, welche Aus*
behnung bie ©rwerbSthätigfeit im Allgemeinen unb welche fpegieÜ
ber grauenerwerb, bie Shttber unb bie ©reifenarbeit h a *- 3 ur
Klarlegung ber ©rwerbSthätigfeit in ben einzelnen Berufen finb
biefe in 207 Arten gegliedert unb für jeben biefer BerufSgroeige
bie Stärfe, feine ©ntwicfelung, feine geographifdje Berbreitung
unterfucht. 2)ie fokale Schichtung wirb nicht blofj in Begug auf
bie beiben H au ptflaifen ber Selbftftänbigen unb Abhängigen er*
örtert, fonbern es werben bei ben Selbftftänbigen noch bk unbe*
mittelte, bie Drittel* unb bie wohlhabenbe Kiaffe, bei ben Ab*
hängigen baS technifche unb AuffidjtSpcrfonal, bie gelernten unb
ungelernten Arbeiter, fowie bie Arbeiter, bie gantihenangehörige
ihres Arbeitgebers finb, näher behanbelt. Anbere Abfchnittc ünb ber
grage beS Bebenerwerbs, bem Alter, gamilienftanb, ber Beligion
ber ©rmerbsthätigen, ben 2)ienftboten, nichterwerbSthötiaen gamilten*
angehörigen, H au§ m^ lI fi r i e Öen, H au fi rern / Arbeitslofen gewibmet.
$)ie meiften ber behanbelten gragen finb au per nach & em ^tanbe
oon 1895 auch hmfidjtlich ^ er f e ^ 1962 eingetretenen ©ntwicfelung
bei* einfcfjlägigen Berljältniffe bargejtellt, unb ebenfo nicht allein
für baS Betch im ©angen, fonbern auch für bie eingelnen BunbeS*
ftaaten unb unter Beriicffichtigung ber Berhältniffe oon Stabt unb
Öanb. ©nblich ift gur genaueren Kenngeidjnung ber beruflichen unb
fogialen ©lieberung beS SulanbeS biefe noch im Sichte frember
Berljältniffe betrautet unb gu bem ©nbe ein Bergleich mit ben
Sogialc $ra$id. ©eutralblatt für Sogialpolitil. Br. 36.
981
Soziale $rajri». EentralMatt für ©ozialpolilif. Ar. 36.
anberen Miilturftaaten angeftellt. $aturgemäfe founten in ber lert*
licpen Darfteüung nid)t alle Detailfragen mit zur Erlebigung ge*
bracht werben. Um jeboep beren Beantwortung t^unlic^ft ju er*
leichtern, wirb im Anhang ein umfangreiches Material oon Ser*
hältnifejaplen unb oon fonftigen 3ufcunmenftellungen geboten, baS
für roeitere Öorfcpungen mopl oorbereitet erfepeint. Aufeerbem ftnb
*ur 3üuftration bebeutfamerer Ergebniffe 28 farto* unb biagrappifepe
Beilagen bem Banbe angefügt. Das gefammte Väerf (oom Sc*
ferenten Dr. gr. 3 a & n muftergiltig bearbeitet) giebt ein fo um*
faffenbeS unb grünblicpeS Silb oon ber beruflichen unb fozialen
©lieberung, wie es einftroeilen feinem anberen Lanbe jur Ser*
fügung fiept, es wirb auf lange 3 e ^ hinaus für politifc^e unb
roirthfcpaftliche Vtofenapmen wertpoolle ©tunblagen bieten.
$o}iitle Jnftänfce.
©öttffire Verpältttiffe im Särfergemerbe VMenS. Der Bericht
ber 5franfenfaffe ber Wiener Sädfer pro 1898 roirft ein grelles
Vicht auf bie fanitären Uebelftänbe im Bäcfergemerbe. Die Tabelle
ber ErfranfungSarten, bie bem ß'affenbericpte beigegeben ift, zeigt
bie bebauerliche Erfcpeinuitg, bafe fiep bie 3 a W SnfeftionS*
franfheilen, ber fpppilitifcpen unb ber £>autfranfheilen erhöht hat.
Die 3ahl ber 3nfeftionSfranfpeiten betrug im Berichtsjahre 471
gegen 395, bie ber fppbilitifcpen 135 gegen 107 unb bie ber $jaut*
erfranf ungen 202 gegen 196 im 3<*h re 1897. Die SnfeftionS*,
foppilitifcpen unb fmutfranfpeiten weifen allein 6719 Sfranfpeits*
tage mehr auf als im 3ctpre 1897. 3« bem ungünftigen ©e*
funbbeitöguftanbe, über ben bie Säcfereiarbeiter ju flagen höben,
bemerft baS Sacporgan „3eitgeift":
Aad) jahrelangem Kampfe ber Organifation um Beteiligung ber
fanitären Uebelftänbe unb bamit ber fanitätSroibrigen ftraufpeitfit finb
wir bet bem Aefultat angelangt, bafe gcrabe bie eilte fauitärc ©cfapr
für baS 'publifum btlbenben jtraufhetteu immer gröbere Dimeufionen
annet)men. Alle Sorftelluugeu bei ben mafegebenben ttörpeufdjaften mtb
bie oft mit großen Soften oerbuitbene öffentliche Agitation haben an
ben traurigen Verljältniffen, unter betten bie Särferarbeiter leiben muffen,
nichts jn ärtbent oermodit. Aatp wie uor ift bie Arbeitszeit eine über*
mäfeig auSgebepnte unb baburd) bie Vorbereitung für Erfranfungen ge*
geben. Ein grober 2fjeil ber ©epülfen hot noch £ogis beim SDteifter
unb ift baburch einer regelntäbigen Steinigung entwöhnt. ES ift nicht
für geuügenbe AeinigungSapparate oorgeforgt, fo bab ben (behülfen in
ben meiften fällen bie Vtöglicpfeit jur Steinhaltung überhaupt feljlt.
Die Sel)örbe fteht ber ganzen Eifere mit einer berouitberungSmürbigen
Apathie gegenüber; felbft oftmalige Anzeigen oermögen eS nicht, fie
aufzurütteln.
Eetttraltoerfftatteit für $erlmuttcrfnopfbr<<h$!er ttt Vtfcit. 3 n ber
Arbetterfcpaft bes &nopfbrerf)SlergemerbeS in 3Bten macht fich gegen*
wärtig eine lebhafte Bewegung geltenb. ES wirb geflagt, bab bie 1896
burch bie Vermittelung ber .ftanbels* unb ©ewerbefammer feftgefepten
^opn* unb $reisfäpe nicht eingehalten werben, weil bie zapHofen
.$auSinbuftrieflen bie beftehenben ©äpe unterbieten. 3 ur Erhebung ber
3ahl ber .<pausiubuftriellen oeranftaltet bie tfnopfbrcdjslergemerffdjaft,
welche hierzu eine Suboention oon ber $anbelsfamnter erhielt, bie ein*
gepenbjte Umfrage. Die .fpausinbuftrieüen, beren es in BSien an bie
Üaufenb giebt, foüen in (ientralwertftätten oereinigt unb auf biefe Art
Zu einem Serfftattbetrieb zurücfgefüprt werben. 3 U biefem 3mecfe
würben mehrere zahlreich befudjte Verfammlungen oon $auSinbuftrieHen
biefeS ©eroerbeS in einzelnen Bezirfeu abgehalten, welchen bemnäd)ft
eine ©efantmtoerfamntlung aller Sinter •’peimaibeiter ber Branche jutu
3 werfe ber Raffung enbgiltiger Vefchlüffe folgen foll.
Äorporatioe ßopnreaelung im 3immerergcwerbe Oon ißtiS.
Unter Seiftanb einer Delegation bes AttpiteftenoerbanbeS pat fu^S*
lieh eine gemifchte Sfommiffion aus Sertretern ber Arbeiter* unb
Uuternehmerforporationen beS 3i m merergewerbeS im ©eine*
bepartement einen Vertrag abgefchloffen, ber einen einheitlichen
Öohn (90 ßentS pro ©tunbe) unb einheitliche oierze|ntägige
3ahlungSperioben feftfept. Die Architeften ihrerfeits hö&en fich
oerpflichtet, ben fiyirten ßohnfafc in bie Sebingni6h e f^ e
träge aufzunehmen.
Sergarbeiteroerhältniffe iw Spanien» Der- englifche tonful in
Silbao berichtet: Der burchfchnittliche Dagelohn eines ©ifenerz*
arbeiterS beläuft fid) auf ca. 3 SefetaS; Änaben erhalten IV 2 bis
2 l / 4 ^SefetaS; Arbeiter, bie bas fen fortiren 3 1 / 4 unb Vorarbeiter
ca. 4 1 /-2 VefetaS täglich. Die Vopnc ftnb jwar nicht fchlecht int
Vergleiche mit ben Vö|nen anberer Arbeiter tn Spanien, aber bie
ArbeitSoerhältniffe bei ber (Sifenerzgeminnung finb fehr fchwierige.
©S ift z roar feine ©rubenarbeit, ba in ©teinbrüchen gearbeitet
wirb, hoch ift bie Arbeitszeit eine überaus lange: im VMnter
10 ©tiinben mit IV 2 ftiiubiger Diiltagspcwife, im ©ommer bagegen
13 ©tunben mit 2 ftiiubiger VtittagSpaufe. And) bie V^ohnungS*
oerhältniffc finb fehr fchlecht, ba bie Arbeiter oft gezwungen ftnb,
in Varadfen z u moljnen, bie ben Unternehmern gehören unb in
benen möglichft oiel Arbeiter zufammengepfercht werben. Aud)
fonft fleht baS Drudfpftem in ooUcr Vlüthe; ein gegen baSfelbe
im Sahre 1891 gerichteter ©trei! hotte bebauerlicher Seife feinen
anhaltenben ©rfolg.
Ätbciterbejueguttg.
3tl»er!fd)ofi(id)t ärbeiterfongrefie ()aben in ber
Vfingftwoche wieber in größerer 3 a hl ftattgefunbeu. Auf faft allen
trat bie Deitbcnz Z u ^ a 0 e / ^urch Aenberung beS ©treifreglements
unbefonnenen unb ausitchtslofen ©treifs thunlichft oorzubeugen,
unb burch ben Ausbau beS UnterfiiifcungSmefenS, inSbefonbere ber
Arbeitslofenoerforguna, ben Drganifationen größere ©tabilität zu
oerfdjaffen unb bie 3 a W ^ er 6treifbre<her zu oerminbern. (Sine
beacbtenSwerthe ©achlichfeit unb Vtäfeigung trat babei auf faft allen
Verfammlungen zu Dage.
3n Äöln tagte bie 9. ©eneraloerfammlung beS (EentraloereinS
ber beutfefjen VöttAer, welcher, ba über eine Verfchmelzung mit ber
Organifation ber Vrauer oerhanbelt tourbe, aud) ein Vertreter ber
Vrauer beiwohnte. Die Verfchmelzung würbe inbeffen abgelchnt,
hoch will man bei Lohnbewegungen folibarifch z u f ammen Ö e ^6 C11 -
Die beantragte obligatorifd)e ArbeitSlofenunterftüpung auf centraler
©runblage würbe mit großer Mehrheit abgelehnt, weil mau mit
ber jefcigen ©inrichtuna, wonach eS ben 3 a hlfieÜen überlaffeit ift,
auS örtlichen Mitteln ArbeitSlofenunterftüpung zu Z a 5tcn, auSzu*
fontmen oermeint. Bezüglich eines einheitlichen Lohntarifs oerljiclt
mau fich ffeptifd). Siegen ber Vielgeftaltigfeit ber Vött<herarbeiten
werbe berfelbe wo 1)1 ein frommer BJunfch bleiben. Dagegen er*
flärte man fnh für Vtinbeftlohne, ^erabfepung ber Arbeitszeit, be*
fouberS für bie zebnftiinbige §öchftarbeitSzeit, fowie gegen bie bie
ArbeitSfraft oermüftenbe Afforbarbeü. @nbe oorigen SapreS ^ä^Ife
ber (Eentraloerein in 114 3ohtftföen mehr als 5000 s lßitglieber,
bie aber häufig wechfeln. Auf bem $ongrefj waren 30 Delegirte
Zugegen, bie 29 Vezirfe oertraten.
Die Döpfer, 3i c Ö^ cr unb VerufSgenoffen h^u ihren
11 Stongrefj in Velten in ber Viarf ab. ©S waren 34 Delegirte
(17 Ofenfeper, 12 VSerfftubenarbeiter unb 3 ©epeibentöpfer) an*
wefenb. ©ehr geflagt würbe über bie Arbeit auf Sauten bei un*
oerglaften Öenftern unb bei offenem tfoafsfeuer. 2Ran fcplop fid)
in biefer Beziehung ben Befdjlüffert beS lepten Bauarbeiterfchup*
^ongreffeS an. Von 31 ©treifs würben im ©ergangenen Sah^f
28 erfolgreich burchgefodpten. Die Einführung ber unterftüpung
ber ArbeitSlofen würbe im befcploffen. 3unächft fott in
allen Orten eine ArbeüSlofenftatiftif aufgenommen werben. 3»
einer auch oom ©efretär ber ©eneralfommiffton ber ©ewerffepaften,
Legien, befürworteten Stefolution würbe bie Schaffung einer felbft*
ftänbiaen 3^9^*Organifation befeptoffen. DerVerbanb foH wieber
ben warnen „Eentraloerbanb ber Döpfer unb BerufSgenoffeu
DeutfcpianbS" erhalten.
Der Verbanb ber Porzellan* unb oerwaubter Arbeiter
beftplop auf feiner ©eneraloerfamtnlung in SRubolftabt eine Er*
pöljung ber Beiträge unb ©emährung ausgiebigerer Unterftüpung,
befonberS im 3?aHe ber ArbeitSlojigfett. Der Verbanb, beffen Ver*
mögenSlage eine gute ift, beffen ÜJcitglieberzahl in ben lepten brei
3ahreit aber ftationär geblieben ift, hot int lepten Soh^e an Ar*
beitslofenunterftüpung allein 72 000 Jt gezahlt. SSiel geflagt
mürbe über itiebrige Löpne, lange Arbeitszeit unb unaefunbe Ar*
beitSräunie. ©ro&e Vorficpt würbe bei ©treifs empfohlen; unbe*
fonnene ©treifs folleu oon VerbanbSwegen nidpt unterftüpt werben.
Ein Antrag, ben neunftünbigeit Arbeitstag in ben Öabrifeti zu
forbern, eoentuell zu erzwingen, würbe oem Vorftanbe zur Er*
wägung überwiefen.
Die ©eneraloerfammlung beS VerbanbeS ber in Sud)*
brudfereien unb oerwanbten Berufen befepäftigten ®ülfs*
arbeiter unb «Arbeiterinnen DeutfcptanbS, ber z- 31- 1428 Veit*
glieber zählt, wooon etwa 650 Arbeiterinnen, tagte in Berlin, in
©egenwart oon Vertretern ber Stein* unb Bucpbrudfer. Es würbe
bie oom allgemeinen ©ewerffepaftsfongrefe in Sranffurt a. V2. bc*
Züglicp ber paritätifdpen ArbeitSnacpweife gefaxte SHefolution gut*
geheifeen unb bie Einführung ber ArbeitSlofenunterftiipung im
Vtinzip befcploffen.
Die 7. orbentlicpe ©eneraloerfammlung beS Eeutraloerbaubes
aller in ber ©epmieberei befcpäftigteu Arbeiter tagte in Berlin
ws;t Soginle ^ßrajri^. Ecutralblatt für Sogialpolitif. Rr. 3u. 9s4
unb war oon 33 delcgirten aus 32 Stabten beflißt. Es würbe
fonftatirt, baß ber Berbanb buid) bie (Sinfu^rung ber ArbeitS*
lofen*llntcrftüpung ein feftereS fjunbament, namentlid) eine größere
Stabilität ber Mitglieber erhalten pabe. der Berbanb gäplt
2950 Mitglieber in 35 3apliteHen. (Sin dpeil ber Scpmiebe ge*
bört bein MetaHarbeiteroerbanb an, tropbem imtrbe ein Antrag ber
3aplftellen §aHe, Magbeburg unb Braunfcpweig auf Anfcpluß beS
EentraloerbdnbeS an ben MetaHarbeiteroerbanb als Seftion ber
Scpmiebe mit 29 gegen 4 Stimmen abgelebt, weil bic Scpmiebe
gumeift in Meinen betrieben arbeiteten, auf bem ßanbe in länb*
licpeu Anfcpauuugen erlogen feien unb menig 3ufammengepörig*
feitSgefüpl bcfunbeten. durch Aenberung beS Streifreglements
hofft man unbefonnenen AngriffSftreifS au fteueru. Eine Erhöhung
ber Beiträge fall ber ArbeitSlofen*Unterftüpung gu ©ute fommen.
Elfter delrgirtentag beS ©etoerloereinS ber beuffipeit 2Ra*
fdjinenban* unb Metallarbeiter gu Augsburg. Unter ben gapl*
reichen BeratpungSgeqenftänben ift non allgemeinem Sntereffe bie
Berpanblung über bie grage geroefen, ob ber ©ewerfoerein fiep
nach Snfrafttreten beS Bürgerlichen ©efepbutpeS als BerufSoerein
eintragen Iaffen foH. Beibe Referenten, Kamin*Berlin unb §art*
inaiin*düffelborf erflärten bieS unter ben obroaltenben Berpältniffen
für unmöglich. §.61 Abf. 2 beS Bürgerlichen ©efepbucps laute:
„die BerwaltungSbepörbe fann gegen bie Eintragung Einfprucp
erheben, raenn ber Berein nach bem öffentlichen BcretnSrecpt un*
erlaubt ift ober oerboten werben fann ober, wenn er einen poli*
tifcpen, fogialpolitifcpeu ober religiöfen 3 wecf oerfolgt." §)ier merbe
alfo bie £mupttpätigfeit ber ©cmerfoetcine, bie Befferung ber
fokalen Berpältniffe ber Arbeiter betroffen. Unb §. 72 beS ©efepeS
forbere: „der Borftanb hat bem Amtsgericht auf beffcu Bedangen
jebergeü ein Bergeidjniß ber BereiiiSuutglieber eiitgurei<pen." $ßie
ber ©eroerfoerein mit jept 34 000 Mitgliedern, bie in circa 600 Orten
deiitfdjlanbs wohnen, ein folcheS Bergeidjniß machen unb einreichen
füllte, bas habe man fid) wohl nicht überlegt. Auch ber Antrag
Bad)nicfe*Roeficfe, ber bie gute Abficht habe, biefe Beftimmung
abgufcpwäcpeti, werbe nichts änbern, benn foHte auch ber Reichstag
guftimmen, fo werbe bie Regierung es nid)t tpnn. Es bleibe &aper
ben BerufSocreinen nichts weiter übrig, als für bie BerufSoereine
ein Rormatiogefep gu oerlangcn. die Art unb SSeife, wie heute
bie ©efepgebung arbeite, laffe aflerbingS für abfehbare 3 e 't fcrft
jebe Hoffnung auf eine rechtliche Stellung ber BerufSorganifationen
ber Arbeiter fcpwinben. Unb hoch fei gerabe in unferer 3 e 't bie
Rotbmenbigfeit ber Rechtsfähigfeit gang befonberS erwiefen. ®ieS
treffe nidjt nur 311 bezüglich ber Sicperftellung beS BereinSoermögeitS,
fonbern auch gang befonberS bezüglich ber öffentlichen SO^ätxgfeit
ber ArbeiterberufSoereine. golgenbe Refolution würbe fobann ein*
ftitnmig angenommen:
„der 11. orbentliche delegirtentag beS ©ewerfoereinS ber
beutfepen Mafdjinenbau* unb Metallarbeiter fpricht fein Bebauern
aus barüber, baß trop wieberholter feit gapren gemachter Berfucpe
eS in golge beS ftetigen SBiberftaubeS ber gefepgebenben Körper*
fcpafteit nod) nicht gelungen ift, bie Rechtsfähigfeit für bie Berufs*
oereine gu erlangen. Auch bie Hoffnung auf bas Snfrafttreten beS
Bürgerlichen ©ejepbucpeS hat fid) als eine trüaerifdje erwiefen.
Raep ben Beftinimungen biefes ©efepeS, inSbefonbere §. 61 Abf. 2,
ift eine Eintragung in baS BereinSregifter für ben ©ewerfoerein
ber Mafdjinenbau* unb Metallarbeiter unmöglich. gn Erwägung,
baß bie BerufSorganifationen ber Arbeiter eines ftärferen gefep*
liehen SdjiipeS bebiirfen unb ein Recht barauf haben, benfelben gu
oerlangeu, muß bie Sorberung ber gefeplicpen Anerfennung ber
BerufSoereine burch ein befonoereS Rormatiogefep aufs Reue er*
hoben werben."
der AuSftanb ber Brünier $egtifarbeitet bauert fort. gn
©egenwart be* ©ewerbe*gnfpeftorS hat neuerbingS ber Bürger*
meifter oon Brünn mit ben gabrifanten wegen Beilegung bes nun
fünf BJocpen bauernben Streifs oerhanbelt. die gabrifanten er*
flärten inbeffen fid) 311 Berhanbluugen mit ben Arbeitern nur unter
ber Bebingung bereit, bap ber 3 e h n ftunbentag, beffen Einfüpruna
bie Arbeiter erftreben, „auper grage gefteüt würbe". Unb boep
haben 3 wei fleinere Sirmen fid) jept entfd)loffen, ben 3 e haftunben*
tag 311 bewilligen, ber bereits feit längerer 3 *it tn oier gröperen
Sabrifen in Brünn befteht. ®ie Sammlungen für bie Streifenben
fließen noch inimer reicplid).
©in ftongrep ber nngarifchen ©emerff(haften hat 311 Bfingften
in Bubapeft ftattgefunben; er war oon 66 2)elegirten ber Buba-
peiter Tyadjor^anifationeit unb ooit 38 ^elegirteu ber s }koüiu 3 *
mganifationen befd)icft. ^ie ©ewerffd)aftsbewegung ift in Ungarn
nod) fchwad). Es finb nur etwa 19 000 gewerbliche ftäbtifepe Ar*
beiter gcwcrffd)aftlid) orgauifirt, währenb bic 3 al)l ber öffentlich
mtb geheim organifirten ^anbarbeiter weit über bas doppelte be*
tragen foH. Es würbe befcploffen, bic beftehenben <vachoercine gu
SanbeSoereinigungen umgugeftalten, bie baS ArbeitSlofen* unb
ReifeunterftüpungSwefen gu pflegen unb gu bem 3 ro «f bie Mit*
gliebSbciträge 311 erhöhen haben. Ein Elferfomite foll bie Be*
fdjlüffe beS tongreffes burchführen, s BiberftanbSfaffen organiftren
unb etwaige Streifbewegungen überwachen, bie jeweiligen ©croerf*
fepaftsfongreffe oorbereiten unb einberufen unb babin traepten, ba^
balbigft ein Arbeiterfefrctariat gefepaffen werbe. Uebrigen
fpraep fiep ber^ongrep für ben gefeplicpen gepnftünbigen Maximal*
arbeitstag, für 36 ftünbige Sonntagsruhe, für Einbegiepiing beS
Kleingewerbes in bie ©ewerbeauffidjt, für .^erangiepung oon Ar*
beitern gur ©ewerbeaufpept, für ©ewerbegeriepte, für bie obliga*
torifepe Unfalloerfidjerung unb für oolle Koalitionsfreiheit aus.
^)er oon ber Regierung geplanten EentralarbeitSoermittelung roiü
man pep niept feinblid) gegenüberfteHen, wenn in bereit Berwaltung
Arbeiter unb Unternehmer gleiche Rechte haben unb in Streitfällen
feine Arbeit »ermittelt wirb; attberenfaHS foll ber Arbeitsnachweis
naep Möglicpfeit oon ben Öacpoereinen oerfepen werben. Sie man
fiept, befleipigte fiep ber Kongrep groper Mäpigung.
®cr ^iamantarbeiterhttnb in Amfterbam« Anfang Mai hielt
ber Amfterbamer $>iamantarbeiterbunb, ber am befteit otganifirte
Arbeiteroerein .^oHanbS mit napegu 8000 Mitgliebern, feine Sapre^*
oerfammlung ab. 2)itrcp Mitglieberbeiträge gepen jährlich
300 000 fl. ober burcpfcpnittlicp 40 fl. pro Mitglieb ein. $>ie Mit*
glieber beS BnnbeS werben fünftigpin in gwei Klaffen eingetpeilt
werben. S^bes neue Mitglieb wirb auf ©runb einer ältlichen
Unterfucpung einer biefer Klaffen ^ugetpeilt uttb pat als An*
gehöriger ber gweiten, bei aHerbiitgs niebrigeren Beiträgen, fein
Recpt auf Uuterftüpung im öaÖc oon Kranfpeit unb Snoalibität,
fonbern nur bei UuglücfSfäflen. Alfopoliften werben ber gweiten
Klaffe gugewiefett. §iir bie neu errid)tetc ©ewerffcpaftSfranfenfafic
(opne BeitrittSoerpflicptung) fotten BunbeSärgte opne B r * D atpram
angeftellt werben, denjenigen Mitgltebern, bie wegen iprer 3 Us
gepörigfeit gum Bnnbe arbeitslos geworben finb, fiept ein Aecpt
auf Unterftüpung gu. Streitigfeiten gwifepen ben Mitgliebern unb
bem Bunbe foÖen burep ein SdjiebSgeiicpt gefcplicptet werben.
3ur Borbcreitnng einer BunbeSalterSoerficperunq würbe eine Kom*
miffion ernannt, daneben tritt ber Bunb für bie Einfüpning
einer ftaatlicpen AlterSocrficperung ein. — der wieptigfte Söcfcplup
war wopl ber, in ben Kampf gur Erlangung beS AcptftunbentageS
eiugutreten opne Rücfficpt barauf, ob fiep Antwerpen, §>anau unb
Rew*?jorf betpeiligen. Ein Antrag, gugleid) eine ßopnerpopung
um 10% gu forbern, um ben bei bem Borperrfcpen ber Afforb*
arbeit gu befürdjtenben ßopuauSfatl auSgugleicpen, würbe abgelehnt.
Enblicp würbe bie Errichtung einer ©enoffenfepaftsbäeferei befdjloffen,
wäprenb ein Antrag, gewiffe Sorten minberwertpiger diamanten
oom Bunbe fooperatio bearbeiten gu Iaffen, einer Kommiffion gur
näperen Unterfucpung iibermiefen würbe.
die RiaffenauSfperrung in dänemarf pat gu einer großen
Broteftoerfammlung oon ©ewerbetreibenben in Kopenhagen geführt,
in ber bem Unwillen über bie ArbeiterauSfperrnng, bie gerabe ben
auf bie Arbeiterfunbfcpaft augemiefeneu Meinen Mittelftano fcpäbigc,
AuSbrucf gegeben unb ben Auegefpcrrten Unterftüpung gugefiepert
würbe, die Staat^regierung ober ©emeinbeoertretung möcpten
ipren Einflnp gur Beilegung beS Kampfes aufbieten. 3ür bie
AuSgefperrten wirb jept auep in deutfcplanb gefammelt. 3n
Scpweben unb Rorwegen follen bie Arbeitgeber ben AuSgefperrten
ebenfalls Arbeitsgelegenheit oerweigern. Anfcpeinenb beabfieptigen
in ben brei ffanbinaoifepen Sänbern bie Unternehmer bie 3 er *
ftörung ber Arbeiterorganifation burep AuSfperrung.
der AuSftanb in ben ©ifenwerfen non ßc ©renfot (im de«
partement Saone-ßoire), über beffen Ausbruch man fiep in Jywmf*
reid) fepr beunruhigte, ba er leicpt ben Auftop gu umfangreichen
ArbeitSftörungen pätte geben fönnen, ging nad) fünftägiger dauer
erfolgreid) gu Enbe. Aus rotrb uns barüber gefd^rieben:
die Anlagen oon Ereufot finb baS größte inbuftrielle Unternehmen
granfreieps unb bilben, äpnlid) wie bie Krupp’fcpen EtabliffementS,
bie wirtpfcpaftlicpe BafiS für bie Beoölfermig eiiieS gangen Be*
girfeS. 2c Ereufot mit feinen 30 000 Einwohnern ift uöüiq baoon
abpängig. der Betrieb limfafjt Berg* unb §iittenmerfe, Mafcpinen*
bau unb Kanonenfabrifation. Seitbem Sie Unternehmung oor
etwa feepgig Sflpren in ben Befip ber gamilie Scpneiber über*
gegangen ift, gilt fie als eine .podjburg beS patriarepalifepen
3-nbriffcubaliSnuiS. Unter bem gweiten Maiferreid) fpielte ber
Bater ber heutigen Snpaber eine fepr einflußreiche Rolle unb war
985
©ojiale fragte, ©entralblatt für ©ojialpolitif. Nr. 36.
986
mit Sa 93Iat) bcr 3«fpirator bcr ©ojialpolitif Napoleons. 3it
Se Greufot felbft mürben SöohlfahrtSeinricßtungen aller Art ge*
fcßaffen. Saft alle Befcßäftigten ftnb ju mäßigen Mietßen in ben
Säufern ber So&nf untergebracht. ©ie erhalten freie .^eijung, ein
drittel beS ßoßneS bei Kranfßeit unb bei ©injiehung ju mili*
tärifcßen Uebunaen unb alljährlich ©ratififationen oerfcßiebener
Art. Aerztlicße Beßanblung erfolgt auf Koften beS Unternehmers,
ber aucß oßne jeglichen Sobnabjua bei ber ftaatlidEjen Alters*
oerforgungSfaffe ^enfionen für alle Arbeiter fonftituirt. Die
Sabriffparfaffe, bie gegenwärtig ein ©parfapital oon 9 Millionen
SrancS repräfentirt, oerjinft bie ©inlagen mit 5 °/o- Sn ben leßten
Saßren hat bie Sabrif auch begonnen, ihren Arbeitern ben ©rroerb
eigener Böohnungen ju erleichtern, Konfumoereine ju organifiren 2 c.
Sür bie Arbeiterfinber ejriftirt eine Neiße oon ©lementar* unb ge*»
werblichen Sortbilbuncjsfcßulen. Nach ben Angaben ber Unter*
nebmer belaufen fich bte jährlichen Ausgaben für biefe oerfcßiebenen
SBohlfahrtSeinricßtungen auf Millionen 3*oncS, mäbrenb bie
©efantmtlohnfumme nur 11 V 2 Millionen grancä beträgt. Nein
fachlich befcßweren ficb bie Arbeiter auch feineSroegS über bie
Bßilantßropie ißrer Brobßerrcn. Unangenehm wirft nur bie Art
unbBßeife, in ber fie geübt wirb, ©ie artet ju einem ins Kleinfte
geßenben BeoormunbungSfpftem aus, baS ben Arbeiter auch
im ^rioatleben oöHtg in bie Kontrole ber Unternehmer bringt.
Außerbem bienen bie BSoßlfahrtSeinricßtungen nach ben Bor*
ftettungen ber Arbeiter nur baju, um bie toirfltd)en Söhne möglicßit
niebrig ju halten. Scbe Sorberung nad) Aufbefferung roiro mit
bem SimoeiS auf bie großen unentgeltlichen Bergünftigungen ab*
geroiefen. Sn ber Dßat finb bie Sohnoerhältniffe oon Se ©reufot
nicht befonberS gut. Das ©chlimmfte ift aber, baß bie Mad,t beS
Unternehmers 311 fehr für politifcße 3mede mißbraucht wirb.
Der einzige ©treif, ber feit 30 Saßren bort ju oerjeichnen mar,
brach anS, als 1870 ber bamalige Seiter bie Arbeiterfcßaft für baS
Blebiscit jur Urne führen wollte. Aud) ber gegenwärtige Aus*
ftanb rourjelte weit mehr in ber Bestimmung ber Arbeiter gegen
ba^ politi|ch mißbrauchte ^atronalfnftem, als bie offiziell forrnu*
lirten ©treifforberungen erfennen laffeit. Diefe beziehen fich auf
eine allgemeine Sohnerhöhung, auf ©infüßrung oon feften Aoance*
mcntSoerhältniffen, halbmonatliche Lohnzahlungen, taftoollere Be*
hanblung feiteuS ber Böerfmeifter, Befcßwerberccßt für bie einzelnen
Böerfftätten. Namentlich in ben brei juleßt genannten Sorberungen
fpricßt fich ber eigentliche ©runb beS AuSftanbeS aus. Die bis*
ßerige Abroefenßeit fefter Normen in biefen Dingen mar bie Solge
unb ber Sebel beS AbfolutiSmuS beS Sabrifherrn, ber fo fiets
nach belieben ßanbeln unb ben Drutf inbioibuell auSübeu fonnte.
©anj biefem ©eifte entfprang auch bie erfte Befanntntacßunq beS
BefißerS nach bem Ausbruch beS ©treifeS. Sn einem an „mes
ouvriers“ gerichteten Aufrufe forberte er einfache BtMeberaufnaßme
ber Arbeit, bie inbeffen nur theilroeife erfolgte unb am folgenben
Dage roieber aufßörte. Da ber AuSftanb gut organifirt mar,
faßen fich bie Sabrifhcrren hoch jum Nachgeben gezwungen. Noch
ehe baS oon ber Beßörbe eingeleitete ©inigungSoerfaßren praftifch
cinfeßte, oerftänbigten fie fich mit ben Arbciterbelegirten unb oer*
fpradjeit außer ben auf bie Sohnoerhältniffe bezüglichen Sorbe*
rungen auch bie ©nthaltung oon jeher Maßregelung unb bie Au*
erfennung beS aus bem ©treif ßeroorgegangenen BerbanbeS ber
Arbeiterfcßaft. Unter biefen Umftänbeu hat am 3. Sw»i bie gefammte
Belegfdjaft bie Arbeit roieber aufgenommen; aber es ift nad) Willem
fein Sroeifcl, baß biefem erften erfolgreichen ©dritte ber Arbeiter
im Kampfe um bie ©leichberechtigung noch weitere folgen.
SrieMtche SBrenbiguug beS 3lrbeitSfampfeS im SangetoerBe
©nglanbS. SDie SluSfperrung ber ©tuefaturarbeiter, oon ber in
biefen Slättern beS Defteren bie Nebe geroefeu ift, hatte jmar
feinen großen Umfang angenommen, aber fie barg bie ©efaßr in
fich, baß ihre ^onfequenjen 3 U einem geroaltigen Äampf im ganjen
Baugewerbe führen fonnten. ®em ift nun gliicflid) oorgebeugt
worben. $>ur<h Bermittelung beS S cra u^geberS ber „SDaifi) Neros"
©. %. Goof, ift ein frieblicher Ausgleich jroifchen Arbeitgebern unb
Arbeitern in einer am 30. Mai in Sonbon abaehaltenett Konferenz
bewerfftelUgt worben. 6 Unterternehmer* unb 6 Arbeiteroertreter
unter Borfiß GoofS haben in fiebenftünbiger ©ifcung bie Differenzen
erörtert unb bie Bebingungen beS ScicbenSfchluffeS feftgeftellt. 4)ie
Urfache beS ©treiteS war, baß bei brei Sonboner Santen bie
©tuefarbeiter bie Arbeit eingeftefit hatten, weil ein Bkrfführer fich
geweigert hatte, ihrem Berbanbe beijutreten. darauf befchloß am
6 . Märj ^ er Unterneßmeroerbanb, fämmtliche Arbeiter auSjufperren.
4000 Arbeiter oerßelen bem ©cßicffal, fanben aber gumeift anberS*
wo llnterfommen. Anfang April fdjeüerte ein AuSgleichoerfuch,
nun ift er burd) SuterDention eines llnparteiifchen gelungen, ^ic
Bebingungen finb in £ürje folaetibe: Söerfführer brauchen uid)t
bem ©eroerfoerein ber ©tuefarbeiter anjugehören, bie SehrlingS*
frage wirb burch aegenfeitige Bereinbarung feft geregelt, weber
Unternehmer noch Arbeiter, bie an bem Bertrage fefthalten, bürfen
in Berruf erflärt werben, bie Arbeitsabgrenzung wirb oon Sofal*
fomiteS beftimmt, bie ©eroerfoereinSmitglieber geben eine genaue
Definition oon folgen Nid)t*Unioniften, mit benen fie nicht zu*
fammenarbeiten wollen, eine ArbeitSeinfteßung muß fe<hs Dagc
oorher angefünbigt werben, bie jam ©rfaß währenb ber Ans*
fperrung eingefteUten auSlänbifchen Arbeiter, Staliener, S^anjofen,
Belgier werben aHmälig entlaffen unb bie cinheimifchen ©tuefaturer
führen bie oon ihnen begonnene Arbeit weiter. — ©owohl oon beu
Unternehmern wie ben Arbeitern würbe am ©cßluß ber Konferenz
£>errn ©oof unb feinem Bottegen ©bwarbs ber wärmfte Danf für
fhrc Bermittelung auSgefprochcn.
JCtbeUsttadjttteis.
Die Beamten Bei fotmmutalen ArBeitSnaihmetfen.
Sn ben Berathungen beS britten ©eroerffdjaftsfongreffes hat
bie Srage beS Arbeitsnachweis einen befonberS breiten Naiim
eingenommen. Die fd)ließli<h gefaßte Nefolution befuubet einen
erfreulichen Sortfdjritt im ©inne Derjenigen, welche bie Betßeili*
gung ber Arbeiter an fommunalen unb paritätifchen ArbeitSnad)*
weifen für an fich jaläffig unb roünfchenSroerth erflären, ohne
beShalb auf irgenb welche gorberung bcr Arbeiter in Bezug auf
bie theoretifdje ober programmatifche Behanblung beS Arbeits*
nathroeifeS ja oergicf)ten. Die fehr langathmige Nefolution — bie
Srucht eines mühfamen KompromiffeS — enthält aber einen ©aß,
ber in fich unflar unb faft noch mehr als früher bie ©treifeflaufel
geeignet ift, bie weitere ©ntroicfelung z u ftören unb ju fchäbigeit.
©S wirb nämlich für bie fommunalen Arbeitsnachweife oerlangt:
Rührung bcr ©efchäfte burch aus ben Ncißen bcr Arbeiter ßeroor*
gegangene Beamte; 5Baht berfelben burd) bie Bcrwaltimgs*
fümmiffiou.
3ft biefe Sarberung theoretifch berechtigt? Sft fie burchfüßr*
bar? §at fie praftifeße Bebeutung?
Bei ber ©treifeflaufel fonnte ich, bei ooßer Bejahung bcr
erften Srage, bie beiben anberen oerneinen, unb biefe Anficht (guerft
oon mir oertreten in ber „©ozialen $rajis", 6 . Sah^Ü- 3p. 683),
fobann auf ber Karlsruher Arbeitsnachweis * Konferenz 00 m
13. ©eptember 1897 fann jeßt woßl als bie herrfeßenbe gelten.
Bei ber oorliegenben „AnftellungSfrage" wirb auch bie erfte Srage
felbft oon bem eifrigften ©eroerffchaftler bei unbefangener Be*
traeßtung oerneint werben tnüffen. Auch Qemaub, ber mit bem
britten ©eroerffeßaftsfongreß (©ingang ber Nefolution)
au bem grunbfäßlicßen ©tanbpunft fefthätt, baß ber Arbeüsnadi*
weis ben Arbcitcrorganifationen gebührt,
wirb zugeben muffen, baß ein fommunaler Arbeitsnachweis aitbers
oerroaltet werben muß, als ein rein in ben $änben ber Arbeiter
befinblicßer. Unb zwar oerlangt ber Kongreß
Berwaltung bureß eine, in gleicher 3 a bl uon ben Arbeitgebern
unb Arbeitnehmern je in freier SÖaßt gewählte Komntiffiou
birefter Bertreter unter Leitung eines unparteiifcheu Borfißcubcn.
©eßt es nun an, wenn man eine folcße Kotnmiffion jmar oicl*
leicßt nießt wünfeßt, rooßl aber als jur 3 c ü u oc h notßwenbiges
Uebel anerfennt, ißr fofort bie Borfcßrift ju geben: „Sßr h a ^l
bie Beamten m wüßten, aber fämmtlicße Beamten ntüffen aus bett
Ncißen ber Arbeiter h erDor g c g a ugcn fein; fämmtlicße anberen
©tänbe: Arbeitgeber, Beamte, ©eleßrte u. f. w. finb auSgefcßloffen"!?
©in rein geroerffdiaftlicßer, allein in ben ,v>änben ber Arbeiter be*
finblicßer Arbeitsnachweis mag fo oerfaßren — wenn er fitß aud)
feinenfaßS ftatutarifd) in biefer Art binben wirb —, aber biefer
rein gcroerffdjaftlicße Nachweis ift ja in bem ©tabium, für welches
jene Sorberung berechnet ift, noeß gar nießt ba. Unb wenn er ba
wäre, würbe feine Berwaltung eine reine Arbeiteroerwattung, mit
AttSfcßluß ber Arbeitgeber fein, alfo baS ©egentßeil beSjenigen,
was bie Nefolution „unter ben gegenwärtig befteßenben Berßäll*
niffen" für zuläffig erflärt.
Aber weiter! 2öaS oerfteßt bentt bie Nefolution unter beu
„aus ben Neißen ber Arbeiter ßeroorgegangenen Be*
amten"? ©twa nur bie £>erfunft ber Beamten, ißre frühere Be*
fcßäftigung? ©0 baß bie Sorberung erfüllt wäre, wenn ber Beamte
bie ©igenfeßaft als früherer gewerblicher Arbeiter uaeßweifen fönutc,
aueß wenn er jeßt z- 33- portier, Sobrifauffeßer, fleiner Unter*
nehmet u. f. w. wäre? ©idjer nid)t; gemeint finb oielmeßr bie
987
6ojiale $rctjis. ©entralblatt für ©ojialpolitif. Rr. 36.
988
Reiben bcr geroerFfcbaftlid) orgauifirten, fo^ialbemofratifAen „Haffen*
bewußten" Arbeiter. $>er Beamte foll bis 3 U feiner 3Bat)l in ber
geroerffcfjaftlidfjen Organifation aeftanben ^aben urtb tf)ätig ge*
roefen fein, er foll fid^ burd) ©ifer unb Energie in biefer Be*
Siebung empfohlen haben. ©rfüllt er biefe ©rforbcrniffe, fo roirb
feine geroerffd)aftlid)e ober fojialbemofratifdje Berfatnmlung gegen
ifjn ftd) erHären, auch roenn er bis jur 2Sabl nid)t Arbeiter,
fonbern Rebafteur, ©eroerf fdjaftsbeatnter, Abgeorbneter ober roaS
foitft roar. 3ft er fein guter „©enoffe", fonbern 3 . B. djriftlicb-
fo 3 iaI, ©eroerfrereinler, Herifal, fo toirb feine 2 Bat)l ben ©eroerf*
fc^aften, roie fie nun einmal tfjatfädjlid) finb, unmöglich als ©r*
füHung ihrer 3orberung erfdjeinen. 3ft es aber, immer 00 m
©tanbpunft ber t^eoretifdjen unb logifdjen ©rroägung, jitläffig, 3 U
erHären: BHr (affen ben fommunalen Arbeitsnachweis 3 U; mir
forbern aber, ba& bie BerroaltungSfotnutiffion nur jfoldje Beamte
bcftellt, bie fpesiell unfere — oer geroerffchaftlicb organifirten
Arbeiter — An fugten oertreten?
Aber (affen mir bie Theorie bei ©eite, unb febett mir 3 U, roie
ficb auf ©runb ber Refolution bie praftifdje Berroaltung geftaltet.
2)ie fommiffton foH bie Beamten mä^Ien. $)ie fommiffion
beftebt aus gleicboiel Arbeitern unb Arbeitgebern, unter Leitung
eines unparteiifeben Borfibenbett. BMe roäblt bie fommiffton?
©elbftoerftänblid) nad) ©timmenmebrbeit. BHe aber, roenn bei ber
Abftimmung Arbeiter unb Arbeitgeber in oerfchiebener 3 a bl ans
roefenb finb? ©ntfebeibet au<b bann bie blojje SRajorität ober
bürfen bann nur gleidjoiel äRitglieber oon jeher ©eite ftimmen?
3nt erfteren gatl entfteben natür(icf) lauter 3afalIS*Abftim*
uuutgen; tyutt fehlen 3 mei Arbeiter unb nun roerben ihre ©enoffen
überftiimnt, in ber näcbften ©ifcung mag es umgefebrt fein.*) 3 m
anberen galt mirb eS eben gerabe bei ber Beamtenroafjl gewöhn*
lid) 3 unt ©ticbentfcbeib beS Borfibenben fotnmen, menn nid)t etroa
3 itfä 0 ig bie Arbeitgeber unb Arbeiter alle berfelben Partei unb
bemfelben politifeben Berein angeboren. Aber ferner: $)ie fom*
iniffion roäblt bie Beamten, ©ntläftt fie biefe autb? Rtufj bie
fouoeraine fotnmiffion ficb Beamte gefallen Iaffen, rcelcbe ihre
Borgängerin eingefefct bat? BUtffen bie fo 3 ialbemofratif<ben Ar*
beiter, menn fie enblicb bie Majorität bei ber 2 Babl erlangt haben,
bie Beamten bulbeit, welche — im Rbeinlattb 3 . B. - bie flerifaleit
Arbeiter ber oorigen ^ommiffion eiugefefct haben? fonfequent ift
natürlich nur bie gorberung, bafc bie fommiffiott bie Beamten
nach 3 u falISmajoritäten ernennt unb entläfet,**) etma roie in Rorb*
amerifa oielfacb bie Beamten nach ben Btäfibcntenroablen geroecbfelt
roerben. $5afc aber bierburd) — gan 3 abgefeben oon ber materiellen
£age, in welche fie gerietben — jjebe ©elbftftänbigfeit unb 3 « s
oerläffigfeit ber Beamten 3 erftön mürbe, bebarf feines Rad)roeifeS.
Aber ber unparteiifdje Borfifeenbe foll ja gerabe berartige
s ^artci*AuSfdjreitungen oerbüten. ©eroifj; aber oielfacb fann er eS
nicht, roenn bie Bfajorität gegen ihn bergcftetlt roirb. Unb roo er
es fann — bei ©timmengleidjbeit — ift er in noch üblerer Bo*
fiiion, roeil feine ©ticbentfcbeibnng ihm als Aft bcr 'Parteinahme
ausgelegt roirb unb in ber Sßrcffe, Berfatnmlungen n. f. ro. bie
äufjerfte Agitation entfachen tnujj.***)
^ie lleberlaffung ber Wahlen an bie ans Arbeitern unb Ar*
Zeitgebern, b. bv mie bie Berbältniffe liegen, aus pringipiellen
©egneru sufatntnengefebte fotnmiffion ift hernach minbcftcnS be*
*) 3» Sranffurt haben bic Arbeiter biefe $borl)cit aHerbtngs
oerlangt. 3» bem (Sntrourf 0011 Abänberungcn bes bcftebeitben Statuts,
betten Atdjtbenicffidjtigung burd) ben iWagiftrat eine ber ^muptbcjdjuier*
ben bilbet, roeldjc bas bortige fo^talbcmöfratifc^c Blatt gegen ben bor*
tigen foinuiunalen Arbeit*nnd)roeiS erhob, füllte namentlich bic befte(jenbe
Borfdjrift (ÜDlitroirfnng oon gleicboiel Arbeitern unb Arbeitgebern bei
jeber Abftiimunng) burd) bie Borfcfjrift ber bloftcn Majorität erfe^t
roerben.
■ Spf ) Auch bicfeS Aufiunen hatten bie ^ranffurter „ÖJeuoffeu" tljat*
tädjlid) au bett A?agiftrat erhoben.
Alles (Mefagtc ift ber praftifcheit Erfahrung entnommen. 3n
Aranffurt batten bei ber SÖahl bes WefcbäftsführerS bic Arbeitermil*
glieber ber Atommijfiou einen im politifeben unb geroerffdjaftlidjen Öebeu
oerbienten „(rtenoffen", bic Arbeitgeber einen in ber 3nuungSberoeguug
feit je thätigen Mlcinmeiftcr oorgefdjlagen. Beibe Alaubibaten roareu
..aus beit Aeihctt ber Arbeiter beroorgegangen", ba bcr eine Zimmer*
gefelle, ber anbere (Sonbitor getoefeu roar; b'ctbc roareit au fid) burchauS
gnalifi.^irt 31 t ber ©tellung. -Zätte nun ber Borfi^eube mit ben Arbeitern
gegen bic Innungen ober mit ben Innungen gegen bie Arbeiter ent*
feheibeu, b. b. Bartei nehmen füllen'/ 2:cr BZagiftrat, roeldicr bie (5nt* 1
fdieibuug halte, ba bie Mommiffion nidjt 311 umbleu bat, fonbern nur |
>u hören ift, roählte bann feinen biefer Barleifrimpliitge, fonbent einen j
britten, burd) feine o'rfabruug in ber Arbeitsoerinitteluug befoubers ge* (
eigneten Bäittn (früher Mommiv, ©obn eines rdjreiuersl. Unb bas
marb bie •{■'augtbefdiroerbe ber JJrauffurter Arbeiter!! !
benflicb. 3 ft f^ 1 ' aber red)tlid) möglich? können bie ®cmeinbe*
oorftänbe, Biagiftrate, Dberbürgermeifter, ©emeinberätbe u. f. to.
oöllig auf jebc Antbeilnabme oer 3 icbten? ®ie ltnterfuebung biefer
Rechtsfrage roürbe in oerroidfelte AuSeinanberfefcungen über bie
©täbteorbnung in in ben anberen ©taaten führen,
bie hier nur angebeutet roerben fotten. ©icber ift, bafj 3 ur $eit
nirgenbs in $>eiitfd)lanb, bei feinem fommunalen ArbeitSnachroeis
bereu Borftanb ein folcfjeS Recht 3 ufte()t (auch nicht 3 . B. in Bafel
unb 3nricb). ^ebiglich iu ^öln ernennt unb entläßt bie ,,Ber*
bau b So er f am mlung" bie Beamten, freilidj auch bi^ mit bem
Recht beS CberbürgermeifterS 31 fr Betätigung beS BerroalterS.
Aber biefe BerbanbSoerfammlung ift eben auch feine burd)
birefte Bertreter ber Arbeiter unb Arbeitgeber in freier Bkhl
gewählte tommiffiou, fonbern fte ift in fiinftUcher Bkife 3 ufautmen*
gefegt aus ben $)elegirten ber oerfchiebenften Bereine, Sforporationen,
3nnnungeit, ©eroerffchaften, fo baR allerbingS bie oben gefd)ilberten
Bebenfen gar nicht auftreten fönnen, roeil nie eine ein 3 elne Bartei
bie ÜKaforität in ber Äommiffton erlangen fann, inSbefonbere nicht
bie ©eroerffchaftler, bie nur oier oon ben 18 SRitgltebern roähfcn
bürfen! ^)afe bies ben SSünfchen beS ©eroerffchaftSfongreffeS ent*
fpricht, ift faum an 3 unehmcn.
BSäre nun aber für bie Sthätigfeit ber fommunalen ArbeitSnach*
roeife oiel erreicht, roenn bie Beamten fämmtlid) „aus ben Reiben
ber Arbeiter beroorgegangen" unb fämmtlid) oon ber ftommiffton
ernannt unb oon tfji allein abhängig roären? 9Ran fönnte mit
ber ©egenfrage antworten: Bßarb bei" AuffteHung jenergorbening
angenommen, bafj bie Beamten ftch in ihrer AmtStbätigfeit nad)
ber ^ommiffion 311 richten haben ober nidjt? Söarb bies angc*
nommen, fo fommt eben AHeS auf bie ftommiffton unb faft nichts
auf beren auSfübrenbeS Organ, bie Beamten, an. 3*ne beftimmt
bie ©mubfäfee, nach benen bei ©treifs, bei unbilligen Arbeits*
bebingungen it. f. ro. 311 oerfabren ift, prüft bie eingebenben Be*
febroerben, entfd>eibet in allen 3 meifel£fragen; bie Beamten finb
ieoiglicb für Befolgung ihrer Softrnftionen unb für prompte ©e*
fcbäftSerlebigung oerantroortlicb; ihre perfönlidje BJeinung, ihr
politifdjeS ©laubenSbefenntnife fommt nicht in Betracht. 28arb
aber im ©egentbeil bie gorberung aufgeftellt, roeil ber ©eroerf*
febaftsfongrefe an ben „aus ben Reiben ber Arbeiter beroor*
gegangenen ;/ Beamten Organe 3 U finben glaubte, bie eoentueH aud)
ohne unb gegen bie Sfomntiffion unb beren Borfibcnben bereit froh,
bie Arbeiterforbermtaen 31 t oertreten, bie ©eroerffebaften über alle
Borfommniffc am ArbeitSmarft 311 informiren, bann 3 eigt fuh
toieber, baf) bic Berfaffer biefeS ©apcS, bem SSortlaut ber Refo*
httion 3 ttm 2rob, bie fommunalen ArbeitSnacbroeife tbatfäcblicb
nicht roo Ilten, auch nicht als UebergangSftabium. ©S märe
offenbar eine ilnmöglicbfeit, bafe unparteiifebe BerroaltuitgS*
fommiffionett burd) Bartcibeamte ihre ©efdjäfte führen Iaffen
follen; cS ^iefjc baS einfach bie fommiffionett 3 U ©unftett bcr
Beamten lahm legen.
AücrbingS roäre freilich bei biefem ©alcul ©ines überfehen:
baR nämlich bie Beamten roenigftenS bei ben grofeett Arbeits*
oermittelungSftellen in ben .f>auptftäbten, in Berlin, BHinchett,
3ranffurt, ©tuttgart u. f. ro. gar nid)t in ber Sage finb, im ©lilleii
unb ohne Borroiffen ber fotnmiffion bei ber ©rlcbigung ber ®e*
fud)e bcr Arbeitgeber ober ber Arbeiter ben einen Xbeil 3 U be-
güttftigen ober 3 U benadjtheiligeit. Betrügereien fönnen natürlich
oorfotntnett, wenn fie unehrlich, ber Beftechnng 3 ugänglich Rnb;
rootttett fie aber eine beftitnmte flaffe oott Arbeitgebern surücffefcen
( 3 . B. wegen ber fcblechien ArbeitSbcbingnngen, wegen unerlebigtcr
Befchroerbett ber Arbeiter), ober eine beftimmte f laffc oon Arbeitern
begünstigen ( 3 . B. bie ^ielberoufcten ©enoffen", bie burd) ©treifs
brotlos ©eroorbenen 11 . f. ro.), fo roürbe bies fofort burch Bc*
fchroerbett u. f. ro. 3 ur feitittniR ber f otttmiffion fomtnen, unb biefe
müfjte entfehetben, ob fte baS betreffeitbe Borgehen billigen roifl
ober nicht.
freilich roirb cingeroanbt roerben, ba& ja auch nicht bieS^ber
3 roccf ber gatt 3 en 3 ° r ^ e ntng fei, bafe tnatt lebiglith unb nichts
AttbereS wolle, als bie ted)itifd) richtige Beforgung ber ©efchäftc;
bie ans ben Reiben ber Arbeiter beroorgegangenen Beamten feien
beffer als Anbere über bie Bebürfniffe itn ©eroerf informtrt,
föttnten bie fteHenfucbenben Arbeiter genauer beurtbeileit unb mit
mehr ©aebfenntnifj ben richtigen Wattn für ben richtigen Bfefe
wählen.
©S mag baf)itt geftellt bleiben, ob biefer ©inroaitb ftets ehr*
lief) gemeint ift; richtig ift er nidjt. fein Beamter einer Ar*
beitsnadjrocisanftalt fann in alleit Rächern gleicbntäRig beroanbert
fein, alle ©etoerbe gleid)tnäftig genau fenneit: jeber roirb febr rafd)
einen lleberblicf in biefer Be.jiehung geroinitett, unb je länger er
989
(Sogtale $ra$t$. ©entralblati für ©ogialpolttil. Ar. 86.
990
int 5Xtnte ift — je länger er auf gehört hat, Arbeiter gu fein —
tun fo beffer. ©erabe rein ted^nifc^ ift nicht ber Beamte am beften,
beffen frühere ^ptiafeit ben Kunben beS ArbeitSnadf)roeife$ ben
Berbadjt einflößt, baß er geneigt fein werbe, feine früheren ga<h*
enoffen ober feine $artetgenoffen, bie thtn bie ©teile nerfcfjafft
aben, gu beoonugen, fonbern berjentge, non welchem Arbeitgeber
unb Arbeiter wiffen, baß er fein gntereffe baran bot, anbere, als
bie bent Auftrag am beften entfpredfjenben Arbeiter gu oermitteln
ober Arbeitspläne angugeben. ©inem anberen Beamten roirb man
minbeftenS gutrauen, baß er bie ©rlebtgung beS einen Auftrags
oergögert, bis ein ^arteigenoffe gur H>anb ift, unb bie (Srlebigung
beS anberen, roeil er feine greunbe oon ber Innung gern fdjneHer
bebient, als bie außerhalb ber Snnuna fte^enben Arbeiter. (Sntfle^t
aber erft ein foldt)eS BRißtrauen, fo ift bie ©ntwicflung beS
fommunalen Arbeitsnachweis gelähmt, unb bie Aufgabe ber Kom-
miffton ift es gerabe, burd) ffharfe Üebermad^ung ber Beamten,
genaue Prüfung ber eingehenben Befchwerben, genaue ©inftcht in
alle ©ingelbeiten beS ©efchäftsbetriebs bie Beamten gur rein fad)*
licken ©eftbäftsbebaitblung angubalten.
Raffen mir baS ©efagte gufammen! ®ie gorberung: ,,$)er
Arbeitsnachweis ben Arbeitern, ber fommunale, b. b- unparteiifdbe
Arbeitsnachweis nur als Uebergang", mag richtig ober unrichtig
fein, jebenfaüs enthält fie ein flareS, beftimmteS Programm.
©eßt man aber bingu: „AuSftattung beS fommunalen ArbeitS*
nacbroeifeS mit Beamten, roeldbe lebigiich unb einfeitig Arbeiter*
intereffen oertreten follen, bie aber gugleicb bezüglich ber ©rneuerung
unb Amtsbauer auSfchließlich oon ben Sßajoritätsbefcblüffen ber
BerwaltungSfommiffionen abhängig finb," fo oerlangt man etmaS
tbatfä(bli(b unb logifcb Unmögliches, baS, wenn eS realifirt werben
fönnte, ben Arbeiterintereffen nicht einmal nüßen würbe. 2)enn
ent web er würben bie Arbeitgeber auf ben fommunalen Arbeits¬
nachweis oergichten, beffen Beamte lebigiich bie ©efchäfte ber
Arbeiterforporationen beforgen, oon benen fie gewählt finb, ober
es würben bie Beamten felbft, troß ihres UrfprungS aus ben
Leihen ber Arbeiter, nadh ihrer 2Bafjl i|re s ßarteiangehörigfeit in
ben £>intergrunb treten (affen unb nadh farger 3eit in ihrer ©e*
merffchaft oergeffen werben. 2öiü man fommunalen Arbeitsnach¬
weis, fo müffen bei ihm für bie Beamten*©rneuerung bie Regeln
gelten, welche wie bei allen für alle BeoöIfcnmgSHaffen beftimmten
©inrichtungen, fo auch namentlich für bie Kommunaloerwaltung
unb gang befonberS auch für ben Arbeitsnachweis gelten müffen:
2)ie 3 u 9 e hörigfeit gu einer beftimmten Partei barf weber Aus*
fdjließungSgrunb noch ©mpfehlungSgrunb für eine Sßahl
fein, am wenigften aber eine auSfcf»IiefeIic§e Anwartfdhaft bafür
oerleihen.
granffurt a. 3D l K. glefcf).
$er ©rotrafoerbanb betttfdjer gnbuftrieller ttttb ber Arbeits¬
nachweis. ©ine am 3.Quni in Berlin abgehaltene $>elegirten*
oerfammlung beS ©entraloerbanbeS hot nach lebhafter ©rörterung,
in ber bie ©rfahrungen in ben oerfchiebenen Snbuftriebegirfen mit*
getheilt würben, folgenben Befdjluß gefaxt:
„2>ie 2)eIcgirtenoerfammlung hält es unter SBürMgung beS SBertßeS
ber oon Arbeitgebern geleiteten ArbeitSnachweife für eine unumgäng¬
liche Aothwcnotgfeii, bah biefe ArbeitSnachweife auch in 3ufunft au g s
fdh Iiefjlidh in ben Rauben ber Arbeitgeber oerbleiben."
tiefer Befcfjluß war gu erwarten, nadhbem ber ©eneralfefretär
beS BerbanbeS fi<h auf ber ArbeitSnachweiSoerfammlung ber Unter*
nehmeroerbänbe oom 5. ©eptember 1898 gu öeipgig unter 3urüdf-
weifung beS „©chlag Wortes" oon ber (Gleichberechtigung ber Arbeiter
mit bem Arbeitgeber, mit bem ein ungeheurer Unfug getrieben
werbe — baS SBort ftammt aus ben gebruar*©rlaffen Kaifer
SöilhelmS —, fidh für ben einfeitigen Unternehmemadhweis als
2Jtac|t* unb Kampfmittel auSgefpodhen hotte. Aber ber Befchluß
ift um fo bebeutfamer, als ber Borfißenbe ber 5)elegirtenoerfamm*
lung, ©eh- Qinangrath 3enfe*©ffen, bie guoerfichtli^e ©rwartung
auSgefprodjen hot, „baß es getingen möge, eine Drganifation gu
feßaffen, welche unfere gelammte beutfehe Snbuftrie tn fleh faßt".
©in paritättfdjer Arbeitsnachweis in ßetpgig ift oon einem gu biefem
groetle gegrünbeteit Berein für Arbeitsnachweis errichtet worben. Soweit
förperfchaftlich georbnete ArbeitSnachweife bereits oorhanben finb, foU
beren 2hätigfeit unberührt bleiben. Bon ihrem eigenen ©rmeffen wirb
es abhängen, ob fie fpäter in ein AuStaufcboerbaltmß gu bem neuen
Berein treten wollen. 2)ie ArbeitSnadjweiSfteHe wirb in gwei Abthei¬
lungen gerfaHen: eine für männliche, bie anbere für weibliche Arbeiter.
Sie Berwaltung liegt in ben §änben eines befonberen AusfchuffcS, ber
aus je oier Arbeitgebern unb Arbeitern befteht. 25iefe follen je gur
Hälfte burch ben AuSfcfcuß beS ©ewerbeaeridjtS unb ber DrtSfranfen*
taffe gewählt werben. gür bie weibliche Abteilung wirb ein grauen*
AuSfajuß geBilbet. SBäfjlbar gum Amte beS BereinSoorfißenben finb
weber Arbeitgeber noch Arbeiter. 25ie ©rhebung einer ©infehretbe*
gebühr oon 10 ^ für bie Arbeitfudjeuben würbe mit 85 gegen 80 (Stim¬
men abgelehnt. £>ie fogenannte (Streifflaufei würbe in folgenber gaffung
angenommen:
gm gaHe einer Arbeitseinteilung ober AuSfperrung hot ber Bor-
ftanb bie Arbeitfudljenben h^oon gu unterrichten, ben Betheiligten aber
eine furg bemeffene griff gu fepen, binnen beren fte baS ©inigunaSamt
beim ©ewerbegeridfjt angurufen hoben. SBenn le^tereS nicht aefchieht
ober eine ©inigung nicht gu ffanbe fommt, ober wenn fidh bie Borteien
bem ©chiebsfpruche nicht unterwerfen, fo hot ein oon Arbeitgebern unb
Arbeitern gleichmäßig befeßter Ausfluß gu befdhließen, ob ber Arbeits¬
nachweis für baS betheiligte ©efcßäft ober ben betheiligten ©efchäfts-
jweig feine Shätigfeit einfteüt. SSähreitb ber griff bis gur Anrufung
oeS ©ewerbegerießts (begw. bis gu beffen ©ntfeheibung) hot bie Shötig*
leit beS ArbeitSnachweifeS gleichfalls gu ruhen.
Sünbliche ArbeitSOermittelutig in Baben. er Berbanb
Babifcher ArBeitSnadßweife (ogl. ©p. 931) h fl t nach feinem
1898 er Bericht bie Sftidhtigfeit feiner Anfchauung Beftätigt gefunben,
baß ber fianbwirthfehaft Beffer als mit Befonberen lanbwirthfchoftlichen
ArBeitSnadhweifen mit einer allgemeinen, alle $weige umfaffenben
ArBeitSnadhweiSanftalt unb burch bie Berbinbung untereinanber unb
mit ben BerpflegunaSftationen ben richtigen AuStaufch.ber Arbeiter
gwifchen ©tabt unb ßanb gu förbem. 2)ie Anftaltin greiburg hatte
barin bie Beften ©rfolge, tonnte aber ben Bebarf an lanbmirth*
fchaftlichen Btägben auSreidhenb nicht beeten. Aehnliche ©rfahrungen
machten Konftang unb ^Sfor^^eitn. Konftang tonnte mit feinen
gilialen unb BerpflegungSftationen 904 B er f° nen als länblidhe
Arbeitnehmer einfteUen. Bon 352 SReferoiften beS XIV. ArmeeforpS
würben burch greiburg, §eibelberg, Karlsruhe, 9Äannheim,
heim unb ©dhopfheim 299 in Arbeit gebracht, gn ßahr, Offen*
Burg unb KarSruhe werben oon ben Anftalten auch Heinere 2öoh s
nungen nathgewiefen.
5>er Arbeitsnachweis ber bentfehen ©ewerfrereme nnb ebangeltfchen
Arbetternerebte gn $re$ben würbe 1898/99 (Berichterftatter AegierungS-
ratl) B?. greiherr o. SSelct) oon ben Arbeitern in 731 gälten, oon ben
Arbeitgebern für 614 offene ©teilen Bennßt. $)urcff bie Bermittetung
würben 436 ©teilen nachweisbar befeßt; 181 ©teflungfuchenbe würben
in niefft angemelbete ©teilen gebracht. Bon ben ©tellenfuchenben ge¬
hörten 317 ©ewertoereinen, 215 eoangelifchm Arbeiteroereinen, 29 bem
Königlich ©ächfifdjen SKilitäroerein, bie übrigen ©efellen- unb güng-
IingSoereinen ober gar feinem Berein an. Stichtmitglieber gahlen bei
Benußung eine ©infehreibgebühr oon 25 ©onft ift bie Benußung
für Arbeiter wie Arbeitgeber unentgeltlich- ®er Bericht fpricfjt ben
SBunfch aus: „Btöge unfer Unternehmen, baS bisher in einträchtigem
Sufammenwirfen oon Arbeitgebern unb Arbeitnehmern gefchaffen unb
oerwaltet worben ift, auch fünftig in gleicher SBeifc bem ©ebanfen ber
fogialen Berftänbigung bienen, bem eS feine ©ntfteljung oerbanft."
2)em SBunfche fönnen wir uns nur anfchließen.
ßltcrurifdjt SCnjeigm.
Annalen beS 2>eutf<hen Aeichs für ©efeßgebung, Berwaltung unb
©tatiftif. ©taatSwiffenfctjaftliche 3 ei tl^ri|t unter Btitwirfung
gahlreicher gachmäuner h^ouSgegeben oon Dr. ©eorg $irt§
unb Dr. Btaj o. ©epbel. 32. goh^Ö- l 899 - Br. 6 unb 7.
Btünchen unb fieipgig, Berlag oon ©. pirth- gährli^ 12 §efte.
Abonnementspreis: oierteljährlich 4 M.
Socialstatistik. Bind I. Indledning indeholdende Forklaring angaaende
de af Kommissionen ivserksatte socialstatistiske Undersogelser samt
Oversigt over de vigtigste Resultater af den af samme udgivne
Socialstatistik (Bind II og III). (Bilag til den pari amen tariske
Arbeiderkommissions Indstilling.) Udarbeided yed Direkter
A. N. Kiaer og Pastor E. Hanssen. Kristiania 1898/99,
0. Christiansens Bogtrykkeri. 108 S. — Bind II. Statistiske
Oplysninger om Alders- og Indtaegtsforholde etc. da begyndt at
arbeide, og Indtaegtsforholde 1894. Tabeller-Rigets Byer. (Bilag
til den parlamentariske Arbeiderkommissions Indstilling. Udarbeided
ved Kommissionens Sekretariat. Kristiania 1897, A. W. Broggers
Bogtrykkeri. S. 1—616. — Bind III. Tabeller-Rigets Bygder.
Kristiania 1898, Thronsen & Co.’s Bogtrykkeri. S. 617—1303.
Bericht über bas IV. ©efdfjäftsjahr ber Sßreußtfchen ©entral*@e=
noffenfdjaftS-Kaffe für 1. April 1898/99.
2) eff au, Bericht über bie Berwaltung unb ben ©tanb ber ©emetnbe-
Angelegenheiten ber Aefibeitäftabt $effau pro 1. guli 1897/98.
SSormS, BerwaltungS-Aecheufchaft beS BürgermeiftcrS ber ©tabt SSorms
für 1897/98.
Karlsruhe i. B., ©emeiitbe-Boranfchlag für bas AechnungSjabr 1899.
Biagbeburg. Haushaltspläne ber ©tabt Bcagbeburg für 1899.
«erantiDortltdi für bie »ebaftion: Dr. «rnft Stande tn »erlin W., »aijreutberftrafee 29 .
991 ©ojiale $rart3. Gentralblatt für Sosialpolitif. Sßr. 36. 992
©ic £r*itc*U Prärie“ erlernt an jcbcm ©onnerätag unb ift burdj alle öucbbanblungen unb ^oftamtcr (^oftaeitungönummer 7072) 3 u bejiefjen. ©er $rei3
’ für ba8 SSicrtcljatjr ift 3 k. 2,50. $ebe Kummer foftet 30 $f. ©er «njeigenpreiS ift 60 g}f. für bie brcigefpaltene ^ctitjeile.
Dcvfafl Innt IHtmltcv &• RuntWot in Xctyitia:
©cv Arbeitsnachweis.
©ine fojialpolitijdje ©tubie
non
Dr. jur. fUdjitrb grettttfr,
fflorpfcenbem ber 3m>alibität8* unb iHltcr8-Bcrrict)crung8*«nftalt Berlin unb be3 BerbanbeS ®eutf(6er «rbeitSmadjroelfe.
(Eriueiterter Sonbevabbrurii aus her „Sozialen ^lrariß“.
- ftvciö 40 ?Uf. —-—
/erlag von GustavRscher in Jena-
frvenleiden
rJfrwenschmerzen
Behandlung und J
durch Handg:
Mi|
gemeinverständlich da
iDr.med.Otto 1
Mit 22 Abbild, iir
Zweite gänzlich umf
und bedeutend verme
irgestellt
Maegeli.
i Text.
gearbeitete
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Preis: brosch. 2.40 M.,
41I<»tvot' ^rlti'itKimrhmi'ttr s * e f eral beS ftommet » ieni<rts 0ftctta 8’ ® tutt fl“ rt '
lUUIUIjU l I. . j n j, cll g^jjjtfn be* &. $trtin3 für Jlrmcupflcge
§eft 1. (1886, ?rei* 1 2R. 80 $f.)
lieber bie gefrijüftignng brr ^rbeitshifen uni» bat
Jtnrijuu'iö nun Arbeit nlö pittel wrrbeugeitber
‘iürmeiritflfite ©ebattc in beit s HerI)an Mittigen beS ©. $ereinö für 'Armenpflege,
llf» |U ♦ S^agbcburg 1887, tuiebergegebeti in ben ©Triften bc$ fßercinS
.fteft 5. ($rete 2 3ft. 80 $f.)
lieber pfrijüfttgnng arbeitelnfer dritter unb ^rbeits-
mtdjmets als pittel ttorbeugettber Armenpflege.
Referat beü ^reifte**« t»ou SHcitjeiiftcin in ben Schriften be£ ©. SBcreinö für Armen»
pflege £eft 4. (1887, $rei£ 3 3k. 20 ^f.)
Verlag der Arbeiter-Versorgung
A. Troschel in Berlin W.
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nach der Novelle
zur Gewerbeordnung
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Von
Dr. II off in an li 9
RegieruQgsassessor.
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\
Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig: I
^ Abom
Zur Erneuerung
deutschen Bankgesetzes. ((
Dr. Karl Helflerich.
__ , t Jährlich 52 N
Preis 3 Mark. Mitarbeiter sind u.«
Geh. Rat v. Brandt,
Der Eintritt des Zeitpunktes, zu welchem die Reichsregierung be- ßrinkmann, Prof. M.
rechtigt ist, die Privilegien der Notenbanken aufzukündigen, stellt die Geh Rat Eulenburg
deutsche Gesetzgebung nicht nur vor die Frage, ob diese Privilegien p ro f. S. Günther, W,
verlängert werden sollen oder nicht. Die Gesetzgebung ist in der Lage, Gräfe, Prof. Meili, F
die bestehenden Notenrechte unter veränderten Bedingungen zu erneuern, Rat p e i mann , Prof,
und sie muss diese Gelegenheit zu zeitgemässen Aenderungen A Schultz, Prof. S<
des Bankgesetzes um so sorgfältiger benutzen, als während der Gültig- Verworn Prof. Webe
keitsdauer der Privilegien einschneidende Aenderungen ohne die Zu- ’ p ro f. Wis
Stimmung der einzelnen Notenbanken kaum vorgenommen werden konnten. p r nh«nntnmprn nratis un
Deshalb werden gelegentlich des bevorstehenden Kündigungstermins nicht _ M
nur Umgestaltungen der Grundzüge unserer Bankverfassung, sondern Zu beziehen
auch Aenderungen innerhalb des Rahmens der bestehenden Bankver¬
fassung einer eingehenden Erörterung unterzogen.
_ Verlag von Duncker 8z Humblot. _
Staatseisenbaimen, Staatswasserstrassen
und
die deutsche Wirtschaftspolitik.
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Bewegungen auf dem Gesamt - Gebiet
DER Wissenschaft, Technik, Litteratur
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Jährlich 52 Nummern. Illustriert. Preis vierteljährlic h M. 2.50.
Mitarbeiter sind u. a.: Prof. Arrhenius, Leo Berg, Dr. du Bois-Reymond,
Geh. Rat v. Brandt, Gesandter a. D., Prof. Braun (Strassburg), Prof,
ßrinkmann, Prof. M. Büchner, Felix Dahn, Prof. Dürre, Geh. Rat Ebstein,
Geh. Rat Eulenburg, Prof. Furtwängler, Prof. Goette, Curt Grottewitz,
Prof. S. Günther, W. Huggins, Kurd Lasswitz, Justin Mc. Carthy, Meier-
Gräfe, Prof. Meili, Prof. Muther, Prof. v. Oettingen, Geh. Rat Orth, Geh.
Rat Peimann, Prof. Ratzel, Dr. H. Riemann, Prof. Schneegans, Prof.
A. Schultz, Prof. Schweinfurth, Prof. Sombart, Prof v. Stengel, Prof.
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Bcrantroortlid) für Dte «njeigen: peamutt) ©ctbel, ücipjig. — Bcrlag uoti üunder & yumblut, SJeipjig. — ©ebrueft bet Jultu« SittcnfcU), öftU».
©erlin, ben 15. Sunt 1899.
VIII. gajjrgmig.
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^ettfrafSfaff fä* §>ogia£:poeifiß.
mit ber SRonatSbetlage:
Das (Scwcrbc^mcbt.
Organ bes Oerbanles beutfdjer (Seroerbegeridjte.
Neue golge ber „Slätter für fojtole $wjtg» unb beS „SojicilpoUttfcpen SentratBfattS*.
. ©tflftdttft Ml Jtfc« $MUKrft*f*
Herausgeber:
f«w ^uxrnmm »«. w *u
»ebattiom 8erttn W„ »(üjteutberftra&e 39. Dr. $mß JtaU&t* »«Ing toon Sun** & fmmMot, Selbig.
Jnhnlt
Die Metljobe bet Lohnarbeiter-
©tatiftif ber preu$ifcben®tf en-
babnoerwaltung. Sott Dr. ©.
^irfcbbetß, ©barlottenburfl . 993
VliawiM ©sfttal' »«I mtttfdifll*
poltttl.999
Sine Deoffchrift, tote fte nicht
fein fall!
Die ©eneraloerfammlung bcö SeteinS
für ©oiialpolüif.
©uOgeftaltung befi Dfterreid^ifd^en
fcrbeitSbeiraibS.
Befflifcbefl ©efefc, betreffenb bie ©id&er*
beit unb ©efunbbeit ber in inbu-
ftrieHen unb fautmännifcben Unter¬
nehmungen befcbäftigten Arbeiter,
ftawaranale .... 1003
Äontmunalprogtamm für Düffetborf.
Die {Regelung ber Dienft- unb Sohn-
öerbältniffe ber ftäbtifdjen Arbeiter
in Mannheim.
SlUerfi* unb SnöcriibitatSberforgung
für ftöbtifche Arbeiter in Ulm.
Strbeiterfchuh bei öffentlichen Unter¬
nehmungen in $ari6.
SBeiblicbe ©tabt* unb ©emeinberätbe
in ©nglanb.
kommunale ©täbtebeleud&tung in
©nglanb.
Vxieiterbetoeflintf.1003
Die SHufiftünbe befi Sabre« 1898
in f£ran!reicb unb ba« ©e-
fefc über Vermittelung unb
Sd^iebSgericht Von Dctabe
grefth» Vart«.
Die groBeStrbeiterauöfperrung
in Dänemart.
Die $aut>tt>erfammlung be« beutfehen
Verbanbe« taufmännifeber Vereine
3U ©ifenacb.
Die ©inrichtung eines Olrbeiterfefre*
tariat« für Hamburg.
Der Streit ber Vrünner DejtUarbeiter.
SabreSberkbt bet Äeffefaiacbet-Srabt-
Union.
Kvtettcrf*«#.1007
Die ©emetbe * ^nfpeftion in
Defterreid). Von Dr. ©mtl ßoeto,
VHen.
Der ©rbeiterfchnh unb feine ©nt-
Wicklung im 19. ^ahrhunbert.
SÄnS bem Sahrefbericht beS grabrif*
infpeftor« für SBeintar.
ttrbeHerberfWhrruttg. ®#n?faffea 1010
ßum frana&fifchen Unfalloer-
ficherungögefeh oom 9. ttpril
1898. Von ©eh. {Regierung« ratb
Dr. ßac&er, Verlin.
«9bctt*s«4»ett.. 1013
ttrbeitSnacbroeife unb Verpflegung«»
Rationen in Vreuben.
©inheitliche öergleic&eube ©efc&äftfi-
ftatiftif ber ttrbeit&nacbmeife.
fSohmmgimeft«.1013
©emeinnüfeige VaugefeÜfchaf t in ©trab-
bürg.
8lrbeitern>obnung$n>efen auf bet Vartfer
SluSfteHung.
©etorrbegerilbtc. ©fuigiraaS&utter«
©dltcoSgerldite , . .1013
Dienftaufficht über bie ©efdjäft«-
führuug ber ©efterbegerichte in
{preu&en.
Sonboner ©inigungSamt.
©inigungSämter unb ©ifeninbuftrie
in ©nglanb.
Ltterartfc*« Ümpi§«i.1014
?rr grfawmlfn liefet $HMMer let „£ojUtea ^ai* M ift eine
fgnoptifihe Ifrbnftiht her Jlrbetterfibuh- itnb ^ttrfsrge* <8e feh0etam$
tu ben micbtigfUit jtnlturlünbern
leige legt. (?erg(. •«<$ Im feit liefet |lnmMer §v 1009).
©bbrud färnrntlicher «rttlel ift ßeitnngen nnb ßeitfchTiften geftattet, feboch nur
mit bottet Quellenangabe.
Bie ülctljoiic ber £ol)narhdter-Stati|tik ber
ftreugifdjcn €ifcnbaljmierniaUang.
Sluf bem Gebiete ber ©ogialftatiftif finb bieder mir einzelne
^beife gepflegt rcorbcit, unb jmar boBen einige ftaatlicfye nnb
ftäbtifcfjc ftatiftifdje Slemtcr ()ier mtb ba Sof)iiftatiftifen, s Boi)Us
ftatiftifen u. bergf. erhoben unb mitgetfjeilt, toöbrenb bie
ftatiftif — yigletdj a(§ Bearbeiterin ber Umfragen ber SReidjS*
fommiffion für Ärbeiterftatiftif — beren geleg enthebe @rb e Bungeit
neben einigen anberen ßrgebniffen fosialftatiftifeber Slrt uer-
offentliibt bah Bon einer allgemeinen ©o^ialftatiftif in größerem
SWafiftabe, roelcbe ohne 9Uicfficbt auf jeweilige Strömungen unb
(Sinpiiite nur ber objeftiuen Sinfbecfung fokaler Berbältniffe bient,
unb u>el<bc mobl nur oon einem eigene hierfür befteCUeit Slmt be*»
trieben roerben fönnte, ift Bisher feine Bebe, drft wenn ficb 3Rife»
ftänbe auf fokalem Gebiete geltenb machen, pflegt bie amtliche
©tatiftif einjufeben. 2)ieS gebt fo weit, ba^ an ben ©teilen, roo
nicht gur STufbecfung oon BHfiftänben, fonbent oon 3 u ftfmben —
gleichgültig, ob guten ober fcblecbten — eine amtliche ©tatiftif ein-
feben miü, nicht feiten nur beSioegen ein SSiberftanb entgegen*
gebracht toirb, roeil man als Urfache unb B?uufch beS ftatiftifchen
Einbringens bie Slufbecfung oon Blijjftänben oennuthet. 3Ran
mehrt fnh bagegen nicht immer toegen beS Böfen 4)emiffenS,
fonbern um einer oeruieintlichen Kontrolle gu entgehen. Bicht feiten
freilich hat ber ©tatiftifer fpäter bie ©enugthuung, bafj fein
fpftematifcheS unb orbnenbeS Einbringen oon ber Anfangs miber*
ftrebenben Behörbe felbft als ©ohlthat empfunben mirb, bah bie
Bermaltung Singermeife erhält, unb bah SSorurtheile ^luhenftehepber
gerftört toerben.
Bun führt jebe gröbere Bermaltung ihre eigene ©tatiftif. Sit
biefer ^infich.t muh man grocierlei unterfcheiben: bie eigentliche Ber*
maltuugSftatiftif unb bie Bebenftatiftifcu. 3ur erfteren gehören
bie für bie Rührung ber ©efhäfte unmittelbar für notbroenbig er¬
achteten 3ah^a/ 3« ben Iepteren Beimerf unb BerroaltungSabfaU.
©o finben mir neben ber ©tatiftif ber Sfraufenoerficherung als
Beimerf fiohnftatiftifen, ©tatiftifen ber Slrbeitslofigfeit, berechne^
aus ben Btitgliebergahlen ber Stoffen, neben ben Ergebniffen ber
©teuerftatiftif Berechnungen ber Wohlhabenheit, neben ben Ergeb*
niffen beS Betriebes ber Eifenbahnen fiohuftatiftifen ber Singe*
ftellten u. bgl. m.
^)er oon ber ©taatSeifenbahn * Bermaltung aufjuftettenbeit
©tatiftif fonimt nun eine befonbere Bebeutung gu. §ier merben
bie oerfchiebenften Slrten oon Slrbeitern befchäftigt, h^r fontmen bie
oerfchiebenften ©egenben in Betracht, fo bah mir burch eine mirf*
lieh eingebeube ©tatiftif ber Slrbeiteroerhältniffe in ben Eifenbahn*
betrieben gugleich einen merthoollen Einblicf in bie Sage ber
Arbeiter überhaupt erhalten mürben.
ES mar beShalb ein glü cf lieber ©ebanfe, bah ber Berein für
©ogialpolitif, in ber Slbficht, bie $>ienft®, Slrbeits* unb fiebenSoer*
hältniffe ber unteren Beamten, ber Slngeftellten unb Arbeiter in
ben BerfehrSgemerben überhaupt einer eingchenben Untcrfuchung
gu unterziehen, fief) oor Slllem an ben SJhnifter ber öffentlichen
Arbeiten in Breuften um Blaterial manbte, nachbem ber öfter*
reichifche Eifenbahnminifter bereits gugefagt hatte, fich in ber oom
Bereine gemünfd)ten Slrt an ben Erhebungen gu betheiligen.
3>ie letzteren füllen fich auf bie fotgenben Banfte begießen:
1. Sebensalter.
2. Slrt ber Dienftlctftungen einfchltehltch ber Bcbenoerbienfte.
3. ?lrt unb ßeitpunft ber Slnftellung: ctatSmähig unfimbluir ober
tiinbbnr, al^ Lohnarbeiter mit ober olme Miinbigiuigsfriit, oerficljert
995
Soziale fragte. ©cntralBIatt für Sogialpolitif. Nr. 37.
996
ober penfwnSberecptigt, Sauer ber Befdjäftigung im HnffeHungSoerhältnift
im lebten gapr.
4. £>öfie be« feften Stenfteinfommen« pro Hflonat bcgw. SBodie ober
Sag. gettjtefienbe Alters* ober fonfttge Sulagen.
5. SlfforMobnucrbtcnft ber lebten 23ere<pmtng«pertobe unb Sauer
ber ie&teren. 2Birflirf)cr Berbicnft be« Ickten gafjrc«.
6. £>of)e ber au« Nebenuerbicnfteu bei ber Bcrfepr«anftalt flieftenben
Bezüge in ber Icptcn Bcrcdjmmgsperiobe unb Sauer ber lepteren.
Südlicher Serbien ft be« lefoicn gabrc«.
7. betrag ber Prämien, ftilometergelber, Stunbcngelbcr, Nadjt»
gelber iit ber lepten Bercd)tmng«pcriobe unb Sauer ber leptcrcn. Sürf*
lieber Berbicnjt be« lepten gapre«.
8. Angaben ber Naturalbezüge: SBopnung, geuerung, gclbnufcung,
Sienfttleibung unb fonftige Bortpcilc.
9. Sänge ber ?lrbcit«zcit unb ber Sienftbereitfcfjaft, Sag»* unb
Nacftibienfi. Nupetage, Nupepaufcn ju £>aufc unb außerhalb be« #auje§.
2Raplgeiten innerhalb ober außerhalb be« $aufe«. Urlaub.
10. 9(u«fid)teii, in beffere Stellungen aufgurüdfen.
11. Unterftüpunggfaffen. Bortpeile unb Beiträge. Sonftige SSopl*
fahrtScinridjtungen.
12. gamilienuerpälhtiffe, SBopnung, Schule, SSerbienft ber grau,
$m0DerpäItniffe im SBopnort.
$)er herein wollte fiep mit ©rpebungett in nur oier Begirfen
begnügen, einem groftitäbtifepen (Berlin), einem mit ftärfftem Ber*
fepr (etroa im rf)einifc^*ioeftfälifc^en 3 nbuftriebegirfe), einem mit
ftarfem Berfepr (Bre«latt, SJtagbeburg, §atte, fmnnooer), einem
mit fcpwäcperem Berfcpr.
S>er preuftifdpe Niinifter lehnte jeboep eine gemeinfam mit
bent herein für Sogialpolitif zu führenbe Unterfudpung grunbfäp*
lieh ab unb oerwie« auf feine bem Slbgeorbnetenpaufe alljährlich
oorgelegten lleberficpten über bie Sopnoerpältniffe unb 3lrbeit«geiten
ber Slngeftettten.
£)ie Iefcte biefer Ueberfichten (SJrucffacpen be« 2lbgeorbneteit*
häufet Nr. 8, ber 19. Segi«laturperiobe I. Seffion 1899) batirte
uom 3. Januar 1899 unb bezog ftch au f baä Necpnung«japr
1897/98, „Bericht über bie ©rgebniffe be« Betriebe« ber oereinigten
preuftifcpeH unb peffifepen 6taat«cifenbapuen". Slufterbem fontmt
bie bem Slbgeorbnetenpaufe unter bem 10. Januar 1898 oorgelegte
©enffeprift über ben Staub ber Betrieb«ficperheit, bie Betrieb«*
einrichtungen unb ben Beirieb«bienft auf ben Staatsbahnen (S)rucF*
fache Nr. 6 ber 18. Segi«laturperiobe V. Seffion 1898) in Betracht.
S3ie bie Sitel biefer Beröffentlicpungen attbeuten, finb fie im
SSefentlicpen beftimmt, bie Bctrieböergebniffe oor Slugen zu führen,
uitb fo nehmen benn auch in bem 251 Seiten ftarfen £>cft be«
Sapre« 1899, mit welchem mir un« gunäepft befepäftigen, bie
SCrbetterperpältniffe nur einen fleinen Naum ein, bie BJopifaptt«*
einrichtungen 7 Seiten, bie SNittpeilungen über Sohne, SÜenitgeit,
Nupetage 12 Seiten.
2 Ba« zunächft bie Sopnftatiftif anbelangt, fo befdpränfen
ftch bie fNittpeilungen auf bie Angabe ber burchfctjnittlid^en Sage*
löhne in ben lepten brei 3aprett für 37 Slrten oon 3lrbeit«ftellungen,
wobei bie 3 a hl ^ er in beu einzelnen Stellungen Befcpäftigtcn unb
bie S)auer ihre« 2 lnitelIung«oerhältniffe« nicht angegeben ift. ©«
ift einfach bk Summe ber Söhne burch bie 3ahl ber 2lrbeit«tage
bioibirt worben, wobei bie Ueberftunben in Sage umgewanbelt
würben.
S)abei ift nicht einmal ba« ©efcplecpt ber Sngeftellten unter*
fchieben worben, fo baft man 3 . B. .<pülf«*graprfartenau«geber unb
|uilf«*3lii«geberinnen, £ülf«telegrappi]4enunb§ülf«telegrapbi)tinnen,
MÜlfSbapttwärter unb £mlf«bapnwärterinnen zufamntengerechnet
hat; wenn für bie leptgcnannte Kategorie ein Sagelohn oon
1,75 jft im S)urcpfcpnitt berechnet ift, weift man niept, wckpen
Sohn bie männlichen unb welchen bie weiblichen beziehen unb ob,
wenn gegen ba« Borjapr (mit 1,©* *,///) eine Steigerung einge*
treten ift, biefe oielleicpt auf einer ftärferen Sctbeiligung be^
männlidjen ©cf<f)Ie(f)t 8 gegenüber bem SSorjabr beruht. 3£ettn
burep c ine Sentcrfung ber niebrige SDurd)fchniit£fafe baburd) erflärt
wirb, baft bie 3i3egcfd)ranfenmärterinnen mit eingerechnet worben
ftnb, fo hätte bazu gejagt werben muffen, wie ftd) benn bie Söpne
ber lepteren ben übrigen gegenüber ftcllen.
2ln anbereu Stellen giebt bie 31 rt ber zufammengefaftten
männlidjen 3>erfonen zu 33ebenfen 3lnlaft, fo, wenn $iilfsc*'i3cichen* j
fteUer, 4lrahnmeifter, sSrücfenwärter al« eine Olruppe erfdjeiuen. ,
3lber and) tuo nur eine Jlrbcitsftellung für fiel) aufgeführt ift,
befagt ber SiirdjfdjnithMofjn wenig. 3* mirb für S)iilfd*Sofo*
tnottoheizer ein Sohn oon 2,^ //. egegen 2, 5l > - o tut Vorjahr)
angegeben. Mi er ift ein Niicfgang gegen bas Vorjahr, toeldjcr
nad) ber amtlichen Statiftif baburdj entftanben ift, baft höher ge*»
lohnte Beizer auäfdjieben unb iit baö 33eamtenoerhältuift über*
ttommen würben. Naturgetnäft fragt matt, ob bort, tuo gegen baö
SSorjahr eine Steigerung be§ Surchfchnittölohne^ angeführt ift,
ähnliche ßrflärungen zu madpen ftnb.
©üblich wirb eilt S)urchfchnittöIohn für alle (behülfen im mitt*
leren, ^ülföfrafte im unteren Sienfte, $anbwerfer unb Arbeiter
beiberlei ©efchlechte burcpeinatiber gezogen unb eine bem SBorjapre
gegenüber etwas päh^c 3ahl gewonnen, welche aber ganz ittuforifd)
ift, niept nur weil, wie bie Statiftif felbft bemerft, bie Sohnfä&e
in giolge ,ftärFerer Nadjfrage nach 3lrbeit§fräften erhöht, unb bie
Söhne ber älteren Sebienfteten burdp Slufrücfen in J^ö^cre Sopn*
flaffett geftiegen ftnb, fonbern weil ein foldfjeS S)uriheinanber über*
haupt feine Statiftif barfteHt unb nicht« befagt. SNinbcften«
muftten bie Sohnempfänger nach ©efchlecpt unb Stellung unb bie
ba« Saht hiuburcp 33efchäftigten oon ben nur oorübergehenb 33e*
fchäftigten getrennt, auch bie 3<*hi ^er Sohnempfänger angegeben
fein. Sille biefe 2)ateit muffen übrigen« oorhanben gewefett fein,
benn ohne fie hätten bie Summirungen unb S)urd)fd[)nitt«-
Berechnungen niept oorgenommen werben fönnen. S)ie SKittpeilung
ber wirflicpen 3 a ^ Ie u hätte weniger 3Hüpe gemaept unb richtig
gruppirt tnepr befagt, al« bie berechneten Smrcpfcpnitte.
Slucp bie bei fefter Slnftettung gewährten ©epälter muftten in
ben Ueberjiepten mit angegeben werben. S>enn fo wie bie lieber*
fiepten gegeben finb, tritt zu allen genannten Mängeln noep ber,
baft fie fiep minbeften« in über ber $äfte ber grälle nur auf ?lu«*
hülfen bezieht. So lernt man bie burcpfdinittlicpen Bezüge be«
t ülf«rangirmeifter« fennen, aber niept be« Nangirmeifter«, be«
iilf«wetd)enfteller«, aber niept be« Söeicpenfteller«, be« §ülf«bapn*
Wärter«, aber niept be« Bahnwärter« u. f. f.
©era&e umgefeprt liegt bie Sacpe bei ben beiben Nacpweifungen
über bie täglidje S)auer be« planmäftigen S)ienfte« unb
bie planmäßigen Nupftage be« ^erfonal«. ®enn pier finb
mir 19 S)ienjtflaffen aufgefüprt, Bahnwärter, Söeicpenfteller,
Station«beamten u. f. w., unb gmar au«fcplieftlt(h nur ber ftän*
bigett ^ülf«fräfte, fo baft man im 3meifel ift, wie fiep bie Ber*
pältniffe bei ben nieptftänbigen §ülf«bapnwärtern, gtülföroeicpen*
fteüern u. f. w. geftalten, unb ob an fte al« niept feftangej'teüte«
^erfonal befon&ere Slnforberungen geftellt werben. Unflar bleibt
auep & er Unterfcpieb zmifepett ftänbigem unb nieptftänbigen $er*
fottal.
S)ie Sabelle felbft führt für jebe ber 19 Süenftflajfen auf,
wie oiele eine S)ienftbauer patten bi« 8 Stunben, über 8 bi« 9
u. f. w. ftunbenweife bi« über 15 bi« 16 Stunben. Nela/io*
Berechnungen finb — wenigften« in ben Ueberfichten — niept ait*
gefteät. &lei(pwopl wäre biefe Sabelle wertpooll, wenn bie Be*
reepttung ber S)ienftbauer einheitlich überafl bie wirflicpe S)auer
be« geleifteten S)ienfte« zu ®runbe gelegt pätte. ®enn ba ber
planmä&ige ®ienft gu ©runbe gelegt ift unb au« ben bezüglichen
Borfcpriften, welcpe al« Slnlage beigegeben ftnb, fiep ergiebf, baft
ber S)ienft je naep ber Stellung bi« auf 16 Stunben au«gebepnt
werben fann, fo ift e« naturgemüft oon Sutereffe, gu erfahren,
wie oiel Beamte, wie oft, mit welchen Unterbrechungen unb mit
welcpen gwifcpenliegenben Raufen S)ienftgeiten oon über 15 bi» 16,
über 14 bi« 15, über 13 bi« 14 u. f. w. Stunben gehabt paben.
Slbgefepen baoon, baft niept bie 3apl ber Sage, auf roclcpe
ftep bie S>ienftgeiten (namentlich bie längeren) beziehen, mitgctpeilt
finb, auep Slngabett über bie gwifcpenliegenben Raufen feplen, ftnb
bie Raufen tpeil« eingerechnet, tpeil« niept eingerechnet. Beim
Station«perfonal finb bie einftiinbigen 3Nittag«paufen niept al«
997
©ogiafe $rajtS. Sentralblatt für ©ogialpofttü. SRr. 37.
998
$)ienftgeit gerechnet, rooßl aber bie übrigen, beim 3ugbcgleituna8«
unb Sofomotioperfonal bie fämmtlicßen bis gu fed^s ©tunben be*
tragenben Raufen. Ss frnb aud) tyxzx ^urcßfcßnittsberecßnungen
angefteßt, roelcße bie roirflitßen Berßältniffe mcßt erfennen laffen.
Söie fo häufig bei fompligirteren Berßältniffen, oerfagen auch hier
bie bem ßaien leiber fo geläufigen SDurcßfcßnitte. SS hätte für
jebe Slrbeitsfteßuna ber StuSgäßlung etroa oorfteßenber für bie baS
3aßr ßinburcß uno für bie oorübergeßetib Befcßäfügten je befonberS
aufgufteßenbeit Tabelle beburft. S5ie 3<rftf ber Säue bebeutet bie
3apt ber $)ienftleiftungen.
©efbftoerftänblicß märe biefe Tabelle nach Btoßgabe beS 9Jto*
terials, meines bem Berfaffer nicfjt befannt ift, namentlich au<ß
für bie nur roäßrenb eines £ßeileS beS FaßreS Befcßäftigten gu
mobifigiren.
9Btr fommen enblicß gu ber Tabelle über bie planmäßigen
Ruhetage, b. ß. itn ©inue ber Tabelle über bienfifreie 3 e » e »
oon 18 ©tunben unb mehr. £ier ift in forrefter Söeife neben ber
3af)l ber Beamten bie 3oßl ber S)ienftbefreiungen (Säße) ange*
geben, mit Unterfcheibung ber ©onntage. 3- ©■ entfielen auf
24132 Söeicßenfteßer 60 767 SDienftbefreiungen oon minbeftenS
18 ftünbiaer $)auer innerhalb eines StalenbermonatS, roorunter
41 893 ©onntage, alfo nach Slbgug ber ©onntage auf einen
SSeicßenfteßer 0, 7 8 Befreiungen monatlich ober 9, 36 jährlich- Btan
fann hieraus entnehmen, baß ein Bkicßenfteßer im Faßre 9 bis
10 9M gufammenßängenbe bienftfreie feiten oon 18 unb mehr
©tunben hat. 2öie oft bentgegenüber ungetoöhnlid) hohe ©ienft^
geilen oorfamen (12—13, 13—14, 14—15, 15—16 ©tunben) läßt
fifh — wie bemerft— ber amtlichen ©tatiftif nicht entnehmen,
oielmehr nur, baß bei 0 , 4 % ber SBeicßenfteßer eine $ienftbauer
oon 15—16, bei 1 % eine folcße oon 14—15, bei 3 % eine folcße
oon 13—14, bei 6% eine folcße oon 12—13, bei über 10% eine
folcße oon über 12 ©tunben oorfamen. SflS felbftoerftänblicß roirb
angenommen, baß bie 24 132 Söeicßenfteßer baS 3aßr ßinburcß
angefteßt maren, anbernfaßS fann man biefe Rechnung überhaupt
nicht anfteflen.
Stoßer ben 2)ienftbefreiungen ftnb bann noch Stoßetage berücf*
ficßtigt morben, aber leiber nicßt bie 3oßI berfclben, fonbern bie
Beamten mit monatlich 1, 172/ 2 unb meßr als 2 Stoßetagen.
$>abei ift als ein 9hißetag bie 3eit oon 24 bis nocß nicßt 30
©tunben gerechnet morben ober autß 2 folcßer 3 c i^ cn oon 18 bis
nocß nicßt 24 ©tunben u. f. m. Stod) hier fonnte nur eine Stabeße,
welche, raie bie oben angebeutete, bie oerfcßiebenen SeficßtSpunfte
fombinirt, Sinblicfe gemäßren; Borfpalte: bie einzelnen klaffen
ber 2)ienftbauer: bis 8, 8—9 u. f. ro., $opf: 3<*ßi ber Stngefteßten,
3aßl ber SDienftbefreiungen burcß Stoßetage, 3 a ^ ber ßinterein*
anber geroäßrten freien $)ienftgeiten (Bußetage), morunter nacß
$)auerflaffen: 24 ©tunben, 24—48 u. f. m.
SSenben mir uns nun oon ben FaßreSpublifationen gu ber
ftßon oben angeführten gu Anfang 1898 bem Slbgeorbnetenßaufe
oorgelegten befonberen $>enffcßrift, fo fittben mir in biefer ein
minber reichhaltiges, jebocß burcß bie ©egenüberfteßung ber Faß*e
1892 unb 1897 intereffantereS 9J2ateriaI. Slucß finb hier bie
Bttnbeft* unb $>öcßftgeßälter einer Stogaßl oon Beamten beS Stoßen*
bienfteS angeführt, fobaß man roenigftenS bie unteren unb oberen
SinfommenSgrengen fennt. Freilich ift baS baneben gefeßte $)urcß*
fcßnittSgeßalt irrefüßrenb, meil es nur ben Biittelroertß aus bem
9)tinbe)t* unb §>öcßftgeßalt oorfteßt. Sine forrefte $>arfteßung
hätte bie 3&ßl ber Slngefteßten nacß ben Seßaltsflaffen, aber auch
bie Bebeneinnaßmen mtt berücfficßtigen müffen.
SllSbann finb ßinficßtlith ber Bußetage einige Belatioberecß*
nungen, gum S£ßeil nocß gefonbert für ©taats* unb Sßrioatbaßnen,
angefteßt. Qm llebrigen ift bie $)enffcßrift nocß meniger reich*
haltig als bie Ueberficßten.
Ss bebarf nacß bem eben StoSgefüßrten faum ber Bemerfung,
baß bie ftatiftifdjen Btittßeilungen ber Sifenbaßnoerroaltung ber
miffenfcßaftlichen Prüfung nicßt ©tanb halten. SlßerbingS fteßen
fie nur eine Borlage an baS StöaeorbnetenßauS bar unb moflen
moßl nur bem ftatiftifcßen Berftänoniß biefer Äörperfcßaft genügen.
^)ie in ber leßteren mie überhaupt in Saienfreifen fo feßr ocr*
breitete Unfitte, in oberflächlichen ^ur^fcßnittSgaßlen ftatt in ein*
bringenberem ©tubium ber Berßältniffe Orientirung gu fudjen,
füßrt leiber in Berbinbung mit ber ben Bermaltungeit meift
feßlenben facßmännifißen ftatiftifcßen öülfe nicßt feiten gu ober*
fläcßlicßen unb irrefüßrenbert ©tatiftiren. 5^ bie entfteßenben
3aßlen mirb bann bie roiffenfcßaftliche ©tatiftif gelegentlich mit
oerantmortlicß getnacßt.
9iun_ fteßt, mie bemerft, ber (fifenbaßnoerroaltung ein meit
beffereS ftatiftifcßeS Material oßne Weiteres gur Berfiigung, als
fie aßjäßrlid) mittßeilte, ja bie mitgetßeilten 3aßfen finb aus biefem
Bfaterial offenbar entnommen. $)ie Bermaltung fennt unb notirt
ßößne unb SlrbeitSgeiten jebeS Singeinen. SS fann fonacß bie
ungureicßenbe ©tatifttf nur in bem Mangel ober ber SRicßtbefragung
oon ber Bermaltung gur Berfügung fteßenben ©tatiftifern liegen,
unb aus biefem Srunbe muß bie Slbleßitung beS SlnerbietenS beS
BereinS für ©ogialpoliüf, biefen Beiratß gu fteßen, auffaßen. SS
märe jebenfaßs bringenb gu münfcßen, baß bie Sifenbaßnoermaltung,
menn fie fcßon bie Btitroirfung beS BereinS für ©ogiatpolitif
glaubt entbeßren ju fönnen, ißrerfeitS anfinge, roirflicße fogiale
©tatiftif gu betreiben. SöenigftenS für bie allgemeine 9Hcßtung
berfelben fönnten bie ©ünfcße beS BereinS für ©ogiatpolitif bie
Söege meifen.
Stn Singeinen möcßten mir gmeierlei unterfcßeiben: bie ©tatiftif
ber Sinnahmen unb bie ber StoSgaben ber Slngefteßten.
9?ur hinfidßttich ber erfteren ift baS Btaterial in ber §anb
ber Bermaltung. ©eine ftatiftifdje Berarbeitung mürbe am beften
in ber Söeife erfolgen, baß nacß £age-ßoßnflaffen unb Be*
fcßäftigungSbauer bie Slrbeiter ber eittgelnen Slrbeitsfteßungen
gruppirt mcrben. (Borfpalte: Sage*Soßnflaffen oon l,r 0 JC.
fteigenb um je 25 ^opf: Befcßäftigungsbauer roocßenmeife).
©tücf* unb 3cittoßn muß unterfcßieben, Sfeebenoerbienft berücfficßtigt
merben. Sleßnlicße Xabeßen aus bem Material ber BerufSgenojfen*
fcßaften tßeilt baS ©tatiftifcße Sfrnt ber ©tabt Berlin aüjäßrlicß
mit.*) Bei ben baS gange 3aßr ßinburcß Befcßäftigten fann
natürlich oon ber Befcßäftigungsbauer abgefeßen unb ftatt beffen
im ^opfe ber Sabeße baS Sllter unterfcßieben merben. Slnbere
roicßtige UnterfcßcibungSmerfmale finb bie3aßl ber mitguernährenben
Singehörigen, baS SlUer im £)ienft, bie 2)auer beS BienfteS. £ie
Trennung ber oerfcßiebenen ßanbeStheile ift felbftoerftänblicß.
2öaS bie ©tatiftif ber SluSgaben betrifft, fo mürbe ber
Sifenbahnoermaltung eine neue Stofgabe erroacßfen. ^ie SluSgaben
ber Slngefteßten fmb ißr nicßt befannt, unb es ift ja bie Sftegel,
baß ficß Arbeitgeber um biefe ©eite ber ßoßnfrage nicßt flimmern,
obmoßl hier gerabe ber Sfernpunft ber graae liegt. ®ie Srage,
ob ein fioßn auSreicßenb ift, mirb ja lebiglicß burcß bie SluSgaben
beantmortet. Ss ift auffaßenb, aber für Den niebrigen ©tanb ber
©ogialftatiftif begeicßnenb, baß bie oielen moßlmeinenben ©tatiftifen
ber Slrbeitgeber unb Slnberer feinen Berfucß machen, in biefe roicßtige
©eite ber Soßnfrage eingubringen.
SlßerbingS ift oon amtlichen unb aucß oon prioater ©eite
meßrfacß eine ©tatiftif ber Slrbeiterbubgets unternommen morben.
Ss erübrigt ficß, in biefem 3 u f a wmenhange auf bie begüglicße
fiiteratur näher eingugeßen. $iefe ©tatiftif ift baburcß befonberS
erfcßroert, baß fie forrefter SSeife nur auf §auShaltungSbücßem
aufgebaut merben fpnn, biefe aber feiten geführt merben, menn
aber geführt, in unoergleicßbarer gorm aufgefteßt merben. 2ßan
ßat moßl §auSßaltungSbücßer mit oorgefcßriebenen ^Optionen für
bie eingelnen Sintragungen an Slrbeiter oertßeilt, bocß fmb bie
Bücher unregelmäßig, fpäter gar nicßt meßr eingegangen.
Unter biefen Umftänben ßat ber Berfaffer ben Berfucß ge*
macht, furggefaßte Sonnulare für bie Sintragung beS Saßres*
abfcßluffeS gu oertßeilen. 2)iefe oerlangten gunäcßft Slngabe ber
(^röße ber Sauiilie, ber Sinnaßmen beS SrnäßrerS felbft, ber Sin*
gehörigen, bie arbeitlofe 3^it im Qaßre überhaupt unb namentlidß
megen Äranfßeü; bei ben SluSgaben merben folgenbe Baftoonen
oerlangt: Söoßnung, ^Suug, Beleuchtung, Sffen unb Srinfen im
Sausßalt, im SBirtßSßauS, Sigarren unb £abaf, Slrgt, SKebigin,
Äranfßeit, 5Ueibuug uttbSSäfdje, Beiträge für Waffen, Bereme,©teuern,
anbere SluSgaben, mie Slnfcßaffungen, Umgug, deficit beS BorjaßreS
u. f. m. SBenn aucß ein großer Xßeil ber oertßeilten Fragebogen
unbeantroortet blieb, fo ging bocß ein anberer £ßeil mit guter
Stosfüßung ein (ogl. ©. 289—300 beS citirten BucßeS), unb es
bürfte feinem 3weifel unterliegen, baß menn bie Bertßeilung oon
ben Slrbeitern naßefteßenben Berfönlicßfeiten erfolgte, ber Srfolg
größer unb bie Stosfüßung forrefter unb ooßftänbiger fein mürbe.
3)ie ^erfönlicßfeit ber bie Fragebogen Stosfüßenben brauchte nicßt
befannt gegeben gu merben; es genügt bie Befanntfcßaft mit ber
bie Bertßeilung oeroirfenben BertrauenSperfon.
SBenn fi!ß bie Sifenbnßnoermaltung, melcße meßr als
300 000 Stogefteßte unb Slrbeiter befcßäftigt, bie Förberung einer
folcßen ©tatiftif angelegen fein ließe, fo mürbe fie beS £>anfeS ber
©ogialpolitifer, ber ©tatiftifer, ber Btenfdjeufreuube ficßer fein.
*) 2)er Berfaßer ßat fie in feinem Bucfjc über bie „©ogialc 2age
ber arbeitenben Älaffen in Berlin" (Berlin ISUT) mit bemitu, nament*
ließ aucß Berechnungen über bie Sößne im Berfchrögcmcrbc mügetheilt.
©. 234—239.
999
©totale $ra£t$. (Sentralblatt für Sogialpolittf. 9h:. 87.
1000
2>aS Leben unb Grroerben ber arbeiteitben klaffe in ben oerfcßiebenen
Xßeilen beS VaterlanbeS mürbe !Iar gelegt unb ein Brauchbarer
SlWafeftab gur Veurtßeilung unferer fogtalen 3Ser^ältniffe gewonnen
roerben.
©ßarlottenburg. Dr. @. fiirfcßberg.
Mgettteitte Sozial- und Äirtjjfdjaftepolittk.
(Sine $ettfftßriff, toie {ie ttiißt fein fall!
$)ie $>enffcßrift, bie gur Unterftüßung unb Vertiefung ber Ve*
grünbung beS ©cfeßentrourfeS gum Sd)uß beS gewerblichen 2lrbeit0*
oerhältniffeS beftimmt ift, ßot in unferen Augen ein großes Ver*
bienft. Sie räumt nämlich fcßonungSloS mit ber im ©efeßentrourfe
felbft nod) aufrecht erhaltenen, in ben Mtotioen jeboch feßon ab*
gefcßroäcßten Jiftion auf, baß bie Abfi<ßt bahin gehe, burch bie
neuen gefeßlidjen Vorfcßriften baS KoalitionSrecßt an fich gu fcßiißen
unb bet ber Vcftrafung oon Mißbräuchen biefeS Rechtes Ließt unb
Schatten unter Arbeitgeber unb Arbeiter gleich 5 U üertßeilen. ^aoon
ift in ber SDenffc^rift gar feine Siebe mehr. Sie ift in ihren
107 Joliofeiten, in ihrer fritiflofen Anhäufung ungefichtetcn Ma*
terialeS nicht nur eine einzige Anflage allein unb auSfcßließlicß
gegen bie Arbeiter, fonbern fie offenbart auch eine folcf)c grunb*
fäßlicße Abneigung gegen bie Ausübung beS KoalitionSrecßteS
burch bie Arbeiter/ baß bie Burgein, aus benen ber ©efeßentrourf
aufgeroachfen ift, jeßt jebern Auge bloßgelegt ftnb. Als Motto
fönnte man biefent feltfamen ^ßrobufte beS grünen £ifcßeS füglich
bie Borte geben: Jeber Streif ift eine oerroerfliche Störung bet
öffentlichen £>rbnung. Ber fich nicht fügt, muß beftraft merben;
fcßabe, baß bieS bisher nicht immer möglich mar! Mit ber Ver*
öffentlicßung biefer SDenffcßrift ift ben ©egnern ber Vorlage ein
großer bienft erroiefen, benn nun ift offenbar, rooßin bie Steife
gehen foü.
Schon bie (Sntfteßung biefer Arbeit ift in ßoßem Maße be*
geicßnenb. Sie uermerthet baS Material, baS in Jolge beS oom
SieicßSamt beS Snuern auSgeßenben StreiferlaffeS oom ll.$>ejember
1897 (ogl. „Sog. Sßrajis" Jaßrg. VII, Sp. 409) aus ben ©ingeljtaaten
eingelaufen ift. Aber mer ß at bieS Material aufgebracht? Jn
erfter Linie Staatsanwälte, bann VerroaltungS« unb ^oligeibeßörben,
guleßt ein paar §anbelSfammern. Man h a * fid) ni<ßt einmal
bie Müße genommen, bie in Streiffachen ergangenen ©ericßts*
urlh^ile — oerurtßeilenbe mie freifprecßenbe — ^eranguäie^en,
fonbern bie ftaatSanroaltlicße Auffaffuug ber Jälle genügt. Von
einer Vefragung ber ©eroerbeaufficßtsbeamten, ber fompetentefien
Veßörben in allen fragen ber Arbeiterbewegung, ift erft recht feine
Siebe; bie mertßüollen ^Beobachtungen unb Mittfjeilungen oieler
Jahresberichte ber Jabrifinfpeftioit über Streifs unb Arbeiter*
organifationen eyiftiren für bie $5enffchrift nicht. £>ann barf es
gemiß nicht Bunber nehmen, baß — mit Ausnahme ber paar
£mnbelsfammerberid)te (£>amburg, Altona, Marburg über ben $afen*
arbeiterftreif 1896/97) — auch nicf)t bie eigentlichen Jntereffenten,
meber Unternehmer noch Arbeiter bei biefer merfmiirbigften aller
Enqueten über Streifs unb Streifeyceffe befragt rooroen fiub.
StaatSanmalt unb ißoligei fpreeßen — bas genügt ber ;£)enffcßrift.
StaalSanmalt unb s $oligei finb ungroeifelßaft tn unferer Staats*
unb ©efellfdjaftsorbnung feßr nothmenbige unb fehr nüßlidje Jn*
ftitutionen. Aber mir ßnben nie baoon gehört, baß fte in fogial*
politischen Angelegenheiten bie meifeften Statßgeber ftnb — fchon
meil ißre berufsmäßige Vefchäftigung mit ber bunflen Keßrfeite
beS öffentlichen unb prioaten Gebens bie Unbefangenheit ißreS
llrtheils trübt. $er Jnßalt ber ^enffdjrift liefert hierfür bie
fchlagenbften Vemeife. Stidit nur baß jebeS Schimpfwort, jeber
berbe ober roße AuSbrucf, ber in Aibeitsfämpfen fällt, fofort als
fernere Vcbrohung gefaßt roirb, oßne baß man bie übliche Siebe*
unb VcrfehrSmeife ber breiten Maffen beriiiffidjtigt; aud) gang
harmlofe Aeußcrungen erfdjeinen als feßr bebenfltcß. Man muß
mirflicß feßon feßr empfiublicß fein, meint man in ben Forlen:
„Vfni fdjäm' ^id)!" ober: „Btr ftrafen (fließ mit Verachtung!"
ober in bem Verlaßen eines MäbdienS auf beut Sanjboben eine
ftrafmiirbigc .'oanbluitg finbet. derartige „Velege" für bie Stotß*
roenbigfeit'härterer Strafbeftimmuugeu roerben aber 311 SDußeuben
angefüßrt. Jubeffcn foldjc Lappalien oerfd)ioiubeu in ihrer Vebeutung
oöllig gegenüber ber immer mieber ßeroorbreeßenben Sluffaffung,
baß ber Streif au fich ein Vergehen fei. So rnirb mehrfach Ve*
feßroerbe barüber geführt, baß ^Irbeiterausftänbe „planmäßig" — I
mau beufe! — oorbereitet unb burchgefüßrt roorben feien; mit j
einigem Sdjaubern roirb berichtet, mie forgfältig bie Streiflcituug |
ißre Maßnahmen treffe, es mirb offen beflogt, baß biefer Agitator
„fo oorfießtig" in feinen £>eßreben gemefen fei, baß man ißn nießt
ßabe faffen fönnen, unb baß jener Slrbeiterfüßrer mit Vebacßt 2luS*
feßreitungen oennieben ßabe,. „um ben Schein beS ©efefclicßen
tßunlicßft 3 U maßren".
Jn unferer gan 3 en Strafgefeßgebung unb Stecßtfprecßung
ßerrfeßt fonft bie oernünftige §luffaffung, baß bie Baßmeßmung
eigener Jntereffen unb baS §anbeln in pfpcßifcßcr ©rregung mil*
bernbe Umftänbe bebingen. S)er §. 153 ber ©emerbe*Drbnung
unb bie JuriSbiftion in StrbeitSfämpfen macßen jeßt fd)on eine
SluSnaßme oon biefer Siegel. Suchen Arbeiter in 2luSftänben tßre
Lebenslage 3 U oerbeffern, mobei fte oft in begreiflicher Leibenfdjaft
ßanbeln, fo merben Mißbräucße beS StreifrecßteS jeßt feßon härter
als fonftige ©rceffe beftraft. tiefer SluSnahme 3 uftanb foU alfo
fünftig noeß ocrfcßärft merben, unb 3 mar mit einfeitiger Birfung
gegen bie Arbeiter aüeiu. 5lucß hierfür null bie SDenffcßrift Vemeife
bringen. 'Sabei giebt fie aber eine gang einfeitige S)arfteüung ber
Vorgänge bei manchen großen Slrbeitsfämpfen, fo für £orgeloro,
fo für Hamburg. Jnt erfteren JaHe ßat bie ScßmurgericßtSDer*
ßanblung ergeben, baß baS mortbrüeßige Verhalten mehrerer Unter*
neßnter, bie entgegen ißrer 3 ufttßerung ben Arbeitern bie 3 Us
gehörigfeit gum VerufSoerein unterfagten, bie Slufreigung gu oer*
bammenSmertßen 3luSfcßreitungen geboten ßat. Unb maS beit
Hamburger §afenarbeiterftreif anlangt, fo efiftirt eine mtffenfcßaft*
ließe Litteratur barüber, bie bie Vebeutung ber, übrigens oon un*
organifirten Maffen oerübten @£ceffe in gang anberem Licßte bar*
ftettt als bie ^enffeßrift, bie auch hier baS audiatur et altera pars
gröblich oentacßläffigt. 38ie roenig StaatSanmalt unb ^Soli^ei bie
Arbeiterberoegung mit oorurtßeilslofen Slugen betrachten, beroeiii
bie ^ßatfaiße, baß erft biefer £age in einem JaHe oon streif*
poftenfteßen baS ^ammergerießt in britter Jnftang, ebenfo mie bie
Vorberricßter, ein freifprecßenbeS Urtßeil fällte, meil Sliemanb
babureß beläftigt ober beunruhigt morben fei. ^)ie ^enffcßrifl
mürbe barauS natürlich nur folgern, bie Lüde im Strafgefeß müüe
auSgefüHt merben.
^icßtig ift ungtoeifelßaft, baß bie ^)en!fcßrift aueß eine Sleiöe
feßr ernfter unb feßroerer Verfehlungen gegen ©efeß unb Mt
aufführt. ^aS leugnet ja aber aueß Sliemanb, baß fold)e labet
nur oiel gu häufig oorfommen. Bir mollen uns über biefe 3fuS*
feßreitungen aueß feineSroegS mit bem billigen £rofte ßimoeg*
helfen, baß bieS in ber UnooHfommenßeit ber menfcßlicßen ©efeu*
feßaft liege, baß ©efeße immer übertreten unb eingelne Miifetßäter
immer ftrafloS bleiben roerben. Slein, mir halten es, gerabe aueß
u ©unften einer gefunben ©ntmicfelung unferer Slrbeiterbemegung,
iir nüßlicß unb notßroenbig, baß Mißbräucße beS ^oaliüonSrecßleS
feßarfer Slßnbung unterliegen. Slber baß nießt alle jene £mnb*
Iungen Mißbräucße ftnb, bie StaatSanmalt uttb s $oligei bafiir er*
aeßten, bas beroeift bie 4)enffcßrift gur ©enüge. Unb bann forbern
mir aueß hier gleidjeS Slecßt unb gleicßeS Maß für Arbeiter mie
Slrbeitaeber. Söenn aber bie SDenffcßrift — mit ooßem Slecßte! —
es oeroammt, baß Arbeiter SlitberSgefinnte mit feßmerem Serroris*
muS ißren Abficßten gefügig ntaeßen, roarunt ßat fte fein Bort
gegen bie gleicher ©efinnung entfpringenben, gleiche Btrfung
iibenben, menn aud) anberer Mittel fieß bebienenoen §attblungen
ber Arbeitgeber? Biffen StaatSanmalt, VermaltungSbeßorbe,
Voligei mirflicß nießts oon ben „Scßroargen Liften", bie bie roirtß*
fdjaftlicße ©jifteng oon Arbeitern oernid)tcn, oon Maffen*Aus*
fperrungen 90113 Unbetßeiligter, bloß meil aitberSmo geftreift roirb,
oon Maßregelungen, meil Arbeiter oon ihren ftaatsbürgerlicßen
Stecßten ©ebraueß macßen? Biffen fie nidjts oon bem Perrons*
muS maneßer Unterneßmeroerbänbe gegen DutfiberS ober Ab*
trünnige, bie mit ©elbftrafen, Materialentgießung, VerrufSerflärung
unb gefeüfcßaftlicber Accßtung bebroßt roerben? ^)ie 0enffcßrift
enthält oon allebein fein Bort, fie fcßleubcrt Anflage auf Auflage
nur gegen bie Arbeiter. Aber oielieicßt mitt bie Regierung nod)
eine gtoeite SDenffcßrift oorlegeti, bie fieß lebiglicß mit ben Ver*
fcßlungen ber Arbeitgeber gegen bie Koalitionsfreiheit unb bas
KoalitionSred)t befaßt?
ViS bies gefeßießt, ift unferes ©racßtenS bie jeßt oorlicgenbe
^cnffdjrift in feiner Beife geeignet, bem ©efeßentrourf gum Scßuße
beS gewerblichen ArbcitsoerhältniffeS ein brauchbares Junbament
311 geben. Aid)t bie ©infießt eines Staatsmannes, fonbern ber
Spürfinn unb bie Vcrfolgungofucßt eines ber Arbeiterberoegung
ocrftänbnißloS gegenüberfteßenben StaatSanmalteS fprcdjen aus ißr.
^ic Jorberung, ben ©efeßciitmurf furger $>anb noeß oor ber Ver*
tagung bes Sfeicßstages abguleßnen, fann bureß biefe in ber ^cuf*
feßr ift oermertßcte Mu]ter*(£nquete, mie fie nießt fein foü, nur
beftärft merben. Ci*. 5 .
1001
Sogiale PrajtS. dentralblatt für Sogialpolttif. ©r. 87.
1002
Die Generalocrfammlnng beS ©ereinS für Sogialpolitif finbet
oom 25. bis 27. September in ©reSlait ftatt. Stuf ber DageS*
orbnung fielen folgenbe ©erathnngSgegenftänbe:
1. Dte £>aitSinbuftrie imb ihre gefcfcluhc Regelung; Afferenten:
(M). Dberregieriingsratb I>r. SBtlliclmi (©erlin), Dr. A. SScber (©erltn).
2. Die Sage bes .fraufirgeroerbeS; Referent: profeffor Dr. Stieba
(Seipjig). 8. Die dutroirfelungstenbeiigcn im moberncn ^ctaüfjanbel;
Generalreferent: ^Srofeffor Dr. 2B. Somoart (©reSlau), Spegialreferenien:
profeffor Dr. ©athgeit (Marburg i. £>.), Dr. ^tocfe, StjnbifuS bcr
ftaitbelsfanuner in £amiouer. — tim 28. September fod ein gemein*
farner Ausflug in bas o6erf(^Ieftf<^e gnbuftriereoter gur ©eftdjtigung
üerfrfjiebcner Anlagen unternommen roerben.
Die lefete Generaloerfammlung mar dnbe September 1897 in
Köln, fie fd)lo& mit einer Kunbgebung für Sicherung unb Ausbau
ber Koalitionsfreiheit.
AnSgeftaltung beS ofterrei^if^at ArbeitSbeiratheS. ©ttt faifer*
lieber Genehmigung rourbc bie 3 a hl & er SRitglieber beS bem
crbeitsftatiftifchcn tote im öfterrei<f)ifd)en ^anbelsminifterium gur
Unterftiifcung feiner ©Hrffamfeit beigegebenen ftänbigen ArbeitS*
beiratheS oermehrt. 3 un ächit mürbe gmei urfprünglicb im ArbeitS*
beirathe nicht oertretenen dentralftellen eine Vertretung eingeräumt,
bie mit ©ücffichi auf bie Aufgaben, gu beren Löfung mitgumirfen
bcr tlrbeitsbeirath berufen fein rcirb, roünfchenSmerth erfd)ien. dS
finb bieS baS guftijminifterium, beffen ©iitroirfung bei ber ©or*
bereitung legislatortfcher Arbeiten nicht roobl entbehrt roerben fann,
ferner ber Dbcrfte SanitätSraib, melchent in fanitären unb
hpgienifchen fragen, in Sachen ber Arbeiter*Kranfenoerficherung,
ber ArbeiterroobnungSfrage unb bergleidjen mehr ein majjgebenbes
©oturn gufommt. Zugleich mürbe bei Nahrung ber Rarität ber
Gruppen im ArbeitS beiratl)* bie 3 a hl ber bom ^anbelSminifter gu
ernennenben SDiitglieber um fech$, nämlich je gmei aus ber Gruppe
ber Unternehmer, Arbeiter unb Fachmänner erhöht, um and) jene
gntereffentengruppen unb Dichtungen berüeffiefttigen gu fönnen,
roelche bei ben erften dmennungen im §>inbiicfe auf bie geringe
3ahl ber gu befefcenben Stellen, feine ©ertretung finben fonnten.
Die neuen drnennungen für ben Arbeitsbeiratb ftnb oom £anbels*
minifter bereits ooHgogen.
©etgifdjeS Gef eh, betreffenb bie Sicherheit unb Gefnnbtjeit
ber in inbnftrietten nnb Janfraäu ttif djen Unternehmungen befdjäf*
tigten Arbeiter, Aus ©rüffel mirb uns gefchrieben: to
8. b. ÜKtS. mürbe in ber belgifchcn Kammer ein Gefefc mit großer
Stimmenmehrheit angenommen, rocldjeS, menn bie ©egieruitg es
energifch angumenben mageu foUte, einen tüchtigen Fortfehritt in
ber Arbciterfcbubgefefcgebung beS LanbeS bebeuten mürbe. Das
ange Gefefc befteht nur aus gmei Paragraphen; ber erfte baoon
efagt, baf* bie Regierung baS ©echt erhält, ©erorbnungen gu
treffen, bie geeignet finb, tn inbuftrieÖen unb faufmännifchen ©e*
trieben, mo Gefahren in biefer $inficht oorliegen, bie Sicherheit
unb Gefunbheit ber bort befchäftigten Arbeiter gu frühen. §. 2
beftimmt, bafe ben Auffichtsbeamten ber ©egierung, melche bie An*
roenbung ber in Folge biefcS GefefceS gu erlaffettben ©erorbnungen
gu prüfen hoben, freier dintritt in alle piäfce unb ©äume, bie gu
einem Unternehmen biefer to gehören, guftehen fott. tiefes Gefefc
ift noch oon bem erften belgifcfjen ©ttnifter für Arbeit unb gn*
buftrie, §errn ©pffenS, eingebracht, aber fein ©achfolger, §>err
dooremanS, hat es mit dnergie unb Gef chic! in ber Kammer oer*
treten. Die unbeftimmte Form beS GefeJjeS ift nur aus ben
heutigen fogialpolitifchen 3aftänben in ©elgien heraus begreiflich.
Der ÜRinifter für Arbeit hatte bie Unguträglichfeit eingefehen, bie
barin lag, bafe er alle ©erorbnungen für ben Arbeiterfchiifc erft
einer roenig arbeiterfreunblichen Kammer oorlegen foflte, unb er
ma^te beSpalb ben ©erfuch, burch ein fo harmlos auSfehenbeS
Gefefc, mie baS oorliegenbe, ein für alle 2M fich freie §anb gu
oerfchaffen. dS hanbelte fi<h geroiffermafjen um eine fleine Ueber*
rumpelung beS Parlaments, bie benn auch oorgüglich geglüeft ift.
Das Gefefc giebt bem ArbeitSminifter bie roeitefigebenben ©oll*
machten, um auf bem ©erorbnungSroege fräftig Arbeiterfcbufc gu
treiben, unb eS fdjeint, baft es £>errn dooremanS bamit ernft ift,
trofc ber geiabfehaft ber roirthfchäftlichen ©eaftionäre, bie er fid;
mie fein ©orgättger bereits gugegogen hat, etroaS Süchtiges gu
leiften. 2Bie mir hören, ift Hoffnung oorhauben, bafe auf Grunb
beS neuen Gefe^eS gegen bie ht)Qienifch fchänblichen 3 u ftänbe, mie
fie in ben meiften meiblichen Schneibereiroerfftätten ©riiffels befteljen,
©laferegeln getroffen roerben.
ftoutttnraale SojiaipoHtib.
Kotmnttimlprogramiti für ^üffelborf» ©ei feiner dinführung
entmicfelte ber neue Dberbürgermeifter oon ^iiffelborf, £err ©larg*,
einige |)auptgcfid)tSpunfte, nach benen er bie ©erroaltung ber Stabt
einguriebten gebenft. dr erflärte eS für oerfel)lt, lleberfchüffe gu
einer augenbiicflid)en drleichterung ber Steuerlaftcn gu oermenben,
fonbern fprach für bie Anlegung eines 9luSgleid)SfonbS für bie
fdjlechten gahre. Schmanfungen in ber Fiaangmirthfchaft feien
möglichft gu oermeiben; bie ©eineinnahmen ber ftäbtifchen inbu*
ftrieüen Unternehmungen fotten regulirenb mirfen. $>ie inbireften
dinnahmen ber Stabt miH er burd) drmeiterung ber ftäbtifchen
inbuftrieüen SSerfe nnb burch toglieberung neuer Unternehmungen
noch gu oermehren fuchen. 3öie ber ©cgierungSpräfibent Frejh^
o. ©heinbaben, ber ihn einführte, betonte er bie ©othmenbigfeit
ber ftäbtifchen SSohnungSfürforge unb ber ©ereitftellung oon
Mitteln für biefe 3mecfe. dine beftimmte ©orlaae ift freilid) noch
nicht ausgearbeitet, bod) mirb fie im £>inblicf auf bie für 1902 ge*
plante SluSfteüung auch aus ber ©ürgcrfdjaft geforbert. S)ie
$ebung beS ßofalpatriotiSmuS, bie er anftrebt, ift für eine ge*
begliche dntmicfeluug ber Jommunalen Angelegenheiten gemife nicht
gu unterfdjäfcen. ©och iüngft betonte ber ©igepräfibent beS preufei*
fdjen StaatSminifteriumS Dr. o. ©liquel bei ©eratl;ung ber Korn*
munalmahlrefornt im preufeifchen Abgeorbnetenhaufe ben Seaen
beS beutfehen SofalpatriotiSmuS, beffen Präger oornehmlich ber
SRittelftanb fei.
^ie ©egelttng ber ©ienft* unb Sohnber^ültniffe ber ftübtifchen
Arbeiter in aWannheim, beren Grunbgiige m Sp. 671 mitgetheilt
finb, hat eine drgängung burch bie ©ollgugsbcftimmungen erfahren,
^anad) mirb bas auf einen gefefelidjen Feiertag fallenbe ©etreffnife
beS ©odjenlohtieS auch bann bem Arbeiter oergiitet, menn er nicht
an allen übrigen ^ageu gearbeitet hat, fonbern gum ^h e |^ &e*
urlaubt ober länger ais adjt i^age franf ober gu einer militärifchen
Uebung einbernfen mar. Für Feiertagsarbeit mirb eine befonbere
©ergiitung oon einem 3eh n tel bes Jagelohnes gemährt. Arbeiter
beS ftäbtifdjen IiefbauamtcS(Straheniinierhaltung unb©einigung?c.),
bie an fich n’tftig, aber unguoerläffig, unpünftlich unb trunffiiehtig
finb ober beshalb meniger leiften, folleu nach nuplofeit ©efferunaS*
! oerfuchett entlaffen, bagegen nur roegen Alter ober Kränflichfeit
nid)t oollleiftungSfät)ige Arbeiter nach gehnjähriger 2)ienftgeit unter
allen llmftänben einen Sohn oon 2 ,70 erhalten. S)ie neue
Sohnfeftfehung erhält rücfmirfeitbe Kraft, jeboch mirb bie 3 e ^t oor
bem 1. April 1899 bei ©emeffung ber 3”lage nur gur .Jmlfte ge*
rechnet, ^cr ©lehrfoftenaufmanb in Folge ber ©euregelung be*
trägt jährlich 54 300 di, mit dinfchluß ber in ben brei oorauS*
gegangenen gahren gemährten Sohuerhöhungen 133 150 JL ^)ie
Sahungen für bie ArbeiterauSfd)üffe finb erlaffen; in biefem
©touat finben bie SBahlen bagtt ftatt. ^)ie drgängung biefer
Fürforgc foH eine Arbeiterpenfiousfaffe bilben. — dine gleiche fogiale
gürforge für ihre Arbeiter fann aitberett Stäbten nur empfohlen
roerben 2)te fogialbetnofratifdje „©olfsftiinme" in ©lannheim er*
flärte benn auch runbmeg, baf} bie ftäbtifchen Arbeiter mit ber ein*
ftimmig angenommenen ©orlage oorerft gufrieben fein fönnen.
Alters* nnb guoaUbttätSOcrforgung für ftäbtifche Arbeiter in
Ulm. Ulm ift nun aud) in bie ©eil)c ber — meift fübbeutfehen
— Stäbtc getreten, bie für ihre alten unb ittoaliben Arbeiter forgen.
Die ftäbtifchen Kollegien befchloffen am 6. guni bie drrichtung
einer Alters* unb gnoalibitäts*©erforgungSfaffe für bie im Dienfte
ber Stabt ftehcnbcit Arbeiter, diu Anfprud) auf eine gnoaliben*
rente tritt nadj gehnjähriger ununterbrochener ArbeitSgeit in ftäbti*
ftf)en Dienften ein, roährenb bie Altersrente nad) oollcnbetem
65. Lebensjahr unb menigftenS 20 jähriger Dienftgeü gemährt mirb.
Die ©enten bemegen fidj je nach ben Dieuftjahren groifchen 220 unb
450 JL grgenb melche ©eiträge haben bie Arbeiter gu biefer Kaffe
nicht gu leiften; bie ©enten roerben aus einem angnfammelnben
Gruubfapital geleistet, für beffen Anfammlung aüjäljrlid; ber
ftäbtifdjc dtat einen ©etrag oorfieht. Die ©erforguugSfaffe foll
gunächft für bas in abgefchloffeiter ©erroaltung ftetjenbe GaS* mtb
©3affermerf ins Leben treten.
Arheiterfthnh bet öffentlichen Unternehmungen in Paris. Der
Gemeinberath oon Paris ift fchon feit gahren ber eifrigfte Förberer
ber Fair Wages*©eroegung in Franfreid). ©aebbetn cs ihm ge*
langen mar, umfaffeitbc Sd;upflaufehi in bic ©ergebungsfontraftc
über bie gu erbauenbe llntcrgrunbbabn, fomie über bie ©.'eit*
auSftedungSarbeiten einguführen, fafjtc er fiirglid), gelegcntlid) ber
I ©erhanblungen über bie Konftruftioit einer Drahtfeilbahn auf bem
1003
$ogiale $rajt$- Gentralblatt für Sogtalpoliit!. SRr. 37.
1004
$ügel bes Montmartre einen neuen Befd)tuß biefer Slrt. Qfür
bie Bauausführung biefer XranSportanftalt roerben biefelben
Sdaufeln oufgefteHt, mie für jene ber Untergrunbbabn. Sobann
fnüpft er nod) bie folgeitben Bebingungen an Die 33etriebSfongeffion:
1. 9Riubrftgcfjalte oon 150 grcS. monatlich für bie Bebicnftcten
ober 9Rtnbejt«2ciglütnie oon 5 gres. für bie oorübergefjenb Befdiäftigten;
2. SRartmalbicnftgcit non 10 Stunbcn unb 1 luöcfjentlidjer iHubetag;
3. jäfirlid) ein grlmtägiger Urlaub otjne Sobnabgug; 4. gufidjerung beS
migefdjmälertcn Lohnes mäbrenb müitäritrfjer Hebungen; 5. Gablung
ber noQen Söbne bei ftranfbeit; 6. beSgl. bei Unfällen bis gur Teilung
über bis junt ftrntengiifprurfj; 7. Unfallüerfirf)ernng auf Unternehmer*
füften; bngienifif)er unb fidjerbeitlidjer Schuß uadj ben Borfdiriften ber
Berroaltiingsbcbürben; 9. uneutgeltlirfjc ärztliche unb pbarmageutifeße
Bcbanblmig; 10. befinitioe Aufteilung nad) grocijäbrtger ©ieuftgrit;
11. Btlbuug oon Altersrenten bei ber ftaatlicßen SUterSuerforgungsfaffe
aus gweiprogentigem 2of)nabgug unb fed)Sprogcntigcin 3 ll fdjuß au§ Be*
triebsfoubs.
SRacßbem bie Regierung unb baS Parlament bie faft gleichen
Älaufein für bie Untergrunbbaßn genehmigt haben, ift mißt angu*
nehmen, baß fie bem lebten Befcßluß beS ^arifer GemeinberatßS
bie Sanftion oerfagen.
Selfelidüe Stabt* nitb Gemeinberätfje fo Guglanb. -Sas §auS
ber ©enteilten hat am 7.guni mit einer Majorität oon 35 Stimmen
ben grauen Großbritanniens baS SRedjt oerließen, gu Stabt« unb
Gemeinberätßen gu mäßlen unb geroäßlt gu roerben. ©ie Beratßuug
ging um bie £onboner BerroaltungSoorlage unb bie burd) biefe ge«
feßaffenen neuen Beßörben* refp. BerroaltutigSförper. Slbgeorbueter
Gourtenei) batte gu biefer Vorlage ein Slmenbement eingebradjt, babin
geßenb, baß feine "JSerfon bureb Geßßlecßt, bureb £>eiratß, burd) Sitter
oon ber B3ä ß Iba r feit gum Stabtratb (Sllberman) ober Gemeiubcratß
u. f. nt. auSgcfdjloffen werben fottte. SllS es nach längerer, erregter
Debatte gur Slbftimmung fam, gerfplitterten bie alten Barteiformen
oöllig; bie Mehrheit oon 196 Slbgeorbneten (gegen 161) beftanb
aus liberalen, Monferoatioen, llnioniften, Babifaleit, gren. gür
bie neuen grauenrechte ftimmten neben einanber Staatsminifter
Balfour neben beut güßrer ber ßiberalen Sir GampbelI*Banner*
matt, goßn SEorlep, StSquith, Sohn BurnS, roäbreitb bie Mi«
noriiät oon bem fonferoatioen Minifter Sir M. .§icfS*Bead} geführt
mürbe. Ginen praftifeßen Grfolg roirb ber Befcßluß freilich nicht
haben; benn es ift außer allem Zweifel, baß baS DberßauS ihm
beigutreten fich roeigern mirb.
kommunale Stäbtebeleueßtung in Gnglanb. SluS einer
famtnenftellung ber ßonboner 3eitfchrift „Lightning“ ergiebt fich
beutlid) bie waeßfenbe ©enbeng ber „eigenen SRegie" ber Gemeinben
begüglid) ber ftäbtifchen Beleuchtung; es finb nämlich eleftrifcße
Beleuchtungsanlagen in Betrieb oon 83 Gemeinben unb bloß
57 Bnoatgcfetlfcßaften; 69 Gemeinben haben ben $au eigener
eleftrifcher Söerfe in Singriff genommen, mäbrenb in 13 Drtfcßaften
bloß ber Bau berfelben oon ^SrioatgefeUfcbaften begonnen mürbe
unb in 83 Gemeinben befaßt man fich mit ber gbee, eigene elef*
trifeße Söerfe gu errichten, mäbrenb bloß in 11 folgen bie gbee
ber Äongeffionirung oon prioaten Gefeflfcßaften oentilirt mirb.
^rbettetbeniesmtg.
©ie Slusftänbe be$ Jahres 1898 in granfreidj tmb baS Gefet?
über Bermittelnng unb SchiebSgerichte»
©aS Office du Travail oeröffentlicht foeben bie „Statiftif ber
Slusftänbe foroie ber ©bätigfeit ber Bermittlung unb beS Sd;iebs«
geridjtS mäßrenb beS gaßreS 1898". B3aS nun guerft bie SfuS«
ftänbe angebt, fo entnehmen mir ber Ginleitung beS Buches bie
naebftebenben bemerfenSroertbeflen 3uf ern - 3m Sab« 1898 faitbeit
in granfreid) 368 SluSftänbe ftatt — alfo 12 mehr als im Bor*
jabt'e —, au benen fich im Gangen 82065 SUiSftänbifcbe betbeiligten
— gegen 68 875 im gab« 1897; biefe Steigerung goßt gutn ©heil
auf "ben Slusftanb ber Barifcr Grbarbeiter mit 42800 ©beilnebmern
unb ben Berfud) eines allgemeinen SluSftanbS im September unb
Cftober 1898 guriief. Xrei gnbuftriegmeige lieferten allein gmei
drittel ber Slusftänbe unb brei Biertel ber SluSftänbifchen, nämlich
bie XeftiU, Bau« unb Metallinbuftrie. B?eun man biefe 368 SluS*
ftänbe ooni Gefidjtspunft ber 3 e itbauer aus betrachtet, fieljt man,
baß 242 meuiger als eine B?od)c gebauert haben, mäbrenb ber
läugfte fid) auf 169 läge ausbebnte. £ie bauptfächlidjiteu llr*
fadjeu ber Slusftänbe mären folgenbe brei: 1. Vobnfragcn (Qerab*
fenmig ober gorberuug ber Grhöhuug ber Üöbne): 223 Slusftänbe
= 60 ,g o. 2. ^erfouenfrageu (gorberuug ber Stebereinftclluug
entlaffener Slrbeiter ober ber Gntlaffung oon Slrbeitern ober iBerf«
fübrem): 61 Slusftänbe — eine geringere 3 a bl als in ben Bor*
jabren. 3. Bedangen ber Berfürgung ber SlrbeitSgeit: 28 SluS*
ftänbe, baoon 10 in ber Bauinbuftrie.
gn CiinRcht auf ißre Grgebniffe oertbeilen ßcb ^i e
ftänbe beS gabreS 1898 mie folgt: 1. Grfolg batten 75 Slusftänbe
mit 10 594 SluSftänbifchen; beim Bergleich mit bem gabre 1897
bemerft man, baß bie 3°bl & cr erfolgreichen Slusftänbe biefelbe
geblieben ift (20 ,38 o. §. gegen 19,i 0 o. $.), bagegen ift bie 3abl
ber SluSftänbifchen oerbältnißmäßig gurürfgegangen (oon 28, 8 o. £>.
im gaßre 1897 auf 12,oi o. §.). 2. Beigclegt mürben 123 SluS*
ftänbe mit 32 546 SluSftänbifchen. 3. Mißerfolg batten 170 SluS*
ftänbe mit 38 925 SluSftänbifchen. 3um Schluß ber lieberficht
über bie Slusftänbe noch eine Gingelßeit, bie oon gntereffe fein
bürfte, namentlich in bem Slugenbliif, ba bie frangöfifche Kammer
ben Gefcßentrourf über bie Bebingungen bei berBergebung offent*
lieber Slrbeiten erörtert (ber Gntmurf erfennt als 9iorm ber Siöbne
unb SlrbeitSgeit bie greife unb bie Stuubengabl an, mie fie jebeS
0rtS oon ben Spnbifaten ber Slrbeitgeber unb Slrbeiter beS gacßS
oereinbart finb). Bei 211 oon 368 SluSftänben gehörten bie Sir*
beiter gang ober gum einem Spnbifat an; bei 113 SluS*
ftänben beftanb ein gachfpnbifat ber Slrbeitgeber. ®ie Slrbeiter*
fnnbifate haben ben SluSftänbifchen in 32 SluSftänben regelmäßige
llnterftüßung geleiftet unb ißre Betbeiligung an ben Berbanblungen
ift bei 41 SluSftänben oon ben Slrbeitgebcrit angenommen morben.
$>er gmeite ^bcil ber Ginleitung beS BucßeS beljanbelt bie
Slnroenbung beS GefeßeS oom 27. ©egember 1892 über Bermitt*
hing unb SchiebSgerid)te groifchen Slrbeitgebern unb Slrbeitern im
gaßre 1898. gn 94 gäHen ift bieS Gefeß gur Slnmenbung ge*
fonimen; bie Slnregung bagu mürbe.oon ben Slrbeitern 57 mal,
oon ben Slrbeitgebern 3 mal, oon beiben gemeinfam 2 mal gc*
geben, unb ber griebenSrichter griff bei 32 SluSftänben oon Slmts«
wegen ein. £ie Slrbeitgeber haben 32mal ben Bermitt*
lungSantrag gurüefgeroiefen, bie Slrbeiter 1 Mal, Slrbeitgeber
unb Slrbeiter gugleicb 5 Mal; in 4 gälleu eriblich lam bie Ber*
mittlung nicht gur SluSführnng, ba bie Slrbcit aufgenommen tuorben
mar, ehe jene in ^hätigfeit treten fonnte. GS bleiben alfo 52 gälte,
in benen BermittlunaSaiiefchüffe gebilbet mürben; biefe SluSfchufe
haben bireft 18 Slusftänbe, mittelbar 10 Slrbeitsfämpfe beenbet.
SBas bie Xhätigfeit beS SchiebSaerichtS anlangt, baS nach betn
Sinne beS Gefeßes uoit 1892 in Slnfprud) genommen werben foü,
wenn ber BermittlungSoerfuch erfolglos blieb, fo ift eS nur 20 mal
in ftäraft getreten unb hat bloß gmeimal gu einem Grgebniß geführt;
es mürbe neunmal oon ben Slrbeitgebern, einmal oon ben Slrbeitern
unb achtmal oon beiben Parteien abgelehnt.
gm Gnberaebniß hat bie Slnmenbung beS GefeßeS über Bcrmitte*
lung unb ScpiebSgerichte im gaßre 1898 30 SlrbeitSftörungen
mittelbar ober unmittelbar beigelegt. Söenn man bieS Grgebiiiß
mit bem ber fünf oorhergeßenben gaßre gufammenreeßnet, to er*
giebt ßcß, baß, ©anf ber Beftimmungen beS Gefeßes oom
27. ©egember 1892 oon feinem gnfrafttreten bis gum 31. ©e*
gember 1898 auf eine Gefammtgaßl oon 2630 SluSftänben
248 Streitfälle gütlich beigelegt morben finb. SluS ben ^hatfaeßen,
bie ein genaues Stubium ber Söirffamfeit beS Gefeßes toährenb
biefeS gcitrauntS oon 6 gaßren gu 3:age förbert, heben mir lebig*
ließ bie 3 a ßlen ßeroor, bie ein llrtßeil über bie Stellung ber
Slrbeitgeber unb Slrbeiter gur Bermittlung unb gum ScßiebSgerüßt
geftatten. SBaS gunäcßft bie Slnregung gum BermittelungSDerfucße
anlangt, fo haben bie Slrbeitgeber biefe Slnregung 22 mal, bie
Slrbeiter 313mal, beibe Parteien 14mal gegeben, ber gricbens*
rießter 232 mal. — 2>er Slntrag auf Bermittlungsoerfucß ift 180 mal
oon ben Slrbeitgebern, 16 mal oon ben Slrbeitern unb 13 mal oon
beiben Parteien gurüefgewiefeu morben.
©iefe 3 a ßlen finb an fieß berebt genug, um ein weiteres Gin*
geßen auf ihre Bebeutung iiberflüffig gu machen. Gs roirb genügen,
gu bemerfeji, baß GbarleS gern) fürglicß auf ben ©ifcß beS 'Slb*
georbnetenßaufeS ben Bericht uiebcrgelegt ßat, mit beffeu Slbfaffung
ißn ber SlrbeitsauSfcßuß über einen Slntrag auf Slbänbcruug bes
Gefeßes oom 27. ©egember 1892 über bie Bermittlung unb bas
Sd)iebsgerid)t betraut hatte, ©iefer Bericßt fommt gum Scßluß,
ben BermitteluugSoerfud) obligatorifcß gu maeßen.
Baris. Dctaoe geftp.
©ic große StrbeiterouSfpcrrttwg in ©änemarf.
^er jeßige I.ock-out in ©änemarf, ber mit Stecßt fo großes
Sluffeljen and) im SluSlanbe beroorgerufen bat, ift nidjt gegen bie
Slrbeiterorgaiiifation als foldjc gcridjtet. Gs märe natürlich ben
1005
©ogtale $ragi&. ©entralblait für Sogtalpoltttl. 97r. 37.
1006
Arbeitgebern ni<fet unangenehm, roenn bie 3 C ^ fitfe fo gurücf-
feferauben liefe, bafe man, roie in ben guten alten Sagen, überhaupt
mit feinem fjathnerein gü thun hätte. 3n ber Shrflicfefeit liegt
aber biefer ©ebanfe bem Serein ber Arbeitgeber fern. 3a, man
fönnte im ©egentfeeü fagen, bafe bie Arbeitgeber eben eine noch
ftärfere Arbeiterorganifation forbern, um bie Sicherheit gu erhalten,
bafe bie 3mb rer ber Arbeiter eg in ihrer 9Racfet haben, Heberein*
fünfte unb Abmachungen überall effeftio burefefüferen gu fönnen.
Sie tiefer Iiegenben llrfacfeen ber Sperre finb, bafe bie Sari*
fdjritte ber bänifdfeen Snbuftrie in ben lefeten Safergefenten unb bie
rege Sautfeätigfeit in ben Stabten, namentlich in ber #auptftabt,
roährenb ber lefcten Sahre, in Serbinbung mit einer weit um*
fpannenben, feften SDrganifation ber Arbeiter, bagu beigetragen haben,
bafe bie Söhne fefer geftiegen finb,. bie Arbeitzeit oerringert unb bie
SRacfet ber Arbeiter im (Sanken oergröfeert ift. 9tacfe recht fefemierigen
©eburtgwefeen ift eg jefet ben Arbeitgebern ber Saugewerbe wieber
gelungen, eine grofee unb mächtige Arbeitgeberorganifation ben
Arbeitern gegenübergufteflen. Siefe Drganifation, bie erft ein paar
Safere alt ift, wollte fefjort im oorigen Safe« ihre Kräfte prüfen
unb ftärfen burch einen Lock-out, mag aber abgemehrt mürbe,
diesmal ift eg ©rnft geworben. Ser Anlafe mar ein 3roift im
SCifthlerfach, ber aber unter anberen ttmftänben fefeon jefet frieblich
abaelaufen märe. 9Jtan oerhehlt auch gar nicht, bafe bie wirf liehe
Urfatfee beg Lock-out bie Uebergeugung ift, bafe bie Serfeältniffe
auf ben Saupläfeen unb in ben Söerfftätten unb Sabrifen „uner¬
träglich" feien. Sie Uebergriffe ber Arbeiter, fagt man, werben
täglich gröfeer; bie Arbeiter thun, mag fie wollen, fommen unb
gehen, mann fie wollen, überwachen, bafe fein Arbeiter gu oiel
fertig macht, forbern im ©angen bie Arbeitgart gu beftimnten :c.
— furg bie Arbeitgeber fönnen, nach ife«n Slugfagen, launt mehr
felbft bigponiren, wiffen h eu te nicht, wie morgen bie Sachen liegen,
unb werben auf Scferitt unb Sritt oon ihren Arbeitern tracaffirt,
immer mit ber Streif Drohung in ^interfeanb.
3ft nun auch Sieleg feieroon übertrieben, fo ift eg hoch un*
gweifelhaft, bafe bie Arbeiter mand)mai übermüthig auftreten, unb
bafe tfeeilg ihre gegenfeitigen Arbeitgoerabrebungen, theilg ihr oft
willfürlicheg Serfaferen gegen bie Arbeitgeber für eine gefunbe
Arbeitöorbnung unb bag ©ebeifeen ber Snbuftrie gefährlich werben
fönnen. Segwegen halten fich auch oiele, bie fonft Arbeiterfreunbe
finb, bie aber mit eigenen Augen ber Sache in ben lefcten 3ahren
gugefefeen haben, jefet etwag gurücf. 9Jtan weife wohl, bafe etwag
Sofitioeg nicht burch bie Sperre gu erreichen ift, benn oiele ber
wefentlichften Sefdfewerben ber Arbeitgeber laffen fich Tiid^t para-
graphenweife abmathen . l ) Aber man meint, bafe bie jefcige enorme
Stacfetentfaltung ber Arbeitgeber jebenfaHg ben Arbeitern unb ihren
Führern geigen wirb, bafe bie Arbeitgeber fich hoch nicht alleg
bieten laffen unb bafe fie gu guterlefet bie Stärferen find, unb
man hofft bann, bafe wenn liefe bie Arbeiter biegmal haben unter¬
werfen müffen, ruhigere Serfeältniffe eintreten werben.
Aber auch anbere Stimmen — aufeerhalb ber Streife ber Arbeit¬
geber unb Arbeiter — laffen fich hören. ©g wirb gefagt, bafe in
mehreren ©emerben ber Lock-out fich mit beftehenben lieberem-
fünften ben Arbeitern gegenüber nicht oereinbaren läfet. 2 ) ferner
fagt man, bafe eine Stajfenaugfperrung wie bie jefcige halb reoo-
lutionär ift, unb bafe, wenn ein folcher Scferitt oon fonferoatioer
Seite alg erlaubt gilt, ein ©eneralftreif ber Arbeiter niefet mefer
Sfteoolution, fonbern nur berechtigte SRotfewefer ift. 3nt ©angen,
behauptet man, wirb biefer gmngerrrieg unfäglicfee Sitterfeit frifeaffen,
bie felbft naefe bem „Srieben" immer unb immer neu auflodern
wirb, unb eg wirb fiefe räcfeen, bafe man mit ber Srutalität ber
©elbmacfet ofene SBarnung, ofene Künbigung Saufenben unb Aber*
taufenben bag täglicfee Srob nimmt unb fie ing ©lenb ftürgt.
©ndlicfe wirb feeroorgefeoben, bafe auefe oiele Arbeitgeber unnötfeig
fdferoff unb wiHfürticfe in iferem Auftreten finb unb bafe übrigeng
bie Arbeiter feinegwegg ofene ©influfe auf bie Arbeitgart fein bürfen,
l ) SSenn bie Arbeitgeber forbern, bafe eine mit ber £>aupt*
organifation ber Arbeiter getroffene Uebereinfunft audj ohne guftimmung
ber einzelnen betreffenben Korporationen binbenb fein fotf unb bafe bie
feft angeftellten SBerfmeifter unb ähnliche gunftionäre nidfet HÄitglieber
ber gaefeoereine fein bürfen, fo läfet folcfeeg )icfe oielleicfet fiyiren. Sieg
ift fefeon fefewieriger mit Aüdficfet auf bie „Leitung" unb bie „Ser*
tfeeilung" ber Arbeit unb — mag bie £>auptfacfee ift — unmöglich
in ^inficfet beg gangen modus vivendi gwifdjen Arbeitern unb Arbeit*
gebenr.
*) ©ine Art 3cfeiri)ggericfet, welcfeeS Arbeitgeber unb Arbeiter uer»
fefeiebener gädjer oor Kurgem gewählt patten, ift in btefen Sagen mit
ber Unterfucfeung befefeäftigt, mic weit bie Klagen ber Arbeiter in biefer
.fünfidjt berechtigt finb.
wenn fie ftd) niefet aufg SReue alg „Srobuftiongmittel" ftatt alg
mitarbeitenbe Statfdfeen Betrachten laffen follen.
Ser thatfäcfelicfee 3nftanb ift jefet, bafe etwa 40 000 Arbeiter
auggefcfeloffen finb, eine enorme 3 a fel für ein Sanb mit nur
2 1 /« Millionen ©inwofenern. 8 ) Sie Arbeiter follen in ihren Streif-
faffen IV 2 Stittionen Kronen (8 Kronen = 9 J() haben, unb fie
fangen erft jefet an Unterftüfcungggelb gu nefemen. öiergu fomnten
bie Seiträge ber Arbeitenden — 1 big 3 Kronen für ben SRann
wocfeentlicfe! — fo bafe ber SMberftanb oielleicfet Monate bauern
fann. Auf ber anberen Seite wirb tfeeilg bireft, tfeeilg inbireft
bie 3<*dl ber Auggefcfeloffenen feier unb ba oermefert; eg ift bafeer
unmöglich, fefet eine genaue „Silang" gu giefeen.
^ie fonferoatioen Parteien ftefeen gröfetentfeeilg auf Seite
ber Arbeitgeber, boefe feat bie cferiftlicfe-fojiale Partei mit $ro-
feffor SBeftergaarb an ber Spifee fefer energifefe fiefe ben
Arbeitern angefcfeloffen unb forbert bagu auf, fie materiell unb
moralifcfe gu unterftüfcen. S)ie bemofratifefeen finb giemlicfe
oorfiefetig; fie forbern Scfeiebggericfet, Sermittelung :c., am ent-
fefeiebenften auf Seite ber Arbeiter ftefet bie S)emofratie ber §aupt-
ftabt. §ier feat man jefet auefe angefangen, bie gfreigeit 5 cr Arbeiter
gu oerfürgen burefe beleferenbe Sorträge, 9Jlufeumgbefucfee 2 c.; ßeferer
unb gfacfeleute ftefeen ooran in biefen Seftrebungen. ‘SDie ©elb-
beträge aug bürgerlichen Kreifen gefeen fparfam ein; jefct oerfuefet
man aber ben Auggefcfeloffenen gu helfen burefe Aufnahme ihrer
Kinber in ben gramilien; biefe Bewegung ift namentlich oon
unferer Sauernbemofratie auggegangen.
S)em Auglanbe gegenüber ftefet bie Sacfee fo, bafe oorläufig
beibe Parteien fiefe beftreben, folcfee Setriebe niefet gu ftören, bie
für ben augmärtigen Serfefer arbeiten (g. S. ©mbaöage ber
Sutteroerfenbungen in ber 3afebinber- unb Slecfewaareninbuftrie).
Xfeeilweife gefcfeiefet bieg wofel audp, um bie Stjmpatfeie ber Sanb-
beoölferung nidfet gu oerfefeergen burefe Semicfetung ifereg ©fportg.
Sonft oerfeinbert ber Satriotigmug niefet, bafe in biefem Sruber-
friege bie Arbeiter Seiträge oon ben Arbeiterfcfeaften beg Aug-
lanbeg entgegennehmen, uno bafe bie Arbeitgeber oon ihren ffan-
binaoifefeen Kollegen unterftüfet werben unb auefe ifere beutfefeen
Kollegen aufgeforbert haben, feine bänifefeen auggefcfeloffenen Ar¬
beiter in Arbeit gu nefemen. 4 )
Db man in einer näheren 3 u ^nft einen Auggleitfe erreichen
wirb, ift fefewer gu fagen. Sorläufig finb bie Arbeitgeber fefer
friegerifefe unb bie Sefeörben paffio. S)ie Haltung ber Arbeiter
ift ruhig, befonnen, feft. fBie lange aber bieg bauern wirb, fann
man nid)t wiffen. S)ag gange ©yperiment ift jebenfallg ungemein
gefährlich, traurig für Stieben unb Söofelfafert beg ßanbeg im
Augenblicke —; wirb eg Srieben unb SSofelfafert in ber 3 u * un ft
oergröfeern ober oerringem?
Kopenhagen. — n.
$ie ^aupttierfammlung beg beutfefeen SerBanbeg faufmäuutfefeer
Sereine gu ©ifenaife» SDem Serbanbe gefeören jefet an 98 Sereine
mit 127 115 SJtitgliebern. Son biefen finb 24 832 Sßringipale,
95 528 ©efeülfen, 4893 Seferlinge unb 1862 föicfetfaufleute. S)en
erften ©egenftanb ber £agegorbnung bilbete ber ©ntwurf einer
SRooelle gur ©ewerbeorbnung, betreffenb bie Regelung ber Arbeitg-
oerfeältniffe, ben gefunbfeeitlichen Scfeufe ber Angeftellten, fowie bie
Sortbilbung ber ßeferlinge unb jugenblicfeen ©efeülfen im §anbelg-
gewerbe. SÜacfe ber 00 m Referenten beantragten Sefolution begrüfet eg
ber Serbanb faufmännifefeer Sereine mit Stuben, bafe in ber Wooette
gur ©ewerbeorbnung drittel gur Sefeitiaung ber übermäfeigen Arbeitg-
geit unb anberer auf bie ©efunbfeeit uno Seiftuiiggfäfeigfeit ber §anb-
lungggefeülfen f cfeäblicfe wirfenber Uebelftänbe in Sabengefcfeäften ge¬
boten werben, betont aber namentlich, bafe er eg naefe wie oor für un-
bebingt notfewenbig feält, für bag ganje S)eutf^e Sffeicfe einen
allgemeinen Sabenfcfelufe um fpätefteng 8 Ufer Abenbg,
mit Augnafeme ber Abenbe oor Sonn» unb geiertagen, gefefelitfe
anguorbnen. ©in 3ufafeantraa, für ben Satt ber Ablehnung beg
gefefelicfeen ßabenfcfeluffeg beffen ©infüferung burch bie ©emeinbe*
befeörben auf Antrag ber Sleferfeeit ber betfeeiligten ßabenbefifeer
im ©efefee oorgufefeen, würbe mit 62 gegen 41 Stimmen ange-
8 ) 3« ben 40 000 Arbeitern gehören wofel minbeftenS 100 000 grauen
unb Kinber, fo bafe in allem 6% ber bänifdjen Seoölferung bireft be¬
troffen finb, aber feunbertaufenb anbere werben inbireft in Sfitleiben»
fefeaft gegogen unb im gangen ^anbe wirb bie Kataftropfee auf bag ge¬
lammte ©rwerbgleben läfemenb einwirfen.
*) Sie Arbeiter oergeffen natürlich niefet barait gu erinnern, bafe eg
Jefet bie Arbeitgeber finb, bie „international" unb „oaterlanbvlof^ auf¬
treten unb fiefe mit beutfefeen Arbeitgebern oerbinben, bamit biefe
bänifefee Arbeiter augweifen follen 2 c.
1007
©ogiale $raji$. ©entralBlatt für Sogialpolittf. Nr. 37.
1008
nommen, nad)bem barauf hingeroiefen roorben roar, baß 134 000
ber in ßabengefd)äften AngefteÜten unter 20 3 aßre alt feien. —
gür bie ©rrtchtung non ©djiebSgerieten gur ©djlidjtung oon
©treitigfeiten aus bem faufmännifdjen AnftettungSoerhältniß, bie
nad) ber Slnfic^t ber 9J2ehrheit ber ®elegirten ait bie orbentlidjen
©ericßte angugliebern feien, rourbe bie Befeßung burdj einen
Suriften nnb minbeftenS einen Bringipal unb einen ©ehülfen fo*
roie ein möglicßft befchleunigteS unb billiget Berfahren geforbert.
— Hinfichtlid) ber Unterftüßung bei ©tellenlofigfeit erachtet ber
Berbanb eine geregelte Unierftüßung bei uuoerfd)uIbeter ©teilen*
lofigfeit für bringenb notbroenbig unb auch nad) ben in Württemberg
emacßten (Erfahrungen ohne erhebliche St'ojten für erreichbar. — 3n
em Referate über bie BerufSgählung mürbe für bie nächfte BoIfS*
gäßlung im 3 ahre 1900 eine Arbeitslofengählung geforbert, bei ber
baS faufmännifdje Berfonal oon bem lanbroirthfchaftlichen unb bem
Snbuftrieperfonal getrennt aufguführen fei. — 3 m 3 ufammenhana
mit ber Befreiung ber HanblungSgehüIfen oom Sn.oaliben* uno
AlterSoerfid)erungSgroang mürbe eine befonbere BerficherungSanftalt
für biefen Beruf oerlangt. — Unter Berroeifung auf bie (Eingaben
an bas NeidjSamt beS Snnern oon 1895 unb 1897 roirb bie
Nothroenbigfeit größerer ©inheitlichfeit in ber Ausführung ber
gefeßlichen Beftimmungen über bie Sonntagsruhe im HanbelS*
geroerbe mit tijunfichfter Berringerung ber guläffigen Ausnahmen
unb Befchränfung ber ©onntagSarbeit auf bie BormittagSftunben
bargelegt. Weitergehenb mürbe ein Antrag angenommen, roonach
bie ©onntagSarbeit nach 10 Uhr BormittagS gefeßlich oerboten
roerben fofl.
Die ©tnridjtirag eine# ttrteiter*&efretariat3 für Hamburg ift in
einer Berfamntlung ber Delegirten gum ©eroerffchaftSfarteH unb ber
©emerffchaftSoorftanbe befdjloffen morben. Der Borfchlag ber Kartell*
fommiifton ging baß in, oorläufig gmei ©efretäre, einen Bnreauoorfteher
unb einen Bureaugeljülfcn angufteflen unb bie Benußung be# @efre=
tariats nur ben S&ttgliebern ber bem Kartell angefdjloffenen ©einer!»
fchaften gu geflohen. Die Dßätigfeit be# ©efretarichs füll fid) erftreden
auf: Arbeiterfcbußgefeßgebung, llnfaüüerfuherung, gnnaltbitäts» unb
AlterSoerfirfjerung, Ausarbeitung oon ©utathten fomie ©djaffung oon
SKaterial, ©tatiftif u. f. m. liefen Borfcßlägen tourbe gugeftimmt.
Der Streif ber Sriutter DegtUarbeiter ift nun entließ in baS
©tabium ber Bcrhanblungen getreten. Stuf Beranlaffung be#
£>ber*©eroerbe*3nfpeftorS hat im Beifein beS Bürgermeister# unb
be# BegirfShauptmannS oon Brünn oorläufig eine unoerbinbliche
Befpred)itng groifchen ben Unternehmern unb bem ©treiffomite
ftattgefunben. Da bie Unternehmer glaubten, bie Arbeiter mürben
mit Beginn biefer Woche „mürbe" fein, beantragte ber ©efretär
ber ©eroerffchaftsfommiffton, §ueber*Wien, bie meitere Befprechung
auf oiergehn Dage gu oertagen. ©S rourbe inbeffen bem Ober*
©eroerbc*3nfpeftor überlaffen, fchon im Caufe biefer Woche gu
einer gortfeßung ber Befprechung eingutaben. Anfdjeinenb ift bie
Unterftüßung ber ©treifenben noch auf Wochen hmauS gefiebert.
Die „Wiener Arbeitergtg." ift fehr fiegesberoußt unb erflärt, baß
ber 3^^ftunbentag in Brünn eine unoermeiblithe 3:hatfache ge*
morben fei.
ftahrcSberidjt ber £effclmacher»Drabe*ttm 0 n. Der 46. 3ahre#*
bericht ber Boiler Makers and Iron Shipbuilders’ Union, einer ber
mächtigften ©emerffchaften, meift einen SJUtglieberbeftanb oon
44 000 unb ein Bermögen oon runb 5 Bttllionen Ntarf'auf. Die
©efammteinnahme in 1898 belief fid) auf faft 3 Ntillionen SJtarf,
bie Ausgaben betrugen etroa 2 BtiKionen. 3nt Saufe oon
32 Sahren hol bie ©eroerffeßaft für Unterftüßungen aller Art
30 Btiüionen SJtarf auSgegeben, für ArbeitSfämpfe nur 2 Btiüionen.
Der Beridjt ift ber lebte, ben ber langjährige ©eneralfefretär be#
BerbanbeS, |>err Robert Slnight, geichnet, ba er roegen feines oor*
gerürften Alters feinen ^ofteit nieberlegt. ©S ift in hohem Wafee
begcichnenb für bie ?lnfd)auungen, bie in ©nglanb fjerrfc^en, roenn
bei biefem ?lnlafe baS befannte Unternehmerblatt ^Engineering 44
bcu 3‘ührer ber Ateffelmad)er*3:rabe*Union mit ben Worten begrübt,
er habe feine $hatfraft in mürbigfter Weife feiner Aufgabe ge*
mibmet unb rcenige Btänner oerbienten beffereS Sob als er. 2lucf)
ber Wirffamfeit beS ©eroerfoereinS felbft roirb oon bem Blatte bie
ooUfte Hnerfennung gefpenbet.
3Ubeit*rfd)u|.
2)ie ©etoerbe-Snfpeftiim in Oefterreich.
^er eben erfthienene „Bericht ber ©eroerbe*3afpeUoren über
ihre Slmtsthätipfeit im 3af)re 1898", ber roie alljährlich ba#
malhoollfte fogiatpolitifdje Hi'atcrial bietet, morüber mir in Ccfter*
reich oerfügen, geigt oor SlÜem, bafe trofc ber forhoährenben Ber*
mehrung baS SafpeftionSperfonal noch nicht auf bie genügenbe
§öf)e gebracht ift, um ben ftetig roadjfenben Hnfpriithen gerecht
merben gu fönnen. $)ie Snfpeftoren roerben jebeS Saht mehr
burd) fommiffionelle Berhanblungen, burch ben Berfehr mit Be*
hörben unb erfreulicherroeife auch , mit ben Unternehmern itnb Sir*
beitem in Slnfpruch genommen, fo bafe bie eigentliche SluffichtS*
tjjätigfeit barunter leibet. ©S ift baher mit Bebauern gu fonfta*
tiren, bafj bie 3aht ^cr im Berichtsjahre oorgenommenen Snfpef*
tionen unb Beoiftonen oon geroerblichen Betrieben gegenüber bem
Borjahre gurüefgegangen ift; namentlich fcheint ber fo roerthooÖen
Befid)tigung fleingeroerblicher Betriebe eine roefentlich geringere
Slufmerffamfeit gefchenft roorben gu fein als bieS in ben lebten
Salden ber gaQ toar. Bei ben oerhältnifemähig geringen Stoffen,
bie eine entfprechenbe Bergröfeerung beS ©eroerbe * Snfpeftions*
perfonals oerurfadjen roürbe, lie^e ficfj boch erroarten, ba& bem
Uebel halb griinblid) abgeholfen roirb. Wirb ber ©chroerpunft
ber ©eroerbe» 3 nfpeftion in Slfienarbeit unb Slmtlidje# oerlegt, fo
raubt man ber gangen ©inrichtung ihren urfprünglichcn ©h ara ft er -
3m einleitenben allgemeinen Berichte roirb bie relatio geringe
3ahl neu entftanbener Betriebe h^roorgehoben. $>iefe ©rfcheinung
entfpricht ber ungünftigen £age ber Snbufirie in Defterreich, bie
naturgemäß auch auf bie fiage ber arbeitenben klaffen eine em*
pfinbliche Bücfroirfung auSübt. Namentlich tritt bieS in ber Slb*
geneigtheit ber Unternehmer gegen technifche unb hpgienifche Ber*
befferungen ihrer Betriebe gu £aae. S)aß bemgemäß begüglich ber
Befdjaffenheit ber Slrbeits* unb Wohnftätten bie Klagen ber 3m
fpeftionSorgane fich nicht geminbert haben, ift begreiflid). SBie in
früheren 3af)ren liefert auch bieSmal baS SHeingeroerbe ben
meiften ©toff gu Befchroerben. 3)er Borfchlag beS ©rager ©c*
roerbe * 3nfpeftorS, ben Stleingeroerbetreibenben ftaatliche Begün*
ftiaungen bei ber ©teuerleifhing gu geroähren, falls fie ihre mangcl*
haften BetriebSftätten entfprechenb umgeftalten, bürfte faum auf
fruchtbaren Boben fallen; baS Slleingeroerbe hat nicht bie SRittel
gu relatio foftfpieligen Slnlagen.
SDie roachfenbe 3.ahl ber Unfälle, oon roelchen bie Berichte
Ntittheilung machen, ift roohl gumeift barauf gurüefguführen, baf>
ber Angeigepflicht geroiffenhafter nadfigefommen roirb ate früher.
2)och roirb auch barüber Silage geführt, baß bie Öottfdjritte aui
bem ©ebiete ber UnfaHoerßütung recht geringfügige finb, unb baß
biefer ßrage in ben betheiligten Streifen noch immer nicht ic neS
Sntereffe entgegengebracht roirb, baS man Slngefidjt# ihrer Wichtig*
feit gu erroarten berechtigt roäre.
Ueber bie 2lrbeiteroerficherung roirb mitgetheilt, baß (ie im
SUIgemeinen in befriebigenber Weife funftionirt. 3)ie meiften
Silagen fcheinen baS geringe Ausmaß ber Stranfenunterftüßung unb
ber Unfaüentfchäbigungen gu betreffen, ©roßen ©chroicrigfeiten
begegnet bie Regelung ber ^ranfenoerfid)erung ber Heimarbeiter,
bie h^nte noch gum größten Steile jeber Berfi^erung entbehren.
©in ungünftigeS Sicht auf bas fogialpoliiifche Bcrftäubniß unb
bie Durchführung ber 2 lrbeiterfd)ußgefeße roirft bie Dhatfache, baß
bie 3 ahl ber gefeßroibrig befchäftigten jugenblichen Arbeiter unb
grauen, bie in ben infpigirten Betrieben oorgefunben rourben, eine
roefentliche Steigerung (1326 gegen 987) gegenüber bem Borjahre
aufroeift. Diefer Umftanb erfdjeint befonber# geeignet, bie ©in*
gangS betonte Wichtigfeit ber eigentlichen SnfpeftionSthätigfeit ber
©eroerbe* 3 nfpeftoren gu betätigen.
Die roie attjahrlid) gleichzeitig mit ber BetriebSreoifion uor*
enommene ©rhebung über bie SlrbeüSgeit ergab, baß in 41, S <V 0
er befuchten 4726 fabrifSmäßigen Betriebe 11 ©tunben täglidj ge=
arbeitet rourbe, roährenb in 2203 Unternehmungen ober 46, r , o o
roeniger als 11 ©tunben gearbeitet rourbe; in acht Betrieben
( 0,2 c /o) mar achtftünbige SlrbeitSgeit, in fecßS Betrieben ( 0 ,i o. 0 )
rourbe 8 V 2 Stunben unb in 202 gabrifen (4 , 2 %) 9 ©hinten ge*
arbeitet; 183 Betriebe ( 3 , 9 %) hatten eine 9 l / 2 ftünbige, 1017
(21,:,%) eine gehnftünbige unb 787 (16, 7 %) eine 10 l / 2 ftünbige
ArbeitSgeit. 3n 546 Betrieben (11, 6 %) betrug bie SlrbeitSgeit
mehr als 11 ©tunben, unb groar roar in 456 Betrieben eine
IIV 2 ftünbige unb in 90 Betrieben eine groölfftünbige Arbeitszeit
cingeführt. Ueber 11 ©tunben roirb faft auSfd)licßlid) in ber Nah 5
rungSmittelinbuftrie unb Unternehmungen mit ununterbrochenem
Betriebe gearbeitet. Hinfidjtlid) ber Dauer ber Arbeitszeit in ben
eingclnen gnbuftriegroeigen oerbient h^roorgehoben gu roerben, baß
in fämmtlid)cn befuchten Betrieben ber graphifchen ©eroerbe bie
Arbeitszeit roeniger als 11 ©tunben betrug unb baß in ben folgen»
ben ©ciocrbeflaffen eine fürgere als bie elfftünbige ArbeitSgeit über»
roog: in ber Btafchineninbuftrie (85,2 % aller befuchten Betriebe
biefer gnbuftrie), in ber BefleibungSinbuftrie (69,i o/ 0 )^ i n ber
1009
©oktale $rajt$. ©entralblatt für ©ojialpotitil. SRr. 87.
1010
SRetattoerarbeitung (66 /4 o/o), in ber chemifchen Snbuftric (52, 3 o/ 0 )
unb in ber feramifchen Snbufirie (50,4 %)• Tem entgegen würben
in ber Sßapierinbuftrie nur 34,2 °/o, in ber Xejtilinbuftrie nur 27 ,r 0 / 0
unb in ber RahrungSmittelinbuftrie nur 19,i o/g ber befugten Be*
triebe oorgefunben, bie eine fördere als bie etfftiinbige Arbeitszeit
Ratten. , Eine Berfürzung ber Slrbeit^eit ift im Berichtsjahre in
ber Siegel nur oon ben Untemebmern in £inficht auf bie ©e*
fc^äft0l5figfeit zeitweilig oerfügt worben.
Silit einer einzigen Ausnahme liegen baher auch feine neuen
SBabrnebmungen über bas Berhältnifc zmifchen Arbeitszeit unb
Arbeitsteilung oor; btofc ber Reichenberger ©ewerbe* Snfpeftor
melbet: „gn einer Baumwollspinnerei unb mechanifchen Weberei,
weldbe baS ganze Qahr regelmä|ig mit 10 ©tunben gearbeitet hat,
ergab bie Nachfrage, ba§ bezüglich ber Baumwollspinnerei oon
einer nennenswerten Beränberung ber pro Arbeitsftunbe erzeugten
SJlenge nicht gefprochen werben fann. T)ie Berfürzung ber ArbeitS*
Zeit ftnbet alfo ihren AuSbrucf in ber Berminberung ber erzeugten
©aarenmenge. dagegen b a t in ber mechanifchen Weberei eine
Bermehrung ber Arbeitsteilung pro ArbeitSftunbe fiattgefunben."
Befonbere Erhebungen würben im SBeod^töiabre über bie
Arbeitszeit ber 5teff eibener fowie ber Shitfcher unb Auf (aber im
©pebitionSgewerbe gepflogen, fieiber ift baS einfdjlägige SHateriat
nicht ooraelegt. Tie Arbeitszeit fcfjeint bei biefen wie bei jenen
abnorm poch ja fein, bei ben Steffelheizern 11 bis 12 1 /2 ©tunben,
bei ben ©pebitionSarbeitern 11% bis 13% unb währenb mehrerer
Sllonate fogar 14 bis 15 ©tunben unb mehr. ES wirb oorge*
fcf)Iagen, bie Söaarenabbolung möge oon ©eiten ber ©pebitionS*
gefcbäfte in gleicher SBeife geregelt werben, wie bie grasten*
annabme bei ben Eifenbahnen.
Tie Einführung oon Arbeiteröerzeichniffen fowie bie Skr*
breitung ber ArbeitSorbnung, wie namentlich bie Aufteilung ge*
meinfamer ArbeitSorbnungen für ganze ©ewerbegruppen, ift in
fteter 3unahme begriffen, hingegen wirb ber Einrichtung oon
ArbeiterauSfchüffen nod) immer fehr wenig Beachtung gefchenft.
Tie 3 a hl kr zur £enntni& ber ©ewerbe*gnfpeftoren gelangten
Arbeitseinteilungen weift eine neuerliche Abnahme auf; fie betrug
1896: 228, 1897: 178 unb 1898: 169. Tie SRehrzahl fdfjeint,
nach bm Einzelberichten zu fc^Iiefeen, auch für bie Arbeiter un*
günftig abgelaufen zu fein.
SSien. Dr. Emil Soew.
Ter Arbetterfdjnh unb feine Entwicfelnng im 19. galjrhmtbert.
Unter biefem S^itel ift oon bem burch fein f>anbbuch beS gewerb*
liehen Arbeiterfd)ufceS befannten RegierungSrath ©eorg Eoert eine
furze Tarftettung ber gefcf)ichtlichen Entmicfelung unb beS gegen*
roärtigen ©tanbcS ber Arbeiterfchufc* unb gürforge*©efefcgebung
erfchienen, *) baS in feiner fnappen Raffung eine fehr itüpUche
unb praftifefje ©arftellung beS reichhaltigen ©toffeS giebt. Teutfd)*
tanb, 0efterreich*Ungarn, ©ro&britannien, ©chweiz unb granfreidj
werben, ber Bebeutung ber ©ache gernä^, etwas eingehenber behanbelt,
Skigien, Rieberlanbe, bie ffanbinaoifchen ßänber, Italien, Rufelanb,
bereinigte ©taaten fürzer. geber Abfchnitt wirb burdf) eine ge*
brängte hiftorifche Ueberficht eingeleitet, bann folgt eine bei aller
Knappheit hoch baS SBefentlidje bringenbe Darlegung ber gegen*
wärtig in $raft beftehenben ©efefee unb Berorbnungen zum ©chufc
ber Arbeiter unb zu ihrer gürforge (Berftcherung). Eine werth*
ootte Beigabe ift eine fpnoptifche Ueberficht biefer Beftimmungen
unb Borfchriften für bie wichtigen Mturlänber. Turd) freuub*
licheS Entgegenfommen beS Herrn BerfafferS unb beS Berlages
finb wir in ben ©tanb gefefct, unfern liefern biefe fpnoptifche Tar*
ftettung als Skilage ber heutigen Rümmer ber „©ozialen $rayis"
ZU übergeben. ©ie ermöglicht eine rafdje unb zuu«rläffige
Drientirung in biefen fragen unb wirb ftef) baher ihren Befipern
oon bauernbem Rufcen erweifen.
AuS bem ftaljreSberidt beS gabrifinfpeftorS für SBetmar. An ben
Reuifionen in 59 Anlagen, bie Arbeiterinnen befrf)äftigen, betheiligten
[ich bie frfjon im oortgen 3af)re angefteötcn zwei Ajfiftentinnen. 2rop
ber überall wieberholten Erfunbigungen unb ber pcrfönlicfjcn Beziehungen
beiber, bie unter ben älteren Arbeiterinnen mehrfach Bcfannte trafen,
mürben ihnen nur in brei fällen SRittheilungcn über SEifeftäube ge*
macht. — Tern gabrifinfpeftor gingen im ©aitzen wenige (nur 6) 3Rit=
theilungen über Uebelftänbc unb ©ciehwibrigfeitcn roit ArbeiterauS*
fdjüffen, Startell=©ewerffajafteoerbänben, Arbeitern unb ftranfenfaffen*
oorftänben zu- ^er SRangel an Arbcitsfräften, bie fteigenbeu Söhne, oor
i^üem aber eine in Etfcnach unb llmgcgenb ftattgefunbene Arbeite*
einfteHung fämmtlicher Bauhanbwerfer unb Arbeiter hatte zeitroeife,
auch iu ben ^abrifen, eine nicht zu oerfennenbe Erregtheit oerurfacht.
*) Earl $ci)iuauus Bcrlag, Berlin.
©eitere Arbeitseinteilungen famen niefit oor, ba bie Arbeitgeber bas
gegenteilige, frteblidje Berhältnig burch Sohnerhöhungen (tn einzelnen
gäHen bis zu 10%) aufrecht zu erhalten fuchten. Sn einer groben
optifchen Anftalt (3cib Ä 3cna) mürbe ber gefammten Arbeiterfchaft am
Schluffe beS Jahres ein ©eroinnantheil oon 9% beS Sohnes gewährt,
in einer ©laShüttc erhielten fämmtliche Arbeiter ben Sohn oon fünf
©ochen als ©eihnachtsgefchenf. Sine Sementfabrif gemährte megen
ber ©teigerung ber Brotpreife eine ^heuerungszulage (bis z u 3
möchentlich für bie gamilie). Sine Buchbrucferet führte ^noaliben*
renten unb ^interbliebenenunterftühung burch einen Nachtrag zur Ar*
beitSorbnung ein. Sine SRetallmaarenfabrif gemährte ihren älteren
Arbeitern Baubarlehen. — $ie 3«ht öer im AuffichtSbezirf befchäftigten
Arbeiter ift oon 16 684 auf 18 409 geftiegen. — Berfehlungen gegen
bie Arbeiterfchupbeftimmungen waren oerhältuibmäbig feiten, ©egen
Ueberftunben zeigten fomohl bie Unternehmer, als bie Arbeiter eine zu*
nehmenbe Abneigung. 2>ie ©efunbheitSoerhältuiffe finb mit Ausnahme
ber in Bleiweifaabrifen befchäftigten Arbeiter gi'tnftige unb ermöglichten
es zahlreichen Traufen taffen, bei niebrigen Beiträgen ihre Seiftungen
über bie gefc&lidjen BUnbeftleiftungen zu erhöhen. Auch bie ©ohnungS*
oerhältniffe roerben im Allgemeinen als günftig bezeichnet, nur fei in
einigen ©emeinbeit zufolge ber SReuanlage groper gabrifen eine Sr*
höhung ber Btiethpreife eingetreten. ^aS ftttliche Berhalten ber Ar*
beiter ift ein lobenswertes.
ICrbeUeroerltdjcrnng. Sparbafftn.
Bnm franzöftfehett UnfaUPerftchernngSgefe^ Pom 9. April 1898,
welches trofc beS lebhaften SBiberftanbeS ber Snbuftriellen fpäteftenS
mit bem 1. 3uli 1899 in £raft treten foll, ift foeben oon SÄaurice
BeUom ein hanblicher Kommentar ] ) erfchienen, ber wieber bie
arofce ©orgfalt beS BerfafferS bei Behanblung fo fcfjwteriger
URaterien h^roortreten läfet. ’&er Kommentar zerfällt in z roe i
£f>eile; ber erfte (©. 8—44) giebt einen furzen Bücfblicf auf bie
unbefriebigenbe Rechtslage oor bem UnfaUoerftcherungSgefefc unb
bie oergeblichen Berfuche, bie fchmebenbe Srage auf bem Boben
beS gemeinen Rechts zu löfen; ber ztoeite bietet einen lleberbliif
über bie zahlreichen Borentmürfe (©. 47—88) unb ben Inhalt beS
gegenwärtigen UnfattoerftchernngSgefeheS 00 m 9. April 1898
(©. 89—318); ber Anhang enthält ben £ejt beS ©efepeS unb ber
Zur Ausführung ber Ariifel 26—28 beS ©efejjeS erlaffenen betrete
00 m 28. gebruar unb 5. 9Rärz 1899 unb ber SRinifterialoerorö*
nung 00 m 1.3Rärz 1899, betreffenb bie Einfe^ung eines BerficherungS*
beirathS bei bem mit ber Ausführung beS ©efefceS betrauten
§anbelsminifter.
2)aS Enbergebnife ber fajft 20 jährigen Boroerhanblungen ftellt
fich als ein ilompromife groifd^en ©enat unb $>eputirtenfammcr
bar, oon benen ber erftere Iebiglich ein erweitertes §aftpfli<htgefefo,
bie le^tere aber eine offentlich*re$tlidje 3u)angSoerficherung anftrebte;
man oereinigte fich fchliejjlüh auf bie fogenannte %f)tovk beS
risque profesbionnel, wonach 1. bie Arbeiter grunbfäplich für
alle (nicht felbftoerfchulbeten) Betriebsunfälle oon ben Unter*
nehmern zu entfehäbigen finb, 2. biefe Entfd)äbigungen nach gefefc*
lieh feftgelegten ^JurchfchnittSfähen zu gewähren finb, 3. bas
^rozefeoerfahren zu oereinfachen unb 4. entfprechenbe ©icher*
heit für bie Entfchäbigungen zu bieten ift.
3n Ermangelung einer obligatorifchen ^ranfenoerficherung
fonnte ber ©efepgeber bie leichteren Unfälle (mit oorübergehenben
golgen) oon ber Unfattoerfichernng nicht auSfchliefcen, fo bafe an
©teile ber fogenannten ©artezeit oon breizehn Wochen in ^)eutfch*
lanb unb oier ©ochett in Defteireich, mährenb welcher 3ßH ^ort bie
Sfranfenfaffen eintreten, eine grift oon oier Sagen feftgefefct worben
ift unb bie UnfaHentfchäbigungen erft mit bem fünften Sage nach
bem Unfall beginnen.
Bei oorfäfclicher Herbeiführung beS Unfalls, fei eS burch
ben Arbeiter ober ben Unternehmer, ift bie Rechtslage bie gleiche
wie in 25eutf<f)lanb, b. h- im erfteren gaE oertiert ber Arbeiter
feinen EntfchäbigungSanfpruch, im le^teren gatt behält er feinen
ootten EntfchäbigungSanfpruch nach gemeinem Recht; bagegen
weicht bei grobem Berfchulben (faute inexcusahle) beS Arbeiters
ober Unternehmers baS franzöfifche ©efep bahin ab, ba& im
erfteren gatt bie Unfattrente beS Arbeiters h^rabgefefet, im anberen
galt erhöht werben barf.
£>ie gefepliche Unfallentfchäbiaung gewährt neben ben
Soften beS H e il üer fahrenS (nach ber URebizinaltaye) unb einem
BeerbigungSbeitrag (bis 100 grcS.) Tagegelber bei oorüber*
A ) De la responsabilite en matiere d’accidents du travail, Coramen-
taire de la loi du 9 Avril 1898 et des deerets du 28 Fevrier 1899
portant regiement d’administration publique pour l’executiou de cette loi
par Maurice Bellom, Ingenieur au Corps des Miues, Paris 1899.
1011
Soziale $ra£iö. Eentralblatt für Sozialpolitik Rr. 37.
1012
gehenber unb Renten bet bauernber ErwerbSunfähigfeit ober
töbtlidfjem AuSgange beS UnfaßS, welcheSoßungen nach äljn*
lidjen ©runbfäben wie im beutRhen Sfranfen* unb Unfaßoerffd)erungS*
aefeR abgemeffcn finb. $)er Befürchtung, baR bie ben Unternehmern
bet töbtlichen Unfällen auferlegten Samilienrenten bie Unternehmer
oeranlaffen fönnten, lieber unoerReirathete Arbeiter eingufteEen,
wirb oom Berfaffer u. A. bamit begegnet, baR bie bezügliche Be*
laftung nur auf 0 , 63 % ber Arbeitslöhne au fcfjäfeen unb bem*
gemäR faunt eine folcRe Einwirfung ju befürchten fei. 2 ) Ab«»
roeichenb oom beutfchen UnfaßüerRdjerungSgefeR wirb eine Ab*
finbung in Kapital geftattet, bei Renten unter 100 5rcS. allgemein,
im Uebrigen bis ju x /4 beS RentenbecfungSfapitalS.
Bon ben für bie erften 30, 60 ober 90 Xage zu Ieiftenben
Unfaßentfcfjäbigungen oorübergehenber Art (Sfranfheitsfoften unb
itanfengelber) fönnen ficR bie Unternehmer befreien, roenn fie nach*
roeifen, baR ihre Arbeiter bei einer S'ranfenfaffe entfpredjenb oer*
fichert finb unb fie (bie Unternehmer) minbeftenS Vs 3 U ben bezüg*
liehen Saften beifteuern.
Um fid) gegen bie Rentenzahlungen zu beefen, h fl ben fie bie
SBahl z^iWen ber Berficherung bei einer $rioatgefeHfd)aft (bezro.
bei ber burd) ©efeR oom 11. Quli 1868 eingeführten, aber bisher
ganz roirfungSloS gebliebenen ftaatlidjen UnfaßoerRcherungSfaffe) 3 )
unb bem Beitritt z n einem ©egenfcitigfeitSoerbanbe (syndicat de
garantie). Brioatgefeßfchaften, 4 ) roelche bie Berficherung nach bem
UnfafloerficherungSgefeR übernehmen wollen, müffen fid) beftimmten
Borfchriften mit Bezug auf $autionSleiftung, ^apitalbecfung, ge*
trennte ©efdjäftsführung unb jährliche Rechnungslegung unter*
werfen; bie ©egenfeitigfeitSoerbänbe mit Solibarhaft für bie SJttt*
glieber müffen minbeftenS 5000 oerficherte Arbeiter unb 10 Be*
triebSunternehmer (barunter wenigftenS 5 mit je 300 Arbeitern)
umfaffen unb unterliegen im Uebrigen ber gleichen ftaatlichen Auf*
ficht. Unternehmer, welche feine berartige Berficherung genommen
haben, fönnen ftd) oon ben laufenben Rentenzahlungen burcR Ein*
Zahlung beS RentenbecfungSfapitalS bei ber ftaatlichen Alters*
rentenfaffe 3 ) befreien; fie finb hierzu oerpflichtet, wenn ber Betrieb
eingefteßt unb anberweite Sicherheit nicht geboten wirb.
Sür bas Entf(häbigungSfeftfeRungS*Berfahren finb nicht
wie in $)eutfd)lanb befonoere Snftanzen, fonbepn nur gewiffe (Er¬
leichterungen unb BereinfacRungen Des orbentlicRen $rozeR*
oerfahrenS oorgefehen. Ueber bie EntfcRäbigungen oorübergehenber
Art (Äranfheitsfoften unb Sfranfengelber) urfReilt ber QfriebenS*
richter beS UnfaßortS ab unb zwar enbgiiltig. Sür bie Renten*
entfehäbigungen ift bagegen ber Sßräfibent beS BeairfSgeridjtS zu*
ftänbig, welcher bie Betheiligten (Berechtigten uno BerpRichteten)
oorlabet unb im Saß ber Bercinbarung beiber bie EntfcRäbigung
feinerfeitS feftfeRt, anbernfafls aber bie Streitfache bem ©ericRtS*
hof überweift, ber im fummarifeben Berfahren entfcReibet, aucR ben
Unternehmer zu einer oorläuRgen, fofort oottftrecfbaren EntfcRäbi*
K l oerurtheilen fann. ©egen bas Urtheil beS BezirfSgeridjtS
beiben Teilen bie Berufung an bas JDbergeridjt unb gegen
beffen EntfcReibung noch ber RefurS an ben $affationsljof offen.
$)aS Berfahren erfter Qnftanz ift für ben Arbeiter foftenfrei; im
Uebrigen fann, wie fonft, oon Saß 8u Saß baS Armenrecht
bewilligt werben.
T)a ber oerunglüefte Arbeiter lebiglidj einen prioatrechtlichen
EntfcRäbigungSanfprucR gegen ben Betriebsunternehmer Rat, alfo
nicht wie in ®eut|d)lanb, wo bie BerufSgenoffeufchaften Präger
ber EntfcRäbigungSucrpflichtungen finb, gegen 3ablimgSunfähigfeit
beS ScRulbnerS gefiebert ift, fo ^at ber franzöfifcRe ©efeRgeber zum
Schuh ber EntfcRäbigungsbererfjtigten befoubere ©arantieeu oor*
gefeRen. Sür bie EntfcRäbigungen oorübergehenber Art ($ranf*
heitsfoften unb ^ranfengelber) erfebien bie Einräumung eines
9 ) Tie prtoaten llnfaßucrficberuugSgcfenfdjaften berethitcn bie
Prämien für ade Arbeiter offne Unterfrfneb beS gamiltenflanbeS unb
ber Rationalität zu glcitfjcn Säbelt. Auf ©runb ber bcutfdjen unb
öftcrrcidjifdjen llnfallftatiftif, lochte burdjfdjuittlid) auf 100 000 Betriebs*
Unfälle nur 2200 = 2,2% mit tobtlirfjem Aufgange aufweift, wirb bie
Erfpanmg, wehte Unternetmer burd) Einteilung lebiglid) liuoer*
beiratheter Arbeiter erzielen würben, auf nur 20 ^-rcS. pro 10 000 Jyrcs.
Völjue — 0,i* °/u oeraufdjlagt. Bgl. Bulletin du Comite permanent des
accidents du truvail et des assurances sociales, Paris, X e annee (1899)
p. 134 unb Bulletin de POfticc du travail, Paris 1899, Vl e annee p. 432.
3 ) Bgl. „Tie ArbcitcrucriicRcrung int Anslanb" oon Dr. ^adjer,
.Ju'ft IV ( A-ran freut) 3. 19/2K flg. unb Bellum 3. 232 flg.
4 ) Tie prtoaten Bcrjidjcruugsgcjellfrfjajtcn fahlen nach ber oon
Beflom (3. 182) mitgetlicilteu Statiftif burdffdinittüdj nur 37% ber
%ämieucinual)mcn aü Entfrfjäbigungen, aber 32% an Berwaltimgs*
lohen, arbeiten alfo breimal fo treuer als bie Sellfftuerwaltuitgsforpcr
ber bcutfdien Arbciteroerfidjerung.
gefehlidjen Borrechts am Bermögen beS SdjulbnerS wie bei
anberen prioilegirten 3fort*rungen auSreichenb. 3n ben übrigen
Säßen bagegen foß bei 3 a hf un 9 Sun W^9^ c ^ ^ eg ®<hulbnets bie
ftaatliche AUerS.rentenfaffe bie bezüglichen Zahlungen aus einem
bafür gefchaffenen ©arantiefonbs Ieiften unb fid) ihrerfeits an
ben Schulbner fallen; ber ©arantiefonbs wirb baburch gefchaffen,
baR bie gewerbefteuerpRichtigen Unternehmer einen Steuerschlag
oon 4%, bezrn. bie BergwerfsbeRRer eine Xaje oon 5 (EentS pro
^>eftar jährlich zu Z a ^ en h^en. —
2>er Kommentar wirb für Sebermann, ber Reh über bie lang*
wierige EntftehungSgeRhichte biefeS ©efefceS unb bie Bebeutung
feiner einzelnen Beftimmungen unterrichten wiß, ein ebenfo zuoer*
iäffiger als brauchbarer Süfwer fein.
Berlin. ©. 3u<her.
SfrbeitSnachtoetfe uttb BerpRegmigSftationen in $renRen. ^as
preuRifche AbgeorbnetenhauS oerhanbelte am 8. 3uni über ben
Antrag oon ^ßappenReim unb ©enoRen:
Tte StaatSregierung zu erfudjen, balbigft einen ©efeRentwurf, Be*
treffenb gürforge für Arbeitslofe oorzulegen, welcher auf ber ©runb*
läge a) ber Einführung oon ArbeitSnachweifeit für Arbeitslofe an Trten,
an benett ein BebürfniR befteht b) fowie ber Beftrafung beS BftRbraudjS
folcher Einrichtungen feitenS ber ArbeitSlofen, c) enblid) einer Bethcili=
gütig beS Staats, ber Benutzen unb ber Greife an ben ftoften biefer
Einrichtung, ben Bebenfen Rechnung trägt, welche f. 3* ber Berab*
fchiebung beS ©cfehentwurfS oon 1895 entgegenftanben.
3u bem ©runbgebanfen beS Antrages fteßte Reh bie Biehrheü
frennblich- Bon ber Regierung würbe erflärt, bie S* a 9 e ber Sur*
forge für Arbeitslofe fei ©egenftanb ber Erwägungen ber Regierung.
3u welchem Refultat biefe Erwägungen führen würben, fei no^
ungewiR; aber jebenfaßS fteRe bie Regierung ber Abficht, ben
wanbentben ArbeitSlofen Dbbadj z u gewähren, fpmpathifch gegen*
über. Aßerbingfc fei bie Berbinbung eines aßgemeinen ArbeitS*
nachweifeS mit Den BerpRegungSftationen nicht ohne Bebenfen. —
Blebrfad) würbe in ber Debatte bie Sorberung paritätifcher ArbeitS*
nachweife oertreten. 2>er Antrag würbe fchlieRlid) einer kommiffwn
überwiefen.
(Einheitliche bergleichenbe ©efchäftSRatiftif ber ArBeitönachtotife.
®ie öffentlichen ArbeitSoermittelungSfteßen ber Rhein* unb Btain*
gegenb, unb zujor zunädjft bie m T)armftabt, S^anffurt a/3R.,
©ieRen, Btainz, Offenbach, SBieSbaben, 28ormS unb bie Ratural*
oerpRegungSftationen S^ebberg, BuRbadh unb ©roR*^arben hu^en
Zur Erzielung einer einheitlichen ©efd)äftsftatiftif SageSauSweife
nach gleichem Schema oereinbart unb, begiitnenb mit April 1898,
regelmäRig monatliche Berichte an baS ftatiftifche Amt ber Stabt
Sranffurt a/SR. (fieiter Dr. Bleicher) gefanbt. $)er erfte QahreS*
bericht auf ©runb biefeS Stoffes giebt unb erläutert bie michtiaften
Ergebniffe biefer gemeinfamen, oergleichenben Statiftif, bie Bor*
merfungSfrift oariirt nod) z^if^en einer unb zioei SBochen. Qm
BerhältniR zur ©röRe ber Stabt ift bie SnanfpruchnaRme ber
öffentlichen ArbeitSnachweife in BMeSbaben am ftärfften, ooritehm*
lieh in Solge ber auSgebehnten ^hötigfeit ber weiblichen Ab*
theilung; oon geringem Umfange bagegen noch in Offenbach unb
©ieRen. 3u auen Stäbteu bleibt bie Rtelbung weiblicher ArbeitS*
fräfte hinter bem Steßenangebot zurück T)er hauptfächliche ©runb
bafür wirb in ber prioaten Bermittlerthäligfeit gefucRt, bie gleich*
Zeitig $oft nnb Sogis gewährt. Bei ben männlichen Arbeitskräften
überftieg, oon ©ieRen abgefeRen, baS Angebot bie Rachfrage. SDie
Rachfrage nach gelernten Arbeitern war grÖRer als bie nad)
ungelernten. S)ie Sluftuation beleuchtet bie folgenbe Statiftif.
Bon je:
granffurt BJicöbabeu Tarmftabt Offenbadj
KX) ArBeitfudrcnbcii waren
Zugereift.
10 () offenen Steßeit waren
auswärts.
100 befehlen Stellen treffen
auf jugereifte Arbeiter . 23, 2
100 lieferte StcKeu treffen
auf auswärt. Arbeitgeber 23, 0
29,!
35,3
20,7
49,7
26,7
15,4
10,3
23,2
50,3
(nur Tnänulid)c|
20,6
12,o
23,o
12,o
1,8
1,3
^ie weiteren Erhebungen erftreefen fi<h auf ben Beruf ber
Arbeiter — abgefehen oon ben Biaurern, finb es bie wichtigeren
Bau* nnb BcffcibungSgewerbe in aßen Stäbten, bie ben Rach*
weis am weiften in Aitfprudj genommen haben — unb auf bic
monatlichen Sdjwanfuugeu ber T()ätigfeit ber Aemter, gefonbert
1018
©ogiale $raji3. ©entralblatt für ©ogialpolittf. Nr. 87.
1014
nach berufen bcr Arbeitfucßer. 2Bäßrenb in granffurt a/SÖ?., SMeS*
Baben, SRaing unb Dffenbacß im Allgemeinen baS gange Saßr
ßinbureß bie Nachfrage naeß Arbeit großer ift als baS Angebot,
fo fmb in ©ortnS imb noeß ausgeprägter in $)armftabt roäßrenb
ber ©otnmermonate meßr Arbeiter gefueßt, als fief) anbieten, unb in
©ießen trifft bieS Serßältniß, abgelegen oon $)egentber unb Januar,
immer gu. SBie roeit an biefer .Sßatfacße für ©armftabt bie ©en*
tralifation ber ArbeitSoermittelung eines großen SfßeileS ber $ro*
otng ©tarfenburg bur<ß bie ©entralahftalt für ArbeitS* unb Stoß*
ttunqSnacßroeiS in $>armftabt unb ißre Filialen betßeiligt ift, läßt
ber Sericßt nur oermutßen. ©r geigt, baß ßier ein feßöner Anfang
gur Crganiftrung ber ArbeitSoermittelung oon ber ©tabt nach ber
Ümgegenb gemalt ift.: -
ttotjmntg^rorjtn.
©erarimtüt?tge ©augefrllfcßöft in ©trnßbnrg. ©S mirb uns
aefeßrteben: Qn ©traßburg im ©Ifaß ift auf Anregung ber
feobnungSfommiffion ein aus 16 Herren ber oerfeßiebertften 93c*
rufsgruppen unb ^arteirießtungen BeftebenbeS Kotnite gufammen*
getreten groeefs ©rünbung einer „©emeinnüfcigen Saugefeflfcßaft
©traßburg, ©ingetragene Senoffenfcßaft mit befdjränfter Raffung".
®ie neue ©enoffenfdjaft miß ,,burcß ©rridjtung neuer ©äufer, fo*
mie bureb ©rmerb ober ©rmietbung unb Umbau alter
©ebäube gefunbe unb billige Stoßnungen für minber bemittelte
Familien, oornebmlidß aus Arbeiterfreifen, auch für Nicßimitglieber
ber ©enoffenfdßaft" befeßaffen. $ie ©äße beS ©enofienfcßafiS*
antbeils ift auf 200 c ,1t, ber ©öcßftbetrag ber einem ©enoffen gu*
gänglidjen Antbeile auf 100 feftgefeßt. $aS Komite b Q t ficb an
ben ©emeinberatb ber ©tabt ©traßburg getoanbt mit ber Sitte,
einmal beit ©enoffen eine SHoibenbe oon 3 o/o gu oerbürgen unb
meiter einen regelmäßigen Setrag in ben ©emeinbebauSbalt ein*
gufeßen, um ber ©cnoffeitfcßaft ein energifcßeS Sorgeßen in Nicßtung
einer ©anirung ber engbebauten Siertel ber Altftabt gu crmöglicben.
SDie ©tabtoerioaltung bat gu ben Anträgen eine freuitblicße ©tellung
eingenommen, ©timmt auch ber ©emeinberatb ißnen gu, fo ift
ein oerßeißungSoofler unb au<b für anberc ©täbte nacßabmenS*
roertber ©cßriti gur Üöfung ber für ©traßburg BefonberS fcßTüierig
gelagerten StoßnungSfrage getban. ©öffentlich läßt nun au<b ein
brauchbares ©nteignungSgejeß meßt allgü lange mehr auf ficb
märten!
ArbeitcrtoobmmgSujcfcn auf ber ^arlfet Aueftetfung ®ie
oereiniaten belgifcben ©efeHfdjaften für ArbeiterrooßnungSroefen
haben oefdjloffen, fteß an ber Sßarifer SkltauSftellung oon 1900 in
ber SBeife gu betbeiligen, baß fxe bafelbft eine ©traße mit gehrt
Käufern errieten, roelcbe bie oerfebiebenen Stobelle in genauer
©röße unb Ausführung gur 2)arfteflung bringen, nach benen bie
©efellf(haften in ben leßten Otoßren in Selgien bie ArBeiterbäufer an*
gelegt haben. Solls bie Mittel auSreicßen, miß man als ©egenftücf
auch alte ArBeiterbäufer mit aßen ihren bpgienifcßen unb praftiftben
Stängeln errieten, barnit ber Sefucßer Dergleichen fann. 2)aS
Xerrain für biefe Arbeiterftraße mirb gratis geliefert. 3>aS Komite
ber ißartfer AuSfteßung bat ©dritte getban, um bie entfpreeßenben
frangöftfeßen Sereine gu einer Nachahmung beS belgifcben Seifpiels
gu ermutigen.
©rwcrbegeriifytc. (Eiuigungsärater. ödjlebssrjcrfdjtc.
flicaftattffraii über bie (Stefcßäftifißnma ber ©etoerbegerüßte
in Preußen. ©in getneinfamer ©rlaß beS SänifterS beS Snnern
unb beS ©anbelSntimfferS roeift barauf bin, baß bie gefehlten
Seftimmungen über bie Auffidjt in ©emeinbeangelegenbeiten an ficb
unb, foroeit befonbere Seftimmungen nicht entgegenfteben, auch für
bie $)ienftaufficbt über bie ©efcbäftSorbnung ber ©eroerbegeriebie
maßgebenb finb, ba leßtere, mie ficb auS ber ©ntftebungSgefcbicbte
beS meicbSgefeßeS oom 29. Suli 1890 ergiebt, im Allgemeinen als
©lieber beS ©emeinbeorganismuS erfebeinen. ©emgufolge ift bei
©eroerbegeriebten, bie nur für ben Umfang oon l'anbgemeinben,
Aemtern ber ^rooing SBeftfaien unb Sürgermeiftereien ber Nßein*
prooing errichtet finb, gemäß §. 24 beS 3 u flä n ^t9^itSgefeßeS in
erfter Snftang ber Sanbratb als Sorjißenber beS treiSauSfcbuffeS,
ber NegierungSpräfibent in ^o^ercr unb leßter Snftang als gur
jE^ienftaufficfjt berufen angufeßen.
Sonboner ©iutgungSamt« 2)er eben ocroffentlid)te achte Sabres*
bericht beS London Labour Conciliation and Arbitration Board
geigt, baß bie ^bätigfeit beS Amtes im leßten Sab« meniger als
früher in Anfprucb genommen mürbe, maS barauf gurücfgefübrt
mirb, baß im 3abre 1898 überhaupt meniger ArbeitSbifferengen
unb ©treifS in ©nglanb oorlanten. 5)ie oor baS Amt gebrachten
Säße mürben burdigebenbS in befriebtgenber SBeife, fei eS im
‘23ege ber ©inigung, fei es bureb ben ©%iebSrtd)ter, bem fidj bie
ftrettenben Parteien unterroarfen, beigelegt. 3)ergeit finb. 24 lieber*
einfommen groifeben Unternehmern unb beren Arbeitern in $raft,
bie bas £onboner ©inigungSamt gu ©tanbe gebracht bat unb bie
eoentueß bureb biefeS Amt oon einer ber Parteien gu fünbigen
fmb; bierbureb ift bie Kontinuität ber Amtstbätigfeit gemährt unb
baS Amt fungirt bemgemäß als eine Art fogialpolitifcber Sebörbe,
beren Kompeteng für eine Neiße oon Säßen obligatorifcb ift.
©imgunaSämtcr nnb ©ifenmbitftne in ©nglanb. 3)ie britifeße
3ron Srabe Affociation ßat fteß auf ißrer SaßreSoerfammlung am
7. 3uni in Bonbon mit großer SBärme für bie frieblicße Beilegung
oon ArbeitSitreitigJeiten bureß ©inigungSämter auSgefprocben.
§err 2B. 3acfS betonte in einer längeren Nebe, er freue ftd>, baß
bie fieitung beS SerbanbeS ber ©ifeninbuftrießen feinen Sßeil an
ber bureß ben Arbeitgeberoerbanb beroirften Ablehnung ber oom
$anbelSminifter gemachten SerföbnungSoorfcbläge baß c (oergl.
„©ogiale ^rafis" ©p. 695). 3m ©egentbeil, ber SSerbanb trete
bafür ein. 3« her Debatte fcßloffen fi% bie meiften Nebner biefer
Artftcbt an, menn auch bie mit ber Ausführung jenes planes oer*
bunbenen ©eßmierigfeiten nießt oerfannt mürben. — Sßbenfaßs ift
eS benterfenSroertß, baß in ©nglanb troß beS großen SDlafcßinen*
bauerfampfes 1897/98 bie ©ifeninbuftrießen ßJlagnaßmen gur Ser*
ßütunq ober Beilegung oon ArbeitSftreitigfeiten bureß ©inicjungS*
unb ^erfößnungSämter foroie ©cßiebSgcricßte begrüßen, maßrenb
in S)eutfcßlanb gerabe bie Arbeitgeber ber ÜMaßinbnftrie bie
fcßärfften ©egner folcßer Ntittel gum fogialen Sr^ben fmb.
etttrartfdl* Attieigen.
Unterfucßungen über bie 2age beS ©auftrgcmerbeS in
Seutfcßlanb. 4. Sb. LXXX. Sb. ber Schriften beS Screim<
für Sogialpolitif fieipgig 1899, Wunder unb $umbIot XIII unb
461 @. SreiS 10 JH 20 ff.
— in Deftcrrcicß. LXXXIL Sb. ber ©cßr. b. S. f. ©. Seipgig 1899,
$uncfer & ©umblot LXXI unb 339 ©. $reiS 9 JC 60 3f.
2)er oortiegenbe 4. Sb. über bie 2age beS ©aufirgemerbeS in
S)eutfd)tanb, bem nodj ber 3. unb ein 5. Sb. folgen füllen, umfaßt:
1. ©lfaß*2otbringen oon Dr. öeißenberger, 2. SBürttembcrg oon
Dr. £)tto Srübingcr, 3. gürtß. oon caad. catn. Artßur ifiefer, 4. ben
Anttsbcgtrf Xonauefcßingen oon Seopolb SBönter, 5. baS Äiüertßal oon
Anton Sumider, 6. ben NegierungSbegirf Safen oon ür. ©ampfe, 7. bas
©roßbergogtßuiu Clbenburg oon 2. 0. Sranbt, 8. u. 9. baS ©id)SfeIb
oon Marl ferner unb cand. cam. Aubolf Aüßling, 10. Sennecfenftein i. ©.
oon Dr. griß gledjtner, 11. Urberad) (©roßß. ©effen) oon Dr. 2Bilßelm
9iotß, 12. ben Stabt* unb Sanbfreis Moln oon Dr. ©einrid) SJidjaelis.
2)ie Unterfucßungen über ben öfterrfießifeßen ©aufirßanbel erftreefen
fteß auf 1. 3Bien unb baS übrige Niebcrofterreicß oon Dr. Äubolf
Mrobatfcß, 2. Steiermarf oon hr. Dtto oon 3wiebined * SübeUßorft,
3. Krain oon ©. 2auß, 4. $rag unb Untgcgenb oon I)r. ©ugo SBeil,
5. NorbmeftIid)es Sößmen (©anbelsfammerbeglrf ©ger) oon Dr. ©. ©aber*
mann, 6. Sübbößnten (©.*M.*S. Submeis) oon i»r. g. ©romaba, 7. Aorb*
bößmen (©.*M.*S. Aeidjenberg) oon ©airl Moftfa, 8 Scßlcficn oon
Dr. Julius SÄattern, 9. ©aligien oon Or. Artßur Senis, 10. Sufoioina
oon Dr. ©ubert SBiglißfi), 11. Iricft. tiefem Sanbe ift eine ©Ölleitung
über „bie ©aufirfrage in Cefterretcß" oon Dr. ©. ©djmicblanb ooraus*
gefdjidt, mcldje bie ©efd)id)tc beS ©aufirredjteS in Ceftcrrcidj, bie gegen*
märtige ©eftattung ber Scrßältniffe unb bie gragen einer fünftigen
Acform beßaubeln.
SBenn aueß ber SJertß ber eingelnen ^arftellungen oerfeßieben ift,
fo tragen fie boeß in ißrer ©cfammtßeit bagu bei, bem oorurtßeilstofcn
Senrtßeiler bcr fdnoicrigen gvagc über bie mirtßfcßaftlicßc Sered)ttgung
bes ©aufirgemerbcs ein retdjes Jßatiadicmnaterial an bie ©anb gu geben,
auf Olrunb beffen er in bcr 2agc ift, fidj fclbft ein objeftioes Urtßeil gu
bitben. Sntn man baS ©aufirgeioerbe oietfad) für bie niebrigfte Art
gemerblidier 2ßätigfeit, gu ber ber Mampf ums Xafeiit ben Aieufcßen
roingt, ja fogar für eine oerfcßleicrtc gonit ber Settelei augefeßen ßat,
o ßaben bagegen, mie bcr ©crausgeber $rof. Stteba=2cipgig treffeitb
bemerft, bie Unterfudmngen bcu Seiocis geliefert, baß biefent Scmeg*
grunb auf Seiten bcr SBaarenßäitbler aueß ein Sebiirfniß auf Seiten
ber Abncßmcr bcr S : aaren ober ber Lieferanten berfelbett cntfpredjeu muß.
Seiträge gur Statiftif ber Stabt Karlsruhe. Jm Aufträge bes
Stabtratßcs ßerausgcgcbcu oom Statiftifcßen Amt. u &r. - r >.
Statiftifcßer Jaßresbericßt für 1898 mit ©rlänterungen. Marls*
ruße i. S. 1899, ^ruef unb Serlag ber OK Sraim'fcßen ©of*
bueßbrueferet.
fitrantnortltcO für bie ftebaftton: Dr. (Kmft Stande tn Serlitt W v Sa^reutberftrage 29.
VHJ. § ujjrptig»
SDcrltn, ben 22. 3uni 1899.
Hummer 38.
Soziale pvarts.
för £f> 03 iarpo£ifiü
mit bet SRonatSbellage:
Das ©etoetbc^eri^t.
©rgan bes Derbanbes beutfdjer (Beit>erbegeridjte.
«Reue golge ber „Blätter für fojtale sprayt«* unb be$ „Soztalpoltttfchen EentralblattS 4 '.
©rietet tu iebrm £erail8geber: Are« bfmelilbmn 2W. 60 *f.
Rebaftton: Berlin W., Bapreutherftrafce 29. Dr. (Stuft itdltlkt ©erlag Oon Wunder & Humblot, Ceipzlg.
3nljalt*
©a« neue 3nbalibenöerfidje«
tungßgefefe. ©on SanbeSaffeffor
@. bon SBifeleben, ©erlitt . 1017
gSroteft ber Arbeitgeber« uttb
Arbeitnehmer . ©elfter be«
@ett>erbegeri$t£ ©erlitt gegen
ba« ©efefc junt ©d&ufc be« ge«
werblichen ftrbett«berb<«
niffe«.1021
■net»«««« «mini* ttitb fmmmmi*
tßSi m .1024
©in ©efefcentmurf über ben
ArbeitSbertrag in benRteber«
lanben. ©onDt.^^öönßanten,
Amfterbant.
©a8 füdjfifdje ©ereinSgefeft unb bie
SWinberjähtigen.
©eföränfung ber ©Tteerbßarbeit ber
Äinber in ©nglanb.
•**Uile S«f»*b* .1026
Soge be« beutfäen ArbeitömarTt« im
©toi.
©etoetblidie ©Ijätigfeit bon Äinbertt
in ©reöben.
©pieltrieb unb ©paxfinn.
ü?»fite¥»t»«tK«c.1028
3Raffenau«fperrung unb ©e»
neralftreif ber ©erliner
SJtaur er.
©er faufmänniföe unb gewerbliche
$üf«bereht für weibliche AngefteQte
ju ©erlin.
©ie Öergarbeiterbewegung in grau!«
reich.
««fttittrVfts#.1030
©ie ©erichte ber ©ewetbe«
3fnfpeftion im ftönigreid&
©Qchfen für ba« gabt 1898.
©ewerbeaufficht unb Drtßpolijei.
©•Stol« $*ttau.1031
©ie Abnahme ber ©runlfucht
in ©eutfchlanb. ©on Dr. SB.
©obe, $übe«beint.
greibäbet für ©tbulfinbet in Seeb«.
SBohnungßwefen unb Sterblichkeit in
Siberpool.
©etoerbcgeriiftte. ©inignngfüttttee.
•«ieb«gertdite.1033
lHi(t|ei(iinteit be* 0 rwefi<fuidM$ 9 er fis,
Stebighrt bon Dr. ©chalhotn, ©e«
Werberichter, ©erlin.
©er Streif ber ©erliner ©tein«
fefeer bor bem ©emerbegeridjt
al« ©inigungßamt. ©om ©or»
fl|enben be« ©ewerbegericht« ©erlin
©t. b. ©chula.
©echtfprechung.
Atffcriidf it*§#t§e».1038
AbbrudC fümmtlicher Artifel tft ßettungen unb 3eitfdhrtfte« geftattet, ieboch nur
mit boEer DneEenangabe.
Sa* nette 3tiuaH&et!»erftthmtng*grfel|.
3Rit ber Sinnahme ber 3m>alifonoerfiiherung3*RoDeIIe ^at ber
neugewählte Reichstag eine ber Hauptaufgaben erfüllt, bie ihm bei
feinem 3 u f annnen tritt am 6- ®e$ember 1898 in ber ^fjronrebe
^ugewiefen morben waren. „$)er weitere Sluöbau ber fozialen
©efefcgebung", fo lauteten bie barauf bezüglichen SSorte, „liegt ben
oerbiinbeten Regierungen nach wie oor am .f>ergen. Sluf biefem
©ebiete wirb 3hn* n wieberum ein ©efefcentwurf zugehen, ber ben
«Rangeln ber Snoalibitätö* unb SllterSoerficherung in wefentlichen
Beziehungen abzuhelfen fuefjt." 3 e fet, wo ber Entwurf bemnächft
©efeb werben wirb, ftellt fidf) ba§ neue SSerf in ber &hat ein
fosialpolitifcfjer gortfd)ritt oon ber höchsten Bebeutung bar.
22er allerbingS ben s $lenar*Berathungen ber erften Öefung
beiwohnte, fonnte wohl ben Einbrud gewinnen, ba& bie Vorlage
bemfelben Sdjitffal anheimfallen würbe, wie ihre beiben ©or*
gättgerinnen, über welche zwifthen ben gefefcgebenben gaftoren Feine
©eri'tänbigung erzielt werben fonnte. *£a& baS Ergebnis ber ©er*
hamblungen biegmal ein günftigereS würbe, ift in erfter £inie ben
un aujßgefehten Bemühungen ber Rei<f)£regierung fowie ber oer*
ftänbni&oollen Mitarbeit ber mit ber ©orberatbung betrauten
28 glieberigen ReichStag^fommiffion z u banFen. S)em glücflichen
Zielbewufeten 3uf<n*imenmirfen biefer beiben gaftoren gelang benn
auch Ueberwinbung ber wahrlich nicht geringen ©djwierigfeiten,
bie ber Reformarbeit fortwäbrenb entgegentraten. ®ie Snnaliben*
oerfithcrung ift freilich auch ein ©ebiet, baS in unfere wirthfehaft*
liehen unb fozialen ©erhältniffe mit einer Schärfe eingreift, wie
wenig anbere ©efefce. Rieht nur, ba& bem ©elbmarft grofee SFa*
pitalien entzogen werben — allein bie Snoalibitätsoerficherungg*
anftalten wiefen @nbe 1897 einen ©ermögen8beftanb oon 538 964 526 jfL
75 4 auf unb ihre ©innahmen bezifferten fich in bemfelben gahre
auf 136 290114 t/ft 07 4 — auch S3aufpefulation (burch
Unterftühung be§ ©aue« biftiger ^Irbeiterwohnungen), ba8 ^rioat*
oerrtch^rung^wefen u. a. m. wirb mannigfach burch bie gnoaliben*
oerfidjerung beeinflußt, llnb in welch giiuftiger 58eife, um nur
baS BMchtigfte heroorzuheben, bie ©erhältntffe beS ärzlichen Stanbeö,
bie gortbilbung ber ärztlichen fBiffenfchaft, bie grage ber @rri<h*
tung oon Heilftätten oon ber gnoalibenoerficherung berührt werben,
ift allgemein befannt. ^J)abei wirb burch ©riheilung oon Renten,
B3ieberherftetlung ber ©rwerböfähigfeit in gewiffen gäßen, nament*
lieh burch Aufnahme in Cungenhcilftätten unb ©enefung^häufer,
baö ganze mirthf<haftliche, foziale unb auch ethifche Rioeau ber
bem 5lrbeiterftanbe angehörenben Beoölferung£fdf)ühten in einer
2Beife gehoben, bie auf unfer ganzes Staatöleben befrudjtenb ein*
wirft, äufeerbem hot noch faft jeber Einwohner beö $)eutfd)en
Reichs burch baö ^infleben oon Beitragömarfen fiih m 't ber
oalibenoerficherung }u befaffen. Ä’ein SBuitber alfo, wenn bie Bc*
rathung aerabe biefeö 3 TOe i9 e ^ unferer fozialen ©efefcgebung oon
ganz oerfchiebenen ©efichtspunften auö erfolgt unb mannigfache
«Reinungöoerfdhiebeuheiten heroorrufen mufete.
daneben ift eö noch bie giille ftatiftifchen unb oerftcherungötechni*
fchen SRaterialö, beffen eingehenbe Berücffiitigung bie ©erhanblungen
über bie gnoalibenocrfttherung erfchwert. tiefem ted^nifchen ©efichtö*
punft gegenüber tritt baö politifche SRoment faft in ben Hintergrunb,
unb biefem Umftanbe ift eö auch zuzufchreiben, bafe bie parlamenta*
rifthen Erörterungen über ben Entwurf in ber großen H au Ptf a .ä) c
weniger oom ^arteiftanbpunfte aus geführt würben, als oielmehr
oom Stanbpunfte eines Rtanneö, ber mit fühl abwägenber Heber*
legung ben $ul8 unfereö fozialen Sebenö in ber $anb fühlt. So
finb aerabe bie wichtigften Beftimmungen ber ©orlagc über bie
oorgefchlagene ©ertheilung ber Rentenlaft unb über bie anberweitc
Rentenberechnung auö biefem ©efichtSwinfel nüchterner Sachlichfeit
oerhanbelt worben. Sludi bei ber Beratung über bie RentenfteHen
gab hoch fchlie&lich weniger baS politifche Btotio ben Sluöfdjlag
als bie bei näherer Betrachtung z u erwartenben hohen Soften
unb baS gegen ihre Errichtung erhobene Bebenfcn, eö Fonnte ber
Einfluß ber ©erfuherungSanftalten unb bie forgfame Rentenfcft*
fefcung barunter leiben, ohne bafe ein entfprechenber Rupen aus
ber neuen Einrichtung fich ergeben werbe.
Rach bem neuen ©efefc wirb bie Errichtung oon Rentenftcllen
folgenbermafeen oor fich gehen: ^iefelben follcn nur fafnltatio
gefd)affen werben, nämlidh friv SBahrnchmung ber prinzipaliter
ben unteren ©erwaltungSbehörben obliegenben ©efdiäfte ber ©or*
Bereitung, Begutachtung k. ber Rentenfadjen. ^Dort, wo fie ins
lull)
Soziale $ra;ci£. ©cntralblatt füc ©ogtalpolitif. Nr. 38.
1020
£eben gerufen werben, fann bieS einmal gefepepen oom Vorftanbe
ber VerficperungSanftalt unter 3uftiinmung beS AuSfcpuffeS unb beS
bie VorftanbSbeamten befteflenben DrganS (ßanbeScentralbepörbe
ober Stommunaloerbanb), bann aber auch burep bie £anbeScentral*
bewürbe im 0aße beS gefcpäftlicpen VebürfnijfeS, inSbefoitbere in
©egenben mit bitter Veoölferuna. Vebingung ber ©rrieptung fmb
jeboep im lepteren *$aße bie Anhörung oon Vorftanb unb
AuSfcpup ber VerficperungSanftalt (niept 3uftimmung, roie in gweiter
üefung oom NeidjStag befdjloffen worben mar), fowie beS mit ber
Verwaltung ber Angelegenheiten beS guftänbigen weiteren tom*
munaloerbanbS betrauten Organe, ©urd) biefe Vepörbe begw. bie
öanbeScentralbepörbe erfolgt naep Anhörung beS VorftanbeS auch
bie ©rnennung beS Vorfipenben unb feinet ©teßoertreterS, wäprenb
beren Amtsbauer unb Vegüge burch ben Vorftanb ber Verfiepe*
rungSanftalt feftgefept werben. 3Me NegiernngSoorlage patte ^ Cs
fanntlicp biefe Vefugniffe für bie ßanbeScentralbepörbe in Anfprucp
genommen. s Dtit ber im Entwurf oorgefehenen obligatorifchen
(Einrichtung oon Nentenfteßen ift auch bk bann beabfieptigte Heber*
tragung ber Vefcplupfaffung über Nentenfadpen ftait ber Vegut*
achtung faßen gelaffen worben.
Abmeichenb oon ber NegierungSoorlage ift auch bie anberweite
Verkeilung ber Nentenlaft geregelt worben, Urfprünglidp füllten,
abaefepen oon Nentenfteigerungen in Solge oon SfranfheitSwocpen
unb oon Nentenabrunbuitgen, bie ganzen Altersrenten fowie bie
©runbbeträge ber Qftoalibenrenten oon fämmtlichen VerfiiperungS*
trägem gemeinfam beftritten werben, alle übrigen Verpflichtungen
fotften bie ©onberlaft jeher VerficperungSanftalt bilben. 3 U ^ Ortung
ber ©emeinlaft waren bem ©emeinoermögen 3 /ä beS Vermögens
unb ber Veiträge jeher VerficperungSanftalt guguweifen, gur Leerung
ber ©onberlaft %. Sftach ben oom NeicpStag enbgültig gebilligten
StommifRonSbefcplüffen foß baS ant 31. 2>egember 1899 im Vefip
ber VerficherungSanftalten befinblicpe unb weiter ihr am 31.$)e*
gember 1910 angefammelteS Vermögen, foweit es nicht ©emein*
oermögen ift, gur 2>ecfung ber ©emeinlaft überhaupt nicht heran*
gezogen werben. Nur noch bie Veiträge werben, unb gwar im
©egenfap gum NegierungSentwurf in ööpe oon 4 /io gur 3)ecfung
ber ©emeinlaft oom 1. Januar 1900 ab buchmäßig, auSgefchieben.
©ntfprccpenb ber Nebugiruitg beS ©etneinoermögenS hat auch bie
©emeinlaft .eine |>erabfepung erfahren. ®iefelbe wirb fortab nur
noch aus brei Viertel fämmtlicher Altersrenten unb ben aßcrbingS
erheblich oerringerten ©runbbeträgen ber Snoalibenrenten gebilbet.
$er (Entwurf fcplug einheitlich für beibe Nentenarten bie ©runbbeträge
für bie eingelneit Öopnflaffen in |>öpe oon 60, 90, 120, 150, 180 Jfc
oor. $>iefe ©äpe ftnb aber nur für bie Altersrenten beftehen geblieben,
für bie 3m>alibenrenten finb bie ©runbbeträge auf 60, 70, 80, 90
unb 100 JL perabgefept, bagegen bie ©teigerungSfäpe auf 3, 6, 8,
10, 12 4 für bie VeitragSwocpe erhöht worben (2, 3, 4, 5, 6 4 in
ber Vorlage), $)aburcp hat fich audfj bie ööpe beiber Renten etwas
oortpeilpafter gestaltet, was aus einem Vergleich ber gegenwärtig
beftepenben mit ber fünftig eintretenben VerecpnungSweife erficptlicp
wirb, inbem nach ber lepteren bie Nenten ftets einige 9Karf hö^cr
finb. ©ie Altersrente fept fiep fortan gufammen aus ©runbbetrag
unb NeicpSgufcpup, bie gnoalibenrente aus bem für fie beftimmten
geringeren ©runbbetrag, bem NeicpSgufcpup unb ben ©teigerungS*
fäpen. $)er Vereinung beS ©runbbetrags ber Snoalibenrente
werben ftets 500 VeitragSwochen gu ©runbe gelegt.
©ins ift an biefen neuen ©efepeSbeftimmungen befonberS be*
merfbar. ©s haben barin bie oon ber NeitpSregierung mit oiel
©efehief unb Nacpbrucf oertretenen ©ebanfen Anerfennung gefunben,
einmal, bap bie auf ©runb beS SnoalibitätSgefepeS entrichteten
Veiträge nicht oon ber eingellten VerfidjerungSanftalt, ber fie gerabe
gugefloffen fmb, als prioateS ©igenthum reflamirt werben bürfen,
fonbern bap fie gur ©rfiißung ber gefeplicp normirten 3roecfe bem ge*
meinfamen Sntereffe ber Verwerten bienen, fo gweitenS aber auch ber
©ebanfe, bafe gur fd)neßeit, prompten ©ntlebigung ber Ventenfad^en
örtliche Drgane nicht entbehrt werben fönnen, benen ein ficherer
unb rafcherer ©inblic! in bie ber Aufflärung bebürftigen Verhältniffe
möglid) ift, als großen, einen weiten Vegirt umfaffenben Vehörben.
SDaß burch biefe Neuerungen bie ©elbftoerwaltung beeinträchtigt
werben wirb, wie man prognoftigirt, ift famn gu erwarten. 0b
bie neu gu errid)tenben fiofaloehörben, wie man hofft, fich S u einem
geeigneten Unterbau womöglid) für bie gefammte Arbeiteroerficherung,
auSwadhfen werben, fann nur bie 3ufunft lehren. Viel, wenn
uid)t alles wirb babei oon einer weifen, gmetfmä&igen Crganifation,
namentlich in Vcgug auf bie Abgrengung ber Vegirfc, bie SBahl
bes Vorfibenben u. a. m. abljängen.«
Au&er ben Nentenjteßen hat noch eine anbere fafultatioe ©in*
ridituug in bem neuen ©efejj ©ingang gefunben, uämlid) bie lieber*
tragung ber Snoalibenoerfnherung auf bie ©ee*VerufSgenoffenf<haft
unter gleichgeitiger Verpflichtung gur ©rrichtung einer SBittroen*
unb ©aifenoerforgung. ©S bleibt abjuwarten, ob biefer ©dhritt
oon ©rfolg begleitet fein wirb unb bann auch anbere Verufs*
genoffenfehaften benfelben 2Beg befchreiten fönnen.
Neben biefem Uebergtiff, wenn man es fo nennen wiß, in
baS ©ebiet ber Unfaßoeriidjerung, bringt uns baS neue ©efefc
audh einen engeren Anfchlufc an bie fttanfenoerftiherung. SBährenb
bisher nur bemjenigen eine Nente gewährt werben fonnte,
ber länger als 1 3>ahr ununterbrochen erwerbsunfähig gewefen
war, ift biefe Sfarenggeit jeßt auf 26 Wochen abgefürgt worben,
fo baß für eine grofje Anga|l ^affenangehöriger, nämlich für folche,
beren ^ranfenfaffen fchon jeßt bie Hnterftüfeung auf 26 Wochen aus*
gebehnt haöen, für ben gaß ber tranfheit unb Snoalibität in 3 Us
funft ununterbrochen geforgt fein wirb. Um aber auch ben 9)Ut*
aliebern ber übrigen Staffen, welche nur bie gefefelich oorgefchriebene
äßinbeftunterftühung bis gu 13 SBodtjen fennen, bie gleichen Vor*
theile gu gewähren, hat bie NeithSregierung eine Nooefle gunt
ÄranfenoerficherungSgefeß mit eutfprechenben Veftimmungen in nahe
AuSficht aefteßt.
^)ie Verfuge ber ©ogialbemofraten, im SnoalibenoerrnherungS*
gefefce fo nebenher bie Äranfenoerfidherung auch für baS ländliche
©efinbe einguführen, würben fowohl feitenS ber Negierung als auch
oom NeichStag felbft gurücfgemiefen. Abgefehen oon ben befonberS
gearteten Verhältniffen beS platten £anbeS mit feiner Naturalien*
1 löhnung, Arbeiteroerhältniffeu u. a. m., bie wohl nicht mit Un*
recht bagegen angeführt würben, oerbietet fich jebenfaßS bie Stege*
lung biefer Örage bei ber Verathung beS ^noalibenoerficherungS«
gefepeS.
dagegen geigte fitf) ber NeichStag in einem anberen fünfte
ben ©ogialbemofraten Anfangs giemlich wißfährig. ®ie Äommiffion
hatte nämlich in einem neu eingefügten §. 130a ben VerfuherunaS*
anftalten bie Vefugnifc eingeräumt, für ihre Vegirfe Vorgriffen über
bie oon ben Arbeitgebern Verficperten gum ©dpupe ber ^epteren
gegen gefunbheitSfchäbliche ©itiflüffe gu treffenben ©inrichtungen
unter Vebropunq ber 3 ul oiöerhant)elnben mit ©elbftrafe bis gu
300 JC gu erlaßen. Vei ber gweiten Öefung im Plenum würbe
jeboep biefe Veftimmung, ber man im Aßgemeinen nicht ahqeiteiqt
war, wieber geftriepen, ba anbernfaßs baS 3aftanbefommen btS
gangen ©efepcS gefäprbet worben wäre. 3)?an fonnte fiep aber
auep ber ©inftept niept oerfcpliepen, bap eS folcpcr Control*
organe bereits eine grope Angapl gebe unb bap eine gewiffe Sfon*
gentration ber Aufficht beffer fei als eine S^fpfüterung, bie leicpt
gu Neibungen ber eingelnen Drgane untereinanber führen unb bie
Aufteilung einfeitlicper ©runbfäpe auf bem ©ebiete beS Arbeiter*
fchupes erfdpweren müffe. ©cplieplith würbe auch bie oorgefepene
Neoifion ber ^auSpattungen aßgemein als nidpt unbebenflicp be*
geiepnet.
2)aS gleidpe ©epieffat ber Ablehnung erfuhr trop ber gleichen
©nmpatpie mit bem Vringip ber oon fogialbemofratifcper ©eite
gefteßte Antrag, ben VerficpcrungSanftalten bie ©inleitung beS £>eil*
oerfaprenS gur Vflicpt gu machen, anftatt ber jept ihnen gegebenen
Vefugitip. AuSfcpIacjgebenb war babei mopl ber ©eficptSpunft, bap
man gunäepft erft bie 'IBirffamfeit ber gaplreicpen neuen gu ©unften
ber Verficperten getroffenen Veftimmungen über ©inleitung beS
$eiloerfaprenS abwarten woße, epe man eine fo burepgreifenbe
Ntapnapme, wie bie Verpflichtung gur $ranfenfürforge, auf bie
VerficperungSanftalten übertragen fönne.
VemerfenSwertp ift noep bie auf Veranlaffung ber Sfonfer*
oatioen in baS ©efep aufgenommene AuSbepnung ber freiwilligen
Verficperung niept nur auf VetriebSbeamte, Se^nifer, fieprer u. f.w.
mit einem ^apreSarbeitSoerbienft oon mepr als 2000, aber
niept übec 3000 fonbern auep auf felbftänbige ©ewerbetreibenbe
unb fonftige VetriebSunternepmer, weiche niept regelmäpig mepr
als gwei oerficperungSpflichtige ßopnarbeiter befcpäftigen fowie auf
niept oerficperungSpflichtige ^auSgewerbetreibenbe. 2)ie VUrfung
biefer Vorfcprift ift gegenwärtig noch gar niept gu iiberfepen. 9Äan
mup fiep barüber flac fein, bap biefe einen gewiffen Anfap gum
©taatSfogialiSmuS barfteßt, ba \a ber NeicpSgufcpup audp pier
gewährt werben foß, unb bap bie eigentlid^e 3»bee unferer fogialen
Verficperung, wonach ber Arbeitgeber für bie AuSnupung ber
Arbeitsfraft beS Arbeiters eine Prämie gu gewähren pabe, mit
ber ©inbegiepung felbftänbiger ©ewerbetreibenber eigentlich oer*
laffen wirb.
Vetracpict inan baS ©efep im ©angen, fo mup man beten neu,
bap es in erfter ^inie bem fünftig erweiterten Streife ber VerficperteH
ang wefentlid)c Vortpeile bringt. £>aS befte Vefenntnip hierfür
aben bie ©ogialbemofraten abgelegt, inbern fie gum erftenSRale
1021
©ogtale $ragt*. ©entralblatt füc Sogtalpolittl, Rr. 88.
1022
unb groar gcfd^loffcn für bic Annahme beS ©ntrourfS ihre
Stimme abgegeben fiaben. Db biefe 3^ ealpolitif ber erfte fic|t*
bare (Erfolg ber Beraftein’fchen Schrift ift? ferner ift in ben
fafultatioen Rentenftellen bie S u einem einheitlichen
Unterbau für bie gefammte fogiale Berficherung gegeben.
Unb fcßließlich haben bie eingefjenben Verätzungen unb ©rörte*
rungen beS ©ntrourfS boch auch baS allgemeine Berftänbniß
für bie 3noalibenoerfi<herung erroeeft unb oertieft unb ba*
burch ben ÄteiS ber Mitarbeiter an bem ©erf unferer Arbeiter»
oerficherung roefentlicf) erroeitert. Möge baS neue ©efeß gum ©ohle
ber Arbeiter unb gum ^rieben ber Arbeiter mit ben Arbeitgebern
gur Durchführung gelangen!
Berlin. o. ©ißlebeit.
Proteft ber Arbeitgeber- unb Arbeitnehmer'
fieififeer ben (Bemerbegeriihtn Berlin gegen ban
®efe| jum Sdjntj ben gemerblidfen Arbeitn-
nerhalhtiffen.
Der AuSfcßuß beS ©eroerbegerichts gu Berlin für ©utachten
unb Anträge bezüglich gewerblicher ^fragen hat in feiner Sißung
oom 17. 3uni einstimmig — Arbeitgeber unb Arbeitnehmer —
befd)loffen, eine Petition an ben Bunbesrath unb Reichstag gu
rieten, in melier um Ablehnung beS ©efeßentrourfs gum Schüße
beS gewerblichen ArbeitSoerhältnißeS gebeten wirb. Die Begrünbung
lautet folgenbermaßen:
Der gur 3eit bem Reichstage gur Befchlußfaffung oorgelegte
©efeßentrourf begeidjnet fich als ber ©ntrourf eines ©efeßeS „gum
Schube beS geroerblichen ArbeitSoerhältniffeS". Sowohl bie Arbeit*
geber als auch bie Arbeitnehmer haben ein 3ntereffe baran, gu
ihm Stellung gu nehmen unb ftch bie Qrragc oorgulegen, ob baS
geroerbliche ArbeitSoerhältniß überhaupt eines SchubeS bebarf, ob
ber ihm bisher geroährte Schub als ein genügenber unb auS*
reichenber fich erwiefen hat, enblich, ob es in ber Dßat beS außer*
orbenilich rigorofen Schubes ber Borlage bebarf.
©enn man bie gefcßichtliche ©ntroicfelung beS geroerblichen
ArbeitSoerhältni[feS betrachtet, fo fleht man, baß es in früherer
3eit unb noch in ber erften §älfte biefeS 3ah*h un bertS ein ge*
bunbeneS roar. Der Arbeitgeber roar gegroungen, einer Snnung
beigutreten unb fi<h bem 3wange ber Innung in Begug auf bie
Regelung feines BerhältniffeS ju ben Arbeitnehmern, ebenfo roie gu
feinem Mit*Arbeitaeber — abgefehen oon bem fonftigen 3n?ange
in Begug auf bie Ausübung feines ©eroerbeS gu unterwerfen. Der
Arbeitnehmer unterlag in gleicher ©eife bem oon ber Snnung aus*
geübten 3roange in Begug auf bie Regelung beS ArbeitSoerhält*
niffeS, burch welche ber $reis berjenigen Arbeiter, welche Arbeit
finben fonnten, bie Sohnfäße unb alle Bebingungen beS ArbeitS*
oertrageS geregelt würben.
Der burchgreifenbe Unterfdjieb, welcher fich bei einer Betrag
tnng ber Berhältniffe, roie fte burch bie ©eroerbeorbnung geraffen
rourben, ergiebt, ift ber, baß an bie Stelle beS3mangeS nach jeber
Richtung hin bie Freiheit gefeßt ift. Der Arbeitgeber ift berechtigt,
fich feine Arbeiter gu fueßen unb gu nehmen, wo unb roie er fte
finbet, unb bie Bebingungen beS ArbeitSoertrageS fo feftgufeßen,
roie es feinem Sntereffe am erfprießlichften erfcheint. Der Arbeit*
nehmer hat bie Sreißeit, feine ArbeitSfraft in bemjenigen ©eroerbe
unb bei bem Arbeitgeber gu oerwerthen, roo er für feine ArbeitS*
fraft bie ^öd^fte Beroerthung, ben höchiien fioßn finbet.
Seit biefer Anerfennung ber Freiheit beS gewerblichen ArbeitS*
oerhältniffeS batirt, barüber fann wohl ein 3.roeifel nicht obwalten,
ber nie geahnte Auffchroung unfereS geroerblichen ßebenS, ber fich
in bem lebten Menfchenalter ooHgogen ^at. tiefer Auffdjroung
fällt aber nicht nur gufäUig geülith mit ber Anerfennung ber ©e*
toerbefreiheit gufammen. ©r ließt auch innerlich mit ber Befreiung
beS ©eroerbeS im Allgemeinen unb beS gewerblichen ArbeitS*
oerhältniffeS im Befonberen oon ben gefeßlitßen Schranfeit in 3«*
fammenhang. Rur eine oon läftigen ©infeßränfungen befreite §n*
buftrie tonnte fich in ber ©eife entroicfeln, wie fich unfere 3nbufirie
entroicfelt hat. Rur ein in feinen ©ntfcßließungen freier Arbeit*
geber unb Arbeitnehmer roar unb ift gu ben ßexftungen befähigt,
bie eine Blütße ber Snbuftrie erfordert. Die gange gewerbliche
©ntwicfelung unfereS SaßrßunbertS beruht auf ber ©ertßfchäßung
unb beften Berwerthung ber menfcßlichen Arbeit, auf ber ©rfennt*
niß, baß nur biejenige Arbeit gweefmäßig burch nxenfchliche ArbeitS*
traft oerrichtet werben barf, welche nicht burch bie Raturfraft ge*
liefert werben fann. Der Menfth, als ein mit Vernunft begabtes
©efen, ift im Stanbe, Mehr unb BeffereS gu leiften als biejenige
Arbeit, gu ber bie Aufroenbung ber rohen Straft genügt. Mit an*
beren ©orten: Unfere gange gewerbliche ©ntroicfelung beruht auf
ber Berroerthung ber 3nteHigeng ber ©eroerbetreibenben foroohl beS
Arbeitgebers als auch beS Arbeitnehmers. Rur ber Snteßigeng
beS ©ewerbetreibenben oerbanfen roir unfere gewerblichen gort*
fchritte, unb baSjenige ßanb h a t bie größten gewerblichen ©rfolge
gu oergeichnen, beffen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer bie gebilbetften
unb inteHigenleften finb.
2)aS Streben ber benfenben unb intelligenten Menfchen ift
aber naturgemäß auf eine Berbefferung feiner ßebenSoerhältniffe
gerichtet. Rur ber benfenbe Menf<h, foroohl Arbeitgeber als Arbeit*
nehmer, ftrebt oorroärts unb, roie im BolfSleben Sortfchritt nur
benfbar ift burch einen 3ufammenfchluß berjenigen, welche gleiche
Sntereffen haben, fo ift auch im gewerblichen fieben ein gortfehritt
nur mÖgli^ burch 3afammengehen ber einem gleichen 3iele
3uftrebenben, foroohl ber Arbeitgeber roie ber Arbeitnehmer, ©in
Sortfchritt roirb nur im Kampfe errungen unb ein Slampf — auch
ein frieblicher um bie belferen fiebeuS* unb ArbeitSbebingungen —
fann nur burch bie Macht geführt roerben. $er ©ingelne ift
machtlos, bie Bereinigung ©leichfirebenber ift eine Macht. &er
wahre Sortfchritt, bie Berbefferung ber SebenS* unb ArbeitS*
oerhältniffe, baS anerfennenSroerthefte unb am meiften gu förbernbe
3iel aller benfenben intelligenten Menfchen fann nur burch Ber*
einigung erreicht werben.
$)aS Streben nach biefem 3i*k Ift gu förbem foroohl im
3ntereffe ber Arbeitgeber, bie nur burch intelligente Arbeiter in
ihren 3i^a unterftüßt roerben fönnen, roie im Sntereffe ber Arbeit*
nehmer, bie, je höhere Anfprüche fie an ihre ßebenShaltung unb
beren ©eroährleiftung burch ihre Arbeitgeber fteHen, gegroungen
fmb, an fich felbft unb bie Rußbarfeit ihrer ArbeitSleiftung höhere
Anfprüche gu fteHen. Unb ba in Begug auf bie Regelung ber
ßobn» unb ArbeitSoerhältniffe bie Sntereffen ber Arbeitgeber unb
Arbeitnehmer entgegengefeßte finb, ba mithin baS Beftreben beiber
nach einer Berbefferung naturgemäß nur im Sfampf fich entfalten
fann, fo ift es oerroerflich, biefem Sfampf größere Äinberniffe in ben
©eg gu legen, als im Sntereffe ber Allgemeinheit unbedingt er*
forberlich ift. 3ebe unnüße Befcßränfung ber Arbeitgeber unb
Arbeitnehmer in biefem Kampfe um bie beftmöglichen ArbeitS*
bebingungen fann nur auf bie ©ntroicfelung ber SnteÜigeng beiber
klaffen oon ©eroerbetreibenben fchäblich roirfen, fie fann nur eine
t emmung unfereS gewerblichen ArbeitSoerhältniffeS unb unfereS
ulturfortfchrittS fein.
Bon biefem ©cfichtSpunffe muß jeher Arbeitgeber roie ber
Arbeitnehmer jebe Befchränfung beS ©ingelnen in oer ©eftaltung
beS gewerblichen ArbeitSoerhältniffeS ebenfo oerroerfen, roie bie
Behinberung in bem 3 u fatnmenfchluß ©leichftehenber gur ©r*
reichung ihrer 3i^ e - über baS nothwenbige Maß hinaus*
gehenbe ©infehränfung, roenn fie fich unk* bem Schleier „eines
Schußes beS geroerblichen ArbeitSoerhältniffeS" oerbirgt, ift unferer
3nbuftrie, unferer gewerblichen ©ntroicfelung, unferem ftultur*
fortfeßritt feinblich- ©S fragt fich alfo nur, inwieweit eine Be*
fchränfung beS ©ingelnen in ber Freiheit ber ©eftaltung feines
gewerblichen ArbeitSoerhältniffeS, inSbefonbere burch Bereinigung
mit ©leichftrebenben gum 3^^ ber ©rfämpfung ber angeftrebten
3icle unbebingt nothroenbig ift. Sowohl im 3ntereffe ber Arbeit*
geber roie ber Arbeitnehmer roirb man forbern bürfen, baß bem
©ingelnen bie ©ntfaltung feiner Berfön lieh feit, feines ÄönnenS, bie
befte Berroerthung feiner Öähigfeiten ermöglicht roirb, foweit Anbern
hierburch bie gleiche Möglichfeit nicht benommen roirb. Rur biefe
Behinberung beS ©ingelnen, baS ©leicße gu erftreben unb erreid)en,
barf ben Maßftab für ben gu gewährenben Schuß bieten.
Man roirb besßalb ben eingelncn ©eroerbetreibenben, Arbeit*
geber unb Arbeitnehmer, baS Recht gewähren rnüffen, fi<h mit
gleichem 3kle 3ufkebcnben gu oereinigen unb ben Sl'ampf für
feine Sntereffen gu führen, foweit nicht babureb in bie berechtigten
Sntereffenfphären Anberer eingegriffen roirb. ©egen biefe ©ingriffe
muffen gunächft bie allgemeinen ©efeße, roeldje auf jeben Staats*
bürger, gleicßoiel ob er Arbeitgeber ober Arbeitnehmer ober nicht
©eroerbetreibenber ift, Anroenbung finben. ©rft foweit biefe ©e*
feße feinen auSreichenben Schuß gewähren, ift eine fpegieäe Be*
fchränfung ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer in ber Ausübung
ihrer Rechte gum 3uiammenf<hluß behufs ©rfämpfung befferer
ArbeitSoerhältniffe gerechtfertigt.
tiefem leßteren 3^^ foüte §. 153 ber ©ewerbeorbnung
bienen; benn eS ift flar, baß eine Bereinigung oon 3ntereffenten
ebenforoenig wie jebe anbere Bereinigung im Staate, in einer
Soziale $ra£iS. ©entralblatt für SogialpoUtif. Rr. SS.
1024
lü-23
©emeinbe u. f. ro. befielen fann, roenn nicht ein gcroiffer 3wang
oorpanbett ift, ber bic Sntereffenten oerbinbet, fiep ben Vcfdjlüffen
einer Mehrheit berjenigen, mit benen fic gu gleichen 3wccfen gu*
fammengetreten ftnb, gu fügen. Cpnc 3wang fann ein ©emein*
roefen irgenb einer Art, fei eS nieberer ober höherer Drbitung,
nicht beftchen. mir bie Arbeitgeber* unb Arbeitncpmer*Vercini*
gungen gum Mampf nm bie Verbcfferung ber £opn* unb Arbeite»
oerhältniffe fmb bie 3wangSmittel burch baS beftepenbe ©efep be¬
reite im pöcpften Bafte befepränft. Sebeö nur irgenb in bie per*
fönlid)e RecptSfppäre ber (Singeinen roirffam eingreifenbe 3wangS*
mittel ift burd) bie Strafbeftimmungen beS §. 153 ber (bewerbe*
orbnung auSgefd)Ioffen. (Sine ©rtoeiterung biefer Veftimmungen,
eine noch weitere Vefcpräitfung beS 5toalition^recf)tS föunte nur
baburch gerechtfertigt roerben, menn bie beftehenben Veftimmungen
nicht auSgereid)t hätten, ben oerlepten Rechten bie geniigenbe Sühne
gu geben, $er RacproeiS, bap bieS ber 5aH geroefen, ift oon
feiner Seite erbracht, am wenigsten burch bie Vegrünbung ber
RegierungSoorlage unb bie ihr beigegebene $)enffcprift. Vergehen
gegen bic öffentliche Drbnung roirb man burch feine auch noep f°
brafonifepe Strafoorfcprift befeitigen fönnen.
$)er Staat fann nur bie Aufgabe haben, für bie Verlepung
ber Recptsorbnung eine betn ©rabe ber Verlepung entfpreepenbe
Sühne eintreten gu lafjen. Unb bap bieS naep bem bisherigen
Rechte in Vegug auf Ausbreitungen ber Arbeitnehmer in
Mampfen um baS geroerbliche Arbeitsoerpälhtip nicht möglich ge*
roefen, roirb Riemanb behaupten fönnen, ber ben ©ntfepeibungen
unterer (Berichte in berartigen Süllen in ben lebten fahren gefolgt
ift. (Sin Vebürfnip gur Verfcpärfuna biefer Strafbeftimmungen,
bie einer weiteren Vefcpränfung bes MoalitionSrecptS gleichfommen
roürben, beftept in feiner Beife. VoIIenbS ber bem Reichstage
oorgelegte (Befepentrourf fpriept aber nicht nur eine Vefcpränfung
beS MoalitionsrecptS aus. (Sr fommt einer Vernichtung beS
MoalitionSred)tS gleich- Benn auch tpeoretifcp baS MoalitionSrecpt
oon ber Vorlage noch anerfannt roirb, fo ift eS praftifcp für ben
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer unmöglich, fiep beffen gu bebienen,
ohne fiep in ben gupangeln biefeS ©efepeS gu oerfangen. Ban
föunte einen ^reis auSfepen für benjenigen, ber nach biefem ©e*
fepentrourfe einer Arbeitgeber* ober Arbeitneper*Vereinigung bie
Böglicpfeit geigl, einen Mampf um Aenberuitg geroerblicher ArbeitS*
oerhältniffe gu führen, ohne gegen baS ©efep gu oerftopen.
3ft aber bie Vetpätigung beS MoalitionsrecptS, ber Mampf um
bie Verbefferung beS ArbcitSocrhältniffeS, ein foroohl im Sntcreffe
ber Arbeitgeber roie ber Arbeitnehmer gu crftrebenbeS 3icl, ift biefer
Mampf in ber (Sntroicfclung foroohl ber Arbeitgeber roie ber Arbeit*
nepmer gur SnteHigeng unb gur höheren Multur begrünbet, fo ift
bie Verpinberung biefeS MampfeS, roie fie burep bie Vorlage an*
geftrebt roirb, für ben gortfepritt unferer geroerblicpen ©ntroicfelung
für unfere Multur unpcilooll unb oerberblidp. Unb beSpalb rnup
ber oorliegenbe ©efepentrourf oon jebem Arbeitgeber unb Arbeit*
itepmcr, ber ein Qntcreffe an bem Öortfcpritte unb ber Vlütpe
unfereS geroerblicpen CebenS pat, oerroorfen roerben. Benn eine
Aenberung ber Veftitnmungen über bas MoalitionSrecpt unb gum
Stpupe gegen AuSfcpreitungen bei feiner Vetpätigung erfolgen foll,
fo fönnte tie nur in bem ber Vorlage entgegengefepten Sinne, alfo
im Sinne eines oeränberten ScpupeS unb gröperer Sreipcit notp*
roenbig fein. ®ie beftepenben ©efepe geben gegen jebe Aus*
fepreitung mepr als genügenben Scpup.
geg. £. Beigert. geg. Dr. £>ugo ©erfcpel.
* *
*
3m Satereffe einer roirffamen Agitation gegen ben ©efep*
entrourf erfuepen roir bie AuSftpüffe, Arbeitgeber* unb Arbeitnehmer*
Vereinigungen ber ©eroerbegeriepte $)eutfcblaub*, in gleid)er
Beife gu ber Vorlage Stellung gu nehmen.
Verlin, ben 17. 3uni 1899.
Verein ber Arbcitgeber*Veifiper bes ©eroerbegeridd*
gu Verlin.
geg. £. Beigert. geg. Dr. Hugo ©erfdjel.
Sür bie Arbeit ne hmer*Vei fiper beS ©eroerbegerupt* gu Verlin.
geg. Rubolf Billarg. geg. Al tu in Moerfteu.
Allgemeine Sozial- uni ÄirtljfdjßftspolÜih.
(Sin ©efepenttonrf über ben ÄrbeitSbertrag in ben Riebcrlanben.
Ueber ben ArbeitSoertrag beftepen in ben Rieberlanben bis
jept feine anbereu Veftitnmungen als bie mit einigen Abänberungen
aus bem Code civil übernommenen brei Paragraphen beS Vürger*
licpen ©efepbudjs. Rnr ber Seemann Soertrag ift eingepenb ge*
regelt; eS gelten für ihn befottbere Veftimmungen über ArbeitS*
orbnung, £rucf, £öfung beS ArbeitSoerpältniffeS opne Müubigung :c.
3m 3apre 1891 rourbe ber bamalige Vrofeffor an ber Öet)bener
Unioerfität Dr. 2. 2)rucfer mit ber Ausarbeitung eines (Befep*
ettttourfeS über ben ArbeitSoertrag beauftragt. £urd) ben Regie*
ruttgSroecpfel im 3apre 1894 rourbe bie Sacpe oertagt unb erft
1897 roieber aufgenommen. (Ss liegt jept ein (Sntrourf oor, ber
ben Mamtitern bentnäepft gugepen bürfte. formell ftellt fiep ber
(Sntrourf als ÜRooeHe gum Viirgerlitpen ©efepbuep bar. Aber auep
materiell enthält er nur prioatrecptlicpe Veftimmungen, namentlich
über bie Ricptigfeit bes Vertrages unb baS Recpt auf ScpabenS*
erfap, bageaen gar feine Strafoorfcpriften. 5)a jeboep in ^ollanb
noep feine Veftimmungen gegen baS £rucfft)fteni beftepen (ein ©nt*
rourf oom 3apre 1889 ift niept ©efep geworben), enthält ber ©nt*
rourf unter ben Vorfcpriften über ben Sopn auep bie Veftinmiungen
gur Vefänipfuna bes Srucf, bie in feinem anberen fianbe in bae
Vürgerlicpe ©efepbuep aufgenommen finb, roo fie ficper gänglidi
unroirffam bleiben roerben.
©ine weitere ©igentpümlicpfeit beS ©ntrourfeS ift, bap er bie*
felben Veftimmungen enthält für alle, bie irgenb einen Arbeit**
oertrag abfcpUepen. Benn nämlich ber §. 1 ben ArbeitSoertrag
beftimmt als ben
„Vertrag, burch roeldjeu ber Arbeiter gegen übpn^ feine Arbeitskraft gang
ober tpetlroetfe für eine befttmmtc 3 f it gnr Verfügung beS Arbeitgeber*
ftellt",
fo finb pier unter „Arbeiter" ebenforoopl Sabrifarbeiter, £>anb*
roerfer unb ®ienftboten als §anbelSgepülfen ober Batpematifer
einer VerficperungSgefellf^aft ober Secpnifer in einer Sabrif gu
oerftepen unb unter Arbeitskraft ebenforoopl förpcrlicpe als in teilet*
tue Ke. Qebocp fönneu biejenigen Arbeiter, beren täglicper ifopn
pöper als 3 fl. (5 Jt) ift, bur% fcpriftlicpeu Vertrag bie im llebri*
aeu groingenben Veftimmungen bes ©efepeS auSfcpliepen. Meine
Anroenbung finbet ber ©ntrourf auf bie Seeleute unb auf bie im
$)ienft bes Staates, einer V r0l) i n 3 °öer ©emeinbe befepaftigten
^erfonen. Auep ber ßeprlingSoertrag roirb niept geregelt.
3m ©ingelnen beftimmt ber ©ntrourf, bap Sraueit gur Ab*
fcpliepung eines ArbeitSoertragS ber ©enepmigung bes ©pemannö
bebürfen, bem auep baS Recpt guftept, ben ßopn in ©tnpfang gu
nepmen. Binberjäprige fönnen nach Heberfcpreitung beS 18.Gebens*
japreS opne ©enepmigung beS gefeplicpen Vertreters ben ArbeitS*
oertrag fcpliepen. 3ür V^fatten unter 18 3dpreu ift ein ArbeitS*
buep oorgeftprieben unb ber ßopn fann an biefe V er fanen felbjt
nur mit fcpriftlicper ©enepmigung ihres gefeplicpen Vertreters aus*
begaplt roerben.
®ie ©rlaffung oon ArbeitS* ober Saöriforbnunaen ift niept
obligatorifcp unb bie Arbeiter ober ein ArbeiterauSfcpup fmb nur
bann oorper gu pöreit, roenn bie 3a&riforbnung Strafbeftimmungen
gegen bie Arbeiter enthält. &aS Xrucfoerbot, roonaep bie £opu*
gaplung in nieberlänbifdper Biinge oorgeftprieben ift, erftreeft fut)
nidpt auf an ber ArbeitSfteüe gu gebrauepenbe RaprungS*, ©r*
roärmungS*, VeleucptungSmittel unb Mleiber. Auep baS Verbot
ber fiopngaplung in Scpanfroirtpfcpaften unb VerfaufSftellen hat
ber ©ntrourf bebauerlicperroeife niept aufgenommen. Copneinbepal*
hingen finb nur in folgenbcn fällen guläffig: 3m Salle ber Ver*
abreiepung oon §auSpaltungSbebiirfniffen burep ben Arbeitgeber
gum SelbftfoftenpreiS gegen fcpriftlicpe Vereinbarung, im pralle
fepriftiiep angefepter Strafen im ^>öd;ftbctrag beS SagelopnS für
ben ©ingelfaD, bei 2)arlepen unb enbiiep fann bei ber befiuitioeit
Abrechnung über ben Scpidjtlopn guoiel begaplter Copit einbepalteu
werben.
Vegüglitp ber Haftpflicht roerben nad) Annapme bes Unfall
oerficperungS*©efepentrourfeS im Allgemeinen biefelben Veftimmungen
gelten, roie in 3>eutfd)lanb. 3m 'Jade „oorübergepenber Mranf*
heit" beS Arbeiters mup ber Arbeitgeber ben oouen Sopn weiter
begaplen, roenn niepts AnbereS oerabrebet ift, unb bie Moften ber
Verpflegung unb Argneimittel tragen.
Vegiigiicp ber Söfuttg bes ArbeitSoertragS opne oorperige
Münbiguug trifft ber ©ntrourf im Allgemeinen biefelben Veftim*
mungen roie bie §§. 123 unb 124 ber beutfepen ©eroerbeorbnung
3ebod) gäplt ber ©ntrourf bie 3älle, in benen bieS guläffig ift,
1025
Soziale Vra^iS. ©entralblatt für Sogialpolitil. 9fr. 38.
1026
nid)t erfcböpfenb auf, fonbern er läftt bem freien ©rmeffen bes
Vid)terS im einzelnen gaße einen weiten Spielraum. 3m Öaße
bcS ftontraftbrucbeS finb ©ntfd)äbigungen im 12* big 36 fachen
betrage beS £agelohnS ooraefehen. ©ine eigenartige Beftimmung
enthält ber Entwurf über oie ßöfung beS ArbeitSoertragS, wenn
fie im 3ntereffe einer Partei wünfcbenSwertb crfcbeint, g. 33. auf
Seite beS Arbeitgebers im Jaße ber (Sinfc^ränfung bes Betriebes,
ober im gaße ber .'peirath auf Seite bcS $>ienftboten u. f. tu. 3n
biefen Säßen giebt ber Entwurf ben Parteien baS SRecfct, eine
©ntfcheibung bes S^id^terö gu beantragen, ob bie fiöfung oeS Ar*
beitSoerbältniffeS guläffig ift. $)er dichter h°t bann aud) bie
gu Ieiftenbe ©ntfcbäbigung feftgufeften.
Obgleich ber ©ntwurf in mehreren wichtigen fjällen nid)t weit
genug gebt ober unwirlfam bleiben roirb, fo fteßt er bo<b, wenn
er ©efeft werben follte, gegenüber bem geltenben 9tecbt immerbin
einen gortfebritt bar.
Amfterbam. 3- $• oan 3anten.
$a$ fftcbftfdjc VercmSgefeft tmb bie äRtuberi&hrigem 3»
melden feltfameu folgen bie im neuen VcreiitSgefcft enthaltene
Beftimmung über ben AuSfcbluft ber Vtinberjährigen oon ben
Vcranftaltungen politifeber Vereine unb politifeben Verfamtnlungen
führen !aun, erbefit aus gwei fiirglicb ergangenen Urteilen fäcbfifdier
©eriebte.
$er Vorfiftenbe eines ArbetterbilbitngSocreiuS in Vegau
würbe oom bortigen Scböffengcricbt gu 20 Jf. ©elbftrafe ocrurtfteilt,
weil er gcbulbet batte, baft bie minberjährige ©attin eines Mitgliebes bei
einem Sangfrängcben bes Vereins anwefenb war, bas oon ber Voligei als
politifdje Verfammhtng betrachtet würbe. ©r batte gwar bie Minbcr*
jäbrigen gum Verlaffen bes Saales aufgeforbert, aber jene $rau war
troftbem geblieben, unb bie Verurtfteilung erfolgte, weil baS (Bericht ber
Anftcftt war, ber Vorftanb babc bie Verpflichtung gehabt, bie ©nt*
fernuug ber Miuberjäftrtgen auch burdjjufcften.
Vom Schöffengericht unb fpäter and) oom 2anbgericht Bresben
würbe ein Metallarbeiter gu 20 Jt ©elbftrafe oenirtbeilt, weil er als
Leiter einer ©ewerffdjaftsoerfammiung bie Mtnbcrjährigen nid)t hinaus*
gewiefen habe, als ber Vortrag nach ber Meinung bes iiberwarijenben
Beamten burd) einige Vkubmtgen bas politifche ©cbict ftreifte unb
biefer besbalb gu einem politifeben geworben war. Auf bie Vcränberung
bes ©baraftcrS bes Vortrages hatte ber Veamte ben Vorfipcnbcn, ber
jeboch nicht ber Anfidji war, baft ber Vortrag einen politischen ©harnftcr
angenommen habe, nidjt aufmerffam gemacht. Xas Cbcrlanbesgericht
bat bie eingelegte Aeoifiott oerworfen unb bie Strafe beftätigt.
Bkuu über furg ober lang eine 9feuorbuung beS Vereins*
unb VerfammlungSredjtS in Vfeufeen ober gar im SReicb in Angriff
genommen werben follte, wirb mau ft<b biefer Säße erinnern
muffen. Vestigia terrent! freilich banbeit es fid) um Urteile
fätbfifcber ©erid)te, oon beiten baS £anbgericbt Verlin I, 2. Straf*
fatnmer, foebeit (17. 3uui) in ber Vegrünbung eines freifprechcitbett
llrtbeils betont bat, baft bem Angeflagtett ber Sabrljeitsbcwcis für
feine Vcbanptuug, „bie Sprudjprajis bcS böcbften fädjfifcben ©erid)ts*
bofeS habe oft unb oftne ilutfcbwcife bie Angehörigen ber Arbeiter*
fategorie für miitbereu Rechts benn anbere Staatsbürger erflärt",
in brei Säßen gelungen fei!
Sefcbräitfang ber ©rtocrbSarbeit ber ftmfeer in ©uglaub. ©nb*
gültig angenommen ift jeftt in ©nglanb ein oom liberalen Ab*
georbnetett Vobfon eingebautes Stinberfcbnftgefeft, wonach gur
§abri!arbeit Stinber erft oom gwölften 3af)re (bisher elften 3ab*e)
an für ben hol&en Unterricht beurlaubt werben fönnen (ogl. „Sog.
VrajiS" Sp. 626). 3)ie aßgemein beifällig aufgenommene An*
nähme beS ©ntwurfs ift wefentlicb bureb bie ©rflärung bes Eabinets*
mitgliebes Sir 3obn ©orft, eines ber Vertreter ©nglaitbs auf ber
3nternationaleu Arbciterfcbuftfonfereng 1890 in Verlin, geförbert,
baft bas UnterricbtSminifterium es für wohl möglich halte, bie
länblieben Schulen in ben Sommermonaten gang gu fdjlieften
unb biefen AuSfaß bureb erhöhte llnterricbtStbätigfeit im hinter
unb Verlängerung ber Schulpflicht für bie jugenblicben länblicben
Arbeiter bis gum 15. 3abr nach Schweiger iUufter gu becfeit. Von
ben |>albgeitern ($albtagSfcbulen) finb 31 000 in ben Vautnwoß*
fabrifen befebäftigt. ^)er Umfang ber ^iitberarbeit ift aber weit
größer unb bebenflicber (ogl. Sp. 564, 588). 9£acb ©orfts 3Kit*
tbeilungen finb in ©itglattb über 144 000 $inber, bie ben ooßen
Scbulunterricbt tnitmacben, au|erbalb ber Sdjnheit regelrnäftig
gegen Sohn tbätig. 2)aoon finb 131 unter 7 fahren, 38 469
gwifeben 7 unb 10, unb 104 589 gwifdjen 11 unb 14 fahren.
15 182 finb 3eitungSiungen, 76 173 Saufburfcben, 11 585 .Stinber*
mäbeben, 9254 SöirtbfebaftSgebilfinnen unb 4619 Sftäbterinnen. Da&
aud) hiergegen eingefebritten werben tnug, ift bie allgemeine Ueber*
eugung. ^ie Sd)wierig!eit ber lleberwadjimg hat bas ßonbouer
Sdjulatnt bagu oeranla^t, bas 5tampffelb gegen bie ftinberarbeit
gunäcbfi auf bie Straften unb öffentlichen Vläfte gu befebränfen.
©S feblägt bem £onboner ©raffebaftsrath ben ©rlaft einer Verorbnung
oor, wonad) fein Äinb unter 14 Saftren oor 8 Uhr VtorgenS ober
nach 8 Uhr 3lbenbS gu irgenb welcher gelegentlichen ©rwerbS*
befebäftiaung auf Straften ober öffentlichen Vläfeen h^rangegogen
werben Darf. Verfiöfte gegen biefe Veftimmung werben mit einer
©elbftrafe oon 40 sh. für jebe Uebertretung geaftnbet, unb gwar
fowohl bei ben Arbeitgebern wie ben ©Itern unb Vormiinbern.
^en VeweiS, baft baS $inb über 14 3ahre ift, h°i ^ er Veflagtc
gu erbringen. Virmingham, üioerpool, ßßanebefter unb Shcffielb
haben febon ähnliche Verorbnungen erlaffen. Vor Aßem miiffen
aber bie ©Item felbft gur ©infiebt gebracht werben, baft fie bureb
bie lleberanftrengung ber Minber ihre ©Iternpflicbten unb bic
Pflichten gegen Staat unb Schule gröblich ocrleftten. Sir 3ohn
©orft forbert bie Veftrafung folcber graufamen ©itern. Sonft wirb
bie ^inberbefebäftigung oon ber Strafte ins £>au$ oerlegt, wo fie
leiber noch recht umfangreich ift.
Soziale 3tt(l&it&e.
Sage beS bentfdjen ArbeitSmarfteS im Wlai. ©ine inerfwürbigc
©rfebeinung ift auf bem beutfeben ArbeitSmarfte eingetreten: Ar*
beitslofiafeit als Solge giinftiger ©efcbäftslage! ,,^er Arbeits*
marft^ führt herüber in ber neueften Kummer aus: S'ie Stöhlen*
bergwerfe fönnen in ber £>o<bfonjunftur nicht mehr allen Anforbe*
rungen gerecht werben, bieS führt bereits gu VetriebSein*
febränfungen in manchen 3nbuftrieen; wenn fpegieß bie £)ocft*
Öfen ficb einfebränfen müffen, fo macht fld) ber fo entfte§enbc
Mangel an ÄofeS, Stoheifen unb ^albgeug an ben oer*
febiebenften Steßen ber Viafchinen* unb ßßetaßinbuftric geltenb.
So geigt ficb in ber |>ocbfonjunftur auf ber einen Seite Arbeiter*
mangel, unb als helfen <$olge auf ber anberen Seite Arbeits*
lofigfeit. Arbeitermangel fommt im Sohlen* unb ©ifengemerbc
gwar in jebem Srübjabr fteßenweis oor. 2BaS aber in biefeni
3ahr barüber berichtet wirb, iiberfteigt aßes fonftige Viaft. 9?ad)
Schäftungen, wie fie in bie £ageSpre|fe übergegangen finb, foßen
aßein im nieberrheinifdj*meftfälif<ben Vergbau gur 3*it 15 000
Veraleute fehlen. Db ber Arbeitermangel nun freilich aßein an
ber StoafS* unb ^ohlennoth fcbulb ift, beren ^folgen fo einfebneibenb
für ben Arbeitsmarft finb, wäre noch gu unterfueben. ®ie wiber*
fprucbSooßen ©rfebeinungen beS ArbeitSmarfteS treten auch barin
gu £age, baft bie ArbeitSnacbweife ein günftiges, bie Äranfenfaffen
weit efer ein nngünftigeS 3öh^n^ geben. ^)ie ArbeitSnacbweife
finb anbanernb aufter Stanbe, fooiel Arbeiter gu befeftaffeu, wie
oon ihnen oerlaugt wirb; auf 100 offene Steßen fainen im Slai
biefeS 3®h reg n ^r 98,9 Arbeitfucbenbe (gegen 114,i im Vorjahr),
hingegen hat im fiaufe beS Vtai ber ßRitglieberbeftanb ber Eranfen*
faffen um 1 o/ 0 weniger gugenommen, als im Vorjahr (nämlich
nur um 0, 6 % gegen 1, G °/o>- Aßerbings muft bei günftiger £age
fcblieftlicb auch einmal bie 3»nahme ftoefen, wenn neue Arbeiter
nicht mehr oorhanben fmb; aber eine gange Atigahl oon Waffen
geigen bireft einen SRücfgang ber Vefd)äftigten. 3« manchen Ve*
rufen ift bie 3af>l l>er Vefcbäftigten felbft geringer, als im Vor*
jahre. 3m Baugewerbe geigt fid) jeftt, baft ein milber Binter auf
baS Vaubebürfnift im Sommer oerringernb wirfen muft.
©emerbliche Pott itttbent tu Bresben» 2)ic Stabt
2)reSben hat Anfang 1898 ©rhebunaen über bie ©efammtgahl ber
aufterhalb ber gabrifen gewerblich tpätigen $inber angefteßt; nur
bie Vefcftäftigung in ber ßanbwirtbfcbaft, bem ©arten*, Dbft* unb
s Beinban uno bem ©efinbebienft blieb entfprecbenb bem befannten
©rfueften beS VeicbSfanjlerS, ber biefe ©djebungen anregte, aufter
Vctracftt. ^5ie ©rgebnilfe finb im leftten Verwaltungsbericht ber
Stabt mitgetheilt. oorfcbulpflicbtigen Alter fteftenbe erwerbs*
thätige ^inber würben oon ben Beamten ber s BohlfahrtSpoligei
nur 10 ermittelt, feineSfaßS aße. $)er Bericht Jagt unter Anberem:
Sie ©rftebung in ben Schulen ergab insgefauunt 5 772 aufterhalb
ber Gabrilen thätige ftinber, bas finb 17,o % bei* 33 822 .Hinber, bie
eine ber Sdjulen bcfudjten, auf bie fid) bie Zählung erfireefte, ober
13,7 °/u ber 42 184 Winbcr, bie überhaupt eine $>re»buer Volfsfchule
bcjiidjicu; cs ift jelbftoerftänblid), baft fid) eine wefeutlid) gröftere 3ahl
ergeben hätte, wenn auch bie im ©efiubebienfte beschäftig ton .Siinber ge=
gäfjlt worben wären. . . . Aicftt mit enthalten finb in ber 3ahl ber
gewerblich thätigeu fchulpflichtigen Alinber bic in ftinbcrbejrijäftiguugs*
Anftalteu befchäftigten unb bie ©horfäuger. Sie Vefdiäftigmig bei
fd)ulpflid)tigen Äiitbcr beftanb in ber Mehrgaftl ber ^älle (3 684) im
I Austragen oon griihftücf, Mild) unb Leitungen unb in fonftigen Voten=
1027
Sogiale $rajri$. (Eentralblatt für Sogtalpolilif. Ar. 38.
1028
gängcn, in 1 580 JäHen itt gewerblichen .f>anbrei<himqen int engeren
Sinne, in 249 hätten in joldien §>anbrei<hungen in Berbinbuitg mit
Botengängen imb in 32 fällen in .fraufirett ttnb Straßenoerfauf. 3m
(Gaftwirtbfchaftsgewerbe mären mit oerfdjiebenen Arbeiten 151, beim
Xheater nnb bei Sdjauftcllungen 76 ftinber befdiäftigt. — 3m engeren
Sinne gewerbliche Mitarbeit non Äinbern fmtb fic^ oorgugsroeifc 1. bei
ber Anfertigung non Stirfereien, Spipeti, (Garbinen, BJottroanren unb
23äfrf)c, 2 . in* ber Bud)binberei, ttartonnageu* unb Bapkrwaaren*
oerfertigung (XiitenMeben), 3. bei ber Strotan** unb Strohgeflcdjt*
^nbrifation KEtifettcneinnähen, Stuhlfledjten), ber Sdjneiberei unb ber
Berfertigung fünftlirfjer Blumen unb ber Schuhmacherei, 4. in ber Xabaf*
fabrifation (Abrippen).
3ntere[fant, befonberS auch im £inblicf auf bie agrarifd)e
^orberung ber Befchränfung beS Unterrichts in länblichen Schulen,
ift baS 3 u 9 *f*önbniß S3eric^t@, baß bie BormittagSarbeit ber
töinber in Bresben begünstigt roirb burch ben Umftanb, baß in
manchen Spulen für eine Anzahl ftinber ber Unterricht er ft in
ben fpäteren BormittagSjtunbeu beginnen fann, ba bie
Baumoerhältniffe bieö bebingen, benn nur für bie klaffen
ber Stufen I bis IV (14* bis 10jährige $inber) ift fe ein Unter*
richtSraum oorhanben, für je 3 Älaffen ber Stufen V unb VI
(9* unb 8 jährige) ntüffen 2 SRäume unb für je 2 Mlaffen ber Stufen
VII unb VIII (7* unb 6 jährige $inber) muß ein Äaum genügen.
Spieltriefc imb Sparfitm. Sie Lehre oon beit (GlüdSfptelen tourbc
bisher nur itt ber Aedttsroiffenfdjait, aber oerfdjminbenb menig in ber
Antioualölonomie unb Sojialpolitif eingehettber Betrachtung unterzogen.
XiefeS Berfäunntiß fuefjt nun Aubolf Sieg hart in feinem trefflichen
3Berfe: „Xic öffentlichen (Glücfsfpiele" (58ien, Berlag Mang, 1899) nach* .
^uholcii. Beim (GliicfSfpiel im Sinne ber Aationalöfononiie hanbelt es
ftch nach Sieghart in erfter Linie um bie Befriebigung jenes Bebürf*
niffcs nach Hoffnung, baS ben 3J?enfrfjen jeberjeit beherrfcht. 3 m ruirth=
idjaftlichen Sinne toirb es alfo barauf anfomnten, bas tiatnentlid) betn
toirthfchaftlich Bebrängteit eigene Bebürfniß, auf eine Lageuerbepentng
loenigitctts hoffen ju fönnen, berart gu befriebigen, baß ber Spieltrieb
aus einer oolfsmirthlchattlich fchäblichen ju einer öfonomifd) niißlidjen
Kraft umgeftaltet toerbc. Als baS Befte in biefent Sinne toirb oon
Sieghart bie Ueberleitung ootit Spiel* auf ben Spartrieb, alfo
oon einem umoirthfdjaftlichen 31 t einem toirtbidjaftlidjen Bebütfniffe be*
3 cichnet. (Es muß bie (Gelegenheit geboten werben, mit bem (Einfaße
eine (Glücfshoffnung auf einen Spielgewinn fo 3 U erfaufen, baß ber
Spieleinfap 3 ur Spareinlage, alfo ber Spieler allmählich gunt Sparer
exogen werbe. Unb bie (Gefahr ber Ausbeutung ber Beoölferung, bie
ftd) über bie (Ergebniffe ber Sahrfcheinlid)teitsredjnung, über bas Ber*
hältniß gwifchen (Einfaß nnb (Gewinn ^umeift faunt flar ift, fpridjt bann
ebenfo für bas ftaatliche Lotteriemonopol mie bie oolfspäbagogifdje
(Erwägung, baß oor Allem ber Staat in ber Lage ift, auf bie 2ranS=
formation bes SpieltriebS 3 um Spartrieb binguwirfett. Xas Lotterie*
ntonopol wirb bamit 311 einer Art oon gemeinnüßigem Monopol.
Sieg hart tritt in biefem Sinne für bie Unttoanblung beS Meinen Lotto
nnb ber in Xeutfdjlanb befteßenben ftlaffenlotterien in Sinfetilotterieti
ein. Bei biefen hätte als (Grunbfaß gu gelten, bah nie bie (Einlage als
folche, fonbern nur ein XßeU bes 3mSertrageS ben Spielgegenftanb
bilben barf. Aatf) Xerfung ber Bertoaltuitgsfofien märe ein Xheil ber
Bertoaltungsfoften für (Gewinnprämien 31 t oertoenbett, ein anberer bem ,
(Einleger gut 3 ufdireiben. Sieghart hat als Bermittler hierfür bie ftaat*
liehen Boftfparfaffen im Auge. Mit Aerfjt oenoeift er barauf, baß bie j
atljährlid) ben bürftigfteu BolfSfchichten burch bie Lotterie ent 3 ogenen |
(Gelber 3 ur Kapitalbilbung ober als 3 e ft r pfcnnig für Alter unb Kranf* j
heit Berroenbitng finben fönnten. (SS fei ein BJiberfprucß, baß auf ber
einen Seite fooiel oon ber ftaatlidjen Sojialpolitif gefprochen
merbe, baß aber auf ber anberen Seite berfclbc fo^iale Staat ben ioirth s
fdjaftlich Schmadjen, ben er förberrt toill, 311 einem Spiele oerleitet, bei
bem ber Staat bie Spargrofdjen beS Acrmften in Bitflionenbeträgcn
an fld) 3 ieht. 5Rur meun ber Staat ben Spieltrieb atlntählidj 311 m
Spartrieb er^ie^t, habe er ein gutes 9iedjt auf ben ausfehlieblichen Be*
trieb ber (Glücffpicle. Sieghart loeift übrigens auch an einer ftüHe oon
3 ahlenuergleicbungeit nad), mie fd)äblid^ bie heutigen formen bes öffeut*
lidjen (GlürfsfpieleS beifpielSmeife in Cefterreid) auf bie (Entmicfelung ber
Sparthätigfeit mirfert. 3a Defterreid) treffen baitad) auf 488 Spar*
faffeu 3433 Spielfammlungen in 1701 Öottofollefturen. Xie 3 »»ahmc
ber Spieleinlagen fleht im um gef ehrten Berhältitiffc 3 ur Bennehrung
ber Spielein lagen. 3 U 3 c *ten mirthfdjaf tlidien AiebergaugeS,
menu bie Spareinlagen abnehmen, madifcit bie Spieleinlagen
überrafdjenb fdniell. Xtefer 3 nfantmenhang geigte fid; in ben 3 af)ren
1868 bis 1873 überaus beutlidi. 3n biefen 3ahren bes Auffrfjmunges
gingen bie Spieleinlagen bei gleid) 3 eittger Steigerung ber Spareinlagen
3 urücf, mährenb oon 1873 bis 1878 , mäbrenb bes 5?rifenjahreS unb ber
barauf folgenbeu uugüufiigeu 3ahre gan 3 umgefehrt bie Spareinlagen
3 iirürtgingeu, bie Spieleinfäße aber ftarf mud)fen. Xas B?erf Siegharts
bictci eine AÜUe oon Ausbliefen auf bie Theorie bes (Gliicffpieles, mie
auf beffen (Eutipicfeluug unb beffen (Erfdjeinuugsformeu in ben oer*
idiiebencn Staaten (5-nropas.t^
) Xett gleidieu (Grunbgebanten hat übrigens fdiou Aug. Sdierl in
feiner 1894 erfdjieneiten Brofdjiire: „Xas ®iiniiterium (5ulenbnrg unb
bas Stherlfdje Sparinftent" entmicfelt.
Ktbeiterbenrgung.
s JWaffenan«fpemttig unb (Gettcralftreif ber Berliner Bhutrer.
Auf oerfchtebenen Bauten in Berlin unb Umgebung finb jiingft
• Btitglieber beS (EentraloerbaubeS ber Btaurer mit ber Sorberung
einer Erhöhung beS StuitbenlohneS oon 60 auf 65 Ai bei ber
üblichen neunftünbigeu Arbeitszeit heroorgetreten. X)ie 3forberung
mürbe auf einigen Bauten bcmiHigt, auf anberen abgelebt. X)ie
Ablehnung touroe mit Shcberleguug ber Arbeit beanhoortet, mährenb
auf ben bemittigenben Bauten bie Arbeit fortgefefct mürbe. X)er
Berbanb ber Bauunternehmer Berlins unb ber Bororte erblicfte in
ben XheilauSftänbeu eine „^erauSforberung" unb beantroortetc
biefe mit einer allgemeinen AuSfperrung ber Btaurer.
X)ieS hatte 3 ur bafe ber ©entraloerbanb ber s D?aurer ben
allgemeinen Ausftanb proflamirte, bem fich auch bie Iofal
organifirten Maurer, bie, obgleich fk feine gorberung gefteflt, eben*
fats anSgefperrt roorben roaren, anfthloffen. Auch bie im herein
„Arbeiter)chuh" organifirten chriftlichcn Maurer, bie ebenfalls oon
ber AuSfperrung betroffen roorben maren, fchloffen fich bem 0treif
an, motten aber burch eine befonberc fiohnfommiffion ohne SRüd*
ftchtnahme auf ben lofalen unb centralen Berbanb mit ben Meiftern
in oorrnhtiger Bßeife Uuterhanblungen anfnüpfen.
Qn Unternehmerfreifen ift angeregt roorben, bie AuSfperrung
auf gan 3 X>eutfd)lanb au^ubehnen, um ben „Uebermut^" ber
Arbeiter enblich 3 U brechen. 3» bem 3mecfe roar oon bem fonfer*
oatioen CanbtaaSabgeorbneten Bauineifter 8 feli[ch 311 Montag,
19. 3uni/ eine äonferen 3 beutfcjher BaugeroerfSmeifter nach Berlin
einberufen roorben. Berichtet roirb, bafj bie auswärtigen Berbänbc
ftd) mit ben Berliner Unternehmern cinoerftanben erflärten, unb
baß am 27. Swtti ein $?ongreft oon $)elegirten beS Baugeioerbes
ftattfinben foll, um über weitere Maßregeln 3 U befchliefecn: bocf)
fchien ein Angebot auf Bermittelnng oor bem ©eroerbegeridjte auf
günftigen Bobcn 3 U fallen. 3 UDOr f^ on f tn ^ oom Berliner Unter*
nehmeroerbanb bie Arbeitgeber in ber Bnroing ^ ur( ^ 9tunbfdhreiben
aufgeforbert roorben, „feinen aus Berlin unb beffen Umgebung
fommenben Maurer 3 U befchäftigen".
3n Solge ber AuSfperrung unb ber B^oflamirung brs
©eneralftreifS ruht auf ben Bauten Berlins unb ber Bororte, Jo*
roeit Maurer unb beren £üilfsarbeiter (Stein*, Mörtel*, B?afjci*
I träger 2 c.) in Örage fommen, bic Arbeit faft ooüftänbig. Auch ein
I Xheil ber 3 immerer foll bereits 'Seierabenb erhalten höben, meil
! für fie feine Arbeit oorhanben ift. Bei längerer X)auer beS
! Kampfes muffen natürlich auch meiter bie X)adhbecfer, Klempner,
I Bautifdjler, Xöpfer, ®lafer 2 c. in Mitleibenfdjaft ge 3 ogen
roerben. Auf einigen Bauten inbeffen, auf benen ber 65 4*^ un b*n e
lohn beroiHigt roorben ift, roirb weiter gearbeitet. 3 um ge¬
hören bie betreffenben Unternehmer bem Berbanb nicht an, 30111
3T^eiI fehren fte fich nicht an beffen Befchlufe. Um auch hkr bie
Sperre burd) 3 ufehen, h Q f ber Untentehmeroerbanb an bie Siefe*
ranten oon Baumaterial ein Schreiben gerichtet, in welchem lejjterc
aufgeforbert roerben, mährenb ber S)auer beS Streifes Bau*
materialien roeber an folche Unternehmer 3 U liefern, welche fich bem
Arbeitgeberbunb nicht angefchloffen hoben, nod) auch an biejeniaeit
Mitglieber beS BerbanbeS,ioeIcheroeiter arbeiten laffen. £>ieMitglieoer
einer befonberen AgitatioiiSfommiffion beS BerbanbeS füllen aufeer*
bem bie Maurermeifter, bie weiter arbeiten laffen, perfönlidj be*
fuchen unb fie oeranlaffen, ihre Bauten $u fperren unb bem Ber*
banb bei 3 utreten. Öehterer foll benn auch bereits an Mitgliebern
beträchtlich gewonnen haben. — (Gearbeitet roirb übrigens auch auf
ben Bauten, bei benen Menfchenleben in (Gefahr fommen fönnen.
X)ie Arbeiter fcheinen gunächft über Mittel 311 oerfügen; es
finb ihnen folche auch aug & eit größeren Stäbten 001 t ben Maurer*
orgaitifationen 3 ugefagt roorben. X)ie unoerheiratheten Maurer haben,
mitBeifcgelb auSgcftattet, auf Bef chluß Berlin 3 um großen Xheil bereits
oerlaffen. 9?ach bem „BorroärtS" foll ihnen in Den meiften fJäHeii
außerhalb fichere Arbeitsgelegenheit nachgeroiefen roorben fein. Jrei*
lieh roirb fich erft feigen uuiffen, ob baS 9tunb[dhreiben beS Berliner
UnternehmeroerbanbeS an bie auswärtigen Meifter nicht (Erfolg hoi
(Einige Berliner Blätter warnen oor einer Ausbehnung ber
Sperre über baS gange Sfteich, weit bieS nichts weniger bebeuten
roiirbe, als bie Lahmlegung ber Bauthätiafcit im gangen Gleiche
mährenb ber Baitfaifon, roaS eine öffentliche Kalamität oebeute. X)aß
bic Sorberung oon 65 4 Stunbenlohn baS mit allen Mitteln bes
fdjärfften XcrroriSmuS arbeitenbe Borgehen ber Unternehmer nicht
rechtfertigt, beroeift fchon bie Xhotfadje, baß biefer Lohn über
Xanfenb Maurern bewilligt roorben ift. X)ie LebenSoerhältniife
Berlins laffen biefen Lohn auch für Saifonarbeitcr, bie einen ^Ih ' 11
bes 3ahreS feiern muffen, nicht 311 hoch erfcheinen, unb wenn bie
1020
©ogiale fragte, ©entralblatt für ©ogialpolttif. Mr. 3«.
1030
Arbeiter bic günftige BauFonjunFtur auSnüßeu wollen, fo Fann man
ihnen bieS nicht oerbenFen. Bisher ftnb auch grobe Ausbreitungen
ber Arbeiter, bie fid) im Allgemeinen großer Muße befleißigen, ntd)t
gu oergeießnen geroefen. Bei ber Erregung, in ber fi<h bie 2fr*
beiter in $olge beS ©efeßentwurfeS gum ©djuß beS gewerblichen
ArbeitSoerhältniffeS befinben, Fönnte aHerbingS eine allgemeine
AuSfperrung über baS gange S^eidf) leicht oerhänanißooH roerben.
Unter biefen Umftänben fann man nur wünfdjen, Daß bie im 2Berf
befinblühe Vermittelung beS berliner ©ewerbegerichts oon ©rfolg
begleitet fein möge. _
Det Föufmamtifdje wtb getoerblidje $ilfsmetn für toeiölidje An*
geftettte 3« Söerlii Mach bem SahreSbericßte für 189« entfaltete ber
Verein eine rege Sljätigfeit gur Vefferung ber Sage ber Slngefteüten
unb bemühte fid) namentlich um eine Verfügung ber ArbeitSgeit. SSäßrenb
beS neunjährigen VefteßenS bes Vereins ift cs gelungen, bie 10 000. ©teile
gu beferen, roooon auf baS gaßr 1898 allein 2500 Fommen. 'Sie gort*
bübungSanftalt beS Vereins unb bie $anbelsfd)u(r mürben burdjfdjnitt*
Uch in jebem Halbjahr non 600 ©chülerinnen befucht. @ut bewährt hat
fid) bie ©inrid)tung ber gerienheime unb ©ontmerfrifchen, bie bei
mäßigen greifen beit SRitgliebern gur Verfügung ftehen. Das alljährlich
an bie Wefcßäftsin habet gerichtete ©rjudjeu um ©eroäbrung non Sommer*
Urlaub unter gortjahlung bes ©ehalts ift oon ftets fteigenbem (Erfolge
begleitet, gür bie Unterbringung bebiirftiger Vütglieber in einer
©ommerfrif^e finb 4439 M. ausgegeben worben. ©tarf in Anfprud)
genommen marb ber freie Medjtsratf) bei groei Verliner MechtSaumälten.
Sie Vibliotß.F benußten burfrfifdjnittüd) 1200 Seferinneit. Das Vereins*
orgait „SRittbeilungen für roeiblitfje AngcfieHte" erhielten bie VFitglieber,
beren 3aßl am gabreSfcijiuß 11 362 betrug, unentgeltlich gitgefanbt.
Ser ©efammtetat aller Veranftaltungen betrug 232 000 M .
3«t Bergarbeiterbemegiinö in Sranftttih. Aus ^aris mirb
uns gefcfjrieben: unmittelbaren Anfd)luß an bie Arbeitsein¬
stellung in beit ©chneiberfchen ©ifenwerfen oon ©reufot (oergl.
„©oktale gratis" Mr. 36, ©p. 984) fiitb am 6 . 3uni in beit be*
na^barten ©rubenbegirFen oon 9Rontccau»leS»3RineS (Departement
©aonc-Soire) umfaffenbe BetriebSftörungeu ausgebrochen, melche
burch bie Dheilnaßme einiger anberer ©ewerbegtoeige gu einem
©eneralftreiF auSguarten broheit. Der ©dßwerpunFt ber Bewegung
bleibt natürlich bei ben Bergarbeitern, bie beu ©runbftocf ber Be*
oölFerung bilben uitb bis gum 17. Suni fämmtlich (etroa 10 000)
ausftänbig geworben finb. 2luf Bennittelung beS VräfeFten haben
fie nur bie gur ©icheruug ber ©ruben nöthigen ßeute gum
Arbeitsantritte eittfanbt. Der ©treif fteUt [ich burchauS als eine
Sortfeßung bes AuSftanbeS in ben ©cßneiberfchen SBerfen bar,
beren hmüfdieS BetricbSfgftem, mit Ausnahme ber VSoßlfahrtS*
einrichtuugcn, in ben ©rubeit oon Btontceau getreulich fopirt mirb.
©igenthiimerin ber ©ruben ift bie AFtiengefeÜfchaft ©h a 9°* & @ 0 .
mit bem ©iße in VariS. Die £ohuoerbältniffe in ihren Betrieben
finb nicht glängenb. Mach ber amtlichen ©tatiftif ift ber burch*
fchnittliche Dageloßu für Uutertagarbeiter 4,47 SrcS., mährenb ber
Durchfchuitt für gfraitfrcidh 4,54 gfres. beträgt, wobei umaeFehrt
bie burchfchnittliche Sah^probuFtion beS in SRebe ftcgcnbeu
SReoicrS oon 316 Donnen pro Arbeiter ben SanbeSburchfcßnitt um
14 Donnen iibcrfchreitet. Auch ift bie $ahl ber jährlichen Arbeits¬
tage oon 292 eine ber göchflcu aller frangöfifeßen Bergbaubiftrifte.
Die ArbeitSoerhältniffe finben in einem abfolutiftifcßen VerwaltungS*
fpftem ihre ©rgängung. Wach bem 3 ^ u 9 n ^6 ^cr ©treifenben wirb
eine aus politischen Wcotioen entfpringenbe peinliche Äontrole aller
Befchäftigicn förmlich organiftrt. 6 s egiftirt gu biefem
befoitberer Ausfluß, burch ben alle Bewerbungen um Arbeit ge*
prüft werben. Das genaue ©treifprogramm umfaßt bie folgertben
Bunfte: 1. Daglöhne oon 6 gn:S. nebft 5% ©ewinnantheil für
bie Bergleute; 2. ßöhne oon 4,50 gfrcS. für bie görberer; 3. Söhne
oon 3 $*cS. für bie Sugcnblichen oon 16—18 3<*h* cn wnb 4. oon
2,50 gfrcS. für fol<he unter 18 S^gren; 5. llnterbrücfung beS ae-
heimen UebermachungSaitSfcbuffeS; 6 . Mrefte Bewerbung um Be*
fchäftignng bei ber Betriebsbireftion; 7. Adjtftunbentag, ©in* unb
Ansfahrt inbegriffen; 8 . 14 tägige 3«hlperioben unb 9. ©ntljaltung
oon ^Maßregelung ber AuSftänbigen. 2Bie eingehenbs fchon bemerft,
fanb ber AuSftanb ber Bergleute ein ©d )0 bei anberen Subuftrieen.
©S gaben fid) bic Arbeiter einer ©pinnerei, ferner ber ©laShütten
oon Blangp unb faft bes gefauimten Baugewerbes ber ©egenb
angefchloffen, fo baß beträchtliche Drnppenmaffen gur Aufrecht*
erhaltung ber Drbnung aufgeboten würben. Der glüefliege Aus*
gang beS AuSftanbeS oon ©reufot erhöht ben s JRuth ber ©treifer,
bie übrigens fofort bereit waren, baS 00 m Vräfeften eingeleitete
legale ©migungSoerfahren artgunehmen, welches auch oon ber Be»
tnebsbireftion acceptirt unb auf beren Verlangen nur oertagt
worben war, um bie ©ntfeheibung ber Direktion ber Aftiengefeu*
f<haft in $aris gu erwarten. Diefe leßtere hot nun ben ©inigungS*
oerfueß mit bem Bemerfen, baß fie Feine offizielle Ä'ennlniß oon
ben Befchwerben ber Arbeiter befiße, giemlid) brutal abgemiefen,
was ben Siberftanb ber AuSftänbigen inbeffen nur erhöhen Fonntc.
Die Berichte ber ©ewerbe-^nfpefttoit im Königreich ©achfen für
baS 3toh* 1898,*)
Die 3ah rc ^‘t ,er i ( hte ber fäcßfifchen ©ewerbeinfpeFtoren beftätigen
auch biesmal bie in biefen Blättern — gulefct bei Befprechung
ber oorjährigen Berichte im Soh^Ö- VII ©p. 1118 — oertretene
Anficht, baß bie ©emerbeaufficht im gemerbreichften Öanbe Deutfeh*
lanbs leiber weit weniger oon fogialpolitifdjen ©efichtSpunFten gc*
leitet wirb als bie SnfpeFtion in beu fübbeutfegen ©taaten. ©S
ift ben meiften Beamten noch nicht einmal gelungen, in ein be*
friebigenbeS Verhältniß gu ber Arbeiterfchaft gu Fommen, mährenb
fie auerbingS mit fichtlidjem ©tolge heroorheben, wie fehr fie fieg
bes Vertrauens ber Arbeitgeber erfreuen. ©0 berichtet ber ©e*
merbeinfpeftor für DreSben wörtlich: »Der VerFehr mit ben
Arbeitgebern war wieberum ein überaus reger; gumeift
hanbelte es fieg um SRücFfpradjen über projeFtirte Weu* unb ©r*
weiterungsbauten gewerblicher Anlagen, gum eilen auch unt bie
Durchführung oon behörblidjerfeits angeorbneten ©chußmaßnahmen
Der VerFehr mit ben Arbeitern war bagegen ein feg wacher; faft
ausnahmslos traten fie als Befchwerbeführer (jegen ihren Arbeit¬
geber auf." Der Beamte beS Sreiberger BegtrFs berichtet: „An
Bureauftelle fprachen in 118 Säften Arbeitgeber unb Arbeitnehmer
oor, um fid) in Angelegenheiten ber DampfFeffel* unb Sabrifen*
Beauffichtigung fowie in ßohnftreitigFeiteit Math unb Auffchluß gu
erbitten, ©elegenheit gu Unterrebungen mit Arbeitnehmern mährenb
ber SReoifionen h at U<h Allgemeinen wenig geboten; hi^u
muß bemerFt werben, baß bie Arbeitgeber, welche meift bei ben
SReoifionen guaegen ftnb, ftd) leiegt oerleßt fühlen, wenn an ihre
Arbeiter oon bem reoibirenben Beamten fragen gerichtet werben.
Mur in einem Salle ftedte ber Arbeitgeber nach beenbeter SReoifion
bem QnfpeFHonSbeamten anheim, fid) allein mit ben Arbeitnehmern
gu befpredjen, mit bem £>ingufügcn, baß bieS in feinem früheren,
außerhalb ©athfenS gelegenen feirFungSFrcife oon ben AuffichtS*
beamten in biefer BJeife gehanbhabt worben fei." Dem Beamten
liegt es offenbar gang fern, fid) ben Kopf barüber gu gerbrechen,
ob baS Verfahren feines außerfädjfifdjen Kollegen fidj nicht gur
Madjahmung empfehlen würbe, ©r regiftrirt es einfach als eine
feltfame Dhatfadße, mit ber er weiter nichts angufangen weiß. Die
hier ausgesprochene SRücffichtnahme fclbft auf Die ©efühle ber Ar¬
beitgeber läßt ben in allen Berichten einmüthig nachgemiefenen be*
friebigenben VerFehr mit biefen in einem eigenthümlichen Siegte
erfchemen. 3n ben Dienfträumen ber 3nfpeftion Söurgen erfegienen
275 AuSFunftfuchenbe, oon benen 157 Befißer ober Leiter gewerb¬
licher Anlagen, 112 ArcgiteFten, BaugewerFSmeifter, SRafdßinen-
fabriFanten ober Ingenieure, 1 .^anbwerFSmeifter unb 5 Arbeiter
waren, lieber einen ftärFeren VerFehr mit beu Arbeitern als im
Vorjahr berichten nur bie Beamten oon ÜReißen, 3 ro ^ au
Aue. Das größte Vertrauen in ben Kreifen ber Arbeiter genießt
ber ©emerbetnfpeFtor oon Annaberg, bei bem in 69 Süllen Unter¬
nehmer unb beren Vertreter unb in 53 BkrFführer, Arbeiter unb
Arbeiterinnen um AuSFunft baten.**) Das Vertrauen ber Unter¬
nehmer gu bem ©emerbeinfpeFtor fegeint hiernach in bem ©rabe
gu erFalten, in bem fieg basjenige ber Arbeiter fteigert.
Angefid)tS beS ©efeßentwurfeS gum ©thuße beS gewerblichen
ArbeitSoerhältniffeS miiffen natürlich bie 3Rittßeilungen ber Auf*
ficßtsbeamten über ©treiFoergehen unb mangelnben ©cguß ber
Arbeitswilligen befoubereS Sntereffe erregen, benn gerabe in
©achfen wirb am lauteften über Arbeiterterrorismus geFlagt. hier¬
bei ift aber bie 3^hl °on Beftrafuugen, bie im oerfloffenen
Sahrc gur Kenntniß ber SabriFinfpeFtoren geFommeit ift, eine gc»
rabegu erftaunlidß niebrige. 3ßir haben fämmtlichc Sülle oon Be»
ftrafungen, bie in ben Berichten erwähnt werben, ausgegählt. ©s
finb beren nur fünf, worin brei wegen Vergehen gegen §. 153 ber
©ewerbeorbnung, bie mit einmonatiger ©efängnißftrafe gebüßt
würben. (Streitfälle werben im ©angen 33 berichtet aus 10 Bc*
*) Sufammenaeftellt im Kgl. fädjf. äRinifterium bes Suueru. Dresbeu,
Vudjbruderei oon g. Öommaßfd) (A. ©djröer).
5i: *) Der gleiche Veamte hat aud) bie meiften Acotfioncn oorgenomiiicn,
iubem er fämmtliche Veh'iebe feines Vegirfs reoibirtc, mährenb ber
SabriFinfpeftor beS Vegirfs DreSben nur 34,7 % ber Betriebe reoibirtc,
troßbem er einen neuen Affiftenten erhalten halte.
Sogiale ^ra£i$. Gcntralblatt für Sogialpolitif. Ta. 38.
10:12
1031
Riffen. Sit brei Segirfen famen überhaupt feine Arbeitgaugftäube
ober Augfperruncjeit oor. Die SRadjroeifungen finb infofern un*
gleichartig, alg bie einen ^öericfjte nur in ben ber ©eroerbeaufficht
ünterfteßten Setrieben Streife aufführen, roährenb bie anberen
and) g. S. bie Streifg ber Sauarbeiter mit aufführen. Sßenn aud)
nicht tjerabe häufig, fo ift bocf) in manchen Säßen bie 3afß ber
angftanbigcn Arbeiter nicht angegeben. $ach ben Senaten roaren
in ben fcfton ermähnten 33 Streiffäßen 1167 Arbeiter augftänbig.
Am bcbeutenbften roaren bie Streifg irn fieipgiger Segirfe, roo ficf)
an fedjg Streiffäßen 550 Arbeiter beteiligten. Die größte Aug*
bebnung batte l)ier ber Streif ber ^Robeßtifcfjler, ber ficb auf
19 Fabrifen unb 112 Arbeiter erftrerfte. Der Streif enbigte nad)
Mroöd)iger Dauer mit einer fiobnaufbefferung um 11%, fo bafc
oon nun ab 45 4 für bie Stmtbe beja^Xt mürben. §ier fam eine
eingige Seftrafung oor: din Schloffer mürbe roegen Sebrobung
ber Mitarbeiter im Sinne oon §153 ber ©eroerbeorbnuna 3 U 14 Dagen
©efängnifj oerurtbeilt. Sebenfaßg liefern bie in oen Senaten
niebergelegten Dhatfadjen feinen Seroeig für bie gunehmenbe Ser*
robung großer Solfgmaffen, oon betten bie ®enff<f»rift fpridjt.
Drop ber anhaltenb giinftigen inbuftrießen ftonjunftur bol
fid) bie mirtbfdjaftlicbe ßage ber Arbeiter faum mefetttlicb oerbeffert,
ba bie drböbung ber £öbne oon einer Steigerung ber Fleifdjpreife
unb 3Sobnunggmietben begleitet mar. Die Angaben über &öbne
finb red)t fpärlid). ^ieroon macht nur ber Annaberger Serid)t
eine Augnabme, ber überhaupt gu feinem Sortbeile oon ben übrigen
Sericbten abftid)t. Die niebrigften b^r nadbgeroiefenen Sabreglöfjne
betragen 300—400 J(, bie fjöcbften 1500—1800 jtL Heber bie
Arbcitggeit, bie Arbeitg* unb £ebengoerbältniffe ber Arbeiter, über
bie Sfpcbologie ber Arbeiterberoegung erfahren mir überhaupt nur
fel)r menig. Defto mejjr über SJoblfabrtgeinricbtungen, mag, fo
bodt) man ihren Skrtf) auch oeranf^lagen mag, für bie fonftigen
Mängel unb dürfen nicht 31 t entfdjäbigen oermag. Die Sabieg*
berichte ber ©eroerbeinfpeftion erhalten eben erft babttrch ihren
Skrtb, menn aug ihnen 31 t erfeben ift, melcbe SSirfung ber Ar*
bciterfcbub int roeiteften Sinne auf bie Arbeiter felbft bat. 3«
biefem Sinne foß ber ©eroerbeinfpeftor an einer groben Kultur*
aufgabe mitarbeiteu, unb mir ftimtnen oößig bem alien SRofcber bei,
menn er fagt, bafj eg menig Aemter giebt, bie in ber #anb eineg
tüchtigen Mauneg mehr Segen ftiften tonnen, alg bag eineg Fabrik
infpeftorg. Söettn er aber fortfäfjrt: „Darum ift ihre oerbältnife*
mäßig grobe Angabi int Königreich Saufen eine ber fdjönftcn
Seiten ber fäd)fifcben ©eroerbepolitif," fo müffen mir hoch auch
auf ©runb ber biegjäbrigen Serid)te ^itt^nfiigen: Die 3a bl aßein
macht e* ttidjt, eg bebarf oor aßettt beg richtigen ©eifteg, ber bie ©e*
erbeaufficht leitet. Hub roenit auch jüngft itn Seidjgtag oon einigen
fäd)ftfcf)cn Hbgeorbncteu ber gnbrifinfpeftion ibrcg Itanbeg ein ßoblieb
gelungen mürbe, ber Sojialpolitifer mirb baritber anbei** bettfeti.
©ctoerbeanffidjt unb Ortgpoligeu dine benterfengroertbe
Sefanntmadjung erlabt bag Segirfgamt Shinfiebel (Dberfraufen):
„9tadt Mittljrilung ber ©eiüerbcauffiditgbeamtcn finbett bicfc in
ihrer ÜHeuifionstbätigfeit Seitens ber CrtSpoltgcibcl)örben immer ttod)
nicht bie nötliige Unter[tübung, uttb c* fiitb fpe.peH bie formellen Sor*
l'dirifteit ber (ttemcrbeorbmmg, mie bie Führung ricfttiger Arbeitsbücher,
ititb gioar and) in ben banbiurrfaniänigen Setrieben, bie Anfdjlägc über
bie Scidjäftigniig ber Arbeiterinnen unb jugenblidjen Arbeiter, bie
Rührung ber Sonntags^ArbeitSuergcidjuitfc u. f. w., melcbe noch nnuer=
hältnifunäbig oft 31 t Sean|tnnbungen ^tulaß geben unb Seitens ber
Crtspoligcibcbörbcit bei ben Aeoifionen genauer 311 beachten mären.
Tie Crt*poligribebörben merben balicr mieberbolt angemiefcn, nach ber
be 3 eid)ucteu JHidjtung eine regere Tbätigfeit 311 entfalten. (Merabe bie
rrtgpoli 3 eibel)ßrbcu uermögen auf bem V^ebictc ber ©cmerbeaufficht mit
beiouberem drfolgc tbätig 311 fein, ba fie eincrieits burd) bie ^Ibfießung
mabrgenommener Minftänbe ben Sotl 3 ug ber gefeplicben Seftimmmigen
iidiern, anbererfeitv aber auch bie beteiligten Arbeitgeber burd) Sc=
leljrung unb Sermabrnng oor Unaunebmlhbfeiten unb ingbefonbere
Scftrafungen bemabren föuncn."
3 ur llnfaßocrbütung im Saugemerbe mirb geforbert, bafe
bie llnfafloerbiituuggoorfcbriften in* ^lafatform an ben Sauten
auegebängt merben müffen unb baft poliere unb Arbeiter bie Sor*
fdjriften aud) befolgen follen. Gute regere .Slontroße unb fofortige
llufaß*Ait 3 eige mirb juttt Schluß in Anregung gebrad)t.
$0)iale JQqgletie.
Die Abnahme ber Dmnffneht in Dentfchfanb.
3 m l^aufe ber lebten betben f)at Deutfchlanb bent=
lul)e Aortfchritte in ber Sefäntpfung beg Alfoholigntitg gemad)t.
Gütigen Fachmännern mar eg immer befaitnt unb idi habe biefe
Sefferung feit 1887 immer betont, ba ich 3 cu 9 l ”ff e baoon faft ang
aßen Dheileit beg SRctcheg erhielt. Seht liegen aber eine Menge
3 ahlenmäfeiger Angaben oor; ber Serliiter Ar 3 t Dr. 0). Jeimann
|at fie in einem Auffafce: „Dag Sorfotnmen oon Alfoholigtnuö
in ben ^eilanftalten Srenfeeitg" für bie 3 eilfä) r W beg preußifd^en
ftatiftifdjen Sureaug jufammengefteflt. golgenbeg ftnb für ben
ßaiett bie lehrreichfteit 3 a bl en -
Sn ben aflaemeinen .geilanftalten ^reufceng merben feit 1886
jährlich 10 000 big 11 000 Drunffüdjtige Behanbclt; ihre ßah^
faum, obroohl bie 3 a hl fämmtlichcr Patienten biefer Anftalten um
54 o / 0 3 ugenommen hat. Son hunbert in biefen itranfeuhäuferu
behanbelten 5äßen fanten 1886: 2 ,7 auf Drunffucht 1895: 1,*».
Die 3ahl ber Alfoholiften mar unb ift in biefen Käufern fid>cr£idj
größer, hoch bag macht für ben Sergleich nidjtg aug. Dafe auf
100 Alfoholiften afletnal 6 big 8 big 10 grauen fommen, fei ein
für aßemal bemerft. ©eftorben finb an Alfoholigmug in biefen
Anftalten 1877 big 1880: 290 big 348; 1881 big 1890 : 259 big
476; 1891 big 1895: 226 big 306; bie hödjfte 3af)l war 476 im
Sahre 1887. SHr fehen aßeg in aßem eine grofee Sermitiberung,
ba ja bie 3 a hl fämnttlicher Patienten oon 379 335 auf 582 933
geroadjfen ift.
Gbenfo gut ift bag Grgebnife für bag ganse SReich. Auf
100 itranfheitgfäße, bie in ben 5Xrattfenhäufern beg $Reichö behanbclt
ftnb, famen 1886 big 1888: 2,7 oon Alfoholigmug, 1889 big 1891:
1, 5 ; 1892 big 1894: 1, 3 . Son 1876 big 1885 mar ber Durch*
fdjnitt 1076, oon 1886 big 1895: 1224; biefe 3nnabme ift roieber
oiel fleiner alg bie 3nnahme beg aefammten tonfenbeitaitbeg.
Siele Patienten an 0äufermahufimt fommen in bie Srrenhäufer,
beren cg 1895: 225 mit 60 701 Satienten in ^reufcen gab. Sou
100 ihrer männlichen Patienten litten oon 1886 big 1895 am De¬
lirium tremens: 7 — 7 — 4 — 4 — 5 — 4 — 4 — 4 — 4 — 4.
Die grofee Abnahme geigt fich roieber 1887/88. Setrad)teit mir
nur bte öffentlichen grrenhäufer Serling, fo fittben mir 1886 unter
100 Serpflcgten 23 gäße Säuferbelirium, 1895 nur 12; 1886 bi*
1890 itu Durchfchuitt 17,8, 1891 big 1895: 12 , 3 . Auch für gang
Deutfchlanb finb bie 3ah^a ßünftig. Son ben männlichen ttraufen
ber Srrenanftalten litten 1886: 14, 1 % am Säuferioahn, 1887:
13^; 1888: 9, 0 ; 1889: 9, 4 ; 1890: 9, 8 ; 1891: 8,»; 1892 bie
1894: 9 , 4 .
Aud) bie Seridjte ber Stanbegbeamten beroeifen bie Abnahme
beg Säuferbeliriumg. Sic finb ja gerabe in biefem Sanfte fehr
mangelhaft, ba folche Dobegurfache lieber oerfd)miegen alg genannt
mirb, aber biefe Sertufchung herrfdjt hoch immer. 9?ach ben Sc^
richten ber Stanbegbeamten jtarben in Sreufeen oon 1877 big 1887
jährlich 3 ioifd)en 1080 unb 1429 Serfonen, ooit 1888 big 1895
bagegen nur 544 big 664; 1887/88 finben mir eine plöfclidje Ab=
nähme oon 1108 auf 582. 3teh* man a M) n0( ^ bag 2Bad)gthum
ber Seoölferung in Setracht, fo ftarben 1877 001 t 100 000Üeben=
ben männlichen 6Jeid)led)tg an Säuferroahnfinn 8, 0 ; 1881: S, 6 :
1885: 9, 0 ; 1890: 4 /t ; 1895: 3 /5 . gür Serlin haben mir Angaben
feit 1835; in ben fcd)g Sahrgehnten big 1894 ftarben bort am
Säuferroahn im Sahregburchfchnitt 43 — 39 — 31 — 24 — 16 —
33. Sei bem $Eöacbgtb»ni ber Seoölferung oon 265 122 au»
1 677 304 bebeutet bag eine fehr ftarfe Serminberung. Sni gangen
preufeifchen Staate ftarben oon 100 000 Männern gmifchen 30 unb
60 Sahren, alfo bem Alfoholigutugaltcr, 1886: 23, 1 ; 1891: 11 ;
1895: 9,i.
Öehrreid^ finb auch bie 3ahlcn, bie ber Mebtginalrath 0011
Hamburg liefert. Dort ftarben oon 10 000 dinmohneru au
Alfoholigmug 1871: 1 , 03 ; biefe 3iff cr ftieg big 1888 auf 2, 04 , fiel
bann im nächften Sahre plöjjlid) auf 0 , 7 6 unb hat feitbem
nicht mehr überfdjritten.
Aug aßen biefen 3al)len lefen mir leicht h^raug, bafe neben
ben aitbaucrnben llrfachen größerer Mäfeigfeit noch eine gang be-
fonbere im Sah** 1887 ciugetreten feilt mufe, unb bag ift bie in
jenem Sah« erfolgte drböbung ber Sranntroeinfteuer. Daburd)
ftieg ber S re ^ beg Sranntmcing erheblich, unb um bag nidjt fo
I empfinblkb 3 U tnad)eu, griffen bie SMrtf)e unb §änbler gu beut
1 Mittel ber Serbnnnung. 3Bie fd)toach X^eut^utage ber Srauntroein
! in ber Siegel ift, roeife man in meiteren Mreifen faum. din Sor-
! ftanbgmitglieb beg Sereiug ber Spiritugfabrifanten hat neulich in
i einem Dorfe bei fünf SJirtfjeu Sroben entnommen; ihr AlfoboD
! gehalt betrug nur 17,9—23, s %; bag Üiter foftet nicht unter
: 0 , r ,o // Der drfolg biefeg GJefejjeg prebigt laut.
! Die aßmäf)lid) unb aitbauernb mirfenben llrfachen grö| 3 crer
Mcjhigfeit finb machfeuber s Bol)lftanb, beffere Solfgernähnmg,
belfere Solfgbilbung, befonberg aud) beffere Aufflärung über bie
I Gefahren beg Alfoholg. 6)erabe feit ber 3 C 6/ l ^o bie Abnahme
lcm
Soziale PragtS. Eentralblatt für §o$iaIpolitif. Rr. 88.
1084
ber Xnuiffud)t beutlid) wirb, haben mir eine frifeße 3 miahme
BtäßigfeitS* unb ( 5 nt£>altfamfcitöüercinc uitb ißrer oorbeugenben
unb rettenben Beranftaltungen. 2Sir triften, baß fte nur einen
flehten Brucßthcil beS Bolfes birelt beeinffuffen, aber fie haßen
mittelbar bocß auch Sernerfteßenbe bebäeßtiger unb oorfießtiger
gegen ben Alfoßol, namentlich in feinen ftärfften Sonnen, gemalt.
Um allerlei Einwenbungen bie <0pifee absubreeßen, oerweifen
mir auf bie lleberfdjrift biefeS ArtilelS. ES ift barin nur eine
Abnahme ber £runffucßt behauptet, b. ß. ber fcßlimmften Sonnen
unb folgen ber Strinfleibeufd^aft. 3>aß baS Drinfen abgenommen
ober ber Bierfoitfum ober baS BHrtßSßauSleben abgenommen
batten, lehren mir nid)t; mir miffen auch re<ßt gut, baß ber
©cßnapS auch jeßt noch baS beutfdje BollSgift ift, unb baß aße
mitgetßeilten tröftlicfjen Angaben unS ni<ßt abbalten bürfen, ißn
unb feine Sürfprecßer 311 befämpfen, ebenfo, toie mir ©ogialreformer
fein nuiffen, auch menn mir fo^iaie Befferungeti feßon entließen feben.
,J)ilbeSheim._Br. 2Ö. Bobe.
Sretbfiber für ©djuIHitbeir. Der ©tabtratß oon SeebS bat be*
fditoffen, ben ©dutlfinbern bie unentgeltlicbe Benußung ber tommunalen
©djmiinmbäber gu aeftatten, unb befteHte für bie nötige Aufficßt oier
Bcbminimlebrer für bie Shtaben unb gwei ©cbwimmlebrerinnen für bie
SOtäbrfjen.
BtoljitimgStoefett mtb ©terbltcßfeit ttt Stberpool. Der 3 al)re$berid)t
ber ^ioerpooler ©anitätSbeßörbe pro 1898 tonftatirt, baß in manchen
ber ärmeren ©tabtoiertel bie ßinbcrfterblichfeit nicht weniger als 50%
betrage. ©roßen Einfluß üben bie Kellerwohnungen; in iHuerpool
giebt es nod) immer 6000 folcßer, bie oon mehr als 24 000 perfonen
bewohnt werben.
(Beroerbegeridjte. <Etnigung*>6mter. Sirfjicbsigtridjte.
^Ittlfleifungen ^etoerbegerießts Lettin.
Aebigirt oon ©e Werber idjter Dr. © d) a I b 0 r 11 , Berlin.
Der Streif ber Berliner Steilfeuer Hör bent ©ePrfcegtndu il$
EittignogSamt.
Die BMfter * ber Berliner ©teinfeßerinnung pflegen mit ihren
©efeßen oon 3aßr gu 3aßr bie Lößne fefigufeßen. ®iefe Loßn*
abreben legen bie ber onnung nicht angefjörenben Sinnen auch
ben Verträgen mit ihren Arbeitnehmern regelmäßig gu ©runbe.
(58 ßanbelt fid) um Arbeitgeber unb Arbeitnehmer oon Berlin unb
ilmgegenb.
3 m öerbft 0 . 3 $. überreichten bie ©efeßen für ba 8 3 aßr 1899
ber ©teinfeßerinnung einen Loßntarif, ber Erhöhung be 8 ©tunben*
loßnes unb Berminoerung ber Arbeit 83 eit in Auöfnht nahm. Da
bie Berhanblungett ber Basteien jeboeß S u feinem Eraebniß führten,
fd)icften bie ©efeßen nunmehr jebem einzelnen Arbeitgeber ihren
Loßntarif nebft biefen begrünbenbem Begleitfcßreiben. tiefer Sohn*
tarif hat folgenben 3 nßalt:
1. Tic tägliche ArbeitSgeit beträgt 9 ©tunben (bisher 10); biefelbe
beginnt SRorgenS um 7 Itfjr (bisher um 6 ) unb enbigt AbenbS
6 Uhr;
2 . ©tnnbenlohn für ©teinfeßer: HRajimunt 65 4 (bisher 60 /$),
Minimum 60 /^, ^unggefeflen im erften 65 /tj
4 llebcrftunben (wie bisher) 50% Auffdjlag; als Radjtftunben gelten
bie ©tunben oon AbenbS 9 Uhr bis Borgens 7 Uhr.
5. an ©onnabenben ift um 5 Uhr ^eierabenb unter Wegfall ber
Befperpaufe (mie bisher) ohne Sofjuabgug;
6 . au ben fogenanuten .fteiligabeuben ift um 8 Uhr Seterabetib (mie
bisher) ohne Öoßnabgng;
7. alle nicht in biefem Darif angeführten pofitionen bleiben mie fie
bisher mareit.
Die ©efeßen berufen fid) barauf, baß burch bie jeßt nahezu
aßgemein geworbene Einführung beS ASpßaltpflafterS in Berlin
bie ©teinfeßerei mehr unb mehr an bie Peripherie ber ©tabt unb
in bie Bororte gebrängt wirb; bei ben weiten Entfernungen unb
bem Schien oon BerleßrSmitteln in ben frühen SRorgenftunben
wären bie Arbeitnehmer oftmals nicht im ©tanbe, gum Beginn
ber ArbeitSgeit (bisher 6 Uhr BtorgenS) auf ber Baufteße gu fein,
gang abgefehen baoon, baß fie häufig bereits um 4 Uhr [ich auf
ben BBeg machen müßten unb AbenbS früheftenS 8 l /2 Uhr nach
$aufe Fänten. 3n Anbetracht biefer Shatfafhen unb bei ber
ferneren, fogar bie geiftige Srifche beS ©teinfeßers beeinträch**
tigenben Arbeit rechtfertige fich bie neunftünbige ArbeitSgeit, welche
oon ihnen feit bereits fechS Sahnen angeftrebt werbe. 2 )ie ge*
forberte Lohnerhöhung oon 5 /$ für bie ©tunbe (65 ^ ©tunben*
lohn) hätten oerfchiebene SunungSmeifter in ben leßten brei 3ah re n
fchon wieberholt freiwißig gegahlt.
3 n ihrer ©ißung 00 m 22 . Biärg b. 3 ^- befchloß bie 3 nnuug,
ben Lohntarif ber ©efeßen abguleljnen. Es würbe biefen mitge*
theilt, baß bie 3 nnung fich nicht für befugt erachte, oor ber Drga*
nifaüon ber gu erwartenben 3wanaSinnung*) auch für bie noch
außerhalb ber 3nnung ftehenben Arbeitgeber auf bie oon ber ©e*
feßenfehaft angeregten Lohn* unb Arbeitsfragen näher eingugehen.
Eine Biehrgahl oon ber Snnung nicht angehörenben Arbeitgebern fdjloß
fich in riner Berfantntlung 00 m 19. April er. ber Ablehnung au.
Am 24. Btai würben barauf fünf Sirnten beS ©teinfeßer*
gewerbeS oon bem ©efeßenauSfdjuß erfueßt, ben überreichten Lohn*
tarif binnen 24 ©tunben angunehmen, mibrigenfaßS bie oon ben
genannten Sinnen befchäftigten ©efeßen bie Arbeit nieberlegeit
würben. ES würbe außerbem oon ben ©efeßen neu geforbert, baß
bei jebem ©traßenbau fowie bei umfaffenben Reparaturen bes
©traßenpßafterS Baububen gum Aufenthalt unb ©cßuß ber Arbeiter
mährenb ber Eßpaufen unb währenb ungünftiger fBitteruna auf*
gefteßt werben, unb baß ferner für auSreidjenbe Bebürfnißanftalteii
©orge gu tragen fei. Rach Annahme ber Arbeitgeber würbe,
fobalb bie fünf Sinnen ben BBünfcßen ber Arbeitnehmer entgegen*
gelommen wären, feitenS ber ©efeßenfeßaft ber Berfucß gemadjt
worben fein, weitere fünf Arbeitgeber gur Annahme ber offerirten
Arbeitsbebingungen m brängen. Tie Arbeitgeber behaupten, baß
bie ©efeßen bas ge|d)itberte Berfaßren folange beobachtet haben
würben, bis ber Loßntarif überaß bewifligt worben wäre. ®icfc
©acßlage bewog bie SunungSmeifter, in ©emeinfdjaft mit anbereit
Arbeitgebern, am 26. Btai er. gu befcßließen:
1. über bie Arbeitsbebingungen nadj Lrganifatioit ber 3waug»=
innnuitg mit bem EejcffenauSfchuß gu ucrbanbeln;
2 . feine neuen Eefeßen einguftellen;
8 . am 81. 9ftai er. fämmtlidie 6 )efeßen 31 t entlaßen, menn nidjt bis
3 U biefem Sage auf ben gejperrten Baufteöen bie Arbeit oon ben
auSgebliebenen Eefeßen aufgenommen merbe.
Racß Äenntnißnaßme biefeS BefcßluffeS lauten bie ©efeßen ben
Arbeitgebern guoor, legten bie Arbeit nieber unb riefen bie Ber*
mittelung beS EinigungSanttS beS ©ewerbegerichts an. Tie Arbeit*
geber erflärten, ber Anrufung fuß nur anfcßließen gu mofieit,
wenn oor bem BerßanblungStermine bie ©efeßen bie Arbeit wieber
beginnen würben. ®ie Bteifter würben oon ber Erwägung ge*
leitet, „baß eine Rieberlegung ber Arbeit, wenn aud) redjt*
ließ guläffig, fo bod) fich als eine ©eßorfantSoerweige*
rung barftelle, welcße gunäcßft befeitigt werben tnüffe".
5)ie Arbeitnehmer fanben fitß nießt bereit, ben Anfprucß ber
Arbeitgeber gu erfüßen.
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer richteten hiernach an bie ©etneitibe*
oertretungen Berlins unb ber Bororte Eingaben, in welchen fie
bie auSgebrocßenen $5ifferengen flarlegten unb bie Arbeitgeber uoeß
um bie Unterftüßung ber Beßörben baten. AlSbann entfanbteu
bie Parteien Aborbnungen an ben Bürgermeifter oon Berlin, $errn
^irftßner. S)en Bemühungen beffelben gelang es, bie Arbeitgeber
oon btr Rotßwenbigleit ber bebingungSlofen Anrufung beS ©e*
werbegerießts Berlin als Einigungsamt gu übergeugen. Sufolge*
beffen lam es am 9. 3«ni er. gu einer meßrftünbigen Berßanblung
unb gu einem BergleicßSoorfcßlag beS Einigungsamtes, welcher oon
ben Arbeitgebern unb Arbeitnehmern unter bem Borbeßalt an*
genommen würbe, baß bemfelben bie am Abenb beS 9. 3um ftatt*
ßnbenben Berfammlungen ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer gu*
ftimmen würben.**) ©iefe 3 uftimmung unterblieb, .^iergu
wirb bemerlt, baß gunäcßft bie Arbeitnehmer einftimmig ben Bor*
fcßlag beS ©ewerbegerießts acceptirt hatten unb ißren Befcßluß auf*
hoben, als ber Altgefeße bie Racßricßt überbraeßte, baß ber Ber*
gleidjSoorfcßlag oon ben Arbeitgebern abgeteßnt wäre.
©omit mußte baS ©ewerbegerießt bei bem Seßlfcßlogen beS
EinigungSoerfucßeS Termin gur Sorifeßung ber Berßanblung nnb
gur Säßung beS ©cßiebSfprud)eS anberaumen. Tie ©efeßen blieben
in biefer Berßanblung (am 14. 3um er.) bei ben BergleicßSoor*
fcßlägen beS EinignngSamteS fteßen, ließen aber ißre Sorberungeu
begüglicß ber Baububen unb Bebürfnißanftalten faßen, dagegen
maeßten bie Arbeitgeber ben Borfcßlag, bie ©efeßen foßten bie Ar*
beiten unter ben alten Bebitigungen wieber anfangen. Sür biefen
Saß feien fie bereit, ben Bergleicß, wie er oon bem Einigungsamt
proponirt worben fei, für baS 3aßr 1900 mit ben ©efeßen eingu*
gehen. Aßen Bemühungen ungeachtet war eine Einigung nicht gu
ergielen. ES mußte besmeaen ein ©cßiebsfprucß ergehen, ©ein
Snßalt, welcßer fidj im ©roßen unb ©angen mit bem Snßalt beS
*) Tie 3mangStnmmg ift in ber ^mifdiengeit augeorbnet.
**) Die Arbeitnehmer waren nrfprnngltd) für fofortige Aunnlnne
beS Bergleid^Soorfcßlags, änberten ißren Entfdiluß in 'Jolge Berhaltens
ber Arbeitgeber.
1035
Soziale tyragift. Centralblatt für @o&ialpolitil. Br. 38.
1086
^erg£cid)«oorfdilage 0 becft unb einftimmig befchtoffen würbe, ift
folgenber:
I. Xie tägliche Arbeit«seit im Steiitfepergcwcrbc l>at neun Stunben*)
pt währen. Sic beginnt Bforgcn« 7 Uf)r unb enbigt Abcnb« 6 lUjr.
> 5 irniad) wirb gearbeitet:
Xagesseit.
Arbeit«ftu üben.
Arbeit«paufeu.
Bon
7 bk
s
Uhr .
. . 1 Stuube
—
*
8
sy.
=
. .
,'vrühftücfspauie
=
*7* -
9 7,>
=
. . 1 Stuube
—
r
9 ' 9 =
974
. . —
Buhepattfe
974 *
W/4
-
. . 1 Stuube
—
=
in s / 4 *
11
. . —
Bithepaufe
=
11
12
. . 1 Stuube
—
*
12 =
1
=
. .
Bfittagspaufe
1 =
')
s
. . 1 Stuube
—
=
2
2*4
*
. .
Buhepaufe
=
^ '1* =
3
=
. . 7-i Stimbe
—
=
3
3*4
. . —
Buhepaufe
3'/4 =
4
. . % Stuube
—
1
4 72
*
. .
Befperpaufe
*
Vh =
5 74
=
. . Stuube
—
5 74 =
5 l r >
*
. .
Buhepaufe
=
57 * =
6
*
. . V ‘2 Stuube
-
Soititabenbs hat bie Arbeit um 5 Ubr, an beu Vortagen um*
Client, Bfingfteu unb SBcibnadjten um 8 Ubr 41t enbeu. Sin beu
Somiabeiibeu fällt bie Befperpaufe für bie Arbeitnehmer fort.
Sin ben Vortagen oor Oftern, $fuigften unb Seif)nad)ten beträgt
bie SWittagspaufe nur 7 » ©tunbe. Soweit l)iernacb bie Arbeitsseit ge*
fiir^t wirb, fiub ^obuabjüge für bie auSfatlenbe Arbeitsseit nicf)t su
machen.
II. Xie Arbeitgeber werben für oerpflidjtet eraditet, für bie ;feit
non 7 Uljr Borgens bi^ 6 Ubr Abettb« pro Stuube folgenben 2 oh» 411
Salden:
:i) für Olefellen: Biarimallohn 65 4,
SKinimallobn 60 4 ,
b) für ^ungge feilen: 55 4 -
Xie ^rühftücfs*, Mittag»» unb Befperpaufett werben nid)t besohlt.
III. Aiir bie Ueberftunben, unb jwar non 6 bi« 9 Ulp* Abcnbs,
fiub pro Stuube etitfrijliehlid) ber Biihepaufeii 75 4 i'ohtt 411 entrichten.
Xie Biihepaufeii fiitben ftatt:
oon 6 Ubr bis 6 ^/4 llbr,
Xie Badpftnnbeii redjneit ooit 9 Ul)r Abettb« bi« 7 Ubr borgen«
unb finb mit je 90 4 SU lolptcn einfchliehüd) ber Buhepaufen. aüi*
Soiut tagsarbeit ift ebetifall« ein betrag oon. 90 4 pro Stuube ein*
jdiließlirfj ber Bubepatijett su entrichten.
Xie Bubepaufeit bei Nachtarbeit bleiben unocräitbert; bie Raufen
bei ber Sonntagsarbeit haben beneit ber SSerftagSarbeit 511 eutfpredjen.
Sei ber Fällung beS Spruchs würbe baS Einigungsamt im
iiH'fentlidjen oon folgenben ©rünben geleitet:
Xüe Parteien finb fleh nach ihren Erflärungen bariiber einig,
bah ber Schiebsfprud) an unb für fidb burdbführbar ift. 3n£*
befonbere haben bie Arbeitgeber ausgeführt, bah fie gewillt wären,
ben bem Schiebsfpruche 40 ©runbe iiegenben Bergleid) 8 oorfchlag
für baS 3ahr 1900 atsbalb anjunehmen. Sie behaupten aber,
bah bie fofortige ©iiltigfeit beS Vergleichet ihnen grofee Badjtheile
bringen würbe, weil pe bereits ihre ©efchäftSabfd)lüffe für ba£
laufenbe Safjr gemacht hätten. 3n Anbetracht beffen, bah bie Ar*=
beitnehmer anerfanntermafeen fchon frühseitig ihre Jyorberungen ben
Arbeitgebern unterbreitet haben, hat bas EiitigungSamt biefe für
bie twrläufige Ablehnung angegebenen ©rünbe als ftichhaltige nicht
anerfannt. das EinigungSamt ift oielmehr einftimmig ber lieber*
Seuguitg, bah bereits heute ber £of)n 5 ufd)lag oon ca. 21 1 /2 <4 pro
Xag ohne nennenSwerlhen Schaben feitenS ber Arbeitgeber be*
willigt werben fann unb angefid)ts beS su leiftenben Arbeit«*
quantumS bewilligt werben mufe. B$a3 bie oerfürste Arbeitszeit
anbetrifft, fo hält baS EiniguiicjSamt bie ArbeitSseit oon 7 Uhr
Borgens bis 6 Uhr AbenbS für eine auSreichenbe unb angemeffene.
denn bie Arbeitnehmer haben, um snr Vaufteüe 411 gelangen, ber
Negel nach weite Entfernungen surücfsulegen, fo bah fte fich fchon
ein ober gwei Stunben oor beginn ber Arbeit auf ben B*eg
Su machen haben unb nach Schluß ber Arbeit ber gleichen 3 e it be*
biirfen, uni toieber 4 U ibretuBoohnungen sn gelangen. BJentt mau
ferner noch bie wirflid) fchwere Arbeit ber Steinfeper in Rechnung
Siet)t unb beriicffidjtigt, bah im £aufe ber 3abre baS innerhalb
einer beftimmten 3eit 41 t bewältigenbe Arbcitspenfmn ein gröberes
geworben ift, fo erfcheint eS nur billig, bah ber beginn ber Arbeit
auf 7 Uhr feftgefept unb baß bie dauer berfelben nur eine neun*
ftünbige ift. da |<hlieBli<h bie oiertelftiinbigeu Bul)epaiifeit in
*) X. 1). neun Stunben ein f d) 1 ich li d) ber befouberen Buhe*
paufeu.
5oIge ber Arbeitsleistungen erforberlich werben, fo ift es gerecht,
wenn diejenigen, für bie bie Arbeiten geliefert werben, auch bie
Buhepaufen besohlen.*) AIS felbftoerftänblich wirb eS betrachtet,
bafe fid} bei Vergütung ber Buhepaufen bie ©efellen sur Verfügung
ber Arbeitgeber palten, umgefehrt bagegen, bei Nichtbezahlung ber
Buhepaufen, würben bie Arbeitgeber an bie Arbeiter ein berartiges
Verlangen nicht ftellen fönneit.
die übrigen 3eft|'epungen beS SchiebSfprucheS ergeben fich
Sum Sheil oon felbft, sum Xhcil haben biefe Seftfefcungen bereits
in bem ©ewerbe bislang beftanben. der im 6 c$iebSfpru(he feft*
gelegte Sohntarif entftammt hauptfächlich ben oon ben Arbeitgebern
unb Arbeitnehmern bem EinigungSamt ein gereichten Tarifen.
Auf bie Örage beS Borfipeitben unterwarfen bie Arbeitnehmer ftch
fofort bem Sdjiebsfpruch, währenb bie Arbeitgeber biefen ablehnten.
©S wirb eublid) bemerft, bah nach Angaben ber Arbeitnehmer,
welche oon ben Arbeitgebern auf ihre Nichtigfeit hin angesroeifelt
werben, etwa 300 Steinfefcer gu beu oon ben Streifenben geteilten
93ebingungen arbeiten unb bah bei ca. 40 Arbeitgebern ca. 330 Ar*
beitnehmer auSftänbig finb.
Berlin. 0 . Schul*.
ftethtfpredjtutg.
Ein su Unrecht entlaffener Arbeiter geht feine«
Sd)abeuSerfapanfprudieS nicht baburd) oerluftig, bah er bem
djifanöfen — Verlangen beS Arbeitgeber«, gegen ^ort«
Sahlung be« 2ül)ne« bie ÄünbigungSseit hinburch unthätig
im Kontor 4U fipen, nicht nadjtommt. (Urtheil be« ©ewerbe*
gericht« Berlin, Äammer 1 , 00m 26 . Aooember 1898 .)
Klägerin, als Xirettrice bei ber Betlagteu befchäfiigt gewefen,
forbert EntfchäMgung wegen grunb* unb fünbigungSlofer Entlaffung.
Unftreitig ioar Betlagte Söillen«, ber Klägerin bie beaufprudue Vobu=
entfd)äbigung auf bie Xauer ihrer Arbeitslofigtcit bi« längftens sum
Ablauf ber tifmbigungSfrift s» sah len, hat aber oon ber .Htägeriu oer*
langt, bah biefe fich 5 U ttjrcr Verfügung fteüe. 3n f^olge bepen iü
Klägerin sur Beflagten gegangen, ift 0011 bereu Xireftor angewiefeu
worben im Kontor — niept im Arbeitsraum - 41t warten unb bat
ben 14 . unb ben 15 . Aooember über bort ohne öefchäftigiuig gefeifen.
Am nächften borgen hat fie beu Xireftor gefragt, ob noch feine Arbeit
für fie ba fei, worauf ihr biefer erflärt hat, fie erhalte feine Arbeit,
fie hätte auch ferner lebiglid) ftill im Kontor 4« fipen; fie foDte fid) bod^
lieber auf einen Bergletdi einlaffen; er werbe ihr eoentueH, faß« fie
anbere Arbeit 411 geringerem 2 ohn annchme, bie Xifferenj erfepen.
Klägerin hat barauf erflärt, bah fte baS uuthätige Xafipen nidit aus*
halte; wenn er Arbeit hätte, ftänbe fie 4U feiner Verfügung, ~ unb
ift, ba ber Xireftor auf feinem Verlangen beftanb, gegangen.
Unftreitig ift Klägerin nod) fyute ohne Arbeit unb noch bereit, auf
Bedangen bie Arbeit aufsunehuten. Xem Klageanträge ift ftatt*
gegeben.
Aus beu ©rünben:
Xie Anficht ber Beflagten, bah hie Klägerin fich burdj ihr Bei*
halten ihrer weiteren SchabenSerfapanfpriidje begeben habe, ift 1111411*
ireffenb. AüerbingS muh ber Arbeitgeber für befugt gehalten werben,
ben Schaben, ben er felbft burd) oorseitige Entlaffung oerurfacht hat,
bitreh nachträgliches Arbeitsangebot ab4uwenben. XaS blohe Angebot
aber an Sie Arbeiterin, in feinen Bäumen bie ganse Künbigung«seit
hinbitrch ftill itnb unthätig 411 ftpeit, ift basu nidp geeignet.
3 u ben Cbliegenhpitcn bcs Arbeiters gehört wohl bie Berpfüd)*
tutig 41t augemeffeuer vlrbeitsieiftimg, nicht aber eine foldje 411 un*
thätigem ^piiibrüten.
9 ®enn Klägerin es baber ablehnte, fid) im Kontor nüifpg aufsu*
halten, fo fann barin ein Bcrfchulben ihrerfetts ittdjt gefunben werben,
unb swar mit fo weniger, als fie ftch $ 11 ™ Antritt ber Arbeit jeberseit
bereit erflärt hatte.
Audi abgefehett htcroon fann Beflagte aus ihrem Borgehen feine
Bechtc herleiteit. 3 hr Berlangett, Klägerin foüe eoentueU wochenlang
ohne Bcfdiäftigitng iu ber ArbeitSseit ijittburd) im ©efd)äfts*Kontor 411*
bringen, ntuh als ein unfittüche« uitb al« ein unerlaubtes angefel)en
werben ($. «7 (Eittl. b. A. 2 .B.). Xetitt einmal hätte Befolgung
biefe« Berlangett« Biemattbem Bupen, wohl aber ber Klägerin Schaben
für ihre ©cfmtbheit gebradp. Attbererfeil« fomntt hinsu, bah Beflagte
besto. ber 411 ihrer Bertretmtg berufene Xireftor ba« fragliche Ber*
langen offenbar mit 41t bem 3 wecfe geftellt hat, auf bie Klägerin einen
Xrucf au«4uüben, um fte 41t einer Ermäßigung ihrer berechtigten Au*
fpritdjc 41t beftimmett.
Au« einer berartigeu uncrlaubteu .'paiibluitg überfoutmt ber
^aiibclttbc wohl Berbinblidjfcitrn, aber feilte Bcdpe (§. 34 , I,
Ä.2.Ä.).
Bad) allebeitt ift ber burdt bie oorseitige Entlaffung ocrurfadite
Etitfd)äbiguug«anfprud) ber Klägerin begritnbei.
;: ) Xie Arbeitgeber batten anfangs uorgefd)lageu, 75 4 (ftatt 65 41
Stuubenlobu 411 sahlen, aber bie Buhepaufeu. außer Artfap 411 taffen.
Xod) füllten fid) Die Arbeiter midi iu beu Baiifett 41t ihrer Berfiigiutq
halten.
1037
Sogialc $raji$. Gentralblatt für Sogtalpolitil. 91r. 38.
1038
Anmerfung ber 9lebaftion. 2)ie gleite Gntfdjeibung würbe
auch nach bem bürgerlichen Gefeßbudj gu fäflen fein. 91ach §. 616 ba*
felbft ift ber Arbeiter nur gur Seiftung ber refp. Xienfte oerpfUdjtet. £ierin
liegt allerbings and) bte ftd) behufs ber fieifiung gurSerfügung
gu halten, Xiefe Pflicht aber entfällt, wenn ber berechtigte erflärt,
baß er bie ArbeitSleiftung nicht mehr beanfprudje. 3ebenfaHs ift „un®
tfjätigeS Xaftßen" etwas AnbereS als „gur Serfiigung ftcljen". ber*
gleiche auch §-226 bcS bürgerlichen GefeßbucßS: „X>ic Ausübung eines
iwedjteS ift unguläffig, wenn fte nur ben 3roed haben fann, einem
Anbern Schaben gugufügen."
Gebräuchliche SBeibnadjtSgefdjenfe an Gewerb egeßülfen
finb unwiberruf lieh. (Urteil beS Gewerbegerichts berlin, Kammer 6,
oom 20. Januar 1899.)
Xer Seflagte, auf Sohngaßlung belangt, wiberruft ein SSeißnachtS*
gefchenl unb will mit feinem Anfpruch auf 9tüdgaßlung fompenfirett.
Seine Ginrebe ift oerworfen aus folgenbcn Grün ben:
Gemäß §. 36 ber GefinbeorDnung — auf biefe Seftimmung fcheint fich
Seflagter berufen gu wollen — fann aHerbiitgS bie&errfdjaft in allen fällen,
wo SkibnacßtS* ober 91euiahrSgefdjenfe währenb eines XtenftjahreS
gegeben werben, biefelbeit auf ben ^oßn anrechnen, wenn ber Xienft*
oertrag im Saufe beS 3aßreS burdj Sdjulb beS GefinbeS aufgehoben
wirb, Xiefe lex specialis fann jeboch für ben oorliegenbert 91ecßtSftreit
feine Anwenbung finben, weil, wte unftreitig, bie Sllägerin nicht als
Geftnbe, fonbern als Gewerbcgebülfiit beim beflagten befdjäftigt ge®
wefen ift unb bemgemäß auf fte bie beftimmungen ber Gewerbeorbnung
gur Anwenbung fommen. 3 n letzterem Gefeße aber finbet fich eine
analoge borfchrift begüglidj beS SMberrufS ber oon bem Arbeitgeber
bem Arbeitnehmer gegebenen Gefchenfe nicht, 3n golge beffen muh auf
bie beftimmungen beS Allgemeinen Sanbrechts gurüdgegrißen werben.
&ier befagt nun gwar §. 1090, Xßeil I Xitel 11: „3ft eine außergerießt*
lidj gefdjloffene Scheidung feßon burdj bie Ucbergabe ooflgogen worben,
fo finbet bennoch ber SSiberruf innerhalb 6 Monaten nadj ber lieber»
gäbe ftatt." ^ebodj finb bie fogenannten GelegenheitSgefchenfe, welche
allgemein üblich finb g. b. gu Skiljuacßten ober gu Neujahr, Mangels
beS GrforberniffeS ber freiwillig feit nicht als Sdjenfungen im Sinne
beS Allgemeinen Sanbredjts gu bchanbeln. Xiefelben erfolgen nach
Maß ber Sitte unb beS Gebrauches unb hält ftdj ber Geber gu ber»
artigen 3nwenbunaeu meiftens aus moralifdjen ober fonftigen Grünben
oerpflidjtet. So beftinunt aud) §. 25 ber 91eichsfonfurSorbnung aus»
brüdlidj, bah bie gewöhnlichen GelegenheitSgefchenfe ber Anfechtung ber
Gläubiger als unentgeltliche Serfiigungcn nidjt unterliegen. Auch
bei ber Durchführung ber UnfaHocrfidjerung enblich hat bas Reichs®
SerftcßerungSamt bieAuffaffung angenommen, baßfogenannte SBeihuaißtS®
gefchenfe nicht als eigentliche Gefchenfe im Sinne beS Allgemeinen
ManbrecßtS angefefjen werben fönnen, unb gur Segrünbung angeführt r
bah nicht barauf anfommt, ob ber Arbeiter gerabe einen flagbaren
Anfpruch auf bas Gewährte hat, eS oielmeßr genügt, bah er baS Ge*
währte nach auSbrüdlidjer ober ftiHfcßweigenbcr SBiHenSübereinftimmung
ber betheiligten mit SKüdjtdjt auf feine Arbeitsthätigfeit in bem betriebe
als einen wirthfdjaftüd)en Sortfjetl empfängt (cfr. §anbbucß ber Unfall¬
oerficherung S. 333 Anm. 15).
Auch nach ben Sorfcßriften ber §§. 1169, 1170, Xßeil h Xitel 11
beS Allgemeinen ^anbreeßts, welche oon ben belohnenben Scheidungen,
burdj welche löbliche ^anblungen ober geleiftete wichtige Dienfte oer*
aolt en werben, hanbeln, würbe bas fragliche Gefchenf nicht wiberruflich
fein r ba berartige Gefchenfe nur wegen UebermahcS wiberrufen werben
fönnen.
*
Unguftänbigfcit beS Gewerbegerichts für Anfprüche beS
Arbeitnehmers wegen berrufSerflärung (güßrung auf ber
„fcßioargen" Öifte eines Arbeitgeber-berbanbeS). — Urtheil
bes Gewerbegerichts berlin, Kammer 2, oont 30. fanuar 1899.
Kläger ift 1896 am Streif ber berliner ftutmaeßer betheiligt ge*
wefen. Gr ift in golge beffen auf bie oom berbanbe ber berliner
gilgßutfabrifanten geführte „feßwarge ßiftc" gefommen unb hat baher
feitbem bei ben berbanbsmitgliebern Arbeit nicht finben fönnen. Denn
ber berbanb macht bie 3SicbereinfteHung oon Streifern baoon ab*
hängig, bah ber leßtc berbanbS=Arbeitgeber fchriftlich fein Ginoerftänbnih
erfläri. Kläger hat im £>erbft 1898 eine folcfje GinwiHigungs-Grflärung
oon ber beflagten — als bemjenigen berbanbSmitgliebe, bei bem er
beim StreifauSbrudj befchäftigt war — erbeten, aber nicht erhalten.
Gr h^t beSfjalb Älage erhoben auf AuSftetlung eines 3cugniffeS, worin
feine SSiebereinftetlung empfohlen werbe, fowie auf SdjabenSerfajj wegen
bergögerung ber AuSftellung. 2>ie Silage ift abgewiefen wegen fachlicher
Unguftänbigfeit bes Gewerbegerichts.
Aus ben Grünben:
0b Kläger nach ^ en borfchriften bes Allgemeinen SanbrechtS über
unerlaubte ^anblungen wegen ber angeblich oon ber beflagten oeran*
Iahten berrufSerflärung Schabenserfafc unb befeitigung brobenbeit
weiteren SchabcnS forbern fann, war fadjlid; nicht gu entfeheiben.
Xcnn bas Gewerbegcrid)t ift — abgefeljcn oon hier nicht in betracht
fommenben Streitigfeiten — nur gujtänbig für Streitigfeiten über Au*
fpriiehe aus bem Arbeitsucrhältniffe unb über ben gnhalt beS Arbeits*
geuguiffeS. Unter „ArbcitSgcugnih' 1 aber ift nur baS 3 eil Ü n ife gentäh
^ 113 ber Olewerbeorbuung gu oerftehen, alfo ein 3 c ugnih über Art
eeranhoortltc^ für bte Xebaftion: Dr. (Ern!
unb Xauer ber befchäftigung, coentuell über güfjrung unb Seiftungcn
beS Arbeiters währenb feiner befchäftigung. Gine anberweittge Gm*
pfehlung, wie Kläger fte forbert, fällt nicht unter ben begriff beS
„3eugntffeS". ^aher gehört, ein bcdjtsftreit über bie AuSftellung einer
befottberen Gmpfeljlung nicht gur 3uftänbigfeit ber Gewerbegerichte.
Gbenfowettig ift ber oorliegcnbe Anfpruch auf SchabenSerfafc ein An¬
fpruch aus bem „ArbeitSoerljältnih". Xettn nicht aus biefem, fonbern
aus ber angeblichen berrufSerflärung, fowie aus ber gwei gahre nach
ber Gutlaffung erfolgten berweigerung befonberer AnfteüungSempfehlung
leitet ber Anfprudj fich i) er - würbe bie aitgeblidje berrufs*
erflärung nicht auf baS beftaubene befottberc ArbeitSoerhältnih, fonbern
auf bie Streifbetheiligung beS Klägers, welche wegen allgemeiner
Arbeitsbebingungen ic. erfolgte, guriiefgufithren fein.
Atimerfung ber 9lebaftiou: 92icht nur ber eine Kläger, fonbern
eine gange 9ieihe oon ^utmachent werben nach ben bem Gericht ge*
machten bHttheilungen oom berbanbe ber berliner gilghutfabrifanten
wegen betheiligung am Streif 1896 noch nicht wieber befdjäftigt. —
^as oorfteljcnbe Urtheil war berufungsfähig, ift aber nicht angefochten
worben. 3 ur fa* Kläger feine Anfprüche im orbentUchen 9tcchtS*
toege anhängig gemacht.
ßütrtttffdie ^nielgett»
geliy, ^ubwig. Gntwicflungsgefchidjte beS GigenthuntS unter fultur*
gefchidjtlidjem unb wirthfdjaftlichem Geüchtspunfte, IV. Xheil,
2. Hälfte, 1. Abtlj. Xcr Gittfluf 3 oon Staat unb Siedjt auf bie
Gntwicflung bes Gigenthums. 2. Hälfte, 1. Abtf). (XaS bättel*
alter.) Öeipgig, Xuitder unb ,f>umblot. XII unb 776 S. —
15 M.
bon ber umfangreichen GntwirflungSgefchichte beS Gigenthums
oon geli£ ift ber gweite banb beS oierten unb widjtigften XheilS er*
fdjienen, ber ben Ginfluß oon Staat unb 9tedjt auf bie Gntwicflung beS
Gigenthums währenb bes Mittelalters beljanbelt. gn ben erften 108 Seiten
wirb bie Gefdjidjte bes römifdjen Rechts oom Untergang bes römifdjen
Reichs bis gunt 3ätalter bcS benificial* uttb lüehnwefenS bei ben
Germanen unb btjgantinern weitergeführt, hieran fd;ließt fiefj eine auf
bas römifdje 9tedjt guriiefgreifenbe, cingehenbe red^tsgefdjidjtliche
SSBürbigung beS benificial* unb yehnwefens in ben oerfdjiebenrn i^änbern
unb felbft in ben einzelnen ^rooingen unb gwar in Xeutfdjlanb, granf*
reich, glanbern, Italien, Spanien, britanuien, bei ben btjgantinern unb
Arabern. Xer wirthfehafts* unb fuliurgefchichtlidje Xh e ^ ^ er Aufgabe,
bie fich ber berfaffer geftellt hat, fommt namentlich in ben Abfdjnitten
über baS ^eerwcfeit, bie ftänbifdjc Glicbcruug beS bolfcs, bie Gutftehung
ber Stäbte, über Gcfehgebung unb Siecht gur Geltung, bie in will*
fommeuer SSeife burch bie wirthfchaftsgcfchidjtlich befonbers werthooßen
Abfchnitte über bie Grunbbefifeeroerhältniffe, bas ginangwefen unb bie
Mängel beS Gclbwefcns ergängt werben. Sein Urtheil über bie mannig*
fadh beriidfichtigten fogialen berljältuiffe faßt ber berfaffer in bem Saß
gufammen: „GS barf hernach behauptet werben, baß gang befonbers
oie unteren klaffen niemals unoerljüllter auSgebeutet würben, als im
3eitalter beS SehnwefenS."
Xie Arbeiter*93erficherung in Italien. §eft 6 ber Arbeiter*SBer*
ficherung im AuSlanbe. Gearbeitet oon Ur. 3ach er, Äaif. Geh-
StegierungSratfj im SleichS-^erftchcrungSamt. ^erlitt, Verlag
ber „Arbeiter*®erforgung" (A. Xrofcßel). 132 S. ^JreiS 3 JL.
gn raicher golge erfdheiut nach $>eft 4 Igranfrcich) unb |>eft 5
(Gnglaitb) nun als 6. .fteft bie Arbeiter-SSerftcherung in gtalien in ber
leid;ett muftergiltigen ^Bearbeitung bur<h Dr. 36dher. ^auptfächlich
ringt biefe $ublifation eine Xarfteüung bes GefcßeS über bie freien
^ülfSoereine oom 15. April 1886 unb ber Unfall* fowie ber Alters- unb
§noalibitätSoerfid)erung oom 17. Märg begw. 17. guli 1898. £>er oolle
SBortlaut biefer brei Gefeße ift im italienifchen Urtejrt unb in beutfeher
Ueberfeßuttg mitgetheilt.
Stubien aus beut Collegium Sapientiae in gretburg i. Sr.
Dr. Anton SHcßbach- Xie ^anowerfer unb bie Ärebitgenoffen*
fchaften. greiourg i. Sr. 1899, GefchäftSftelle beS „Gßaritas*
oerbanbes für bas fatßol. Xeutfdjlanb". VIII unb 132 S.
£)aS fleine Sdjriftchcn giebt einen Ueberblid über bie Sdjulge*
Xelißfcheit Sorfdjußoereine unb bie f>anbwerfcr* begw. 3»nungsbanfen.
Xie gefeßlicheu Grunblagen für beibe gnftitute, fowie Seren Gefchäfts*
grunbfäße finb furg unb überftchtlidj SargcftcHt unb mit reidiljaltigem
ftatiftifdjcn Material belegt. £)er Serfaffer tritt gur Hebung beS
^erfonalfrcbits ber .ftauöwerfer für bie Grünbung oon GentraDGcnoffen*
fdjaftsfaffen mit Staatsuntcrftiißung nadj bem Sorbilb ber „^reußif^en
GentraDGenoffenfdjaftsfaffe" ein, empfiehlt aber ben £>aubmerferu ba,
wo Sdjulge-Xelißfdje Sorfdjußorrrine beftchen, lieber biefen beigutreteu,
ftatt burd) Grünbung oon 3»nangsbanfen ihre Kräfte gu gerfplittcrn.
3ahrbudj für Solfs* unb 3agenbfpie(e. Achter 3ahrgang 1899.
.fterausgegeben oon G. o. Sdjendcnborff unb Dr. med. g. A. Schmibt.
^cipgig 1899. 91. SoigtlänberS Serlag.
Aunals of the American Academy of political and social Science. Yol. XIII.
Nr. 3. Mai 1899. Philadelphia: American Academy of political
and social Science; London: P. 8. Kini? & Son. Price per year
$ 6,oo, per Number $ l,oo.
3t antfe tn ©erlin W., ©apreut^erfttafee 20 .
vm. £<tyffgang.
Serlin, ben 29. 3um 1899.
Rümmer 39.
Soziale probte.
($ent*atMatt füx ^ogiafpoüiiß
mit ber ÜRonatSbetlage:
Vas (Bewerbegericht.
©rgan bes Decbanbes bcutfdjer (Setoerbegericfyte.
Reue golge bcr „Rlätter für fogtale sßraptS" unb beS „©oglalpolitifdjen ©entralblatt$\
OtfitciMi an Jekro »onncrftaß. ^)€CQU§ÖCBer: frei« bicrteljitrli* 2 92« 50 ff.
Rebaftton: Rerltn Rapreutherftrafje 29. Dr. € fit ft Rerlag bon duntfer & Humblot, Cetpgtg.
3ttl|alt
©aß foatalpolitifc^c ga^it bcr
ReicBßtaßßfeffion. Son Dr. ©.
granefe, Serlin.1041
ßm SBotjnungßftage in©eutfdj*
Ianb.1045
VXaemetKf Orftol* unb BMttftfftaftf •
*elMI.1047
©ie Soljn« unb Slnftellungß»
üerböltniffe bcr Arbeiter ber
fcfcweiaerifd&enSunbeßöerwal*
tung.
Slmtlidje ©tf)ebungen über Qlrbeitß*
fämpfe in Sreufeen.
©ie Recptfpredjung unb bie Arbeiter*
betoegung.
©in britiföeß Urtfjeil übet beutfdje
Arbeiter.
©er Slrbeitßbeiratfj in £>efterieidj.
befrei über „politifdje Stofcna^men"
in Staren.
StrbeitSftatiftif in Ungarn.
Cnjiale ßnftftnfce.1050
©nquete über bie Sage ber Heim*
arbeitet in ber öfterreidiifäen Äon*
feftionöinbuftrie.
8trbeiteroerbäItniffe in ben ©ifentoerfen
öon 2e ©Teufot in granfreidj...
VvOeiterbetneanno.1052
©er ©ejtilarbeiterftreif in
Srünn.
©ie ©eneralberfammlung beß Set»
banbeß ber beutföen Snd&bruder.
©er Streif ber Steinfefcer in Serlin.
Slußfpetrmig unb Streif ber gönnet
in Seipjig.
©itbe beß Srauerfireifß in granffurt
am SDfain.
©et Sn^reßberiibt beß ©ewerffdjaftß»
Oereinß 9föfinc$en.
Krteiterf*»*.1054
©ie franjBfifd&e gabrif» unb ©etoerbe*
Snfpeftion über bie SefdjSftigung
oon Äinbern unb weiblichen ißerfonen.
Slrbeiietinncnfdjufc im englifdjen Han»
beißgeroerbt.
MtfiftternctfUbmiKi. fparfaffen 1055
©ie Äranfenfütforge ber Set«
fidjerungßanft alten ber gn*
Palibitfttß» unb SllteTßPer*
ficberung für 1898. Son Dr.
Rotfjpolj, Serlin.
gorberung bet RentenfteÜen füt bie
Unfattoerficbetung in Defterreicb.
©enofTenfdjaflßWefeii.1058
©ie Snlmfotbatbeitet . ©e* *
noffenfebaft im©teinaebgtunb.
Son 3Rar 3Kap f Heidelberg
Sntetnationaler Äongreg füt l&nb*
licbeß ©enoffenfcbaftßwefen 1900.
©ie ÄooperatiogefeÜfcbaften in ©ng*
lanb.
©¥}tcf»una »n* fBUtotnn.1060
©in Setein füt oolfßtbümlicbe Hodj*
fcbulfurfe |u Setlin.
Soaialpolitifdje Unterricbtßfurfe in |
cbriftlicben ©ewerffäaften.
ünlverslty Extension in Defterreidj. j
©rjiebungßanftalt für fojiale Arbeit |
in Ülnifterbain.
©ctoerfcegeviftfte. ©fntganflßümler.
©diicOßgettdite. 1060 1
griebenßfebtufe im Saugetoerbe. |
Setbanblungen öor bem ©ewerbe*
geriet Serlin alß ©inigungßamt.
©inigungßamt für bie SRaffenauß*
fperrung in Äopenbagen.
fttmtiffl« 9l»s*tgeii.1062
Äbbrud füntmtlidjer Ärtifel tft ßettungen unb ßeitfebriften geftattet, jeboeb nur
mit ooHer Quellenangabe.
i
9a$ fbjialpolüifdje Jiijtt ber SUfdfptogpfeCftim.
die Hoffnungen, mit benen mir nach ben Rkthlen im oorigen
©ommer unb bei feinem 3 u fammentritt ben Reichstag begrübt
haben, finb im Verlauf ber ©effion nic^t entläufst roorben. die
Stagnation ber ©ogialreform, bie bie Safjre 1896 bis 1898 fenn*
geidjnete, ift überrounben; es ift ein frifdjer 3ug fogialpolitifcher
©chaffenSfreubigfeit im Reichstag. Schloffen bie lefcten ©effionen
mit einer RuH ober foaar einer Unterbilang in biefer öinficht ab,
fo buchen mir heute erfreulicher Söeife einen gang erheblichen ®e* i
minn. 3 nmr ift an pofttioen ßeiftungen bis jefct nur bie Reform |
beS SnoalibengefeheS, freilich an fid) fchon eine achtungSmerthe I
S£hat, unter ^)ach gebracht, aber bie SRooeHe gur ©eroerbeorbnung
unb bie SIbänberungSanträge gum ©emerbegerjchtSgefeh h a ^ e u
ÄommiffionSberathungen paffirt unb liegen für baS Plenum beS
HaufeS in umfangreichen Berichten gur groeiten Serathung fofort
bei 3Bieberbeainn ber ©effion nach Ablauf ber Vertagung bereit.
$och meit beoeutfamer gnb bie beiben großen £unbgcbungen beS
Reichstages für baS ÄoalilionSrecht, oon benen bie eine, aus ber
QniHatioe beS H au f c§ h^roorgegangen, für bie ©rroeiterung ber
Drganifation eintrat, bie anbere aber ber fcharfen Rbroehr ber oon
ben Regierungen angeftrebten 23eftf)rän!ung unb 3Ser!ümmernng
biefeS ©ruitbrechteS ber beutfehen Arbeit galt.
©benfotoenig roie mir h eu i c beabfid)tigen, baS Snoalibitäts*
gefeh, bie ©eroerbeorbnungSnooeHe unb bie Anträge gum ©emerbe*
geridjtSgefeh eingehenber gu erörtern — bieS ift gum Xheil f<hon
gefchehen, gum aitbern £h e ü behalten mir es uns oor —, fann es
uns in ben ©inn fommen, hi^ r e i« e K 5lbri6 ber Reichstags*
oerhanblungen über baS DrganifationS- unb KoalitionSrecht gu
geben. 28enn biefe S3Iätter bem ßefer in bie £>anb fommen, finb
feit bem oorläufigen ©chlufemort ber Debatte faft acht Sage oer*
gangen, unb bis biefe grage im Reichstage toieber auflebt, flehen
noch fünf Rtonate beoor. SBorauf mir ben Slicf h^ite lenfen
mollen, baS ift ein dreifaches: der Reichstag mill einen euer*
gifchen SSormarfch in ber ©ogialreform unb hat babei bie grofee
Rtehrheit ber Ration hinter fich; bie Regierung bagegen ift
gaghaft ober gar conträr, im 3a unb im Rein flau; baS
^oalüionSrecht fteht im RHttelpunft ber gangen ©ogialreform, alle
anberen fogialpolitifchen Rfaftnahmen fmb ihm gegenüber gur geil
nur gragen ber Sroecfmäfcigfeit, fo michtig fie auch an fich fein
mögen, die Hauptfache, auf bie alle Reformfreunbe fich gegenmärtig
oereinen müffen, ift bie ßöfung ber Aufgabe, roie auf bem Soben
ber ©leichberechtigung mit ben Unternehmern baS SSereinigungs*
recht unb bie SBeroegungSfreibeit ber Arbeiter geftchert roerben fann.
3m Reichstag geht gegenmärtig bie Rtehrheit. bie eine ent*
fchloffene ©ogialreform miu, oon oer äufeerften Öinfen bis fehr
meit nach re( l^- Stör ben Umfchmuna ber ©timmung, bie noch
oor mentgen 3ah«n h^rrfchte, ift bie Slbftimmung über bas 3«*
oalibengefeh begeidbnenb: SBährenb 1889 feine Sinnahme unter bem
mächtigen druefe beS gürften SBiSmarcf nur mit oerfchroiitbenber
SRehrheit erfolgte, mar bieSmal nur ein mingigeS Häuflein bagegen,
unb bafür ftimmten — gum erften Riale für ein fogialpolitifcheS
©efep! — einhellig, laut graftionSbefchlufc, bie ©ogialbemofraten.
Sluch fonft hat fich bie Partei fehr eifrig im pofitioen ©iune an
ber 23erathung unb SSerbefferung ber Vorlagen betheiligt; bie Stuf*
forberung ber Rtitarbeit ergieht eben unmiüfürlich gum Rtitfdjaffen
auf bem ©oben ber gegebenen SSerhältniffe. 23on ben beiben Rolfs*
Parteien ift bie fübbeutfehe oon je ooll Rerftänbnih für eine ge*
funbe ©ogialpolitif gemefen, unb auch in ber freifinnigen regen fich
jefct mand^e Äeime. die „greifinnige Rereinigung" gept auf biefetn
©ebiete mit bem Slbgeorbneten Roeficfe, beffen energifd)e gnitiatioe
um fo größere Rebeutung hat, ba er felbft als großer Arbeitgeber
mitten im praftifchen Seben fteht. das Zentrum, unter gührung
ber Slbgeorbneten Hib e lieber, hat feinen alten Ruhm in
biefer ©effion treu bemahrt unb gemehrt; es bilbet mit feinen
100 Rtitgliebern bie terntruppe für bie Fortführung ber ©ogial*
1043
Sogtale Prajjs. ©entralblatt für Sogtalpolttif. Rr. 39.
1044
refonn im Sinne ber $aiferli<hen 23otfd;aften non 1881 unb 1890.
Die fogiaIpoliti|<f)e Signatur aber bat in biefer Seffion baS Partei*
roefen erbalten burdj bie fraftooHe ©nergie, mit ber fidj bie Ptebr*
beit ber Rationalliberalen unter Geitung ber Abgeorbneten Paffer*
mann unb Freiherr ben Problemen ber £>ebung unb
3örberung beS ArbeiterftanbeS gugeroenbet bat. Damit ift gerabegu
eine neue ©pod)e — nicht nur für bie Partei, fonbern für bie
Sogialpolitif im Parlamente überhaupt angebrochen, £>eutgutage
ftebeit brei Viertel beS SReic^ötage^ in ben grunblegenben fragen
ber fogialeti Reform gufammen, unb nur bie ReichSpartei unb bie
ftonferoatioen geben biet abfeitö.
Unb mir fyatn bie Uebergeugung, baf; bieS im Reichstag
oorbanbene Perbältnifc ähnlich auch im Polfe felbft berrfebt. Das
Perftänbnife für bie Rotbroenbigfeit, bie ©infiebt in bie ©rfpriejjlicb*
feit unb bie ©rfenntniß ber AuSfübrbarfeit oon Piafsnabmen beS
Reiches unb beS Staates, ber ©etneinbe, ber georbneten Selbft*
hülfe, bie berechtigte Pefchroerben ber breiteften Schichten befeitigen,
bringenbe SÖünfche befriebigen unb gum Rufeen beS PaterlanbeS
bie Waffen gu böserer GebenSbaltung unb ©efittung führen —
baS Perftänbnifj für bie Schulreform als eine ber ©runblagen
unfereS gangen PolfS* unb Staatslebens ift entfliehen im P$ad)fen
begriffen. Unb groar nicht nur in ben Streifen ber Pilbung, bie
in ber Arbeit ihr notbroenbigeS Korrelat ficht, fonbern auch in
bem Streife beS PefifceS, ber mit ber Pilbung gufammen gebt. ©S
ift in biefer f>infid)t in fyofytm unb erfreulichem PJafce begeiebnenb,
baf} roie im Reichstage fo auch außerhalb beS Parlaments immer
mehr einfiebtige Arbeitgeber unb Unternehmer öffentlich für eine
Sogialreform eintreten, oon ber fie eine görberung beS inneren
griebenS, eine Steigerung unferer GeiftungSfäbigfeit im SBett*
beroerbe ber Stationen unb eine Kräftigung unfereS PolfeS für bie
roffen poliüfchen, roirtbfüjaftlicben unb fulturellen Aufgaben er*
offen. Sn noch nicht gang neun Sab^n ift ber rubige giufc
unferer inneren ©ntroicfelung breimal unterbrochen rooroen, nach
bem Satt beS SogialiftengefebeS guerft bie Umfturgoorlage, bann
baS PereinSgefefc unb nun bie fogenannte 3ud)tbauSoorlage. 2öaS
PSunber, bafj unter folgen Hemmungen ber Strom fnb nicht
ein ruhiges unb breites 33ett graben fonnte, fonbern bafj immer
toieber Strubel unb SSirbel ben frieblithen gortfebritt oergögerten
unb aefäbrbeten! Aber manchen Geuten bünft ja freilich eine
ftaatsfeinbliche Sogialbemofratie, gegen bie bie Regierung bie
Ptacbt aufbieten foff, oiel bequemer als eine mächtige Arbeiter*
beroegung, bie fich auf bem Poben ber heutigen Oronung hält,
mit ber fid) aber bie Unternehmer felbft abfinben müffen!
Die Ptocbt unb ben ©influfj fold^er (Elemente barf man auch
für bie 3ufunft nicht unterfcbäfcen. 3b* SBefen ift auch in ben
lebten ReicbStagSbebatten, namentlich oon bem Abgeorbneten Paffer*
mann, fcharf gelenngeichnet roorben. Aber mir fürchten, bafj bie
leitenden Greife fich »an ben ©inroirfungen folcher „Scharfmacher"
— ber Rame ift ja terminus technicus geroorben — auch fünftig
noch nicht frei machen fönnen. ©ineS freilich füllte beute fdjon ge*
fdjeben: ©S ift ein Unfug, ja eines ber bebenfliebften Symptome
unfereS öffentlichen Gebens, bafj Pre&organe, bie im ®ienfte ber
einfeitigften Unternebmerintereffen flehen, gleichgeitig gu offigiöfen
Shmbgebungen ber Regierung benubt merben, uub bafj umgefebrt
attbefannte Regierungsblätter fich ohne Scheu als Sprachrohr oon
befangenen Pttttbeilungen ber Unternebmerpreffe geriren. Seber
Kenner unferer journaliftifchen Perbältniffe mirb uns barin bei*
ftimmen, bafj bieS Unmefen febr meit oerbreitet ift, unb bafj es,
mie faum etmaS AnbereS bagu beigetragen fyai, in meiten Kreifen
bie Anfchauung gu erroeefen, als ob bie Regierung bie Qntereffen
beS Staates oielfacb mit benen ber Unternehmer ibentifigire, mäbrenb
ffe ber gangen Arbeiterberoeguna mifjtrauifd) ober feittblid) gegen*
überftebe. PMr glauben gar niept, bafj biefe Auffaffung berechtigt
ift: @S ift anguerfennen, bafj bie Regierung bicSmal m ber Sn*
oalibitäts* unb in ber ©eroerbeorbnungSnooette oortreffliche An*
fäfce gur Perftärfung unb ©rroeiterung ber gürforge unb beS
Schuftes gemacht f)at, wenn fie auch im Perlaufe ber Perbanb*
lungen bur<h 3ögcxnt unb PJiberfpruch biefen guten @inbrucf mieber
oerroifebt but. Aber im öffentlichen fieben fott man auch ben böfen
Schein meiben. Unb es ift gerabexu ein Unheil, bafe baS ArbeitS*
mittigen*©efefc, bie ^enffchrift uno bie f>altung ber RegierungS*
oertreter im Reichstag biefem böfen Schein mieber neue fieudjt*
fraft gegeben bu^en.
ÖS fann gar feinem 3u>eifet unterliegen, bafe bie (Einbringung
beS ©efefcentmurfeS für bie Regierung ein fernerer Sebler ge*
mefen ift. Sie but fich bamit bemüht in einen febroffen ©egenfab
gu ber großen Piebrbeit beS Reichstages gefefct, ber erft oor roenigen
P$o<ben in autoritatiofter Sorm fich für bie AuSgeftaltung unb gegen
bie Pefdjränfung beS ^oalitionSrechteS erflärt batte. Sie bat bie
aefammte beutfebe Arbeiterfchaft, fomeit fie überhaupt am öffent*
liehen Geben fich beteiligt, in bie fcfiärffte Dppofition gebrängt:
©emerfoereine, eoangelifthe, fatbolifche Arbeiteroereinc, bie auf bem
Poben beS Staates, treu gu Sfaifcr unb Reich fteben, haben fidb
mit berfelben (Entrüftung gegen ben ©ntmurf auSgefprocben mie
bie noch 3 ur Sogialbemofratie baltenben Drganifationen. Auch
aus Arbeitgeberfreifen bat es nicht an proteften gefehlt; im Reichs*
tag maren grofee Unternehmer unter ben Rührern ber ©egner beS
©ntmurfeS, Arbeitgeberbeififcer beS Perliner ©emerbegeriebts haben
bagegen ©infpruch erhoben, ber Perein ber Schuh* unb Schäfte*
fabrifanten bat ihn oerroorfen. 3)ie Regierung bat mit ihrem
Porgeben beroiefen, baft fie meber mit ber 2M;rbeit beS Reichs*
tages noch mit bem beutfdjen Polfc Fühlung bat, ba& fie ohne
^enntnife unb Perftänbnif* ber fogialen unb roirtbfebaftlichen Strö*
mungen ift, bie unfere 3 e tt burcbflutben. hinter ihr haben bei
ber gangen trübfeligen Aftion nur eine Heine Schaar oon ©rofe*
inbuftrietten im Ganbe fomie bie Rechte beS Reichstages geftanben,
unb oon ben ^onferoatioen batte man noch ben ©inbruef, ba& fie
nur mit halbem bergen babei maren. Aber baS Sdjulbfonto ber
Regierung ift noch grö&er: ®er ©efefeentrourf mißt mit ungleichem
ttRafe, oertbeilt Gicht unb Schatten ungleich’unb richtet fich 9 c 9 cn
bie Arbeiterbemegung als folcbe. SDamit bat bie Regierung ein
fdjmer auSrottbareS Riifctrauen in bie gefammte Arbeiterbeoölferung
gepflangt unb fnh bie PSeae felbft ba oerleat, mo bie ©brlicbfeit
unb ber ©rnft ihrer fogiafpolitifchen Peftreoungen nicht gu be*
gmeifeln fmb. Unb bie unmittelbaren PHrfungen ber Porlaae felbft
mürben burch ihre Pefürroortung oon Seite beS PunbeSratbStifcbeS
noch oerftärft. Pon oornberein ftanb bie Regierung nur in ber
Pertbeibigung, aber auch &i e f e rourbe nur matt unb lahm geführt.
$>ie Solge mar eine unerhörte Rieberlage. Rieht einmal einer
^ommiffionSberatbung mürbe ber ©ntrourf oom Reichstage ge^
mürbigt, fonbern nach oiertägiger Debatte befcbloffen, bie groeile
Gefung nach ^ cr Vertagung im Plenum oorgunebmen.
SDamit ift biefe Porlage befeitigt. bie Regierung gut
beratben, fo giebt fie ben ©ntmurf felbft gurücf. Praucbte fie für
irgenb eine mafjgebenbe Stelle eine Quittung, ber Reichstag b fl t
fie ihr ertbeilt unb fie fann fie oorroeifen. 5)aburch mürbe ber
2öeg frei für bie oom ©entrum angefünbigte Aftion für ben pon*
tioen Ausbau beS SfoalitionSrechtS, ber ben Angelpunft ber SogiaU
politif in ber näcbften Seffion bilben mirb. Seit fahren tritt
ber Reichstag in Anregungen, Refolutionen, Anträgen bafür ein,
nun ift uns ein oottftänoiger ©efefeentmurf in AuSficbt geftettt.
UnfereS Dafürhaltens mirb er enthalten müffen: 3 ue tfi 53emegungS*
freibeit unb Red)tsficberung ber PerufSoereine, roobei burch Reichs*
efefe baS lanbeSgefefelidhe Perbot ber Perbinbung oon Pereinen
efeitigt, bie Pertretung ber Perufsintereffen, auch roenn fie baS
politifebe ©ebiet berühren, garantirt unb bie Red)tSperfönlicbfeit
oerüeben mirb. Sobantt bie ©rrid)tung unb 2förberung gemein*
famer Drganifationen, fei es in ArbeitSfammem, ober, maS uns
ftjmpatbifcber, in freien Darifgemeinfcbaften, mie fie im Pud)brucf*
geroerbe befteben, eoentuett mit 3agiebung ber ©eroerbeinfpeftoren
als Unparteiifcher. Drittens bie Reform ber ©eroerbegerichtc,
namentlich in ber Richtung einer ©rroeiterung ihrer Pefugniffe als
©inigungSamt unb Schiedsgericht mit PerbanblungSgroang; mie
fegenSreid) biefe Snftitution roirft, beroeifen gerabe jefct bie Por*
B imGobnfampfe beS PtaurergeroerbeS gu Perlin (oal. Sp. 1060).
nS ©infübruna paritätifcher, gemeinblicber ArbeitSnachroeife
oon ReichSmegen. fünftens ©rriebtung eines ReicbSarbeitSamteS
mit einem ftänbigen Peiratbe. §at man biefe „Drganifation ber
Arbeit" gefebaffen, bann fann man baran benfen, Scbufcroebren für
ihre ©rbaltung unb meife Penufcung gu fchaffen: Der Aufhebung
beS §. 153 ber ©eroerbeorbnung unb ber Unterteilung ber Delifte
gegen baS ÄoalitionSrecht foroobl bei ArbeiterberufSoereinen roie
bei Untemebmeroerbänben aller Art, auch & er Krufts, Spnbifate,
Kartelle, unter baS aemeine Recht mirb bie ©rmägung auf bem
gufee folgen, ob bie Arbeiter berienigen ©emerbe, bereu gefieberte
Ausübung im böd)ften Rufeen ber ©efammtbeit liegt (DranSport*
gemerbe, ^oblenbergmerfe, PeleuchtungSinbuftrie), nicht in irgenb
einer gorm ber Rotbrcenbigfeit beS Kampfes um bie ©jifteng unb
bie $ebung ihrer GebenSfül;rung enthoben merben fönnen.
©in Halbamtliches Örgan bemerft in einem Rachmort gu ber
Rieberlage ber Regierung: „Die oerbünbeten Regierungen müffen an
ber Hoffnung feftbalten, bafj in ben SRonatcn bis gur gmeiten
Gefung beS ©efebentrourfs im Plenum beS Reichstags bie eingelnen
Parteien ihre Stellungnahme gu ben ©runbgüaen beffelben einer
einbringlichen Prüfung untergieben unb in $olge beffen oon ber
Rotbmenbigfeit einer oeränberten Haltung fich übergeugen roerben.
1045
©ogfdle $rogi*. GentralBIott für Sogtalpolitif. Str. 89.
1046
Die Parteien werben pdp ber ©flieht itidjt entgiepen fönnen, faßS
fic bem ©efefcentwurfe in feiner gegenwärtigen Raffung ihre 3^*
ftimmung glauben uerfagen gu muffen, iprerfeitS bie ©ittel nach*
guroeifen, mit benen ben AuSfdjreitungen ber „mobernen Arbeiter*
Bewegung" wirffam entgegengetreten roerben fann. Die Anträge
ber Stegierungen finb aus einer ftaatlidpen SRothwenbigfeit empor*
ewaehfen." Diefe Ausführungen ftetten ben wirflicpen Dpat*
eftanb oößig auf ben Kopf. Sine ftaatlid^e SRotpwenbigfeit ift
es, oon biefer furgfichtigen unb mechanifcpen ^olitif ber Siepreffion
enblicp abgulaffen unb fiep entfcploffen unb aufrichtig einer pofitioen
Sogialreform guguroenben, wie fie bie gro&e ©eprpeit beS SfeidpS*
tageS unb ber Nation forbern. Seicht ber Sleicpstag, fonbern bie
Regierung ift auf einem falfcpeit ©ege. Qe eher fie umfeprt, befto
beffer für ihr Aufehen unb ihren dinflujj, befto beffer für unfer
©aterlanb unb unfer ©olf, baS für bie gebeiplicpe Fortführung
feiner großen politifcpen, wirthfchaftlicpen unb Shilturaufgaben ben
fogialen Fneben im Qnnern unb bie £ebung ber ©affen braucht!
©erlin. _ 6. Fr an de.
3nt HJoljituit erfrage In Betttfif)l(rab.
Die ©opnungsfrage mürbe am 21. Funi im preufjifcpen Ab*
georbnetenhaufe burch einen ooit ben Abgeorbneten Dr. ©eipe
(fonferoatio), F«if) e * r °^n $eereman (dentrum), ©ößer (national*
liberal) unb ©enoffen beantragten ©efefeentmurf roieber aufgerollt,
ber in baS StentengutSgefefc unb feine ftaatlichen Dotirungen ein*
begiepen miß „Heine ©eftfcungen, bie nur aus einem $aufe mit
©artenlanb beftepen, rnenn ein fommunaler ©erbanb ober eine
leistungsfähige gemeinnüfcige©augenoffen[chaftSlentengutSauSgeberin
ift", unb roeiter beftimmt: „Für 1900 bürfett Slentenbriefe jum
betrage oon 2 ©ißionen ©arf für biefen 3roecf oerwanbt werden.
Für bie folgenben Fahre hat ber F^angminifter auf ©runb ber
Berichte ber ©eneralfommifftonen ben öoepftbetrag ber gu biefem
3roe<fe auSgugebenbe Stentenbriefe gu bestimmen."
Der Antragfteßer Dr. ©eihe mies auf bie fojiale ©ieptigfeit
beS eigenen £>eimS befonberS für Arbeiter put. ©on ben
4000 ©ohnhäufem feines Streifes £>erforb feien 1700 digentpum
oon ©igarrenarbeitern — unb feit 40 Fahren habe man bort noch
nicht einem Streif erlebt. Der Antrag woße bie Stentenbanlen
jur ©ilbung oon Stentengütern Heineren Umfanges, oon fogenanten
Arbeiterroopnungen perangiepen. Der Staat laufe babei fein Stififo,
mie bie 9feicpS*©erftchenutgSanftalt ®üffe!borf geige, bie 1730000 <AL
bireft an Arbeiter gum ©au oon ©ohnungen — bisher ohne ©er*
Iuft — auSgeliehen pabe. Arbeiter biete aufjer mit ber
©opnung mit feiner ArbeitSfraft eine ©arantie. Fn ber ©eratpung
ergriffen in mehr ober minber guftimmenben Sinne bie Abge*
ordneten oon Stiepenhaufen (fonferoatio), F«ih err oon 3 c &life (frei*
fonferoatio), Dr. §ipe (dentrum), ©ößer (nationalliberal), ©olb*
fchmibt (freiftnnige ©olfspartei) unb ©raf gu ßimburg*Stirum
(fonferoatio) baS ©ort unb betonten befonberS auch bie $otp*
roenbigfeit oon Arbeiterfolonien in ber Peripherie ber Stäbte unb
bie ©opnungSinfpeftion. Der ©icepräfibent bes preufjifcpen
StaatSminifteriumS, Finangminifter Dr. oon ©iquel, fpra<h roieber*
holt in „einigen perfönlichen ©emerfungen gu biefem Antrag", bie
aber bie «Stellung ber Regierung im ©efentlidpen roohl roiber*
fpiegeln bürften, gumal in ber ©etitionSfommiffion beS SteichStageS
oom beauftragten StegierungSfommiffar gang ähnliche drflärungen
über bie ©opnungspolitif ber Stegierung abgegeben rourben.
Stach Dr. oon ©iquels Auffaffung bebeutet ber Antrag „bie
©erantroortlidjfeit beS ©cfammtftaateS für baS gefammte ©opnungS*
roefen im ßanbe" unb baS fönne „in ben .foitfequengen in oiele,
oiele ©ißiarben hineingepett". Der Staat habe gunächft überhaupt
feine Aufgabe, baS ©ohnungSbebürfni| gu befriedigen, es fei benn
für feine eigenen ©eainten unb Arbeiter. Das StentengutSgefep
biene einer grunbfäplicp gang oerfchiebenen Aufgabe als ber pier
gu löfenben. Der Antrag paffe für bie Stäbte nicht — bie ftäbtifepe
©eoölferung braune feinen ©arten unb fönne ihn auch nicht er*
fcpwingen — unb bie gange £anbroirtpfcpaft habe oon ber Sache
ebenfalls nichts, benn oie ©utsbefiper roürbeit nicht auf ihren
eigenen ©ütern ©runbftiicfe gum digentpum an dritte geben. Fn
ber ©opnungsfrage fteefe nicht nur oie Frage: ©ie roeit fann ber
Staat mihoirfen?, fonbern auch bie weiteren Fragen: hätten bie
Kommunen baS ihnen Dbliegenbe bereits geleiftet? Fn welchem
©ape fönnten bie Kommunen bireft ober inbireft bie ©erbefferung
unb ©ermehrung ber ©ohnungen für Arbeiter förbern? §abe
man burch bie ©auorbnungen ben ©au folcher ©ohnungen er*
leichtert? ober burch bie fommunale ©efteuerung in nennenswertem
Umfang: $abe man ft<h bemüht, gemeinblichen ©runb unb ©oben
für fotase 3n>ecfe bittig abgulaffen? Fnt Aßgemeinen müffe man
biefe Fragen gur 3^tt oerneinen.
Auf bie Frage, wie roeit bie ©orbereitungen ber Stegierung
für ben ©rlafe eines ©ohnungSgefepeS gebiehen feien, erHärte ber
©inifter: Seit gm ei Fahren fänben in biefer Frage ununterbrochen
©eratt)ungen in fämmtlichen SteffortS ftatt, unb eS feien befonbere
Äommiffarien ernannt worben, bie baS ©orgeljen ber Staats*
regierung in ©egug auf ben ©au unb namentlich bie ©enupung
ber ©ohnungen erörtern, dr habe urfprünglidj, ehe er ©inifter
würbe, ein SteichSwohnungSgefep — wie es ©rofeffor £ipe
forbere — für möglit gehalten, bas fi<h auf bie Steßung oon
©iitimalforberungen befchränfe; namentlich bie foberaliftifche ©er*
faffung SDeutfchlanbS fteße bem aber faft unüberroinblid)e Schwierig*
feiten entgegen. 0b es auf bie $)auer unmöglich fei, fei freilich
eine anbere Frage. $)er ©erfudj einer einheitlidhcn ©auorbnung
fei gegenwärtig noch gefdjeitert; beShalb habe man gu ©oligei*
oerorbnungen feine 3uflud)t genommen, bie benn auch g. ©. im
Stegierungsbegirf ©üffelborf erheblidje drfolge ergielt hatten, ©an
fönnte ba namentlich auch einmal mit ©erlin anfangen, was er
(©inifter o. ©iquel) für befonberS erroünfd)t halten würbe. Stach
früherem gelegentlichem ©efprädse mit ben ©ürgermeiftern fönne
er bei ber ©erliner ©ürgerfepaft eine gro&e ©eneigtheit oorauS»
fepen, bie fdjwieriae Aufgabe ber ©ohnungSinfpeftion unter ©e«
theiligung ber SelbftoerwaltungSorgane gu lofeit.
dr hoffe hoch, ba& fchlieplich, fei es burch ©eftimmungen
aßgemeiner Statur für bie gange ©onarchie, namenttich —
worauf er perfönlich bas entfdjeibenbe ©eroicht lege, in ©etreff ber
©enupung ber erbauten ßofale — über ben obligatorifchen drlap
oon ©oligeioerorbnungen in aßen StegierungSbegirfen, fei es
wenigftenS burch oorläufig oerfuchSweife erlaffene Poligeioerorb*
nungen für eingelne grofee Stäbte, ein roefentlicher Fortschritt er*
reicht werbe. 2)ie ©orauSfepung fei eine ausgiebige ftänbige
Sfontrole. $)ann fönne auch bie ©aufpefulation ficherer baS Fort*
fchreiten beS ©opnungSbebürfniffeS berechnen, als jept, ba in bie
alten ©ohnungen immer mehr neue ©emohner hineinfröchen.
Seien einmal beftimmte ©orauSfepungen gefeplicper Art oorge*
fchrieben, unter benen baS ©ohnen guläfftg fei, fo fönne bas nicht
mehr oorfommen. dS fei bieS auch für anbere fogiale Fragen
oon einer fehr gropen ©ebeutung, g. ©. für bie leichtfinnige An¬
häufung ber ©enfdjen in ben gropen Stäbten.
3)er Antrag ging an eine Sonber-Sfommiffion oon 14 ©it*
gliebern. Die in ber PetitionSfommiffion, wie oben erwähnt, anläptich
einer Petition für ein SieicpSwohngefep abgegebenen drflärungen
eines StegierungSoertreterS lauten nach bem amtlichen ©eriept:
„Die AetcpSoerwaltung ift burdjbruugen oon ber popen ©ebeutung,
rocldje eine ©efferung ber feopnungSoerpriltniffe ber unbemittelten unb
ber arbeitenbeu ©olsflaffen für bie fogiale 9Boplfaprt unb bie fogiale
l£tpif befipt. Demgemäp ift auep in neuefter 3eit bei ber ©eftaltung
ber Stooeüe gunt ^uoalibcuoerficperungSgefep barauf ©ebaept genommen
worben, für bie ©erficpenmgöauftalten bie ©öglicpfeit, Kapitalien gu
SSopnungSgwecfen pcrgugcben, tpmtlidjft gu erweitern unb gu erlebtem.
Unleugbar ftnb weitere wichtige Aufgaben auf biefem ©ebiet bur^ bie
©efepgcbuug unb bie ©erwaltmtg gü löfen. 3 U begweifeln aber ift es,
bap gerabe baS Steicp pier gunt Gingreifen berufen ift, unb niept otel*
mepr ben ©unbeSftaaten bie erforberlicpen ©apnapmen gu überlaffen
ftnb. Dies gilt fowopl oon ber SSopnungSpoligei, b. p. oom Grlaße
bau* unb gefunbpeitspoligeilieper ©orfepriften über bie .f>erfteßung,
©efcpap'enpeit unb ©enupung oon ©opnungSräumen, als auep oon ber
©?opnungSfiirforge, b. p. oon ber Förbernttg ber ©efepaffung Billiger
unb geeigneter ©opnungen für bie ärmeren 8cpicptcn ber ©eoölferung.
Da fiep bie Petition auSfcplieplicp mit ber lepteren ?frage befepäftigt,
erübrigt ein Gingepen auf biefenigen ©ebenfen, weld;e einem ©orgepen
ber SteicpSgefepgebmtg auf bem (Gebiete ber SBopnungSpoligei entgegen*
fiepen. Die Petition ift auf bie Grricptung befonberer ©epörben gur
görberung einer pofitioen ©opnungsfürforge (SSopnungSfontmifftonen)
unb auf ©etoäprung oon Sieicpsfrebit gu bem gleichen $u>etfe gerichtet;
fie befepäftigt fiep fonadj mit Fragen ber SBopIfaprtspflege, toelcpe im
Aßgenteinen Sacpe ber Giugelftaaten ift unb pier auep aus 3wed*
mäpiafeitsgriinben ber SSirffamfeit ber fianbeSbcpörben gu überlaffen
fein Dürfte. Das ©ebürfnift ttaep fterftellung billiger unb gefunber
Heiner ©opnungen unb ttaep öffentlicher, inSbcfonbere auep finangießer
Unterftüpung ber pierauf gerichteten ©eftrebungen ijt örtlicp in popem
©rabc oerfepieben unb baper nur burep ^anbeSbepörben fadjgemäp gu
beurtpeilen. ©enn aber bie Gutfipeibung bariiber, ob unb wieweit bie
pofitioe ©opnungsfürforge burdj bepörbiidjc Dpätigfcit unb dewäprung
öffentlidier HRittel ober öffentlichen ifrebits gu unterftüfeeu ift, in ben
fänben oon ^aubesbepörben ju belaffeu ift, fo wirb auep bie @e=
Währung oott Staatsmitteln ober oon öffentlichem 5ircbit 8adje ber
Gingelftaaten bleiben mitßen. Die Petition bürfte baper nicht gur ©e=
rürffteptigung gu empfeplen fein."
1048
1047 ©ogtale $rajis. ©entralblati für ©ogialpolitif. Nr. 39.
JUlgemeine Storni- unb l irt^djoftepolitik.
$tc Sohn* nnb AnffeÄungStief hiltttiffe ber Arbeiter ber ffhtoetgerifdfeei!
BmtbeSberwattimg*
Auf baS oon bem ©tänberatfe auf Antrag bcS ©ogialiftenfüfererS
©ußfdfelegel im §erbft 1897 ergangene Boftulat: „$)er BunbeSratfe
wirb eingelaben, gu prüfen unb barüber Beriefet gu erfiatten, ob
niifet bie £ofen* unb AnfteflungSoerhältniffe ber minbeftenS gwei
Sabre im $>ienfte ber BunbeSoerwaltung ftefeenben unb oollbe*
fdfeäftigten Arbeiter gefefelid) gu regein feien", ift ein einaefeenb be*
grünbeter Beridfet beS BunbeSratfeeS ergangen, ber bie Ablehnung
beS Antrages empfiehlt. ©S feanbelt tiefe hierbei um etwa 20 Be*
triebe mit 1700—2000 Arbeitern, ber Nfcfergafel nach im $)ienfte
ber Niilitäroerwaltung. ©ie finb alle mit oerfchminbcnbeu Aus*
nahmen ©dferoeiger Bürger, crtoachfen, männlidfeen ©efdfelecfets unb
untergeben bem eibgeitofftfc^cn Sabrifgefefe. $ie bem BunbeSratfe
mit bem ^oftulat unterbreiteten ©ünfdfee ber Arbeiter beziehen fidfe
einerseits auf bie AnftelluitgS*, anbererfeits auf bie Sohn*
oerhättniffe.
$)ie in erfterer Begiefeung ocrlangte ©leidfefteüung mit ben
eibaenöffifdhcn Beamten unb Angeftellten lehnt ber BunbeSratfe
enffefeieben ab. Bei ber Anftellung ber Beamten hobele eg fi<h,
fo begrünbet er feine Haltung, um eine ocrhältnifemäfeig Heine
3ahi oon $erfonen, beren £üdfetigfeit burch eine Prüfung unb ben
^robebienft, bei bem bie Braudjbarfeit bes Beamten mel fidfeerer
m erfenneit ift, als biejenige eines Arbeiters, gewäferleiftet fei.
Aucb erhielten bie Beamten für aufeerorbentlicfee Arbeiten feine
©ntfdfeäbigung unb müfeten fidfe gubem einer Neuwahl untergiefeen.
$>ie Anftellung oerbiete fi(h aber fchon im Sntereffe eines rationellen
Betriebs wegen ber ©dferoanfuttgen beS BebarfS an Arbeitsfräften,
bie g. B. in ber SfonftruftionSroerfftätte 60%, m ber ©affenfabrif
17% betrügen, ferner fönnte man eine fnrge EüubiguitgSfrift
als bas einzig roirffame 3)iSgiplitt* unb DrbnungSmittel
nidfet entbehren. Aus gleichem ©ruitbe fei bie ©cfeaffuitg einer
neuen Snftatu für bie Unterfudfeung bei ungerechter ©ntlaffung ab*
gulefenen. ©benfo roirb bie Sorberung ber Arbeiter, bie 3 a h^ ber
Seferliitge auf feöcfeftenS 7 % ber Arbeiterfcfeaft gu normiren, ab*
elefent, ba in ben BunbeSbetrieben nur bie SNinbergafel ber Ar*
eiter eine Sefergeit burchgumachen habe unb fidfe Die 3afel ber
Lehrlinge nad) bem Beftanb beS BebarfS an Arbeitern ri(f)te.
$)ie Sreigabe beS l.Nlai unb bie ©ewähruna eines oiergehn*
S en Urlaubs in jebeut Safer roirb ebenfalls abgelehnt, ba bie
erung oom ©tanbpunft eines rationellen Betriebes aus unb
mit Niicffidfet auf bie Sßrioatinbuftrie bebenflidfe fei. Aufjerbem
rourbe als ©runb ber ablehncnben $altuna eine Bermiuberung
beS SahreSoerbienfts ober eine Beteuerung Der Arbeit um 0, 4 % (!)
angegeben. 3>cr Adfetftunbentag rourbe abgelehnt, ba ber ©prung
oon Der jefeigen 11* refp. lOftünbigen ArbeitSgeit gu ber 8 ftiinbigen
ein gu gewagter fei unb auch fein ©runb eingufefecn fei, warum
bie Bunbesarbeiter, bie ff<fe einer burchfchnittüch fürgeren ArbeitS*
bauer erfreuten, oor ihren BerufSgenoffen fo fehr beoorgugt werben
fottten.
©aS bie Sofenoerfeältniffe anlangt, fo ift bem BunbeS*
rath bie Sorberung ber gleichen Begabung ber Frauenarbeit an*
nehtnbar, falls bie Arbeit bie gleite nach Seiftung unb ©üte fei.
©ine regelmäßige obligatorifdfee Sofenaufbefferung oon brei gu brei
Saferen im Betrage oon 300 SrcS. wirb mit Nücffidfet auf bie
Berfcfeiebenartigfcit ber Arbeiter nach Steife unb Seiftungen abge*
lehnt. 2)ie begehrten 3 u fcfeläge für Nacht* unb lleberarfeeit feien
nur tfeeilroeifc höher als bie bereits in ben BunbeSroerfftätten üb*
licfeen (25% fürSEagcS* unb 50% für Nachtarbeit). SDie ocrlangte
©eiterbegafeluna bes Lohnes in ÄranffecitsfäHen roirb unter |>in*
roeis auf bie tfeatfäcfelich fefeon beftehenben Nfißftänbe (©imulahon)
abgelehnt, im Uebrigen werbe auch bie ftranfen* unb llnfadoer*
fiefeerung Nefferung bringen. Nacfebetn in ber BolfSabftimmung
bie Benfionirung Der Beamten abgelehnt worben ift, roirb auch
bie SpenfionSberecfetigung oerroorfen. Qk Btehrgahl ber Betriebe
befifee übrigens NlterS* unb ©terbefaffen mit beträchtlichen BunbeS*
gufchüffen. £ie Normirung eines 3RinimallohnS rourbe abgelefent,
ba fie gunt Slusfcfelufe ungefefeiefter, aber williger unb in ihrer
£eiftungSfähigfcit geminberter, gebrecfelidjer ^erfouen groingc.
^)cr BunbeSrath fd)liefet feinen Beriefet mit ber Bemerfung,
bafe er, obgleid) jeber Xenbeug nach Bejferung beS ^ofeitcs ber
Arbeiter in ben ©djranfen ber NJöglid)feit unb (^eredjtigfeit feolb,
in ben ©ünfefeen ber Bunbesarbeiter biefe (Garantien nidjt erblicfen
fönne unb baooit abfefeen muffe, ben Nnfpriicfeen ©eniger gu Un*
gunften ber BJeferfeeit gu eutfpreefeen. ®as ©ofel ber Nflgeineinfeeit
im Nugc befealtenb, werbe er beftrebt fein, audfe fernerhin foioohl
in feinen ©tabliffementS als auf anbere ©eife bie ©ohlfafert beS
fehweigerifdfeen NrbeiterftanbeS gu förbern unb gu heben.
SDagu roirb uns aus ber ©chroeig gefeferieben: ff 5Ran mufe bem
BunbeSratfe barin beiftimmen, bafe bie NnftcdungS* unb ßohnoer*
hältniffc ber Arbeiter nicht in gleicher ©eife wie bei ben Beamten
geregelt werben fönnen; allein er hätte bodfe auch nicht einen fo
feferoff ablefenenben ©tanbpunft einnehmen unb herbei immer
roieber bie öefafer für bie ^rtoatinbufirie unb ben Neib ber
Sßrioatarbeiter betonen foflen. $>ie BunbeSbetriebe follten SRufter*
anftalten fogialer Sürforge fein; ber Bunb foll nicht nur ben
Slrbeiterfchufe anbefehlen, fonbern felbft audfe geigen, wie er i£>n in
ber ^rajiS auffafet. Neib roirb er immer erroedfen, allein, roenr.
er hierauf 9iücffic|t nefemen wollte, fo thäte er bann beffer, feine
t ähbe in ben ©dfeofe gu legen, lieber eine Neihe ber oon ben
rbeitent geftelltcn ©ünfefee benfen jefet fdfeon manche ßeiter
gröfeerer ^Srioatbetriebe roeitfeergiger als ber BunbeSratfe; mir er*
innern nur an eingelne ©ifenbafengefeHfcfeaften, unb es wäre boefe
betriibenb, wenn beim beoorftefeeuben Üebergang ber ©ifenbafenen
mit iferen 20 000 Arbeitern an ben Bunb bie neue Drbnung
fogialpolitifcfe einen Nüdffdferitt bringen roürbe."
tlmtlicfee Erhebungen über 3lrbeitSfämpfe in ißreufeen. ©ir
haben fürglicfe fdfeon bei ber Befpredfeung ber erften amtlidfeen Streif*
ftatiftif (oergl. „©ogiale BrafiS" ©p. 974) erwähnt, bafe bei ben
©rfeebungen audfe Berichte ber ©eroerbeinfpeftoren unb ber Parteien
felbft gur Berroenbung fommen. Nun roirb ber ©ortlaut ber
hierauf bezüglichen Berfügung ber Nttnifter beS 3nnem unb für
|>anbel unb ©eroerbe befannt; fte fdfereibt oor:
„^a für bie in bie Nacferoeifungen über bie ©treifö unb
SluSfperrungen aufgunefemenben Angaben bie DrlSpoligeibefeorbeit
im ©efentUcfeen auf ©rfunbigungen bei ben Beteiligten ange*
roiefen ftnb, fo erfdfeeint es, bamit ein möglidfeft objeftioes
Bilb beS ©achoerfeältniffeS gewonnen werbe, erforberlicfe, bafe bei
biefen bie Sntereffen beiber ifeeile berüferenben ©rfunbigungen fo*
roofel Arbeitgeber als audfe Arbeitnehmer benicfRcfetigt werben.
^)ie DrtSpoligeibefeörben finb bafeer mit entfpredfeenben ©cifungen
für bie ©ammluna beS SNaterialS gu oerfefeen, unb es ift gugleidfe
Anorbnung gu treffen, bafe bei ber Nachprüfung ber Nadferoeifungen
bie ©eroerbeauffidfetsbeamten in tfeunlidfeft weitem Umfange
beteiligt werben."
$>äs ift eine in feofeem Niafee erfreulidfee, wenn audfe eigentlidi
felbftoerftänblidfee Anorbnung. §ätte man ftefe biefer Nletfeobe
auefe bei ber ^)enffchrift gum ArbeitSwilIigen*©efefe bebient, fo
feätte biefe nidfet bie jefeige traurige Berühmtheit erlangt
$ie Nechtfprecfenng unb bie Arbeiterbewegung« Aus 3uriften*
freifen wirb uns gefdferieben: 3n ber Sorm mo^te ber Bortourf,
ben ber Abgeorbncte Dr. Sieber in ber Neicfestagsfefeung oom
20. 3uni ben ©eridfeten in Begug auf bie Aburteilung oon ©treif*
oergefeen unb überhaupt alle mit ber Arbeiterbewegung uiimittel*
bar ober auch nur mittelbar gufammenfeängenben ©traftfeaten
maefete, oieHeicfet gu weitgegangen fein. ^)afe er ihatfädfelidj niefet
unberechtigt war, bürfte Niemanb beftreiten, welcher bie Necfet*
fpreefeung feit ben lefeten 3afe«n aufnterffam beobachtet unb ffefe
babei bie Säfeigfeit einer objeftioen ©iirbigung audfe bewahrt hat.
Unter ben gafelreicfeen unliebfamen Begleiterfdfeeinungen ber heutigen
politifdfeen unb fogialen 3 u ffänbe in SDeutfdfelanb ift biefe Ser*
irrung ber Nedfetfpredfeung mit bie aßerunerfreulicfefte. 'Siafe bie
BerroaltungSbefeörben bei ber Auslegung ber ©efefee eiufeitig unb
oorurtfeeilSooll oerfaferen, erregt fdfeliefelidfe feine Berrouitberung
mefer, bafe bie $anbfeabung beS AnflaaemonopolS ber ©taats*
anroaltfdfeaft oielfadfe niefet mit ber Dbiemoität erfolgt, bie boefe
bie erfte BorauSfefeuttg für bie bauernbe Aufredfetfealtung biefer
©inridjtung ift, überrafefet audfe nidfet mefer nadfe beit Erfahrungen,
bie man hiermit in oerfefeiebenen Sänbern gemadfet hat; bafe aber
audfe bie ©eriefete niefet im ©taube finb, fidfe oon bem Bann ber
Älaffenoorurtfeeile unb Älaffenanfcfeauungen gu befreien, bafe bei
ber feoefeften Aufgabe, bie überhaupt bem ©taate obliegt, ber reefet*
gebenben unb recfetfprechenben, baS ©ubftrat ber gefelifdiaftlidfeen
Nieinungen in ber ©eife ein einflufercicfecr Saftor ber Necfetfpredfeung
wirb, in weldfeer bieS in ^eutfcfelanb ber Satt ift, baS Jonnte
allerbingS auefe oon ben Beffimiften nidfet erwartet werben.
©S ift fefer gut, bafe biefer ©rfdfeeimntg einmal audfe feitens
ber aufeerbalb ber ©ogialbemofratie ftefeeitben Parteien Auf*
tnerffamfeit gugeroenbet roirb unb baS Parlament feat, bei ooller
©aferung bes ©runbfafeeS oon ber Stfeeilung ber ©ewalten, nidfet
nur bas Ncdjt, fonbern gerabegu bie ^flicfet, fidfe hiermit gu be*
1049
©ogtale prägte. dentralBlatt für Sogialpolitif. Rr. 89,
1050
fcßäftigen. 3e fcf)ärfer unb unerbittlicher bie Kritif, bie an ber
Rechtspflege geübt wirb, um fo beffer oor Allem, für biefe felbft,
benn nur bann fann bie RedjtSübung bas ihr oerloren gegangene
Vertrauen wieber erlangen, wenn fie fid) non ber Beeinftuffnng
burch bie Anfcßauungen einer beftimmten klaffe frei gu machen
weiß. Daß für bie dinfeüigfeit ber Rechtsübung ber Arbeiter*
beroegung gegenüber bie ungureießenbe Ketttilniß biefer nicht in
lefcter fiinie oerantwortlicb gu machen ift, unterliegt fchroerlich einem
3meifel. Die einfeitige Ausbilbung ber Furiften, bie nach oer*
fchiebenen Richtungen hin fo unbefriebigenbe drgebniffe ber Recht«
fpreeßung aufguweifen hat, rächt fich auch hier.
(Sin britifdjeS Uribett über beutfiie Arbeiter. „The Eogiueer“,
ein für Arbeitgeber uno DecßniFer beftimmteS Facßblatt, unterfueßt
in feiner lefcten Bfai*Rummer bie ©rünbe, warum bie britifche
Snbuftrie neben ber amerüanifchen bie beutfeße Konfurreng gu
achten, um nicht gu fagen gu fürchten habe. linier & en £>aupt*
grünben für baS ©ebenen ber beutfehen Snbuftrie führt ber Ar*
tifel an leitenber Stelle bie berufliche DiSgiplin ber beutfehen Ar*
beiter an unb fagt barüber wörtlich: ,,B?ait fann jeßt in Deutfcß*
lanb weber Fabrifeit noch Bßerfftätten irgeitb welcher Art bcfucheti,
ohne feftguftetten, baß in ihnen allen bie DiSgiplin außerordentlich
gut ift. BJögen Arbeiter in ihrer freien 3°^ am*) noch fo oiel
fogialbemofratifch rothe Anficßten äußern, wie eS ihnen gefällt, auf
ber ArbeitSftätte fiitb fie geljorfam unb haben DiSgiplin. Das
Refultat bauon ift, baß fie mit einer „dinßcit" arbeiten, bie man
feljeit muß, um fie gu glauben.— Das flingt anberS als bie
„SDenffcbrift" unb bie beweglichen Klagen mancher beutfehen Ar*
beitgeber über bie Btocbtgelüfte unb 3»d)tlofigfeit unferer Arbeiter.
Der ArbeitSbeiraih tu Otfttvttid). Die nächfte (IV.) 0ißung
finbet, wie uns aus B3ien gefchrieben wirb, am 10.3«li im
ar beitsftatiftifchen Amte mit folgenber Tagesordnung ftatt:
1. SRittheilungen. 2. ’SÖerti^t über bie am 2., 3. unb 4. SRai ab*
gehaltene (iuquete, betreffenb bie Statiftif ber ArbeitSoermitteluug.
3. Borbericßt über beit Arbeüerfchuß bei Vergebung öffentlicher Arbeiten
unb Lieferungen unb SBahl eines AuSfchuffeS jur Beratung biefeS
©egenftauöcS. 4. Bericht über bie ©rgebuiffc ber für beit 26. lefcten
SRonatS einberufenen Enquete über bie Lage ber Heimarbeiter in ber
Üonfeftionsinbuftrie.
Der Arbeitsbeirath itt £)efterreicb entfpricht etwa ber Korn*
tniffion für Arbeiterftatiftif in Deutfcßlanb. Söäßrenb aber ber
elftere eifrig an ber Arbeit ift, muß bie gweite feiern. Die leßte
0ißung ber beutfehen komntiffion, in ber bie AuSfunftSperfonen
über bie Berßältuiffe im ©afi* unb 0<hanfgemerbc oernommen
würben, bat ®ont 17. bis 21. Rooember 1898 ftattgefunben, alfo
oor 7V 2 Btonaten! Das war bie eingige Tagung ber Korn*
tniffion im gangen lebten Sabre, 3nni 1898/99. Unb noch hört
man nicht bas ©eringfte oon einer diitberufung, bie befauntlich
allein ber Regierung guftebt..
befrei über „poliiifdje Btaßnabmen" itt Statten, Durd)
königliches ®efret oom 23. Suni werben folgenbe Blaßnabtnen
angeorbnet:
Rach Artifel 1 faitn bie poltget aus ©rüitbeit ber öffentlichen iurb*
tuitig öffentliche ^ufammeurotUingen unb Berfammlungen oerbieteit;
gittoiberhanbelitbe werben nach Artifel 434 beS «trafgefeßbucbeS be*
[traft. Artifel 2 uuterfagt bei Strafe bis gu einem SRoiiat Haft ober
Olelbftrafe bis gu 300 Lire bas öffentliche fragen ober AuffteHen oott
aufrührerifchett Reichen, Stanbarteu ober dttiblcmen. Artifel 3 feßt feft,
Öaß ber Riinifter bes Fmierti außer ben uerbrecherifdieit Bereinigungen
aud; folrfjc auflöfett fann, welche begwecfeit, auf beut s Bege ber Tqat bie
fogtalen (linrichtungett ober bie 0taatsoerfaffung untguftürgeu. Teit auf*
gelöften Bcreiuen fteht Berufung an beit Staatsratf) gu. BJenn bie
aufgelöfteit Berctne ftch aufs Reue foitfütuireit, fo werben bie Förberer
ber Bewegung unb bie Borftänbe mit Haft bis gu 3 SRouaten ober
©elbftrafe bis gu 1000 Lire beftraft. Artifel 4 befagt: „SLeun brei
ober mehr Beamte, Agenten ober Arbeiter bei difettbahneit, ber poft,
ben Telegraphen, bei Auftalten gur öffentlichen Beleuchtung mittels ©as
ober ©leftrigität fidj gutit Ausftanbe uerabreben, werben fie mit Haft
bis gu brei Bfonateu ober mit ©elbftrafe bis gu 1000 Lire beftraft.
Die Förberer ber Bewegung unb bie Rührer werben mit Haft bis gu
6 SKouaten ober au ©elb bis gu 3000 Lire beftraft." Tie Artifel 5
bis 9 begiehen fich auf bie treffe unb beftimnten, baß alle ftrafred) Hießen
Beftimntungen, betreffenb llebertrctungeu bcS Brcftgcfcftcs unb burd) bie
^reffe begangene Berbred)eit auf ben oerautwortlidjeu Leiter eines
Blattes unb auf bie Berfaffer unb Rtitarbeiter ber als ftrafbar begeid)*
iteleit Beröffeutlichuug Attmeubuitg gu finben haben. Artifel 10 beftimmt,
ba& bas Tefret am 20. £;uli in Äraft treten fofl.
3)as Tefret geht fofort öem Parlament gu behufs Umtoanb*
luncj in ein ©efefe. 2)er gufamnten mit bem Tefret oeröffentlidjte
^Bericht beS RttnifteriumS an ben Völlig befagt: T)ie T)eputirten*
famrner genehmigte am 4. Biärg b. 3$* mit fehr großer Btehrheit
bie grunblegenben 3been beS ©efefcentmurfs. Ruitmehr aber hat
eine Heine RHnöerheit ftch offen Me Berhinberung ber enbgültigen
©enehmigung ber Bortage gum 3^ 6 c f e ^- AnaefichtS biefer
ßage tnufe bie Regierung @orge tragen, ba§ ber 2öiÖe unb baS
Recht ber RIehrheit obfiegen fönnen, baher hat ber SRinifterrath
einftimmig befchloffen, bem Röntge oorgufchlagen, burch Berorb-
nung bie wefentlidjften Beftimmungen biefer Borlage gu fanf*
tioniren, bereu Wortlaut bem oom BartameutSauSfchuffe ange*
nommenen entfpricht. Söenn biefe Berorbnung erft am 20. 3utt
in £raft tritt, bleibt bem Parlamente oolle Rlöglichfeit, barüber
oor ihrer Anmenbung gu beraten unb gu befchliefeen.
ArbettSftatiftt! in Ungarn. Sie bie „Bub. torr." melbet, hat
ber HmnbelSminifter fcj c drgäitgung ber oor einem 3ah*e in An*
griff genommenen fabrif* unb lohnftatiftifchen T)aten ins Auge ge*
fafet. Boährenb bie bisherigen Arbeiten bie (Schaffung eines
ftjftematifdjen 3abrif*0tammbucheS unb befonberS baS 0tubium
ber Arbeiteroerhältniffe anftrebten, füllen bie neuen Aufnahmen bie
eingehenbe drforfchung ber ProbuftionS* unb ßebenSoerhältniffe ber
Sabrifiubuftrie gum ditbgwecfe haben. Rieht eine giffermäfcige
0tatiftif, fonbern bie getreue unb möglichft betaillirte Befchreibung
jebeS 3ubuftriegweigeS wirb angeftrebt, fo baü nadh ber erfolgten
Durchführung biefer Arbeiten jeber eingelne ^nbuftriegweig über
eine betaillirte 0pegialbiographie oerfügen wirb. Der SRiniftcr
plant bie Durchführung biefer Arbeiten gruppenweife burch 0pe*
gialifteu an 0rt unb Stelle oornchmen gu laffen unb gwar foH
baS gange Söerf burch SachfeHion ber ©ewerbeförberung ge*
leitet werben. Borläufig fofien bie Arbeiten blofe auf bie fabrif*
iitbuftrie auSgebehnt werben, währenb baS Kleingewerbe anläßlich
ber am legten Tage beS nächften 3ah^ burchguführenben BolfS*
gählung aufgenontmen werben foH # worauf bereits bei ber Rebi*
girung ber BolfSgähluugSblätter Bebaut genommen werben foll.
Die Arbeit foH tn ber möglichft größten Deffentlichfeit oor fich
gehen unb eS füllen hiergn fowohl oor ber 3»angriffnahme ber
Datenfammluttg als auch na ch ber Kompletirung bes RlaterialS
bie ^eroorrageubften Fachmänner beS praftifchen fiebenS h^an*
gegogen werben.
Sojtal* Jnflätide.
©nqnete über bie Sage ber Heimarbeiter in ber öftarreidjifchett
ftonfeftionSinbnftrie. 2öie wir feinergeit berichteten, hat ber Beirath
beS arbeitsftatiftifchen Amtes in Defterreich in feiner Sifcung oom
20. Biärg befdjloffen, dnqueten über Me Lage ber Hrintarbeiter [ n
ber Kleiber* unb SSäfchefonfeftion unb ber Bergarbeiter bes Dftrau*
Karwiner ReoierS gu oeranftalteu. Begüglich ber dnquete über
bie KonfeftionSinbuftrie würbe ein genauer plan burchberathen.
Am 26. 3«ni hat nun biefe drhebung ihren Anfang genommen.
3ur FragefteHung an bie eingelnen d^perten finb brei Fragebogen
entworfen, unb gwar je einer für bie Konfeftionäre, bie 3mifchen*
meifter unb bie Arbeiter, in bereu febein bie eingelneu Fragen nach
©ruppen gfeorbnet finb.
werben au bie Unternehmer Fragen geratet über ©egenftaub
unb Art bes ©cfd)äftsbctriebes, über bie Söerfftättenarbeiter, unb gwar
über 3mifchennteifter unb über bie unmittelbar befchäftigten Hrim*
arbeiter. An bie ^wifdjenmeifter unb an bie Arbeiter werben gunädjft
Fragen allgemeinen dljarafterS (über bie Branche, bie perföitlidjen Ber*
hältniffe u. f. w.) gerichtet, bann folgen Fragen über bas Berljältnifc
gum Arbeitgeber (Art ber Anwerbung, Art bes Berfehrs mit bem Unter*
nebmer, Löhne, Ablieferung unb Abrechnung, Art ber Befchäftigung,
Tauer ber Arbeit, drfahrungen mit bem ©ewerbegeridjt), |d)lief}lieh
wieber AttgemetneS (Fahresoerbieuft, Auslagen, Lebenshaltung,
Crgauifationj. Bei ben ;jwifchenmeiftern fdjiebt fich uod) eine eigene
©ruppe oon Fragen, nämlich über Söerfftätte unb HülfSarbeiter
(Arbeitsräumlichfeiten, Arbeit gu Haufe unb aufter Haufe, Lehrlinge,
Art ber Anwerbung, Löhne ber HülfSarbeiter unb Anberes) ein.
Arbeiteroerhättniffe itt ben ©ifentoerfe» oon fie (Srettfot itt
pfrattfreich« lieber bie 3«ftanbe in bem größten inbuftrieüen dta*
bliffement FranFrei.d)S, oon bem wir in Rr. 36 @p. 984 aus Anlafe
eines allgemeinen AuSftanbeS gefprochen haben, entnehmen wir
einer prioaten dnquete beS „DempS" bie folgenbeu Angaben. 2Bir
erinnern hierbei, bafj biefe Unternehmung eine Hamburg bes
patriarchalifchen FabrüfeubaliSmuS barftellt, in bem ber Arbeiter
burch eine Füße oon BBohlfahrtSeinrichtungen in eine politifch
mißbrauchte Abhängigfeit oerfefct wirb. B5as gnnächft baS Ber*
hältniß oon Arbeitgeber* unb «nebmer im Allgemeinen betrifft, fo
geigt fich ftets beutlidjer, baß baS ©efüßl ber 0oIibarität, baS
nodj oor 30 unb 40 3ah«n berrfeßte, ficß feßr rafcß auflöft. Der
Arbeiter oerlangt 0elbftftänbigfeit in feinem prioatleben, oor Allem
1051
Sogtale IßrajiS. (Sentralblatt für Sogialpolitil. 9fcr. 39.
1052
greiheit in feinen politifchen Anfchauungeit. (Gegenüber ber be*
ftänbigen politifc^en Beoormunbung beS Unternehmers war es bem
SogialiSmuS leicht, in ben Arbeitermafien breiten Boben gu finben.
TaS gamilienhaupt ber gegenwärtigen ßigenthümer, ^err dugen
Schneiber, ift Teputirter beS BegirfS unb repräfenttrt in ber
inneren ^Solitif gemäfgigt-fonferoatioe AnRhauungen mit ntonardji*
ftifdjer gärbung, roährenb bie Arbeiterfdjaft republifanifd)*fogialiftif(h
gefinnt ift, troßbem aber bem Brobherrn gum Bkhlfiege oerhelfen
mufj. Snbeffen geigt baS mit jeber föeuroahl 3 u fonftatirenbe An*
warfen ber auf ben fogialiftifchen ©egenfanbibaien fallenben
Stimmen fehr beutlid), bafj bie BSahl eines ArbeiteroertreterS im
93 e 3 irfe nur noch eine grage ber 3 e *t ift* — Tie Unternehmung
befchaftigt neben etwa 1200 Beamten gegen 10 000 eigentliche Ar*
beiter. TaS (Sinfommen ber leßteren tft baS folgenbe:
Tagelöhner. 2 , 50 — 3,75 grcs. pro Tag — 1 U b. ^erfonals
(Gelernte Arbeiter . . . 4 ,40— 5, 00 = * — Vs * -
$öf)er qualiftgirte Arbeiter 0,25—6,00 * * * — Vs * *
3pegialifirte Arbeiter . . 6,00—8,00 * s , _ i; 8 s
(Sinen Sohn oon mehr als 7 grcS. befommeit !aum 700 Arbeiter;
barunter befinben Reh allerbingS folche, bie bis gu 15 greS. pro
Tag begiehen. Trei Biertel ber Belegfdjaft bleibt mit ihren tag*
liehen dinfünften bemnach unter 5 grcS.
Sn ber bebrüefteften Sage befinben fid) bie Tag löhn er, bie
in ber gabrif 3 U ben geroöhnlichften Tienftleiftungen oerroenbet
roerben unb bie am roenigften oon ben 2öohlfahrtSeinridt)tungen
profitiren. Sie finb in elenben SBohnungen in unmittelbarer SRälje
ihrer BSerfftätten untergebrad)t, in benen fie für eine Diethe oon
100 bis 120 grcS. nteift nur einen Baum für bie gange Familie
befißen. gleifch figurirt fehr feiten auf ihrem Tifche. Kohlfuppe,
Specf unb Kartoffeln bilben neben Brob bie ^auptnahrungSmittel.
TaS übliche ©etränf ift entmeber BBajfer ober ein Abfub oon oer*
fdjiebenen getroefeneten fjrud^ten, ber in glaRhen aufbemahrt roirb.
Tie gamilten pflegen giemlic^ finberreid) gu fein. Bon 14 Sehren
an föntten bie Knaben in ber gabrif 50 (StS. bis 1 grcS. am
Tag oerbienen, bie Btäbchen werben roomöglich in ber Stabt be*
fchäftigt. Bad) einer bireften Aufnahme fefct ft<h baS tägliche AuS*
aabebubget einer Taglöhnerfamilie mit groei Kinbern in nieberem
älter in folgenber Seife gufammen:
Brob: 4 kg ä 26 (StS. 1,05 grcS.
Sped: Vakg.o,«i 3
Kartoffeln: 10 1 . 0,25 =
Getränte.u,is =
Sßohmmg: 120 gree. pro gabt* • * • Q/35 *
gufamnten 2,40 gres.
f>ingugufügen finb bie Ausgaben für Kleibung unb für öffent*
liehe Steuern. Tie lefcteren belaufen fich für bie Tagelöhne oon
2.50 grcS. auf jährlich 20 bis 25 grcS. Unter biefeu Umftänben
ftnb faft ftänbig bie Söhne oon etma 1000 biefer Taglöhner ge*
richtlidh befchlagnahmt, roaS nach frangöfifchem Bed)t bis gu Vi 0
beS SöhneS möglich ift.
Sn etwas befferen Berhältniffen befinbet fich ber gelernte
Arbeiter. Seine gamilie ift gewöhnlich etwas Heiner, günf
Kinber finb fehr feiten unb ber 3ufd)u§ ber Unternehmer, 60 grcS.
für jebeS folgenbe Kinb, fdjeint nicht oielen gamtlien gu gute gu
fommen. TaS tägliche AuSgabebubget biefer Schichten ift bei
4.50 ÖrS. ßinfommen unb bei gwei Kinbern baS folgenbe:
Brob: 3 kg a 26 (£tS.0,78 grcS.
Bietn: 2 1 ä 50 (StS.l,oo =
gleif dj: 1 kg.1,*> 3
Butter, (Genüge :c.0,50 =
Bhetl)e (3 Bäume): lso grcS. pro ga hr 0,50 =
gufammen 3,98 grcS.
Auch hier finb bie Koften ber Kleibung hingugufügen. §eiguttg
ift wie für bie Tagelöhner frei.
Ter Schulunterridjt ift unentgeltlich- Tie Knaben befugen
bie ©emeinbefchulen mit Saienlehrern; bie Btäbchen werben oon
Tonnen unterrichtet. Sieben ben (Slementarfdjnlen befteht eine ge*
werbliche gortbilbungSfdjule mit 15 Sehrern unb etwa 100 Schülern,
aus ber bie Monteure :c. aus ber gabrif h^roorgehen.
(Sine befonbere Beachtung oerbienen bie K'onfutnoereine. Ta
bie Sohngahlungen nur monatlid) gefdje^en, gehört bie Mehrheit
ber Arbeiter biefen Bereinen an, bei benen fie einen Bionat Mrebit
genießen. Bielfach wirb burd) biefeS Krebitgeben ber Bortbeil beS
KonfumocreineS oöfüg iHuforifd), wenn aud) bie Bereine felbft fid)
gut entwicfeln. (^s beftehen bereu gegenwärtig etwa 30, bie ihre
iNagagine alle in eigenen Käufern untergebradjt haben. Sie finb
übrigem?, obwohl anfänglich ootn Unternehmer fel)r geförbert,
nach nach Serfgeuge gegen ihn geworben. Ta er bie Bil*
bung einer eigentlichen ©ewerffthaft ftetS hintertrieb, fo nehmen
bie Konfumoereiite im ©eheimen alle digeitfchaften gewerffd^aft*
lieber Bereinigungen an unb bilben b e ute baS Zentrum ber Un-
abhängigfeitSoeftrebungen ber Arbeiter. Ter thätigfte Seiter biefer
(Menoffenfchaften, bem es wahrfdjeinlicb gelingen wirb, fie fämmtlich
in einen großen Berbanb gufammengufaffen, ift ein auSgefprochener
Sogialift. Tiefe @rfd)einungen tönneu in feiner Seife als Argu¬
ment gegen bie Konfunioereine ins Selb geführt werben. Sic finb
nur ein Beweis, bafj ber Trang nach Unabhängigfeit hoch gum
Siele gelangt, auch roenn ihm bie legalen Sege oerfdjloffen werben.
Tie Arbeiter oerfolgen baS 3' e h ih r ^ Konfumoereine fo au^*
gubilben, baR fie gegebenen gallS in ihnen bie Subfifiengmittel
währenb eines großen AuSftanbeS finben.
JUbeüttbettiegtmg.
Ter TegtUarbettcrftreif itt Brünn*
Bfan fchreibt uns aus Defterreich: Ten anbauernben Be*
mühungen beS @ewerbe*3nfpeftorS im Bereine mit bem Statt*
halter unb ber .£>anbelsfammer ift es enblich gelungen, ben Streif
ber Brünner Textilarbeiter in einem AuSgletchS*Uebereinfommen
beigulegen. ^abeu bie Arbeiter auch nidjt ben 3ehnR u n^ e ntag
burchgefe^t, fo ift ihnen hoch eine Berfürgung ber ArbeitSgeit
gugeftanben worben, bie bem S^nRun^^tage fehr nahe fommt;
bie effeftioe ArbeitSgeit ift oon 62 3 / 4 Stunben wöchentlid) auf
60V 2 im Sommer unb 60 im Sinter hcrabgefefet worben. An
biefer Bebuftion ber ArbeitSgeit partigipiren 9000 Arbeiter. 9?adj s
ftehenb bie Bebingungen beS llebereinfommenS, auf ®runb beffen
bie Arbeit am 26. b. s JÄtS. wieber aufgenommen würbe:
1. 3» fämmtlidicn BetricDeu ber Teytiliubufirie, mit AuSimbme
ber Streichgarn* unb Bigoguefpiuuereieu wirb bie Arbeitsbauer, wie
folgt, geregelt:
3m Sinter, bas ift oom 16. Cftober bis 15. April, beginnt bie
Arbeit um 7 Hin* Borgens unb bauert mit einftihtbiger SDttttagepauie
bis V‘>7 Uhr AbenbS. gm Sommer, baS ift oom 16. Api*il bii* 15. £f*
tober, beginnt bie Arbeit um '/a 7 llljr SKorgenS unb bauert mit ein*
ftünbiger SKittagSpaufe bis 6 Uhr AbenbS. An allen Samstagen enbet
aber bie ArbeitSgeit um 5 Uhr AbenbS. giir bie Auhepaufen wirb bie
SÄinifterialoerorbnung oom 27. HKai 1885, 9tr. 82, als maß*
gebenb anerfanut. 2. gn fämmtlid)en Betrieben ber Streichgarn* unb
Bigognefpinnercien ftefjt eS ben Unternehmern frei, bie im Ab faß 1
normirtc Arbeitsbauer eingufiihren. SSemt bie Unternehmer oon biefer
Bered)tigung feinen (^ebraudj madjen, gilt bie im Abfaß 1 begcichnete
Arbeitsbauer lebiglid) für bie Afforbarbeiter, währenb für fämmtlidje
übrigen Arbeiter bie bisherige Arbeitsbauer aufrechterhalten wirb. Tie
Unternehmer bewilligen ben für ben Tag entlohnten Arbeitern eine
fiohnerljöhuiig oon 5 fr. pro Tag unb erflären weiter, nadj lieber*
anfnahme ber Arbeit eine Lohnerhöhung ber Afforbarbeiter, ^aupi=
fächlid) ber B?ulejennp=Spiimer, uorgunet)meu, unb wirb gu biefem Be*
hnfe ein Komite ber Spinuerei*Uuternehmer unb ber Spiuuerei=Afforb*
arbeitet* eingefeßt. 3. gnfofern burch bie eben getroffenen Bereitt*
barungeu bie Beftimmuugen ber biSljer beftehenbeu ArbcitSorbnung be¬
rührt werben, wirb gur Boritahme ber nottjmenbigen Abänbcruugeu
bas iiermaneugfomito ber Unternehmer unb bas Komite ber Arbeiter
gufammeutreten. Tie burch bie eben getroffenen Bereinbarungen nidu
berührten Beftimmungen ber gegenwärtigen ArbcitSorbnung bleiben bis
gur (Genehmigung ber neuen ArbcitSorbnung aufrecht.
gu bie neue ArbeitSorbnuug ift insbefoubere aufgunehmen, baß in
allen Betrieben, auch in jenen, in benen eine Abfürgung ber ArbeitSgeit
nicht bewilligt würbe, ber Beginn ber Arbeit fo feftgefeßt werbe, baß
er in aßen Betrieben gu gleidjer 3 ei * erfolgt. 4. gn ben Spinnereien
unb Appreturen wirb bie Badjiarbeü oom Samfiag auf ben Sonntag,
falls unb infoweit oon ben Arbeitern barunt in ben eingelnen Betrieben
erfucht wirb, aufgehoben. 5. Tie Arbeit ift in fämmtUdjcn Betrieben
gleichzeitig aufgunehmen unb wirb beiberfeitS rüdfid)tlich ber Betl)eiligung
ober Bichtbethciligung an bem leßteu Streif ein Oeueralparbon ert|eUt.
Ter nun nach neun BSochen beenbigte Streif ift feineSwegS ber
erfte Streif größeren UinfangeS, oon bem bie Brünner Söoü*
inbuftrie betroffen worben ift. Schon 1875, als in ber Brünner
BSollinbuftrie noch ber $anbroebftuhl oorljerrfchte, legten mehrere
Tanfeitb Bieber bie Arbeit nieber, um einen ßohntarif für bie £mnb*
weber 3 U crgiclen. Ter Streif enbigte nach fünfwöchiger Tauer
mit einer Srieberlage ber Streifenben. Ter hierauf folgenbe Streif
beS 3nh re ^ 1885 galt ber ooHeu Turdjfeßung beS gefeßlich bereits
angeorbneten (SlfftunbentageS. Tic Arbeiter oerlangten Abfchaffung
ber ÖrühftüdS* unb ^ad)mittag§paufe. AIS ihnen bieS oerweigert
würbe, fam es gum Streif unb im Saufe beffelbeit würbe im 3«ni
1885 bie gehnftiinbige ArbeitSgeit gum erften Bfal geförbert. Sdhott
nad) Ablauf einer SLodje einigte» ftch Arbeiter unb Unternehmer
auf eine wöchentliche ArbeitSgeit oon 62% Stunben. Bei bem
britten großen Brünner Streif oon 1889, an bem fid) 15 000 Ar*
1053
Soziale Sßrajts. FEentralblatt für Sozialpolitik Ar. 39.
1054
beiter beteiligten, trnirbc neben einem feften ßoßntarif eine Bebu*
Zieruitg ber tägigen Arbeitszeit auf 9 Stunbeu geforbert. Tie
Arbeiter gingen aber halb non biefer urfpriingliten fjorberung
ab unb oerlangten nur einen zeßnftünbigen Arbeitstag. Eine Ber*
fünung ber Arbeitszeit mürbe bantalS nußt erreicht, unb aut ißre
ßoßnforberungen oermot.ien bie Arbeiter nur tßeilroeife bunßzu*
feßen. Troßbem bie oon einer Biaffenoerfammlung oon 10 000
Textilarbeitern am 13. April 1896 an bie gröbrifanten geridjtete
Sforberung, bie je^nftünbige Arbeitszeit unter ©eglaffung ber
garüßftücfSpaufe proberoeife auf ein 3aßr einzuführen, oon ben
Sabrifanten abgelebt tourbe, fam es bamalS nid)t zum Streif.
BeacßtenSroerth ift folgenber S3erid^t ber ©iener „Arbeiter*
Zeitung" über baS Enbe beS Streifs: „Ten BertrauenSmännern ber
Arbeiter mürbe es nidjt leicht, einen beträdjtlid^en Tßeil ber
3forberungen aufzugeben; aber fie fonnten unb burften bie Berant*
mortung nitt auf fuß nehmen, einen oon Tag zu Tag härter unb
ftroieriger unb oieileid^t aut jmeifelßafter merbenben Stampf fort*
zufeßen, meil näßt alles erreitt mürbe. Sie fonnten meßt bie
Berantroortung auf fit nehmen, baS heute Erreichbare etroa zu
t efäßrben, unb ftließliiß eine Berfunipfung beS Streifs mit feiner
)eSorganifation unb Temoralifation ßerbeizitfüßren, überbieS aber
ber Brunner 3nbuftrie oielleicßt bauentben Stuben oßne jeben
ftliefelit en $Rußen zuzufügen. So ftHeßt ber Stampf, roie er be*
gönnen unb bunfygeführt mürbe, in ooller Drbnung. Tie
Arbeiter merbeu nitt in übermütigen Siegesfubel auSbreten.
Tie Brünner Unterneßmerftaft hat ftt ul® ein mättiger, hart*
nädfiger unb gefäßrlußer (Gegner ermiefen; unb nur ber roaßrßaft
großartigen TiSciplin ber Brümtec Arbeiter unb ber Hülfe beS
gefammten Proletariats ift ber Erfolg zu banfen. Aitt Sieges*
taumel alfo, aber berettigter Stolz auf ißre bebeutenbe uxoralifte
ßeiftung unb ißren großen fozialpolitifcßeii Erfolg barf bie Brünner
Arbeiterftaft erfüllen. Sie hat ben 3eßnftunDentag not nitt
oötlig erobert, aber fie hat bie Baßn gebroten für bie ganze
Textilarbeiterftaft Defterreit®."
Tie ©encraluerfammliiiiq beS BerbanbeS ber beutften But*
briufer hat bieSmal in ©amz, ber ©eburtsftätte unb bent Orte
beS StaffenS beS ErfinberS ber Butbrucferfunft, ftattgefunben.
BerbartbSbelegirte roaren 82 anmefenb. TaS AuSlanb mar burt
einen Wiener unb ferner Telegirtert oertreten. Tie Berßanblungen
begannen mit ber einftimmigen Annahme einer Proteft*Befolution
gegen baS fogenannte „SudjtßauSgefeß", bie beut präfibium beS
Beitrags telegrapßifd) übermittelt mürbe. 3 U bem Protefte
glaubte ßt ber Serbanb umfomeßr berettigt, als im Butbrucf*
geroerbc ber BeroeiS erbratt ift, baß es bei beiberfeitigem
guten Villen rnöglit fei, auf bem ©ege ber Berftänbiguna bie
roirtljftaftliten Kämpfe mefentlit Z u beftränfen. Tem Bmß*
brueferoerbanb gehören 26 377 ©itglieber an. Seit ber leßten oor
brei 3aßren in Breslau abgeßaltenen ©eneraloerfammluug bat ber
Berbanb um runb 7000 ©itglieber zugenommen. Ter Vermögens*
beftanb beS BerbanbeS, beS reitften oon allen beutften ©eroerf*
ftaftSoerbänben, betrug Enbe ©ärz b. 3®- 2106 822 JL Tie
©efammtfummc ber Unterftüßungen betrug in ben leßten oier Sauren
Zufammen 3 202 865 J(, An Beifeunterftüßung mürben oerauSgabt
501 899 J(, an ArbeitSlofen-Unterftüßung 449170, fonftige Unter*
ftüßungS* unb UmzugSfofien 209 678 o//, Stranfen * Unterftüßung
1374 890, 3noaliben*llnterftüßung 538 172 unb Begräbnißgelo
79 055 jiL Tie (Zentral * 3uoalibenfaffe in ßiquibation oerfügte
Enbe 3Rärz er. über ein Vermögen oon 769 365 *,//. Tie Sn*
oalibenzaßl betrug 199. Es mürbe fonftatirt, baß bie Tarif*
gemeinftaft überall zur Befferung ber roirtljftaftliten Sage ber
PerbanbSinitglieber beigetragen baue. Tie Berßanblungen betrafen
Zumeift interne Angelegenheiten beS BerbanbeS.
Ter Streif ber Steinfe^er tu Berlin, über ben mir in unferer
leßten Stummer (Sp. 1033—1036) auSfübrlit berittet haben, ift be*
enbigt. Tie 3mtung bat bie fämmtliten urfprünglicß non ben Stein*
feßern aufgefteHten gforberungen unterftriftlit bemiHigt, unb zmar
bis zum 1. Sanuar 1901. Tie Steinfeßer haben alfo nunmehr bie
neunftünbige Arbeitszeit unb 65 ,§ Stunbetiloßn; Ueberftunben
merben mit 25 °/ 0 , Aa <f)t* unb Sonntagsarbeit mit 50 o/o Aufftlag
bezahlt. Tie 3aßl ber günfzeßnminuten*Paufen betragt täglich
fet®. «hätten bie Arbeitgeber oor att Tagen ben Stiebsfprut
beS ßinigungSamtS, beffen Eingreifen unzmeifelbaft bie Cöfnng beS
,tonflifts oorbereitet hat, acceptirt, bann mären fie mefentlit oortheil*
hafter baoon gefommen. Taß fie jeßt natgeben mußten, ift, roie
ber „SSonoärts" betont, auf baS anerfennenSroertb objeftioe SSer*
halten ber SBehörben jurüdfzuführen, bie nat bem Befanntmerben
beS StiebSfpruteS thre abmartenbe Stellung aufgabeit unb auf
bie T^ertigfteHung ber Arbeiten brängten. 3n ben nahezu oier
©ot^n, bie ber AuSftanb gebauert bat, ift nitt eine einzige Aus*
ftrettung, ja nitt einmal eine Verhaftung oorgefommen, babei
betrug bie 3ahl ber AuSftänbigen aufänglit roeit über 400.
AttSfperrttitg irab Streif ber Ofamter itt fieißztg. 3n Leipzig fmb
bie Bonner auSftänbig. Ten Anftoß zu bem AuSftanb gab bie Aus*
fperrung fireitenber Bonner (186) tn einer Eießeret auf zmet Sabre
aus allen ©erfftätten beS VerbanbeS ber SRctalltnbuftriellen! Tie
Streifenben oerlangen Aiicfnabme ber AuSfperrung, allgemeine Turd; s
führung ber 9'/jftünbtgen Arbeitszeit unb greigabe beS Arbeit**
natmeifes. 540 gormer foüen bie Arbeit niebergelegt, 250 Leipzig
oerlaffen haben. Aur 90 gormer, meift ältere Perfonen, füllen meiter
arbeiten.
Enbe beS JörauerftreifS ht grimffurt aut Plaiu. gn grauffurt am
HÄain haben bie ftreifenben Srauer ben AuSftanb für beenbet erflärt,
maS bas bortiac OJemerffdjaftsfartell aut 3 ur Aufhebung beS über bie
Brauereien oerbängten Boqfotts oeranlaßte.
Ter 3«btt3beritt beS ©emerfftaftStoereiitS VHntett für bas
©eftäftsjahr 1898/99 ift foeben erfttenen. Aus bem Beritt (ber
leiber niefjt burtmeg in ruhigem unb fatlit e *n Ton abgefaßt ift)
ergiebt fit eine gtinftige Entroicfelung beS ©emerfftaftsoereins
unb feiner roittigfien Unternehmung, beS ArbeiterfefretariatS. Tie
3ahl ber in ©emerfftaften organifirten Arbeiter mämtüten unb
meibliten ©eftletl® betrug am 1. Dftober 1897: 8563, am
1. Dftober 1898: 11 517; es ift bemnat ein 3umat® oon 34 o/ 0
bei einem Abgang oon 3669 zahlungSfäumigen ©itgliebern z«
oerzeitnen. (Seitoem hat fit uamentlit bie Stneibergemerfftaft
in ©ünten, auf ©runb beS erfolgreiten Streifs, in bemerfenS*
roerthem ©aße oon 228 auf 1186 oerftärft.) ©as bie ©ruppirung
nat Branten anbetrifft, fo ftanb ber ©etaHarbeiteroerbanb am
1. Dftober 1898 an ber Spiße. ES folgen Stloffer, Butbrucfer
u. f. m. — An bie britte ober oierte Stelle bürften inzmifdjen bie
gemerfftaftlit organifirten Stneiber getreten fein. — Aut im
oergangenen 3ah*e beftanb bie Hauptaufgabe beS ©üntener ©e*
merfftaftSoereinS in ber Unterftüßung oon ßohnberoegungen. lieber
ben St reinerftreif im Beginn beS SaßocS 1898 hat bie „Soziale
prajiS" auSfüßrlit berittet. Einige Heinere partielle Streifs finb
ohne Bebeutung. Tagegen beanfprutt ber in bem oorliegenben
Beritt auSfüßrlit bepanbelte Stneiberftreif ein größeres Sntereffe.
Tie 3orberungen ber ©eßülfen im Stneibergemerbe roaren %u*
nätft auf bie Erlangung eines feften ßoßntarifs in brei klaffen
gerietet, ber zum Tßeil fofort, zum Tßeif erft uat längerer Ar*
oeitSeinfteßung beroilligt mürbe, gforner mürbe bie Arbeitszeit auf
bie 3rit oon 7 Ußr Borgens bis 7 Ußr Abenbs feftgefeßt Tie
gforberungen in h 99 ienift«r Beziehung führten zur Errittung
bezm. Berbeffenmg einer Anzahl oon BetriebSroerfftätten; eS ift
feßr erfreulit, baß in biefer Hinfitt bie Stneiberberoegung ben
Anlaß zu burtaus nothmenbigeu Berbefferungen gegeben hat. —
TaS Arbeiterfefretariat funftionirte zur äufrieoenheit. Ter Berein
unterftüßt ben BolfShotftuloerein fomie anbere, BilbungSzroecfen
bienenbe Unternehmungen.
Tie franzbfifte gfabrif* unb Semerbc^uffeltioit über bie Be*
ftäftigung Don ^inberu tmb meibliten Perfonen. Aat bem
Bulletin de l’Office da Travail für Sebruar 1899 giebt eS in
gfranfreit überhaupt 290 305 Etabliffements, roelte nat Maßgabe
beS gfabrif* unb ©eroerbe*Auffitt®gefeßeS unter einer gemiffen
Auffidjt fteßen, mobei aber bie Bergmerfe unb Steinbrüte, fomie
bie Etabliffements ber ÜDtarine unb beS ©ilitär*TepartementS nitt
mit in Aücffitt gezogen finb. Bon biefer ©efammhaßl mürben
im 3aßoe 1897: 125 775 ober 42,3% burt bie Auf|itt®beamten
beßttigt unb eingeßenber unterfueßt; baß unter biefen aber gerabe
ßeroorragenbere roefentliter oertreten maren, geigt ber AuSroeiS
über bie beftäftigte Arbeiterftaft, für bie ©efammtheit ftellte fit
biefe auf 2 591 288 Äöpfe, für bie befittigten Etabliffements aber
auf 1 755 351 ober 67,7 % ber ©efammtarbeiterftaft. $ür bie in
ben befittigten Etabliffements beftäftigten Perfonen finb näßere
Unterfteibungen nat unb ©eftlett in folgenber ©eife
gemaeßt:
AlterSflaffe
3aßl ber Beftäftigten
inäuiil. ©eftledjtS loeiM. Eefcßledjts
12 bis unter 13 gal)reu .
13 bis unter 16 fahren .
16 bis unter 18 Saßren .
18 bis unter 21 gaßreu .
21 gaßre unb barüber .
1092
83 070
63 076
} 1036 442 |
776
77 SO7
63 923
99 991
329 174
guSgefamntt 1183 Gso 571 671
1055
©ogiale PrajtS. Eentralblatt für ©ogtalpolitif. 9fcr. 39.
1056
Die (Gefammtgahl bcr jugenblidjen Arbeiter (unter 18 fahren)
ift bcmnach eine an fieß meßt unbebeutenbe, fie madjt 147 238
männlichen (GefchledjtS unb 142 506 weiblichen (GefchledßtS aus,
inSgefammt alfo 289 744 ober 16, 5 % ber gangen Slrbeiterfdjaft.
Die weibliche Slrbciterfdjaft inSgefammt umfaßt 32,c % ber Slrbeiter*
fdjaft überhaupt. Sfinber oon 12 bis unter 13 fahren bürfen nur
befchäftigt werben, wenn fie eine Gefdjeinigung beibringen, baß fie
für bie gu leiftenbe Arbeit plßpfifth genügenb gefräftigt unb in ber
©d)ule weit genug oorgefchritten finb; Gerftöße gegen biefe gefefc*
liehe 93orfd>rift mürben 1897 359 gur Slngetge gebracht gegen*
über 273 396 unb 435 in ben brei Gorjahren 1894, 1895 unb
1896; bie §auptmaffe biefer Stontraoentionen !am in ber Dejtil*
inbuftrie, in ber (GlaSinbuftrie unb in ben 3iegeleien *>or. (Gegen
bie gefehlte Gefchränfung ber SlrbeitSgeit — befonberS gegen baS
(Gefefc ooin 2. SJfooember 1892, welkes bie Gefchäftigung ber
roeibUd)en unb ber juaenblidjen Perfonen fomie ber Slinber regelt,
aber auch gegen bas ©efefe oom 9. ©eptember 1848, weldßeS bie
SlrbeitSgeit auch ber männlichen Erwachfenen für gemiffe klaffen
oon Sabrifen unb (Gewerbebetrieben auf ein Gtoyimum oon
12 ©tunben täglich feftfefet — ift inSgefammt in 3000 SfäHen im
Sahre 1897 oerftoßen worben; 1895 unb 1896 betrug bie
biefer Säße 3877 unb 5725. 3n bem Berichte ift auSbrücflid) bie
günftige SSirfung beS ©efefeeö oom 2. Stooember 1892 begügli^
ber Gefchäftigung ber weiblichen unb jugenblidjen Perfonen fowie
ber Stinber h^roorgehoben worben; bie SrbcitSgeit ift baburch für
eine große 3ahl oon Snbuftriegweigen in fachgemäßer Greife be*
fdjränft unb allgemein herabgefeßt worben, in eingelnen Snbufirieen,
in welchen früher bur<hfd)iiittlich in ber 3Bod)e 72 bis 75 ©tunben
gearbeitet würbe, ift jeßt bie burchfchnittliche SlrbeitSgeit auf 60 bis
66 ©tunben in ber Söoche herabgegangen, babei ift irgenb eine
merfbare SRücfwirfung auf bie Probuftion burch bie §erabfefeung
ber SlrbeitSgeit nicht gu fonftatiren gewefeit. Das (Gefeß befdjräntt
bie SlrbeitSgeit für Slinber unter 16 fahren auf 10 ©tunben täg*
lieh, für jugeublidje perfonen oon 16 bis 18 Sah*™ auf H ©tunben
täglich (inSgefammt in ber Söodje aber ferner auf 60 ©tunben)
unb für Perfonen weiblichen (GefchledjtS oon 18 fahren unb bar*
über auf 11 ©tunben täglidj ohne weitere Gegrenguna für bie
SSodje; ber Bericht empfiehlt hier, eine einheitliche Gefdjränfung
unb gwar eine folche oon 11 ©tunben täglich, 3 ur Einführung gu
bringen, weil burch bie jeßige Geriebenheit in ber guläfpgen
SlrbeitSgeit bie 23eauffid)tigung gu fehr erfchwert unb beSßalb häufig
auch iHuforifch gemacht werbe.
Sfrbeiieriutteufdjaß im englifdjett HcmbelSgetoerbe. Die fioit*
boner „Early Closiog Association’s Women’s League“ (Srauenliga
für seitlichen ßabeufchluß) hat ein« neue Drganifation gegrünbet,
bie „League to secure seats for women in shops“. 3n einem
fürglich abgehaltenen Meeting würbe bie ÜRotljmenbigfeit ber Ge*
feßaffung oon ©ifcgelegenheiten für grauen unb ßßäbdjen, bie in
£äben befchäftigt ftnb, ßeroorgeßoben unb befchloffen, fowohl an
baS DberßauS als an baS §auS ber (Gemeinen eine Petition gu
richten, in ber bie bem Parlamente oorliegenbe Giß, bie bie Sin*
gelegenljeit regeln miß, bringenbft gur Sinnahme empfohlen wirb.
Der &iga gehört u. Sl. bie $ergogin oon SSeftminfter, bie £>ergogin
oon Gebforb, ßabt) Gatterfea, ßabp Hamilton u. Sl. m. an.
3lrbettenierß(t)ernttg. topatkafftu.
Die Äranfenfürforge ber SerftchernngSanftalten ber ^ubalibitätS-
ttttb SUterSoarfiihenmg für 1898.
3n erfreulicher Entmidfeluna begriffen war auch iui3uh rc 1898
baS £>eiioerfahren, baS bie PerficherungSanftalten unb Waffen*
einridjtungen gemäß §. 12 beS SnoalibitätS* unb SUterSoerfitherungS*
efe^eS ihren SSerficherten angebeihen liefen. 9?ach ber fürglid) oon
em 9?eid)S*$erficherungSamt oeröffentlichten ©tatiftif für bie £jeil*
behaublung aus bem 3oh re l 898 finb bie SSerpflegungSfoften oon
1 993 592 JL im Suh^e 1897 auf 2 769 330 jfl geftiegen, unb
bie 3ahl ber aus ber §eilbehanblung entlaffenen perfonen §at fidj
oon 10 483 auf 13 758 oermef>rt. Sin biefer ©teigerung hüben
faft gleichmäßig bie an &ungentuberfulofe leibenben SSerficherten unb
bie mit anberen Äranfheiten Gehafteten beiberlei (Gefd)led)tS ^h^ü
genommen. 3m (Gangen würbe für 4937 £ungenfd)minbfü<htige
— 1897: 3330 — ba$ g>eiloerfal)ren beenbigt, währenb biefeS
fuh uuf 8821 an anberen Reiben Erfranfte — 1897: 7153 — er*
l'trecfte. Gei beibcu Mategorien ift bemnach eine 3unahme oon
1607 begw. 1668 GehanblungSfätten feftguftetten, ein erfreuliches
3eid)en, wie fid) ber (Gebanfe, burch Uebernahme beS f>eiloerfahrenS
bie 3noalibität ihrer Gerficherten gu oerhüten, bei ben GerficherungS*
anftalten mehr unb mehr Gähn bricht.
Doch wie im 3uh^ l 89 ?, fo beftehen auch jeßt bei ben ein*
gelnen GerficherungSanftalten fowohl in Gegug auf bie 3uhl & er
behanbelten Perfonen als auch bit bafür gemachten Slufwenbungen
weitgehenbe Gerfd^iebenheiten. Der Äampf gegen bie ßungen*
fchwmbfucht ift mit großen SJtitteln aufgenommen worben — über
IV 2 Gtißionen Gtarf §at bie Gehanblung ber fiungentuberfulöfen
erforbert —, aber geführt würbe er hauptfächlid) nur oon einigen
wenigen Stnftatten, wie auS folgenber 3ufammenfteßung hcroorgeht:
GerfidjerungS*
anftalt
tO ts
iO-H.
OA»
oo®
Daoon
in 1 in nicht*
flänbiger | ftänbiger
Heilbebanblnng
Ger*
pflegungs*
tage
Stoffen*
aufmanb
JC
Hanfeftäbte . .
616
616
;
i _
51410
235 946,»
Gaben ....
555
555
—
40 305
166 563,80
Hannooer . . .
485
435
—
32 470
133 113,14
Gerlin ....
372
371
1
33 191
184 169,io
180 040,40
Slöntgr. ©ad)fen .
297
296
1
25 249
Heffen=S?affan. .
289
289
—
20 627
64 032,35
©roßberg. Helfen
284
284
—
19 993
73 918,06
SHbeioprouing. .
PenfionSfaffe ber
234
234
—
11471
36 927,85
Pr.©taatSeifenb.
217
217
—
13 082
69 070/»
SBeftialen . . .
212
212
1
13 064
55 830,95
3ufamnicn .
3 511
3 509 1
2
260 812
1 099 112,u
Ueberhanpt .
4 937
4 910 |
I 27
369 933
1 548 364,io
Demnach fyabtn oon ben 31 GerficherungSanftalten unb 9 Staffen*
einrichtungen 9 Sluftalten unb 1 Staffe — bie £>anfeftäbte. Gaben,
§annooer, Gerlin, Königreich ©achfen, $effen*9?affau, ©roßhergog*
thum Reffen, 9th e inproüing, Söeftfalcn unb bie PenponSfaffe für bie
Slrbeiter ber Preußifthen ©taatSeifenbahnen — allein fdjon 3511
lungentuberfulöfe Gerfuherte in ^cilbehanbluug gegeben; auf bie
übrigen 22 Slnftalten unb 8 Staffen entfallen nur im (Gangen runb
an 1400 Stranfe. Eingetne Staffen unb befonberS mehrere baijerifdje
Slnftalten finb überhaupt nod) nicht in ben ^ampf gegen bie ßungen*
fchwinbfud)t eingetreten, bei anberen Slnftalten, wie Dftpreußen, SSeft*
preußen, Pommern, ©chlefien, Gledlenburg, ift bieGetheiligung an bem
^eiloerfahren gegen lungentuberfulöfe eine gang minimale; fie hoben
nur 4—12 an ßungenfchwinbfucht behanbelte Perfonen aufguweifen.
Seicht fo fraß finb bie Unterfd)iebe innerhalb ber eingelnen
Slnftalten hinRth^^ beS ^eiloerfahrettS, baS für bie mit anberen
ßeiben als ßungentuberfulofe Gehafteten eingeleitet worben ift.
9)tit SluSnahme etner baijerifchen Slnftalt hoben ]tch faft alle anberen
baran mehr ober weniger betheiligt. Des GergleicheS halber
g eben wir eine ileberficht, welche ßeifiungen auf biefem (Gebiete
er £>eilbehanblung bie oorbin angeführten Slnftalten ober Staffen
gegenüber ben (Gefammtleiftungen aufguweifen hoben:
Gerfidjernngs*
anftalt
&
tii
co
Dauoit
iu 1 in nicht*
ftänbiger | ftänbiger
Heil6ebanbtnng
Ger«
pflegungs*
tage
Stoffen*
aufmanb
je.
Hanfcftäbtc . .
Gaben ....
191
189
2
9 790
48 775,h
341
338
3
13 868
38 041,05
Hannoner . . .
588
545
43
30 536
111 453,90
Gerlin ....
400
389
11
29 816
121107,95
Slönigr. ©ad)fen.
196
188
8
10 245
58 042,97
Heffcn=9iaffau. .
275
262
13
13 635
38 248,74
Öroßberg- HefK»
201
198
3
8 299
31 052,57
54 108,94
Gheinproüing. .
penfionSfaffe ber
551
544
7
21171
pr.©taat§eifenb.
109
109
—
4 930
24 032,89
80 707,58
SSeftfalen . . .
464
458
6
24 042
^nfamnten .
3 316
3 220
96
166 330
600 570,1«
Ueberbanpt .
8 821
7 514
1 307
378 869
1 220 966,13
Smmerhin gaben obige Slnftalten 3316 Pfleglinge in Ge*
hanblung, aber oon ben 13 preitßifdjen Slnftalten ift mit SluS*
nähme Der Slnftalten ©acbfen*Slnhalt (98) unb ©chlefien (182)
feine oorhanben, bie im GeridjtSjahre nicht mehr als 200 Be*
banbeite Perfonen aufguweifen hot, ja Dftpreußen, bie ärutfte aller
Slnftalten, ift mit 1496 Stranfen oertreten, oon benen aHerbingS 678
— ungefähr bie $älfte — in nidjitftänbiger £eilbebanblung ftanben,
b. h- Slpparate, Gäber unb ähnliche Heilmittel erhielten.
Großer fommt biefer lluterfchieb in ber Gehanblung ber
ßungentuberfulöfen unb ber mit anberen Stranfßeiten Gehafteten,
1057
Sogiale ^rajiß. ©entralblatt für Sogtalpolitif. Br. 39.
1058
nrie er Bei beit einzelnen BerftchermtgSattftalten gu Xage tritt3u-
erft ift 3 U Beamten, baff bie Teilbehattblung ber ßungenfchwinb-
fälligen itahegu einen hoppelten Äoftenauftoanb erforbert, als Bei
beit an anberen Äranf^eiten ßeibenben. 2 )te Behanbluitg eines
Suitgeniuberfulöfen oerurfachte burc^fd^nittlid^ 315 ,02 Ji. Ber*
pfleg ungSfofteit gegen 159 ,20 - tf. Bei ben anberen ftranfeit. Batür*
lich fc^recft bie mit großen Soften oerBuitbene ^eilBeBanblung ber
ßungentuberfulöfen bie finangteE nicht gerabe glängenb bafiehenben
Anftalten oon ber UeBernaljme beS TeifoerfahreitS aB. ©S fommt
fjingu, baff ©rfahrungen über erhielte Teilerfolge noch wenig oor-
liegen, unb bie Borftänbe oieler Anftalten, auch fold^er, bereit
BermögenSftanb ein recht guter genannt werben fann, ftehen oor
ber $raqe, ob bie aufaewenbeten Btittel mit ben Erfolgen unb
©rfparniffen an Snoalibenrenten, bie man burd) bie (Einleitung
beS T e ^ ocr f al & reilS 5 U madjen in ©inflang au Bringen finb,
unb nehmen baher oor ber T<*nb eine aBwartenbe Stellung ein. Um
fo freubiger ift baS Verhalten ber obigen Anftalten gu Begrüffen,
bie mit großen SBitteln bie £ungenf<hwinbfucht gu Befämpfen fudjen,
unb faEs ihre Anftrettgungen ber Erfolg frönt, wirb ihr Beifpiel
auch bie anberen 23erfi<herungSanftaltcn gur Badjeiferung anregen.
TicrBei muff aber Betnerft werben, baff unter ben angeführten An-
ftalten oorgüglitf) folc^e oertreten finb, beren Söegirfe eine grobe
inbuftrielle Beoölferung umfaffen, unter ber bie £ungenf<hwinbfu(f}t
BefonberS oiele Opfer forbert. Unb biefe Opfer fud)t biefe Bös*
artige $ranff>eit fich gerabe unter ben Sßerfonen aus, bie in ber
Blütffe ber Sah« ftehen. gür einen Arbeiter mit Familie, ber
erwerbsunfähig wirb, ift aber bie Snoalibenrente, gumal Bei ben
theuren SeBenSoerhältniffen in einer ©roffftabt wie Berlin unb in
ben Tanfeftäbten ober in ben groffinbuftrieEen S3ejirfen nur ein
trauriger BothBeljelf, mit bem er fich unb f^tne Öamtlie nur fchwer
bur<hfd)Iagen fann. deshalb geht baS BeftreBen biefer AnftaltS*
oorftänbe bahin, ihre Bescherten oor ©intritt ber Snoalibität gu
fchüfcen.
Unb mit ben Bisher ergielten ©rfolgen fönnen im AEgenteinen
bie BerficherungSanftalten gufrieben fein. Bach ben SaBeEen finb
im Bfafimum 001 t ben oon ber BerfidjerungSanftalt Tonfeftäbte
in TeilBehanblung gegebenen Sungenf<hminbfüd)tigen 93% mit
feftgefteEtermaffen anbauernben T c ^ cr folgen entlaffen werben; es
folgt bann Berlin mit 82 o/ 0 , §annooer, Königreich Sachfen, 2£eft-
falen, ©roffhergogthmn T e ?f cn Ult ^ Bie SßenftonSfaffe für bie
Arbeiter ber Sßreuffifchen StaatSeifenBahnen mit 70—80o/ 0 . S^id^t
fo günftig finb bie Befultate, bie Teffen-Baffau ergielt h^t, es
mürben nur 52% (Erwerbsfähige entlaffen, unb Baben h<E fogar
nur 35% ©rfolge gu oergeidjnen. S)iefe Berfchiebenheit in ben
gewonnenen Befultaten bürfte hauptfächlich auf bie Auswahl beS
StranfenmaterialS gurücfguführen fein, unb gwar je nadjbem bie
Patienten in bem Anfangs* ober oorgefchrittenen Stabium ber
Kranfheit ftanben.
2öaS bie Teilerfolge beS TeiloerfaljrenS im AEgenteinen Be¬
trifft, fo ergeben fie fich öu $ folgenber 3«fömmenfteEung:
Auf 100 überhaupt
ffänbig behanbelte
Brrfonen würbe bei
Abfchluff beß Teil-
oerfahrens Teilerfolg
ergielt, fo baff 3« s
oalibität nicht gu
Auf 100 überhaupt ffänbig
behanbelte unb fontrolirte
ißerfotieu
St r a n f h e i t
hat ber 1897 er- 1
gielte Teilerfolg
gebauert
hat ber
1898 er-
giclte Teil 3
erfolg ge¬
bauert bis
g. Schluff
beß 3affreß
i 1898
beforgeit war
biß gum
Schluff
b.gahreß
1897
biß gutni
Schluff
b.3ahreß i
1898 j
im
3«hre 1
1897 ;
im
3«h
1898
A. Bei ben wegen
£ungentuberfuIofe
Behanbelten $er-
fonen:
a) Bet Scannern unb
Srauen gufammen
!
68
74
61
44
69
b) beiBlännern allein
68
74
61
42
69
c) Bet 3nme« allein
68
73
64
50
70
B. Bei ben wegen
anberer&ranfheiten
als wegen 2ungen-
tuberfulofe behatt*
Belten ^ßerfonen:
a) öei Blännern unb
f^raueit gufammen
69
73
59
46
57
b) ImHJlännern allein
70
73
60
47
57
c) Bei grauen allein
67
72
56
44
57
Tiernach finb bie T e ^ cr f°^9 e fö* £uBerfulöfe, wie in ber
Statiftif beS Beid)S-BerficherungSanttS refumirt wirb, fowohl Bei
ÄBfd)luff beS TeifoerfahrenS als nach Ablauf beS BehanblnngS-
jahreS im 3ah rc 1898 güttftiger gewefen als 1897. gfür bie wegen
anberer Öeiben Behanbelten fann gleithfaEs im Sah** 1898 eine
Steigerung ber (Erfolge feftgefteEt werben, foweit ber 3eitpunft beS
ABfchluffeS beS TeiloerfahrenS in Betracht fommt, währenb nach
SIBIauf beS Wahres 1898 bie (Ergebniffe fnh etwas ungünftiger
fteEen als (Enbe 1897. ®ie aus bem Sabre 1897 am (Enbe beS-
felBen noch oorhanbenen ©rfolge fmb natürlich Bis gum Schluß
beS QahreS 1898 Bei aEen Behanbelten — Bei ben fiungen-
tuberfulöfen etwas mehr als Bei ben an anberen fieiben ©r-
franften — nicht unwefentlich gurücfgegangen. immerhin muffen
bie nach Ablauf beS gweiten KontroljahreS oerbliebenen ©rfolge
auch Bei ben ßungentuBcrfulöfen noch als Befriebigenbe Begeidjnet
werben.
Berlin. Dr. Bothholg.
gforbentna Ber Bentenfteflcn für bie ttnfaEoerftdjermtg in
Oefterreidi. ©S ift BemerfenSwerth, baff ber ©runbgebanfe ber
Bentenfteuen ber — freilich in febr abgefchWächter Sorm — jefft
in bem neuen SnoalibenoerficherungSgefeff gur Berwirflichung
fommt, auch io Oefterreich erörtert wirb, unb gwar hier für bie
UnfaEoerffcherung. 3n einer am 30. ^egemBer 1898 aBgehaltenen
BorftanbSfffeung ber HrBeiter-UnfafloerficBerungSauftalt für Bieber¬
öfterreich legte ber ®ireftor bar, baff oie Bergögerungen in bem
©ntfcftäbigungSgufpruche wefentlich in bem bermafen umftänblichen
©rheoungSmobuS Begrünbet feien, unb Beantragte, an beffen SteEe,
foweit möglich, münbliche birefte ©rheBung burch S)ogflne
ber Slnftalt treten gu taffen. ©S fei gu hoffen, baff bem oielfadfj
aeäufferten Berechtigten 2öunfd)e fowopl ber Berlefften wie auch
ber BetrieBSunternehmer nach rafdfjerem 3ufpruche ber ©ntfchä»
bigung, foweit bieS in ber 3Ratf)t ber Slnftalt liegt, entfprochen
werben fann, weshalb Bebner biefe ÜKaffnahmen als im Sntereffe
Beiber ©ruppen gelegen Bezeichnet. Sn ber Debatte würbe biefer
Slnficht einftimmig Beigepflichtet. $)ie Slnftalt, ber oft ber Bor¬
wurf ber BielffhreiBerei unb beS BureaufratiSmuS gemacht wirb,
fönne, fo würbe Betont, burch bie Bornahme ber (Erhebungen im
furgen B$ege 3 c ü oo^ 5 öhHof e unfruchtbare Befdjwerben erfparen.
2)1 e ^almforbarbeiter-® enoffeufchafl tut Steittöchflrmtb.
2te Taußtnbuftrie, bicfeS SfchenBröbel in ber mobernen ^nbnftric,
Beginnt ficfj beS ©enoffenfchaftSprinEpS gu bebienen unb, wie wir fefjcrt,
nicht ol)ne (Erfolg. J!in Jahrgang 1896/97 ö. BI. war oon ber ©c-
noffenfrfjaft ber TolgarBeiter in ber 2Balfchaft Bernau bei St. Blaffen,
im babifcfjeit Scffwargwalb bie Bebe, unb im oorigen Jahrgang ber
„Sogialen ^rajris" ift Spalte 1253/56 berichtet über ben Bothffanb unb
bie genoffenfchäftlicffen Selbfthülfe-?lnläufe ber (Glasarbeiter in Borb-
böhmen. ?lber f<hon auf Spalte 282 beS oorigen Jahrgangs ift in
einer furgen Botig au^ erwähnt, baff bie ißalmforbarbeiter in äDbcr-
franfen ffd) gur ©cnoffenfchaft oereinigten, um ben britcfenben Botb-
ftäuben gu entfliehen, lieber bie Sforbtnbuftrie unb bie Bertjältniffe
ihrer hauSinbuftriellen Arbeiter, h at T- in feinem Buche über
bie ^nbuffrie ber fröufifdfjen unb foburgifchett Begirfe fo eingeljenb unb
intereffant berichtet, baff man nur nadjgutragen braucht, oaff, wenn
audh offenes 2rucfft)ffem nicht mehr beftebt, bie Berhältniffe jener Br-
beittr feit jener 3 e tt «och fortgefefft fchlechter würben. 2ie groffeit
©ewinne, bie oon ben älteften Berlagsffrmeu ergielt worben waren,
uermehrten beren 3ahl unb bie Sfonfurrcng brücfte bie greife ungeheuer.
2 >ie 3«hl Ber Arbeiter mehrte ffdj aber ftetig, wie baS bei ber §aus-
inbuftrie ja faft überaE beobachtet wirb, unb — mit ?litSnahme^ ber
iertilinbuftrie — oermochten bie Berleger ben ^reisbruef abguwälgen
auf bie Arbeiter, benen ffe einerfeits h°h c greife für Bohntaterial ent-
weber bireft ober burch ^wifchenmeifter abnehmen lieffen, anbererfeits
aber fehr fchlechte Bwifc für bie fertigen SBaaren gahlten, gleichviel ob
folche nach Bluffer beftellt waren ober in Stapelartifelu beftanben, bie
oon ben Arbeitern angefertigt würben, um nur befchäftigt gu fein. So
fanfen bann bie StrbeitSoerbienffe, biß in ben lejjten Sahre» HrBcitß*
oerbienffe oon 25- 40 ^ pro 5topf unb 2ag ober buvdhfchnittlich für
eine gange Arbeiterfamilie oon 6—7 M . entfielen.
2iefe troftlofen 3«ffänbe führten gu ernften (Erwägungen ber Ber*
waltungßbehörben unb eß ift Der ^nitiatioe beß Begirfsamtmanns
2>egen in ttronadj (Dberfranfen) unb beß yanbratljS Sdimibt in Coburg
gu banfen, baff mau oor etwaß länger als einem Sahre gur (Gcnoffeit-
fchaftsbilbuna fchritt. 2ie ©euoffenfehaft oon Arbeitern muffte aber
alß außgefchfoffcn betrachten, baff ffe baß ^alm-Bobmaterial gu ben
Äörben felbft bireft begieffen fonnte, ba btes in groffeit ^artbicen oout
Außlanb fommt, unb muffte ebettfo als auSgefcijloffeu betrachten, bie
fertigen haaren bireft in ben (Groffljanbel gu bringen, ba ffe feine Ber-
1059
©ogiale $rajt$. EentralBIatt für ©ogialpoltttf. Kr. 39.
1060
btnbuiigcn anfnüpfcn unb unterhalten lann f wie ber Bertrieb biefcr
Brobufie eS erforbert. 9SaS man ergielen wollte, war Befeitigung ber
3wifchcnmeiftcr, 85crbtlligung beS HohmaterialS unb Erhöhung ber
greife burcfj Hufhebung ber' ummirbtgen unb unfinnigen Jfonfurreng,
bie ficf) bic Arbeiter felbft machten. ES lag flav gu Sage, bafe bic
Verleger audj nur gewinnen tonnten, wenn bie fortgefc^te Sßretisbrücferet
burd) bie Arbeiter auf hörte, unb ntan hoffte ficfi bcShalb mit bcn 85er*
legern babin gu oerftänbigen, bafe fte ber Eenoffcnfchaft Kobmaterial in
großen ^oftcn mit einem mäßigen Weroiuu oerfaufen, U;r bie Aufträge
erteilen unb bie fertigen haaren abnefjmen [bitten.
£ic ©cnoffcnfchaft füllte nur bie BermittclungSfiefle gwtfdjeu 85er*
leger unb Arbeiter werben, um eine georbneterc ^rciöbilbung ju erntög*
üd)en unb baburtf) bcn Arbeitern 411 befferem 8 ?erbienft oerhelfen als
bei bem üblichen anardjiftifdjen gegenfeitigcn Unterbieten, ohne bafj
babei bie 8 ?erleger Kachtheile gehabt batten. ES fanb fidj aber nur
eine Berlagsfirma bereit, ben Hbftdjtcn ber ©enoffcnfchaftsbegrünber
ju folgen, bie Kfticugefellfcbaft in Liditenfels, bie übrigen blieben ntifc*
trautfdb fern. Irofcbent fonnte bie ©enoffenfdjaft mit mehr als 200 ©e=
noffen eröffnet werben unb fie tjat jefet bas erfte BetrtebSfahr hinter fid).
Jbre eigentlichen 3 wecfe finb oorerft noch nicht erreicht, weil
etnerfetlS bie'Verleger noch ihr HJrifetrauen nicht ablegten unb anberer*
fcitö baburch auch bie Mehrheit ber Arbeiter ttodj nicht für bie ©enoffen*
fchaft gewonnen werben fonnte.
Xie^alntforbarbeit ift oorerft noch nicht lohnenbcr geworben, weil
Tuh bie Arbeiter, nach wie oor, unterbieten ober hoch gu ben ihnen
gebotenen niebrigen Lohn arbeiten, aber immerhin haben bie©eno|fen*
|<haftSmitglieber etwas oor anberen Arbeitern oorauS beim Begug ber
Kohmaterialicn, unb bie ©enoffenfehaft hat auch aus bem ^alntforb*
gefchäft einen fleinen ©ewinn. ©te ift aber unter ben obwaltcnben
ilmftäuben auch anberweit gu (Gewinn für bie ©efammtheit unb erheblich
befferem 85erbienft für einen £beil ber Oien offen gelangt baburch,
bah fit neben s J5almförben and» 8 Seibenförbe anfertigen lieh- $ie
Arbeiter, bie fidj an biefer Jnbuftrie gu betbeiligen vermochten, haben
cS bis gu ^amiiien*2Bod)cn=85crbienften uon 30 M. gebracht unb babei
hatte bie OJcnoffenfcbaft nod) (Gewinn für fleh ergielt. ©0 ftnb g. 83.
oon ber 3Rilitäroermaltung 9ftunitionSförbe bei ber ©euoffenfehaft be*
[teilt worben, unb biefe Arbeit ergab, trofc ber niebrigen greife, bie bei
folgen Lieferungen geftellt werben müffen, ben erwähnten 85erbienft für
bie Arbeiter.
(Gelingt es bem rührigen 35orftanb ber Eenoffenfcbaft, weitere
Hufträge gu erhalten, bie nicht in ben Bereich ber ^almforbinbuftriellen,
ber in ber Ecgeitb anfäffigen Verleger, fällt, fo wirb baS Unternehmen
gang gut profperieren unb ben 3 wecf erfüllen, gebrüeften notblcibenben
.pauSinbuftriellen gu einem befferen S)afein gu oerhelfen, audj wenn bie
Verleger unb Hrbeitermehrheit nicht gu (fünften ber Ecnoffenfchaft um*
geftimmt werben, £er Jahresabfchlufj ergiebt für bie Eenojfcnfchaft
einen Gewinn oon etwa 12000 ein 83etrag ber gwar gu flein ift,
um bic Lebenshaltung fo oieler Familien gu oerbeffereu, aber boch als
Kefultat eines erften Jahres annehmbar erfcheint. $)er Eintritt in bie
Ecnoffcnfchaft ift thunlirfjft leicht gemacht. $er Eefchäftsantheil ber
Eenoffenfdjaft mit bcfdjränfter £>aftpfltd)t ift nur auf 40 JL bemeffen
unb nur 1 .4L muft fogleich einaegahlt werben, ftreunben unb Eömtern
ber ©adie ift bic Stfitglicbfchaft bei ber Eenoffenfchaft möglich unb
fönnen folche ihre EcfdjäftSanthcile üoÜ eingahlen. $5er Banfier ber
Eenoffenfchaft ift eine ^arlcfmsfaffe; es hat if)r an Betriebsmitteln
bisher itidji gefehlt, obgleich fie ein uerf)ältmfjmäf}ig gröfjeres Lager halten
muhte. Xer ©iß ber Eenoffenfchaft ift föaffenberg im Äoburgifchen unb
eine Jwciganftalt bat ihren ©iß in SKittwiß im bapcrifchen Begirf
Mronach iti Cbcrfranfen. 8 Sorerft arbeiten bie BorftanbSuiitglieber, bie
nicht Hrbeiter ftnb, ohne Entgelt, 11 m ber ©acbe aufgubelfen.
•ipeibelberg. _ Sföar 3Äap.
^ntentationaler ft#igrc| für lättbltcheS (Bettoffenfchaftätoefeit
1900. ©elegeutlich ber SeltauSftellung [oll im nächften Sahre in
$ari* ein internationaler 5tongreh ber länblicben (9cnoffenfcf)aften
oeranftaltet werben. $>ie ^nitiatioe bagu geht oon ben frangöftfeben
(^enoffenfehaften aus, beren größter Beroanb, bie Union centrale
des Sydicats des Agriculteurs de France, bie Borbereitungen
übernommen hat. 855ie wir einer prioaten ÜKittheilung entnehmen,
hofft man befonberS auf bie Beteiligung ber großen ©enoffen*
fchaftSoerbänbe in ^Deutfchlanb. 2)aS genaue Programm für bie
Mongreharbeiten ift noch nicht feftgefteHt, unb wir behalten uns
oor, barauf gurüefgufommen.
$ie SlooperatiogcfeÜfchafteit in Clnalanb. Tem 31. Jahres*
fongreh ber britifchen ÄooperatiogefeEfchaften, ber unlängft in Ä5ioer*
pool ftattfaub, lag ein Jahresbericht oor, bem folgenbe 2)aten ent*
nommen finb. ©tatiftifche HuSweife lagen oon 1640 ©enoffen*
[djaften oor, gegen 1840 in 1897; eine Bergleichnng ber $>aten
ift jebodj fdjwcr möglich, ba im 1897 er Berichte fämmtliche irifche
(^enoffenfehaften Aufnahme gefunben h a ^ ei 0 währenb pro 189*
blofj 300 irifdie regiftrirte LanbmirthfchafiS* unb mild)ioirthfd)aft*
liehe Moopcratiogefeilfchaften Beriicffidjtiguug fanben. 2)ie Jahl
ber Biitglieber biefer 1610 ©euoffenfehaften betrug 1898: 1 646 078 !
gegen 1 591 155 in 1897. ^ic Ojefammtoerfäufe berfelben be* !
trugen 65 460 871 £ gegen 62 287 058 £ in 1897, ber (Gewinn j
betrug 7 165 753 £ gegen 6 717 876 £ unb bie Jnoeftitionen be*
gifferten ftch mit 11 681 296 £ gegen 10 817 251 £ in 1897. (Sineit
Kücfgang fowohl in ber 3°^ oer ©enoffenfehaften als ber 3RU*
glieber weifen lebiglich bie ^Srobuftiogenoffenftaften in dnalaitb
unb ©chottlanb auf, bie oon 154 auf 147 gurüdfgingen unb Deren
2Ritglieberjahl oon 35 784 auf 31 890 fanf.
CTtjIeljung nnb fiilbung.
@in Berein für OolfSthümliche ^ochfrfinlbtrfe gu Berlin ift
baS ©rgebnife ber guten Erfahrungen mit ben oorjährigen
fchulfurfeit. Jfaft alle UnioerfitätSlehrer Berlins werben if)m
angehören. 2)er Berein fott bie Mittel für bie .fturfe aufbringen,
ba bie Regierung eine ©uboention abgelehnt hat. 3)ie Eentral*
ftelle für SßohlfahrtSeinrichtungen wirb, wie bisher, bie gefchäftliche
Berwaltung führen.
©osialpolitifdje UnterrichtSfurfe in djriftlidjcit ©etocrlf(haften. Jm
Hufchluh an beit gu ^fingften abgehaltenen erften djriftlichen ©ewerf*
fdhaftsfongreh foHen oor Hllem fogiale Unterrichtsfurfe eingerichtet
werben. Jn einer Beipred)iing biefeS ÄongreffeS meinte jüngft ein
latholifdheS Blatt, eS t^rrfdK oft eine gcrabegu unbcfd)reiblid)c (^leich-
gültigfcit unter ber cbriftlidjeu Hrbeiterfchaft gegen HlIcS, was ihren
©tanb betreffe. 5)aS müffe anbers werben, ^ie chriftlidjen Hrbetter
müßten aufgerüttelt unb befähigt werben, an ihrer wirthfdjaftlicbeii
Hufgabe gu arbeiten. Eine Befferung ihrer Lage müßten fie aber nicht
auf betn SSege eines erbitterten ÄlaffenfampfeS mit ben übrigen ©efefl*
fd^aftsllaffcn erftreben, fonbertt nur auf bem SäSege eines frieolichen 3 «=
fantmenwirfcuS. $aS Etibgiel müffe fein ber 3 u f ammen f c hl u f> a ß c r
chriftlid^en Hrbeiter.
Universlty Extension in Oefterreiih. ^ie Ergebni[fc ber oolfs*
thiimlichen llniocrfitätsfurfe in Oeftcrreidj finb, wie bie „Wiener Hrbeiter*
geitung" fonftatirt, gufriebenftellenb. Jn biefem Jahve würben in 8 Sien
in 4 ©erien 71 Äurfe abgehalten, bic oon 7148 $erfonett befud)t waren,
^ic Eegenftänbe, bie auch in ben früheren Jahren am meiften bic Huf*
merffamfeit ber .fpörer auf ftch gegogeit halten, waren Hftrotiomie,
Hnatomie, Urgefchidjtc 11 . f. w. HuffaUeub ftarf ift aber auch ber Bcfudj
ber philofophifchen iturfe. B^ährenb in Söien bie Entwicteluug im
gleidmiäfngen (ftcleife fortfehreitet, ergaben fidi außerhalb SBicnS gerabegu
übcrrafchenbc Erfolge. Xer erfte .Vturs in 8 iMener=Kcuftabt würbe 0011
826 fßerfoneu, bie anberen &urfe in Kieberöfterreid), unb gwar ein
gweiter SfurS in 9Siener*Keuftabt, je ein ^urS in Liefing unb in SrcmS,
im (langen oon 1246 Spcrfoneii befucht. Huch bie Äurje in Briinn er*
gaben ein gleich gutes Kefultat wie im oorigen Jahre. Xiefe 3 a hlen
geigen, ein wie großes Bilbungsbebürfnifc bie weiteften ©chidjten ber
Beoölfcrung in SLicu unb in ber ^rooing haben. 93?it gleidiem Eifer
waren bei ber Einrichtung biefer auswärtigen Äurfe bie Hrbeitcrfdmft
unb bie Leljrerfchaft tl)ätig. X)ie Kommunen oon B?icucr*Keuftabt mtb
ÄremS gewährten ©uboentionen. Erfreulich ift cs auch, baß bie Uni*
oerfitäten oon Erag unb JnuSbrucf, fowie bie böhmifhe llnioerfität in
$rag, ferner bie Brunner technifdje §ochfdjule ebenfalls bereits oolfs*
thümlidje Slurfc oeranftaltet haben, währenb an anberen £>odjfchulen
ähnliche Juftitutionen in Borbereitung finb.
förgiehttttßSanfitalt für fogiale Arbeit in Hlmfterbam. Bi au
fchreibt uns: Jm ©eptember wirb in Hmfterbam eine Hnftalt
eröffnet werben, bie oon großer Bebeutung werben fann. ©ie
wirb Biaitner unb Jrauen bilben für bie Xhäügfeit in ber Hirnen*
pflege, als Huffeher 0011 Hrbeiterwohmingcn, gur Jrörbcrung ber
Hnnäherung oon ©ebilbeten unb niigebilbetcu (Xoi)nbec*Hrbeitt,
gur ?5ürforgc für oerwaifte ober ocrlaffene Sinbcr unb, wenn
möglidj, als Huffeljer iit gabrifen. 2>a man ^auptfäd>li<f) Jraueit
erwartet, wirb bie Huftalt 0011 einer Jfrau geleitet werben, ^er
Unterricht ift für fiehrliuge (oon mehr als 23 Jahren) unb 3uhörer
(oon mehr als 20 Jahren) beftimnü. 2)er Lehrgang wirb gwei
Jahre umfaffen: im erften Jahr wirb nur allgemeine fojiale
B5iffenfd)aft (Kationalöfonomie unb ©ogiologie, ©taatSrecht, .^pgicnc,
Hnnciifürforgc, Hrbeiterfdjiihgefehgebung, ©enoffenfd)aftswefeii, Hnti*
Hlfoholbewegung u. f. w.) gelehrt werben, im gweiten Jahre bie
fpcgiellen Memitniffe, welche.für bic genannten Berufe nötljig ftnb,
mit praftifchen Hebungen. $>ie Huftalt hat eine xHngahl bebeutenber
ÜJiänner gu gewinnen gewußt unb foll oorläufig auf für
gwei Jahre in BMrhmg treten.
<BeöJerbcgerld)te. (Tinigungsömtec. Sd)ieb$gerld)te.
^riebenSfdhln^ im BaugetoerBe.
Berhanbliutgeit oor bem ©ewerbegeridjt Berlin als
EiiiigungSamt.
Bermittelung beS Berliner ©ewerbegerichts als EiniguitgS*
amt, bas in anerfennenSioertheftcr B5eife, ohne auf bie Berufung
ber jtreitenben Iheile gu warten, felbft bic Jnitiatioe gur Bermüte*
1061
Soziale $ra£iS. ©entralblatt für Sojialpolittf. 9?r. 39.
1062
hing ergriffen fjat, ift erfreulitherroeife non ©rfolg gemefen. Sei
ben am 24. b. 9JttS. im Vürgerfaale beS SRathhaufeS gepflogenen
VergleidfjSoerhanblungen, benen and) ber Vorftfeenbe beS Zentral*
perbanbeS ber SRaurer Seutfd)lanbS, Vöntelburg aus Hamburg,
unb ber Vertreter ber 23 erlin er ©emerffchaftsfommiffton, Vlittarg,
beiroohnten, mürbe nach adjtftünbiger Verathung ein Abfomtnen
getroffen unb oon ben Vertretern ber beiben ftreitenben X^eile
unterfdjrieben, baS, menn es oon ber ©efammtheit ber Unternehmer
unb Arbeiter aufrecht erhalten toirb, eine grope ©rrungenfdhaft
bebeuten mürbe, ba es auf eine Sarifgemeinfchaft hinausläuft,
bie oon einer aus Vertretern ber Unternehmer unb Arbeiter be»
ftehenben Äontmiffion (Sarifamt) Übermacht unb geförbert merben
fott, moburch ftabilere Verhältniffe im Vaugetoerbe für be»
ftimmte Sauperioben garantirt mürben. £)aS Abfomtnen befteht
aus folgenben fünften:
1. Sie Arbeit mirb am 27.gunt 1899 9ftorgenS mieber auf«
genommen. Sie oon ben Arbeitgebern oerfjängte AuSfperrung mirb
jum gleichen Sage aufgehoben.
2 . Ser Sohn beträgt bis junt 31. Sejember 1899 einfehlieblich
60 4 pro ©tunbe, oom 1. ganuar 1900 bis 30. ©eptember 1900 ein«
fchliefelidh 62 l /a 4f oom 1- Cftober 1900 bis 31. Sföärj 1901 einfdjlieB«
Iidh 6;> 4- Ser SohnfaJ für burch Unfall, Älter, gnoalibität minber
leistungsfähige ©efeflen, fomie für gunggefellen im erften ©efetlcnjahre,
fomeit biefelbcn bei ihrem Sefjrmeifter tpätig futb, unterliegt ber freien
Vereinbarung. Sie ArbeitSjeit beträgt 9 Arbeitsftunben. Sen Ar»
beitgebem unb Arbeitnehmern fteht eS frei, bas ArbeitSoerhältnijj j^ber«
eit ohne Münbigung unb ohne Angabe oon ©rünbett aufjuheben
alfo ÄünbigunaSauSfchlub).
3. (SS miro eine ftommiffion gebilbet, meldje aus 9 Arbeitgebern
unb 9 Arbeitnehmern befiehl. Sie 2BaIjl ber SÄitglieber biefer &om«
miffion erfolgt burch bie Arbeitgeber bejm. bie Organisationen ber
Arbeitnehmer. Unter ben Ärbeitnebnter*3ftitgliebern follen je ein HRit«
alieb ber ©entralorganifatton, ber Sofalorganifation unb ber ©emerf«
fchaftsfommiffion angehören. Sie ©efchäftSorbnung ber ftommiffton
mirb oon biefer feftgefteHt.
4. Ser unter SRr. 3 bejeidjneten Stommiffion liegt bie Regelung
ber ArbeitSjeit, Raufen, Sohnoerhältniffe, Einrichtung ber
ÄrbeitSftätten unb ähnlicher fünfte, fomie bie Schlichtung oon
©treitigfeiten jmifdjen Arbeitgebern unb Arbeitnehmern ob.
5. Sei ©treitigfeiten jroifchen Arbeitgebern unb Arbeitnehmern
!ann gegen ©ntfdjeibung ber Äommiffton nur binnen brei Sagen nach
ber Sefanntmadjung bie (Sntfdjeibung beS ©inigungSamtS beS ©emerbe»
gerichtS angerufen merben.
6. SiS jur enbgültigen ©ntfdjeibung burch bie Äommiffton ober
baS ©inigungSamt bürfen Saufperren unter feiner Sebingung oerhängt
merben. Aadj ber enbgültigen ©ntfdjeibung ftnb Saufperren nur ju«
läffig, menn ber ©ntftfjeibung nidjt golge geleiftet mirb.
7. Alljährlich im $erbft hat bie unter Ar. 3 bejeichnete ftom«
miffion jufammen jutreten unb bie ÄrbcitS» unb fiofjnoer«
häitniife für bie Sauperiobe beS nädfjften galjreS feftjufefeen.
Ser ©ntfdjeibung ber ftomtniffton haben ftd) bie Arbeitgeber unb Arbeit«
nehmer ju untermerfen. 3 u m «ften äJtale tritt bie Momntiffton ju
biefent ^rceefe im §erbft 1899 jufammen, um über eine anbermeite geft*
fefcung beS Sohnes für bie 3*il oom 1. Dftober 1900 bis 31. HRärj 1901
ju bejd)liefen.
8. ©omohl bie centrale mie bie lofale Drganifation ber Vtaurer,
fomie bie ©emerffchaftsfommiffton oerpflichten ftch, ihren ganjen ©in»
flufe jur Äufre^terhaltung biefer Sebingungen einjufefcett unb im SBiber»
fpruch mit benfelben auSbredhenbe ©treifS nicht ju unterftü^en.
9. SÄahregelungert in golge beS hierburch beigelegten ÄuSftanbeS
finben nicht ftatt.
©S ift alfo bie ftufenroeife ©inführung beS 65 /$*SohneS
oorgefehen, aber bie gforberung ber Sefeitigung ber Slccorbarbeit, auf
bie bie Unternehmer nicht oer^ten gu fonnen erflärten, oon ben
Arbeitern fallen gelaffen morben. Sa auch & cr Sorpöcnbe beS
©entraloerbanbeS ber Staurer in ber Ächtsehner-Äommiffion @ih
unb Stimme haben foH, fo ift bamit auch sugleich bie Drgänifation
ber Arbeiter als gleichberechtigt anerfannt morben. Ser Sor»
fiftenbe beS ©entraloerbanbeS ber 2Jtaurer hatte oor bem ©inigungS»
amt bie Hebung beS gegenfeitigen Vertrauens unb bie Schaffung
eines ©egenfeihgfeitSoerhältniffeS marm befürmortet. S)aS fojial»
bemofratifdje ©entralorgaif, ber ,,VormärtS", ift mit bem Äbfommen
fehr jufrieben. SaS Vlatt fchreibt:
„Sie Vereinbarungen, bie nun auf längere 3 ß it bie Sohnhöhe
feftlegen, unb bereu Äenberung oon jebeStnaligen Verhanblungen jmifchen
beiben Parteien abhängig gemacht ftnb, bringen für beibe Sheile nicht
ju oeradbtenbe Vortheile. Sie Unternehmer merben nicht mehr bie ge«
ringftc ©efdjäftsflaue ju einem Sohnbrud auSnühen bürfen, fie haben
auf ber anberett ©eite auch nicht ju geroärtigen, baß bie gute Ifonjunftur
bie Ärbeiter fofort ju Sohnforberungen anreijen fönnte. ©S mirb ein
ftabileres Verhältnis Stab greifen, bie Unternehmer haben fefte Unter«
läge für ihre Voranfchläge, fie haben auch nicht $u befürchten, ba& fte
SerantnortltcQ für bte »ebaöimt: Dr. CS r rt ft
„einjcln abgefchlachtet merben", bie Ärbeiter haben nicht mehr 3 a hr
aus, gahr ein bei jebem Sau faft täglid^ um ihre gorberungen oon
Veuem ju fämpfen, bie Äleinfämpfe, bie aufreibenb, fraftoergeubenb
roirfen, fönnen eingeftellt merben. Ser ftantpf jmifdhen Kapital unb
Ärbeit mirb barum nidjt aufhören, aber er nimmt anbere gormen an,
mirb auf einer höheren ©tufe geführt."
Saran fnüpft baS Vlatt bie Mahnung an bie Arbeiter, ihre
Drganifation nun erft recht nicht ju oernachlafpgen, benn beren
©tarfe biete bie befte ©arantie für bie Slufrechterhaltung beS
©rrungenen. Sie Unternehmer hat bet „VorroärtS" meit fonjiltanter,
im Allgemeinen meit entgegenfommenber aefuttben, als bie ber
ÜRetaUinbuftrie gelegentlich beS gformerftreifs: ,Ebenfalls haben
bie bieSmaligen Verhanblungen oor bem ©inigungSamte ben Ve«
meis geliefert, baft bei gegenfeitigem ©ntgegenfommen unb Ver*
hanbeln auf bem Voben ber ©leichberechtigung Sifferenjen in ben
ArbeitSoerhältniffen leicht befeitigt merben fönnen. Sie „©Aarf»
machet" finb mieber einmal ad absurdum geführt morben. ^offent»
Uth bleibt biefer gfriebenSfchlup im Vaugeroerbe nicht ohne SRücf*
mirfung auf anbere Snbuftriejroeige."
3n einer am ©onntag, 25. 3>uni abgehaltenen Verfamm-
lung haben bie Arbeiter — aUerbingS nicht ohne ftarfen SSiber»
fpruch — befchloffen, bie Vorfthläge beS EiniaungSamteS anp*
nehmen unb ben AuSftanb mit Vtontag, ben 26. ^Euni, AbenbS,
als beenbet ju erflären. Sa bie Vertreter ber Unternehmer, bie
Herren Söbler, SSeftphal unb Sadjmann, fchon oor bem ©inigungS*
amt befannt gegeben haben, ba& bie SRehrheü ihrer SJlanbanten
hinter ihnen |tehe, ift als fidler anjuneljmen, ba| ber Ausgleich
auch ÜOn i^ rer ® c t te ^te 3aftimmuna erhält. Ser Vorfifcenbe beS
Verliner ©emerbegerichts, §err oon ©chulj, fomie bie Veififcer, bie
Herren Steigert unb Dr. ©erfchel (Arbeitgeber), fomie dürften unb
Sfnoll (Arbeiter) haben ftd) burd) biefe VermittelungSaftion ein
grofjeS Verbienft um ben fojialen grrieben erroorben. ^öffentlich
gelingt es ihrem beroährien Saft unb ©efehief nun auch, &i e
roeitereu, fleineren Sifferenjen, bie noch jmifdhen oerfchiebenen
Arbeiterfategorien unb Unternehmern im Vaugemerbe fchmeben, in
ben nädhften Sagen ju befeitigen.
©intgtmgSamt für bie äRaffeuanSfperrung in fiopetthagem ©in
im Sahre 1898 gemählter gemeinfamer AuSfchup jur ^Beilegung
oon ArbeitSftreitigfeiten befcplop am 23. b. Vt., bem Arbeitgeber*
oerbanb anjubieten, als ©inigungSamt im großen ßoefout im Vau¬
gemerbe unb in ber ©ifeninbuftrte (oergl. 6oj. VrariS ©p. 1004)
m fungiren. SagS barauf hat ber AuSfchup einftimmig erflärt,
baft bie ©perre im Sßiberfpruch mit ber früher jmifthen ben Arbeit¬
gebern unb ber Vtehrheit ber Arbeiter abgefchlojfenen Uebereinfunft
fteht. Am 28. b. 3R. fott bie ©ntfeheibung fallen, ob bie ftreitenben
Parteien gemittt finb, oor bem ©inigungSamt ju oerhanbeln.
Cttentrlfdie Jlnjeige«.
^lotfe, ©mit. Sie ©eroerbe»3nfpeftion in Seutfcfjlanb. 3hre ©nt*
midelung, Organifation unb Aufgaben. Serlin 1899, ©arl
§et)manns Verlag. 116 ©. SreiS l^o M .
gür jeben, ber (ich für bie ©eroerbeinfpeftion intereffirt, hat ber
Verfaffer ein redjt braudjbareS .^iilfsbüchlein geboten, gaft fämmtlicbe
in Setracht fommenben michtigeren ©efefce unb Verorbnungen ftnb
gröbtentbcils loörtlich micbergegeben. SaS ©anje mirb burd) einen
furjen gefdjichtlichen Abriß ber ftaatlidfjen ©eroerbeaufftcht in Seutfch-
lanb eingeleitet. SBerthooHer als ber Ipftorifcbe Sheil ift ber bem
SBerfchen beigegebene ftatiftifche Apparat, ber es burch feine überjtdfjt«
liehe Änorbnung ermöglicht, bie geroünfehten Säten eines feben gn-
fpeftioitSbejirfS über 3 a bt ber Snfpeftoren unb Äfftftenten, ber Se¬
triebe, ber ber ©emcrbeaufftcht unterftellten Arbeiter u. f. m. fofort auf«
jupnben.
SBengler, Ä. SeutfcheS ©emerberecht (©ammlung faufmännifcher
AechtSbücber). 2eipjig, Verlag ber §anbetSafabemie Seipjig
(Dr. jur. Subroig ^mberti). 120 ©. $reis 2,75 M .
Ser Verfaffer miu, mie er in ber Vorrebe ermähnt, Äaufleuteit
unb ©eroerbetreibenben einen Ueberblid über bas roeite ©ebiet beS ©e*
roerberechts oerfchaffen. SefonberS eittgehenb ift bie gnnungS* unb
Ärbeiterfdjubgefe^gebung bargeftettt. ©in gutes alphabetifcheS ©ach»
regifter erhöht bie Srauchbarfeit beS SüchleinS.
^ontifer, 3Ä. ©ojiale ©ebanfett eines Dptimiften.' Serlin 1900.
Dr. V. SBrebe. 48 ©.
The foreign policy of the United States: Political and Commercial.
Adresses und Discussion at the Annual Meeting of the American
Academy of political and social Science (Supplement).
Vtittljeilungen beS ©tatiftifchen Amtes ber ©tabt SreSben. 9. §eft.
SreSben 1899, 0 . 3ahn & gaenfdf).
rtatitfe in 8 eilin W., »aqrtui^erftrafec 39.
1063 »Soziale $ra£i$. dcntralblatt für Sojialpolttif. Br. 39. 1064
©ie »»S**?taU $lrart*" erföeint an jcbcm ©onnerStag unb ift burdj aUe BucbbanMungen unb gjoftämter (Boftjeitungdnummer 7072) $u beheben. ©er s 4?rei§
für ba« Bierteljafir ift 2J?. 2,50. Scbe Kummer foftet 30 $f. ©er Anzeigenpreis ift 60 $f. für bie breigefpaltenc ^etitjeile.
Soeben bei Wunder & §umbiot in £eipaig erfdfjiencn:
gttaate- ttttir foctalnJincttrttjdftlidTC^O^rdjmtößn. §erau§gegeben t»on ©. JJtdrmoUer:
XVI. 23 ant>, 5 . Jpeft:
§it mittlerr JebeitslMtuer
in
SttaM itttb Jnub.
2km
<E. SaUob.
VI, 141 u. III Seiten. $rei§ 3 60 $f.
XVII. 23 anb, 1 . Jpeft:
fie fmmtjieJlrn ßfiieljuitgcu
ber
I flarniMdioi ganliiers p givrtie non 1285-1804.
s £ott
<5eora, Sdjneiber.
X, 78 Seiten. 9>rci3 2 ©?.
früher im gleichen Verlage cr]d)ienen unb ebenfalls burdj jebe xMidjljanblmtg 311 begu^en:
Die tebcnsfäljiglieit
ber
|läbHfd)cn unb Iönblid|eu ßcunlhernng.
58on
<Iarl öallob.
@r. 8 «, V, 98 <3. 1897. $rei3 2 «W. 20
Bus bem Bor wort:
„©ie uorlicgcnbe Arbeit hübet wohl beit erften Berfud) einer
e^afteii Unterfiidjuitg ber üebcnsfäbigfcit ftäbtifrfier Bcoölferungeii
aus ficf) beraub, ©er Umfang be* Stoffes gebot sunädift eine Be=
fcbrätihmg auf eine Bnzafjl oon Olrofeftäbten unb ganzen Säubern
wäljrenb ber neueften ^eit, wobei bic Stabte unifoioeuiger eine 311
ungiinftige Beurteilung erfahren haben fönnett, als bie SterblirfjfcitS=
oerhältniffe bcrfelbcn in ber Beujctt eine uerfjältniomäfüg bebeutenbere
Beffcrung erfahren hoben als bie bes flachen üanbeS. Borausfidjtlich
mirb eS bem Berfaffer uergönut fein, feine Unterfuebungeu über bie
oorliegenbe gragc in gufunft weiter aus^ubehtien."
§ur Siorinl- itnii ©twrrbeplitilt
ber (Dcgenunut.
lieben nnb ^lufTcttf*
DDU
<5uftar> Sd^mcUcr.
©r. 8 °, XII, 472 8 . 1890. «|5rciS 9 SW.
3 n h a 1 1 :
Bebe jur (Eröffnung ber Bcfpredmng über bie focialc gragc in
(5-ifcnad) beu 6 . Cftobcr 1372. — ©er moberne Berfehr im Ber*
hältnis junt mirtfdiaftlidien, fociaien unb fittlttfjeu gortfeftritt. 1873.
— ©ic focialc gragc unb ber preufüfd)e Staat. 1374. — ©ie 9tatur
bes Arbeitsertrag* unb ber ttontraftbrudj. 1374. — ©ie Be form
ber (tieiuerbeorbttung. Bebe, gehalten in ber ©eneralüerfammhmg
bes Bereins für Sopalpolitif am 10 . Cftober 1877. — ©er lieber*
gang ©cutfd)Ianbs jurn Sdutbsollfpftem. Bebe in ber General*
ocrfammlung bes Bereins für Sojialpolitif am 21 . April 1879. —
©ie SSiffenfdiaft, bic "parteiprinjipieu unb bic praftifdjeu ^tele ber
beutfdicn foHtif. tSinleitenbc Sporte bei Uebemahme beS 3ßhrbudieS
für Olefepgcbung :c. 1380. — ©ie OJcrcditigfcit in ber Bolfswirr*
jehaft. 1880. — ©as untere unb mittlere gemerblidie Sdfulroefen in
Breufeen. 1881. — ©er ©entfdie Bereit! gegen ben BUpbraudi geiftiger
Wetränfe unb bic gragc ber Sdiaitffonjefpoucn. 1883. — Hermann
Sd)ulje*©eli^fdi unb (Sbuarb Sa$fcr. 1884. — (rin Btahnruf in ber
Wohnungsfrage. 1887. — lieber Wefen unb Berfaffung ber großen
Unternehmungen. 1889. — lieber öeminnbeteiligung. 1890. — ©ie
faifcrlidieu (Srlaffe nom 4. geBruar 1890 im Sicfjte ber bcunchnt
Wirtfchaftspolitif oon 1866 — 1890.
Soeben ist erschienen:
Wohnnugen der Minderbemittelten in München
und die
Schaffung unkündbarer kleiner Wohnungen.
Denkschrift im Aufträge d. Magistrats-Direktoriums
herausgegeben von Dr. Karl Singer.
Sekretär d. Statist. Amts d. Stadt München u. Oberbeamter.
(Mil zaülr. Abbild, älterer u. neuerer ArbeiterwobiiQiiartiere.)
1899. J. Lindausr’sche Buchhandlung i Sclnipping.) Preisft.öOM.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
Moebe» erschien:
Die
Stellung des Handwerks
in
den hauptsächlichsten
der ehemals zünftigen Gewerbe
von
Dr. Max Mendelson.
Preis: 4,50 Mark.
i%.
Die Schaffung
und Erhaltung
einer deutschen
Schlachtflotte.
Von
Adolph von Ulenckstertt.
t
fripjig, Hering non fundieriV’fkmfifof. 1899.
Verlag von Duncker & Humblot:
Die Kündigung des englischen Handelsvertrags
und ihre Gefahr für Deutschlands Zukunft.
Von Kurl Hallig«*».
- Preis 40 Pfg. —---
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel in Berlin W.
Demnächst erscheint:
Die Arbeitslosigkeit.
Ihre Bekämpfung
und
Statistik.
Von
Paul Item«It.
--— Preis 3 Mark. —-—-
iJcrantinottlulj fiu Dte «liuciafu: £cnmutlj Deibel, fieipjifl. — Verlag oon Juutfcr & £uin[ilot, Seipiig. — (Sct>i\ic?t bet ^ultug StUenfelb, 2J:tIin.
VIII. fojpgotis.
Scrhrt, ben 6. 3>uli 1899.
Hummer 40.
Soziale ptayis.
^enftrarMctfl für g>o 3 ta£polifiü
mit ber ©hmatsbetlage:
Das (Bewerbeigertcht.
®rgan lies Derbanbes beutfdjer <5en?erbegericfyte.
SReue golfle ber „SBlätter für fogiate ©raytS" unb be« „Sogialpolitifchen (SentralblattS*.
«rf$eittt a« {rbem 2ointerf»cg. ^CCailÖgeBer: ©rri« t»fertel|S|rv!i(% 2 Vt. 60 ©f.
JRcbaltton: ©erltn W., ©apreutherftrabe 29. Dr. «ftttttdtt. ©erlag üon ©Jumfer & |>umblot, Setpgtg.
3uWt
©ie gefepli<$e SRegelung ber
iHrbettfiöerljaltniHe ber Keil*
ner unb Kellnerinnen, ©on
Dr. Slrtpur (£ot)en, ©iündjen. I.
1065
2)er81u8ftanbber9Raurett>0rbem
©ett» erb eg erlebt aUCSintflung«*
amt ©om gabrifant £). SBeigert,
©etUn.1069
ntfwetae 9nU&> nab eHrtbf6«ftl<
*•!««.1072
©a«Koalition«redjt bet niebet*
länbifdjen Arbeiter, ©on Dr.
nan 3anten, Slmfterbam.
SBeljrfraft unb ©ojialreform.
©tne ©efabr für bie Konfurrenjfäbtß*
feit unferer ^nbuftTie auf bem 5Belt»
marft.
S5er öfterreitbifd&e £anbelSmmifter über
bie Heimarbeit
©a« neue ©tinifterium unb bie ©ojtal*
politif in gtanfretdj.
Sie 3ulaffung ber flauen jur Aecpt«*
amoaltfdfraft in granfreüb.
Urtbeil eine« Tuffifd^ert gabrifanten
über ben ötptftfinbigen Arbeitstag.
ftnanranalt ©•fttalpolttif.... 1076
Keine grauen alö @emeinben>atfenrötf)e
in ©reufeen.
föleftrijitätsmerfe in mittleren unb
Heineren ©tübten ©eutfdjlanb«.
©täbtiföe« £pgtenifd&e8 Snftitut für
©erlin.
©täbtifdje ©cfeulärjte in ©djöneberg.
9ieue ©ubmlfftonSotbnung in SRann*
beim.
SJa« Oberbau« gegen »eiblicbe ©e*
meinberätbe in ©nglanb.
Kommunale SRaferegeln gegen Suber»
fulofe in ©tanepefter.
AtterSpenfionen für bie ©emeinbe«
arbeitet in ©ari«.
Oogtale Baftänbe .1078
Kinberarbeit in Sonbon. ©on
©rneft Aoefl, Sonbon.
KrteÜfder* mb Untern ebwer* er*
lüsbe.1080
©er 9ting ber Sapetenfabrifanten.
©er ©erbanb beutfdjer ©djub* unb
©cbüftefabrifanten.
©in ©erbanb ber fübmeftbeutfdben
©töbelfabrifanten.
©et ©erein beutfeber SöeTfyeuQ*
mafd)inenfabrifen.
«*§cittrfte»tg«itg.1082
©ergarbeiter«Unruben im
©uljrreoter.
3um griebenfif«bluffe im ©erliner
©äugen» erbe.
©er 32. ©rabe-Union« Kongreß.
3ur ©ergarbeitirbettegung in grnnf»
reich.
ttttttterfto*.1083
©oaialpolitif auf ©ee.
©orfebriften über bie Arbeit«aeit in
©eireibemüblen.
©ie gabrifinfpeftorinnen in SSeimar.
©olijeioerorbnung für Unterelfafe über
I ©ätfereien.
Arbeiterfcbufe in ber englifeben 3ö n b*
poljfabrifaHon.
fUbritcrtoerfidtermtg. Spar taffen 1085
©iitbeitlicbe Crganifation bet brei
SlrbeiteroeriicberungS^meige.
©eruf«genoffenfcbaft«tag in Konftan^.
©ie grage ber AlterSoerficperunfl in
Oefterreicb.
Snbalt be« ©eroerbegeriebtb 9ir. 10.
Beilage* „©*# ©<»er*egrrtftt“ ft*. 10 .
Äbbrucf fämmtlidjer Artifel ift geümtgen unb ß'ttfcbtiften geftattet, jeboeb nur
mit Poller Quellenangabe.
Bie gcfe|Ud)c Regelung ber 3UbeiteuedjäUniflc
ber Jüellner trab fteUtteritraen.
3n Kummer 29 bei* „Sozialen ^$ra£is" l)aben mir bie Sage j
ber Arbeiter beS (^aft= unb SchaufroirthsgeroerbeS im 3 u fammen*
bang mit ben tödriebsoerhältniffen betrachtet. 2)ie SReformfrage, 1
ber mir un« nun guroenben, §at oon einer Vergleichung ber
geroerberedjtlichen Stellung ber Kellner unb Kellnertnnen
mit jener ber übrigen Arbeiter auSgugehen. $)a$ Urmeigtbum
atter ©ogialpolitif: w ^lm fiebenten Xage fottft bu ru^en!" finbet
auf fie feine Slnroenbung. 2lber nicht nur rec^tlicf) finb bie
Kellner unb Kellnerinnen oon biefer SBobltljat auögefcbloffen, fon-
bern auc^ t^atfäc^tic^: nur in einem Steile ber ©aftböfe o^ne
SWeftaurationöbetrieb faßt bie 2hi8gebegeit etroa alle oier SBodjen auf
einen Sonntag, im Uebrigen befielt bie Aufgabe be« Söirtbfrfjaft«*
geroerbe« im Spfiem ber nationalen 2lrbeit«tbeilung nadb ber
üblichen Sluffaffung unb nach ben ^b at f a ^ en gerabc befonber«
barin, ben anberen Slrbeiterfategorien nach ben fauren Soeben
frobe Scfte gu bereiten.
$)en 23cfucb be« fonntäglicben ©otte«bienfte« roürbe
biefe« an Rib oßerbing« nidbt binbern; benn auch ber Sonntag«*
burft melbet ficb bei normalen Naturen erft in ber groeiten §>älftc
be« Vormittag«. ?lber nidjjt ohne Seroegung lieft man, bafj ber
fonnläglid)e Kircbenbefutb für ben Arbeiter be« 3Birtbfcbaft^0enjerbe«
nicht ejiftirt, ja, bafe jene ßlföglicbfeit oon ihnen gar nicht in«
2luge gefaxt roirb. S)ie Arbeitgeber fagen, fie fäben e« gerne,
roenn ihre Bebienfteten Sonntag früh $ur Kirche gingen, aber e«
fomme nicht oor; bie Arbeiter erroibem, ihr Schlafbebürfnifj fei
Sonntag borgen«, nach bem anftrengenben Sam«tag, gröjjer al«
ihr ^ebiirfni^ nah rcligiöfcr Erbauung; h a ^ e man nothbürftig
au«gefd)lafen, fo begännen fchon bie SSorbereitungen für ben
Sonniag«befuch ber ©äfte.
Söitt man auf bem Sßkge, ben ber Arbeiterfchuh bi«her in
$>eutfcf)lanb genommen fyat. fortfehreiten, fo roirb e« firfj bei einem
etroaigen Spegialgefepe gum Schupe ber Kellner unb Kellnerinnen
oor Adern barum hanbeln, biefe Arbeiterfategorien ben übrigen
geroerblichen Arbeitern in 33egug auf bie Sonntag«ruhe
möglichft gleicfjguftellen. 2)afiir fprechen nicht nur ade jene
fogialpolitifchen Örroägungen, bie feiner 3*ü S^r 3feftfepung ber
obligatorifhen Sonntagsruhe geführt h a ^en, fonbern auch
roägungen ber ©erechtigfeit. tiefes 3^ ^ ann nun öuf groeifache
Sßetfe erreicht roerben:
1. 3J?an fatm bie S3eftimmungen über Sonntagsruhe auf bie
©aft* unb Schanfroirthfch a f te n au«bebnen. @« ift für bie
beutfehen 3nftänbe begeichnenb, bafe ein folcher Sorfchlaa nirqenb«
aufqetaucht ift. N JJtan fann aber auch & cn ^Bebienfteten be« Söirth*
fchaftSgeroerbe« einen Grfap für bie fehlenbe Sonntagsruhe oer*
jehaffen, inbem man, ba« s $ringip ber Sonntagsruhe au« feiner
religiöfen Umhüdung herausfhülenb, oorfchreibt, bap ihnen roöchenU
lieh ein ooder Ruhetag gu geroähreit fei, roobei bie Söahl be«
Ruhetage« bem eingelnen Arbeitgeber gu überlaffen roäre.
2. s JJtan fann jenem 3^ au f inbireftem 2öcge nachftrcben,
inbem man ben Mangel ber Sonntagsruhe burch einen Ausnahme*
fchup in ben übrigen ArbeitSoerhältniffen, g. 23. biirrf) 23egrcngung
ber täglichen Arbeitszeit, fompenfirt. 2)agu läbt and) bie lange
tägliche ArbeitSgeit ein, bie roir in unterem eilten Artifel fonftatirt
haben, hierbei latfen fid) roicber oerfd)iebeue Dcethobeu beufen,
nämlich: a) 23egi*eugung ber 23etricbsgcit, Ij) 9MarimaIarbcitstag
unb c) DÜnbeftruhegeit. Ade brei gorberungen finb fchon erhoben
roorben. ^ie gorberung b oon ben Sogialbemofrateu (neben
Soziale $rajiS- ©entralblatt für Sojtalpolttif. Ar. 40.
1008
1007
üoEcm Bodjenruhetag); her Sorberung a neigen bie Konfcroatioen
gu, aber auch ber §auptfd)riftfteEer nuferer Vfaterie, Vrofeffor
Dlbenberg, hält biefen Beg für ben annehmbaren; 1 ) bie Minimal*
ruhegeit ift in ben befannten Anträgen non o. §ei)I unb ©ettoffen
enthalten.
Öiir bie Begrengung ber BetriebSgeit fpricht, bafe fie an
baS Snftitut ber ^Solijeiftunbe anfnüpfen fönnte; bagegen bie
llnpopularität einer folgen ERafercgel. ©in etwaiger gefejlicfjcr
BctriebSfd)Iufe müfete ferner bnrcf) baS gange Aeüfe einheitlich
feftgelegt werben, bie lofalen Verfchiebenheiten, bie Bebitrfniffe beS
burchrcifenben Qremben, beS nächtlichen ©eifteSarbeiterS, fowie aller
berer, bei benen ber gefüllte Becher erft lange nach Mitternacht
feinen ©rcnjnupen erreicht, fönnten nicht berücffechtigt werben. Die
Bolijeiftunbe unb aEeS, was ihr ähnlich lieht, würbe ferner nur
einen £h*il, aEcrbingS ben £>aupttheil, ber Arbeit ber Kellner unb
Kellnerinnen, bie Bcbienung ber ©äfte, treffen; bie Arbeiten ba*
gegen, bie fid) nicht oor ben Augen beS $ßublifumS abfpielen,
j.B. bie AcinigungS* unb Vorbereitungsarbeiten, blieben ohne
Befdjränfung unb S3eauffid)tigung. Die Schlinge ber ^oli^ciftunbe
würbe cnblich, was bie ^auptfache ift, auch an ben ©aftfjöfen
oorbeifaufen, unb gerabc in biefen herrfd)en, wie wir in beut
porigen Strtifel auSgeführt haben, wa§ bie ArbettSjeit betrifft, jutn
Dheil hie fdjlimmften 3 u feänbe.
®ie 3Rinb eftruhe je it ift eine Vfobeforberung. Sic be*
fämpfen helfet gegen ben Strom fchwimmen, unb bas ift gumal
bann unangenehm, wenn man fchon felbft mit bem Strome ge*
fchwommen ift. 2 ) Kein S^eifel: an fed) böte eine nicht gu gering
bemeffene gefefelidje SRinbeftruhegeit oerbunben mit obligatorifchen
„AuSgehejeiten" einen annehmbaren ©rfap für bie gcfepltdjc Sonn«
tagSruhe. Sa, wenn nur bie ewige ©efdjuhte oon ben „Aus*
nahmen" nicht wäre! Unb gerabe baS BirthfehaftSgewerbe mit
feiner Unftetigfeit beS Betriebes ift geeignet, ben ©efepgeber be*
jonberS „auSnapmefrcubig" ju ftimmen. BaS ift nicht afleS in
ber Kommiffion oon ben Btrtpen als Anlafe gur Seftfepung oon
Ausnahmen bezeichnet worben: Saifon, Witterung, 3al;reSjeit,
geftlichfeiten, Märfte unb ÜReffen, Berfpätunaen oon ©ifenbahn*
jügen, ©rfranfung beS VerfonalS u. f. w. Auf bie ßrage, wie
oiel Ausnahmetage imSahre oerlangt würben, finb bei ber fdhrift*
liehen Umfrage oon ben Kettneroereinigungeti bie 3 a hlen 50 bis
100, oon ben Birthen bei ber Vernehmung bie 3 a ht cn SO, 100,
150 genannt worben. Bürbe man biefe Ausnahmen julaffen, fo
bebiirftc eS ber befannten fthiefen ©bene gar nicht mehr, um bie
gefepliche VUnbeftruhejcit gu einer Scheinmaferegel ju machen, bie
etwas gleich fehen, aber alles beim alten laffen würbe. Die ohne*
bieS fefeon |o fdpoierige unb beim BirthfehaftSgewerbe wegen feiner
eigentümlichen BetriebSücrpältniffe hoppelt fdiwicrige Auffecht
über bie Durchführung einer gefcplicheit VJinbeftrnhejeit würbe
burch bie 3alaffung oon fo oielen Ausnahmen gerabeju unmöglich-
Das Bewufetfein aber, „bafe man bas Seinige gethan habeV) ift
nicht geeignet, baS ©emiffen eines einfichtigen SojialpolitiferS gu
beruhigen. Denn f ogialp olitif ehe ©efepe, bie nid)t burchgefiihrt
werben fönnen, finb nicht nur nicht nüfelich, fonbeni gerabeju
fdjäblid), weil fie bie fojiale ©efepgebung in Mifefrebit bringen.
'Bill man bie tägliche ArbeitSjeit ber Kellner unb Kellnerinnen
auf ein gewiffeS 9Rafe juriieffübren, fo oerfuche man es — aber
nicht um ben ^reis ber Verfümmerung ihres Rechtes auf ben
Bocfeenruhctag. AHnbeftruhejcit unb AuSgehcgeit finb enge be*
grenjt. Sene ift Schlafgeit, biefe 3 c it 8 ur Beforgung oon Vrioat*
gefchäften. 9iur ber oolle Bochenruhetag bringt eine wirfliche
$aufe im (Einerlei ber Vcrufsthätigfeit, eine Vaufe — ausgebehnt
genug, um Schlaf, Körperpflege, ©rholung, Vilbung, Vergnügen
ju bringen, furj um bem Arbeiter ein menfchenwiirbigeS Dafein
ju oerfdjaffen. Der SRuhetagS^wang würbe ein ftarfes ©egen*
gewicht gegen bie fchäblicfeen folgen beS SlrbeitenS in ungefunben,
mangelhaft gelüfteten SRäumen gewähren, er würbe ben oerhei*
ratljeten Kellnern unb Kellnerinnen bie Rührung eines Familien*
lebetiS, ber ganzen Arbeiterflaffe bie gemeinfame Vefpredjung oon
Berufsangelegenheiten einigermaßen ermöglichen. „ 3 dl glaube/'
tagte Kellner ShomaS oor ber Kommiffion, „bafe biefe .“»Gftiinbige
SRuhejeit baju bienen mürbe, bie geiunbhei'tsfchäblidicu /eigen ber
langen Arbeitszeit 311 beteiligen. Die 2lusfprad)en, bie auf nuferen
Vcrfammlungen oon älteren unb jüngeren Kollegen ftattgefuuben
haben, gehen immer bahiu, bafe fie ben Ruhetag oon ’»<> Stunbcn
mit /reube begrüfeeu mürben." Beim er nidit gemährt mirb —
M .Soziale Brarts" V. 3p. Ä7.
,J i Boltsm. Beil.' 3 . „Allg. /,tg." lv4 Ar. Ihm.
3 i Aiotioe fim (onnonrr einer (emerbcprb 111:ngc-n0p,e.Lfe» 3 ci»iim
!'!i, 3. ‘J4.
fügt DhomaS hinju — „bann nüpen bie gangen ©rhebungett
ni^tS." (S. 77).
BaS bie Öänge beS SRufeetageS betrifft, fo läfet fid) ja
über biefen Vmtft ftreiten. 3<h perfonlich ^aiie einen Ruhetag
oon 30 bis 34 Stunben für auSreicfjenb, aber auch für nöthig.
3Äan ntufe hoch bebenfen, bafe man bem Birth bie Vtögltchfeit
geben mufe, ben betreffenben Arbeiter am Dage oorher bis gutn
Vetriebsfchlufe — fagen wir bis 1 Uf)t ^acfetS — gu befchäftiacn.
Ausnahmen brauchten nur für 6 Bod)en im S^hre jugelaffcn
gu werben, fo bafe etwa Saifonhotels waferenb ber brei Monate
bauernben Sfteifefaifon ihren Vebienfteten nur alle 14 Dage einen
ootten Ruhetag gewähren müfeten. 4 )
Sn Rotels ohne SteftaurationSbetrieb müfete ber Ruhetag ntin*
beftenS einmal im Monat auf einen Sonntag fallen, ©ine meitergeljenbe
Vefd^ränfung beS Sonntagsbetriebes halte ich nicht für möglich-
’ Bährenb bie VHnbeftruhegeit bem Betriebsleiter oielfach läftige
Seffeln in feinen täglichen DiSpofitionen auferlegen, ja bann unb
wann ben Unternehmer gur ©infehränfung ber gefchäftlichen Dhätig-
feit gwingen würbe (was ja an fid) nichts VebenflidjeS hat, aber
gu einer Umgehung ber betreffenben Vorfd)riften gerabegu auf*
torbert), währenb fee ferner auf anberer ©runblage getroffene
befriebigenbe Arrangements unter Umftänben ftören fann — ift
ber BochenrubetagSjwang technifch leicht burchfiihrbar, er ift eine
wenn auch rabifale, fo hoch einfache flarc IRaferegel, bie nur eines
nöthig macht: bie Vertretung beS rufeenben 2lrbeiterS. Sn fleinen
Unternehmungen wirb ber Birth unb feine Samilie am Ruhetag
perfönlidh gugreifen müffen, in gröfeeren Unternehmungen muffen
unter Umftänben AuShülfSperfonen eingefteEt ober es mufe baS
ftanbige V e rfonal um einen fog. „flieaenben KeEner" oermehrt
werben. Da es natürlich oerboten werben mufe, bafe ber Arbeit*
geber feinen Arbeitern bie Koften für ihre Vertretung am gefep*
liehen Ruhetag auferlegt, fo wirb ber SRuhetagSjwang in oielen
Betrieben bie BetriebSfoften oermehren. Aber nicht bebeutenb.
£>ier geigt baS Drinfgelberwefen auch einmal eine gute Seite. Die
AuShülfSfeEner 5 ) erhalten nach ber gegenwärtigen Uebung ent*
weber überhaupt feinen Sohn ober nur einen geringfügigen Sofytt
(gewöhnlich 1 Jf, im Dage); im Uebrigen finb fee, wie bie ftänbig
befchäftigten KeEner, auf bas Drinfgelb angewiefen. 3 ur
beS in Naturalien beftefeenben DhetlS beS Sohnes (Beföftigung)
an ben eben Vuhenben wäre ber Arbeitgeber natürlich nicht oer*
pflichtet; an feiner Statt erhielte ber AuShülfSfeEner bie Beföftigung.
£ülfsfrä|te finb genug oorhanben; ob auch qualifigirte $ülfS*
6äfte, ift in ber Kommiffion niefet feftgeftellt worben, ba fech bie
©rhebitng leiber auf §iilfsfeEner nicht begogen hat. Die ©inführung
beS Ruhetages wirb übrigens bie Veiftungsfähigfeit beS ganjen
KeflnerftanbeS erhöhen, fo bafe bie KeEner mit ber 3 c ü vielleicht
mit Ruhetag ebenfooicl ober gar mehr in ber Boche leiften werben
wie gegenwärtig ohne Ruhetag, mit anberen Borten, bafe bie
BetriebSfoften wieber auf ben früheren Stanb finfen werben.
__ (S^lufe folflt.)
4 ) Die gewählten AuSnahmewodjcn müfeten oor Beginn beS Sahres
oon ben Unternehmern ber VerwaltungSbehÖrbe angegeigt werben. —
Ber beiratbeten Arbeitern, bie ihre /amilie nicht am Drtc beS Be*
triebe* haben, füllte ber 'Arbeitgeber auf ihren Buufdj ftatt beS Bocfeen*
nthetages alle 14 Dagc eine gweitägige ununterbrochene Jluhegcti ge*
mähren fümicn. — ©ine befonbere Behanblung erforbern ferner bte
Saalgcfdiäfte, bie totale mit biofeem 3age*bctricb (7 Uhr
Bforgen* bis 7 Uhr AbeubS) itnb bie Unternehmungen mit oollftän*
big cm 3 di ichtw cd) fei (Biener ©afos). /u ben ©aalgefd)äften müfete
ber Aubetag auf minbeftenS 4H ©timbeii ausgebehnt werben, ba hier
an bcu Betriebstagen bie Scfilafgctt gang befottbers gufammenfehrumpft.
Ba* bie hetben anberen Betriebsarten betrifft, fo tarnt fid) hier ber
©efepgeber umgefehrt mit einer ober gmei wöchentlichen Ansgehegettrn
oon otcr Stunbcn begnügen mtb baburdi biefe Betriebsarten felbft, bie
einen tcchiiifcben unb fogialen /ortfd)ritt in ber Ausübung bc* ©e*
werbe* barftcllen, gu förbern juchen. — Bohnt ber Arbeiter im ^paufe
bc* Arbeitgeber*, fo mufe biefem bie Bcögliihfeit gegeben werben, am
Auhctag ben Vcbeiwwaubcl be* Arbeiter* cinigeriuafecu im 2luge gu bc*
halten. ©* märe baber gu beftimmni, bafe ber Arbeitgeber bem Arbeiter,
ber in feinem \>auic wohnt, ooridnetbeu fann, bafe er an feinem Aubetag
bie /eit oon in llbr Abeub* bi* 7 Uhr Borgen* (bei erwachsenen Arbeitern)
begw. oon 7 Uhr Abeub* bi* 7 llbr Borgen* <bei Berfonen bis gu
ls /abren 1 int .^aufc gugitbringen habe. - And) utödjte e* fid) fragen,
ob ntd)t ber (')efepgebcr auf ein bi* gmei /abre einen lieberg ang * =
guftanb Iierftelleit füll, bergeftalt: erfte 1111 b brittc Bunhe bc* Bonat*
uuHer Aubetag, zweite unb vierte Bodjc halber Aubetag oon zwölf
Siuubeti iBiununag imb Aadnnittng ober Aadjmittag unb Abeub) 1111 b
\\mi Aii'.gelu'p'-ieM |p: oier 3timbeu.
*’) .f>änüg Ktäiiter unb >>anbioerter im Aebenberuf, Bernebmuugen
3. .“»s unb 7
1069
©ojtale $raji8. Gentralblatt für ©ogtalpolitif. 92r. 40.
1070
Bet bet Jlantet not betn (Bcmerbr-
getidjt ab (Etnigung^amt.*)
3m Biärg &• 3- nutete ber Berbanb ber Maurer Berlins unb
bcr Bororte, bic fogenannte Lofal*Drganifation ber ÜDtaurer, an
ben Bunb ber Arbeitgeber beS berliner Baugewerbes eine (Eingabe,
in bcr folgenbe fünfte gur gcmeinfc^aftlidjen Befprecßung unb gum
2Serfud)e etner frieblidjcn (Einigung unterbreitet würben:
1 . ^eftlegung ber 9 ftünbigen Arbeitzeit unb eines 60 ^»ArbettS*
loßnes pro ©tunbe auf längere $eit; 2. fteftfeßimg einer einheitlichen
Arbeitzeit; 8. SRobalitäten ber Lohnzahlung an allen 3afjltagen unb
an ben Borabenbeit hoher <yefttagc; 4. Abfdmffung ber Afforbarbcit im
gefammten Baugewerbe; 5. prinzipielle Abfdjaffuug bcr llcberftunben
unb (ürwäßriuig eines 3 l, fd)lages non ir> zf. pro ©tunbe, fofern in
aufjerorbentlidjen gälten folrfje geleitet worben ift; 6. (Errichtung non
Baulmben, bie uor ben (Einflüffcn ber Witterung gcfchüßt finb, nach zu
nereinbarenben fiir alle Bauten glcidjmäßigen Beftimmungen; 7. in ahn*
lidjer Weife foütcn Bereiubarungen über bie (Errichtung ausreichender
Aborte mit ben ber .frpgieue enttpredjenbeu Beftimmungen getroffen
werben; 8. Oicmährung bes erflen 3>2ai als Feiertag; 9. (Einfeßung einer
gemeinfrfjnftlidien Momntiffion auf paritätifcher (Brunblage zur (Ent*
fdjcibuug aller norfommenbeu Xifferengcn.
Diefe ^orberungen würben oon bem Arbeitgeberbunbe mit
einer furgen Begrünbung abgelebt. Der Sohn, fo würbe gefagt,
muffe fidh ftets' nach ber jeweiligen Seiftutig ber betreffenben Ar*
beitnebmer richten. Die befteljenben unb in 3 u ^ un ft entfteßenben
©treitigfeiten füllten burd) ein lebiglid) aus Arbeitgebern beftehen*
bes ©(biebSgericbt gefchlicßtet werben.
SRadjbem bie Arbeitnehmer bie Hoffnung auf eine frieblicbe
Beilegung ber ©treitpunfte aufgeben mußten, traten bie (Eentral*
organifirten, im (Gegenfaß zu ben Lofalorganifirten, mit bem Ber*
langen auf (Erhöhung bcS Arbeitslohnes non 60 auf 65 A \ für
bie ©tunbe heroor. Diefe gorberuitg würbe oom Bunbe ber Ar*
beitgeber abgelebnt, gleichseitig aber bie AuSfperrung ber SKaurer
auf fämmtlichen Bauten ber BunbeSmitglieber angeorbnet unb
burchgefübrt. Außerbcm würbe befcßlofien, gur beffereit unb erfolg*
reidjen Durchführung ber AuSfperrung baS (Erfuchen an fämmt*
liehe Baumaterialien*ßieferanten zu richten, an Bauunter*
uebmer, bie fid) ber AuSfperrung nicht anfd)ließen, inSbcfonbere
einen höheren Sohn als 60 pro ©tunbe gaßlen würben, bis gur
Beenbigung ber AuSfperrung bic Lieferungen einsuftellen. ©cßließ*
lieh würbe'bie (Einberufung eines SfongreffeS aller Arbeitgeber beS
BaugewerfS in Deiitfcßlanb nach Berun in ©eene gefeßt zu bem
3wetfe, bie AuSfperrung auf fämmtliche im Baugewerbe Deutfeh*
lanbs befchäftigten Arbeiter auSgubeßnen. Die SKaurer Berlins,
fowobl ber centralen als lofalen Giicßtung, wie bie (Gruppe ber
Afforbarbeiter beantworteten bie AuSfperrung oon ©eiten ber Ar*
beitgeber bamit, baß fie auf allen Bauten, auf beiten nicht ein
©tunbenlobn oon 65 ,i| bewilligt würbe, bie Arbeit nieberlegten.
Die Situation geftaltete fich bemnach wie folgt:
a) bie Arbeitgeber hatten ausgefperrt etwa . . . 3 (»(KJ Btaun
1 )) bie Arbeit liiebcvgelegt hatten etwa.4 ouo
c) bie Arbeit fortgcfrßt, nach Bewilligung oon 65
©tunbenlobn, hatten etwa. 2 000 *
©ofort nach Beginn ber AuSfperrung besw. bcS AuSftanbeS
leitete bas (Gewerbegeridjt offizielle Berbanblungen zu bem 3 roe( ^ e
ein, ben ftreitenben Parteien bureb Anrufung beS (EinigungSamteS
(Gelegenheit gunt SriebenSfdjluß zu geben. (Gleichseitig unternahm
es ber Borftanb bes BereinS ber Arbeitgcber=Beifißer beS (Ge*
werbegerichtS, wie in früheren ähnlichen Saßen, g. B. bem großen
AuSftanb ber Bonner im Sah re 1S97, burch Berhanblungen mit
ben einzelnen Arbeitgebern Bergleid)Soerhanblungen angubafjnen
unb fanb bei einigen ber bebeutenbften Baufirmen, bie außerhalb
beS BunbeS ber Arbeitgeber ftanben, baS erfte (Entgegenfommen.
Diefcn (enteren fd)loß fich nad) längeren Berhanblungen auch ber
Bunb ber Arbeitgeber an. 3» einer oon bem Borftanbe beS
Bereites ber Arbeitgebcr*Beifißer bes (Gewerbcgerid)tS am 21. Suni
cinberufenen ©ißnitg, zu ber fowohl Bertreter beS Arbeitgeber*
bunbeS wie bunb freie Arbeitgeber eittgelaben unb erfreuen waren,
würbe nach cingcßenber (Erörterung ber oorliegenben ©treitpunfte
eiuftimmig befd)loffen:
Wenn bic Arbeiter baS 6>cwer[iegerirfit als (EinigungSamt anrufen
mtb fid) im Bringip bercitfiubeu laffnt würben, auf ber Bafis ooit zu*
ttärfift itf. ©tuubcnlohu bic Arbeit wieber nufzuuehmen, biefer An*
*) Wir ergänzen nuferen uorlnufigeii Beridjt in Ar. 39 (8p. 1060
bis inr.2) burd) folgeubc authentifchc Xarftellung aus ber ßeber eines
ber ArbciigeberbeiütUT in ber Bcrhanblung bes (EinigungSamteS.
Xie Aeöattiou ber „©ozialeu ^rariS^
rufitng beizutreten unb bie ISrlebigung bcr übrigen ©treitpunfte ben
Berhanblungen oor bem (Einigungsamte zu überlaffen.
Aachbem ber Borftanb beS BereinS ber Arbeitgeber*Beifiher
in ber folgenben AachmittagS*Berathung mit ben Arbeiteroertretern
ber centraien unb lofalen Giichtung unter Hinzuziehung ber Ber*
treter ber (Gewerffd)aftS*^omtniffton unb beS (EentraloeroanbeS ber
Biaurer DeutfchlanbS bie llebcrzeugung gewonnen hatte, ba& bie
(Grunblaae für eine Einigung gegeben fei, trat am ©onnabenb,
ben 24. §uni er., baS (Einigungsamt zufammen. 3u ber öffent*
liehen Berhanblung würbe oon beiben Parteien eine furze Dar*
fteflung ber (Entftehung ber ^iubfeligfeiten gegeben unb bemnächft
oon bem Borfihenben beS BunbeS ber Arbeitgeber folgenbcr Ber*
gleichSoorfchlag gemacht:
1 . Arbeitszeit neun ©tunben täglich (wtrflid)C Arbeitszeit),
©onnabenb ift um 5 Uhr fteierabenb (ohne Bcfper). 2. Xie Xage oor
beit grüßen geften (Weihnachten, Cftern unb ^fingften) ift um 4 Uhr
fteierabcnb unb werben für ooll bezahlt. 8. Xie Lohnauszahlung finbet
©onnabenb nach ©d)lufz ber Arbeit mögltchft auf bem Bau ftatt. Die
Abredjmmg erfolgt oon Jreitag zu Freitag. 4. Xer SKarimallohn für
tüchtige (Gefelleit beträgt für bie ©tunbe 60 #f, ältere unb inoalibe
(Gefelleit erhalten einen Lohn oon 50 Snnggefelleit, bie noch nidjt
ein ^al)r OlefcUe fitib, erhalten einen Lohn oon 45 •?{■ 5. Uebcrftunben
werben bere<huet in ber 3eit oott 8 Ul)r Abenbs bis 6 Uhr Borgens
unb werben mit einem 3ufd)lag oon 20o/ 0 bezahlt. 6. Xie Bergebmtg
ber Arbeiten im Afforb bleibt jebem Arbeitgeber oorbehalten. 7. Gebern
Arbeitnehmer unb Arbeiter fleht es frei, bie Arbeit zu jeber 3cit
aufznfüubigen (alfo Äüubigimgsausfchlufj) ohne Angabe ber Öriinbc.
8 . Bei eintretenben ^wiftigfeiten unter ben Arbeitnehmern, fowie zwifchen
Arbeitgebern ober bereit Angeftcllten unb ben Arbeitnehmern ift zur Bei*
legung ber 3uuitigfciten bie auf jebem Bau fofort z 11 wählenbe unb
aus brei Arbeitnehmern beftchenbe ©chliditungsfommiffiou anzurufen,
bie fich an ^ e u betreffenben Arbeitgeber ober brffen ©tetloertrcter als
Cbmami z» wenben hat. ©oütc biefe ftommifjion einen ^rieben nicht
herbeiführeu fönnen, fo ift ber aus 10 Arbeitnehmern unb 10 Arbeit*
geberu bcftel)enben 3 c huerfommiffion bic Angelegenheit zu unterbreiten;
ben Borfip führt ber Borfifoenbc bes ArbeitgeberbimbeS. Xer eint*
fdjeibung biefer Stommiffion haben fich beibc Parteien z» fügen. 9. Bau*
fperren finb für bic ^olge ausgefd)Ioffen; ©treitigfeiten zwifdjen Arbeit*
gebern unb Arbeitnehmern entidicibct bie ^ehnerfommiffion. 10. Xiefer
Bertrag gilt auf bie 3 eit uorn 28. 3uni ls‘»9 bis 1. April 1902.
11. Um auch für bie 3ufunft ein gebeil)ltd)eS ^ufammeitwirfen zu er*
Zielen, oerpflichten fid) beibe Parteien, alle fragen, bie fich auf Lof)n,
Arbeitszeit :c. beziehen, bis fpäteftenS 1. Xezember eines jeben Sah^
ber 3ebuerfommiffion ju unterbreiten, mit ber Btafegabe, ba& beibe
Parteien bie (Entfd)eibung biefer Efommiffion anerfennen miiffen.
Heber biefen Borfchlag traten bie Bertreter ber Arbeitnehmer
in eine Beratung, an bie fich fofort eine eingehenbe Befpredjung
mit Bertretern beioer Parteien im BerathungSzimmer beS (EinigungS*
amteS anfchloft. Bet biefer Befpred)ung machten fich naturgemäß
bie fchroffen (Gcgenfäße ber Untere ffeilten in fchärffter N Weife geltenb.
Der ruhigen, fachlichen Bermittelung ber einzelnen Üftitglieber bes
©inignngsamtes gelang es jebod), bie Parteien gu einer Berftänbi*
gung über bie Hauptpunfte gu bringen, fo baß nur eine Seftfeßung
ber Dertnine, ait benen eine Lohnerhöhung ftattfinben füllte, als
leßter Differengpunft übrig blieb. Diefe Seftfeßung würbe auf
übereinftimmenbett SBunfth bem billigen (Ertneffen beS ßinigungS»
amteS überlaffen.
DaS fchließliche (Ergebniß ber 61/ 2 ftünbigen Berhanblungen
unb Berathungen war ber folgen be BergleichSoorfchlag:
t. Xic Arbeit wirb am 27. guni 1899 BiorgenS wieber aufge*
nommen. Xie oon ben Arbeitgebern oerhängte AuSfperrung wirb gum
gleichen Xage aufgehoben.
H. Xer Lohn beträgt:
bis gum 81. Xegember 1899 einfd)Ueßlicb:
60 Sf pro ©tunbe (fechsgig Pfennige pro ©tunbe);
oom 1. Sanuar 1900 bis 30. ©eptember 1900 einfchUeßlidi:
62 73 &f (zweiiiubfcchsgig V» Pfennig);
oom 1. Dftober 1900 bis 31. 3)2 ärg 1901 ein fd) ließ lieh:
65 (fünfiinbfed)Szig Pfennige).
Xer Loljnfaß für burd) Unfall, Alter, ^noaiibität minberleiftungsfähige
(Gcfellen, fowie fiir 3uuggefeOen im erften (MefcHcnjahre, foweit biefelbeit
bei ihrem Seljnneifter theitig finb, unterliegt bcr freien BereinDaruiig.
Xie Arbeitszeit beträgt 9 (neun) Arbeitsftunben. Xcn Arbeitgebern
unb Arbeitnehmern ftcijt es frei, baS Arbeitsoerljältiüß jeber >)cit ohne
^iinbigung auf gu heben.
IH. (ES wirb eine Ätommiffion gebilbet, weldje aus 9 (neun) Arbeit*
gebern unb 9 (neun) Arbeitnehmern bcftcht. Xic Wahl ber ®itglieber
biefer ftommiffton erfolgt biird) bie Arbeitgeber begw. bie Lrgauifationcu
bcr Arbeitnehmer. Unter ben Aibcituehuiennügliebern foflcu minbeften»
je 1 (je ein) Biitglieb bcr (Eentralorganiiatiou, ber Lofalorganifatiou
unb bcr Öewcrff^ajtsfommiffioii angehören. Xie ('U'tdiaftsorbmmg ber
Mommiffion wirb oon biefer feftgcftellt. Ten Bon'ip biefer Mommiffioii
führt bcr Borfißcnbc bes Newerbegeridits |u Berlin, welcher in Be*
1071
Sogiale $rajiS. Gentralblati für Sogtalpolitif. Ar. 40.
1072
binberungsfäßen burd) ben Vorfifcenben ber III. Kammer beS Geroerbe®
gerichtS oertreten roirb.
IV. £er unter Ar. III begctdjncten Äomntiffton liegt bie Siegelung
ber ArbeitSgcit, Raufen, Soijnuerfjältniffe, Ginricf)tung ber ArbeüSftätten
unb äfmlidjcr fünfte ob.
V. Vei Streitigfetten groifchen Arbeitgebern unb Arbeitnehmern
auf einer Arbeitöftätte ift gunätßft ein AuSfdjuß gu bilben, melier aus
3 Arbeitnehmern befteht unb ben Verfudj einer Beilegung gu madljen
hat. SRißlingt biefer Verlud), fo entfdieibet bie unter Ar. III begeidjnete
Sfoimitiffion. Gegen bie <5ntfcfjeib«ng ber tfommifftoit fann nur binnen
3 Sagen nad) ber Vefanntmadjung bie Gntfcheibung beS GtntgungS®
amteS beS Gcroerbegeriditö angerufen roerben.
VI. ViS gur eitbgültigen 'Gntfcheibung burch bie Äommiffton ober
baS GinigungSamt bürfen Vaufperren unter feiner Sebinguug oerfjängt
roerben. Aach ber cubgiiltigen Gntfcßcibung ftnb Vaufperren nur gu®
läffig, roenn ber Gnticbeibung nicht ?voIge geleiftet roirb.
VII. Alljährlich int £>erbft hat bie unter Sir. III bejeidjnete $om-
miffton jufammeujutreten unb bie Arbeits* unb Sohnoerhältniffe für bie
Vaupcriobe beS näcbften Wahres feftgufefcen. Ter Gntfdjeioung ber
tfommiffton haben fich bie Arbeitgeber uno bie Arbeitnehmer gu unter®
toerfen.
3 um erften 9J?ale tritt bie Ätommiffton gu biefem 3 roecf int £>erbft
1899 gufantmen, um über eine anbermeite ^eftfe^ung beS ßohneS für
bie 3eit natu 1. Dftober 1900 bis 31. Afärg i901 31 t oefc^Iieften.
VIII. 80100 hl bie centrale tuie bie Iofale Organifation ber StRaurer,
fotoie bie Geroerf|cbajtsfoinmtjfton oerpflichten ftd), ihren gan 3 en Ginfluß
für Aufrecbterhaltung biefer Vebtngungen etngufeßen unb im SSiberfpruch
mit benfelbeu auobreebenbe Streifs nicht 31 t unterftüfcen.
IX. 9Raßregelungcn v in 3oIge hierburdj bcigelegten AuSftanbeS
finben nicht ftatt.
tiefer SBorfcfjtag rourbe oon ben beteiligten Vertretern beS
ArbeitgeberbunbeS unb ber außerhalb beffelbett ftebenben ^firmen
oorbeljaltloS angenommen, oon ben Vertretern ber Arbeiter unter
bem Vorbehalt ber Genehmigung ber bereits auf ben Sonntag,
ben 25. 3uni, eiitberufenen Verfammlung ber Arbeiter. 3n
biefer Iefcteren Generaloerfammlung ber auSftänbigen Arbeiter
rourbe nach langen leibenfchaftlichen Debatten ber Ausgleich auch
oon biefer Seite gutgeheißen, fo baß am 28. 3>mti bie VMeber-
aufnahme ber Arbeit auf allen Vauftellen erfolgen fonnte.
Vetradbtet man bie Vorgänge, bie gu biefem großen AuSftanbe
führten, objeftio frei oon jeber Voreingenommenheit für eine
Vartei, unb roirft man bie ßfrage auf, ob bie oon bem Vunbe ber
Arbeitgeber oerfügte folgenfchroere SDRaßregel ber AuSfperrung roirf-
lieh berechtigt roar, fo roirb man biefe Srage faum bejahen bürfen.
T)ie Arbeiter hotten ihre ^orberungett gefteßt unb auf Vhtnfch beS
VunbeS ber Arbeitgeber fdjriftlich formiilirt, fich oud) 3 U Verhanb-
lungen bereit erflärt. $)aß biefer Vhmfdhgettel etroaS länger aus¬
gefallen ift, als man erroarten mochte, burfte bie Arbeitgeber nicht
feunber nehmen, roenn fie einige (Erfahrung in bem Gange ber-
artiger Verhanblungen hatten, ^ebenfalls roar es unflug oon
ihnen, burd) eine ftrifte Ablehnung jeber Unterhanblung bie Ar¬
beiter oor ben $opf gu ftoßen. 2Benn bie Vertreter oor bem
GinigungSamte erflärten, bie Ablehnung fei um bcSroillen erfolgt,
roeil fich nur Vertreter einer eingelnen Gruppe gu Verhanblungen
bereit erflärt, fo fann auch biefer Grunb bie Ablehnung ol;ne jebe
SRotioirung nicht rechtfertigen. $>en Arbeitern roäre es ein Seichtes
eroefen, auch bie anberen organifirten Gruppen gu biefen Ver-
anblungen h^beigugiehen.
Unb roenn bie Arbeiter burch btt weitere Anfpannung ihrer
Sorberungen auf Grhöhung beS StunbenlohneS bann glaubten,
einen 3roang auf bie Unternehmer ausüben gu fönnen, mit ihnen
in Verhanblung gu treten, fo roirb man bies, roenn auch nid^i
billigen, fo hoch begreiflich finben fönnen. Gine Veranlaffung,
ohne jeben Verfud) einer Unterhanblung fogleich mit bem fchroerften
Gefchüjj ber AuSfperrung oorgugehen, roobnrd) Taufenbe oon Ar¬
beitern ohne ihr Verfchulben bem junger preisgegeben, gleichzeitig
aber auch eine Aeihe roeniger fapitalfräftiger Unternehmer ferner
gefchäbigt unb an ben Aanb beS finanziellen SRuinS gebracht
lourben, lag auch jeßt nodj nicht oor. Am Aflerroenigften aber
roar cs notljroenbig, burch ben Verfuch, bic AuSfperrung über gang
®eutfd)Ianb auSgnbehnen — ein Verfuch, beffen ooflfommcne AuS-
fichtslofigfeit leicht oorauSgufagen roar — eine Grbitterung in
ben Äampf gu bringen, bie leicht hätte oerhängniftooU roerben
fönnen.
SJiächten bic Arbeitgeber aus bem Verlaufe biefer Veroegung
bie ßehre beS beutfehen SpriidjroortS giehen, ba^ ein magerer Ver¬
gleich beffer ift als ein fetter Vrogefc, bafe bie VJaffen im it'ampfe
ei ft gemeffen roerben fallen, roenn burd) Verhanblungen feftgeftellt
ift, baß eine frieblid;e ßöfung oon Streitfragen uid)t gu erzielen
ift. Sie roürben bann erfennen, baß bie Dpfer, roelche im Kriege
auf beiben Seiten faßen, in ben meiften Säßen unnüjj fmb. 2 )ie
Haltung ber Arbeiter unb befonberS ihrer Säh^ in ben ge¬
pflogenen VergleichSoerhanblungen bürfte fie barüber aufgeflört
laben, ba§ eS ben Arbeitern nicht nur um ben ftrieg gu tfjun ift
unb bafe fie ein Verftänbnifj auch für bic ßage ber Arbeitgeber
benhen.
Vföchten bie Arbeitgeber aber auch ferner aus bem Verlaufe
bicfeS AuSftanbeS lernen, bah bie Drganifationen ber Arbeiter für
bie frieblid)e Veilegung ber Streitig feiten eine hohe Vebeutung
haben unb bafc eS ein Sehttr roäre, fie auf gefefelidjem 3Bege 311
oernichten. 2)ie Drganifationen ber Arbeiter, bie ihr Anfehcn ba*
für eingefeht hoben, bah bie Vebingungen beS gefd)loffenen Ver¬
gleichs eingehatten roerben, roerben im Stanbe fein, bie Arbeitgeber
oor ben GuigelauSftänben unb Sperren auf eingelnen Arbeitsstätten
ju beroahren, roeldje bisher bie fchroerfte s ^Iage aßer Arbeitgeber
oeS VaugeroerbeS geroefen ßnb.
Aber auch für ben Gefefcgeber ergiebt fid) eine ßehre aus ben
Vorgängen bei biefer Veroegung. ©ie GinigungSämter fmb im
Stanbe, befänftigenb unb auSgleidjenb im Sntereffe beS fogialen
SriebenS gu roirfen. GS fommt nur barauf an, bie ftreitenben
Parteien gu Verhanblungen auf neutralem Voben, gu gegenteiliger
Ausfprache gu oeranlaffen. ®ie GinigungSämter fmb "aber nicht
im Stanbe, ihre SRiffion gu erfüllen, roenn eS ben Parteien über*
laffen ift, fie nach ihrem Velieben angurufen; benn im Kampfe
glaubt jeber Streiter burch bie Anrufung feine Schwäche an ben
^ag gu legen unb feine ^oßtion gu oerfdjlechtern. SRic^t immer
unb überaß finben fich unparteiifebe Vermittler, bie Soft, 3 e ü unb
Gefchid hofan, fich ^cr ntüheooßen Aufgabe gu untergichen, ben
Parteien ben Vortheil eines balbigen SrttbenS oorgufteßen unb fie
gur Anrufung beS GinigungsamteS gu oeranlaffen. deshalb füllte
ein gefejjlicher 3roang gur Verhanblung oor bem GinigungS*
amte eingeführt unb bem Geroerbegerichte bie ßRöglichfeit gegeben
roerben, burch — ber SBichtigfeit ber Sache entfpred)cnb — hohe,
eoentueß gu roieberholenbe Gelbftrafen bei AuSftänben unb AuS-
fperrungeit baS Grfdjeinen ber ftreitenben ^^cite auf neutralem
Voben gum Verfuche ber Ginigutta gu ergroingen. Weift loirb bic
Annäherung unb ber naturgemäß auf beiben Seiten oorljanbene
SBunfdj, ben fthroeren pefuniären Schäbiaungen gu entgehen, gu
einer Verftänbiguug führen, ^ommt aber auch Ginigung
nicht gu Staube, fo fönnen bie Streitpuufte in öffentlicher toirtw«
biftortfd)er Verhanblung aufgeflärt roerben, unb ber auf ®nmb
biefer Aufflärung unb baran fich anfthließcnber Grabungen er*
gehenbe Schiebsfpruch roirb burch fein Gereicht in ber öffentlichen
uReinung nicht oerfehlen, ben Srttbensfdjluß gu befchleunigen. ßr
roirb and) bie ßRittellinic finben, auf ber fich bie ^Parteien be*
gegnen fönnen, um fich 8 U bauernbem Ginoerftänbniß bie §anb gu
bieten.
Verlin. _ Dtto Weigert.
gemeine Sojlol* unb
2>nS ÄoalitionSrcd)t ber nieberläubifchen Arbeiter.
GS giebt faum ein ßanb in Guropa, roo bie leßten Spuren
beS GilbenroefenS ber oorigen Qahrhunberte fo gänglich oerfchmunben
finb roie in |>oßanb. Als §. 53 ber aßgemeinen Veftimtnungen
ber Verfaffuug 001 t 1798 bie Gilben aufgehoben hotte, roar bic
Arbeit unb bas Vereinsrecht ber Arbeiter gänglich frei bis 1810,
roo großaub bem Aei<he Napoleons einoerleibt unb ber Code pönal
eingefüt)rt roarb. Vefamttlid) beftimmten bie §§. 291 bis 294
biefeS GefeßbucheS, baß fein Verein oon mehr als 20 ^erfüllen
ohne Genehmigung ber ^Regierung errichtet roerben fonnte unb
roer ohne biefe Genehmigung fein $auS gur Verfügung felbft eine*?
genehmigten Vereins fteßte, ftrafbar roar. 2)a8 Vereinsrecht ber
Arbeiter unb Arbeitgeber rourbe burch befannten §§. 414 bis
noch mehr befdjränft.
Aadj Ablauf ber frangöfifcheu ^errfchaft blieben biefe Vf*
ftimmungeu aße in Geltung,*) ba bie Verfaffnng oon 1815 mit
feinem 5Bort über baS Vereinsrecht fprad). 3n ber Verfaffuug
oon 1840 rourbe baher folgeitber neue Paragraph aufgenommeu:
„®aS Verfammlungs* unb VcreinSredjt ber Snlänber roirb au*
erfamtt. ^aS (^efeß regelt unb befdjränft bicfcS Accht im o ,l b' r ‘
effe ber öffentlichen Sicherheit." Grft im 3oh re 1S55 fam bie|es
Gefeß gu Staube. GS hob bie §§. 291 bis 294 beS Code penal
auf unb beftimmte, baß für bie Grridjtung eines Vereins feine
Genehmigung erforberlich fei unb baß ein beftehenber Verein uon
■ ) Ter Oide I’emd ift in ben Aicbcrlanbeit erft 1886 nuföclielu'ii
uuu'beii.
1073
Sosiale prajiS. ©entralblatt für So$iaIpolitil. Hr. 40.
1074
ber Regierung aufgehoben toerben fönne, wenn er Ungehorfam
ober 3 uroiberhanblungen gegen bie ©efefce, ber Eßifjachtung ber guten
Sitten ober ber (Störung einer Perfon in ber Ausübung ihrer
Hechte Borfdjub leifte. Auf ©ruttb biefer Beftitnmunq ift oor
einigen 3 ah rcn ber fo 3 ialbemofrattfdje Bunb oon ber Regierung
aufgelöft worben, ba er nach feinen Statuten ben Umfturj beS
Befiehenben mit allen gefefelic^en unb gefefewibrigen 3)htteln be*
abfichtigte.
das ©efefc oon 1855 regelte noch einen anberen ©egenftanb,
ber eher in baS bürgerliche ©efefcbud) hätte aufgenommen werben
miiffen: bie HechtSperfönlidjfeit. die Statuten eines jeben nach
bem Sahre 1855 gegifteten Vereins, ber baS jus standi in judicio
haben will, bebürfen für einen auf 30 3ohre errichteten Berein
föniglicher, für jeben auf längere dauer gegrünbeten Setein gefefc*
liehet ©enehmigung. die ©enehmigung barf nur aus ©rünben
bes öffentlichen 3ntereffeS abgelehnt werben. daher hat bie He*
gierung feine Sdjwierigfeiten gemacht, bie Statuten ber fo^ialbemo*
rratifd^en Arbeiterpartei (errietet nach ber Auflöfmtg beS BunbeS)
unb bie beS Heu*5Ralthuftanifchen BunbeS gu genehmigen.
Huch bas BerfammlungSrecht würbe oom ©efefc ziemlich milbe
geregelt. ©3 würbe beftimmt, bajj nur für eine Berfammlung im
freien ©enehmigung eingeholt werben muft; bafc ber ^ßolijei ju
jeber öffentlichen Berfammlung freier ©intritt jufteht, bafj baS
fragen oon Waffen oerboten ift unb ba& „jebe Berfammlung, in
welcher bie öffentliche Drbnung geftört ober bem ©efefc guwiber
gehanbelt wirb, auf Attorbnung ber ^olijei fogleich auSetnanber*
3 ugehen hat". da eS ber Sßolisei ziemlich frei fteht, 3 U beurtheilen,
ob bie Drbnung geftört wirb, hat fte eine grofee Blacht befommen,
aber fie gebraucht fie fehr milbe, ba fte nur, wenn eine grofte
Schlägerei entftefjt, bie Berfammlung auflöft. ©enn 3 . B. ein
Hebner fich eine ERajeftätSbeleibigung 3 U Schulben fommen läfct,
löft fte bie Berfammlung nicht auf, fonbern nimmt nur ein Protofott
baoon auf.
@3 wären atfo bie Bebingungen für eine grofee ©ntroicfelung
ber Hrbeiteroereine oorhanben gemefen, wenn nicht bie §§. 414—416
beS ©. p. noch immer in Sfraft geftanben hätten. Sie finb erft
im Sahre 1872 gä« 3 lich aufgehoben worben, ©twaige Aus*
fchrcitungen ber Arbeiter bei Arbeitseinteilungen fallen jefct unter
bie Beftimmuitg beS gan 3 allgemein abgefafcten §. 204 beS Straf*
gefefebucheS, ber beftimmt: „9HU ©efängnife bis 3 U neun Monaten
ober ©elbftrafe bis 3 U 300 ©utben (500 e /ff.) wirb beftraft:
1 . wer einen Anberen mit ©ewalt ober ©ewaltsbrohung wiber*
rechtlich etwas 3 U thun ober 3 U erleiben nöthigt; 2 . wer einen
Anberen mit Befchimpfung ober Drohung ber Befdjimpfung etwas
31 t thun, nicht 3 U thun ober 31 t erleiben nöthigt." ©eitere Be*
fiimmungen über baS BereinSrecbt ftnb nicht oorhanben.
So giebt es in ben Hieberlanben gar feine Ausnahme*
beftintmungen für bie Arbeiter, bie als Bürger wie alle anberen be¬
trachtet werben. dtefe Xhatfache hat jeboef) auch einen Ha<htf)eil
gehabt. Bon ber ihnen nach hem 3 fl h re 1872 oerlieljenen Freiheit
haben bie Arbeiter ©ebrauef) gemacht unb eine Unmenge oon
Bereinen gegrünbet, bie alle inSgefammt gleich fdjwach ftnb unb
woooit oiele bie ©enehmigung ber Statuten befommen haben. der
Artifel Arbeitseinteilungen in ber 3 weiten Huflage bes „$anbroörter*
bucheS ber Staatswiffcnfchafteu" giebt baoon ein anschauliches Bilb.
Bereine oon Arbeitern unb Arbeitgebern giebt eS in HoEanb faft
nicht; biefe groei Parteien ftehen fich immer fcfjroff gegenüber; nur
bie caloiniftifchen unb fatholifchen Arbeiterbünbe ftehen bei Streitig*
feiten immer auf ber Seite ber Arbeitgeber, unb bieS hat einen
großen §afe ber anberen Arbeiter gegen biefe er 3 eugt, ber ein 3a*
fammengehen aller Arbeiter faft unmöglich gemacht hat. 3n ber
lebten 3 eit wirb eine grofce gföberation aEer nicht flerifalen
Arbeiteroereine geplant, ein projeft, welches hauptfä^Uch oom
Führer ber diamantarbeiter, Polaf, unterftüfct wirb, oon bem
aber noch nicht fiefjer ift, bafj eS 3 U pofttioen ©rgebniffen führen wirb.
Amfterbam. 3- H- °an 3anten.
©efjrfraft nnb So3ialreform. ©S ift in biefen Blättern
immer wieber betont worben, bat alle Btofcnahmen beS Schubes unb
ber gürforge für bie gewerblichen Arbeiter, foroie bie Hebung ber
arbeitenden klaffen überhaupt auch ber ©ehrfäbigfeit unfereS BoIfeS
3 U ©ute fommen. ©erabe weil immer gröbere db e ü e her Be-
oölferung 3 U ber gewerblichen unb fomtnersiellen Sthätigfeit über*
gehen, beren ©tnwirfungen auf bie ©efunbheit nid)t bie gleich
günftigen finb, wie bie ber lanbwirthfdjaftiichen Befchäftigung,
müffen Speich unb Staat unauSgefebt barauf bebaut fein, 3 ur ©r*
haltung unferer ©ehrfraft jebe Berfümmerung unb ©ntartung ber
Waffen 3 U oerhüten. diefe ©ebanfengänge finben auch in h°S> en
militärifchen Greifen ihre nachbrücfliche Bertretung. ©ben erfdjeint
aus ber Qfeber beS ©enerals 3 . '$). ©. oon Suime eine Schrift:
„2>ie ©runblagen unferer ©ehrfraft" (Berlin, SHttler’fdje §ofbuch-
hanblung), in ber u. H. folgenbe 2 forberungen aufgeftettt werben:
Befonbere Sorgfalt ift im 3 ntereffe ber ©ehrjaftigfeit ber Hation
ber richtigen Bemeffung ber Hrbeits* unb @rholnngä3etten für bie noch
in ber förperltchen ©ntwtcfclung begriffene ^ugenb jujuwenben.
5 )ie ^eran3iehung fdjulpftichtiger Ä'inber jn gewcrblid;er 2;^ätigfeit füllte
aus Hüdftcht auf ihr förperlidjeS Öebeihen unb aus fittlidhen ©rünben
än3lich unterfagt fein. 25 ie Äraft ber nad)folgcuben ©eneratiouen
äugt in hohem Stfafje oon ber ©efunbheit unb Süchtigfcit ber grauen
ab. bereit ^eran3iehung 3U HrbeitSIeiftungen, bie ihre Kräfte über*
fteigt, fhäbigt bie gafunft ber Hation. . . . , SWöchteu diejenigen, bie
berufen finb, 3ur Ausfüllung noch beftehenber Süden unferer Arbeiter*
fdjufcgefehe beisutragen unb bie Ausführung biefer ©efejje 31t über*
wachen, nicht erlahmen, die ©ehrfraft beS Sanbes üeht barans grofeen
©eminn! .... Äultur* ober gefunbheitSwibrige ©ohnungS3uftnubc finb
eine ©efahr für bie ©ehrfraft bes SanbeS.Leiber beftehen lehr
unbefriebigeitbe 3 u ftänbe biefer Art oielfad) nod) in unfereni Batcr*
lanbe .... gaft noch widriger als bie ©ohuungsfrage ift für ben
Sfräftejuftanb ber Beoölfcrung bie ©rnährungSfrage. Bor*
bebingung einer guten BolfSernährung ift ber Bcfiö auSreichenber SHittel
3ur Hahrungsbefchaffung, wirthfchaftlicheS Berftänbnig ber grauen unb
wirthfchaftlicher Sinn beiber ©efhlechter.
3 « biefer gforberung ftedt ein gan 3 eS Programm für bie
Fortführung ber So 3 talreform im 3ntereffe ber ©ehrfraft ber
Hation! d>afj ein hoher Öffoier eS aufftellt, oermehrt feine Be*
beutung.
©ine ©efahr für bie ftonfnmn^fähigfeit unferer dftbnftrie auf
bem ©eltmarft. ^auptfächlich wirb gegen eine energifdhe Fort*
führutta ber So 3 ialreform ber ©inwanb gebracht, bafc bie bamit
oerbunoene Belastung ber Sabuftrie unferen ©ettbewerb auf bem
©eltmarft erfchwere. ©benfo wirb immer wieber auf bie ©efahren
oerwiefen, bie nach biefer Hid)tung aus ber Arbeiterbewegung, ben
Streifs, ben Forberunqen höherer Söhne unb fünerer ArbettS 3 eit,
erwachfen. dhatfache ift aber bod), ba& bie Hrbeiteroerfichcrung
unb ber fräftigere Hrbeiterfchufe fowie bie Steigerung ber £ebenS*
haltung ber Arbeiter jeitüch 3 ufammenfallen mit etnent beifpiel*
lofen Auffthwung unfereS ©irthf<haft 3 leben 3 , inSbefonbere auch
mit einer AuSbehnung unb ©rftarfung unferer ©jportinbuftrien.
Auf eine gan 3 anbere ©efahr weift ber Jahresbericht ber Breslauer
£>anbelsfammer hin, wenn fte betont:
die greife ber wich tigften Ber brau <h 3 arit fei, namentlich oon
5 fohIe, ©ifen, 3 inf unb Tupfer, Gement, $013 2c. hoben nadjgerabe
eine |>öhe erreicht, bie 3U einer ©infchräitfung beS BerbrauchS,
3u einer Shmächung unferer AuSfuhrfähigfeit führen fanu.
die Spnbifate rechnen eS fich als Berbienft an, bie Aufwärtsbewegung
ber greife in mafcooKen ©rensen 311 holten, aber wenn auch 3U3ugeben
ift, bag fie waghalftgen Spefulationcn unb Uebertreibungen Ginjclner
entgegenwirfen, fo werben hoch namentlich bie greife ber Äof)len in
einer ©eife erhöht, bafe eS für bie baoon abhängige ^nbuflrie noth c
wenbig wirb, mit einem BreiSauffhlag ^ür ihre gabrtfate 311 folgen,
ben fte bann immer wieber fo 3U benteffen beftrebt ift, bag ein Bortheil
für fte babei h era u8fiebt. Bhtfj pe hoch bei bem hohen 3 m 3 fu& auch
ein höheres ©rträgnife oerlangcn. Hach Q ü eTl bisherigen Erfahrungen
führen übertriebene Preiserhöhungen su einer Einj'chränfung beS Ber*
braudtS, unb toenn fich bie Snbuftrte, um ihn wieber 31t beleben, erft
oeranlafet fteht, mit Preisherabfefenngen oor3ugehen, fo fchwinbet bas
Bertrauen 3U ber Äoniunftur; bie Staufer werben mrüdhaltenb, weil
fte an einen weiteren Hüdgang ber preife glauben; Das ©efchäftsleben
ftodt, was einen ferneren preisftur3 3ur golge hot.
die Breslauer ^anbelsfatnmer glaubt freilich, bie ilrfadjcn
ber gegenwärtigen günftigen Stonjunftur feien glücflicherwetfe fo
tiefgehenber Hatur, bafe angenommen werben fann, ein etwa ein*
tretender Hücffchlag werbe Derhältnt&mäfetg rafch überwunben werben.
Aber baS ©amungSfignal oor ben Kartellen, bas fie aufftedft,
fottte hoch Beranlaffung geben, bafe man fich in amtlichen Greifen
nicht blofe mit ben Bortheilen, fonbern auch mit ber Stefjrfeite ber
Btebaitte näher befchäftigt.
der üfterreichifchc $anbel8miittjiter über bie Heimarbeiter.
Borige ©od)e begann im öfterreichifchen .f)anbelSmtniftertum bie
oom arbeitsftatiftifchcn Amte angeregte ©nqüete über bie Sage ber
Heimarbeiter in ber StonfeftionSinbuftrie. der Hanbelsmtnifter
Barondipauli, ber bie©nquete eröffnete, führte hierbeiFoIgenbeS aus:
,,©S ift felbftoerftänblich, bab bie denbens ber Enquete uidjt int
©eringften eine nach irgenb einer Seite hin aggreffioe ift, noch fein füll;
am .allcrmentgften aber, glaube td), fann bie dcnbett3 bafji» gehen, bie
Heimarbeit auf biefent ©ebiete einfadj abfehaffen 31t wollen, das wäre
nach meiner Anfidjt gar nicht möglidj. ©ohl aber erfdjeint es mir
nothwenbig, bic Sage ber Heimarbeiter, über bie wir ja tut gn= unb
AuSlanbc eine fo retdje Literatur an SHouograpbten befiben, genau 31t
erforfchen, um uns ein flarcs Bilb bariiber 311 oerfd^affeit über btc
1075
©ogiale $ra£tS. Ecntralblatt für Sogtalpolitif. Ar. 40.
1076
Wängcl, bic nuf bicfcnt (Miete hcrrfdjcn, unb über btc SDtöglidjfeit
einerAbhilfe. Es ift ja fein gu^cifcl, baß bie Lage ber Heimarbeiter
beute in meljrradjer einer Sanirmtg bebarf. ES Ijcri'fel) t eine
geiotffc Uuiirfjerhcit, ein Mangel an Stabilität, ittbem ber Heimarbeiter
häufig ebne Arbcitsbudj, ohne Lrgauifation eine nidjt gcjtdjcrte fogtale
Stellung Ijat. ES märe gemiß 31 t münjdjcn, baß eine Art SRegiftrirung
ber Heimarbeiter in AuSfidjt genommen merbe; and) luäveu Ve«
febränfungen betreffs beS Lehr ItngShaltenS burdj ^iiuidjcnmeifter
inS ?luge gu fafjen. Außerbent füllte auch bas heutige Verljältniß ber
Heimarbeiter 3 ur Kranfenoerfidjcrnng fefter geftaltet merben. ES
ift ferner and) münjdjcnSmerfb, baß bas allcrbtngs oteüeicht unerjeplidjc
3nftitut ber SmijdEjennteifter * n irgenb einer SSctfe ber gefepltdjen
Kontrole unterftellt mürbe Ueberljaupt fdjeint bie Stellung ber 3 mtfdjen«
meifter am nteiften einer Klärung gu bebürfen."
das nette Sttinifterinm nnb bie Sicma&olttü in f$rattfreid).
9)tan febreibt uns aus $aris: SSäre baS Kabinet BaIbe<f«Aouffeau
unter normalen llmftänben gu ©tanbe gefommeit, fo mürbe
groeifelloS eine Aera energifdjer ©ogialpolitif beginnen. der Vtinifter
für §anbel unb Snbuftric ift ber fogialiftifdje Abgeorbnete Vttüeranb,
ber flarftc unb praftifchft« ber frangöfifdjen Arbeiterführer; im
Vautenminifterium fipt Vaubin, ein rabifai«fogialiftif<her Abgeorbneter
ber jungen Schule, melier erft lürglid) bureb feinen bemerfeuS«
mertben Rapport über ben Arbeiterfd)up itt öffentlichen Unter«
ttebmungen befonbere Aufmcrtf amfeit auf ficb gelenft h a t- Aber
auch bureb ^erfott bes iDiinifterpräfibenten erhielt baS Kabinet
einen fefjr ftarfen fogialpolitifcben 3ug. Balbecf«Aouffeau mar
ber eigentliche Vater bes MoalitionSgefepeS non 1884 unb noch
beute ift er ber lebenbigfte Vefiirmorler beS meiteren Ausbaues
jenes ©efepeS, um bett <$acboereinigiiitgen oolle juriftifche ^erföttlich*
feit gu oerleihen unb ihnen baburch bas meitefte gelb ber dljätig*
feit gu eröffnen. 2Bir geben hier einen AuSgug aus einer Aebe,
bie 23albeif«Aouffeau als Vertreter beS gemäßigten Liberalismus
im oorigen Qaljre in Aoubaij hielt:
,,Aadj gemtffen großen AuSftänbcn ber lebten Sabre bat man
oielfach bie Meinung oerbreitet, baß idj mein 2Berf oon 1884 bebauerte
unb baran bäd)te, bas KoalitionSgefep miberrufeit gu laffen. Sä) habe
barauf fiets mit bent Verlangen geantwortet, bie Aedjtc ber Eemert»
uereine gu ermeitern, ihnen mit ber juriftifeben Sßerfönltdjfett bie
Veredjtigmtg gunt OJeroerbe« unb HanbelSbetricbe gu geben. Sät habe
bie fefte Uebergeugung, baß fte, f obalb fie bie Kapitalien ber Sparfaffen
empfangen unb oerioenbcn fönneit, gemiffe Erfahrungen gemadjt unb
eine unbestreitbare Soloabilität erlangt haben, bie Ergeuger ber genoffen«
l'djaftlidjen Crganifaiionen, jener Präger ber großen Entmirflung
merben, mcldjc in unfern klugen bic Höfling ber ’3uf»nft bilbet: bic
Hernngteljung ber üfohnarbciterfchaft gum gemerblidjen unb fommergiellen
Eigentbume.die Arbeit muß fid) aus ber ^folintug gur
fotlcftiucnOrganifatton erbeben. dttrdj ben genoffcnfdmftlid^eu^ufammcn»
fdjlnß allein fann bie Harmonie ber fogialen Kräfte gefiebert merben
.das ift nicht SogialismuS, maS mir oorj'djlagen, bas
ift fogialer ftortfepritt. Sir laffen uns nidjt entfallen, bas Kapital gu
beseitigen, aber toir moüen es oerbreiten unb oertbeiien unb feinen
Erwerb ermoglidjen. II faudra dans un avenir prochain que le capital
travaille et par une reciprocite certaine, que le travail poss&de."
Bir miebcrholcn, baß BaIbec?«Aouifeau feineSmegS ben rabifalen
^arteifchattirungeu angehört, fonbern burchauS auf bem Voben
beS gemäßigten Liberalismus fteßt, roie er in £>eutfdjlanb etma
burd) bie s jiationalliberalen oertreten mirb.
2)te 3 u l«ffnitg ber grauen gur 9ie(htSamoaltf(hnft tu ^raufreiih
ift oon ber Teputirtenfammcr mit großer Majorität befdjloffeit morbeit.
"lladj bem ootirten OlefeßcSoorfdjlage, melcber aller 5Babrfdjcinlid)feit
nadj nud) bie .'Juftimmung bc* Senaten crlnngen mirb, füllen bie grauen
gur ?lblciftuug beS EibeS unb gur Ausübung ber ’jßrariö eines Stcdjts«
anmaltes gugelaffen merben, menu fie bie oorgefdjricbenen Bebinguitgen
in ^egug auf ^lusbilbung unb SDtoralität erfüllen.
Urtheif eines rufftfd)en ^abrifanten über beu achtftünbigen
Arbeitstag. 'Beim bie iöriiuner <yabrifanten in bem nunmehr be*
enbeten Xertilarbeiterftreif gegenüber ben engltfchen unb beutfehen
23eifpielen giinftiger tüirt£)fd)aftlicfter SHefultate ber 2$erfiirgmtg ber
^IrbeitSgeit fid) auf aubers geartete, ungünftigere 23erhältuiffe berufen
fouuteu, fo trifft bas jedenfalls ber ilottfurreng DtnßlaitbS gegenüber
nidjt gu. ^)cr Tircftor ber <ßapierfabrif beS AÜrften ^asfjemitfch in
^obrobunt berichtet fdhou nadj fünf Dionaten feit bem liebergang
oon 12« auf 8 « (!) ftiinbigc ^(rbeitsfchichten, baß fidj bie ^robuftion
nur unt 30 5)htbel monatlich ober um 1 u /o oertljeuert höbe, mobei
moljl gu beadjten ift, baß im erfteu halben Sol)re bes llebergangs
oon ber laugen gur furgen ÜlrbeitSgcit in ber Hauptfadje noch bie
für bie ^robiiftiou nngiinftigen Birtlingen einer foldjen Maßregel
fid) geltenb machen, ba [ich bie mit ber ^erfiirgung ber Arbeitszeit
oerbunbette Kräftigung unb größere LeiftungSfäbigfeit ber Arbeiter
uidit über Aadjt einftellt.
..Auf Ohmub fünfmonatlidier 2?eobadjtuugen", beridjtct ber rnififdje
Sabritbircftor, „fatiit unb muß idj ben Arbeitern barin oollftäubig Acdjt
geben, baß fie feit SSerfiirgung ber Arbeitsgeit bic übcniomnicncu 2?cr=
pßi^tungeu Ijödjft gemiffenbaft erfüllen. S» tedjnifdjcr N 3egieljuiig gebt
bie Arbeit, toenn nidjt beffer, fo bod) feineSmegS fdjlcdjter als früher.
Xcr Sabrif toftet bcsbalb bieAeforrn faunt 1 °/o ber gefammtcu Arbeits«
lobnfummeu; auf bie Arbeiter Uber h at biefc Aefornt, trop ber ocr=
Ijältnißmäßig fehr furgen 3cit, fdjon jept eine mobltljucnbe Birfimg
auSgeiibt. Üufer Arbeiter fiept jept fdjon munterer aus, btc frühere
Slaiiljeit tft gefdjmunbcn. diejenigen Arbeiter, bie eine ^argclle Laub
befipen, bebauten eS im lepten Sommer nidjt meljr mit bcgaljlten
ArbeitSfräften, fonbern felbft. die lanblofen Arbeiter blieben audj
nicht gurücf unb finb um iljre HouSmirtbfdjaft beforgt.
Am Schluffe ber ^rofdji'trc Ijcißt cs: Aüc biefe Aefultate firtb aber
nidjts int ^ergleidje bamit, maS oon ber Arb ei tSgc 1 1« erfii r gu 11 g nadj
Ablauf oon 10—20 S^h^u gu ermarten ift."
ftotnmintale Sojlatpolittb.
Äeiwe grauen als (Semeittbettmifetträtbc in ^ceußett. ^et ber
gmeiten ^Beratbuitg bcS AnsfüljrungSgefepeS gum bürgerlich eit öVcfcpbiidje
int s !ßrcußifdjen Abgcorbnetenfjaufe (27. Sunt) mürbe über bic ^ulaffmtg
ber grauen gum Amte eines 0)emeiubcmaifenratljes uerljanbelt. den Anlaß
gab ein Antrag bcS Abgeorbnctcu ber greifinnigen bolfspartei
L)r. Biemcr, git beftimmen: „3 U bem Amte cttteS (^emcinbeioaifcu«
ratljcS föttnen audj Kranen berufen merben." 3«r Unterftüpung bes
OlemcinbcratheS föntten nadj bem Eutmurf grauen als SSaifcupflcge«
rinnen miberruflidj beftellt merben, ein 3ugeftänbniß, baß g-rauen gur
mirffamen dljätigfeit in ber Batfenpflege geeignet finb. S» einer 91 eilte
oon BaifenratljS=begirFen finb nun fdjon, mic bei* Antragfteller mit-
trjeilte, S r uuen audj gu felbftänbigen Oiemcinbemaiienrätbcn geionlilt
morben, matt märtet nur auf bie gefeplidje beitätigung. den 'Antrag
empfablen ber JvraftiouSgeuoffe bes AntragfteHcrS Dr. £angcrljaits
mit befonbercr Aücffidjt auf bie berliner berljältniffe, ber Abgcorbitcte
ber Srcißunigert Bereinigung, broemel, unb ber Aatioualliberale
Öoljuiann; er mürbe befäntpft oon bent Konfcroatiucn broefe unb
bem Suftigminifter Sdjönftebt. diefer marnte oor einem gu rafdjcn
borgeljcn auf biefem Oiebiete unb nahm für ^reußen ixt Anfprudj, baß
eS giierft bie beffere Stellung ber grauen itt ber Baifcnpflcgc, mic fie
baS biirgerlidje Wefepbudj bringe, angeregt habe. — der Antrag würbe
abgelehnt unb bamit ber berfudj einer felbfiänbigen bettjeiligimg bei*
S*ran an ber gemeinblidjen bermaltung mieberum abgemebrt
(Sdcftruitätsmerfe tu mittleren unb flcineren ©tabten 2)entfch«
(anbS. Auf ber 10. SahreSoerfantmlung beS furljeffifchen ©täbte«
tageS in gulba (oom 22. bis 24. Suni) theilte Ingenieur l^obiet«
^ranffurt a/A?. mit, oon ben 517 Stabten dentfchlanbs mit mehr
als 10 000 Einwohnern hätten bereits 120 bis jept Eleftrigitäts«
toerfe angelegt unb oon ben 2700 Stäbten unter 10 000 Ein«
roohnern feien ebenfalls mehr als 300 im ÜBefiß cleftrifdjer (5en=
tralen. 33ürgermeifter Strauß»£ierSfelb marnte baoor, bie Baffer-
!räfte gn überfchäpett, maS bei Anlagen oon EleftrigitätSmerfeii in
Heineren Stäbten fo oft oorfomme.
StäbtifdjeS 4^gtenifc^e0 ^fnftitut für ©crlin. drop beS bis«
fjerigen ablcpnenben Verhaltens bcS ÜiagiftrateS gegen ein ftäbtifdjes
(^efnnbheitSamt befdjloffen bie Verlmer Stabtoerorbnetcn am
29. 3mii, ben 2Jtagiftrat gu erfnehen, ihnen balbigft eine Vorlage
über Errichtung eines ftäbtifdjen 3uftituteS für bie llnterfudjnng
oon 9iahrnngS« unb EJenußmütelu, fotoie oon ©ebrautf)Sgcgen=
ftänben, oerbunben mit einer bafteriologifdjen Abtheilung, gugeljen
gu laffen, mobei eine fpätere Erroeiterung beffelben gu einem ftäbti«
fdjen ©efunbheitSamte im Auge gu behalten fei.
©täbtifdje ©dhnlargte in ©chöneberg. die Sthöneberger Stabt«
oerorbneten befdjloffen am 20. guni enbgnltig bic Aufteilung oon
Sdhulärgten. 3 U närfjft erfolgt bie Aufteilung auf l 1 /-) 3^hr gegen
eine SahreSentfdjäbigung^ oon 800 J{, ^ba Sdjulargt erhält
gur Hebermadjung gmei cd)ülen. Sie folleu bic neu eintretenben
Kinber auf iljre Sdjnlfäljigfeit, törperlidje unb geiftige Vefdjaffen«
heit unb ifjren allgemeinen EjefunbljeitSgiiftaub gu unterfucheu fomic
beit ©efunbljeitSguftanb aller Kinber baueritb gu beobadjten unb bie
gefunbljeitlidjeu Verljältniffe fämmtlidjer Schulräume bauernb gu über«
machen haben, auf Atiorbnuitg ber Scfjulbeputation ober auf Buttfrfj
bes Acftors E)utadjten abgeben, bei ber Ausmaljl ber Kinber für
bie öerienfoloitien, bei Prüfung ber EJefndje um AuSfdjließung
001 t eiiigelnen llnterrichtsfädjern unb bei öeftftellung oon Kraut«
heilen, meldje bie Ausfäjließung ans ber Sdjule bebingen.
Vegug auf bas Verfjältniß ber Aergte gu ben Lehrern unb Sdjiil«
leitern hdßt eS in ber dienftorbmtng: „ES mirb oon ben Aergiett
ermartet, baß fie ftets in gutem Einoernehmen mit ben Lehrern
fjanbeln," unb „ein Acdjt gu Anmeifiingcn au bie Leiter ber
Siljulen, an bie Leljrer unb Sdjulbieuer ftcljt ben Sdjulärgten
nidjt gu".
1077
©ogtalc $rajri$. Genlralblatt für ©ogialpolitif. 9fr. 40. 1078
$eite ©ubmiffiüÄSorbtntiia itt äRamtßritn. gtt VJannßeim ift
bc^üglid^ ber Vergebung ftäbtifcßer Arbeiten Bcfcfjloffcn morben:
Der gufdjlag erfolgt bet ©iibmifftoiten, mcmi Arbeiten tut SBertße
von 500—f)000 .// tu grage foniitteit gum :Wittclprets, jebod) mit ber
Vefdjrätifmig, baß Angebote, welche mit 2o% auf ober ab vom Vor*
attfdjlag abwetdieti, überhaupt nicht bcrütffidjtigt, fonberit gletdj aus*
gcfrfjtebcn werben. Vci größeren Arbeiten wirb jeborf; att beu Vfinbeft*
forbernben vergeben. 9Rit biefer Aeuorbnung will man bie £>anbwerfcr,
bie ttidjt redjtten fönnen aber liicfjt orbcntlidj rcdjiteten, barait gewöhnen,
befferc Malfulation in tßrern betrieb einpfübren. Vet Arbeiten über
5000 JL nimmt man att, baß es jid) um Großbetriebe banbelt, bie fauf*
tnämttfrf) geleitet merben unb etwaige Unterbietungen, bie ihnen ©djaben
bringen, auef) verfcßittergen mitffen itnb verfeßmergen fönnen. Die
Arbeiten unter 500 M. SBerth [ollen freißäitbig natb einem DurnuS
unter beit 'Bewerbern vergeben merben.
DaS Dberbait# gegen weibliche Gemetttberätße tu Gtt glaub. SSie gu
ermarten, bot bas frans ber Borbs ben Vefdjluß bes UnterßaufeS, ber
bett grauen Gnglanbs bas Aedjt eitträutneu mollte, gu Genieinbcrätfjen
gemdblt p merben (oergl. ©og. '£r. 3p. 1003), abgefeimt. 2Bie bei
ber Debatte bes Uiiterßaufrs, ßiclt and) im CberbauS bie althergebrachte
'parteifdjablonc in biefer grage nicht ©taub. 3uerft trat im Cberlmufe
ber dar! von Mimberlci) uttb groar im herein mit fämmtlicßen 9J?U=
glicbcrtt ber liberalen £ppofttion für bie ^ulaffuttg ber grauen in bie
Gemeiubcoerwaltnug ein. Der ^remierminifter Borb ©alisburt) aber
fprad) gerabegit bem Cbcrßatts bas Acdjt ab, beit Vefdjluß bcS Unter»'
baufeS abguleßtien, meil tbaifädjlidj bie grauen fd)ott in ben alten
Kathen gefeffen hätten, meldje bitrdj bie neue Crgauifatiott lebiglidj
erfeßt merben füllten; es fotttnte baßer einer Beraubung gleidj, mentt
man ben Tratten, ©ip mtb unb ©timniredjt in Gemeinbc* uttb ©tabt*
rätljeit fept ooreuthalten mollte, bann befürmortetc ©alisbiirt) in marinen
Porten bie ^iilaffitnfl ber grau als „ben befteit ©djupmall gegen gn*
boleng unb ©elbftfudjt." Die grauen feien viel mehr unb viel tiefer
von £>i!inauitcitsibeeu burcbbriutgett unb hätten ein meit richtigeres
(Gefühl für bie fdjrerflidien Uebel, meldje bie riefigeit, in uniertt ntobernen
Großftabten gufanimengcpreßtcn Volfsmengett erbrüeften, uttb biefe
grauen entfernen, ßieße ein mächtiges SBerfgcug bes (Bitten uitgeredbter
mtb felbftfiiditigcr BScife opfern. 3u gall bradjte beit Vefdjluß
eine Acbe bes BorbfanglerS, ber als Monfequeng biefes GcfejjeS feßon
ben Gingug ber grauen in baS Unterhaus brühen fah-
Äoutmuualc Maßregeln gegen Dttüerfulofe tn BWandjeftcr.
Dr. g. 9äuen, ©tabtargt von Btancßeftcr, hat bem ©tabtratb einen
Gntrourf, betreffenb bie (Einführung ber Angeigepflicßt unb Vegifter*
füßrung über gälte von Dubcrfulofe vorgelegt, für melcße gmeefe
bie Gemeinbe bereits einen Betrag von 1500 £ auSgemorfen hat.
Gin Gcmeinbeargt foK mit ber regelmäßigen gtifpeftion ber §>äitfer
unb betn Vefttdje ber Patienten betraut merben, benen er, falls fein
anberer Argt bie Veßanblimg leitet, ärgtlicßen 9?atf; erteilen foU;
gleichzeitig Ijat er bie notbmenbige ^)eSittfeftiott unb afle ÜDtafj«
nahmen mr thnnlicbftcn Verhütung von Vlnftecfung an 3 uorbnen.
^)em (^efunbljeitsamte mären regelmäßige Berichte ju erftatten.
2 ?or 2 lllem foüen biefe Maßnahmen von gnfpeftion unb regeB
mäßiger SBeaufficbtiguug auf bie öffentlichen $lnftalten Hnmenbttng
ßnben.
3UtcrSpenfionen für bte ©emeinbearbeiter in $ariö. ®ie
SllterSverforgung beS Slrbeiterperfonals ber ©tabt ^ariS Befctjäftigt
bie intereffirten Greife fdjon feit langen gahren. Söi^^er roareit
alle ^.Uäne jeboch attl S&iberfprudbe jmifchen ben Arbeitern unb ber
©emeinbevermaltuug gefcheitert. ^>er öemeinberath neigte ftetS
bap, einen ^Beil ber Soften für bie ©ilbung ber ^enfionSfottbS
burdj ^oljnab 3 Üge 311 beefett, toogegeit fteß bie Arbeiter fträubten.
Hut eitblich einen praftifdjen ©ebritt 3 U tfjun, entfdjloß ftcb ber
0)emeinberatb im Sabre 1890 31 t einer proviforifdjett Maßregel
unb gemährte aus Mitteln beS laufettben 33ubget£ allen invaliben
ober alten Slrbeitern eine fährlidje Uuterftüßung, bie je nach bem
2)ienftalter von 5 bis 25 gahren sraifdjen 140 unb 500 grcS.
variirt. $iefe£ ©tjftem höt baS Unangenehme, etnerfeitS bie ©tabt*
faffe 311 fefjr 311 belaften unb anbererfeits ein ‘DHßoerbältniß
3 toifdjen ben gemährten $enfionen unb ben geleifteten Dienften be*
ftehen 3 U Iaffen. 3)tan begann barum bereits 1895 an eine anbet;e
Regelung 3 U benfen unb fdjlug vor, bie für bie ftäbtifcbeu 33e=
amten geltenben (Einrichtungen auch au f bie Arbeiter au$ 3 ubebneit.
darnach mären bie s ^enfionen bei ber freien ftaatlichen Alters*
reuten faffe fonftituirt morben, unb 3 tvar aus monatlichen, von ber
©tabt unb ben Arbeitern 3 U gleichen ^h e ^ en aufgebrachten ^ßrä?
mien. (Regelt biefeS ^rojeft erhob ber Olemcinbearbeiterverbanb
fo lebhaften SKiberfprud), baß es nicht gur Ausführung gelangte.
®or ^urgent mürbe es iitbeffen von ber ArbeitSfommiffion beS
(>iemeinberatf)S tvieber aufgenommen unb bann audj feljr raf<h iwi
Plenum ber Mörperfchaft beßnitiv genehmigt. SDie h«»ptfächlichen
©'ispofitionen bes ^rojeftes fiitb, mie uns ans fJSariS gefdjricbcn
mirb, bie folgenbcn: bie ©labt galjlt jebett Dionat bei ber ftaat*
ließen Altersreutenfaffe für jeben Arbeiter einen betrag von 7 ,; )0 gres.
ein, melchen ein 4 progentiger Sohnabgug aufcrlcgt mirb. Aus
biefen Prämien merben nach ben bei ber genannten Anftalt üb*
liehen Regeln fßettfionen gebilbet, bie jeboch 1200 grcs. nicht- über*
fteigen fönnen. gm ^obeSfalle ift bie Söitme beS Arbeiters gur
|>älfte berechtigt. 2>aS penfionSfähige Alter mirb auf baS 50.8ebenS*
jaljr feftgefeßt. geboch fönnen alle arbeitsfähigen Arbeiter ben
^enfionSantritt bis gum 65. gahre verhieben.
SofiaU
^inberarbett in Sonbon.
gebe Nation foftet eS eine SReihe Generationen, um ben befteit
fBeg 3 ur Durchführung beS ©aßeS gu ßnben: Die gufunft gehört
ber gugenb! Aber es machen flcß hoch auch in dnglanb Angetdhen
bemerfbar, baß bie große SBebeutung ber pflege ber Äinbljeit unb
bie Verlängerung ber GrgichungSjabre in fteigenbem 3Äaße ge*
fchäßt mirb. Die immerhin entfd)iebenere Verbamtnung bes §alb*
tagSfpftemS auf bem leßtjährigen Drabe UnionSfottgreffe mar ein
millfoutmeneS Angeicßcn unb bie fürgliche Abstimmung in bem
§aufe ber Gemeinen mit großer Vtajorität 3 U Gunften ber dr*
pöhung &eS gefeßlithen Alters, in bem bie Vefchäftigung von
Mirtbern, bie bem gabrifaefeß unterfteßen, guläffig ift, von 11 auf
12 galire ift ein noch viel roid)tigerer AuSbrucf biefer Aufchauung.*)
greilid) bleibt Gnglanb bamit immer noch meit hinter Deutfcßlanb
uttb anberen geftlanbftaaten gurütf, mo baS 14. refp. 13. Gebens*
jahr bie Grenge bilbet. Aber biejeniaen £inber, bie gur 3eit
noch gänglich ungesüßt finb, außer bei befonberer Vebrücfung
unb Ausbeutung, mo baS ©trafgefeß gur Verhütung von Graufam*
feit gegen $inber einfehreitet, gießen bereits bie öffentliche Auf*
merffamfeit auf fteß. Veuere Unterfuchungen- ßaben gegeigt, mie
bebeutenb bie Angaßl ber fchulpflicßtigen Äinber unb folcßer, bie
ttoeß bie ©cßule befueßen, ift, bie täglich viele ©tunben in ißrer
freien geit mit drmerbSarbeit befdjäftigt merben, momit in vielen
gätlen beflagenSmerthe Unregeltttäßigfeiteu im ©cßuibefuch, ©cßaben
an ber Gefunbßcit unb Uebertnübung beS GcljirnS verbunben ftnb.
diner fleinctt drßebung ßaitptfädjli^ in einigen 2 öeftenb*©chulen, bie
im gaßre 1894 vom Toynbee Club unternommen roarb, folgte eine
ettoaS auSgebeßtitere dnquetc vom Women’s Industrial Council, dine
von bem Council eingefeßte Mommiffton bearbeitete bie drgebttiffe ber
von ©ir goßti Gorft, Vicepräfibentcn beS ©taatSminifteriumS unb
Abgeorbtteten, oeraulaßtendrßebungen, melcße eine noeß meitergeßenbe
Unterfucßung bureß bie ©djulbeputation ltacß fieß gogen. dittige drgeb*
niffc biefer VegierungSenguete finb vor jhtrgem veröffentlicht tvoroen.
Der von ber ©cßutbeputation ßerauSgegebene gragebogen mar
außerorbentlicß einfadj. 9iur bie feeßs foiaenben gragett maren
gefteHt: 9?ame? Alter? gn melcßer Maffc? Vefcßäftigung? V^öcßent*
ließe ArbeitSftunben? Vegaßlung pro SBocße? Die gurüefgefommenen
Vogett finb bann von ber Veßörbe gufainmcngeftellt unb bie
Seßrer ber ßonboner ©cßulen finb aufgeforbert morben, ein
Duplifat biefer gragebogen an bie fionböner ©cßulbeputation gu
fenbett, fobalb bie drgebniffe gälte geigten, mo bie $itiber meßr
als 19 ©tunben in ber VSocße befcßäftigt morben maren. Vur biefe
drgebttiffe finb veröffentlicht morbett. gßre Unvollftänbigfeit ift
offenficßtlicß, ba fie tiicßt bie Sonboner greifcßulen lunfaffen, nießt
biejenigen £inber, bie meniger als 19 l /2 6 tuttbett per Öocße ar*
beiten, unb außerbem nur von einem Viertel ber öffentlichen ©cßulen
bie gragebogen auSgefüllt gurüefgefeßieft morben finb. Dbgleicß
nur eine tßeilmeife Ueberftdjt ber Dßatfacßen vorliegt, fo finb
boeß bie drgebniffe intereffant unb begeidjnenb unb merben hoffent¬
lich Viele gum SRadjbenfen barüber anregen, unter roelcßer Aus*
beutung bie itinber gu leibett ßaben, fei eS bureß bie Dürftigleit
ißrer ßäuSli(ßen Verßältniffe, fei es bureß bie Gebanlenlofigfeit
ißrer dltern ober Vormünber. Gs ift auch bemerfenSroertß, ob*
gleich biefe Dßatfacße in bem Vericßt nießt ßervorgeßoben ift, baß
viele ber Knaben, melcße baS V?eifte ermerben utib bie meiften
©tunben in ber VSocße arbeiten, nießt bie ÄHnber ber ärmften
dltern finb. ©ie fteßen auf einer etrnas ßößeren ©tufe, unb eS
ift meßr Gebanfenlofictfeit als Votß, roobureß oftmals ißre frühe
dinftellung in bie Veißett ber Grmerbsarbeiter ßervorgerufeu mirb.
Siacßfolgenb baS fummarifeße drgebniß ber gragebogen,
baS von ber ©cßulbeßörbe veröffentlicht morben ift.
1143 £inber arbeiten 19 bis 29 ©tunben in ber V>odjc, 729 Min*
ber arbeiten 30 bis 39 ©tunben in ber SBodje, 285 Siiiiber arbeiten
10 unb meßr ©tunben in ber Sodjc.
;f ) Die Vefdjlußfaffuug bc* Cbedntuiev iilu'r bie Vorlage ftdjt
uodj aus.
1079
6ojtale fSrayiS. Eentralblatt für Sozialpolitik Nr. 40.
10*0
Bon biefeit finb 309 ftinber mit Hausarbeit befchäftigt
8309 ©tunben in ber SBocße unb empfangen bafür bie ©efammt-
fumme non 21 £ 9 sh 3 */2 d, was einen ®urd^fcfinitt non
27 ©tunben für jebeS ftinb bebeutel unb einen Rainen ißennp
per 0tunbe. 709 ftinber werben benußt zum 3*itung* unb NHlcß*
austragen inSgefammt 21 662 ©tunben in ber Mocße unb erhalten
bafür eine Dotalfumme non 94 £ 1 sh. 10 d. burcßfcßnittlich
30 ©tunben für jebeS ftinb unb 1 d für bie ©tunbe. 1056 ftin-
ber werben nerwenbet für Laben- unb gabrifbienfi unb Boten¬
gänge im ©anzen 31 923 ©tunben in ber Mocße für eine ©efammt-
fumme non 121 £ 4 sh 11 d burchfcßnittlich 30 ©tunben auf jebeS
ftinb unb 1 d in ber ©tunbe. 69 ftinber beforgen anbere Arbeiten
wäßrenb 2001 ©tunben in ber SBocße unb erhalten eine ©efammt-
fumme non 9 £ 12 sh 6 d, burcßfcßnittlich 29 ©tunben für jebeS
ftinb unb V-i d in ber. ©tunbe. Fn einigen Fäden werben beit
ftittbern außer ben Bezahlungen auch noch Mahlzeiten gewährt.
Bielleicht werben bie Anregungen biefer allgemeinen Ergebntffe
noch burch ^in^ufüguncj oon Einzelheiten einer ©chule erhöht;
fieben folcßer ftnb veröffentlicht aus allen Dßeilen oon Lonbon,
unb biefe füllen im (Ganzen unb ©roßen für bie ©efammtßeit
tppifcß fein. AuS allen ift baS Ueberwiegen ber Befchäftigung oon
Knaben erftcfjtlicf): baS AuStragett oon SRilcß, Berfaufett unb Ber-
tßeilen oon 3 e itungeu, Botengänge für Labenbefißer unb bie Ber¬
atung oon oerfchiebenen niebrigen Arbeiten in Barbterläben.*)
Der Huuptleßrcr einer ©chule in (Shelfea, einer Arbeiter-
gegenb im Bkften LonbonS, bemerk: „Die Knaben, welche mit
MilcßauStragen befcfjäftigt werben, flehen gewöhnlich um 5 Uhr
auf unb fornmen zu fpät in bie ©chule. Snfolgebeffen fcßlafen fie
wäßrenb bcS Nachmittagsunterrichtes auch mehr, als fie wachen.
Diejenigen, welche mit 3^itungSoerfaufen befchäftigt ftnb, müffen
fich bis z« feßr fpäter ©tunbe in ben ©tragen aufhalten."
Bei Leitern ber größte Dßeil öer Arbeitszeit fällt in bie 3eit
beS NachmittagSfchulunterrichtS oon Ntontag bis Freitag unb bie
freien Dage (©onnabenb unb ©onntag) ftnb gerabe biejenigen
Dage, auf bie bie meiften ArbeitSftunben entfallen. Es ift burch*
aus nicht ungewöhnlich, baß bie Hälfte ber ©efammtarbeitSzeit ber
ganzen SBocße fich auf biefe beibett Dage zufammenbrängt.
Ueber bie Befchäftigung oon dßabeßen ftnb nur' oon z^i
©chulen Fragebogen eingefanbt worben, in einem biefer, aus
Öacfnep, fpielt bie lofale HauSinbuftrie eine Nodc, fo bie fünftlidje
Blumcnfabrifation, ©cßuh- unb Bonbonfabrifation, aber bie Haupt*
befchäftigung ber dfläbcßen ift nichtsbeftowenigcr in ben meiften
Fädett nur häusliche Arbeit. Der Haupttßeil biefer Arbeit wirb
naturgemäß z u H au fe getßan unb würbe auch nicht in ben Frage¬
bogen erfcheinen, ba fie nur unregelmäßig, gelegentlich unb nicht
gegen Bezahlung gedieht. Außer bem fiaufe werben Mäbcßen in
ber Siegel (in tninbeftenS z*oei drittel aller Fälle) nur als ftinber-
mäbchen befchäftigt.
Das ßauptfäd)lid)fte praftifdje Ergebniß ber ganzen Lonboner
Enquete wirb wahrfcheinlich mehr z u finben fein in ber
*) 3ur Ergänzung unferer ftatiftifchen Angaben über Umfang unb
Art ber ftinberarbett in Etiglattb in ber „©oralen ^rajris" ©p. 1025
geben wir hier noch eine Ueberfidjt über bie bezahlten £öf)ne unb bie
wöchentliche Beid)äitigungsbauer in ©tunben. lieber bie wöchentlichen
Berbienfte ber ©diulfinber finben fich folgettbe 3tffcrn im Berichte; eS
oerbienen in ber Mocße:
unter 6 d. 17 084
6 d—1 sh. 47 273
1 sh 1 d—2 sh. 40 240
2 sh 1 d—3 sh.19 757
3 sh 1 d—4 sh. 4 927
4 sh 1 d—5 sh. 1 813
5 sh 1 d—6 sh. 805
6 sh 1 d—7 sh. 238
7 sh 1 d unb mehr. 339
Für 858 ftinber wirb fein Eclbuerbienft (Arbeit gegen ft oft) aus»
gemieieu, 4851 arbeiten für bie Eltern unb für 5831 ftinber fehlen bc»
Züglidje Angaben. Bezüglidj ber 3citbaucr ihrer Arbeit werben folgettbe
Angaben gemadjt:
Unter 10 ©tunben wöchentlich arbeiten . . 39 355
10—20 = = = . . 60 268
21—3<) = * * . . 27 008
31-—In *: w 6 ■ ■ 9 77s
41—50 = = = . . 2 390
51 CIO * * = . . 575
61—70 = f = . . 142
71 80 - - . . 59
über 81 - . ... 16
Arbeitszeit unbefannt . 4 434
144 026
„öffentlichen Befprecßung einer feßweren ltngerecßtig?eit" — um Die
Morte ber inneren ©cßulbeßörbe anzuführen — als in einem
©efeß, welches oorbeugettbc Maßregeln gegen biefe NHßftänbe non
bod) nur theorctifchem SSertße bringt. ES ift nicht zu erwarten,
baß bie Befchäftigung aller ftinber unter bem fcßulpflicßtigen Alter
gefeßtieß oerboten wirb. Die Durchführung eines folgen ©efeßeS
würbe mit außerorbentlichen ©eßwierigfeiten zu fämpfett haben unb
ein folcheS Eefeß würbe für eilten großen £h e ü ber Bertoaltung
ein toter Buchfiabe fein, J weshalb eS vielleicht gar nicht einmal
wünfdjenSwcrth ift. DaS einzige Felb ber ftinberarbeit, auf welchem
mit Sicherheit Berbote roirflid) burchgeführt werben fönnen, ift baS
ber ©traßen unb öffentlichen Bläße, unb um bem oorljanbenen
Uebel zu fteuern, hui ein AuSfd)uß ber fionboner ©chulbehörbc
empfohlen, gemeinfam mit bem Sonboner ©raffchaftSrath zufammett
bie folgenbe Berorbnung zu oeranlaffen;
§. 1. ftein ftiub unter 14 Sahnen foll in ber Huuptftabt oor
8 Uhr Borgens ober nach 8 Uhr AbenbS zu irgenb welcher ge-
Iegentlidjen Befchäftigung herungezogen werben.
§. 2. ©elegentltche Befchäftigung (casual) ift jebe Befd)äfti-
J ung zum 3 roec f e beS Erwerbes auf ©traßen ober öffentlichen
»läßett — wobei foldje Befd)äftigungen, bie bereits burch beftehenbe
ocrfaffungSmäßige ©efeße geregelt ftnb, auSgefchloffen jinb.
§. 3. Sebe Berfon, bie ein ftinb in Uebertretung biefer Ber=
füguug Befchäftigt, foll burch fummarifd)eS Berfaßren einer ©elb-
ftrafe oon nicht meßr als 40 ©cßitling für jebe Uebertretung untere
liegen.
§. 4. Eltern ober Bormünber eines ftinbeS, bie folch ein
ftinb mit irgenb einer Arbeit im Hunbel ober jum 3mecf beS Er^
werbeS befchäftigen ober geflohen, baß folch cm $inb zum 3mfd
folcßer Arbeit engagirt wirb, fotten fo beftraft werben, als hätten
fte felbft baS ftinb in Dienft genommen.
§. 5. Der Beweis, baß baS ftinb über 14 Saßre alt war,
foll ben Beflagten obliegen.
Birmingham, ßioerpool, ÜRancßefter, ©ßeffielb hüben fdjon ber
obigen ähnliche Berorbnungen erlaffen unb im Hmblicf auf
oerfdjiebene ganz beftimmte Fälle ift zweifellos bie Hoffnung auf An¬
nahme ähnlicher Borfchrifteit auch hi er oorhanben. Aber im ffalI oon
©chuloerfäumniffett in Folge oon wiberrecßtlicher Befdjäftigung oou
©<hulfittbent follte bie väterliche Fürforge uttb baS väterliche Ber-
antwortlichfcitSgefühi bie befte Abwehr gegen bie gegenwärtigen
NUßftänbe fein. ES ift bcSßalb ein gutes 3 e i<h c n, baß in Bonbon
fürzlicß eine Bewegung h^roorgetreten ift, h a uptfächlic| S u i' Liefe¬
rung oon itluftrirten oolfSthümlicßen Büchern für bie arbeitenben
ftlaffen mit bem befottberen 3 lüe dP, auf bie Eltern einzuwirfen, bie
3iele ber Elementarfchule mit oerwirfUchett z u halfen unb ihnen
ben Bortheil Har zu machen, ben ihre ftinber burtß bie Annahme
ber bargebotenen Erleichterungen hüben würben. Febe ©eneration
!ommt meßr unb mehr unter ben moralifchen, intedeftueUen unb
bilbenbeu Einfluß ber ©cßule, unb eS ift Hoffnung oorhanben, baß
jebe ©eneration eine Berminberung ber Ntißftänoe erleben wirb,
bie barauS erwaeßfen, baß Danfenbe oßne ©cßulbilbung auftoaeßfen
unb in ben ftampf umS Dafein geworfen werben, ©egemuärtig
inbeffen weift bie Dßatfacße, baß ßunbertaufenb ftinber im Lanbc
täglich bie ©cßule oerfäumen, weil fte zur Erwerbsarbeit heran*
gezogen werben, auf große unb bringenber Abßülfe bebürftige > JRiß-
ftänbe ßiu. 2öie gefagt, ift inbeffen woßl bie befte H^ung beS
UebelS gu erwarten oon ber H e &ung beS elterlichen Berautwortlid)-
feitSgefüßlS, unb eS ift oiclletdjt oon großer Bebeutung, biefe
^hatfaeße heroorzußeben uttb fte möglicßft weit zu oerbreiten.
Lonbon. _ Ernefi AoeS.
Arbeitgeber' ttnb Untenietjmertierbttiibe.
Der Stliig ber tmämfaMfmkn (vgl. ,,©oz- Bra^iS", ©p. 338t
ßattc befcßlofien, an bie Mitglieber beS DapetenßänbleroereinS nur
Maaren zu liefern, wenn biefe fieß verpflichten, bie SSaaren mit
125 o. H- Sfcußen zu oerfaufen unb bie B^ e if e fomit in ber oor*
gefcßricbenett Höße ju halten. Eine bem Hänbleroereine nicht att-
geßörenbe Finna in ftöln oerfaufte aber einzelne Sßaarett unter
Dein oorgefchrtebenen B^/ morauf ißr oon bem Borfißenben Des
FabrifantettoereittS bie briefliche Aufforberung zugimj, bem Bcrein
eine freiwillige Buße oon 100 ,///, anzubieten, ba fonft bie ©perre
über fte oerßängt werben würbe. AIS bie Firma bas Anfinnen
ZurücftoicS, würbe fte auSgefperrt, worauf fie bei ber ©taat*-
anwaltfcßaft ben Antrag einreießte, bie ftlage auf Erpreffutig ein-
Zitleiten. Die ©taatSanwaltfcßaft entfpraeß bem Anträge, bai Er*
mittelungSoerfaßren würbe cittgeleitet, uttb z a hHeid)e 3 c ugctt»
oentehmuttgen würben attgeorbnet. FnSgcfammt würben oott bem
1081
©oktale prajts. Eentralblatt für So 3 talpolttil. Vr. 40.
1082
Fabrifantenoerein über 100 .fjänbler auggefperrt, welche bie
©rünbung eine« Verbandes in AuSficht genommen haben. Auch
bat eine Vtnjabi Sabrifanteit bie Einberufung einer Verfammlung
angeregt, unt bie "Durchbrechung beg VingeS 3 U bewirfen. — ©ie
bie' „VolfSstg." mittheilt, hat übrigeng baS ßanbgericht Berlin
früher eine wlage beg VingeS gegen ein 33HtgIieb auf 3ahfong der
füpulirten Buße abgewiefen, weil eg bem Verein gar nicht barum
gu thun mar, feiii oermögenSrechtlicheg Sntcreffe, b. h- feinen
Schaben bei Verfloß gegen bie BereinSbefchlüffe im Voraus oer*
traglich feft 3 ufefeen, fnnbern lebiglich ber ©efichtSpunft obgeroaltet
hat, eine friminaliftifcfjc Strafgemalt fidj über feine Mitglieder 3 U
fichern. „Eine folche feft 3 ufefcen, liegt außerhalb beg Bereichs beg
prioatrccf)tg und ift einzig unb allein Sache beg öffentlichen Vedjtg.
Den Strafbeftimmunqcn beg ftägerifchen Vereins ifi deshalb contra
jus publicum, ber Vechtfdjub 3 U oerfagen. Auch bag angebliche
Anerfenntniß beg Beflagten ift man geig einer gütigen, rechtlichen
©runblage wirfungSloS."
Der Verband bentfdjer Schuß- unb Sdjäftefabrifanten hat auf
feiner ©eneraloerfatninlung ben Antrag beg VorftanbeS beg Vereins
beutfeher Schuhmacher abgelehnt, biefe Arbeiterorganifation alg be*
rufene Vertreterin ber Arbeiterfc^aft ansuerfennen unb beffen Ver*
mittelung in Streitfällen an 3 unehmen, wobei ber Schuhmacher«
oerein erflärte, er fei „oon bem einigen Söeftreben geleitet, auf
©rund gegenfeiüger Anerfennung ber Drganifation, oorfommenbe
StonfCifte 3 roifchen Fabrifanten unb Arbeitern möglichft auf güt*
lichem ©ege gegenfeitiger Vereinbarung 3 U erlebigen, alg eg auf
langwierige Streifs anfommen 3 U laffen. Die fchneüc Entwicflung
beg Mafdf)inenmefeng in ber beutfehen Schuhinbuftrie macht Äonflifte
unb Differe^en in Be 3 ug auf ßohn* unb ArbeitSoerhältniffe un*
üermeibiith, unb wag ift ba näherlieaenb, alg bah man innerhalb
ber betheiligten Greife eine BaftS 3 « jehaffen fucht, burch bie biefer
Entmidfelung Rechnung getragen wirb unb erbitterte Kämpfe 3 wif<hen
Fabrifant unb Arbeiter bei einigem Verftänbniß unb reblichem
©illen oermieben werben föntten".
Ein Verband ber fübmefitbentfdien Möbelfabrilanten ift in
Stuttgart gegrünbet worben. Vach §. 2 fteHt ft<h ber Verband
u. A. bie Aufgabe:
3n Streitfragen sinifcfjen Arbeitgebern unb Arbeitnehmern einen
Ausgleich anjuftreben unb womöglich eine beibe Deile befriedigende
Vermittlung herbci 3 uführen; Beftrebungen, welche darauf gerichtet find,
bie Arbeitsbedingungen einjeitig oor 3 ufchreiben unb 3 U biefem $wecf ge*
plante AuSftäube gemeinfam abjuwehren unb in ihren folgen unfehäb*
lieh 3 11 wachen; einheitliches handeln in allen fragen, welche für bag
Verhältniß swifcheu Arbeitgeber unb Arbeiter oon grunbfäplidjer Be*
beutung finb. 3 ebes einzelne Mitglied beS Verbandes hat ftetS
nur mit feinen eigenen Arbeitern ober mit einem oon biefeu felbft aug
ihrer Mitte gewählten Ausfdjuß 3 U oerhanbeln, bagegen finb Verband*
lungen mit irgenb welchen niefjt 311 ber eigenen Arbeiterschaft gehörenben
Mittelperfonen abjulehnen.Erflärt ber Ausfchufj einen Streif
für nicht berechtigt, fo bat ber Vorftanb bas Vcr^eicbntß ber be*
theiligten Arbeitnehmer fofort fämmtlicheu VerbanbSmitgliebern mit 3 u-
theilen. Dann barf fein VerbanbSmitglieb einen ftreifeuben Arbeiter in
feinem Betrieb befchäftigen.ginbet eine Beilegung beg Aus*
ftanbeS nicht ftatt, fo hat ber Vorftanb bag Siecht, bie in ber nottj s
leibenben gabrif oorliegenben Aufträge auf bie übrigen gabrifen 3 U
oertheüen.Sollten bie Arbeitnehmer berjenigen girma, welcher
bie Ausführung ber Arbeit übertragen worben ift, ftch weigern, bie
Arbeit auS 3 ufiihren, fo finb bicfelben 3 U entlaffen.gür 3 u miber*
hanblungen werben Äonoentionalftrafen oon 20 Jt. bis 5000 M. feftgefe^t.
Die Arbeitgeber nehmen alfo für ft<h bag Siecht ftrafffter
Drganifation in Anfpruth; fie allein fordern bie Entfärbung
über bie Berechtigung eineg Streifg. Bei ben Arbeitern aber be*
fämpfen fie bie Drganifation aufg Schärffte.
Der Verein beutfeher ©erfäeugmafebinenfabrifen hat am
17. guni in $oblen 3 feine erfte £muptoerfammlung abgehalten.
Die Verfammlung nahm u. a. $enntniß 001 t einem Bericht über
bie probuftionS* unb ejportftatiftifchen Erhebungen ber beutfehen
©erf 3 eugmafchinenfabrifen für bag 3ahr 1897, aug benen h^oor*
geht, bafe in 208 non überhaupt etwa 220 ßabrifen über 26 000
Arbeiter befcf)äftigt würben, bie über 24 SHiUioneit SJJarf an ßöhnen
be 3 ogen, unb bah bie oon biefeu gabrifen h^geftellten SRafchinen*
unb ©afchinentheüe etwa 70 Millionen Sßarf barfteüten, fowie
ferner, bah oon biefer .fjeroorbringung etwa 75 o / 0 inx gnlanbe
blieben, 25o/ 0 aber auggefiihrt würben. Die gleichartigen Er*
bedungen für 1898 werben oermuthlich noch ein wefentlich anbereg
Vilb oon ber Vebeutung biefeg Eef<häftg 3 weigeg geben, ba in
Öotge beg großen Vcbarfg an ©crfaeugmafchinen faft alle Betriebs*
ftätten bebeutenb erweitert worben finb, bie §eroorbringung alfo
3 weifellog eine bedeutende 3 nnahme erfahren hnt.
Atbettetbetnegtntg.
$crgarBeiter«ttnnthctt im SluhrrePier.
Von einem Mitarbeiter wirb ung gefchrieben: ijßolnifche, un*
organifirte ^ferbejuitgen unb jugenbliche Schlepper finb in einen un*
befonnenen Streif eingetreten, weil fie fich burdh höh«c Shiappfchaftg*
faffen*Ab}üge benachtheiligt glaubten. Eg ift 3 U blutigen 3nfammen*
flöhen 3 Wifcheu $oIi 3 ei, bem requirirten Militär unb ben augftänbigen
Arbeitern gefommen, bei welchen eg Dobte unb Verwunbetc ge*
geben h fl t. Die y älteren, beutfehen, organifirten Vergarbeiter hoben
mit bem Augftanbe nichts 3 U thun; eg ift im ©egentheil alles auf*
aeboten worben, um bie heihölütigen jungen ßeute 3 urücf 3 uhalten.
ßeiber find Verfammlungen, in denen über bie Sachlage Klarheit
oerbreitet werben follte, oerboten worben. Schon im Mai b. 3 .
erfolgten in bem Drgan beg alten Verg* unb §üttenarbeiter*Ver*
banbeg ©arnungen oor Unbefonnenheüen, 3 u welchen fich junge
Vergleute etwa wegen ber höhnen Veiträge ber jungen ßeute hin*
reihen laffen fönnten. Sie hoben leider nid)tg gefruchtet, 3 umal
eg durch Verfammlunggoerhinberungen unmöglich gemacht wurde,
3 U ben unerfahrenen ßeuten 3 U reden. Den „Scharfmachern" finb
freilich bie Vorfommniffe im SRuhrreoier willfommen. Sie fpredjen
oon „fo 3 ialiftifchen E^ceffen", bie oon ber Parteileitung ber pol*
nifdjen So 3 ialiften in Verlin gefchürt worben feien unb daher bie
Berechtigung beg „Snchthouggefeßeg" Har barlegten. Da aber bie
Unruhen durch bag Einfehretten oon Pol^ei und Militär rafdj
unterdrück worben ftnb unb ben Schuldigen fthon auf ©rund ber
begehenden ©efefee fchwere Strafen drohen, fo wirb jefct behauptet,
bie „fcharfen Veden" im VeidjStage gegen bie 3 u ^thaugoorlage
hätten den Uebermutl) ber Arbeiter entfacht unb fo bie Unruhen oer*
aniaht. Etwas DhörichtereS famt man fich wohl faum benfen! Sollten
wirflich bie VeichStagSoerhanblungen gerade auf bie polnifchen
Pferbejungen unb Schlepper aufret 3 enb gewirft haben, während
die ©efammtheit ber beutfehen Arbeiter ruhig bei ber Arbeit blieb?
Dber glaubt man wirflich, bah ölohe ©efeheSbeftimmungen Aus*
fchreitungen oerhinbern? Dann mühten ja auch bie ©efe^e gegen
den Diebftahl biefen oerhinbern. ES ift fe|r be 3 eichnenb, wag bag
Drgan beg alten VergarbeiteroerbanbeS, bie „Deutfche Verg* unb
§üttenarbeiter*3eitung", unterm 1. b. Mts. fchreibt:
„Am 20 . Mai 1899 bat fdjon der Vorjtanb beg Vergarbeiter*
oerbanbeS eine bringende ©arnuitg au bie Vührfameraben erlaffen, ftch
nicht durch das 3nfrafttreten beS neuen Statuts 31 t Dummheiten bin*
reißen 3 U laffen. Durch einen Streif fann fein beffereS Statut geraffen
werben. 9Sir fennen beffer als bie Behörden die Vorgänge in der
Maffe; auf mehreren Stellen ift eS uns Danf ber VerbanbsbiS 3 ipUn
gelungen, bie Kameraden oor Dfjorbeiten 311 bewahren. 3 m ferner
Veoier haben wir aber feinen Einfluß. Uns hat ber AuSftanb über*
rafefjt, wir mifchen uns auch nur infofern hinein, als wir bringend
3 ur Aufnahme ber Arbeit aufforbern! 3ene polnifchen Arbeiter
Ijat man faft mit Eewalt in Unmiffenbeü gehalten, fie füllten bienen
als Stbujjwebr des Kapitals, jefct find fie eS, bie in offenen Aufruhr
auSbrechen. So haben wir eS oorausgefagt, aber bie alles befferwiffenbe
Vehörbe holte niefjt auf uns. Äameraben! Macht feine Dummheiten;
bleibt ruhig an ber Arbeit! ES ift ja uttmöglidj, durch einen Streif
bas Shiappfchaftsftatut 3 U ändern! Dies fönnen wir nur durch einiges
Vorgehen aller Aelteften! Organifirte Bergleute! Sorgt 3h* für
9tuhe! ©irft belehrend unb flüchtend auf bie Erregten ein! Bleibt
ruljig an ber Arbeit!"
Auch ber ©ewerfoerein ber chriftlichen Bergarbeiter fordert in
Flugblättern 3 ur ©ieberaufnahme ber Arbeit auf unb warnt 3 U*
aleiqi oor thoridjten Streifs, ©ürben bie jungen polnifchen Ar*
beiter einer Drganifation angehören, bann würbe es jedenfalls
nicht 3 U ben bedauerlichen Ausbreitungen gefommen fein, bie ein
Dheil ber Seute mit bem Dobe ^at büßen müßten. Auch baS
fo 3 ialbemofratifche „VolfSblatt" in Bochum hat in einem befonberen
Aufruf bie Arbeiter im gan 3 en Vuhrreoier 3 ur Vuße unb Be*
fonnenheit ermahnt unb fte aufgeforbert, auf bie Stimmen der
bewährten ßeiter ber Drganifation 3 U hören unb ruhig bei ber
Arbeit 3 U bleiben. (Bemerk fei noch, baß ein Berliner Blatt, bie
„Däglithe Vunbfchau", in einer 3ufäjrift aus bem weftfälifchen
Äohlenreoier ftch alfo oernehmen läßt; „Die 3 e( ^ eit nterben eg ftch
überlegen muffen, ob fie, trofc beg Mangels an ArbeitSfräften, un*
befehen polnifche 3aäügler aufnehmen. Es giebt wohl fein
traurigeres 3 c iä) en für den Sfulturniftanb biefer ßeute, als ßattb*
friebenSbruch unb Dobtfchlag aus Anlaß nicht oerftattbener Ertapp*
fchaftSftatut*Paragraphen.")
3m» FmlenSf<hlu§ im Berliner Bangetoerbe« Die Verein*
barungen ber Maurer mit ben Unternehmern, bie oor bem Eini*
gungSamte abgefchloffen worben ftnb, haben 3 war noch der Mritif
3 weier Manreroerfaiitmlungen unterlegen, finb aber fd)ließlich au*
1084
1083
©ogtale $raftS. Gentralblatt für ©ogialpolitif. 5Rr. 40.
genommen worben. Sn^ioifdien finb aud) bie Vaußilfsarbeiter,
bk bei bem griebcnSfißluß leer ausgegangen finb, mit Forderungen
ßeroorgetreten, bie ebenfalls auf eine frieblid)e Darifoereiubarung
ßinauslaufen, ebenfo bie 3i mmercr - ®a ingwifcßeti Verband*
lungen eingeleitet morben finb, ift gu erwarten, baß eS aucß ßier
gu einer Verftänbigung !ommt, eoent. oor bem GinigungSamt.
$cr 32. Drude ttnion£*&ongret roirb in ber erften ©ocße
des September gu ßioerpool feine Sißungen beginnen. Scßon jefct
geben oon ben einzelnen ©emerfoercinen maffenfjafte SRcfolutionen
ein. VefottberS fnjftallifiren fie fieß um bie Elrbcitcr*ilompenfaiionS*
Eift. Die Vuilbcr Union beantragt, gu erfläreu, baß das ©efeß
unbefriebigenb fei, nur gu Streitigfeiten Veranlaffung gebe; bie
Grfaßrungcrt oon gwölf Monaten ßättcn beroicfen, baß es'feßr un*
beftimmt unb oermirreitb fei unb außerdem feßr oiele Moften ocr*
urfadje. Das ^arlamentsfomitee folle bei ber Regierung eine
Abänderung beantragen auf breiterer VafiS. Die Union ber Docf*
arbeiter oerlangt eine Elbänberuna gu bem 3mecF, den urfprüng*
lieben ©eift ber Vorlage roieber rlar beroortreten gu Iaffen. Gute
Siefolution oerlangt, baß das Spftem ber ^half time“ gang abge*
febafft unb bas Miitimalalter ber Binder auf 14 Saßre erhöbt
werbe.
3ur Vergarbeitcrbewegung in Fratsfreid). Slug $aris roirb
uns gefdjrieben: Der umfangreiche ElnSftaub in ben ©rubenbegirfen
oon Montceait*leS*Miites, oon bem roir in 9fr. 38, Spalte 1029
berietet buben, ift nach 25 tägiger Dauer mit roedjfelfeitigen 3 U *
geftänbuiffen gu Gnbc gegangen. Die weiften 3ugeftänbniffe
mußten allerdings bie Arbeiter madjen, bie nur bie roeniger wichtigen
fünfte ihres Streifprogramms bureßfeßen fonnten. Gs war, fo oiel
2Dfübe man fid) aud; gab, roeber ben Deputirtcn des Departements,
nod) bem ^räfeften gelungen, ein regelrechtes GiniguugSoerfaßrcn
gu Stanbe gu bringen, unb erft ber Gingriff beS neuernannten
VautcnmiitifterS fonnte bie Unterncßmergefellfcßaft oeranlaffen,
einige mißliebige ©erffüßrer gu uerabfdjieben, feine Maßregelungen
gegen bie Streifer gu ergreifen, bie ©eroerffdjaft unbehelligt gu
Iaffen unb einige Verbefferungen im EllterSpcnfioueitfpftem bureß*
gufübren. Die £oßnerßößungS* unb ElcßtftunbentagSforberungen
wies fie runbroeg ab. Gs befteßt übrigens fein 3 we ^f e ^ baß
EluSftänbigen gum großen Dßeil aus politifcßen 9tücffid;ten auf
bie J$ortfcßung beS Kampfes oergießteten, ba bie inneren ©irren
SranfreicßS bie Sammlung ber republifanifcßen Parteien erforbern.
Htbelkrfdju^.
Sogialpolitif anf See. Der namburg*Elmerifa*£inie ift auf
bie bem Staifer übermittelte Meldung, baß bie ©efellfcßaft befcßloffen
habe, ißre fämmtlicben Sdjiffe mit einer Dkflabe*£inie gu oerfeßen,
folgenbe Elntwort gugegaugen:
„gbre Meldung, bic drridjtung einer $ieflabe*2mie betreffend, bat
Mich mit l)ofier ftreube erfüllt. Sie geigen dadurch, baß Sie für 3ßre
Ehigeftcütcu in jeder ©cife (Garantien fcßaffcn unb gu forgen ocrflcßcn.
tiefes ift and) ein großer Scßritt oorwävts in ber Sogtal*
politif auf See. Möge 3ßr gutes Veifptel retdilidie 9tad)al)incr
fiuben. ©ilhclnt."
Unter Dieflabe4?iuie oerfteßt man eine Marfe, bie angeigt, wie
tief ein Sd;iff beloben werben barf. 3« Deutfcßlanb ift bie Ein*
bringung biefcS SabegeidjcnS bem belieben bes SißeberS anheim*
gefteÜt. dS ift nun nid)t auSgefd)loffen, baß unter llmflänbcn bureß
gfaßrläffigfeit ober Verfd;ulbuug eine Ueberlabung bes gaßrgeuges
oorfommt, bie auf bie Steuerbarfeit uttb Sdjwiminfäßigfeit beS
ScßiffeS guriiefwirft unb Unfälle ocrurfadjeit fann. Um foldjeu
Vorfommniffen oorgubeiigen, ßat man in Gnglanb 1876 ein ©efeß
erlaffen, wcldjeS bie Einbringung ber Dicflabe*Marfen fordert; wor
einigen gaßren ift bie englifcße Veftimnuiug nod) oerfdjärft worben.
Der Gutfdjluß ber HamburgsElmcrifas^iuk, bie immerhin für ben
Unternehmer befcfjränfcube unb läflige üabelinie eingufüßren, ift
in ber Dßat ein El ft ber Fiirforge unb bes 3d;ußcs für bie
Vemamuuig ber Sdiiffe. .vSoffentlid) ift bas baufenswertbe Vor*
gehen biefer diefellfdjaft nur bie dinleituiig gu einer allgemeinen
gefeßlidjeu diufüßning ber Sieflabelinie, di ne foldje Maßnahme
befürioortet g. E3. and) ^rof. I)r. Stoerfs(9reifswalb; er fagt im
3. drgängiiugsbaitb bes ©örterbudjs bes beutfdjeu dermal tun gS-
red)tes:
Sie Efolluöenbigteit eikes beniidn'U Iietlah.*gen‘i’i«> rinn ^ilnm ber
bentniien Seeleute ift feit o.ahr^elniten oon pomubiger Seite betont nnb
begrimilct morden. Os bandelt fi di bei geier.hdier At'itücllimg der S ief=
ladeliiue darum, amtiirb \u beüimmen, wie weit ein S du ff beladen
meiden darf, d b. mie lief es mit iemeiu Mörper ins Malier tainbeu
darf, ohne daß die Oie igln* eutüebi, das Sdriif tonne bei fdileehteiit
©etter burdi den Seegang oerniditet werben, ©enu bas oberftc Ded
gu niedrig über bem ©aßer liegt, wenn alfo ber Aieibord gu flciu ift,
föuucn überfd)lageube ©eilen bas Sdiiff gn feßr belaßen und baburd)
gum Siitfeu bringen ober Mcnfcßctt über E3orb fpülen und bie Hilfen
einfd)lageu.
öorfdjrifteit über bie 9lrbettSgeit t» (Detreibetnübleit. 3« ber
gatßpreffe ber organifirteu Müflergefellen werben bie uulängft oom
SuubeSratl) erlaffenen E3eftimmungen über bie Elrbeitsgcit in
treibemüßlen als ungureießenb angegriffen. Die Scrorbnung findet
ltämlid) bloß auf die „bei ber E3cbienung ber Mahlgänge" be^
fd)äftigten Olebilfen unb Lehrlinge Einwendung (ocrgl. Et'r. 31
Sp. 852 b. 331.), aber nid)t auf Hilfsarbeiter, namentlich aber nicht
auf bie an ben ©algenftiihlen unb Dismembratoren befcßäftigten
Elrbeiter. 9iad) ben EluSführuit^cn ber „EJorbb. Eilig. 3 c iUiug",
die' fieß gegen biefe Eingriffe ber ^adipreffe menbet, ßerrfeßt in den
©roßmüßlen der fontinuiriieße betrieb und eS ift in diefeu oßnc*
dies eine ElrbeitSgeit mit längerer 9tußepaufe als der oon der
Verordnung oorgefdjriebenen iiblicß. Der C9cfeilenfeßaft fei bie
Sfußegeit in ooHeut Umfange gefiebert. Gs würbe den Elbficßteii
ber Verordnung guioiderlaufen, wenn ihre Vorfcßriftcu nid)t aud)
auf bie Vebiemingsmanufcßaft ber ©algenftiihlc angewenbet lüiirdeii,
und eS liege aiuß fein ©rund gu ber Einnahme oor, baß den Vc*
ftimmimgen bei ißrer Efugfüßrung eine fo enge EUiSlegnug {gegeben
werden füllte, wie in jener greife oorausgefeßt wird. 3in Vsjegcio
faß gu den EluSfüßrungen ber gaißprcffc "der organifirteu Müller
erftreefe fid) die Verordnung auf alle bei dem eigentlichen Mahl*
progeß beteiligten V^fonen; ißre Dragweitc fei alfo crßcblidi
unterfd)äßt worden. — ©ir oermögeu gegenüber diefer offigiöfen
ej'tenfioeu EluSleguug einer Strafoorfdjrift nufere Vedenfeu mär
guriiefguhalten, ©enn fid) die Verordnung itad) der Elbficßt bc->
©efeßgeberS auf alle bei bem eigentlichen Maßlprogcß betbeiligtn;
Verfoncn erftrerfen füllte, bann ßat er fid) jedenfalls einer 3ortmo
lirung bedient, die der Mißdeutung fähig ift, und eine Elcudcriing,
die den mirflicßen ©illen des GiefeßgeberS ungweifelßaft ginn Eins»
bruef bringt, wäre am ’ißlaße.
Die ^abrifinfpeftorimteu in ©eimar fotten fid) nid)t bewährt
ßaben. Slmtlicß wird_ dort erflärt, daß „die oerfueßsweife
gießung weiblicßer Eljfiftentcn gu ben ©efd)äfteu des ‘JabrifinfpcftotS
im erften und gweiten Verwaltungsbegirf (©eimar und Elpolba)
fid) nießt bewäßrt ßat, und baß ein Vebürfitiß gn deren 3orO
befteßen nid)t oorßanben gu fein fdjeint". Vegrüubet wird biefe
Grflärung damit, baß bie ©ewerbeanffießtsbeamtinnen gu wenig
oon der weimarifeßen Elrbeiterfißaft in Elnfprucß genommen morden
feien. Die ©eroerbeauffießtsbeamten für Vatjcrn, Hoffen und
©ürttemberg fpreeßen fieß bcfanntlicß, gum Dßeil feßr lebßait
für bk Vcißiilfc oon grauen in ber gabrifinfpeftion aus. gn
j ©eimar mögen oieHeicßt perfönlicße und lofale llmftände mit*
fpreeßen. 3cbenfalls befißt biefe Giugelerfaßrung feine allgemeine
| VemciSfraft. Steßt man boeß neuerdings aud; in Preußen und
| Sad)feu an amtlicßer Stelle ber Ginfiißrung weiblicßer Hüf^beamte
I oiel freundlid;cr gegenüber!
| Sßoltgeiocrorbnung für Unterclfaß über Väifereien. Den Vc*
ßörbeu oerfeßiebener Städte, wie Hamburg (oergl. „Sogiale ^rariS"
I VII. 3aßrg. Sp. 308 ) und Dresden (a. a. 0. Sp. 409), die "auf
; ©rund des §. 120e Elbf. 2 der ©ewerbcorbnuug eingehende Vor*
| fd;rifteu über die Ginricßtung und ben Vetricb oon Väcfereicn und
| Monditoreieu erlaffen ßaben, ift munneßr aueß der Vcgirfs*
I präfibent für Unterelfaß gefolgt. Die Verordnung, über deren
| Vorbereitung wir fd)on in EJr. 4 d. VI. Sp. 96 bcrid;tet haben,
j ftimmt in allen wefentlid;eii Vunftcii mit der Hamburger überein.
| Elitßer den dort angeführten Veitimmungen ift nur uoeß folgenbe
I Vorfcßrift über bk Scßlafräume beachtenswert: „Soweit die Elr*
1 beiter uießt eigene ©oßn* und Sdjlafräume. befijjen, muß für jeden
I berfelbcn ein befonberes Vctt oorßanben fein; inSbefouderc dürfen
! aud) Da, wo mehrere Elrbeitsfd)id)teii ftattfinden, nicht etwa dicfelben
; Vetten abwedjfelnd oon ben Sag* und Ecaeßtarbeiteru benupt
; werden." Möge biefes energifißc Vorgehen in gaßlreicßen Vegirfen
' 9^acßaßmuug finden im gutereffe ber Elrbeiter wie der Monfumeuten!
Elrbeitcrfcßub in der cnglifdicn 3ündßoIgfabrifation. Die
’NVomen’s Trade Union Lea^ue hat ein Memorandum über die
Verwendung oon gelbem Phosphor bei der Gigcugung oon 3ünb*
I;ölgd)eu oeröffentlidit, in dem folgende Maßregeln gum Sd;up
gegen Die Vhosphoniefrofe oorgefdilagcn werben: 1. Verbot der
i Vefißäftiguug jngenMidicr Elrbeiter unter 18 Saßreit bei dem Elr*
beitsprogeß mit gelbem Vhosplior; 2. ärgtlidje gufpeftiou; 3. ge=
i eignete Ventilation ber Elrbeitsräuuic; 4. befouderc ©afißeinridi*
, tuugen; 5. Giuridituug befonberer Speiferäume und ©arberoben;
1085
©ojialc ^rajüs. Eentralblatt für ©ozialpolitif. Rr. 40.
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6 . Vcfdjränfuttg beS ^rozentfaßeS uon gelbem $f)o3pl)or in ber
uertuenbeten Vtifdjung; 7. f&idjtroeife Vefdjäftiguug; 8, Aufteilung
einer gabrifinfpeftortn für bie 3ünbf)olzfabrifen; 9. Ausbeutung
bcS ilnfaducrficherungSgefeßeS auf bie 'ißfjoepliorncfrofe.
^rbeitcroerpidjerntio. Spachaffen.
Einheitliche Organisation ber brei ArbeiterPcrfidjerungSzttieige.
Offiziös roirb roieber einmal behauptet, „baß bie Streife, welche Die
3cit für eine einheitliche Organisation ber Arbeiteruerficherung ge®
fumtnen glauben, fid) im Srrtljum befinben. Die Erörterungen,
iüeldje uor einiger Qtit in bem juftänbigen Reid)Sreffort unter 3 Us
Ziehung non in ber VerficherungSuerroaltiing fteljcnben Vraftifcrn
ftattgefunben, Ratten ergeben, baß bie grage jur Entfcßeibung nicht
reif fei, unb Aenberungeit in biefer Schiebung biirftcn faum ein*
g etreten fein. Auch läßt baS in Aussicht genommene Vorgehen
ei ber Reuifion ber VerficherungSgefeße einen Schluß in ber an« |
gegebenen Richtung faum ju. s Äau miH junädjft bie Unfall«
üerfid)erungS«Eefeßgebung reoibiren unb lief) bann uon feuern an
eine Reuifion ber Kranfenuerfidjcritng machen. Seber Verfid)erungS«
Ztueig mirb bemgetnäß einer befonberen Veßanblung unterzogen
roerben. VSürbe man eine lTmaeftaltung ber Organisation beS
gefammten Verfid)erungSroefenS bejrcecfen, fo mürbe auch rooljl
eine gleichzeitige Reuifion ber einzelnen Eefeßc ftattfinben." Daß
Zur 3dt oon ©eite ber Regierung eine einheitlidje 3 u fammen«
faffung ber Kranfen«, Unfall« unb JnualibitätSucrficherung nicht
geplant ift, roirb Riemanb beftreiten. Daß bie 3 u f un ff iroßbetn
eine foldje Organisation bringen muß, ift unfere fefte lleberzeugung,
unb roir hoffen, baß ber $Reid)^tag bei ber Reuifion ber einzelnen
VcrfichcrungSgefcße jebe Riaßnahme förbern roirb, bie fpäter zu
biefem 3iele fuhren fann. Die örtlichen Rentenjteden im neuen
Jnualibengefeß finb folche 3eden bes fünftigen einheitlichen Ver«
fidjerungSorganiSmuS.
$eruf$genoffenfdjaftStag in Konftanz. Am 28. Suni oereinigteu
l'ich bie bem Verbanbe ber beutfehen VcrufSgcnoffenfchaften an«
gehörenben Delcgirten ber VerufSgenoffenfchaften in Stonftanz z u
ihrer 13. orbentlicheu Versammlung, ber auch Vertreter ber Regie¬
rungen bes Reiches unb ber Einzelftaaten beiroohnten. Dem Ver«
banbe gehören jeßt nach Eintritt ber guhrroerfS«VerufSgenosfcn«
47 VerufSaenostcnfd)aften an. Rad) bem Verid)tc bes Ehren«
mitgliebes oeS VerbanbeS, ReichStagSabgcorbnetcn Röficfe, Stedten
fich bem Vefchluffe beS uorjäf)rigen VerbanbStagcS, auf ber ^ßarifer
VöeltauSftedung gemeinsam mit bem Reichs« VerficherungSamt burd)
eine befonbere AuSftcdung bie Erfolge ber beutfehen Arbeiter«
oerfid)crung z u ueranfthaulidjcn (ogl. ,,©oz. $ra£is" VII. 3al)rg.
©p. 708), folche ©djroieri gleiten oon ©eiten ber AuSftcdungS«
fommiffion entgegen, baß ber Vorftanb oon feinem Vlane znriief« j
gefommeu ift unb bem VerbanbStage oorfd)lägt, an ©tede ber
VluSftedung ein 23erf zu fd)affett, bas beu EntiuicfelungSgang beS
beutfehen Verufeigeuosfcnfchaft^roefenö anfd)aulid) barlegeu unb bem
Reichs« VerficherungSamt übergeben roerbeit fod, bas bie ©chrift
auf ber uon ihm felbftänbig gefd)affenen Ausftedung auslegen
roirb. Der Referent bebauerte eS lebhaft, bafe auch an aderhöchster
©tede bie Vebeutung beS VerufSgenoffenfdjaftSrocfenS nod) unter«
fd)äßt roerbe, unb baß biefe Anstauung uiellcidjt mit bazu bei«
getragen hohe, baß ber Verbanb mit feiner urs’prünglidjett Jbee
nid)t burchgebruugen fei. Als ein Ausfluß biefer ablehuenbett
Haltung inüffe aud) bie Richterrid)tung bcS uon fast bem gefammten
Reicfj^tage befürworteten Rtufeums für ilnfaducrhütung angefeßen j
werben. ES biirfe roohl erwartet roerben, baß bie Anfichten ber I
obersten Verwaltung in biefer Veziehung fid) halb änbern unb I
Hären, bamit bie VerufSgenoffenfchaften auf ihrem uorgezeichnetcn
2Sege roeiterfchrciten fönnen. — Ueber bie Nahrung ber bcruf§«
genoffenfcf)aftlid;en ©elbs'toerroaltuug beu 2luforberungen ftaatlidjer
^ßerroaltungöbehörben gegenüber, bie ©teduug unb bie 2lufgaben
ber Veauftragten unb bie Örage ber orbnung^mcifcigen Einfenbung ]
ber Unfadanzeigen an bie OrtSpolizeibehörben unb an bie Organe
ber VerufSgenoffenfchaften Sprach Süreftor SScnzel«Verlin/ber
feine Ausführungen in folgenber, uon ber Verfammlung an«
genommenen Refolution zufamntenfaBte:
1. in bem §. 139 b ber öeroerbeorbnung eine Veftimntung aufzu s
nel)meu, nad) welcher burtb Anorbmmg ber ^mtbeSregierungcn
bic Aufsicht über bie Ausführung ber Unfafluerhütnng in beu
berufsgcno[sensd}a[tlid)eu betrieben auf Antrag beS (yJenoffen«
S'd)aftSoor)‘tanbes beu Veauftragten ber zuftänbigen VerufSgenoffen«
fchaft auSfchlieblich übertragen roerben fann;
2. beit §. 120e ber Ctferoerbcorbnung bahin zu erweitern, bafj ben
VerufSgenoffenfchaften entroeber eine cntfdieibeubc SWitroirfnng bei
beut Erlaf 5 oon UnfadoerbütungSoorfchriften feitens ber ftaat«
lidicn Organe gewährt roirb, ober bafj bie Vetriebc berjenigen
VerufSgenoffeufchaitcn, bic ben Erlaß eigener zwccfentfprcdjenber
llufaUucrhütungsüorfdiriften unb eine roirffame Äontrole über
bereit Durchführung nachzuroeifen oermögeu, auf Vefcblufj ber
2aitbcsregieruug oott ber ^Befolgung ber ftaatlidjerfcits erlaffeneu
Vorfchriften befreit roerben.
ferner empfahl ber Verbanb bert VerufSgenoffenfchaftö« unb
©eftionSuorftänben im Sutereffe eine» gebeil^lidjen 3ufammen«
roirfcnS ber genoffenfd;aftlichen Organe mit ben ftaatlichen Ver«
roaltnngSbehörben, bem Erfuchen ber lehteren um VHtthcilungeu,
bie sie zut* D'urdsführung beS UnfaducrficherungSgefeheS für
roünfchenSroerth era^ten, Jolge zu leiften. dagegen glaubt er
ade Sorberungen biefer Vehörben, bie baranf gerietet finb, bie
VerufSgenoffeitfchaften zu einer fortlaitfenben regelmäßigen Verist«
erftattung für bie bienftlichen 3*oecfe ber ©taatsbel)örben h^uu«
Zuziehen, als einen burd) baS ©efeö nicht begrünbeten Eingriff in
bie gcnoffenfchaftliche ©clbftuerroaltung ablehnen z u müffen. —
Droß energifd)en s BibcrfpruchS beS Abgeorbneten Vöficfe, ber bic
roeitgehenbs'te Heranziehung ber Arbeiter zu ber Ventenfeftfebung
befürwortete, unb trobbent aud) mehrere anbere Delegirte ihit
unterftübten, würbe auf Antrag beS Referenten, gabrifbefiber
Dr. Fachmann«Verlin, zum SnualibenuerficherungSgcfeb folgenbe
Refolution angenommen:
Da nad) ben Erflärungeu ber Regierung unb ben Verfjanblungen
in ber Reid)ötagö=Ä'ouimiffton uid)t auSgefdjloffen ift, bafe bic für bas
gnualibenuerficherungsgefeb uorgcfchencn Rentenfteden fünftig auch für
bte Uitfaduerficherung zur Anroenbung fommen foflett, erflärt ber VerufS«
genoffenfd)aftStag: „Die in beut Entwurf eines Suualibcnuerfidjerungs«
gefebes nad) ben Vefchlüffen bes Reichstags in britter Verathuug uor«
gesehenen Rentenfteden eignen fid), soweit fte als bcgutachtenbe Vehörben
in Vetradjt fonirnctt, nicht zur Einführung in bie linfadoerfidjcrung, ba
fte bas Verfahren oerlangfamen unb oertheueru. gnforoeit ihnen aber
bie Vcfchlufjfaffung int Eutfchäbigungeoerfahren überroiefen roerben fod,
finb )le für bic Unfadoerfidicrung uubraudibar. ©ie bieten roeber eine
Ecroähr für eine genauere Prüfung ber llnfäde, noch für eine richtigere
geftftedung ber Entfd)äbigmtgeu, als bic Organe, bcneit ttad) bem be«
[tehenben Oiefcb biefe Aufgaben obliegen. Aud) gefährbeu bic Renten«
fteden bic Einheitlidjfeit ber Erttnbfähc bei ben Entfdieibungeu ber
erften gnftanz innerhalb ein unb berfclben Verufsgenoffcnfchaft.''
Die grogc ber Altcrsbcrforgung itt Cefterreid). 3n beu Ve«
richten ber öfterreichifd)ett EJeroerbeinfpcftoren pro 1898 fehrt
roicberbolt bie Silage über bic noch immer mangelnbe Alters«
uerforgung ber Arbeiter roieber unb cS l)ut ben Anschein, als ob
felbft in beit lluternchmerfreisett bie Anficht uon ber Rothroenbigfeit
ber Arbeiter«AlterSueriid)erung bereits zum D)urd)brud) fällte, ©o
berichtet ber (Grazer E)eroerbe«3nfpeftor:
Einftchtsoode Unternehmer erflärteu roieberholt, fte würben bie
Einführung ber obligatorischen Altcrsuerforgung mit greubert begrünen,
felbft wenn ihnen hierburd) roieber neue Opfer auferlegt würben, gtt
ber Regel forgen übrigens foldje Arbeitgeber fept fdjon für ihre Arbeiter,
in ber Erfenntniß, baß es eilten alten, itt Ehren unb in fleißiger Arbeit
ergrauten Arbeiter tief ucrleßen unb fränfen muß, roeittt er in feinen
alten Dageu feiner .freimathg^meinbe zur Saft faden fod. Rieht nur,
baß einzelne SBerfsinhaber fortlaufenbe Pensionen aus eigenen Mitteln
bezahlen ober Unterftühungsoereinc mit ^ufdfiiffen aus ihren Mitteln
gegrüttbet haben, fonbern es roirb uielfad) alten Arbeitern ber uode
Sohn felbft bann nod) gezahlt, roeittt bic Arbeitsfähigfeit fdjau ftarf
Zurüdgegangett ift.
gleichzeitig hiermit auSgegebene Rr. 10 ber R?onatSfd)rift Rfittheilungen aus ben Entweihungen ber Ekroerbegeridjte Stuttgart,
„DnS ©ctocrbegcrid)t" enthält: Vranbenburg a. ßubroigShafen am Rhein, Dortmunb/granfcnthal
. ®te 3uläfsigfeit ber Verufung gegen llrtheile ber (bewerbe« unb beS Sanbgerid)ts Duisburg.—"Allgemeines über (bewerbe«
gertd)te. 33on ©tabtratl) Enno, Königsberg i. Vr. — Der Elefeß« geriete unb ArbeitSuertrag. AuS ben Jahresberichten ber
entrourf zum ©chuß beS geruerblid)cn ArbeitSoerhältniffeS. Von j Ekiuerbegerid)te. — VerbanbS « Angelegenheiten. Veitritts«
^tabtratl) Dr. K. glefd), granffurt a. V?. — Red)tfpred)ung. erflärung. — JnhaltSangabe ber „Sozialen VrariS".
ScrantroortIt(5 für btc SRebafttott: Dr. Cm ft ftmnde t n Sctlitt W., Saqreut^erftrafee 2».
1087 Soziale VragiS. (Sentralblait für ©o^ialpolttif. Kr. 4o. l<xs
2)ic „$*ftal# pvari»" erfcbeint an jebem ©onnerölag unb tft burd* alle Jöuc^ljanölungen unb ipojtauuei- iVmtjeitunftanuntiiKt 7072) *u beließen, ©er $reis
für bat Vierteljahr tft 9K. 2,50. ^ebe Kummer foftet 30 Vf. ©er «rtjeiaenprei« tft 60 Vf- frtr bie breigefpaltene ^etit^etle.
fw trften gattjajir 1899 frei jtottrfter & gjumblot in {eiptig j
erfdjiettett: I
$if, ber 3äoIfejäf)limg uom 2. Sejent&er 1H«5
unb ber Vcruft* unb Okroerbejablung uom 14. guni 1895 in |
ber ©labt Seipjig. Veavbcitet im ftatifüfc^cn 9lmt ber ©tabt
^etpjig. II. ©heil. ©onberabbrud aut ben ftribtifc^en Vcr* I
roaltuugtbfricbten für bie ^>af)re 1896 unb 1897. 5er. 8° |
(VII, 73 ©.) 1 SK. |
Felix, Ludwig, Entwicklungsgeschichte des Eigenthums
unter eulturgeschichtlichem und wirtschaftlichem Gesichts- i
punkte. IV. Theil, zweite Hälfte, I. Abtheilung.
a. u. d. T.: Der Einfluss von Staat irod Recht auf die
Entwicklung des Eigenthums. Zweite Hälfte, erste Ab- |
theilung: Das Mittelalter, gr. 8° (XII, 776 S.) 15 M.
Forschungen, Staats- und socialwissenschaftliche, heraus¬
gegeben von Gustav Schmoller:
Band XVI, Heft 5:
Die mittlere Lebensdauer in Stadt und Land. Von
C. Ballod. gr. 8° (IV, 141 u. III S.) 3 M. 60 Pf.
Band XVII, Heft 1:
Die finanziellen Beziehungen der florentiniseben Bankiers
zur Kirche von 1285 bis 1304. Von Georg Schneider,
gr. 8“ (X, 78 S.) 2 M.
%teunh, 9luf)arb, ©er Krbeiltuacbroeit. (5ine fojialpolitiftfic
©tubte. (Jrmntcrtrr ©onbrrabbruef aut ber „©ojiafcn
8° (23 ©.) 40 Vf.
©tttltbti^ bet £|terreiif)ii<fjen Kccbt*/ berautgegeben non ,
SL ginger, €. granfl, X. Ullmann:
III. «anb, V. Abteilung:
(tirunbrifj bet ©erocrberedjlt unb ber 2lrbciterocrficbe= .
rung. Von Victor SKataja. 5er. 8° (VI, 137 ©.)
3 3K. 60 <#]., gebb. 4 3K. 20 Vf- j
für öefeftgebung, Verwaltung unb Volftroirtfdjaft
im ©eutfeben Keidh. .fterautgegeben non 01 u ft an ©d)m oller,
gr. 8°. Kcue golge. XXIII. gafjrgaug.
ISrftct -S?cft. (IV, 395 ©.) 9 SK. 20 Vf-
(gnbalttangabe ogl. in Kr. 16 unb 17 biefet Vlattc*.)
Sroctte* £>cft. (IV, 364 ©.) 8 SK.
tgnbalteangabe ogl. in Kr. 28 unb 29 bicic* Vlattc*.)
stict), m., Vei totpp. Ginc foctalpolütfc^c Keifeffi^e unter
befonberer Verücfficbtigung ber 2lrbeiter*S!3obnungtfürforge.
gr. 8° (X, 165 @. mit ©ft^en im ©e£t unb 3 grapbifdien
©afeln in golio.) 8 SK. 60 Vf-
91. ©at Verhältnis bet Verbrauchet ber Staffen
$u bemjenigen ber „kleinen Seittc", ber 2£of)lbabenben unb
Ketten unb bie SKarsiftifdje ©oftrin. ©onberabbrtuf aut
©djmoüert gahrbueb für Gefepgebung. gr. 8° (48 S.) 1 SK.
@d)riftett bet beutfeben Vereins für Armenpflege unb 2Bobl s
tptigfeit: j
40. $eft gr. 8° (IV, 145 n. XVI ©.) 3 m. 60 Vf- f
©tenograpbifeber Veridft über bie achtzehnte gafiret*
oerfamntlung bet b. V. f. A. u. SB. am 29. u. 30. ©cp*
tember 1898 in Kürnberg.
(gnfjalttangabc ogl. in Kr. 19 biefet Vlattes.)
bet Vereint für ©ogiatyolitif:
Vattb 80: gr. 8° (XV, 461 ©.) 10 SK. 20 Vf.
a. u. b. ©.: Unterfuebungen über bie 5age be* $aufier*
geroerbe«? in ©eutfrfilanb. Vierter Vaub.
V<mb 82: gr. 8° (LXXI, 339 ©.) 9 SK. 60 Vf.
a. u. b. ©. : Unterfucbungcn über bie 5age bet pctufier* \
geroerbet in Cfterreid).
(Vanb 79 unb 81 ber ©du*, b. V. f. ©. roerben fpäter
erfebetnen.]
Siinoil, Carl, Der Export landwirtschaftlicher und land- |
wirtschaftlich-industrieller Artikel aus den Vereinigten Staaten
von Nordamerika und die deutsche Landwirtschaft. Studie,
gr. 8° (XII, 132 S.) 2 M. 80 Pf.
bet Kalbet ber ©labt 5eipjig für bat I
©sabr 1897. gr. 5er. 8° (IV, 824 ©.) I
geb. in 5cincroanb 10 SK.
"Ukncfftcrn, Slbolyt) Von, isin }?roccttt. X\c gdtiaffung |
unb (IrbaÜuitg einer beutfeben ©djladjlflottc. gr. 8° (IV, |
65 ©.) l SK. 40 Vf-
Verlag von Otto Wigand in Leipzig,
Das Ende
des
Marxismus.
Von
Dr. Paul Weisengrün.
Zweite unveränderte Auflage.
Gr. 8°. Preis M. 1,50.
Durch alle Buchhandlungen zu beziehen.
| Durch die meisten Buchhandlungen zu beziehen:
Die
Bedeutung des Seeverkehrs
für Deutschland.
Von
Ernst von Halle.
Preis 60 Pf.
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Ein Procent.
Die Schaffung und Erhaltung
einer deutschen Schlachtflotte.
Von
Adolpli von Wdickstem.
Preis 1 M. 40 Pf.
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel in Berlin W.
Die
Arbeiter-Versicherung |
im Auslande.
Bearbeitet von
Dr. Zacher,
Kais. ( ich. Re i?.-Rat im Reich9-Versicheruugsamt.
Heft Vll/Vlll.
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Preis 3 Mark.
ikrantiDortlid) für Die Snjcigeu: fcUmwjfi < s 'nbel, irerjüj. - v i«aioii iUm imufa iV ücu?#:|. — Öcöcucfi bet 3ultu8 6ittenfflb. öcrlin-
VHL % tipfltng.
SBerltn, ben 13. 3uli 1899.
Itnmmer 41.
Soziale prayts.
^enlraCMctff föt ^ogiafpofifiü
mit t>er SRonatSbetlage:
Vas (Bewerbecjericht.
©rgan bes Vetbanbes beatfdjet <5emetbegerid}te.
Neue gotge ber „Blätter für fogtale PraylS* unb beS „Sogialpolitifchen EentralblattS*.
CHrf#ctaf «m ftbm SommerUM. Herausgeber I frei« niertdiürliil 54 SR. 50 ff.
Rebaftton: Berltn W., Bapreutherftrahe 29. Dr« Ctttfl ^tdtuktt ©erlag Pott 3)mj<fer & $um6lot, ßeipgtg.
Strbeitetfdjufcflaufeln bet ben
öffentlichen Arbeiten in ff ranf«
tei<$. ©ott g. ottboefer,
©arii.1089
©ie gefefclit&e Regelung bet
StrbeitSberbältntffe bet Keil*
net unb Kellnerinnen, ßon
Dr. Hrtbut ©oben, 3ttün$en. II.
1094
MtaRcteetofttel’ unb
»KUH.1096
$teufjif$e£ #errenljauS unb
Reich« - ©efefcenttturf „aum
©djutje be$ <jet»etblidjen 9tr*
beitSöerbaltniffefi".
ffrauenatbeit in ffabrifen.
Rmmntaale •otUlpoltttf'. . . . 1099
©et ©täbtetag bet ©ro&ina Saufen.
Kommunale ©oaialpoliti! in Rorb-
ametifa.
«ciettee»ct»c«uut.1100
Ro<$mal8 bie ©etgatbeüet*nntuben im
SRubtreDtet.
3 m ffierliner ©augetoetbe.
Urteile übet ben ©rünnet Sejtit*
arbeiietftteif.
«ufttttevf**.1102
Staatliche Qirbeitetfchubbebingungen
bei ©taatäbauten in ©teuren.
©ie ©<b»efeIfoblenftofi*©etgiftung bet
@ummi»8trbeiter.
Vtbeüevbetfici enmg- ©für (affen 1103
©ie beutfefce ©ee«©eruf«genoffenf(baft
1898.
©ie »ürttembergifebe ^nbalibitötS*
unb 8Uter8»©erfidjeTung8anftatt unb
bie Kranfenffiiforge.
0Y*4*#««*toci*.1104
©in Beugm^ für ben unparteiischen
5ltbeit8na<hn)ei8.
©ie ©entralanftalt füt Arbeit«*
nadjmet« in Siegni^. ©on Dr.
©. SBiebenfelb, Siegni^.
©ie Sbfttiflfcit bet Rtbeitabörfe in
in ©ent 1898.
fBublfubttfeburUttauifu.... 1107
©et Kölner ©etein weiblicher ön*
gefteüter.
9ttiScetlen au* ^eilftöttenbewegung.
COobnuugttnefeu.1107
©ietter ©erbanbstag bet ©augenoffen*
fcfcaften ©eutfcblanb«.
Eingabe bet Eoangelifdjen Arbeitet*
beteine a*» SBobnungflftage.
2 Boljnung«fürforge in Stolp i. ©om.
©e|ic|uttfl uub ©Ubnug.1109
SoUöborlefungen.
©et freimillige ©raiehungflbeitath füt
fchulentlaffene Söaifen in ©etlin.
1110
Äbbtutf f&mmtlicbet ttttifel ift Bettungen unb ßeitfdjriften geftattet ( jeboefc nur
mit boüet CueEenangabe.
^tbettetfihtt|blitttrtltt bet ben öffieutlidjen Ätbeilen
tn ^ntnbteid).
&ie grage ber Einführung oon Schufcf lauf ein in bie 93er*
aebungSfontrafte über öffentliche Arbeiten fteht in ßr^anfreid) oor
ber gefefelid)cn Siegelung. $ie Deputirtenfammer ift bereits in bie
Beratung eines entfprecfyenben ©efefcentmurfeS eingetreten, ber
auf oerfchiebene Qnitiatioanträge aus ber Kammer inn oon ber
Arbeitsfommiffion oorgelegt würbe. Praftifdje Bebeutung hotte
oas Problem in granfreid) fdjon feit 3af)ren erlangt. ®ie Stabt
poris, beren überwiegenb rabifal-fogialtftifcher ©emeinberath ftets
eine energifche Arbeiterpolitif oertritt, oerfudfjte mehrfach, bei 23er*
Ö ihrer umfangreichen Aufträge ben Unternehmern gemiffe
chtungen gegen ihre Arbeiter aufguerlegen. 3» Ben adliger
3ohren fam eS hierüber gu langwierigen RedjtSitreitigfeiten gwifd)en
Ber (Stabt Paris unb ber BerwaltungSbehörbe, welche bis oor bie
lebten Sultanen ber BermaltungSgerichtSbarfeit gebradjt mürben.
3n golge biefer 23orgänge mar auch BaS Parlament fd)on in
früheren SegiSlaturen burch oerfchiebene Anträge unb Petitionen
für bie grage intereffirt morben. 5)ie Anregungen, welche mährenb
ber lebten 3ah^e oon anberen in biefer Dichtung oorangefebrittenen
ßänbern famen, fanben fo bereits eine einhetmifche tit fich reife
unb bireft ber Praxis entworfene Bewegung oor, bie fte nur
mehr auf jenes SRioeau genereller unb pringipteller Erörterung gu
führen hotten, baS bie Schnelle gur IegiSlatioen giyirung bilbet.
^)ie Reflexionen unb Argumentationen, welche heute in granf*
reich gur gefeblichen ßöfung Des ProblemeS brängen, entfliehen brei
getrennten ©ebanfenreihen:
3n erfter ßinie fteht bie Reform beS herrfd)enben 93er*
gebungSfpftem^, welihe aus rein prioatwidhfchoftlichen ©rünben,
alfo ohne bireft fogialpolüifdje SRotioe, nöthig erfcheint, mit welcher
allerbingS arbeitergünfüge Söirfungen oerbunben fmb. 2Bir fönnen
hier nur [ehr flüchtig barauf eingepen. SDie marches administratifs
werben wie überall bem minbeftnehmenben bcr oertrauenSmürbigen
93ewerber gugeftanben, bie bei freier Äonfurreng ihre Anerbieten
in Sorm oon Rabatten auf bie amtlichen ^oftcnanfchläge einbringen.
3n perioben mirthfchaftlidjer ^rifen hot man nun gerabegu un*
glaubliche Offerten erhalten unb bemgemäfc 93erträge abgefchloffen.
3mifchen 1885 unb 1890 waren Rabattgewährungen ber Unter¬
nehmer oon 50—60o/ 0 nicht feiten. 2)ie Uebernahme eines Auf¬
trages gu folgen Sebingungen hot natürlich ungenügenbe ßeiftungen
S c Solge: 2)er Unternehmer oerwenbet fchlechteS Rlaterial unb
lec|t gelohnte Arbeiter, audh menn ihm baS 23ebingungSheft all¬
gemeine gegentheilige 23orf<hriften hierüber giebt. 3ebenfaus werben
Sie ©araittien für ejafte unb gute fiieferungen unter biefen Um*
ftänben fehr gering, unb auger ber fchärferen ^ontrole ber Aus¬
führungsarbeiten ermad)fen bem Auftraggeber leicht Progeffe unb
weitere Unannehmlichfeiten, fo bah Bie Rufe nach Reformen nicht
oerftummen. ds ift aüerbingS ferner, baS UnterbietungSfpftem
burch ein befferes gu erfefeen, unb eS wirb wohl als fleinfteS ber
möglichen Uebel beibehalten werben tnüffeit. Sbarum erfd^eint eS
aber auch um fo nothwenbiger, ben mitfprechenben fogialpolitifcheu
Erwägungen Raunt gu geben. $)er ©eneralrath ber Strahen- unb
93rücfenbaubehörbe erflärt gwar ben Einfluh ber Rabatte auf bie
Söhne für RuH. Als 23emeiS hierfür führt er an, bah Bei einer
unb berfelben in Soofen oergebenen ^analftrecfe bie Rabatte für
bie oerfd)iebenen Soofe gwtfchen 10 unb 40% oariirten, währenb
ungeachtet beffen bie Söhne auf ber gangen Stredfe bie gleichen
waren, bie Sohuhöhe bürfte in biefetn SfaEe allerbingS ber
40%ige Rabatt in gröberem Riahe beftimmenb gemirft hoben als
ber lOo/ 0 ige. UebrigenS wäre bie Einführung oon irgenb welchen
Sohnflaufefn in baS 93ebingnihheft feineSmegS bie erfte Aenberung
beffelben, welche in arbeiterfreunblichem Sinne oorgetiommen wirb.
Bereits im 3oh*e 1888 gewährte man ben als 93cmerber auf*
tretenben Arbeiterprobuftiogenoffenfchaften gewiffe Erleidhterungen
in Begug auf bie gu ftelleitben ©arantien für oertragSmähige Aus¬
führung ber übernommenen Seiftungen.
Eine gweite Reihe oon Erwägungen, welche, ohne eigentlid)
fogialpolitifd)er Ratur gu fein, ber 93ermirfli<hung bes Arbeiter*
fdjupeS in ben öffentlichen Unternehmungen ben B3eg bahnten, ent*
1091
Sogiale BrajiS. Eentralblatt für Sogialpolitif. Ar. 41.
1092
{prangen ebenfalls unmittelbar ber ^rajis. Es finb bic ö f o n o m i f cß *
rechtlichen Erwägungen im Qntereffe ber öffentlich)en
Auftraggeber felbft. Da bie $oftenanfcßläge über bie gu oer«
gebenbeu Arbeiten auf ortsüblichen ober objertio berechneten Ein*
ßeitSpreifen beruhen, ba ben Bebingnißbefteit eine Lifte biefer greife
beigeheftet wirb, atterbingS ohne oerpftichtenbe $raft für ben Unter*
neßtner, ßot öffentliche Auftraggeber ein natürliches Sntereffe
baran, bie Aufträge unter effeftioer Anwenbung biefer Säße aus*
geführt 31 t fehen. Ein beträchtlicher £f)eil beS UnternehmergewinneS
fließt jeboeß in ber Siegel auS ber Differeng gwiftßen ben offiziellen
Annahmen unb ben wirflicßen äßarftpreifen. Sie ber Streif im
^arifer Baugewerbe oom Dftobcr Ießten SaßreS ans Ließt brachte,
beträgt bei ben Löhnen biefer Unterfcßieö in ber Siegel gwifdien
15 unb 20%. So entftanb fd>on in ber erften .Jjälfte biefeS 3aßr*
hunberts, gunäcßft aus rein abminiftratioen 3*oecfen, bas Beflreben,
bie amtlichen ftoftenbereeßnungen, auf benen bie Berträge beruhen,
möglichft mit ber BMrflidjfeit übereinftimmenb unb für alle offene
liehen Unternehmungen uniform gu machen. Balb gelangte man
bagu, biefe amtlichen ißreiSliften bruefen gu laffen unb fie gu oer*
öffentlichen, fo baß fie auch ber Bnoatinbuftrie gugänglicf) mürben
unb rafcß eine Storni für baS gefaminte Baugewerbe bilbeten.
SDiefe gange Entwicflung marfirte fid) am fcßärfften in Boris, wo
bie prix de serie regelmäßig ben BreiSoeränberungen enifpreeßenb
reoibirt würben. Unb gerabe in ber grage ber Steoifion geigte
fich bie praftifeße Tragweite ber Einrichtung. Die Da^en würben
nicht als ortsübliche feftgeftellt, fonbern methobifch auf ©runblage
ber ©efteßungSfoften berechnet, was namentlich für bie gijirung
ber Loßnfäße oon Sichtigfeit würbe. 3m 3aßre 1872 fal) fich
baher ber $arifer ©emeiuberatß oeranlaßt, biefe bisher auSfdjüeß*
lieh oon Beamten oorgenommenen Sleoifionen in bie §änbe einer
Äommiffion gu legen, welche fi<h aus 4 Architeften, 4 Sngenieuren,
4 Beamten, 4 oon ihren Korporationen ernannten Unternehmern
unb 4 oom ©ewerbegerießt begeichneten Arbeitern gufammenfeßte.
Bei ihrem erftmaligen gunftioniren gab fich biß tommiffion lang«
wierigen Unterfuchungen hin, um in jebem $reiSfaße bie Cuoten
beS Arbeitslohnes, ber SJtaterialfoften, ber ©eneralfoften unb beS
Unternehmerprofits genau gu fqriren unb baburch bie fünftiaen
alle gwei 3öh re ftattfinbenben Sleoifionen gu erleichtern. Die beiben
folgenben Aeoiftonen fonnten bamach oon ben Beamten allein auS«
geführt werben. Anläßlich ber SeltauSfteÖung oon 1878 trat
lebocß eine ftarfe fmuffebewegung ein unb man mußte wieber bie
Unternehmer unb Arbeiter ßeraitgießen. gür bie Arbeiter erwuchs
auS ben Berßanblungen bie Berpflichtung, fich mit ben prix de
serie gufrieben gu geben unb feine Streifs gu prooogireit, um
höhere Lößne gu ergmingen. Diefe Berpflichtung würbe in ben
folgenben gwei gaßren mit einer unbebeutenben Ausnahme erfüllt.
Anfangs 1880 jeboeß, als wieber beträchtliche ArbeitSftreitigfeiten
ausbrachen, fchritt bie BerwaltungSbeßörbe gegen jebe Dßeilnaßme
ber Unternehmer unb Arbeiter an ber Darifreoifton ein. Denn
nicht allein, fo motioirte man biefe SJtaßregel, oerhüte bie forpora*
tioe Siegelung ber Söhne bie Streifs nicht, fonbern fie habe auch
bie natürliche Denbeng, bie greife ftets mehr gu erhöhen. Den
Unternehmern war bie BoÖlifation ber prix de serie nie gang er«
münfeht gewefen. 3h r bisher latent gebliebener Sunfd) nach Be*
feitigung berfelben feßte nun aud) lebhaft ein, unb im 3 öhre 1882
würbe ber Darif ber Stabt Baris gum Ießten SKale reoibirt unb
oeröffentlicht. Die offizielle Antheilnahme ber Arbeiterfchaft an ber
geftfeßung ber ArbeitSbebingungen, wenigftenS beS wichtigften
fünftes, ber Söhne, hatte alfo ein gangeS 3ahrgßhat praftifcß
fimftionirt.
Bon bem Bfomente an, als bie prix de serie ber Stabt Baris
nicht mehr bie SJtarftlage repräfenürten unb baburch ihren SSertß
oerloren, machten fich biß britte Sleihe oon Erwägungen, bie rein
fogialpolitifchen ©eficßtSpuitfte, mit größerer straft geltenb.
Sflitgefprocßeii hatten fie auch bisher ftets. Der Barifer ©cmeiitbc*
rath ergriff na<ß biefer Slichtung hi« fofort eine lebenbige 3 nitia«
tioe. gunäcßft oerfueßte er nur, bie in ben leßten prix de serie
angeführten Loßnfäße als Aiinima obligatorifd) gu machen unb bie
3ulaffung ber lohnbriicfenben fremben Arbeiter gu Iimitiren. Balb
gefeilten fid) biefer gorberung bie weiteren nach Stipulirung eines
wöchentlichen AußetageS, ber achtjtiinbigen Arbeitszeit unb beS
Berbotes ber Afardjaiibage. 3nbcffen alle biefe Berfucße ber
SOhmicipalität fdjeiterten am BJiberftanbe ber Staatsregierung,
welche ihre Befcßlüfie ftets annulierte. Saß bie Untcrnehmerfreife
biefe Beftrebungen heftig befeßbeten, braucht nicht breiter auSge*
führt gu werben. 3m 3 aßre 1891 appelhrte ber ©emeiuberatß
an ben Staatsrath, ber bie Entfdieibung bis 1895 hingog unb bic
Appellation cnbgiiltig ablehnte mit ber ilcotioirung, baß bie Ein«
füßrung oon Arbeiterfchußflaufeln in bie öffentlichen BergebungS*
fontrafte ber gültigen ©efeßgebung wiberfprädje, welche für biefelbe
oöllig freie ftonfurreng ber Bewerber oorfeßreibe.
Durcß biefe Streitig feiten beS Barifer ©emeinberatßs mit ber
Aegierung, bie oon giemlicher Bewegung unter ben Arbeitern be*
gleitet würben, gewann bie grage ber Scßußflaufeln ftets breiteren
Boben in ber öffentlichen DiSfuffion unb bamit ftets günftigere
Beurteilung. Die Bemühungen oon Barifer Deputaten, bureß
©efeß ben StaatSratßSbcfcßluß aufguhßben, mißlangen gwar, unb
oerfeßiebene im Barlament eingebrachte Anträge hatten feinerlei
Erfolg, dagegen oerftanb man fich fßh* fßithf bagu, in eingelnen
gälten wie in ben ©efeßen über bie Draanifation ber Meltaus«
ftcüung oon 1900 unb für bie Erbauung oer Barifer Untergrunb«
bahn gewiffe Schußbeftimmungen in bieBebingnißhßfie aufguneßmen.
3m 3aßrß 1896 war baS Betern f^on fo reif geworben, baß
ber oberfte ArbeitSrath fteß bamit gu befcßäftigen hatte. ®aS
Arbeitsamt ftellte eine Enquete über bie analogen Berhältniffe im
AuSlanbe an, unb bie ftänöige Eoinmiffion beS ArbeitSratheS legte
in ber 1897 er Seffton biefer Körperfchafi einen eingehenben Aapport
oor. $)ie Seffion war auSfcßließlid) ber Beratung biefeS oon
einem Arbeitermitgliebe erftatteten AapporteS gewibmet unb fdjlofj
mit einem bureßweg arbeitergünftigen Befcßluffe. ®er Befcßluß
ging auSbrücflicß baßin, baß bie bie öffentlichen Abjubifationen
regelnbe ©efeßgebung gu mobifigiren unb ftlaufeln über ortsübliche
Sößne unb ArbeitSgeüen, einen wöchentlichen Äußßtag unb UnfaH»
oerfießerung auf Unterneßmerfoften in ben Bebingnißßefteit guläffig
feien. $>ie Einfeßung biefer ^laufeln foEe felbft obligatorifcß fein
für alle Sfontrafte beS Staates unb ber Departements, bagegen
nur fafultatio für bie Kommunen.
3n Berfolgung biefeS BefcßluffeS beS oberften ArbeitSratheS
würben bann bie oerfeßiebenen Bfinifterien angewiefen, fteß barüber
gu äußern, ebenfo ber ©eneralratß ber Straßen- unb Brücfenbau*
oerwaltung, ber fieß feboeß gegen jebe Btobififation ber heutigen
©efcßäftsformen ausfpraeß. AicßtSbeftomeniger war nunmehr in
ben AegierungSfreifen ber Boben oöllig geebnet, um bie auS ber
parlamentarifcßen Snitiatioe ßeroorgegangenen Anträge rafeßer Se«
ßanbluitg entgegengufiißren. 5)ie mit ber Borberatßung aller ein*
gelaufenen Anträge betraute $ommiffion ber 5)eputirtenfammer hat
tm April ißren Aapport fertig gefteHt unb einen feßr eingeßenben
©efeßentwurf oorgelegt, beffen erfte Sefung im Bfenum bereits
begonnen ßat. Erwähnt mag hier werben, baß ein früherer
ftommiffionSrapport bureß baS Enbe ber oorigen Segislaturperiobe
wtrlmtgSloS geworben war.
2)er bem Barlamente jeßt oorliegenbe ©efeßentwurf enthalt
$iSpofttionen über:
1 . einen wöchentlichen Außetag,
2 . bie Limitation ber 3^h^ öer fremben Arbeiter,
3. bie ©arantie ber normalen Lößne,
4. bie Begrengung ber ArbeitSgeit.
Auf eine einheitliche für alle öffentlichen Arbeiten gültige
Aeglementation ßat man jeboeß oergießtet. ^)ie ^ompetengen mürben
oerfeßieben fijirt für ben Staat, für bie Departements unb für bie
Kommunen, unb ebenfo würbe bie obligatorifcße ober fahiltatioe
Einführung nießt gleichmäßig für bie ©efammtßeit ber obigen
Stlaufeln auSgefprocßen.
Die Einßeitlicßfeit ber Aeglementation wirb nur für bie oom
Staate bireft abgefcßloffenen Berträge ßergeftellt, unb gwar für
jebe Art oon Aufträgen, feien fte freißänbig ober auf bem BScge
öffentlicher Submiffion oergeben. Die oerfeßiebenen Dienftgroeige
ber centralen StaatSoerwaltung finb bemnaeß gehalten, bie fammt»
ließen oben genannten ScßußHaufeln gu beobachten.
gür bie Departements unb bie Kommunen tritt bie Obligation
nur in Begug auf ben Auhetag unb bie fremben Arbeiter^ ein,
währenb bie Anwenbung ber Loßn« unb ArbeitSgeitflaufeln für ftc
fafultatio bleibt. 9Aan ßat fteß bei biefer Diftinftion oon bem
Beifpiele EnglanbS unb Belgiens leiten laffen unb weiter oon ben
Erwägungen, baß baS Barlament nur bie Befugniß habe, ber
Eentralbeßörbe materielle Borfcßriften aufguerlegen, ba für bie
lofalen unb bepartementalen Beßörben baS gleicße Aecßt ben ©e«
meinbe« unb ©eneralrätßen gufteße.
Der ©efeßentwurf beßnt alfo ben allgemeinen unb o&liga*
torifd)en Scßuß nur auf bie Sicherung eines wöchentlichen AufK*
tages unb bie Abwehr ber fremben Arbeiter aus.
Die öffentlid)=red)t(icb organifirten Anftalten wie llnioerfitäten,
S>ofpitnItT :c., werben berfelben Aeglementation unterworfen mic
bie Beßörbe, ber fie unmittelbar untcrfteHt finb.
Der Scßwerpunft, um ben bte gange Aeform graoitirt, liegt
in granfrcich wie überall in ben Loßn« unb ArbeitSgeitflaufcln-
1098
«Sogtale SßrajtS. ©entralblatt für Sogtalpoltttl. Ar. 41.
1094
3roar fdjeint bie ^ßeriobe ber aBfoluten Ablehnung berfelben oor-
über gu fein; bod) fchrecft man noch fefjr guriitf oor ben Schwierig»
feiten, roeldje bie quantitatioe Sformiruug biefer S3ebingungen mit
fith bringt. ©ie foroohl bie 23erhanblungen beS obersten ArbeitS»
ratheS als auch ber Kommiffion ber Deputirtenfammer geigten,
muh bie 3bee, Minima für Söhne unb ßßayima für ArbeitSgeit gu
fijiren, als oöflig auSfidjtSloS anerfannt Serben. Die meiften
Anficpten neigen nadj ber 93erpfli<htung auf bie fair wages hin,
auf ben taux normal et courant des salaires et la duree
normale et courante de la journee de travail, tüie fiep ber in
Stebe ftepenbe ©efehentrourf auSbrücft. Die S^ftftettung biefer
formen foE erfolgen burch bie auftraggebenbe Vepörbe felbft,
welche jebod) oerpflithtet ift, fooiel als möglich auf bie herein*
barungen gurücfgu gehen, bie groifepen ben Unternehmers unb Sir*
beiterforporationen ber ©emeinbe ober beS 23egirfS hefteten, ober,
roo biefe mangeln, auf bie ©utaepten fpegieüer gemifdjter Korn-
mifftonen. Die auf biefe ©eifc feftgefteHten Tarife finb ben 93e-
bingnihpeften angufügen unb auf ben ©erfplähen angufcplagen,
unb fönnen im Saufe ber Ausführung ber Arbeiten reoibirt
roerben, faßs in ben betreffenben ©eroerbegroeigen fühlbare Ser*
fepiebungen ber ArbeüSbebingunaen eintraten. Ünbefcpabet biefer
allgemein oerpflichtenben Sähe ift bem Unternehmer geftattet, eine
Angapl oon £>albarbeitcrn gu niebrigeren Söhnen gu Befd^äftigen.
®oc^ ift bie Proportion berfelben gu ben S3oflarbeitern oertrags-
mäfeig gu fairen.
Sür bie Salle, in benen eine oorgängige unb offigielle Seft*
fetjung ber anguroenbenben formen unmöglich mar, ift ber Unter¬
nehmer gegroungen, ftch an ben DrtSgebraucp gu halten.
©aS bie Simitation ber3apl ber fremben Arbeiter betrifft, fo
toirb fie für ben Staat oon bem betreffenben SRinifter, für bie De¬
partements unb Kommunen oom $räfefien, alfo ftets auf bem
orbentlichen 23erroaltungSroege, entfprc(henb ben befonberen 23er-
pältniffen, erlebigt.
©ine Umgehung aller ber im ©efehentrourf e enthaltenen Schuh-
oorfchrifteit burch ©eiteroergebung ber übernommenen Aufträge ift
baburep unmöglich gemacht, bah ade Snbfontrafte oon ber auf»
traggebenben Sehöroe genehmigt roerben müffen.
3n Säßen abfoluter Aothroenbigfeit ift bie 23erroaltungS-
behörbe ermächtigt, bie Klau fein über SBocpenrube unb Segrengung
ber täglichen ArbeitSgeit au&er Kraft gu fefeen. Sebocp finb bie
lleberftunben beffer gu begahlen, unb groar gu einem im 23orauS
oereinbarten Sähe.
Die Strafbeftimmungen beS ©efehentrourfeS enblich finb bie
folgenben: 3ebe Serlehung ber Schupf lau fein !ann mit 1 bis
15 SrcS. be|traft roerben, unb bie Sufce fann angeroenbet roerben für
jebe eingelne $erfon, bie nicht in Uebereinftimmung mit ben ©efepeS-
uorfepriften befefjäftigt rourbe. Sär ben Stücffaß erhöht fiep bie
Sufee auf 16 bis 100 SrcS. ©iner Strafe oon 100 bis 500 SrcS.
oerfaßen alle 23erfutpe, bie mit ber Kontrole beauftragten Beamten
in ber Ausübung ihres Amtes gu hinbern.
Die AuSficpten beS ©ntrourfeS auf ©rlangung gefeplitper 5lraft
fteflen fleh gur 3 e ü giemlich gürtftig. Da er oon bem aßerbingS
jeht gurüefgetretenen SRiniftenum Dupup in aßen fünften ange¬
nommen roar, fo befiht er faft bie Sebeutung einer AegierungS-
oorlage, bie in ihren Öauptgebanfen auch jebem anberen
Stabinet republifaitifcper Kongentration oertreten roerben muh. ®ie
begonnene erfte Sefung in ber Deputirtenfammer ift noch nicht bis
gur 23eenbigung ber ©eneralbebatte gebiepen unb giebt faum feftere
AnpaltSpunfte für baS parlamcntarifche Scpicffal ber Angelegen¬
heit. *) ©S famen ©egner unb Anhänger gum ©ort. SRittlerroeile
entfalten bie Arbeiterfreife eine lebenbige Agitation, um bie 23er-
hanblungen gu befcpleunigen; fie gehen felbft fo roeit, burch An¬
drohung umfangreicher AuSftänbe, fogar beS ©eneralftreifs, einen
*) 3» einer ber lebten Kammerfipungett erflärte auf bie Anfrage
bcs Deputaten 23eauregarb ber ^räfibent beS mit ber Veratpung beS
©ntiuurfS betrauten AuSfcpuffeS, ber SKinifterpräfibent unb ber .^anbels-
minifter 2Äifleranb hätten im Schone ber ftommiffton auSeinanberfeht,
mehrere ber in ^rage ftehenben Acformen fönnten im 2Bege oon De-
treten eingeführt roerben. Der ^rogreffift ©corges ©raur legte hierauf
im Aantcn feiner ^arteigenoffen 23crroahruug gegen ein SBertahren ein,
aus bem mau fc^liepen mühte, baö ^abinet SBalbecf-Aouffeau rooßc baS
Parlament nur bei Seite fdjieben unb eigenmädjtig regieren; bie
.Hammer muffe ihr ?Jt'ihfaöen über eine fotchc Anmaßung gu erfennen
geben. Die iWabifaleit unb bie Sogialiften fodjten bentgegenüber für
bie 33orred)te ber Regierung. Der oom SRinifterpräfibcntcn 2i'albecf-
Aouffeau befämpftc Antrag, bie Anfrage beS Deputaten Seaurcgarb
in eine Interpellation umguroanbeln, rourbe mit 838 gegen 186 Stimmen
abgelehnt. @S ift bies ein bebeutfamer Vorgang für bie güitfügen
Au»ftchten bes ©ntrourfS. Die 9teb.
Drucf auf bie legislatioen Äörperfchaften auSüBeti ju rooßen.
Dhnc einfehneibenbe Aenbentngen bürfte ber ©ntrourf oon ber
Deputirtenfammer beroißigt roerben. Dagegen befiehl grobe ©e-
fahr, bab bie ßtefornt oom Senate ftarf rebugirt roirb; in fogial-
politifchen Dingen nimmt baS Oberhaus bie ihm oerfaffungSmäbig*
gugebachte fonferoatioe Stoße ftets etroaS gu roorttich-
$aris. 3- ©chotthoefer.
Bie gefe|itd)e Hegeluttg iet ^rbeitjsaerijöltöiflle
ber ÄeUtter trab ftelltteritraett.
DaS ftärffte Argument für ben Söochenruhetag unb gegen bie
„SJfinbcftgeit" (eigentlich foßte fiie Schlafgeit ^cifeen) habe ifh mir
auf gulejjt aufgefpart. Die längfte Arbeitsgeit hoben bie apf Ab¬
rechnung (im Subregiefpftem) angefteßten Dberfellner (oergl. ben
oorigen Artifel). Soßen nun biefe Dberfeßner bei beginn ihrer
„Sd)lafgeit" unb bei SBieberbeginn ber täglichen Arbeit immer mit
bem Söirth ober einem Unterfeßner abrechnen? ober roie foß es
fonft gemacht roerben, roenn ber lebte 3ug um 1 Uhr abgeht, ber
erfte um 5 Uhr eintrifft, unb foroohl bie abreifenben als bie an*
fommenben ©äfte etroaS gu gertiefeen roünfchen? ^ei einer Stuhe-
paufe oon 30 bis 34 Stunben bagegen lohnt ft<h bie groeimalige
Abrechnung.
So fehr ich für ben StuhetagSgroang bin, fo muh ich anberer-
feits baoor roarnen, mit biefer Sorberung, bie nichts weniger ift,
als roofür fie fuh auSgiebt, noch eine anbere einfdjneibenbe Sor¬
berung, etroa, roie bie Sogialbemofraten rooßen, ben SKajimal-
ar beit Stag gu oerbinben. Denn abaefehen baoon, bah ^ fraglich
ift, ob nicht überhaupt bie SOtinbeftrupegeit bem SDtajimalarbeitStag
oorgugiehen ift, befiehl bie ©efahr, baß baS ©ebot beS üföajimal-
arbeitstageS ober ber ßßinbeftruhegeit bei ber Schroierigfeit ihrer
Durchführung oon ben Arbeitgebern nur als groedflofe SBeläftigung
empfunben roirb, unb bah biefer SOtifjerfoIg beS einen DheilS beS
©efepes baS gange ©efep unb bamit auch & en StuhctagSgroan^ in
23erruf bringen roirb. Alfo man befdjränfe fiep auf bie eine rabifale
SKahregel, bamit aße ©nergie auf ihre Durchführung fongentrirt
roerben fann. $at ftd) ber SBodjenruhctag in ber Uebung einmal
feftgefept, fo ftept felbftoerfiänblich nichts im ©ege, auf weitere
gefefcliche ©ahregeln gum Schuhe ber Sfeßner unb steßnerinnen gu
ftnnen, roenn btefe Arbeiterflaffe nicht ingroifchen eben burch ben
SfuhetaaSgroang ftarf genug geworben fein roirb, bie Sürforge für
bie Befferung ihrer Sage felbft in bie §anb gu nehmen. —
S3on ocrfdjiebenen Seiten roirb ben weiblichen $erfonen
ein befonberer Schuh gugebacht. ßßan roiß eine SKinbeftruhegeit
für baS weibliche Ißerfonal, roo man fie für baS männliche nicht
befürwortet, ober man roiß eine längere SRinbeftruhegeit für bas
weibliche als für baS männliche ^erfonal; Anbere rooßen feftgefeht
roiffen, bah weibliche Ißerfonen über 11 Uhr (feltener 12 Uhr) 9fad)tS
hinaus in ©irthfehaften nicht befchäftigt roerben bürfen. Obwohl
ich natürlich anerfenne, bah weibliche erroachfene Arbeiter fchuh*
bebürftiger finb als männliche, unb obwohl id> mir fage, bah bie
.feßnerinnen befonberS auf gefehlten Schuh angeroiefen fmb, ba
fie noch roeit weniger gur Setbfthilfe fähig fmb als bie Äeßner,
fo fann ich mich bod) nicht bagu entfliehen, in Anfehung ber
weiblichen perfonen einem 23erlangen guguftimmen, baS einer
näheren Unterfuchun^ auf feinen ©ertf; nicht Stanb gehalten hat-
Der an groeiter Steße genannte SSorfcfjIag läuft barauf hinaus,
in Sübbeutfchlanb eine Stunbe beS 23etriebSfd)luffeS feftgufepen,
bie in SRorbbeutfchlanb nicht gelten foß, womit wir auch ihn ab-
Ä gu haben glauben. Pater beS ©ebanfenS ift ber ©unfeh,
ßnerinnen in fittücher 23egiehung gu beffern. Alfo roieber
jene SSermengung fittlichfeitSpoligeilicher ßRotioe mit ben fogial-
politifchen, oor ber ich fd)on in Sfr. 29 gewarnt habe! ©benba
habe ich mich für eine Spegialoerorbnung betreffenb bie Animir-
fneipen auSgefprochen, bie natürlich baoon ausgugehen hätte, bah
bie Animirfneipen nicht günftiger gu behanbeln finb als bie übrigen
©irthfehaftsbetriebe.
©aS bie jugenblichen $erfonen betrifft, fo roirb bie Dbat-
fad)e, bah fie bem Schuhe beS Staates unterftefli roerben müfien, aud^
oon benen gugegeben, bie ftd) für ein ©efep gum Schuhe ber Meßner
unb Äeßnerinnen fonft nicht begeiftent fönnen, namentlich auch
oon ben Arbeitgebern (roie bie Vernehmung geigt). Der ehe¬
malige Korreferent 9lafp, ber einen fehr gemähigten Stanbpunft
eingenommen hat, ift gu bem Urtheil gefouunen (Verlj. VII, 6), bah
fith m ben 23erhältni|fen ber ßchrlinge bebeutenbe ÜRihftänbe er-
1095
1096
Sogiale $rajt«. ©entralBIatt für Sogtalpolittf. Str. 41.
geben fjaBen, bic eine ABfteHung bringenb erforbern. Die Arbeit«*
geit ber Seßrlinge muffe für jugenblitße in ber ©ntroitfelung Be«
finblicße ^erfonen al« übermäßig angefeßen roerbeit. 23ebenft man,
baß jugenblitße Arbeiter auf fremben Stßuß unBebingt angeroiefen
finb, baß aber, roie männiglitß Befannt, ©Itern, Vormünoer unb
Arbeitgeber ißren Betreffenben Sßflitßten nitßt immer natßfommen,
fo muß man gugeben, baß Bier eine auffallenbe Sücfe in unfern*
©efeßgebung oorßanben ift.
3<B empfehle baßer, Alter«grengeit für bie 23efcßäftigung
non jugenblitßen Arbeitern feft^ufefeen unb bie tägliche Arbeit«*
Seit ber jugenblitßen Arbeiter gefeßlicß gu regeln, unb groar
etroa fo:
Kinber unter 14 3aßren unb jugenblitße roeiblitße ^erfonen
groifeßen 14 unb 16 3aßren bürfen nur bann Beftßäftigt roerbeit,
roenn fie gur Familie be« ©irtße« gehören. Diefe Vorfcßrift
roürbe ben Bereit« gegenwärtig Befteßenben 3uftanben im ©angen
entfpretßen.
Öeßrlinge (Bi« gu 16 3aßren) bürfen groif<Ben 10 UBr
ABenb« unb 7 llßr borgen« nicBt Beftßäftigt roerben. ^ ^erfonen
im Sitter oon 16 Bi« 18 Saßren ift «ine ununterBrotßene neun*
ftünbige Slatßtruße gu geroäBren. Die SRinbeftrußegeit ber jugenblitßen
$erfonen unterliegt ni<ßt ben 23ebenfen, roie roenn fie für ba«
gange (bewerbe eingefüBrt roürbe. Sic ift burcßfüßrBar unb iBre
Durcßfüßrung ift fontrolirbar, roeil e« fid) Bei ißr nur um einen
23rucßtßeil (nacB meiner Scßäßung etroa ] h) aller im ©eroerBe Be*
ftßäftigten ^erfonen ßanbelt. ö )
©ir fommen nunmeBr gum fogenannten ßggieniftßen
ArBeiterftßuß. Die Vaufteine bagu finb in ber ©eroerbeorbttung
gum Dßeil Bereit« oorBanben, fie Braunen nur gufammengefügt gu
roerben. 3n §. 33 Aßfaß 2 3ftf e * 2 9 ) roäre g. 23. hinter „ben
poligeilitßen Anforberungen" eingufcBalten: „in«Befonbere bem
§. 120 a ABfaß II" 10 ) ll ). ferner roäre gürforge gu treffen, baß
bie ©rlaubniß gur 23etreiBung einer ©aft* ober Scßanfroirtßftßaft
aucB bann oerjagt roerben !ann unb muß, roenn bie etwaigen
Scßlafftätten ber Vebienfteten näBer gu Begeitßnenben Anforberungen
nitßt genügen. ©nblitß roäre ba« SißoerBot unter ©träfe gu
ftellen unb bem Arbeitgeber bie 23efcBaffung oon ©ißgelegenßeit
gur ^fließt gu matßen. 3 ur @innaßme ber Beiben |>auptmaßlgeiten
roäre ben Arbeitern auf tBr Verlangen je eine */ 2 ftünbige ununter*
BrocBene $aufe gu geroäBren.
Die im ©irtßf(ßaft«leBen eingig bafteBenben eigentBümlicBen
fioßnoerßältniffe be« ©aft* unb StßanfroirtBfcßaftggeroerbe«
legen ben ©ebanfen ftaatlicBen ©ingreifen« Befonber« naBe. ©«
muß aber baoon abgeratBen roerben, unb groar nidgt nur au«
pringipieüen ©rünben. ©enn ber Staat ba« Drinfgelberroefen
abfcBaffen fönnte, fo roäre bie« ja feBr gut, aber er fann e«
eben ni<Bt. @0 muß er ficB benn autß Beim ©irtßftßaft«geroerBe,
roa« bie ßoßnfrage Betrifft, barauf Befcßränfen, für Klarßeit ber
ßoßnabrebe unb für ßopalität i^rer Durcßfüßrung gu
forgen, g. 23. bafür, baß ben Arbeitern ber oerbiente ßoßn nießt
bureß Abgüge unb bergl. ßinterrücf« roieber entgogen roerbe. Da«
ÜJtinbeJte, roa« in biefer 23egieBung oerlangt roerben fann, ift, baß
bie großen ©aftBäufer, ©afe«, Sieftaurationen u. f. ro. nid)t günftiger
BeBanbelt roerben al« bie gabrifen, benn e« Befteßt in ber Dßat
fein ©runb, warum man ben Stßuß, ben bie gabrifarbeiter genießen,
G ) Sic l’cßrgeit Beträgt gewößnlicß groei 3aßr<*-
7 ) Sin einem Sage ber ©otße barf an bie Stelle biefer feften Stußc*
geit bie bcmeglidje ber ^erfoncu gwijtßen 16 unb 18 ^aßren treten.
Sicfc SluC’ualjtne ift unbebenflief); fie ift aber aud) nötfiig, bantit
an ben Samftag Slbenben unb bei befonberen (^elegenbcitcn baö gange
s perfonal gur Slrbeit berangegogen werben fann, uitb bamit bie ^ef)r»
Unge and) ben SJaditbienft fenncit lernen. Slu« ber 23erneBtnung gebt
beriwr, bafj bie Arbeitgeber bei biefer C5iufd)ränfung ber ^irintitg ber
ÜHuücgeit ber ^ebrünge uidjt wiberftreben würben.
^er i'üllftanbigfcit halber fei t;ier und) ber gang oernünftiae ®or*
fdtlag erwäbnt, bie 23efd;äftiguug uoit jugenblidien ‘perfonen in Vofalcn,
wo ^roftituirte uerfebreu, gu uerbieten.
,J ) „SiH’r OlaftwirtBfdjaft, Sdjanfwirtbidjaft ober Äleinbanbel mit
Branntwein ober Spiritus? betreiben will, bebarf bagu brr tSrlaubuif}.
Sieie ©rlaubiiifi ift nur bann gu uerfagcu:
.‘J) wenn bas? gum Betriebe bev (rtewerbes beftimmte
ifofal wegen feiner Befdjaffeu bei t ober l'agc ben poligctlidjcn
Stuforberungeu uid)t genügt/'
1( ‘) „onvbcfotibere ift für geniigenbes? ^irfit, aitvreidu'ubeu Luftraum
unb Vuftwedjfel, Beieitiguug bes? bei bem Betriebe eutftebeubeu Staube«?,
ber babei cntwirfcltcu Siiufte unb Olafe, fowie ber babei emftebenbcn
Abfälle Sorge gu tragen."
11 1 Meüueriu Seirfiert (SreC'ben): „Sie Mellnerinncu leiben meiftetis?
an Blutarmntl). Sae fommt oon ber fdiledjtcn Vuft in ben ^ofalen,
oon bem Suuft unb oon bem ewigen Slbbebeit ber." (Bert). XVI. 89).
nid^t au<B ben 23ebienfteten ber ©rofeBetrieBe be« ©eBerBergung«*
unb ©rquicfung«geroerBe« geroäBren foH, ba unfere mobernen
grofeftäbtifcBen ^otel« unb Sieftaurationen roirtBfc^aftlic^ SaBrifen
gleiten, unb aucB bie Kellner unb Kellnerinnen unter ben SRife*
ftänben leiben, bie gur 23eaufficBtigung be« 2lrBeit«oertrage« ber
SfaBrifarbeitet burcB ben Staat geführt B a ^ cn - ^öB cr wären
Borfdbriften gu erlaffen entfpretBenb benen ber ©eroerBeorbnung
über bie 2lrBeit«orbnung unb ba« Strafgelberroefen in ben
QfaBrifen. 12 )
Dagegen wirb fid) ber SJlifjftanb, bafe bie Kellner unb
Kellnerinnen bem SöirtB gegenüber für ben ©ingang ber S 11
Baften B^ben, obrooBI fte feinen ©influfe auf bie 3 u fammenfefeung
be« ba« ßofal BefutBenben SßuBlifutn« B^Ben, ftBroer Befeitigen
laffen, ba ber 2BirtB bie Angaben be« Arbeiter« über ben ©ntgang
ber 3 e dje nic^t fontroliren fann. 13 ) —
Die fcBroierigfte Srage ift bie nacB ben geeigneten Mitteln
gur Kontrole oer DurtBfüBrung ber getroffenen SRafcregeln.
Dafe bie Kellnerorganifationen ftarf genug bagu roären,
baran ift ni(Bt gu benfen unb groar bi« auf ©eitere« felbft bann
mdjjt, roenn bie ißolitif in 23egug auf 2lrBeiterBeruf«oereine geanbert
roürbe. Slnbererfeit« bürfte bie DurcBfüBrung be« ©efefce« nicBt
bem regelmäßigen ©ang ber Dinge iiberlaffen roerben: e« wäre
nämlicB gu Befürchten, baß bie Drt«poligeiBeBörben Bei iBrer
mannigfaltigen amtlicBen unb prioaten SüBlung mit ben SBirtBen
unb Bei bem notorifdjen Politiken ©influß ber leßteren e« ait ber
Slutorität unb ©nergie gur ßöfung gerabe biefer Aufgabe ermangeln
ließen, unb fo Bliebe benn bie Durcßfüßrung be« ©efeße« im
©efentlidBen ben Denungiationen entlaffener unb barum ft(ß gefränft
füßlenber Arbeiter überlaffen — ein 3uftanb, ber natürlitß nic^fc?
weniger al« Befriebigenb roäre.
3(B benfe, baß fid) eine weitere 2lu«geftaltung unferer ©e=
roerbeauffießt nitßt länger roirb ßinau«fcßteBen laffen. 2öir fteßen
in einer 3fft ber 2lu«beßnung be« SlrBeiterfcßuße« über ba« ©ebiet
ber 3öBrifen ßinau«. Sollen bie Betreffenben ©efeße nicht ein
tobter Bucßftabe bleiben, fo müffen bie 2lufficßt«organe entfprecßenb
oermeßrt roerben, fei e« bureß ©rroeiterung be« Befteßenben 3n*
fpeftorate«, fei e« bur<ß Sdßaffung neuer Drgane, benen bie Durtß*
füßrung ber neuen ©efeße au«fcßließlitß gugeroiefen roürbe. Dann
bürfte autß bie 3cft fommen, wo ber gefeßlitße Scßuß ber Keüntt
unb Kellnerinnen gur Dßat roürbe. DB babei gur 23eaufftcßtigung
ber ©irtBfcßaft«Betrie6e Befonbere Drgane gu feßaffen, ober ob fie
ber Drganifatioit ber ©eroerbeauffid^t nur angugliebern feien, Balte
i(ß für eine relatio neBenfäcßlitße 3rage. ©rftere« ßätte ben 23or*
tßeil, baß ben Betreffenben Organen oon ber ßanbe«regierung autß
bie 2(u«üBung ber ©irtßfcßaft«poligei übertragen roerben "fönnte
(2öirtßf(ßaft«infpeftion). 2lucß parüätiftße Vertretungen oon
Slrbeitern unb SlrbeitgeBern (SlrBeit«fammern, ©eroerbegeri^te,
2lrBeit«ämter) bürften fteß gnr Sluffitßt eignen, aber nur bann,
roenn bie bie Sluffitßt felbft 2lu«üBenben ni%t ©eroerbegenoffen be«
Arbeitgeber«, alfo nitßt ©irtße ober Kellner finb. Ceßterenfall«
roürben nämlicß bie Arbeitgeber ben Auf|lcßt«organen al« ißren
gegenwärtigen ober fünftigen Konfurrenten mit bem größten 9Riß*
trauen Begegnen. Die Kontrole ßätte fttß oor Allem autß barauf
gu erftreefen, baß bie Arbeitgeber ißren Arbeitern nitßt bie Ser*
pfließtung auferlegen, an ißren Slußetagen in anberen Schrieben
gu arbeiten, um ben Stußetag«groang bureß Au«tauftß ißrer Arbeiter
gu oereiteln.
SRüntßen. Artßur ©oßen.
^Ugettttltw Sojtttl- traft Slirtljf^apbjJoWth.
freußifcßei ^errenßau« mib 9teicß«*©efeßentttmrf „$um Sißu^e be«
geroerblicßett ArBeit«Perßftltuiffe«",
Da« preußiftße ^Serrenßau« Beftßäftigte ßcß am 5. 3uli mit
bem Stei(ß«*©efeßentrourf gum Sdjuße be« geroerblitßen Arbeit«*
oerßältniffe«. Den Anlaß bagu Bot folgenbe Vefolution be« ©rafen
SRirbacß unb ©enoffen: ,,Da« §errenßau« fprießt feine 23efriebiguitg
barüber au«, baß bie Königlicßc Staat«regierung im Vunbe^ratße
für bie Vorlage eine« ©efeße« gum Sdjuße be« geroerblicßen
ArBeit«oerßältniffe« an ben Slei<ß«tag eingetreten ift. Da« Herren*
ßan« erwartet, baß bie Königlitße Staat«regierung an bem in oor*
13 j $. 184a ff.
13 ) Sie gegen bie SWinftänbc Bei ber Stellenoermtttliuig gu
ergreifeiiben gefcplidicn ÄVaßregeln lulben ein Sßema für fitß unb werben
baber liier nidjt bebanbell, ucrgl. übrigen« ben bem Äeidi«tagc oor=
liegeubeu „(Entwurf einer OJcrocrbeorbunugsnooelle".
1097
Sogiale SßrajiS. ©entralblati für Sogialpolitif. Sir. 4L
1098
genannter ©efefteSoorlage eingenommenen Stanbpunft unentwegt
feftftalten wirb." Tie beigegebenen „SRotioe" lauten Iafonifcft:
„©in mirtfamer Scftuft ber arbeitswilligen Arbeiter foroie ber
Arbeitgeber ift aus fogialen unb wirtftfcftaftlicften ©rünben bringlicft
geboten."
Ten 33erid^t ftätte ber frühere SleicftStagSpräfibent unb gegen*
roärtige SleicftStagSabgeorbnete Dr. oon ßeoeftow übernommen.
9Rit einer gewiffen 3 ur ätfftaltung erläuterte er ben ©efeftentwurf,
ber im Sleicftstage oorgelegt ift, lieft auS ben oerlefenen beiben
erften Paragraphen folgern, „baft barin fein ©ort fteftt oon ©e*
fcftränfung Des KoalitionSrecftteS, auch nicht oon einer ©efcftränfung
beS SlecftteS, unter Umftänben einen streif $u öeranftalten", fonbern
nur oon einem Schufte gegen einen ungehörigen moralifch unb recht¬
lich oerroerflichen 3wang. SRit anerfennenSroerther Offenheit führte
er über bie 3 uc fttb au 3beftimmung auS: ,,©on 3 ut hthauSftrafen ift
nur in bem §. 8 bie Siebe; ich nehme an, baft biefe ©eftimmung
hineingefommen ift auS ©rünben, bie ich ftie* nicht erörtern will,
meine aber weiter, baft bie 3u<hthauSftrafen in bem gangen ©efeft
fehr wohl entbehrlich wären, unb baft bas ©efeft in feiner ©irf-
famfeit faum leiben würbe, wenn überhaupt oom 3 uc h^ au ^ 0ar
nicht barin bie Siebe wäre." Seines ©racfttenS ift bie Ablehnung
ber ©orlage im Reichstag baS ©aftrfcfteinlicftere. ©raf SRirbacft
fanb bie Scotftwenbigfeit ber ©orlage in bem überftanbneftmenben
eines oon ber Sogialbemofratie organifirten Terrorismus; erft bie
Streifs hätten bie Koalition ber Arbeiter fteroorgerufen, unb baS
führe gum KriegSguftanb gwifeften Arbeitgeber unb Arbeitnehmer.
ÜRamenS ber „neuen graftion" erflärte oer Kölner Dberbürger-
meifter ©ecfer, bie SReftrgaftl feiner politifchen greunbe wünfefte
bie Arbeitswilligen gefeftüftt gu feften, foweit ein ©ebürfnift naeft-
gewiefen werbe, gür ben Antrag ÜRirbacft liege gur 3 e ü fern
©runb oor; er fei nieftt geitgemäft. Anbererfeits werbe bie ©irfung
beS Antrages SRirbadft auf ben Sleicftstag oorauSfichtlich bie urn-
gef ehrte fein, wie bie greunbe beS AntragfteHerS unb ber Antrag-
fteller felbft fie wünfehen. Ter §anbelsmmifter ©refelb erflärte
furg, eS fönne bie Staatsregierung nur mit ©efriebigung erfüllen,
wenn ebenfo wie es in weiten Greifen beS £anbeS bereits ge¬
fächen fei, auch in biefem £aufe baS ©intreten ber ^Regierung für
ben gefeftlicften Schuft beS gewerblichen ArbeitSoerftältniffeS An-
erfennung finbe. ©r betrachte es als ooHfommen felbftoerftänblicft,
baft bie ^Regierung an ber Auffaffung bei ber weiteren
©eratftung ber ©orlage fefthalten wirb, bie fie bisher oertreten
hat. Ter erft wenige Tage bem £>errenftaufe angehörige ©ertreter
ber Unioerfität ©erlin, ©rofeffor Dr. 6demolier, rechtfertigte in
gwar furger, aber fachlich gebiegener unb rhetorifch wirffamer Siebe
bie Haltung ber SleichStagSmeftrfteit; feine „gnngfernrebe" würbe
unter refpeftooller gefpannter Aufmerffamfeit beS §aufeS angehört,
gür einen ©errath an feiner 35 jährigen öffentlichen ©ergangenfteit
würbe er es haften, fo führte er aus, wenn er ftier nicht feine
biffentirenbe Stimme erhöbe, ©r ftabe oon jeher ßroften
Schattenfeiten beS heutigen KoalitionSrecftteS unbebingt anerfannt,
eingebenf beS wahren ©orteS qon SlobbertuS: „gn hunbert gaftren
wirb man Diejenige ©efeftgebung für oerrüeft haften, welcfte bie
Ginfteflung oon Tienftleijtungen geftattet, bie gum ßeben beS
fogialen Körpers nothwenbig finb." Tie Koalitionsfreiheit fei aber
wefentlich auf ©etrieb ber Konferoatioen eingeführt, weil gegen¬
über beit befteftenben ©erftältniffen man gunäcftfi in ber KoalitionS-
unb ArbeiteroereinSfreiheit hoch baS eingige SRittel faft, um in
einem Staate ber freien Konfurreng auch ben unteren Klaffen bie-
felben Siechte wie ben oberen, bie SRöglicftfeit gu gewähren, für
höhere Loftne unb beffere ArbeitSbebingungen gu fämpfen. Ter
©eg gum ibealen 3i*f SRobbertuS fei nieftt ber, baft man
bie bisher fefton groften Sdjranfen beS KoalitionSrechteS noch er¬
höhe, baft man bie Strafen einfeitig oerfchärfe, ohne bie befteftenben
falfcften geffeln beS ArbeiteroereinSrecfttS ju löfen. TerartigeS
müffe oon ben Arbeitern als ilngereä)tig!ett empfunben werben,
gaft fäntmtlicfte Paragraphen ber ©efefteS-©orlage feien bisfutabel;
aber als Unterlage in ihrer ©egrünbung feftle eine guoerläffige,
abfolut öffentliche ©nquete, fraft beren man unbebingteS 3utrauen oon
Seiten aller Klaffen unb aller Parteien auf ben behaupteten Um¬
fang ber SRiftbräucfte, iftre Art, iftre golgen hätte h e 9 e n fönnen.
Tiefes ©ertrauen fei für ihn, für bie weiteften Kteife nieftt oor-
ftanben. gür iftn wäre eine folcfte ©orlage nur bisfutabel, wenn
fie oerbunben wäre mit gewiffen Sleformen in ©egug auf baS
ArbeiteroereinSrecftt unb auf baS beftehenbe KoalitionSrecftt. Tiefes
Slecftt halte er für fo unoollfommen, unfiefter, ungleicftmäftig in ber
Anwenbung in wichtigen Punften, für fo ungerecht, baft er es als
unerträglich begeieftnen möiftie. AIS ©eifpiel erwähne er nur bie
Unficherheit in ©egug barauf, ob bie ©erficfterungSgefefte auf bie
Arbeiteroereine angewenbet werben follen, welcfte ©anber-, Streif-,
Kranfenunterftüftung geben. 9la<h feiner ©mpfinbung wäre es
gwifeften ber fonferoatxoen Partei, ben SRationalliberalen unb bem
©entrum nieftt fo fehr feftwer, einen SRütelweg gu finben, wenn
benen, bie bie Arbeiterintereffen oertreten, bie Arbeiter anerfennen
unb förbent wollen, einige Kongeffionen gemacht würben. Statt
beffen habe man bie berechtigten ©ünfthe ber Arbeiter ignorirt
unb ftabe nur eine Strafnooeüe oorgelegt, bie gemift nid|t als
rivilegium odiosum gemeint gewefen fei, aber in iftrer gfolirung
en falfcften Scftein erweefe; oon ben 12 bis 14 SRiüionen Arbeitern
maeftten bie Sogialbemofraten nur 2 SRiHionen aus, bie übrigen
Arbeiter hätten fämmtlicft bie ©orlage aueft als gegen fic, iftre gnter-
effen, iftr berechtigtes oereinSmäftigeS Auftreten gerichtet empfunben,
oor allem aueft beSwegen, weil unfere gange moberne ©ntwicfelung
ber ©olfSwirtftfcftaft auf KorporattonS- unb ©ereinSbilbung aller
Art ftinwirft, bie ^Regierungen fie alle förbert, nur bie ber Arbeiter
nieftt. TaS ftabe SRiftftimmung naeft allen Seiten erregt, in ber
Majorität beS beutfeften ©olfes unb beS beutfeften SleicftStageS.
gn monareftifeften Staaten fei es aber bie erfte Pflicftt ber Slegierung,
baS ©ewufttfein mit allen SRitteln aufrecht gu erhalten, baft fie
gleicfte Sonne fefteinen unb gleichen ©inb wehen laffe für bie
oberen unb für bie unteren Klaffen, gürft ©iSmarc! ftabe bies
©eftreben praftifeft betftätigt unb griebrieft ber ©rofte beSftalb fogar
Ungerecfttigfeiten begangen. Tie Kartelle feien heute, troft iftrer
©orgüge, oielfadft praftxfcfte Monopole, bie an gtwiffen Punften
meftr ober weniger bie ©ewerbefreifteit tftatfä^liä) aufgehoben
haben unb gegen bie DutfiberS gang bie nämlicften SRiftbräucfte,
3mang, Scftäbiaung, ©ergewaltigung fieft erlauben, wie bie Arbeiter
gegenüber ben Streifbrecftern. ©enigftenS hätten audft hier gefefc-
geberifefte ©laftregeln angeftinbigt werben müffen. Tiefe Straf-
beftimmungen feien für iftn nur bisfutirbar im 3ufa^^nftang
mit einet Sleform beS ArbeiteroereinSrecfttS unb beS gefammten
befteftenben KoalitionSrecfttS. — Tiefe Siebe ftätte oen AuS-
angSpunft einer weiteren ©rörterung bilben fönnen; ©raf ©ir-
adft befeftränfte fieft aber auf ein Paar Säfte, bie barin gipfelten,
©ewalt, aufter ber Slotftweftr, barf Sliemanb, aufter bem Staat,
anwenben. greifterr oon 9)lanteuffel begeidftnete baS als fcftmereS
Unterfangen, gwifeften Konferoatioen, ©entrum unb Slationalliberaten
einen SRittelweg gu oereinbaren, unb erwartete eine ©efferung burtft
gefeftlicfte ^anbftaben gegen gewiffe fogiatbemofratifefte Agitatoren;
im Uebrigen fei bie ©efeftgebung ber leftten 20 gaftre wefentlicft
nieftt gu ©unften ber Arbeitgeber geftanben. Ter Antrag SRirbacft
würbe mit_ 72 gegen 22 Stimmen angenommen; gegen iftn ftimmten
bie Dberbürgermeifter ©ecfer, ©enber, ©üefttemann, ©unnemann,
guft, ©iefe, gäger, Koftli, fiörfcft, Staube, ©eltman unb 3roeigert;
ferner ber Öanbgraf Aleyis oon Reffen, bie ©rafen ©eftr-©eftren-
ftoff, §utten-©gapsfi, Sefttieben, bie Profefforen görfter, Sleinfe,
Slabp, Scftmoller, Riffen unb Sleicftsbanfpräfibent Kocft.
SRerfwürbig ift, baft bie ferner Streifoorgänge oon feinem
ber Slebner berüftrt würben, obwoftl oorfter ber Sleicftstag unb im
©efonberen ber Abgeorbnete ©affermann in einem Tfteil ber TaaeS
preffe für biefe Ausbreitungen bireft oer antwortlich gemaeftt würben
Ter gange ©orftoft beS ©rafen SRirbacft unb feiner abeligen
greunbe — ber eingige ©ürgerlicfte, ber für ben Antrag ftimmte,
war ber in ben leftten ©oeften oielgenannte ßanbratft ©irfner-
©abinen — war weit matter als man ftätte erwarten follen; er
wirb auf baS Scftidffal ber ©orlage gum Scftuft beS gemerblidjen
ArbeitSoerftältniffeS faum einen ©mfluft ausüben.
granenarbeit in gslrifen. Tie ©ewerbeaufficfttsbeamten ftnb
für baS laufenbe ©eriefttsjaftr mit ©rftebungen über bie ©rünbe
unb ©irfung ber ©efeftäftigung oerfteiratfteter Arbeiterinnen in
gabrifen beauftragt unb fouen in iftren näcftften gaftreSbericftten
hierüber ©erieftt erftatten. Ter gragebogen oerlangt AuSfunft
über folgenbe eingelne Punfte:
„Slame unb Stanb (ob grau, ©ittwe, geftftteben, feparirt); Lebens¬
alter; feit welcftem Lebensjahre Sabrifarbeiterin; ©efchäftiguttg oor ber
gabrifarbeü naeft ber Scftuljeit; befonbere ©eranlaffung gur gabrif»
arbeit; ArbeitSgeit; Arbeitspaufen; wödbcntlicher ©erbienft; ©cruf unb
wöchentlicher ©erbienft beS ©Zaunes; 3 a ftl ber gu oerforgenben noä)
nidjt fcftnlpflichtigeH, fchulpflicfttigen unb fdftulcntlaffcnen, ber mit*
oerbieuenben Ktnber im ^ausftalt; wöchentlicher ©erbienft ber leftteren,
unb wer beaiifficfttigt bie gu $aufe gebliebenen Kinbcr. Gnbliä) ftnb
noch Angaben über bie allgemeine ArbeitSgeit unb bie Shtftepaufen in
ber gabrif gu machen."
Scftlieftlicft folgt noeft bie grage, welcfte fittlicften unb wirtft-
fcftaftlicften ©irfungen bie gabrifarbeit oerfteiratheter grauen gur
golge ftaben. ©ie oerlautet, follen bie gragebogen in erfter fiitiie
1099
©ogtale f&rajt». Eentralblatt für ©ogialpoltttf. Ar. 41.
1100
an tie Unternehmer unb nur auSnaßm&weife an bie Arbeiterinnen
felbft nerfanbt werben. Aller SBaßrfcßeuilithfeit nach werben bie
(Erhebungen fehr Iücfenhaft auSfallen. Siele Unternehmer werben
gar nicht in ber ßage fein, bei allen ihren üerßeiratßeten Arbeite*
rinnen bie geteilten gragen beantworten, ba fie meßt immer
ba$ nötßige Material werben ßerbeifißaffen fönnen, uielleicht aud)
nicht immer wollen. Sei ben Arbeiterinnen wieber bürften bie
fragen oielfach auf SMßtrauen ftoßen. ©ie grage nach &em ®in*
fotntnen beS Cannes g. S. bürfte nicht feiten mit ber ©teuer
u. f. w. in Serbinbung gebracht werben. ©agu fommt bie Ueber*
laftung ber Auffichtsbeamten, g. S. mit ber ©ampffeßelreoifion, bie
ihnen nicht einmal geftattet, alle ihnen unterftehenben Setriebe gu
infpigiren.
Um einer gu großen Einfeitigfeit ber (Erhebungen oorgubeugen,
wäre e$ erwünfcßt, baß bie SertrauetiSmänner ber Arbeiter, bie
Sertreter ber Arbeiterorganifationen, bie in ben Hranfenfaffen unb
DrtSbeßörben ber Arbeiteroerficherung oorhanbenen Sertreter ber
Arbeiter unb namentlich auch bie weiblichen Affiflenten ber Ge*
werbeinfpeftoren in auSgebeßntem Stoße gu ber Erhebung heran*
gezogen würben.
ftotntmmale $ojialpoUtik.
©er ©täbtetag ber $ro*tng ©atßfeit, ber am 30. Suni in
Stüßtßaufen i. ©ß. unter bem Sorfiß beS DberbürgermeifterS
©taube (£>aHe) tagte, oerhanbelte gunäcßft über Sorfdjriften gur
Ausführung oon f>auS* unb Anfcßlußleitungen im gntereffe beS
©cßubeS ber ftäbtifrfjen Kanäle unb ihrer orbnungSntäßigen
gunfttonirung. ©er Sericßterftatter ©tabtbaurath Suters (Stogbe-
bürg) empfahl 00 m fogial*ht)giemfißen ©tanbpunft bie beßörbuiße
Aufficht über bie §auSentroäfferungSanlage. Son einer einzigen
feuchten, oerpefteten SSoßnung fönne fieß unter Umftänben ber
©ppßuS über eine gange ©tabt auSbreiten. — AtoitgelS obliga*
torifeßer weiblicher Hocß* unb ^auSßaltungSfcßulen für fcßul*
entlaffcne Stäbchen empfahlen Sürgermeifter Sanfi*Cueblinburg
unb ©tabtratß Aedßenbacß-Stühlbaufen bie (Einführung beS §auS-
ßaltungSunterricßteS in ben Gemeinbefcßulen nach bem
oorbilbhchen Stufter oon Eaffel, £>anau, Saumburg, Sterfe*
bürg, (Erfurt, Aiüßlhaufen u. f. w. ©ie Höften für bie Stuhl*
häufer ©cßule betragen runb 12 000 J(, für baS Gebäube,
16 790 1 4L für bie Einrichtung unb 2500 </1(. jährliche SetriebS*
foften einfcßließlicß bes Geßalt$ für bie ßeßrerin. — ©ie Ein¬
richtung oon Solfsbäbern auf Höften ber Gemeinbe ein*
fcßließlicß ber ©cßulbraufebäber befürwortete ©tabtbaurath Hortürn
(Erfurt) nach ben günftigen Erfurter Erfahrungen, gür ein SolfS*
bab, bas im SÖefentlicßen nur mit Sraufebäbern eingerichtet ift,
genüge ein Aufmanb oon 25 000 bis 30 000 Jt ©er SreiS beS
SabeS bürfe 10 4 in ber Segel nicht überfteigen, für ©eife unb
§anbtucß fei 5 4 als 3 u fcßlag üblich. 3ur Aacßeiferung em*
pfohlen wirb baS Seifpiel eines Solfsbabes in Stünchen, welches
oon ber ©tabtaemeinbe unter 3 u hälf ena hme einer aufeßnlicßen
©eßenfung gur 3 e it auSgeführt wirb. ©ie Soften belaufen fteß
auf IV 2 Stillionen Starf, bie fertigftellung foü im gaßre 1900
erfolgen. Es umfaßt ©cßwimmßallen unb Sßanitenbäber, Sraufe*
bäber, römifch irifeße Säber, ©ampfbäber, mebtginifeße Säber, für
Stänner unb grauen getrennt, auf einer Grunbfläcße oon runb
4000 qm. Dr. ginde (^alberftabt) trat für Sräufebäber ein*
fachfter Art ein. Sürgermeifter gifeßer (Stagbeburg) wies auf bie
Stagbeburger ©oueßebäber hin unb bie bortigeit Abmachungen mit
Srioatanftalten über bie Abgabe oon Solfsbäbern. ©onnabenbs
müffe ber $retS beS SabenS auf 5 4 ermäßigt werben, für 1 4
ein ©tücf ©eife, für 5 4 ein $anbtutß gewährt werben. Stagbe*
bürg feße nichts bei biefen Einrichtungen su. ^rofeffor Dr. Hoßl*
fchütter (£>alle) bc^eichnete als bas ibeale Sab baS falte, baS
gluß*©d)wimmbab (13 bis 19° Seanninr). ©er neben bem Ae*
aierungSpräfibenten o. ©ewiß als Ehrengaft erfdjienene Stiniftcr
Freiherr 0 . Serlepfch betonte beim geftmaßl, bie Scrbanblungen
hätten ihn flar erfennen laffen, wie wichtig bie Stitwirfung
ber Scrtoaltung bei ber £öfmtg ber fogialpolitifdjen gragcit fei.
©en obligatorifcßen gortbilbuncjSunterridjt aud) für Stäbchen halte
er für nothwenbig, für noch n)td)tiger aber als gortbilbungS* unb
.'pauShaltungSunterricht halte er bie Cöfung ber Wohnungsfrage.
Slommuitale ©o^ialpolitif iit Aorbamcrifa. Aiw Amerifa fuib neuer-
Sofiah Euinci), geleitet wirb, befifet feit jiuei fahren ihre eigene ©rüder*
preffe, auf ber oon ihrem eigenen ^crfonal alle ftäbtifdjen ©rudarbeiten
angefertigt werben nnb eine eigene Abteilung für eleftrifd)c Anlagen,
©ie hat jefct auch eine Sabeanftalt, bie bas gaujc 3al)r über gebem
jur unentgcltli^cn Scuupung offen fteht. ©ie Errid)tung oon 4
bis 5 weiteren foldjeit Anftalten, einer Turnhalle unb — eines öffeiit*
lidjett SBafdhhaufeS ift im Werfe. 3mei öffentliche ©piel* unb ©unt=
pläjje fmb bereits im Eigenthum ber ©tabt; in biefem gahre ftcljt ein
Setrag oon 200 000$ jür Anlegung oon flehten SarfS unb öffentlidjeu
©pielpläpen gur Serfiigung. Auf einer ber ber ©tabt gehörigen .vmfeu=
infein eröffnete ftc im oorigen gahre eine gericnfolonie, guuädjft für
Sfnaben, beren 850 je eine Wodje lang ben Aufenthalt ht ber ©eelnft
unter oerftänbiger Seauffidjtigung genießen burfteit; bie Höften beliefen
fid) beiläufig auf l,ss $ pro Hopf unb Woche, ©as Unternehmen wirb
in biefem ^ahre in uergröfjertent S^aßftabe fortgefept werben. Aeuer*
bings finb and) abcnbliche, freie Sorleiungen für bas Solf in Schuh
unb anbereu ©älen in oerfdjiebencn 5©^eilcn ber ©tabt auf Anregung
beS SürgermeifterS eingerichtet worben, wie fie in Aew ?)orf fdjou feit
mehreren fahren burd) bie ©djulbchörbc mit großem Erfolge oeran*
ftaltet worben waren. Son einem ftäbtifeßen Crchefter werben nicht
bloß im ©omnter offentlidje Hongerte in ben oerießiebenen ftäbtifchni
^ßarfS oeranftaltet, fonbem auch an gmölf ©onntagabenbeu im Winter
im größten Shipffaal ber ©tabt gu geringem EintrittSpreife. Hammer*
muftfabenbe, bie oon einem ©treid/quarteti an Wodjcntageu in oet=
feßiebeneu ©tabttßeilen unentgeltlich oeranftaltet würben, fanben eben*
falls großen Anflang. giir eine amerifanifche ©tabtoerwaltung gerabegii
cpo^emadienb ift bie beabfießtigte Einführung oon ^enftonen unb Auf)«* 5
gehälterti für ftäbtifdje Angeftellte.
$n ©an Francisco tritt mit bem 1. ganuar 1900 eine neue
©tabtoerfaffung in fraft, bie auSbriidlidj ausfprid)t, baß alle öffeut*
ließen 3mecfen bieuenben Anlagen, wie OJaS*, Waßertoerfe, ©traße«*
bahnen :c. allmählich oon ber ©tabtgemehibe erworben werben unb enfc
gültig in ftäbtifchem Eigenthum bleiben foHen. Wenn 15% ber Wähler,
bei ber leptoergaugeuen Wahl ihre Stimme abgegeben, burd) Setition
bie Uebernahnte irgenb einer Unternehmung in ftäbtifche Serwaltung
oerlangen, muß binnen feeßs konnten ein ^rojeft ausgearbeitet unb
foweit geförbert fein, baß es ber Abftimmung beS SoIfeS unterbreitet
werben fann. * ©as neue SerfaffitngSgefcp enthält aud) in einer Aeific
oon Eingelbeftimmungen eine ftrenge' ©ureßführung beS Erimbtapw,
baß fern ftäbtifcher Seantter tu irgenb weldjer Art an Siefernngen für
bie ©tabt betheiligt ober intereffirt fein barf. Ein Seatnter ober An*
geflellter, ber beßiifs Erlangung feines Sofiens irgenb etwas an ®elb
ober EelbeSwerth hiogegeben ober oerfprochen hat, foü nicht nnt \tmw
Soften verlieren, fonberu für immer oon ber SeMeibuug eine* önent*
ließen Amtes ausgefcßloffcn fein. Aüe Sücßer unb Aften ber Serwai
tung, außer ben Aften ber 'sßoligei, foüen wäßrenb ber ©ienftftunben
jebem ber Sürger 3 ur Einficßt oßen fteßen.
^rbeUrtbemegting.
Nochmals bte Sergarbeiter • Unruhen im Bfahrretrier. Son
einem SRitarbeiter wirb uns gefeßrieben: ©er AuSftaub in §ernc
unb lltngegenb ift nur oott furger ©auer gewefen. Ein gahlreicße^
SUlitäraufgebot forgte für rafeße Wieberßerftellung ber SUuhe. ES
zeigte fid) bei biefer Gelegenheit, baß bie orgauifirten Arbeiter
bie Arbeitswilligen,*) bie jungen unorganifirten polnifcßen
Arbeiter bagegen bie ©fanbalmather waren — eine neue Se*
ftätigung beS alten ©aßeS, baß gerate bie organifirten unb beßer
gebilbeten Arbeiter tßöricßte Streifs unb Aufruhrfcenen gu oer*
meibett fuchen. Es war behauptet worben, ber ©treif fei oon
polnißhen ©ogialiftenfüßrern in Serlin angeftiftet worben, ©em
gegenüber feßreibt bie in Serlin in polnifcßer ©praeße erfeßeinenbe
fogialbetnofratifcße „Gageta Aobotnicga", baß fie oon bem plöß*
ließen AuSbrucß beS AuSftanbeS felbft iiberrafeßt worben fei.
£eßterer fei oßne oorßertgen Sefdjluß auSgebrocßen, naeßbem ben
Renten oon ißrem fnappen Serbienft bie erheblich erhöhten Hnapp;
feßaftsfaffenbeiträge für Sfai unb 3«ni in Abgug gebracht worben
feien, ©ie Arbeiter hätten aus ißrer Stifte eine aus ^olen unb
©eutfrfjen befteßenbe ©elegation an bie ©erfbireftion gefanbt unb
eine Erhöhung ißreS ^oßneS oerlangt, aber feine Antwort erhalten,
©as Slatt giebt gu, baß bie polnifcßen Arbeiter feßwer gnr £rga*
nifation ßcrangugießen feien, aber bie £auptfcßulb fei in ’ber
fcßlecßten ©cßnlbilbuttg unb in ber Ausbeutung ber polnifcßen Ar*
beiter feitenS ber Unternehmer gu fucßen. gm ilebrigen forbert
baS Slatt bie polnifcßen Arbeiter auf, fuß ber gewerffcßaftlidjen
unb fogtalbetnofrattfcßen Organifation angufcßließen. Sngroifcßeii
wollen bie organifirten Sergarbeiter beS AußrreoierS bei ben 3cdien
bings abermals einige intcrrßante Serfucfie gu uergeidjuen, bie 2 hätig= ! Eine erfreuliche golge ber llnrtilicu ift, baß ßd) bei* EW'werf'
feit ftabtifdjer Serwalnmg auf neue Gebiete unb Setricbe aus^ubeßuru. 0 er ein djriitlidicr S mg lc 11 tc unb ber fogenaunte alte Serba 11 b
©ie ©tabt Softou in SDiaßadjufctto, bie gur jeit oon einem hcruor* für bie bemuädiit ftatlfiiibenbc Erfapwaßl bes Huappfdjaftsüoritaiibev
ragenb tüchtigen Sürgermeifter mit fehl* uorgeidirittenen Aufiditen, gu gemetufamem Sorgeßen entfdjloßeu haben.
1101
Soziale £rajt*. (Sentralblatt für Sogtalpoltttl. 9tr. 41.
1102
baßin Dorfteüig werben, eS möge bei ber Annahme fretnber Ar¬
beiter eine fcßärfere AuSmaßl getroffen werben. 3a ben Greifen
ber 3«ßea& e ftßer foH biegrage oentilirt werben, ob AncjeficßtS ber
3ügeilofigfeit ber polnifcßen Arbeiter es nid)t srücdPmä^iö fei, bie
Befcßäftigung folcßer tßunlicßft eingufeßränfen, unb bureß drßößung
ber £ößne unb Berbefferung ber SöoßlfaßrtSeinricßtungett beutfeße
Arbeiter in größerer Angaßl für bie Bergarbeit gu gewinnen,
bisher ift bie polttiftße dinmanberung gerabe oon ben 3 c( ß c a be-
giinftigt unb geförbert worben, fo baß fuß bie3aßl ber polnifcßen
Arbeiter innerhalb ber lebten fünf 3aßre im Bußrreoier um runb
40 000 oermeßrt haben foü. 3n ber ißreffe beS BußrreoierS fmb
wieberßolt Klagen über bie 3ügellofigfeit unb Neigung gu ©eroalt*
tßätigfeiten, bie fid> befonberS bei ben jungen polnifcßen Arbeitern
geigen, laut geworben. Die3ecßen würben im öffentlichen Sntereffe
gut tßun, wenn fie ben Borfplagen ber organifirten Arbeiter ©e-
hör fünften unb halb eine Säuberung in ber Beleafcßaft oor-
nähmen. dS crfc^eint auch angegeigt, baß bie 3e<ß™Mißer ihre
Abneigung gegen bie Arbeiterorganifationen aufgeben, benn es fann
nicht oft genug auf bie Dßatjacße ^tnöcmtefcn werben, baß bie
Unternehmer gerabe mit organifirten intelligenten Arbeitern am
beften fahren, ßeiber ift eine gewiffc treffe eifrig bemüht, auch
bie ferner Vorgänge für bie fogenannte „3 uc ^)^ aug " ss ^ or ^ a Ö e S u
fruftifigiren, obgleich fitf> gerabe bei biefer ©elegenßeit gezeigt ßat,
baß bie Btacßtmittel beS Staates oöüig auSreicßen, um bie Drb-
nung aufrecht gu erhalten, unb baf; gerabe bie oolle Koalitions¬
freiheit unb ftarfe Arbeiterorganifationen bie befte ©arantie für
eine ftetige friebliche dntmicfelung beS gewerblichen fiebenS bieten.
3m berliner Baugewerbe ßat be*. SriebenSfd^lug gmiießen
Unternehmern unb Maurern oor bem dinigungSamt günftige SRücf*
wirfungen auf bie übrigen 3® e i9 e BauSgemerbeS auSgeübt.
Auch bie 3imnterer, Buße* unb bie Baußülfsarbeiter
(Stein-, Mörtel- unb SBafferträger 2 C.) wollen auf frieblichem 9Bege,
eoentuett oor bem dinigungSamt, mit ben Unternehmern über
geftlegung ber Arbeitsbebingungen auf beftimmte Öriften oer-
hanbeln. SBie in Berliner SRaureroerfammlungen mitgetheilt
wurbe, fofl es ber uiebergefeßten gemifchten Kommiffion (aus
Unternehmern unb Arbeitern befteßenb) mehrfach gelungen fein,
Differenzen gu befeitigen. Auch fei bie Beßanblumj ber Arbeiter
feilend ber SReifter unb poliere feit ber Darifoeretnbarung oor
bem dinigungSamt eine beffere geworben.
ttrißcile über ben Brüntter Dertilarbeiterfitreft. Die „Brunner
SomttagS-3eitung", bas Drgan ber Sogialpolitifer in Mähren,
fchreibt:
„Der Brunner Textilarbettcrftreif ift ber größte Kampf biefer Art,
ber tu Ccft er reich bisher auSgefochten wurbe. 3*oölftaufenb, gunt aller¬
größten Tfjctle unorgauiftrte Arbeiter, barunter mehr als bie .frälfte
grauen unb HRäbcßcn, haben fich mit Aufopferung ihrer färglicßen
drifteng um eines KulturfortfcfjritteS willen in einen oergweifelten Kampf
eingelaffen. Durch acht Wochen hoben fie in mufterhafter Disgiplin
au*gcharrt. Der Triebe ber Stabt war auch nicht einen Moment lang
in defahr. Die leitenben Behörben ber Stabt haben ein hohes SRaß
fogialpolitijcßer dirtficht befunbet, inbent fie mit ruhiger Dbjeftioität bem
wirlhfdjaftlicßen Kampfe gufaljen, ohne fidj beoormunbenb unb parteiifch
eingumengen. Bttiien in bem wüften Durcheinanber poüüfcßer Aath=
lofigfeit unb trifter Zerfahrenheit aller 3 u ftänbe ift ber Berlauf beS
Briinner Streifes ber erfte ^icßtblicl feit groei fahren. Die «fpaltnng
ber Brunner Arbeitcrfchaft unb bie mufterljafte Objeftioität ber
ftäbtifchen unb ftaatlichen Behörben, welche fidj unermüblicß für bie
Bermittlung einfeßten unb ben ^rieben fdjließltd) erreichten, werben
hoffentlich Schule machen. Die Aera beS Schießprügels in fogial*
poiitifchen Kämpfen hot ihr dnbe erreicht."
Selbft bie ^reffe ber Unternehmer oermag ben Arbeitern
nach Beenbigung beS BiefenfampfeS bie Anerfennung für ihre
mufterßafte Haltung nicht gu oerfaaen Der Brünner „DageSbote",
ber mäßrenb beS gangen Streifs fd^roff ben Unternefjmerftanbpunft
oertreten ßat, äußert fich jeßt folgenbcrmaßen:
„Der Streif ber Brünner Textilarbeiter wirb in ber defeßießte ber
Arbeiterbewegung gewiß eine ßeroorragenbe Stellung behaupten, nießt
fowoßl ßinfitßtlicß beffen, was errungen würbe, fonbern hinftcßtlicß ber
Art, wie ber Kampf geführt wurbe. Der Drganifation ber Arbeiter
barf bie ßohc Anerfennung nicht oerfagt werben, baß fie fidj ißren
Aufgaben uollfommen gewaeßfeu gegeigt unb ben Arbeitsausftanb in
mufterßafter Äuße unb Orbnung mit Ausnahme ber geringen Unter*
bred)ung in biefer SBodje bureßgeführt hat. AöerbingS ßat bie Brünner
TejtUarbeiterfdjaft eine bcwunbeniswertße Ausbauer bewiefen, inbem
fie mit ben geringfügigen Unterftüßungeu, bie ißr mäßrenb ber aeßt
SBodjen gutheil geworben finb, fieß begnügt unb Staub gehalten hat.
Sie fann fuß bes drfolaes freuen, für fteß unb ißre Arbeitsgenoffen
eine weitere dtappe auf oem s Bege gu bem 3iUe beS 3fßaftaabentageS
erreicht gu haben."
Athrttarfitytfe.
Arbeilerfcßith'Bebingimgfit bei Stoaidbaitteii in Brengen« Die
in ben allgemeinen BertragSbebingungen für bie Ausführung oon
Staatsbanten bereits oorgefehenen £>anbhaben, bie Unternehmer
gur Befd)affung eines geeigneten UnterfommenS für ihre Arbeiter
fomie gur Darbietung einer angemeffenen Beföftigung anguhalten,
fmb einer anberen Raffung utttergogen worben (ogl. „eog. BrayiS"
9Jr. 28 Sp. 751 ff. unb 3ah r 9- ^47 f.)! Die neuen, fünftig
beim Abfdjluß oon Berträgen mit Unternehmern angumenbenben
Beftimmungen lauten:
„Der Unternehmer hat, foweit eS feinen Arbeitern nicht felbft mög¬
lich ift, angemeffene Unterfunft ober Berpflegung gu entfprecßcnbcu
greifen gu ßnbeit, bie bagu erforberlrcßen dinri^tungen auf eigene
Koften gu treffen, dr hat ben in btefer Begtehung an ißn gefteDten
Anforberungen ber bauleitenben Beamten gu genügen. Auch i m Uebrigen
hat er bcn;enigen Anorbnungen gu entfpredjen, welche gur Sicherung
ber defunbßeit feiner Arbeiter unb gur Söaßrung ber Aeinlicßfeit oon
ben bauleitenben Beamten getroß'en werben. Abtritte finb an ben ißm
oon ben Seßteren angewiefenen Bläßen ßerguftfllen, regelmäßig gu bes-
inßgiren unb bemuäcßft wieber gu befeitigen. Der Unternehmer ift ferner
oerpflicßtet, auf ben BaufteHen bie gur erften ^ülfeleiftung oor Anfunft
bes AnteS erforberltdjeu Berbanbmittcl unb Argneien naeß ben Stei¬
fungen ber bauleitenben Bcßörbe bereitgußalten. Die bauleitenben Be¬
amten fmb berechtigt, bie orbnungSmäßige Ausführung ber auf drunb
ber Beftimmungen biefeS AbfaßeS getroffenen Anorbnungen gu über¬
malen."
Der Btiuifter ber öffentlichen Arbeiten ha* gualeidh an bie
nadßgeorbneten Behörben bie drmartung auSgefprocßen, baß bie
bauleitenben Beamten einer angemeffenen Unterbringung unb Ber¬
pflegung beS bei ben Bauausführungen befchäftigten Arbeiter-
perfonals ihre Aufmerffamfeit guwenben unb burd) häufigere Be-
oifton ber SBohuftätten ic., inSbefonbere ber etwa erbauten Arbeiter-
baracfen, fich baoon übergeugen werben, baß für baS Unterfommen
unb bie Beföftigung ber Arbeiter gehörig geforgt ift, amß bie etwa
erlaffenen Boligeiocrorbnungen Beachtung gefunben haben. Bei
Bfüfung ber S^age, ob eS ber §erfteKung befonberer dinrießtungen,
wie ber drbauung oon Baracfen, Speifeanftalten 2 c. bebarf, foüen
nießt nur bie Sntereffeu ber Berwaltung, fonbern aueß bie eigenen
BJüufcße ber Arbeiterfcßaft angemeffen berüeffteßtigt werben.
Die Sißwefelfoßletifioff-Bergiftiittg ber ©ummi-Arbeitcr. 3a
erfreulicher Steife beteiligen fuß immer weitere Kreife an ber
fiöfuug ber fogialen Aufgaben. Bon befonberem SBertße ift bie
facßoerftänbigeSRitwirfung berAergte. 3a einer foeben erfeßienenen
SRonograpßie über „Die Scßwefelfoßlenftoff-Bergiftung ber ©ummi-
Arbeiter"*) lenft Dr. Bubolf Caubenßeimer bie Aufmerffamfeit auf
eine bisßer weniger befannte ©emerbefrattfßeit, bie um fo
größere Beacßtuug oerbient, je meßr bie Batentgummi-Snbuftrie
DeutfcßlaubS im Aitfcßluß an ben rapiben Auffcßmung berdleftro-
tedßnif an Umfang gunimmt. Scßon jeßt befcßäftigt bie dummi-
brarteße minbeftenS 5000 Arbeiter, oon benen naeß Sdßäßung beS
BerfafferS etwa 20o/ 0 unter ber SBirfung beS naeß ben Unter*
fueßungen C.’S ßöcßft gefäßrlicßen ©ifteS fteßen. Der aueß fonft
oielfacß inbuftriell oerwertßete Scßmefelfoßlenftoff fteßt eine leießt
flüeßlige, ftecßeub rieeßenbe ÖUiffigfeit bar, welcße in ber durnrni*
fabrifation ba^u benußt wirb, bem Kautfcßuf bie nötßige dlaftigität
unb §>altbar!eit m oerleißen. Bfan nennt biefen Brogeß, ber barin
befteßt, baß bie fertigen dummifabrifate längere 3 e ü «ab wieber-
ßolt oon Arbeitern in biegliiffigfeit eingetaueßt werben, Bulfani-
firen. Dabei finb bie — meift weiblichen — Arbeiter ben giftigen
Dämpfen beS ScßwefelfoßlenftoffS auSgefeßt. fießtere wirfen, ähn¬
lich wie dßloroformbämpfe, in größerer SRenge betäubenb, in oer-
bünntem 3aftanb eingeatßmet, oerurfaeßen fie leießtere neroöfe unb
gaftrifeße Befcßwerben — an benen naeß ben drfaßrungen bes
BerfafferS fämmtlicße oulfanifirenben ©ummi-Arbeiter leiben —
füßren jeboeß, wenn bie dinatßmung, wie es im gabrifbetriebe
gefeßießt, Dag für Dag wieberßolt wirb, nießt feiten gu lang¬
wierigen Sßeroenleiben ober feßmeren, felbft unheilbaren ©eifteS-
ftörunq,en. Aus bem ßeipgiger 3nbuftriebegirf allein, welcßer eines
ber größten 3 c atren ber ©ummifabrifation barfteHt, ßat ber Ber*
faffer, ein ßeipgiger Argt, über 50 fernere drfranfungSfälle gc-
fammelt, unb er berechnet an einem großen ftatiftifeßen SRaterial,
baß in ber ©ummibraneße ber Brogentfaß ber geiftig erfranfteu
*) Dte Scßwefelfoßlenftoff-Bergiftung ber duntnü-Ar-
beiter, unter befonberer Berücfficßttgung oer pfodjifcfjen unb neroöfen
Störungen unb ber dewerbeßtjgtene oon Dr. sftubolf l'mtbenheimer. —
Berlag oon Beit unb dontp., teipgig 1899 VII mtb 282 Seiten mit
AbOiloungen im Dert nub 2 Tafeln. — Breis 8 '* f
©ogiale $raji3. Centralblatt für ©ogialpoltttf. Bfr. 41.
1108
Arbeiterinnen 7 mal grö&er ift als in anberen, nic^t mit ©dhroefel*
fohlenftoff arbeitenben $abrifationSgroeigen. Da gegenüber ber
ausgebilbeten Vergiftung bie ärgtlidje $unft faft machtlos ift, fo
fittb prophplafttfdje Bttafcnahmen um fo unerläßlicher. An
ber £anb genauer in Sabrifen ausgeführter ßuftanalpfen unb
oielfadjer praftifdfjer Verfuge, welche ber SSerfaffer in ©emeinfchaft
mit ben ©anitäts* unb ©eroerbeauffichtsbehörben angefteHt l>at,
roirb gegeigt, tuo bie gehler ber heutigen gabrifationSroeife liegen,
unb welche Mittel es ermöglichen, biefelben git oermeiben. Daß IeßtereS
praftifdj bnrtbfübrbar ift, roirb beroiefen burch bie günftigen fani*
tären Verhältuiffe eines großen £eipgiger ©tabliffements, welches
bie oon 0. angeregten bwenifcfjen Verbefferungen, bie ausführlich
befchrieben unb burch Abbilbungen erläutert roerben, im Vulfanifir*
betrieb eingeführt hat. Diefe praftifd) erprobten ©chußoorrich 8
tungen fcheinen wohl geeignet, als VaftS für etroaige reidjs*
gefefclicbe SBorfchriften gu bienen, bie nach Slnjicht beS Ser*
fafferS gum ©chuß ber Arbeiter gegen baS beimtücfifehe iubuftrielle
©ift, roelcheS alljährlich bie förperlidje unb geiftige ©efunbheit
untergräbt, unbedingt erforberlicf) finb. Sine Angabi weiterer
ärgtlidjer unb fogialpolitifcfjer Vorfd)läge gur ©anirung ber patent*
gununi*3nbuftrie finb am ©d)luß beS Ruches gufammengeftellt.
Das gebiegen auSgeftaticte Werften bürfte nicht nur für ärgtliche
Greife, fonberu auch für 3nbuftrieHe, Stechnifer, ©eroerbe*Auf*
fichts* unb VerroaltungSbeamte oon praftifchem Sntereffe fein.
3 Ubetten>erßd)enrag. SiparkodTeu.
Die leittfdje ©ee*93ernfSgenoffenf(haft 1898. Biach bem Ver=
roaltungSbericht*) betrug bte 3 a hl ber eingetragenen Mauffahrtei*
fchiffe am 1. Sanuar 1888: 3189, am 1. 3anuar 1899: 2627.
Der Bh'icfgang ift jeboeb auSfchließlid) auf bie ©rfeßung fleinerer
hölgerner ©egler burch größere eiferne ©egler unb Dampfer
gurücfgnfübren. Denn bie 3altf ber h<>4 ernen Regler ging oon
2332 im Saljre 1888 auf 1208 im Sabre 1899 gurücf, roährenb
fich biejenige ber eifernen ©egler im gleichen 3eitraum oon 174
auf 378 unb biejenige ber Dampfer oon 683 auf 1041 oermehrte.
Die Abnahme ber ©chiffSgahl fällt bei ber grö&eren ßeiftungS*
fähigfeit unb ben größeren Btaumoerhältniffen ber Dampfer alfo
mit einem anfehnlichen unb ftetigen Auffchroung ber beutfdjen
Äauffahrteifchifffahrt gufammen. Daneben finb noch 208 Hochfee*
fifcher in bie ©euoffenfdjaftSregifter eingetragen unb groar 59 hölgerne,
25 eiferne ©egler unb 124 Dampfer. Dte 3al)l ber Serficherten
betrug 1888:37 795, 1889: 40 400, 1898: 48 648; ber anrech 8
nungSfähige SahreSarbeitSoerbienft 1888: 21, 4 , 1889: 22, 6 , 1898:
26,5 Millionen BRarf, bie Umlagen fliegen oon 163 000 im Sabre
1888 unb 257 000 im Sabre 1889 auf 688 000 JL im Sabre 1898.
Daoon rourben in ben gleichen Sahren an ©ntfehäbigungen begahlt
10 000, 66 000 unb 459 000 ,/1(, unb für ben BteferoefonbS gurücf-
Ä 29 000, 133 000 unb 46 000 Die VerroaltungSfoften
jen im abgelaufenen ^Rechnungsjahr 182140 dl, roooon
151 503 J( auf bie ©enoffenfehaft unb 30 636 J(, auf bie ©el*
tionen entfallen. Bfadh ben Veamtengehältern mit 51 338 Jt ent*
fallen hieroon bie größten SBeträge auf bie Ueberroachung ber Ve*
triebe: 16 928 unb auf bie Äoften ber UnfaHunterfuchungen
10 290 <JC. BBie fegenSreid) eine geregelte VetriebSüberroachung,
roie fie burch bie ©infeßung eines ftaatlidjen HafeninfpeftorS in
Hamburg geregelt roorben ift, roirft, geht aus bem SahreSberidjt ber
©IbfchifffahrtS*söerufSgenoffenfchaft ßeroor. Danach haben fidj bie
burch Unfälle oerurfadjten DobeSfäfle in ben fpegieÜ Hamburgifchen
betrieben im Vergleich gu 1897 um etroa 50o/ 0 oerminbert. Dur*
Unfälle heroorgerufeue fcfjroere Verleßungen, bei benen bie gegen Unfall
Verwerten länger als fed)S BRonate haben gefeßlich unterftüßt
roerben müffen, haben M) im Verhältitiß gleichfalls gegen baS
Sahr 1897 oerminbert. leichtere Unfälle, bei benen bie Verfidherten
fiirgere 3rit als fechS BRonate Unfallreute begogen, haben fidf) aller*
bings etroaS oermehrt; es ift f)tcrbei aber in betracht gn giehen,
bafg Hamburgs .staubet unb ©chifffahrt im Allgemeiuen fiel) oer*
grö^ert haben, baß alfo mehr betriebe entftanben finb unb baß aud)
bemgufolge bebeutenb mehr Arbeiter befdjäftigt rourben als 1897.
Unfälle rourben gnnelbet 1888: 854, roorunter 654 23er*
lehmigen unb 200 DobeSfälle, 1889: 1352 (903 Verlcßte unb
149 DobeSfälle), 1898: 2419 unb groar 1957 Verlegungen unb
462 XobeSfälle. Der Ööroenantheil fällt ben ftauffaßrleifchiffen
gu, 1898: 2265 Unfälle 1 1838 Verlebte unb 127 DobcSfätle),
1104
roährenb auf oerroanbte betriebe 10 Unfälle, roorunter 2 %o be§*
fälle, unb auf bie ^ochfeefifdjer 144 Unfälle, roorunter 33 DobeS*
fäUe entfallen. Von gufammen 462 angemelbeten Dobe&fällen
rourben 104 entfehäbigt. Unter ben DobeSfäUcn befanben fuß 179,
in benen feine Hinterbliebenen oorhanben roaren. Abgeroiefen
rourben bie ©ntfdjäbigungSanfprüche in 57 gälten, unent|d}ieben
roaren \it in 31 gälten, ©elbfttnorb roar in 16 gällen bie XobeS*
urfache. Von 1957 angemelbeten Verlegungen hatten nur 28 oollige
unb 145 theilroeife bauernbe ©rroerbSunfähigfeit gur Solge. Von
ben begabten 459 271,8« ©ntfdjäbigungen entfielen auf bie
DobeSfälle 253 541,55 t 4i, auf Äoften für Unterbringung im&ranfen*
hauS 27 711,82 Ji. Sn gällen ber ©rroerbSunfähigfeit rourben
begahlt au 117 ^erfoneit bie Äoften beS HeiloerfahrenS mit
5189, 8 6 an 1218 oerlehte ^erfonen 168 052, 78 Jt, an feh@
AuSlänber 4775 /8 5 jft Abfinbuug.
Die toftrttettilitrfttfdje Sn^altbitätS* nnb AlterS-Verfuhennt^
aiiftalt nnb bte Sfomfenfftrforge. V3ir roerben aus ©tuttgart oon
gefdjäbter Hanb barauf bingeroiefen, bafe in bem Auffafc beS §errn
Dr. Vothholg in Verlin über „bie 5ltaufenfürforge ber Ver*
ficherungsanftalten ber Snoalibitäts* unb AlterS*Verficherung für
1898" („©ogiale $rayiS" Bfr. 39 ©p. 1055—1058) bie Heil*
behanblungSftatiftif beS BteichS*VerficherungSamtS aus Amtlichen
BJachrichten beffelben Bfr. 6 00 m 1. Suiti 1899 ©eite 482/83,
©eite 484/85 unb ©eite 508/9 infofern unrichtig übertragen ift,
als bie roürttembergifche VerficherungSauftalt in ber erften
3ufammenfteHung auf ©eite 1056 ber „©ogialen ’prayis" oor
2 BeftfaIen mit ben Sah^n:
VerfrcherungS*
anftalt
ü B
Jo*o'*a
SS
a ^
CO«
Daoon
in I in nicht*
ftänbiger | ftänbiger
Heiloehanblung
Ver*
pflegungs*
tage
Äoften*
aufroanti
M.
Württemberg . .
213
212
1
12 041,6
46 603 ,94
unb in ber groeiten 3ufammenftellung auf ©eite 1056 ber „Sozialen
^rayiS" ebenfalls oor s Beftfalen mit ben 3 ahkn:
Verftcherungs*
anftalt
s.
>»B B
MÜ s
fit
Daoon
in I tn nicht 8
ftänbiger | ftänbiger
Ver»
pflegungS»
tage
Sofien*
aufroanb
00
Heilbehanblung
Ji .
Württemberg . .
543
503 40
24 029
84 602,w
aufguführen unb nicht mit ben übrigen Anftalten gufammem
guroerfen roar.
^rbeUpnoi^tiieip.
©in fftr ben nnparietifthen ArbeiiSna<htteiS. 6r n,t
©ünther, H cr ä°9 3 U ©chIeSroig*Holftcin hat gur eigenen Velehnn l 9
Unterfuchungen über ben ArbeitSmarft angefteüt unb beren
gebniffe in einer Vrof^üre mit bem Ditel nieberaelegt: „Arbeite
nachroeis unb ArbeitSoermittelung. Von ©rnft ©ünther, H>ergog
gu ©chleSroig*Holftein; ©tuttgart, Sßapieif unb Drucf ber Deutzen
Verlagsanftalt." — Die Vrofchüre, bie nicht im freien 23 ucf)hänbler*
oerfehr ift, ftellt fich «ach ben Vfittheilungen aus ihr als ein«
ernfte Arbeit bar. Die oorurtheilslofe ©eftnnung, bie fie bur#
roeht, erläutern folgenbe ©äfce: „3u ben Aufgaben, roel^e auf
fogialent ©ebiete ber fiöfung harren, gehört eine groecfniäfeige Cr*
ganifation ber ArbeitSoermittelung. 2»aS in biefer Vegiehuitg ot> n
ber BieichSoerroaltung unb oon ben VunbeSregierungen in ben
lebten Salden gefd)ehen ift, befchränft fich gumeift auf Anregungen,
roelche nur gu oereingelten lofalen ©inri^tungen geführt ^aben.
©ine utnfaffenbe gleichmäßige Regelung beS ArbeitSnadjroeifeS ftebt
noch au$* $aS Vebiirfniß einer fold^en fann einem 3 roc ^ 1UC !!
unterliegen." Der ©chlufefab ber gangen Arbeit lautet eben|o
wörtlich: ,,©oE ber Arbeitsnachweis lebensfähig erhalten roerben,
fo muß ftrenge llnparieilidjfeit für ihn bie Bforrn bilben unb ferne
^ortbauer nid)t etroa oon einzelnen Veftimmnngen, fonbern lebtiV
lieh oon Angebot unb Biachfrage abhängig bleiben." Vei ben
nahen oerroanbtfd)aftlid)en Vegiehungen beS VerfafferS guin bcutfdK«
Äaifer oerbient bicfeS 3 eu 9 «r 6 für ben unparteiifchen ArbcitSnii^ s
weis unb bie Bfothroenbigfeit feiner Crganifation befonbere ve*
ad)timg.
) V?illi. -Velin, immburg, 1^09.
1105
©ojialc fragte. (Jentralblatt für Sogialpolitil. 9ir. 41.
1106
Die ©etttralanftoli für Arbeitsnachweis in Siegiiß,
Die int SRooember 1898 eröffn etc Anftalt fcßließt ftd^ in ißrer
Drganifation ben in Süb* unb VSeftbeutfcßlanb befteßenben Ver*
banbSarbeitSnacßweifen an. Sie wirb gleich biefen non einem aitS
ben Vertretungen beS Stabt* unb SanbFreifeS Siegniß, einer SReiße
geroerblicfjer unb gemeinnüßiger Vereine unb einer Angaßl ffäbtifcßer
wie länblicßer Arbeitgeber gufammenaefeßten Verbanbe unterhalten.
Die Vertretung bes VerbanbeS unb Die Leitung ber Anftalt erfolgt
burch einen auf gwei 3aßre gewählten VerwaltungS-AuSfcßuß,
welcher aus einem Vorftßenben unb feeßs Vtitgliebern befteht. Von
ben leßteren muffen je brei ber Stabt unb bem Sanbe angehören;
bie SSaßl ber länblichen SRitglieber finbet in ber Sßeife ffatt, baß
ein Sföitglieb oon bem kreiS-AuSfcßuffe beS SanbFreifeS, gwei oon
bem lanbwirthfcßaftlicßen kreiSoereine gewählt werben; oon ben
ffäbtifcßen SRitgliebern wirb eins oon bem Vtagiftrat, gwei oon
ben Vertretern ber ftäbtifd^en Vereine 2 c. gewählt. Die leßteren
follen möplichft ber Snbuftrie unb bem |>anbwerf angehören. Von
ber Vethetligung oon Arbeitern am AuSfcßuffe hat einftweilen Ab«
ftanb genommen werben müffen, ba es noch Schwierigfeiten macht,
geeignete Iänbücße Arbeitnehmer gu finben. Der Vorfißenbe wirb
oon bem VerwaltungS-AuSfcßuffe unb ben in Siegniß wohnenben
aftioen ober inaftioen Staatsbeamten gewählt.
(Sine Abänberung ber Saßungen barf nur burch Vefcßluß ber
SRajorität fowohl ber ffäbtifcßen wie ber länblichen SRitglieber beS
weiteren VerbanbS-AuSfcßuffeS erfolgen.
Abgefehen oon biefen bie gleichmäßige uitparteiifche Verücf*
ftchtigung ber ftäbtifchen unb länblichen 3ntereffen ftchemben Vor«
fchriften hat wegen ber augenblicklichen Arbeiternoth auf bem Sanbe
unb beS im ©egenfaß ßiergu in ben größeren Stäbten oor*
hanbenen UeberangebotS oon Arbeitskräften bie Veftimmung ge*
troffen werben mü|fen, baß in ber SRegel bie ftäbtifchen ArbeitS*
ftellen ben ftäbtifchen Arbeitern oorbeijalten ftnb unb länblicße
Arbeiter nicht in ftäbtifche VerufSarten oennittelt werben bärfen.
Diefe Veftimmungen finb ittSbefonbere auch getroffen worben,
um bem oon Seiten ber Sanbwirtße fo oft gegen bie Verbinbung
oon ftäbtifchen unb länblichen ArbeüSnacßweifen erhobenen Ve-
benfen, baß fie „ben 3ug in bie Stäbte" begünftigen, gu begegnen.
Die Seiter beS VerbanbeS fiebert auf bem StanbpunFt, baß bei
getrennten SRacßweifen bie tanbfliichtigen Arbeiter, welche gunäcßff
ben gewerblichen Arbeitsnachweis auffuchen unb bie bort ange*
botenen Stellen begehren werben, anftanbSloS in ftäbtifchen Stellen
untergebracht werben; im beften galle werben fie abgewiefen unb
fallen bann einem Agenten in bie $änbe, ber auch «in 3ntereffe
baran hat, fie bem Sanbe gu erhalten, dagegen fann eS bei einer
Vereinigung beS ftäbtifchen unb länblichen SRacßweifeS unter ben
getroffenen lauteten bei einer fachgemäßen Leitung oiel leichter ge*
fingen, bie nach &er Stabt brängenben (Elemente auf bie ben
etwaigen höhnen Sohn ber ftäbtifchen VerufSarten bei weitem auS*
gleichenben teureren SebenSoerhältniffe ßinguweifen unb fie baburch
unter gleichgeitigem Nachweis einer Auswahl oon länblichen Stellen
bem platten Sanbe gu erhalten.
Die Erfüllung biefer Aufgabe liegt fowohl im Sntereffe beS
platten SanbeS wie ber Stäbte, inbem baburch einerfeitS ber immer
mehr broßenben ©ntoölferung beS erfteren, wie bem Anwacßfen beS
Proletariats in ben leßteren entgegen gewirft wirb.
3n golge biefer — ben Sntereffen ber Sanbwirtßfcßaft in
oollem Umfange gerecht werbenben — Vorßhriften, ift es gelungen,
ein Abfommen mit ber SanbwirtßfcßaftsFammer ber Prooing
Schießen gu treffen, wonach Anftalt gewiffermaßen bie loFalen
©efcßäfte oeS Arbeitsnachweis ber leßteren übernommen hat.
Auch mit ber königlichen ©ifenbaßnbireFtion ßnb bezüglich ber
Vahnarbeiter*VermitteIung Vereinbarungen getroffen worben, nach
welchen fowohl ber Vebarf oon ArbeitsFraften wie ©ntlaffungen
ber ©entralfteHe redfffgeitig mitgetßeilt werben. Seßtere ift babureß
einerfeitS in ben Stanb gefeßt, bie ArbeitSFräfte bortßer gu nehmen,
wo gerabe ein lleberfluß baran oorhanben ift, alfo meift aus ber
Stabt, unb anbererfeits in ber Sage, bie ©ntlaffenen bortßin gu
birigiren, wo ein Mangel an ArbeitSFräften ^errfeßt.
mit ben Vereinen gur gürforge entlaffener Strafgefangener
finb Verhanblungen baßin eingeleitet, baß bie Stelle gang bie
©efcßäfte berfelben unb namentlich auch &« ratenweife AuSgaßlung
ber Unterffiißung begw. beS erfparten ArbeitSoerbienffeS über*
nimmt; es hat bies ben Vortßeil, baß ber ©ntlaffene täglich auf
bem Arbeitsnachweis oorfpreeßen muß unb baburch leichter in eine
paffenbe Stelle gebracht werben Fann.
Auch bie £erbergSoereine unb SRaturaloerpflegungSftationen
iibetweifen ber Stelle regelmäßig ihre Schößlinge. Innffcßtlicß ber
Seßteren würbe es wünfcßenSwertß fein, baß fie gang unter bie
Seihtng ber ArbeitSnacßweiSftelle geffeHt wirb.
©in feßr wichtiges SRecßt ift ber Anftalt oon bem $errn
SRiniffer ber öffentlichen Arbeiten ©erließen worben, baS S^edßt, be*
ßufs Veförberung ber Arbeiter naeß auswärts biefen ©utfeßeine
auSguffellen, welcße feitenS ber gaßrFartenauSgabeffeHen an 3aßlut\gS*
ftatt angenommen werben.
Die Vermittelung erfolgt für Arbeitnehmer unentgeltlich, jeboeß
müffen fie eilte ©infdßreibegebüßr oon 20 ^ entrichten, welcße bei
ber Abmelbung guriief gegeben wirb. Arbeitgeber haben eine in
feßr mäßigen Säßen ßcß bewegenbe ©ebiißr gu gaßlen, welcße bei
ber Anmelbung gu entrichten unb bei 3urücfgießung ober Nicht¬
erfüllung beS ©efucßeS gurüeferffattet wirb. Diefe Vorfcßriften be*
gweefen bie ©erbeifüßrung recßtgeiiiger Söfcßung nießt meßr be*
fteßenber ©efueße in ben Vücßern.
Droß mannigfacher Anfeinbungen oon ben oerfeßiebenften
Seiten unb oielfacßen ScßwierigFeiten ift es ber Anftalt gelungen,
in ber Furgen 3 e ü iß«S VefteßenS bereits nennenSmertße ©rfolge
ju ergielen. SRacß bem Abfcßluß für bie erften oier Vtonate feit
ißrer Vegrunbunj ftnb im ©angen gemelbet worben 793 Stellen,
unb gwar 537 für SKänner, 256 für §rauen; biefen ftanben gegen¬
über 399 Stettengefucße, unb gwar oon 333 Vtänneru unb
66 grauen. Verücfficßtigt man bie nacßträglicßen 3 ur ütf3ießungen,
— bie namentlich im Anfang feßr häufig waren, ba ber ©efcßäfts*
füßrer einerfeitS noeß nießt bie erforberlidje ©ewanbtßeit befaß,
anbererfeits aueß bie Auswahl noeß gu gering war unb fomit bie
eigentlichen Vermittelungen ließ feßr oergöaerten — fo bleibt ein
Stellenangebot oon 603 (444 2Ränner, 159 grauen) unb 223 Stellen*
gefueße (184 Vtänner, 39 grauen). $)aS VermittelungSergebniß
war 151 (124 Vlänner unb 27 grauen), alfo etwa 70 % ber
enbgültig angebotenen ArbeitSFräfte; babei ßat bie VermittelungS-
tßattgFeit mit jebem üftonat gugenommen unb im oierten Vtonate
faft 100 % ber angebotenen ArbeitSFräfte erreicht.
3 m ©ingelnen ßat fteß ßinficßtlich ber oerfeßiebenen Steige
ber in Vetrad^t Fommenben VerufSarten golgenbeS ergeben:
1 . An §>anbmerFern unb gelernten Arbeitern ift ein erheblicher
Mangel oorßanbeit.
2 . Vei ben ftäbtifeßen Arbeitern geigt fieß ein lleberangebot
oon männlicßen ungelernten Arbeitern, baS fieß gwar buchmäßig
nur auf etwa 100 köpfe beläuft (Stellenangebot 63, Stellen*
gefueße 164), tßatfäcßlich aber weit ßößer ift, ba gegen 300 fieute
wegen mangelnber ßegitimation gar nießt erft in bie Vücßer ein¬
getragen finb.
3mn £ßeit mag bieS aHerbingS barauf berußen, baß feitenS
ber gabriFen bie SRacßmeiSfielle meift nur für gelernte Arbeiter in
Anfprucß genommen ift unb ißr Vebarf an ungelernten Arbeitern
fomit nießt beFannt geworben ift; {ebenfalls ift ein £ßeil ber ßeute
in ben gabriFen auf bireFte Anfrage eiugeftellt worben.
Vei ben grauen geigt fuß baS umgeFeßrte Verßältniß, ein
Vteßrangebot oon Stellen (139 gegen 56 ©efueße), baS fieß nament¬
lich auf $>ienftboten begießt.
3. Vei bem länblicßen ArbeitSperfonal geigt fieß aud)
unferer Anftalt bie Arbeiternoth in erfcßredfenbfter ?ßeife. @S
würben oerlangt 350 männlicße unb 116 weibliche Perfonen, gu*
fammen 466, unter Verliefficßtigung ber Abmelbungen 408
(314 Sßänner 94 grauen); bagegen melbeten fieß nur 75 3Ränner
unb 8 grauen, oon benen fuß wieber 25 unb 4 abmelbeten. 5)er
Veft würbe natürlich fofort bei ber Vtelbung bureßweg gut unter*
gebracht. Auch gelang eS, 12 2J?äitner unb 4 grauen, Die früher
auf bem ßanbe gelebt hatten, burch Sßacßmeifung guter Stellen
wieber bem Sanbe gugufüßren.
©S wirb beabfirfjtigt, bie Siegnißer ^acßweisftelle gu einer
©entralfteüe für ben gangen SRegierungSbegirF auSgubauen, fobalb
erft noeß in aitbern Stäbten unb kreifen äßnlicße ©inrießtunaen
gefeßaffen finb. S)ie in biefer Sfticßtung gegebene Anregung Des
|>errn StegierungSpräffbenten ift allerwärtS günftig aufgenommen
worben, unb in ben Stäbten begw. kreifen ©örliß, Sauban, £>irf<h*
berg, SanbeSßut, Vunglau, ©olbberg, §at)nau fmb ingwifeßen
bereits gleiche NacßweiSftellen naeß Siegnißer Vtufter eingerichtet
ober werben in Fürgefier griff eröffnet werben. 3« einigen an*
beren kreifen fmb ebenfalls feßon bie Vorbereitungen bagu im
©ange, fo baß in bem SRegierungSbegirF Siegniß bie ^Reform bes
ArbeitSoermittelungSwefenS halb oößig gur Durchführung gelangt
ffin wirb. Dr. p. Söiebenfclb.
Die Dßfttigfeit ber Ifleliflörfe tu ©ent 1898. Dem 3aßres*
berießte ber ©enter Arbeitsbörfe gufolge gingen ißr im Saufe beS
3aßreS 1898 2190 ©efueße um Arbeit gu, wogegen 3299 Naeß*
1107
Soziale $ragi*. EentralMait für Sogtalpoltttl. Kr. 41.
1108
fragen nach Hrbeitöfräften oorlagen; 1819 ^erfotien rourbe Arbeit
befdjafft unb groar gu roieberholten Vtolen, roaS aus ber Statiftif
jeboch nic^t heniorgeht, ba bie Arbeitfuchenben nur einmal regiftrirt
merben.
Äoljlfa{)rteiti«rid)t«tiQen.
$er kölner Verebt toeifcltdjer Angestellter bat feinen erften (1898)
3«hresberid)t erftattet. Er gemährt in feinem BereinShaufe wolle Benfion
gegen 40 bis 55 M. monatlich, SNittags* nnb Abcnbtifch, giebt UebungS*
furfe (feine llnterrichtsfurfc), vcranftaltct, befonbers Sonntags, Vorträge,
gefefligen Berfehr, Spiele u. f. tu., unterhält Bibliothef, £cfcgimmcr, Unter*
ftiipungsfaffe unb einen Ausfchuß für Mranfenpflcgc. Bei ber Stellen*
Vermittelung mürben oon ©efd)äftsinbabern 311 offene Stellen ange*
melbet, 350 ©efitdje liefen ein, vermittelt mürben 122 Stellen. &as
geigt fchon, baff es trop beS Angebots an paffenben Bewerberinnen
vielfach mangelte. 2>cr herein betont baber bie Notfjroenbtgfeit befferer
gachbübuitg. SRit beit Sdtmeftervereinen in Elbcrfclb, granffnrt unb
Berlin ift ein gegenfeitiger AuStaufd) vorhanbener Angebote angebabnt,
jeboch ohne befonbcrcit Erfolg bisher. NechtShülfc mirb gemälirt. £ie
grage beS frühen (^cfrfjäftsfcfjluffes ift vom herein burclj einen Stuf*
ruf an bas? faufcitbc Bublifum aufgemorfen, rnorin auf bie VJißftänbe
beS fpäten l'aben« unb (^cfcf)äftSfctjluffoS für Schaber tvie AngefteHte
hingemiefen mürbe, Eine große Angabi namhafter firmen ift ihm bei*
getreten. Auf bem 28cge freier Vereinbarung ^ofjft ber herein b^cr
etwas gu erreichen, Etwas fonberbar aber nimmt [ich in bem Bericht
eines Vereins, ber bie Sutercffen ber Angeftetlten in erfter Üinic 511
mabren hat, ber Abfdptitt ans?, ber von ber gcfeplidjen Regelung ber
grage beS früheren i'abenfdjluffeS hanbelt. Er lautet: „$aß auf
rabifale ^&>eife nur burch bie ©efepgebung geholfen merben fann, mirb
nicht beftritten merben formen, £aß cs aber roünfdienSiverth unb im
Sutcreffe beS guten Einvernehmens givifcpen Bringipal mtb Angefteflten
fei, foldje Verbältniffe bitrch ©efepe gu regeln, föuneii mir nicht gugeben.
Reformen, bie ber freien Vereinbarung groifeben ©efchäftsinbabern unb
Angeftelltcn entfpringen, mirfen verföhnlid) in fogtalem Sinne, ^roangs*
maßregeln burri) ©c)cße bagegen nidjt." kaum ein Stanb ift feinen
Arbeitgebern gegenüber fo ohnmächtig, mie ber ober bie faufmännifche
Angeftcflte gegenüber feinem Bringipal. Eine „freie Vereinbarung"
groifd)cn ©cfdjäftöinbaber unb Angeftelltcn über fragen, mie bie be*
regte, flirtgt bes?l)alb faft mie ein fdjledjter Scßerg.
äRiSceflcti gut i>ettfföttenbetofgung. S)er kalter fyat ge*
nebmigt, baß für biefeS Saßr bie Nothe kreug*ßotterie gu fünften
beS ^eutfehen Eetttral*komüeS gur Errichtung von £>eilftätten für
i'ungenfrattfe gefpielt mirb. Sie 400 000 ßoofe merben ebenfo
mie cs fonft bei ber Kothen kreug*£otterie ber gfall ift, burch
Vermittelung ber königlichen ©eneral*i?otterie*&ireftion begro. ber
königlichen £otterie*Einnchmcr abgefept merben. — {für bie Er*
richtung einer fiungenbeilftätte im ©roßhergogtljum DIbenburg bat
bie Staatsregierung einen 3*4^11(3 von 75 000,// bemilligt. $aS
®eutfche Eentralfomite gur Errichtung oon £>eilftätten für ßungen*
franfe will fleh mit 10 % ber Vaufoften, unb bie 3nt>aliben*Ver*
ficßerungSanftalt DIbenburg mit einem erheblichen 3 u f<ba& be*
tbeiligen. — ®ie ©örliper Stabtoerorbncten bewilligten am 1. 3uli
auf fünf 3ab*e einen jährlichen Veitrag von 1000 t.//. unb eine
einmalige Spenbe oon 3000 , // gur Errichtung oon Volfsßeil*
ftätten für Sungenfranfe in Sdjlefien. — 3»i Öorftbegirf Vogel*
fang bei ©ommern in ber Vrooin^ Sadjfen mürbe bie 00 m Vater*
iänbifd)en 'grauenverein errichtete erfte Vungenl)eilftätte für Stauen
unb Ntäbcßen mit ca. 15 Varacfen, in ber fich bereits 35 ^erfoneit bc*
fittben, eröffnet. — 3n Korroegeit foll neben ber erften VolfSbcil*
ftätte, bie 1897 in KefnacS eröffnet mürbe, ein 8t. Sorgens .jpofpüal
für unbemittelte AuSfäfcige erbaut merben. SDer Staat unterftüht
meiter eine Keifje oon Secbopijen für kinber ^ur Vefämpfung ber
luberfulofe unb Sfropbulofe.
Vierter Verbanbdtag ber Vaugenoffenfdjaften ^entfchlanbS*
Am 1. unb 2. 3uli fano in Verlin bie alljährliche VerbanbS*
oerfatnmlung ber Vangenoffeufchaften ^cutfd)lanbs ftatt. ^em
Verbaubc gehören 33 ©enoffenfehaften an, bie ihren Sifc haben in
ben Stäbten Arnftabt, Verlin, Vlumenthal, kaffel, ^armftabt,
Ebersmalbe, Erfurt, Tyalfeitberg, Mer ne, £>afle a. S., Hamburg,
©aitau, Seua, MönigSberg i. ^r., kreujnad), konftanj, Mulmbad),
i3ibccf, ^ubmigshafen a. Kl)., Üangeubrecr, iiiegnib, Viaunheim,
Cbcrurfel, Vobsbam, Vaberborn, Schalfe, Sd)leSrcig, Silberhütte,
S premberg, Stettin, VJilhelmöburg unb Bitten berge. VerbanbS*
bireftoren fmb Keid)StagSabgeorbneter Sd)raber, Üanbrath Vertholb
aus bem Mreife Vlumenthal (Vrooin^ .Jannoocr) nnb Anbrefen*
Hamburg, .^auptgegenftanb ber Verhanblung mar inSbefonbere
bie Srage ber ©elbbefchaffung für bie Vaugenoffenfdjaften. Ilm*
fragen haben ergeben, bafc oon ben $rooinjialban!en, ^rooinjial*
hülfSfaffen unb ähnlichen Mommunalinftituten acht (oon fünfzehn)
fich & crc i* erflärt haben, an Vaugenoffenf^aften ^ppothefenbarlehen
ju gemähren, aber sum Sbeil bei fehr niebriger Veleihungsgrcnse,
bei gicmlich erheblichen 3iaS* unb AmortifationSfähen; oon Vau*
gelbem ift bei biefen Maffeit faft gar feine Kebe. Auch bie §ppo*
thefenbanfen, beren grofee Verbienfte um bie görberung ber Vau*
thätigfeit oor einigen Sagen im Abgeorbnetenhaufe fo rühmenb
heroörgehoben mürben, geigen gumeift feine Keigung, ben Vau*
aenoffenfehaften erheblid) entgegengufommen. ^>ie §>auptgelbqueüe
bleiben banach bie SaoaltbenocrficherungSanftalteu, melche Enbe
1897 35 ,% ViilUonen Viarf für Arbeitermohnungen h^gegeben
hatten. Sie SnoalibenoerftcherungSanftalt ^annooer hat mit bem
hannooerfchcn Sparfaffenoerbanbe bie Vereinbarung getroffen, bafc
bie Sparfaffen baS ©elb gu 3 o/ 0 erhalten unb ihrerfeitS gu
31/2 % an bie Vaugeuoffenfd)aften meiter geben follen. ^aburch
merben bie ©elber münbelficher angelegt, roährenb bie Vergehe*
rungSanftalt ben Vetrag ihres Verm^enS, ben fie für Arbeiter*
mohnungen aufroenben fann — ein Viertel — gu groeiten .^pppo*
tiefen oerroenbet. ^)a& biefeS Veifpiel in anberen ^rooingen
^ßreufeenS Nachahmung finben merbe, mürbe allerbingS begtoeifelt.
AuS ben ©enoffenfehaften heraus rourbe berichtet, bafe nach lieber*
minbung ber erften Schmierigfeiten bie Vaugenoffenfchaften theils
bei oerftänbigen roohlhabenben ^Scrfonen, namentlich auch bei Unter¬
nehmern ©elo befotnmen hätten, baf; inSbefonbere aber bie Ar*
beiter ihre Erfparniffe bei ben Sparfaffen abgehoben unb bei ben
Vaugenoffenfchaften gur Verftärfung ber VetriebSmittel angelegt
hätten. — AIS Ergebnis feiner Keoifionen ftettte ber VerbanbS*
reoifor Dr. Schneiber*VotSbam feft, bafe trofe mancher Vtängel ber
Drganifation unb ber ©efchäftsführung, bie fich im £aufe ber
3eit befeitigen laffen mürben, bie Vaugenoffenfchaften .^eroor*
ragenbes ooer bod) AnerfemtenSroertheS auf bem ©ebiete be?
SöohmmgSbaueS geleiftet hatten.
Eingabe ber Evattgelifchen Arbeiterberetne gttr SBohnnngSfrage. Anf
ber 5)elegtrtenvcrfammlung gu Altona mürbe oon ben £elegirfen bc$
©efammtverbanbes ber Evangelifd)cn Arbeitervereine XeutfdilanbS be=
fchloffeu, an bie SRinifterieii ber cingelnen Vunbc?ftaaten, an bie Cber^
bürgermetfterämter ber größeren Stäbte unb an bie Vorfcänbe ber
Snvalibitäts* unb AlterSverfidicruugsanftalten Kunbfdjreiben gu crVcv^cu,
um biefc Veljörben gur iWitmirfung bei ber ArbeiterroohnungSfürforgc ein*
gulaben. ®ic beit SRinifterien gu unterbreitenben gorberungen fmb in
folgeuben 5 ^ifferu formulirt:
1. Einrichtung von 2anbeSbaubanfeit ober fianbeSfrebitfaffen gur
Vefd)affuitg ber »augelber für gemeinnüpige Vaugenoffenfchaften.
2 . Vcfreiung von ber Umfapfteuer, von ©ebiibren für Kedjtsafte unb
von ben lanfenben Steuern für folcpe Vereinigungen. 3. Villige Ab¬
tretung von fiSfalifd)ent Vaugelänbe namentlich in ber Nähe ber
gropeit Stäbte. 4. Sftöglidjfte SSohnung^fürforge in Vegug auf ftaatlidjc
Unterbcamtc unb Arbeiter. 5. Regelung ber VSobnnngspoligei namens
lief) in ber Ntdjtung einer periobifch regelmäßigen, gefuubheüspoligei*
üd)cn Nevifion ber VJiethmohnuugen nnb SchlaffteUcn burch befonbere
SßohnungSinfpeftoren
3n bem Nunbfchretben an bie SuvalibüätS* unb AlterSverficberung*'
anftalten mirb biefen bie Nachahmung bes VeifpielS ber Anftalt für bic
$roviitg Hannover (vergl. ben vorhergehenben Artifel) empfohlen.
$as Nunbfchreibcn an bie Cberbürgermeifterämter tritt neben
einer energifdicn fommnnalen V>ohuungsfürforge für Errichtung unb
Vergrößerung von Anlagen, Vromenaben unb'Mtnberfpielpläpcti, für
bie Aufteilung von ©emeinbefdjulärgten, für bie Errichtung ftäbtifrfirr
Vabeanftalteu, für bic Momunalifirung ber Straßenbahnen, für Volte*
bibliotljefeu unb für AlterSfparfaffen ein.
SBohtttragSfürforge in Stolp t./Vom. Nach bem „Bericht über bie
Vcrmaltung unb ben Staub ber ©emeinbeangclegenheiten ber Stabt
Stolp i./Vom. vom 1. April 1898 bis Enbe Vtärg 1899"*) betrug bei
einer Eimvohnergaßl von 26 193 bie gahl ber vorhaubenen SSohmnigen
am 5. Niärg 1899 5945, movon 37 uubemohnt mareu. $ic vorhaubenen
Wohnungen hatten gegenüber bem Vorjahr um 146 gugenonnnen, bie
unbemohnten bagegen um 10 abgenommen, ©ebaut mürben im Verid)ts=
jahr 20 Sohnhaujer, im Vorjahr 25, 1896 97 13. ^er „Vauverein gnr
Erbauung von Arbeitermohuungeu" ließ givci Arbeiterhäufer im ©erthe
von 27 OCX) M. mit je 12 A*ofjuungeu erbauen, ^ie Nad)frage uadi
ben oont Verein abgugebenben Wohnungen ift eine fehr rege. Tic
VJiethspreife fehmanfen gmifchen. 100 unb 160 M . Am Schluß bc?
oahrcs gäbltc ber Verein 155 Vfitgliebcr unb eS fonnte gum erften
V?al ein Ncingcunuu von 2 % an bie ©enoffeu ucrtheilt merben. ^cr
„Beamten* äßopnungS* nnb Sparverein" mit 19 Vlitgliebcrn erbaute
4 S^ohnhänfer. Er befipt an Wohnungen:
3 gu je 5 Zimmern gum greife von . . 460—510 Jt
13 = = 4 = * * * . . 345—425 =
8 = = 3 = = = * . . 300—325 =
8 * * 2 (£acbgefrfjoß) gum greife von . 125
: ) £rncf ber g. geige)d)eit Bmhbrudcrci, Stolp i./Bout. 1899.
1109
Sogiale PrajiS. ©entralblait für Sogialpolttif. Rr. 41.
1110
3u jeber SBohnung geboren Keller unb Bobenraunt unb in jebem
föaufe befinbet fic^ eine SSafdjfüche unb ein ©obenraum. 3)er Rbfchlufj
beS @efd)äftSjahrS weift einen Ueberfchufj non 889 Uf. auf. *
(Erjie^ttttg trnb fiilbttng.
VolfStwrlefnngen. 9Ran ftreibt uns aus 3franffurt: „$>ie
VolfSoorlefungen, biefc auf betn 3ufammenarbcitcn ber ©eiehrten
mit ben organifirten Arbeitern beruljenbe, allen politifd^en Be*
ftrebungen gleichtnäfeig neutral gegenüberftehenbe 0form ber VoIfS*
bilbungSbeftrebungen, näbern ftch allmählich bem punft, roo fie in
ben Bereich ber öffentlichen Verwaltung fommen unb non ibr
nicht nur Xulbung, fonbern pofttine §>ülfeleiftung beanfpruchen.
®ie0 geigte ftch neuerbingS, am 12. Quni, bei ber Koitfereng ber
Rhein s Btoittf<hen SluSfdbüffe für VolfSoorlefwtgen gu granffurt a/3R.
unb am 13. Quni, mo ber naffauifebe ©täbtetag ficb auf feiner
Verfatntnlung in RübeSheint, roobl als erfter ber beutfehen ©täbte*
tage, mit ben VolfSoorlefwtgen befd^äftigte. 3u Öranffurt batten
ftet), ohne jebe öffentliche ©inlabung, ©rfuchen an Behörben u. f. ro.
Vertreter ber RuSfchiiffe oon 3-ranffurt a/RR., Karlsruhe, RRaing,
©BieSbaben, Dffenbad), fmnau, ©iefjen u. f. m. gufammengefunben;
ferner bie Vertreter gabireicher Ueinerer Drte, unb unter ben 3 Us
börern au&er bem Dberbürgermeifter non Sranffurt auch ber Ober*
präfibent ber Prooing ©raf 3 cr ^b- ßrgebnifc ber Berljanblungen,
an benen fich überall ©eiehrte, Vertreter gemeinnüfciger infiniten
unb Arbeiter als Vertreter ber ©eroerf fünften, Slrbeiteroereine u.f.ro.
gleichmäßig beteiligten, mar ber Befähig gur Bearünbung eines
bauernben BerbanbS, ber bie Bewegung namentlich auch auf baS
flache ßanb hinaustragen foö unb ©Raffung eines Korrefpottbeng*
0rganS. Ruf bem ©täbtetag gu RübeSheint, roo ©tabtratb Qflefch
(Sranffurt a/RR.) inSbefonbere über bie Bebeutung ber BolfS*
oorlefwtgen für bie Heineren Drte referirte, fonftatirte nach an*
geregter unb lebhafter XiSfuffion $err Dberbürgernteifier non
$beu (©ßieSbaben) als Borfifcenber, baß nach einftimmiger Slnficht
ber Vertreter ber ©täbte beS RegierungSbegirfS bie VolfSoorlefungen
oon ben ©euteinben nach ^bunlicbfeit gu förbern feien."
Xie erfte ©teile in ber Sörberung biefer Begebungen nimmt
unbeftritten ber £antburgif<he ©taat ein. Von befonberetn
Sntereffe finb hier bie ©rünbe, bie ben Bürgerf<haftSauSf<huß oer*
anlaßt haben, bem ©enatSantrag auf ©mchtung eines eigenen
©ebäubeS für bie Rbhaltung ber in jebetn ©Sinter non ber Juber*
fd)ulbebörbe gu oeranftaltenben VolfSoorlefungen unb anberen reinen
roiffenf<haftli<hen Vorlefungen abgulebnen. ©in oont ©taate oer*
anfialteteS VorlefungSroefen für große RRaffen habe nur bann ben
richtigen ©inn, wenn es auf görberung ber VolfSbilbwtg abgiele
unb roenn bie Vorträge fo geartet feien, baß fie im ©roßen unb
©angen beim £>örer nur bie abgefcf)loffene VolfSfcfjulbilbung oorauS*
fefcten. Heber ben ©egen folcber VolfSoorlefungen fönne fein
3meifel f)tvc[d)tn unb ebenforoenig barüber, baß ber ©taat für
folche Volfsbilbung febr roobl Opfer bringen fönne, bie für eine
noch fo oerebelnbe Unterhaltung ber ©ebifoeten allein nicht roobl
aufgeroenbet roerben bürflen. Run fommt aber ber bürgerfchaft*
liehe RuSfchuß auf ©runb ber bisher gemachten ©rfahrungen ju
bem ©rgebniß, baß es gur 3eit fich noch gar nicht übeefeben laffe,
in roelcbem Umfang unb in welcher 3abt für biefen 3roerf 3uf)öxet*
räume gu erbauen roären, um bem SBebürfrtiffe befinitio abgubelfen.
9tach ber ©tatiftif über ben ©efuch ber ©orlefungen betrug bie
©efammtgabl ber £>örer im 3Binter 1897/98: 5686, 1898/99 ba*
gegen 7882. ®er größte bem ©taate gur Verfügung ftebenbe
|)örfaal, bie 2luta beS SabanneumS, fafet 450 £>örer. 3nt hinter
1897/98 fei gu manchen dürfen ber änbrana fo ftarf aeroefen,
ba& ropbl hoppelt fo oiel Sßerfonen, als eingelaffen roerben fonnten,
batten gurüefgeroiefen roerben müffen. @S fei oor biefen ©or*
lefungen man^mal ein gerabegu lebensgefährliches ©ebränge auf
ber kreppe entftanben unb jeber ^ßlafe b a & e langes, oft ein*
ftünbigeS ©Sorten oor Söeginn bet ©orlefungen erfauft roerben
müffen. ®er 3luSfchub ift baber ber Meinung, bafe eS gar fein
©ebenfen bat, roäbrenb eines ^rooiforiumS oon einigen Sabren
SSorlefungen, für bie oiele b un & er t 9 ar taufenb unb mehr
©Reibungen gu erwarten finb, in ©älen ber großen ©amburger
©tabliffements gu oeranftalten.
5)er freittitttge ©rgiebuitgSbetratb für fibitletttlaffeite ©Saifett in
©erlitt r bet 3000 SRttglieber gälilt unb ein Vermögen oon runb
40 000 M. befipt, fjielt am 30. 3uni feine britte Oieneraloerfammlung
ab. ®urdi ÄabinetSorbre finb bem herein bie 9ied)te einer juriftifefjen
^erfoit oerlieben worben; nach berliner ©orbtlb haben ficb freiwillige
©rgiebungSbeirätbe in 2)armftabt, ÄotlbuS, Sempelburg unb Äopen*
bagert gebilbet; Vertreter ber ©täbte ^ranffurt a. SR., Hamburg,
©otbenburg unb Kopenhagen befuchten bas ©ereinSbiireau gum ©tubhtm
ber 3i e l f wob Drganifation. ?tach einem unter bem Xitel: „Staatliche
Kinberfürforge unb ©ermanifirung ber C’ftmarfen" aufgcftellten Drgani*
fationSplan folt burch Schaffung oon SRufterpflegefolonien bie öffentliche
Kinberfürforge in ben ®ienft ber ©ermanifirungsbeftrebungen gefteüt
roerben. 2)er herein felbft, ber fich oater* unb eiternlofer, unehelicher
unb bauernb oom Skater oerlaffener Kinber annimmt, um ihnen in ben
auf ihren Austritt aus ber Schule folgenbert fahren mit ^ath unb
$hat beiguftehen, oerfügt über 1600 Pfleger unb Pflegerinnen unb hat
feit ber ©riinbnng oon ben 6862 gemelbeten Kinbern 485 mit 2822 M.
unterftiipt. 3m lepten öeriebtsjabre würben 1220 Kinber untergebracht.
Unterftüfct würben 222 Pfleglinge, unb gwar 115 SRäbchen unb
107 Knaben; bie 156 einmaligen unb 66 laufenben Untcrftüpungen er*
forberten 9818 M. ©ine große Hngabl Kinber roerben außerbem oon
ben Pflegern unb Pflegerinnen bireft unterftüpt. 3nt §ahre 1898
würben 671 Knaben unb 334 SRäbcben einem !8eruf gugefuhrt. 2)urch
Vermittelung oon Sommcraufentbalt für fränfliche Kinber forgt ber
Verein auch für bie ©efunbbeit feiner Pflegebefohlenen unb ergängt bie
2hätigfeit ber Vereine für fterienfolonien.
fittenarifdie 2lnjeigeH.
^ie gachthauSoorlage oor bem Reichstage. Rach bem offigieüen
ftenograpbtfchen Bericht. Berlin 1899. Vertag: ©jpebition ber
Buchhanbtung Vorwärts. 192 S. Preis 25 /%.
RauticuS, Jahrbuch für 5)eutfchlänbs Seeintereffen (Berlin, ©.S.SRittler
& Sohn, König!. §ofbuc|hanblung).
^DieS Buch ift beftimmt, über unfere Seeintereffen — Kriegs*
marine, Seehanbel, Seeschifffahrt, Kolonien, &äfen, Kanäle u. f. w. —
Huftlärung unb Kcnntniß in weiteren Kreifen gu oerbreiten. $>en
Sefer biefer Blätter wirb es befonberS interefftren, baß auch mehrere
fogialpolitifche drittel Rufnabme gefunben haben, fo bie Arbeiter*
intereffen unb bie glotte, Rrbeiterfchup unb ^ürforge in ber SRarine.
Sin oerfebiebenen Stellen bes Buches fommt ber ©ebanfe gum Slusbrucf,
baß Seemachtspoütif unb Sogialreform ftch nicht nur nicht auSfchließen,
fonbern fogar gegenfeitig bebingen.
o. Blume (©eneral ber Snfanteric ^ ®.) r ^i e ©runblagen unferer
©Sehrfraft. 3 M., geb. 4 M. ©. S. äRittler & Sohn, Königliche
^ofbuchhanbtung, Berlin.
Slusgehenb oon ben Änforberungen, bie ber Krieg an bie nationalen
Kräfte ftellt, unterfucf)t ber Verfaffer, welche Verhältniffe unb ©inflüffe
im Staats* unb VolfSleben ber ©ntwicfelung jener Kräfte förberlich
ober fchablich finb, was inSbefonbere uns notb thut, um uns ftarf gu
erhalten gur ©Sahrung unferer ©hre unb Unabhängigfeit, gum Sdhub
unfereS Rechts unb unferer 3ntereffen, gur Sicherung unferer Kultur*
entwicfelung. 2)er ©igenart bes ©egenftanbeS eutfprechenb, erftreefen
ftch bie Betrachtungen beS Verfaffers auf bie oerfchiebenften ©ebiete
beS öffentlichen Gebens, auf bas oolfSroirtbfchaftliche, fogiale unb poli*
tifche, ebenfo wie auf bas militärifche.
StatiftifcheS Sahrbw^h für baS X)eutfche Reich, h c rauSgegebeu
im Kaiferlichen Statiftifchen Ruit. 20. Jahrgang. Berlin, $utt*
, fammer & SRühlbrecht, 1899, preis 2 M.
tiefes nüpliche Scrf behaubeit befanntlich alle biejenigen ©egen*
ftänbe, über bie jährlich gufammenfaffenbe ftatiftifche Rachroetfe für bie
beutfdjen Staaten gebracht unb Summen für bas Reich gegogen Werben
fönnen, fowie bie ©rgebniffe periobifcher Aufnahmen, bie für bas
gange Reich oeranftaltet worben finb, g. B. ber Berufs* unb (bewerbe*
gählung oon 1895. 3« bem neuen 3al;rgang fmb nicht nur bie 3ahreS=
reihen ber Radjroeife fortgeführt, fonbern auch mancherlei neue Bttt*
theilungen aufgenommen, u. 21., einem Befdjluffe bes Reichstags • ent*
fprechenb, eine Statiftif ber gum Börfenbanbel gugclaffenen SSertl;*
papiere. ®ie üblichen Kartenbeilagen bringen biefes SRal 3üwftrationen
aus fehr weit auSeinanbcr liegenben ©ebieten beS VolfSlebenS: bie erfte
geigt bie Verfchicbenheiten ber ©eburtenhäufigfeit im Reichsgebiet, bie
groeite bie geograpljifche Verbreitung ber leytilinbuftrie, bie britte be*
gieht ftch auf ben SBertf) bes auswärtigen .fjanbelS, bie oierte auf bie
1898 er Reichstagswahlen.
Protofoll ber Verhanblungen bes britten Kongreffes ber
©ewerffchaften 2)eutfchlanbS. 2lbgebalten gu Jrrtnffurt a/2R.=
Bocfenheim oom 8. bis 13. 2Rai 1899. Hamburg, Verlag ber
©eneralfommiffton ber ©ewerffchaften S)eü.tfchlanbS (©. 2egien>
232 S.
Bericht ber $anbelsfammcr gu Xüffelborf für 1898/99.
©rftec Bauarbeiterfchuh s KongreB in Berlin am 20. unb 21. SRärg 1899.
Verlag: 3 m Aufträge ber Kommiffion für Ärbeiterfchup 2Ij-
Bömmelburg, Hamburg.
Rcungehnter 3«hresbericht beS Schroeigerifcheu ©ewerbe«
oereinS 1898. 23ern 1899, Budibrurferei Bucblcr cV ©o.
Straßburg i. ©., £aS Kranfenfaifcnwcien ber Stabt Strasburg i. ©.
im 3rtf)i' e 1898.
Scramroortli^ für bte Kebaftion t E: Dr. (itemeit8 pclB, Scritn.
1111 Soziale ^rajiS. Seittralblatt für Sojialpolitif. 9h:. 41. 1112
©ie Vtavt*" erfdjeint an jebenr ©onnergtag unb ift burtfc alle Bud&ljanblungen unb ^oftämter (^oitjeitungÄnummet 7072) ju beiteten, ©et «Preis
für baS Bierteljabr ift SK. 2,50. 3ebe Kummer foftet 30 Bf- ©et SäiijeigenpreiS ift 60 Bf- föt bie bteigefpaltene Betitjetle.
Unt ben Bcjug ber älteren Sa^rgänge unferer HBodjenfdjrift ju erleichtern,
taffen mir bie folgcnbe $dttneilige $tetl^etalfe|iittg eintreten:
©o lange ber nur nodj geringe Vorrat an uollftänbigen ©jemplaren reicht,
werben die enteil sechs Jahrgänge der Sozialen Praxis, t>.$.
Üogiatyolitifdpe Gentrathtatt Jahrgang I—III (Januar 1892
biö September 1894). unb baran anfdjließenb
$>ie ® 0 giate $teitgi§, 3a(rgmtg IV—TI (Dftober 1894 bis Sep¬
tember 1897)
fturn ermäßigten ©efamtbarpreife 001 s nur 36 SRarf für ba$ twffftättbige
fegif§§|>l«t? abgegeben (ftatt bisher 60 HKf.), lieferbar fieipjig. (@8 fehlt in ber
Serie nur bie Wr. 1 be$ III. 3ab*gang$ beS „©eroerbegeriqit", ber Beilage jur
„Sozialen $rajt§".)
3u biefen Bebingungen fantt jebe beffere SortimentSbudjljanblung liefern.
Scipsig, im 3nit 1899. Bmtdut & fnmblot.
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel in Berlin W.
Arbeiter-Versicherung
im Auslande.
Bearbeitet von
Dr. Zacher,
Kais. Geh. Reg.-Rat im Reichs-Versichernngaamt.
Heft V1I/VI1I.
Dli Drbiltir-Iirslcliraii li Oistirriiik i. Ii|in.
- Preis 3 Mark. --
fm allen ialbjntjr 1899 bei Hinüber & gnmbUrt in leidig
erfcfjtenen:
@tgebnif{e, ©ie, ber Boffdgäljlimg uont 2. ©c^ember 1895
unb ber Berufs- unb ©emerbejäl)Inng uom 14. 3uni 1895 in
ber Stabt Seipjig. Bearbeitet im ftatiftifdjen 2tmt ber Stabt
2eipjig. II. ©beil. Sonberabbrurf aus ben ftäbtifdjen Ber-
waltungSberidjteu für bie $afjre 1896 unb 1897. 2ej. 8°
(VII, 73 3.) 1 SK.
Felix, Ludwig, Entwicklungsgeschichte des Eigenthums
unter culturgeschichtlichem und wirtschaftlichem Gesichts¬
punkte. IV. Theil, zweite Hälfte, I. Abtheilung.
a. u. d. T.: Der Einfluss von Staat und Recht auf die
Entwicklung des Eigenthums. Zweite Hälfte, erste Ab¬
theilung: Das Mittelalter, gr. 8° (XII, 776 S.) 15 M.
Forschungen, staats- und socialwissenschaftliche, heraus¬
gegeben von Gustav Schmoller:
Band XVI, Heft 5:
Die mittlere Lebensdauer in Stadt und Land. Von
C. BaUod. gr. 8° (IV, 141 u. III S.) 3 M. 60 Pf.
Band XVH, Heft 1:
Die finanziellen Beziehungen der florentiniseben Bankiers
zur Kirche von 1285 bis 1304. Von Georg Sehneider*
gr. 8® (X, 78 S.) 2 M.
%ttUUh f SRidjKlrö, ©er Arbeitsnachweis. ©ine fojialpoIitif<f)e
3tubie. Erweiterter Sonberabbrucf aus ber „Sozialen $ra£i§".
8° (23 3.) 40 Bf-
C«niiibnft bcs öfterreidjifdjcn Bedjts, ßeranögegeben uon
21. Ringer, €. 7vraitfI, ©. UUmaint:
III. Banb, V. Abteilung:
Ofrunbrtß bes 0)ewerbered)t» unb ber Arbciterncrftcbe-
rmtg. Bon Btctor Httataja. 2e£. 8° (VI, 137 3.)
8 HK. 60 Bf-, gebb. 4 HK. 20 Bf-
3ahv6nd) für Oiciepgebmtg, Berwaltung unb BolfSwirtfdjaft
tm ©eutfdieit Hicid). ftcvau»gcgcbeu uon 01 it ft au 3 dj m o 11 er.
gr. 8°. Bene folge. XXIII. Jahrgang.
©rftes $cft. (IV, 395 3.) 9 SW. 20 Bf-
(fobaltSaugabc ugl. in 9er. 16 imb 17 bicicS Blattet.)
3 wette» .'peft. (IV, 364 3.) S SW.
(oubaltvaugabc ugl. in SKr. 28 unb 29 biefe» Blattet.)
Sieg, 9EÖ., Bei törupp. ©tue fociatpolitifche Bcifcffijje unter
befonberer Berücffidjtigung ber 2lrbeiter-HBof)itungSfürforge.
gr. 8° (X, 165 3. mit Stilen im ©ert unb 3 graptjifcben
©afeht in folio.) 3 HK. 60 Bf-
9Rat>, 9t. ©as Behältnis beS BerbraudjeS ber SKaffen
Hu bemjemgen ber „Kiemen Srute", ber SSoblbabcnben unb
Beiden unb bie HKarriftifdje ©oftrin. 3onberabbru(f au§
8djmoQerS 3«hrbuch für Oiefeßgebung. gr. 8° (48 3.) l SW.
e^fitiftat beS beutfdjen BercinS für Armenpflege unb HBobl-
tljättgfcit:
40. $eft gr. 8° (IV, 145 u. XVI 0.) 3 HK. 60 Bf-
Stenographier Beridjt über bie adj4etjntc ^afircd-
uerfammlung be3 b. B. f. 21. u. HB. am 29. n. 30. 3ep*
tember 1898 in Nürnberg.
(3nb a ^ongabe ugl. in Wr. 19 biefeö Blatte».)
<&d)viften be$ Berein§ für Sogialpolttif:
Benb 80: gr. 8° (XV, 461 3.) 10 HK. 20 Bf-
a. u. b. Unterfud)ungen über bie 2agc be^ öaufter-
getuerbeö in ©eutfdjlanb. Bicrter Banb.
Battb 82: gr. 8° (LXXI, 339 3.) 9 HK. 60 Bf-
a. u. b. ©.: Unterfndjungen über bie 2agc be» §aufter-
getuerbeS in Dfterrcitb.
[Banb 79 unb 81 ber 3djr. b. B. f. 3. werben fpäier
erfefjetnen.]
Simon, Carl, Der Export landwirtschaftlicher und land¬
wirtschaftlich-industrieller Artikel aus den Vereinigten Staaten
von Nordamerika und die deutsche Landwirtschaft. Studie,
gr. 8° (XII, 132 S.) 2 M. 80 Pf.
^$£VUNl(iUttQ$l)£¥td)t bcs Bntljci- ber 3tabt 2etp,^ig für ba^
^aljr 1897. gr. 2ei\ 8° (IV, S24 3.)
geb. in 2einewanb 10 HK.
Söctltfftern, tnnt, (Sm froccnt. Sic Sdiaffimc,
imb erfioltimg einet beutiefien Srfilorfiifloite. gr. 8° < IV,
ß» ®-) i 11;. 40
»ccantroortli^ für btc «itjcigcn: ücnmutlj @eibel, ßclpjta. — «erlag oon 2un<fcr & $>uoiblot, ßeipitg. — Öebructt bet grntu« ©ittenfelb, »eclin.
VIII. faljrganj.
©erlin, ben 20. Jguli 1899,
Hummer 42.
Soziale prajte.
^entxafbfaff für gjogtarpoltfiR
mit bet SRonatSbeilage:
Das (Bewerbegertcfjt.
©rgatt bes Oerbattbes beutfdjer (Betperbegeridpte.
Reue golge ber „Dlätter für fogtüle sprayte" unb beS „Sogialpolttifcben dentralblattS".
i -
<E*f4eini n Jebem Smraerftag* ^>erauSgeber: A*ete uictieljiljrli^ 2 V}. 50 $f.
Rebaftlon: Detlht W., SBa^reut^erftrafee 29. Dl*. (Etltfl /tttttlbt« Verlag öoit ©>untfer & §um6lot, Seipgtg.
3uk*lt
©emetnnüfcigfeit unb ©enteilt*
famleit bex AxbeiUnad&wetfe.
Don Daftot ÜRöxc&en, Setzei bei
©ielefelb.1113
Daxitätifdje ©etnexffdjaft#*
oxganifationen. Don Dxuno
Doexftfc, ©efretör beS (Sentral*
öexbanbe« bet in ©emeinbebetrieben
befestigten Arbeitet, Detlin .1117
WBgcwetnc ©tftial* nab ttirafSeftl*
mmt .1120
Regelung bex getoexbliiben SHrbeit
fcbulpflidjtigex ftinber im ReglexmtflS*
bejitf fßotebam.
Anftebelung t»on Arbeitern unb flehten
Seuten auf betn fianbe.
6 a ) t a l j> o U t i f <$ e 8 e ftt m m n n g e b
im dftex*eid>tf$et» Datcntgc»
fefre. ®on SR. €»$toax|, Alten,
©oaialpolitifdjex ftongrefc in ©enua.
^Beilegung oon Axbeiteftxetttgfeiten in
ReufübtoaleS.
ftoBURanale •ostalpoltttl.... 1122
©er jJbüttngifcbe ©töbtetog.
£l)ätigfeit bex ©cbutärjte in ©arm*
ftabt 1898/1899.
CȤi*Ie &umn*e .1122
©ie Arbeitslöhne in Söüxttem*
bexg. Don Dr. Rubolf ©xäfcer,
Dexltn.
©te Sage beS beutfeben Arbeite»
niarfteS im %nm.
91 rbehgelex* unb Untevnebuterbet*
bäube.. 1125
©ex Detbanb bex Dietattinbuftxiellen
unb bie Axbeitetnilltgen.
fl(t»et*exte»egB«t.1125
©te Jpexnex Dexgaxbeitex«£xawatte.
Arbeiterbewegung im Daugewexbe.
Dom Ducbbrudexoexbanb.
ttobeft*erf4tt*.1126
Doliaeioexotbnung aum ©$ufee bex
Dauaxbeitex im Untexelfafe.
©efefclidje Regelung bex AxbeitSöer*
bäiinijfe im ©afiwirtljSgewerbe unb
bie organifirien ©aftwixtbSgeljiifen.
Axbeiierfdju|j in Rew*gjorf.
Vrbehexbcrfifberung. fbatfaffes 1127
DexufSgenoffenfdjaftStag in ftonftanj.
Unfete Axbeitetberfidjexung unb bie
Daxifex SBeltauSftettung.
tUMttiiftffttoet«.1129
Allgemeine Arbeite* unb 2Bol)nung8*
nad&weiS»An|talt in Köln,
kommunale# Arbeitsamt in (S^riftiania.
«»ftttte m§lm$ .1129
Axbeiterböbex in flaatlitben DetxiebS*
ftätten.
©ex ©influß beS DexufStoedjfelS auf
ben ©efunbbeitejuftanb.
@etoerbeeext*te. ©fntgitttgtäiiitex.
©ftiebSgertditc.1130
Im •f»eteegcrh|t» 9erCin.
Rebigirt oon Dr. ©thalijorn, ©e*
mexb eridjtex, Detlin.
Uebet „@u tagten unb Anträge"
bex ©eroexbegexidjte. Don
SR. ü. ©cbulj, Dorf, be$ ©ewetbe«
geriet* Detlin.
©aS Dexlinex ©emerbegeri<bt als
©migungSantt.
Redjtfpxec&ung.
Abbxud fämmtlicber Axtifel ift ßeitungen unb ßeitfdjxiften geftattet, jeboeb nux
mit sottet ^Quellenangabe.
(gemeintifi|igbeit unb dteraeinfninheit ber Arbeite-
nadjniEife.
33ei ben SBerbanblungen im $reup’db en ABgeorbnctenbaufe
am 8. guni über ben Antrag o. $appenbeint unb ©enoffen, be*
treffenb giirforge für ArbeitSlofe bureb ©infübrung nun Arbeite*
nadjmeifen, waren bie Meinungen barüber geteilt, ob eine 25er*
binbung ber Slrbeitenad^meife mit Verbergen unb 2SerpflegungS*
ftationen in@ Sluge ju faffen fei. ^iefelbe SReinung8oerfd)iebenbeit
trat auef) fefjon auf ber erften allgemeinen 2(rbeitenacbroei34frm*
ferenj in Äarl^ru^e im September 1897 Ijeroor. Sc^on bamal§
geigte fid^, ba& bie 23eantroortung biefer grage roefentlid) baoon
abtjängt, roa§ für Verbergen man meint, unb mag man fid)
unter „25erpfIegunggftationen" oorftettt. 2ßer lefetere nur fennt
unb auffa&t alg eine Strt BetteU^bfinbunggfietteit, ^oligeiafple für
förperlic^ ober fittlid^ £eruntergefommene, iolerangpufer für 2lr*
beitef^eue unb Öanbftreicf)er, bie für eine orbentlidje ©rroerbg*
ttfätigfeit nid)t me^r gu gebrauten ftnb, ber befürdjtet mit 3leif)t,
bafe eine fold^e 2$erbinbuna bie Strbeitena^meife bei ben orbent*
lid^en Hrbeitfudjenben unb bei ben Arbeitgebern oon oorn^erein in
sRifefrebit bringen müfete. 2Ber bei ber Rennung oon Verbergen
an jene weniger als „geringen" ©aftmirtfjftfjaften benft, gegen
beren gemeinf^äblit^e Art ber SteHenoermitteiung g. ©oroep oor
einigen ga^ren mit Red^t gu gelbe gog, weil eö fid) babei um ge*
minnfü(f)tige Ausbeutung ber (lüfte gum ^rioatport^eil ber SBirtfje
^anbelt — ein Unwefen, beffen Abfteüung fi^on lange oor (£oroet)
in ben Greifen ber inneren SRiffion geforbert worben war —, ber
fann einen berartigen 25orfcf)lag überhaupt nid^t begreifen.
gn 2Sirflid)!eit & fi^ a ^ er roeber um fold^e §er*
bergen, nod^ um fold^e 25erpflegungSftationen; unb in 2Sirflic§feit
^anbelt eS fidb Iängft nid^t me^r blofe um einen 33orfcf)lag bei
biefer 25erbinbung, fonbern fie ift im ^anbwerf eine uralte,
unb fte ift bei ben Reformljerbergen ber neueren Qtit, namentlid^
ben Verbergen jur §eimat^, feit ga^rge^nten nat^ SRögtidjfeit unb
gur ooßen 23efriebigung ber Räd^ftbetf>eiligten unb ber Allgemein*
beit oermirflidtjt, nidjt minber bei galjlreitben befferen DcrpfleaungS*
ftationen ober SBanberarbeitsftätten. — $)ie SSerbinbung wirb auch
JeineSwegS blofe oon ber lepteren Seite angeftrebt. 2Son Seiten
eines fo gut organifirten, gemeinnüfeigen ÄrbeitSnaibweifeS wie
beSjenigen in granffurt a. SR. fjat §>err Stabtratb Dr. i^. glefcf)
fte oor einigen ga^ren in 3Sorfd)lag gebraut, oom Arbeitsamt in
Stuttgart würbe fie neuerbingS angeregt als ein bequemes
SRittel, um Arbeitfud&enbe, bie bereits auf ber SBanberfcbaft, ober
ni(bt (burd) gamilie ober anbere ©rünbe) an ben lebten Arbeitsort
gebunben finb, aber fein Reifegelb fyaht n, nach einer für fie paffen*
ben auswärtigen ArbeitSftelle ober nadf) einer anbern ArbeitS*
nac^weifefielle gu beförbern.
dine difenbabnbeförberung unter ben nötigen 25orbebalien
unb 25orftd)tSmabregein gegen SRipraud^ fommt babei mit in
grage unb fommt fc|on jefet hier unb ba gur Anmenbung; fo Iäfjt
ficb unnötig langes „2Banbem" unb gwecflofeS „SBalgen" bureb
abgelegene, arbeitsarme SDiftrifte oemteiben unb bie 3 a ^ ^ er f° tf
genannten 25erpflegungSftationen, bie oft genug im umgefepten
Dcrpltnife gu iper "©üte fiep, oerminbern. — SSerwirflidbt ift
biefeDerbinbung bereits auf gefefclidjer ©runblage in ben beutfc^*
öfterreic^ifc^eu ^tonlänbem. SBüpenb naef) ber amtlpen
Statiftif ber bortigen 814 SBerpflegungSftationen im gape 1895
oon 1 495 983 3 u 9 ere iften‘ nur 43 125, b. b- je einer oon 35, in
Arbeit gebracht würben, fanben burdf) bie 453 repSbeutfdben $>er=
bergen gur §eimatf) unb bie mit 255 oon ihnen oerbunbenen 2$er*
pflegungsftationen 112 920 Arbeitfucbenbe Stellung, b. b- je einer
oon 23 3wgereiften. gm oorigett gabre b at fab bi ßC ® er *
bältnife noch gebeffert: gn Arbeit gebraut 123 894, b. b- je einer
oon 18. SDie Verbergen gur §eimatb als gemeinnüfeige SSolfS*
©aftbaufer für minber 23emittelte bulben grunbfäfclidb in ihren
SRauern feine „£anbftrei(ber" unb feinen gwecflofen, untbätigeit
Aufenthalt ihrer ©äfie. — 2)er interfantonale Serbanb ber
1115
Sogiale $rapg. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Nr. 42.
1U6
8d)roeigerifchen VerpflegungSftationen ^at auf einer gemein*
famen Confer eng mit 33 Vertretern gewerblicher Vereine am 2. Ok¬
tober oorigen Sabre« in 3 U 9 mit großer VJehrheit befdjloffen, ben
Arbeitsnachweis in Verbinbung mit ben Verpflegung«*
ftationen gu organifiren; bie auch bort bagegen norgebradfjten
Vebenfen fdjlugen nid^t burch- Voßfommen bewährt l)at fich bie
enge, auch räumliche Verbinbung aßgemeiner ArbeitSnachroeife
mit Verein«Verbergen u. 81. in £>annooer, Düffelborf, Viele*
felb, Verlin, Oranienftrafte 105, SKülhaufen i. E., ßüneburg,
Apenrabe, Va beb erg bei DreSben unb nielen anberen Orten,
ihre Verbinbung mit reinen VerpflegungSftationen u. 31. in ©ör-
m, OuebUnburg, Sriebberg (Obergeffen), $onftang. Die
Eentralifation be« Arbeitsnachweis in Oberbaben ftüftt ftch
hauptfäd)li<h auf bie VerpfIegung«ftationen; ber Eharafter ber
leftteren al« ^olüeiafgle ift bort rote auch in §>effen-Naffau
unb Vkftfalen Durch ba« auSbrücflid)e Verbot ber Aufnahme oon
ßanbftreidjern unb be« ßanbftreidjen« Verbärgen unb burch bie
Vorfchrift aitögefc^Ioffen, baft bie festeren in getrennten UnterfunftS-
ftätten oon ^oligeiroegen untergebradjt roerben müffen. Die legiere
Vorfdjrift ift natürlich nielen OrtSpoligeiorganen l)ö<hft unangenehm,
roegen ber Arbeit unb ber Sofien, bie für fie unb bie OrtS-
gemeinben bamit nerbunben fxnb, roährenb bie Verpflegung«*
ftationen non ben gröfterett $fr>mmunalnerbänben unterhalten
roerben. 3>n ber mangelhaften Erfüßung ber Abroeftrpflicht ber
Sßoligeiorgane gegenüber ben roirflieh arbeit«f(heuen ßanbftreichern
ift überhaupt roeit mehr ber Vttfterfolg nieler VerpflegungSftationen
begrünbet, al« in biefen felbft.
23enn ©emeinnüftigfeit unb ©emeinfamfeit roefent*
liehe Vierfmale ber öffentlich gu reaelnben ArbeitS-
nachweife finb, fo barf bereu Verbindung mit Unter*
funft«fiätten für roanbernbe Arbeitfuchenbe, in«befonbere
mittellofe, nid)t aufter Acht gelaffen unb nicht abgeroiefen
roerben.
Vtenn ber freifonfernatine Abgeorbnete Vrütt bei jener Ver*
hanblung ben Vefchluft be« Eentraloerbanbe« beutfeher ßjnbuftrießen
hernorhob, e« fei unumgänglich nothroenbig, baft bie Arbeit«*
nathroeife ausfd)lieftlich in ben §>änben ber Arbeitgeber oerbleiben,
fo fann man nur erroibern: gür einen auSfchlieftlich oon ben
Arbeitgebern beherrfchten Arbeitsnachweis fann ft<h bie A߬
gemeinheit unb ber Staat ebenfo roenig intereffiren, roie für einen
auöfd)liefelid) oon ben $1 rbeitern beherrfchten. SSenn ber frei*
ftnnige Abgeorbnete @olbfd)mibt nach ben günftigen Erfahrungen
mit betn neutralen Verliner Vrauer-Nachroei« eine gleich^ cttliche
Vertretung oon Arbeitgebern unb -Nehmern empfahl, fo trifft ba«
für reine $achnad)roeife gu. 0o nüftlid) biefe für ba« betreffenbe
©eroerbe fein mögen, fo finb fte hoch nid)t getneinnüftig in bem
Sinne, baft fte gu einer unmittelbaren Staat«* ober kommunal*
Aufgabe gemacht roerben fönnten. £>iergu eignen ftch nur all¬
gemeine Nachroeife, unbefchabet einer Sonberung nad) Verufen
tn ihrem Vetrieb. Vei biefen aügemeinen Nadjroeifen ift eine
gahlenmäftig gleiche Vertretung oon Arbeitgebern unb -Nehmern
in ihrer ßeitung roeber möglich noch nöthtg. 2öie roiß man
für bie nielen „ungelernten" Arbeiter, roie für bie nieten Sonber-
berufe unter ben ©eiernten bie gutreffenbe Vertretung fonftruiren?
Vom ©eroerbegericht, roo ein« befteht, ober non geeigneten
Veruf«oereinen beiber Xheile giehe man einige unabhängige Ver¬
treter jeber Seite htngu; im Uebrigen forge man oor Aßem
für einen perfönlich unb technifch tüchtigen, unparteii[<hen Ver¬
malter. Vertreter ber .ftommunaloerbänbe, welche bie Einrich*
tungö* unb Unterhaltung«laft ber öffentlichen ArbeitSnachroeife
gu tragen hätten, gehören in erfter Sinie in ben Vorftanb; Ver¬
treter nerroanbter gemeinnütziger Vereine fann man hingugieften.
So roirb bie Unparteilichfeit gettügenb geroahrt unb ba« nötige
Vertrauen ber Arbeiter unb Arbeitgeber gewonnen, fjür ben burch
Öachnadjroeife unb önch^eife unter ft üftung ber ©eroerfoereine
ober ©erocrffchaften an«reichenb oerforgten Arbeitfuchenben braucht
ber allgemeine Nachweis unb bie gemeinnüpig-fommunale $ür-
forge nicht eingutreten; aber ba« ift ein fleiner Vrogentfaft. Vkr
forgt für bie anberen?
3ur ©emeinfamfeit gehört auch bie Eentralifation, bie
lofale unb interlofale. Vleiben bie roanbernben Arbeitfuchenben
unb bie gu ihrer Aufnahme beftimmten Anftalten unberiicffidjtigt,
fo führen biefe naturnothroenbig ihre befonberen Nacf)roeife weiter
unb e« fomrnt feine Eentralifation gu Stanbe. Umgefchrt roirb
burch Vcnuguttg ber Verbergen unb VerpflegungSftationen bie
Ecutralifation unb ber AuStaufd) roefentlid) erleichtert. — Natür¬
lich wirb man bei Arbcit«tnangel Einheimifche nor Sretnöen, Ver-
heirathete nor Unnerheiratheten beoorgugeu! Aber bei ftarfem
Arbeitsangebot, roie jefct, ftnb für oiele Nachroeife bie Sremben-
herbergen unb Verpflegung«ftationen bie eingige Oueße, au« ber
fie ba« SNanfo an einheimifchen Arbeitfuchenben beefen fönnen.
ES ift leicht gefügt unb theoretifd) richtig: ba« „VSanbern" unb
bie „Umfchau" finb bei ben heutigen VerfehrSerleichterungen un¬
nötige unb ungeeignete SRittel, um Arbeit gu finben; Suofifteng-
lofe foßen überhaupt nicht roanbem. — 2Bo foßen fie benn bleiben?
Vkldje Drt«gemeinbe, welcher Ort«* ober ßanbarmenoerbanb er¬
möglicht Arbeitsfähigen unb §albarbeit«fähigen, wenn fie arbeit«»
unb mittellos geworben finb, ba« Vleiben am Orte burd) Arbeits¬
ober Unterftübung«geroäbrung? $)a« Vleiben fo lange, bi« mit
§ülfe eine« weithin centralifirten 3lrbeit«nach weife« iw Aß-
gemeinen oiefleid)t norhanbeue SNöglichfeit, fie irgenbroo in Steßung
gu bringen, gur 2Birf lieh feit geworben ift? — Auch nach glücf lieber
Durchführung einer umfaffenben Eentratifation be« Arbeit«nach-
roeife« roürben bie OrtSgemeinben roeber freiroißig bereit, noch
burd) 3wang bagu gu bringen fein, arbeitsfähige aßeinftehenbe
Arbeit«lofe, nachdem fte fubfiftenglo« geworben, am Orte feft*
guhalten unb gu unterhalten, bi« fte burch ben Arbeitsnachweis
eine fefte Verfügung roiebergefunben hätten. Eine folche gor-
berung an bie OrtSgemeinben läfjt Ttch auch mit ber geltenben
Sfreigügigfeit gar nicht oereinigen. Ubi labor, ibi panis, ubi panis.
ibi patria! üeine Arbeit, fein Vrob, fein ^eim, feine öeimath!
AI« ehrenroertber Arbeiter in A. broblo« geworben, mufe ber
fort nach V. E. D. u. f. ro.; in 3- 3 «tcrt man ftcher fchon über
ben „Vagabunben". Aber 3- f<h le &t feine arbeitslos ©eroorbenen
ebenfo wohl ab roie A.
Ein recht unfogiale« Verfahren, geroife! Aber fo lange es
herrfcht — unb e« roirb noch i fln 9 c h err f<h c n — wirb ba« gerechte
Verlangen nach einem fogialen Ausgleich nicht gur Vulje fommen.
Der beftgeorbnete Arbeitsnachweis allem fann biefen Ausgleich
nicht bringen; giuth unb Ebbe fehren in manchen ?lrbeit«arten
jebe« 3>ahr, im ©efantmt-?lrbeit«Ieben aße paar Qahr roieber; bis
gu einer aßgemeinen ArbeitSlofenoerfuherung ift ber 2öeg noch un*
abfehbar roett. gür biejenigen Arbeitfuchenben, bie nirgenbroo unb
barum überaß gu £>aufe finb, bebarf e« einer gern ein famen Sürforge
ber ^otnmunaloerbäube, um fte, roenn jeber Arbeitsnachweis
oerfagt, oor beut Verhungern unb Verfommett gu fdhühen. ArbeüS-
nad)roeife ohne VerpflegungSftationen ftnb roeit weniger „gemein-
nüftig", al« folche mit berartigen UnterfunftSftätten; fte überladen
e« bem ortsfremben Slrbeitfuchenben, ftch „fedjtenb" mit ber be*
fifcenben ©efeßfehaft hcrntngufchlagen fo gut er’« oermag, bi« ihm
einmal roieber ein Arbeitsplänen roinft; ber Arbeitsfd)eue aber
benufet biefen orbttungSlofen 3»ftanb gerne als Freibrief für fein
lieberliche« Umhertreiben. — VerpflegungSftationen unb Arbeiter*
folonien ohne 3lrbeit«nad)roei« wären aber gerabegu gemein*
gefährlich, ba fte ihre Qnfaffen grofeentheil« ohne Noth bem er-
roerbsthätigen ßeben entgögen.
8ür bie fogiale VetrachtungSroeife giebt e« eine Voll«familie.
Von jeber ehrettroerthen fyamtlie ift man gewohnt, bafe für ihre
fchroächeren ©lieber bie ftärferen mit forgen. Ein fogial-gemein*
nüfcig angelegter 3lrbeit«nachroeiS mufe ftch auch um bie fchroächeren,
minberroerthigen ArbeitSfräfte mit bemühen. VSanbernbe
Arbeitfuchenbe finb fchon an unb für ftch 9 e 9 ^n Einheimifche im
Nachtheil, ^ie h a ^en feine Vegiehungen am Ort, fein Dach unb
0fach, roo fte e« abroarten fönnen, bi« ftch Arbeit für fie pnbet.
ArbeitSminberroerthigfeit unb SBanberei bilben einen circulus
vitiosus, bebingen unb ergeugen fich gegenfeitig. Ein ,,g>anbwerf«*
burfch" oon 30 ober mehr fahren thäte am beften, er fröd^e in
eine ^öhle unb ftürbe. 3lber e« ftirbt fich nicht fo leicht — jeben-
faß« ni^t fo leicht mit relatio gefunbettt Körper, al« mit franfem!
Vei gefnnbem Sförper längere $eit arbeitslos fein ift für ben ge¬
wöhnlichen, au« ber $anb tn ben SRunb lebenben Arbeiter fd)limnter
unb gefährlicher, al« franf fein. — Vielen ift überhaupt nicht gu
helfen, geroife! Aber barau« folgt hoch nicht, ba& man Alle ohne
|)ülfe laffen barf.
Die Art unb^ßeife ber Verbinbung beiber Einrichtungen
fann unb tauft eine oerfeftiebene fein. Die ©emeinfamfeit oer
ArbeitSnachroeiS-Einrichtungen foß beren Vermaltem einen ooß*
ftänbigen Ueberblicf über bie oorhanbenen Arbeitsgelegenheiten
oerfchaffen; ohne ihre Prüfung unb 3uftimmung foß fein Ein*
heimifdjer öffentliche Unterftüfcung, fein ©anberer „StationSoer*
pflegung" erhalten. 3öo bie Verwaltung be« Arbeitsnachweis
allein eine ooße Hraft in Anfprud^ nimmt, fann ber Verwalter
nid)t gugleid) bie StationS-ArbeitSftätte unb *§crberge leiten, unb
umgefchrt. Aber eine enge Verbinbung läftt ftch überaß her*
fteßen, roenn nicht räuntltch, bann burch telephonifchen unb per*
föitlicheit Verfehr ber beiberfeitigen Vermalter ober burch eine
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©ogiale ^rajris. ©cntralblatt für Sogialpolitif. Ar. 42.
SRittelSperfon. Arbeitfucftenbe siüifd^en mehreren AacftweiSftelfen
bin unb f)tx gu feftiden, ift miftlicft, namentlich bei 3ugereiften;
Arbeitgeber fielen fieft aud) beffer babei, wenn fie nuftt oon einer
Stelle gur anberen gu laufen brauchen, die Verberge ift bie
natürliche „ArbeitSbörfe"; Tie !amt au<ft Snnungsfterberge fein unb
ift es Dielfad). ©ine siüifdjen SJtciftern unb ©efelleu neutrale §ers
berge ift bagu in oieler §infid)t geeigneter, als eine eigene, oon
ben ©efeHen oft mit Vtifttrauen betrachtete Snnungsfterberge; eine
folcfte ift für einzelne Innungen überhaupt nur in ©rofcftäbten
möglich. „SnnungSgefcftenf" unb „StationSoerpftcgung" laffen
fieft bann aud) am befielt mit einanber auSgleicfteu. gür ©in-
hetmifefte ift eine anftr.ibige VereinSfterberge ober VerpflegungS-
ftation ein ebenfo paffenber VermittelungSort mie jeher anbere;
für 28anbernbe ift fie jebem anbereu oorgugieften. Amtlidje ©e-
fcftäftSräume unb VerfehrSformen finb für biefen 3^^ wenig ge¬
eignet unb haben wenig Ausficftt, bie gewerbsmäßige Brioat-
üermittelung mit ihrer ScftmiegfamFeit unb ©efdjäftSgemanbtheit
mehr unb mehr gu oerbrängen. Öür eine Vtenge oon mittleren
unb fleinen Stäbten ift ber ©efeftäftsumfang naeft beiben Seiten
nicht su groß, als baß nicht ein unb berfelbe Verwalter beibeS
beforgen fönnte, foioohl ben allgemeiuen Arbeitsnachweis als bie
Leitung ber Verberge; unb gerabe um folche ^ßläfee ftaiibelt eg f ic ft
oorgugSweife bei ber Verallgemeinerung beS Arbeitsnachweis.
Aacft großfommunalen unb großbetrieblicften Viufterit läßt fid) ber¬
felbe nicht überall auSbilben; nicht ber Fompligirtefte, fonbern ber
einfachfte ©efcftäftSapparat ift ber befte. Saft überall fann an
VefteftenbeS angefniipft unb VorftanbeneS benußt werben.
Herr ©olbfcftmibt fürchtete „poligeiliefte Veoormunbnng". die
unteren Voliseiorgane, fowoftl bie auf ben Aatbhäufern als bie
auf ben Straften, follen möglidjft aus betn Spiel bleiben; faeft-
männifeft - gemeinnüßig foE bie Verwaltung fein. die ArbeitS-
naeftweife ber „ftationslofen" Vereinsherbergen finb non „Veoor-
munbung" ebenfo frei, mie alle anberen gemeinnützigen Aacft-
roeife. Vei Stationsherbergen unb VerpflegungSftatiouen unb mit
beufelbeti oerbnnbenen ArbeitSnachweifen finbet eine Veoormuubung
nur benjenigen Arbcitfuchenben gegenüber ftatt, bie auf öffentliche
Unterftüßung Anfprucft machen: unb ba mit oollem Siecht! ©S
märe ein grober Verftoft gegen bie ©emeinnüßigFcit unb ftritte
mit jeher rationellen Armenpflege, wollte man fort unb fort man-
bern laffen unb auf anberer Deute Soften oerpflegen folche $er-
fonen, welche eine für fie paffenbe Vcfchäftigung, weint auch
oorübergehenb nicht in ihrem „Sach" unb oieHeicftt nieftt ooll ge¬
lohnt, angutteftmen fich weigern. Welche moralifchett diebftäftle an
3eit unb ftraft, welche kniffe, Scftlicfte unb däufeftuugen üiele
„Arbeiter" unb 28algbrüber fich ertauben, um nur nidjt arbeiten
Sit müffen, ahnt Mancher nicht. Sin Sü^forgegefeft, weldjcS itidjt
a u dj eine 3ucfttübung gegen berartige Sletnente ermöglichte, würbe
an biefer Klippe unfehlbar fcheitern: wenn nicht fdjon bei ber 23c-
rathung, bann fiefter bei ber Ausführung.
Vethel bei 23ielefelb. ^ßaftor Vtördjen.
florUätifdje (Benierbfdjafteüroajtifatioiun.
die beruflichen Verbänbe ber beutfehett Arbeiter aller Vidj-
titngen finb in ben Ießten Saften nicht unerheblich au ©röße unb
AuSbehnung gewachfen. droßbem befißen aber bie weiften Drga-
nifationen noch lange nicht eine berartige Stärfe, um ihre Auf¬
gaben wirtlich erfüllen gu fönnen. Aur wenige Sßrogent ber Ve-
rufSgenoffen haben ftch ihnen bisher angefdjloffen. diefc unge-
niigenbe Stärfe ber beruflichen Vereinigungen ift nun nidjt nur
auf eine einzige beftimmte Urfacfte gurüergufüftren, foitberu es
fpielen babei wohl mehrere Untftänbe eine Stolle mit.
das Sohlen oon ^ilfsfaffeneinrichtungeu, ber mangelhafte
Veamtenftab unb baS Veifeiteliegenlaffen oon Aufgaben, bie in
beit 2£irfungSfteiS ber beruflichen Verbänbe hineingehören, finb
gur Srflärung ber feftwaeften Drganifationen wohl in erfter ßinie
gu nennen. Betreffs ber foeben erwähnten dinge ift ja nun in
leßter 3^it ein gattg erheblicher 23aitbel snrn Vefferen, namentlich
bei ben Verbänden fogialbemofratifcfter denbeng, eingetreten. SJtan
führt immer mehr unb mehr baS UnterftiißungSmefen ein unb
forgt für einen gröfteren unb beffer befolbeten Veamtenftab. der
ießte Kongreß ber beutfeften ©ewerfftftaften wies ferner ber ©ettcral-
fommiffion eine Steifte oon neuen Aufgaben gu, bie bisher oon
gemerffdjaftlicftcr Seite oernaeftläffigt würben.
AnbererfeitS wirb jebodj noeft immer ein Umftanb itberfeften,
ber gleicftfatts gu ber heutigen Seftmäefte ber beruflichen Verbänbe
feilten 2:fteil beiträgt. Ss ift biefeS ber partei-polttifche unb
religiöfe refp. antireligiöfe Sftarafter, ben bie gegenwärtigen
VerufSoereinigungen mit wenigen Ausnahmen faft alle meftr ober
weniger befiften. 2Bir haben heute Verbänbe chriftlicft-itltramon-
taner, cftriftlich-nationalliberaler, freifinniger unb fogialbemofratifAer
Slenbeng. Sonberbarerweife beftreiten biefe SDrganifationen es aber
faft alle, baft fie fteft mit parteipolitifcften ober religio fett Gingen
befdjäftigen. Dft bewerft aber fefton bie ©rünbungSurfacfte,
baft man fte tftatfädjlicft nur inSßeben rief, um beftimmteu partei*
politifeften Veftrebungen entgegengutreten ober folche gu förbern.
So würben g. 23. bie £irfch-®unferfcften ©emerfoereine gegrünbet,
wie §err Dr. §irfcft in feinem Schriftchen „S)ie Arbeiterbewegung
unb Drganifation in 25eutfchlanb" ergäftlt, um ben fogialbemofra-
ttfeften ©ewerffeftaftsbeftrebungen non Schweizer unb S r itfd)e ent-
gegenguarbeiten. S^tner müffen diejenigen, welche ben $)irfth-
dunferfeften ©ewerfoereiiten beitreten wollen, auSbrütflicft edlären,
baft fie fieft nicht gur Sogialbemofratie befennen. |>ierauS geftt gur
©enüge fteroor, baft fie parteipolitifdfte 3wecfe oerfolgen.
Vei ben VerufSorganifationen fogialbemofraiifcher denbeng
ftaben wir äftnlicfte dinge aufguweifen. ©ewift ift es dftatfache,
baft bie foaenannten ©ewerffeftaften — ich meine hiermit bie Be¬
rufsorganisationen fogialbemofratifcfter Stiftung — bei ber Auf¬
nahme oon SJtitgliebern weber naeft ber parteipolitifcften noch reli-
giöfen Anfcftauung bcrfelbctt fragen unb in biefer Vegieftuitg am
toleranteften oon allen VerufSoereinigungen oerfaftren. Aber es
fteftt anbererfeitS ftiftorifch feft, baft namentlich in früheren Saften
oon ben meiften ©ewerffeftaftsführern bie Drganifationen lebiglicft
nur als eine VorbilbungSfcftule für bie Sogialbemofratie angefeften
unb in biefem Sinne gearbeitet würbe. 2Bemt biefer Stanbpunft
auch heute oon ben meiften ©ewerffcftaftSführern bereits auf gegeben
worben ift unb fte in ben Drganifationen Körperfeftaften gur
2öaftrung bex gewerblidften VerufSintereffen innerhalb ber heutigen
efellfdjaftlichen Drbnung erblicfen, fo muft boeft anbererfeitS be-
auptet werben, baft in oielen ©ewerffcftaftSorganifationen — in
Verfammluncjen unb in ber SachP^ffe — nod) immer baS Haupt¬
gewicht auf bie Vtopagirung ber fogialbemofratifcften 2öeltanfd)auung
gelegt wirb. Sanier ift es eine dhatfadje, baft in oicleit ©ewerf-
SchaftSorganifationen wieberftolt religiöfe SraQen beftanbelt würben,
die Srörterung folcfter Stagen war gwar nie Aufgabe ber ©ewerf¬
fchaften, ba aber oiele iftrer SRitglieber eine freibenfertfefte 2Selt-
auffaffung befiften, fo glaubten biefe in ben Drganifationen gegen
ben djriftlichen ©lauben auftreten gu müffen. 2Bieberftolt faften
fieft benn aueft fefton bie Sentrallcitungen oon eingeltten Verbänben
egwungen, auf bie Unricfttigfeit biefeS dreibenS ftinguweifen; nur
at es meiftenS wenig genuftt. Ss ift garnieftt .abgulengnen, baft
bnreft biefe dinge ben eftrifttieften ©ewerffeftaften für iftr Vorgehen
beftimmte Stüfcpunfte geboten würben, inbem fie auf ben Atheis¬
mus ber ©ewerffeftaften fogialbemofratifcfter denbeng ftinmiefen
unb fo namentlich in ben fatftolifcften ©egenben Ieicfttes Spiel
hatten.
daft bie eftrifttieften VerufSoereinigungen gleichfalls partei-
polüifcfter unb religiöfer Sfatur fmb, ift woftl feftfteftenb. Sn
iftren Scftriften, Verfammlungen wirb fortwäftrenb ber £ampf
gegen bie Sogialbemofratie unb ben Unglauben als eine ihrer
Hauptaufgaben begeieftnet. die cftriftlicften ©ewerffeftaften in ben
fatftolifcften ©egenben fmb benn aueft Anftängfel beS ©entrumS,
bie cftriftlicften Vereinigungen in ben eoangellfdjen ßanbeStfteilen
bagegen fegeln im Sdfttwaffer beS SfationaliiberaliSmuS.
Sfun erwibern bie VerufSorganifationen aller SÜcfttungen,
wenn man iftnen iftre parteipolitifcfte unb religiöfe Siatur nad)-
gewiefen ftat, baft fie nur im „Arbeiterintereffe" berartig ftanbeln.
diefeS ift eben ber rnuube Vunft. darüber, was im Arbeiter¬
intereffe namentlich auf parteipolitifcftem ©ebiet liegt, ift bisher
noeft feine ©inigfeit gefeftaffen unb wirb aueft oorläufig nieftt ge-
feftaffen werben.
daher follen bie beruflichen Drgnifaüonen fieft mit partei¬
politifcften unb reügiöfen dingen nieftt befeftäftigeu. Vcfiften fie
einen parteipolitifcften, religiöfen ober antireligiöfen ©ftarafter, fo
werben fie naturnotftwenbig immer einen dfteu ber VerufSgeitoffeu
aus iftren Steiften auSfcftlieften: ben nämlid), ber fid) gu beit be=
treffenben parteipolitifcften unb religiöfen Anfcftauungen nieftt be-
fennt. da bie beruflichen Drganifationen aber gur ©rfiillung
iftrer Aufgaben bieVtaffe ber VerufSgertoffen braudjen, fo feftäbigen
fie fid) ftierbureft gang erftebtieft, finb gur Untftätigfeit oerbammt
unb fmfen oielfacft gu VilbungS- unb disfutirflubs ftcrab. daun
aber Fommt ein anberer Umftanb ftingu. Verfolgt bie Drganifation
einer VerufSgruppe beftimmte parteipolitifcfte denbeitgen, fo foinmeu
bie gegnerifeften Parteien unb grünben gleichfalls gewerblidje Vor-
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©ogiale $rafi8. Eentralblatt für SogialpoHti!. Sflr. 42.
1120
cinigungen. Eine Drgauifation erblicft nun iit ber anbcrcn ipreit
finalen unb bie aegenfeitigc 53cfef)bung geht los. ®iefe roirb
bann oft in ber peftigften unb unfdjönfteit Seife geführt, ber
$ampf gegen ben eigentlichen ©egnor tritt in ben £>intergrunb
unb iebe planmäßige AFtion gur Durdjfüprung ber toirFlidjen Stuf*
gaben roirb unmöglich. Dft geht bie gegenseitige ©epäffigFeit fo
roeit, baß man feine ‘sßringipien nerräth unb ber Brubcrorganifation
in ben dürfen fällt, falls bicfe irgenb ein Unternehmen gur Ber*
befferung ber Berpältniffe plant. Siele Arbeiter, bie fi<h gern
einer beruflidjen Bereinigung anfdpließen möchten, roerben burch
biefe Borgänge angeroibert unb bleiben berfelben haper fern. DeS*
halb muffen bie Drganifationen, roelcpe ihre Aufgaben roirFlicp er*
füllen roollen, paritätifch fein, fie müffen SRaitm für bie Anhänger
ber oerfdjiebeuen politifdjen unb religiöfen Aufhaltungen bieten.
tiefer StanbpunFt roirb natürlich non ben Bolitifern befämpft
roerben, bie in ben beruflichen Drganifationen nur BorbilbungS*
faulen für ihre Bartei erblicfen, ober ihnen bod) nur eine unter*
aeorbneie Bebeutung beimeffen. Die beruflichen Berbänbe ber Sir*
beiter müffen in biefer Begiepung genau fo oorgehen, roie bie
Drganifationen beS Unternehmerthums, tiefes fragt bei feinen
Bereinigungen — SqnbiFaten, AFüengefellfcpaften, gewerblichen
Berbänben 2 C. — faft nie nach ber parteipolitifdjen unb religiöien
Stellung feiner Biitglieber, fonbern nur roirthfcpaftlicpe jroecFe
führen fie gufamnten unb beftimmen ihr fjanbeln.
Sollen bie beruflichen Berbänbe fiep alfo oon ber ^Sartcipolitif
fern halten, fo foHen fie hoch FeineSioegS gänzlich unpolitifcp fein.
(Sine gange Beipe oon Dingen, roelche bie beruflichen Drganifationen
behanbeln müffen, laffen fiep ohne baS Eingreifen beS Staates
überhaupt nicht in ihrem Sinne erlebigen. Die Bauarbeiter,
Berg* unb Seeleute brauchen, um fi<h gegen bie Gefahren ihrer
Berufe gu fichern, befonbere Scpupgefepe. Sie müffen alfo eine
politifche DpätigFeit entfalten. Die fragen ber grauen* unb
ftinberarbeit, Unfall*, Alters*, JnoalibitätS*, ftranFenoerficpening,
ÖauSinbuftrie, ©eioerbeinfpeFtion, ©eroerbegeriepte, Einigung«*,
Arbeitsämter u. f. ro. — atteS baS finb Dinge, roelche bie beruf*
liehen Drganifationen gu behanbeln haben.
9lutt roenbet man hiergegen ein, baß biefe fragen burth po*
Iitifche Parteien unb nicht burch berufliche Drganifationen gu er*
örtern unb oertreten feien. Diefer Einroanb ift jeboch ooHfomnten
hinfällig, ^olitifcfje Parteien fepen fiep aus allen möglidjcn Eie*
menten gufammen unb biefe finb baher auch gang ungeeignet, über
fpegielle Berufsfragen gu entfeheiben; bas roerben bie bireft inter*
effirten Streife ftetS beffer Fömten. Sie ein Baugerüft aufgufteHen
ift, baS roirb ber Bauarbeiter am Beften roiffen unb nicht ber
Schneiber, Schuhmacher u. f. ro. Dann fagt man roeiter: Be*
fcpäftigen ftd) bie beruflichen Bereinigungen mit ben ermähnten
Dingen, bann müffe bie Erörterung btefer fragen unbebingt einen
parteipolitifchen EparaFter aunehmen.
Aitcp baS ift nicht gutreffenb. Senn 3 . B. bie Bauarbeiter bie
Sfraae beS BauarbeiterfcpupeS erörtern, fo haben fie Icbiglich ihre
§orberungen an bie Drgane beS Staates gu formiiliren, brauchen
aber noch lange nicht fortlaufenb gu betonen, baß nur biefe ober
jene Partei für fie eintreten roerbe. Der lepte Kongreß ber beutfdjen
Bergarbeiter hat auch bereits in biefem Sinne gearbeitet unb es
pringipieU oermieben, fiep mit feinen Jorberungen gleich einer bc*
ftimmten politifdhen Bartei gu oerfchreiben.
Semt bann ferner noch eingeroanbt roirb, baß bie BereinS*
gefepgebung eingelner beutfeher Staaten bie Befchäftigung mit
folgen Jragett ben centralen Berbänben gar nicht gulaffe, fo ift
barauf JolgettbeS gu erroibern. Die begüalidjen EkfcpeSbeftim*
mungen laffen ftch einmal fepr leicht baburdj umgehen, baß nun
bie Drganifationen ihre DpätigFeh in öffentliche Berfammlungen
unb ftongreffe oerlegen. AnbererfedS ift eine allgu große furcht
aud) gar nicht am Btafce. $)ie roirthfdjaftlidjen Drganifationen
ber iluternehmer Fümtnern fidj um bie fraglichen Ekfepcsbeftini*
mungen nicht unb erörtern trop ihres centralen EharafterS fort*
gefept fragen fogialpolitifcher 9latur. Der lepte Mongrcß ber
beutfdjen (>3croerffrf;aften bepanbelte baher fdjon bie fragen ber
E)croerbeitifpe!tion unb beS ftoalitionSredjteS, ohne baß bisher ben
Drganifationen baburep irgenb welcher Schaben erroadjfen ift.')
i: ) Sir möchten bieicn Ausrühnnigeu nidjt beitreten, bie uns uicf*
mein* recht bebenflidj für bie ArbeiterluTiiisucrciuc eridjeiiicn. Sir he=
luiriTii uielmehr mit allem Aarijbnuf auf ber Aorbmmg ber Aufhebung
bes geiehlidjeii Berbots ber Berbiubimg oon Bereuten in Brennen (5j. s
bei Bereinsgefepes), roie bie# erft fiirglieli iit Bauern unb 3adifen ge=
feljehen ift, roäbrenb iu aubereu Buubevftaateu bie« gang ueraltete Ber*
bot tihou lauge nidjt mehr eriftirt.
2ie Bebaftion ber „Bogialen Bmriv".
2Sen« idj nun uodj einen Blicf in bie 3oFunft roerfe, fo
glaube ich behaupten git fönnen, bafj es bie Berbänbe fogialbento*
fratifeper Senbeng fein roerben, bie fid) guerft ben neutralen
Eharafter aneignen. 2)ie Siad)t ber 2:ljatfathen roirb fie gu biefem
Stritt treiben. Semepr ihnen bie ^onfurrettg ber cpriftlichen unb
anberen Drganifationen auf ben £eib rücft, femepr roerben fie ge*
groungen fein, fiep gu paritätifdjen Berbänben umguroanbeln. ^ie
Borgänge in ber Bergarbeiter* unb in ber fdjroeigerifdjen Eteroerf*
fepaftsberoegung geigen bereits bie gufünftigen Sormen.
Berlin. Br. Boerfcp.
^Usemelite Söjtol- und ttirtjjfiijaftepolttUt.
fHegeluug ber getocrbUcheu Arbeit fcpulppiiptiger ^inber im
fRegierungSbegtrf Der BegierungSpräfibent gu Botöbam
pat eine Ilmfrage über ben Stanb ber geiuerblidjeu Arbeit fcpul*
Pflichtiger Sfinber in ben eittgelnen Drtfcpaften beS BegirfS oeranlapt,
auf ©runb bereit eine einheitliche Regelung ber gewerblichen Be*
fcpäftigung fcpulpflicptigcr Stinber für ben gangen »tegicrungSbegirf
beabfidjtigt roirb. Die Blagiftrate oon Eparlottenburg unb ÜRigborf
roollen beffenungeaeptet befonbere ^5oliäciöerorbituhgeu über biefen
Elegenftanb erlaffen. ?n Eparlottenburg foK bie Befcpäfttgung
oott Scpulfinbern oon 6 Upr SlbenbS bis 6 Upr Borgens oerboten
werben. 3» SHig'borf pat ber oon ber Stabtoerorbneten*Ber*
fammlung gur Beratpung ber Srage eingefepte Slusfcpup befdjloffen,
beit Stabtoerorbneten oorgufcplagcn, beit Blagiftrat um Erlas
einer Bo^ioerorbitung folgeitbeu 3npaltS gu erfuepen:
1. Sdjulftnber biirfen in öffentlichen EtabliffementS, Etaftnnri^
fdjaften it. f. ro. gur Bcbieimng ber Eäftc nidjt uerroenbet roerber..
2. Sdjulfinbcru ift bas Jycilhaltnt 001 t haaren auf öffentlichen Bläfcm
unb Strapeit nnterfagt. 8. Die geroerblidje Befdjäftigung oon Minbeni
unter 10 fahren ift nidjt gefteittet. 4. Ddjulfintier über 10 ^sahre
biirfen im Sommer oott 8 Upr ?lbenb§ bis n‘/a Upr Blorgenei unb im
Sinter oon 8 Upr 'JlhcnbS bis 6 l 2 Upr friip nicht befdjäftigt roerben.
Wtipebelmtg Pott Arbeitern unb fletnen Snttctt auf bem^anbr.
Hm bieS 3^i P förbern, pat fiep in Berlin bie „Dcuffdie ^ln*
fiebelungSgefellfdjaft, ©ef. m. befepr. f)." gegrünbet. Sie roirb fidj
fapungSgentäft befepäftigen mit ber Sluftpeiluttg oon G)ütern unb
Slnfepung oon 9lttficblerit unter ^luSfcplufe jebcS fapitaliftifcpen
Sonberintereffcs, mit ber Hnfcpung beutfifjer Bauern, öattbroerfer
unb Slrbciter unb ber 5luSftattung ber gu bilbettben Eknicittbcn.
Dem 9luffidjtSratp gepören u. Sl. an Blinifterialbireftor Dpiel,
©epeimratp Boft, CanbeSöfonomieratp 9lobbe, B^ofeffor Scriitg.
Die preufgifepe Regierung pat ber EJefeUfcpaft bereits einige Domänen
gur B a rs e ßi run 9 mtb Beftebeluttg überlaffen.
Sogtalpolitifcpc Bcftimmmtgcn im neuen öfterreupifdjen Bß^ntgefcpc.
Das öfterreicpifche Baicntgefcp oom 11. Januar 1S97 (Eiefep,
betreffenb ben Sd)up oon Erfinbuitgen, Beidjsgcfepblatt 9lr.
roeldjcS am 1. Januar 1899 in Sirffamfeit tritt, culpält cbcto'o
roie bic DurdjführungSocrorbuungett bagu (Slcicpsgefcpblatt 9?r. löO
bis inel. 162 aus 1898) eine Sfteipe oon ^luSnapmcbeftim*
ntintgen gu (fünften ber Arbeiter nnb ?lngc.ftclltctt, foroic
ber mittellofen Bcrfoiten im Allgemeinen. 5 bes Elefcpcs bc*
ftimrnt pinfidjtlid) bes Anfprucpcs auf ein Bedeut, bap Arbeiter, Auge*
fteHte unb Staatsbebienftete als bie Ürljebcr ber oon ihnen im Dieiifte
gemadjten Erfinbungeit gelten, roenn niept burch Bcrtrag ober
Dienftesoorfdjriftnt ctroas AnbereS beftimtnt rourbc. Jebodj" haben
BertragS* ober Dienftcsbeftimiuuugcn, burep roeltpe einem in einem
©eroeriSsimtcrncbmeu AngefteQten ober Bebienfteten ber angemeffene
9lupeit aus ben oon ipttt gemachten Erfittbiingen entgegen tidrb,
Feine redjtlidje BBirFuttg
Den bei armen Erfinbertt häufigen Jätlen, ba§ ber Vöioeit*
antpeil an beut EJcioimte aus ber patentirten Erfinbung bemjenignt
gufällt, ber bie (oerpältntfgmäfgig geringen) Moften "ber Batcm*
crrocrbuitg trägt, roirb burdj bie li-1 uitb 118 oorgebeugt,
roonadj eine Stmtbiutg ober felbft eine gänglidje Erlaffuug bei
Ekduiprett gewährt werben Faun. Es roirb näutlid) feftgefept, bafg
bemjenigeii, toeldjcr feine BlittellofigFcit nacprocift, foroic Arbeitern,
roelcpe nadjioeislidj auf ihren Arbeitslohn befdjräitFt finb, fofcrtt fie
baS Bateilt als Urheber ber Erfitibiiug für fiep nadjfndjen, bie
Anmclbegebiihr (10 fü, bie JahreSgebüpr fiir baS erftc Batentjnhr
(20 fl.) ober audj bloft bie erftc JapreSgebüpr bis guitt Ablaute
bes brüten Aiüitat« uad) ber Jälligfeit ber gioeiteit Japresgebiihr
geftunbet ober, wenn bas Bateut mit 'Beginn bes grocitcu v \al>res
erlifdjt, pitgliep erlaffeit roerbeit iaim. Die glctdje Erlaffuitg ber
1121
©ojiale SßrajiS. Ecntralblatt für «Sojtalpoltttf. Nr. 42.
1122
©ebüßren wirb bcr bezeichnten klaffe von ^atenterroerbern audj
für jene gälte gewährt, wo im Saufe beS BerfaßrenS für bie frei-
willige Aenberung ber Beitreibung (5 fl.), für eine Befcßwerbe
(10 fl.) unb für eine Berufung (25 f(.) bie hier angeführten EJe*
büßrenfäbe ju entrichten ftnb.
Sie SDurchfüßrungSoerorbnungen ermeitern noch bie 3^ücf
nabme auf mittellofc Erfinber baburdb/ baß fie ihnen bie 3Nögli<h*
feit gewähren, fit zur Nedjtsburdjfeßung eines BatentanwalteS
ober aut eines NecßtSanwalteS 31 t bebienen. Nach §. 16 ber Ber«
orbnung, betreffenb bic berufsmäßige Bertretung oon Parteien in
Batentangelegenßeiten burt Batentanwälte unb autorifirte latent«
tedjnifer (NcichSgefebblatt 9fr. 161 aus 1898) famt bas Patentamt
auSnaßntsioeife auf Anfuchcn einer Bartei, weite ihre Ntittellofig*
feit nadjweift, fowie eines Arbeiters, weiter nachweislich auf feinen
Arbeitslohn befeßränft ift, wenn bas Begehren nitt mutbwillig
erfteint unb ben einfcßlägigen gefeblicßen Beftimmungeit nitt
offenbar wiberfpridjt, biefer Bartei zur oorläufigen unentgeltliten
Wahrnehmung ihrer Rechte oor bent Batentamte einen Batent*
anwalt ober einen im Brioattedjniferregifter eingetragenen Brioat*
tecbnifer beiorbnen. git einem fokßen gälte hat biefer Bertreter,
wie bie Berorbnung feftfeßt, bas Sntereffe feiner Bartei mit bem
nämliten CSifer zu wahren, als wenn er oon biefer felbft beftellt
worben wäre. SDie Entlohnung für bie Bertretung biefer Bartei
gilt als geftunbet. X)ie Auswahl beS beijuorbneitben BertreterS
erfolgt burt ben Bräfibenten beS BatentamteS ohne Einräumung
eines Befcßwerbezuges.
X)a ben Batentanwälten unb ben ihnen gleicßgeftetlten beßörb*
lit autorifirten Brioattechnifcru bie Bertretung oon Bartcien in
©treüigf eiten über bic Suriicfnaßtne, NicßtigfeitSerflärung ober
Aberfcnnung eines BatcntcS, fowie in allen nitt techuifcben Sin*
gelegenbeiten unterfagt ift unb in folten gälten .bie gnteroention
eines NecßtSanmaltes erforberlit ift, oerfügt eine weitere Berorbnung
über bie Begünftigung mittellofer Berfonen unb ber auf ihren
Arbeitslohn befeßränften Arbeiter in Batentangelegcnheiten (Neicßs*
gefeßblatt Nr. 163 aus 1898), baß biefen Brrfoneu auSnabmsweife
bie oorläufig unentgeltliche Bertretung burt einen fit freiwillig
melbcnbeit Aboofalen in beit oor bem Batentamte ober Batent*
gerittshofe ftattfinbeuben münblicßen Bcrhanblungen bewilligt
werben Fann. 2>ie (Gebühren ber Aboofaten gelten als geftunbet.
Es_ erfeßeint für .ben $fenner ber in Betratt fommenbeit Berßält*
niffe nitt zweifelhaft, baß fit eine weitaus geniigenbe Auzaßl oon
Aboofaten fiir biefe Art oon Barteienoertretnng melbeit wirb. £>ie
leßtcitirte Berorbnung regelt aut bie Beibringung ber Nacßmeife
über bie BermögenSoerhältniffe, oon weiten bte 3uerfennung ber
in Nebe ftehenben Begünftigungen abhängig geniatt wirb. Bei
Arbeitern wirb feftgefeßt, bah bas 3eugniß barüber, bah fte außer
bem ßoßne aus ihrem anzugebenben Arbcitsoerbältniffe ein auber*
weitiges Einfoutmen nitt beziehen, 001 t bem Arbeitgeber ausge*
fertigt fein muß.
Wenn erwogen wirb, baß unter ber Wirffamfeit beS bis
1 . Sanuar 1899 in itraft ftehenben Batentgefeßes aus 1852 bie
Erlangung eines Batentes ohne 3aßlung bcr (Gebühren oöttig un*
möglich unb bie Nechtsburcbfeßung in Batentangelegenheiten in
Defterreicß oennöge eigenartiger Berßältniffe, bereu ^Darlegung $u
weit führen würbe, befoubers Foftfpiclig war, baß ettblit ein
Ä’oftenzufprut aut galle bes Öbfiegens nid;t ftattfanb, wirb
bie Tragweite ber befproeßenen Begünftigungen oollauf gewürbigt
werben föniteit.
Wien. 2R. ©eßwarz.
©ozialpolitifcßer t®igre| in <3enua. Bom 23. bis 29. 0t«
tober b. 3 S. wirb in ®enua ber erfte italienifcße fozialpolitifcße
Kongreß tagen. ®erfelbe bezroerft bie Berbreitung beS fozial*
wiffenftaftliten Unterritts unb bie X)iSfuffion einschlägiger
Xbeuieit in brei ©eftionen, ber biftorifcb*pbiIofopbif<hen, juriftifcß*
öfonomi[chen unb bio*etbnoIogif<ßen ©eftion, in bie fit ber $on*
areß theilen wirb. Anmelbungen (NtitgliebSbeitrag 5 ßire für ben
Bezug ber ^ongreßberießte) finb an ben „Circolo di Studi Sociali
deir Universitii di Genova“ z u ritten.
Beilegung Oon Arb eitsflreitigf eiten in NeufübtoaleS. Ein
Eefeß, betreffenb bie £>intanbaltung unb Beilegung oon ArbeitS*
ftreitigfeiten ift fürzlit in ber Kolonie NeufübwaleS in Äraft ge*
treten. SDie Bill ift ber entfpretenben engliften natgebilbet, bie
baS $anbelSamt ermächtigt, Unterfutungcn oon ArbeitSftreitig*
feiten einzuleiten, Einigungsämter zu bilben, 3 e ugen, wie oor ©e*
ritt einzuoemehmen unb gegebenen gaHs aut einen binbenben
©cßiebsfprucß 5 U fällen.
ftomntttnale SojialpoUHb.
^er ^höringiftc 8tübtetog. bem 78 ©täbte angehören, tagte
unter bem Borfiö beS DberbürgermeifterS B a ^ft tf 2Srimar am
9. 3uli in ©reiz- $>ie Berhanblungen würben mit bem Beritt
über bie 6 tnlarztfrage eröffnet; in ber $auptfa<he würbe baS
Beifpiel B^ieSbabenS als oorbilblit hingeftellt, bie S^othwenbigfeit
bcr ärztlidjcn Unterfutuugen aller Stnlfinber unb bie Be*
obattung bes ©efuubheitSzuftanbeS aller klaffen, fowie einer guten
©tnkßlefunbhcitSpflege betont. 9?at einem Beritte über bie Ein*
ftränfung ber SRequifitionen wegen Behänbiguttg in ©teuer«,
Bolizei* unb anberen Angelegenheiten unb mögtitfte Benußung
ber Boft fowie über ben Bortheil oon ©arnifonen für bie ©tabt,
traten Babft*2Bcimar unb Dr. §uhn*©era für ftäbtifte Sethhäufer
ein. — ©obann würbe eine Briition an bie SReitäregierung be«
ftloffen, bereu ©inn bahin geht, Ellern unb Ehegatten, wenn fie
ihre SRährpflitt gegen ihre Äinber bezw. gegen einanber in ftulb*
hafter Bkife oernatläffigen, mit ©efängniß, fattS milbernbe Um*
ftänbe oorüegen, mit $aft z u beftrafen unb baneben bie übliten
ianbeSpolizeiliten Btaßnahmen über fie z u oerhängen. Es
wirb eine lanbeSgefeßlit oorzuftreibenbe ortsftatutarifte ^Regelung
ber AnfteHungS*, BcfolbungS* unb B c nfionSoerhältniffe ber Be*
amten geforbert. £)ie Sonnenabfuhr wirb für mittlere ©täbte empfohlen.
3u ber grage ber öffentliten Bütereien unb ßefehallen theilt
Bürgermeifter 0ftcrtag*©otha mit, baß 40 Kommunen Büttel für
BolfSbibliothefen unb ßefehallen bewilligt höHen unb mit bem
Befud) fehr zufrieben gewefen feien. 2)ie ßefehallen feien gewiffer*
maßen bie gortfeßung ber Bolfsftule. 2)ie Bibliothefen feien in
Berbinbuitg mit einer ßefehalle hoppelt fegenSreit; fie feien bie beften
BunbeSgenoffen im Stampf gegen baS BHrthShauS. Ueber bie
öffcntlite ßefehalle theilt Dr. Bktjbemann bie günftigen Erfurter
Erfahrungen mit, auch bie übrigen SRebner erfennen ihre moralifche
BJirfung an. 0berbiirgermeifter ©inger*3ena erflärt biefe Ein*
richtung» für wünfchenSwerth, aber für nothwenbiger noch bie
ßöfuug ber Arbeiterwohnungsfrage.
ber Schulärzte in $armftabt 1898/1899. ^ie
^armftäbter ©chulärzte haben 1898/1899 bei Unterfuchung oon
5502 ©chülern ber BoIfS* unb Btittelfchulen bie allgemeine £on*
ftitution in 1447 ( 26,3 o/u) gälten „gut", bei 3775 ( 68, 6 2 %) Unter*
fuchten „mittel" gefunben, währenb bie 9tote „fchlecht" im ©anzen
nur 280 (ö , 0 8 %) mal oorfommt. 2308 ErfranfitngSformen würben
beobachtet, am häufigften Blutarmutlj, nämlich bei 553 ( 10 , 5 o/ 0 )
Bläbchen unb 142 ( 2,5 o/ 0 ) Knaben, fobann ©frofutofe, Rachitis,
5tno<henerfranfungen, Erfranfungen oon Btunb, 9tafe unb §als
267 ober 4 , 8 o/ 0 . Ungefähr 80o/ 0 ber unterfu^ten Äinber hatten
fchledjte 3ähne. Barafiten (ßaufe bei SRäbdjen, iträße bei Knaben)
würben runb 200 mal gefunben. $>ie Aerzte hielten 206 ©prech-
ftunben unb ©chulbefudje ab, 597 (10,8%) $inber würben unter
bie bauernbe Uebermachung gefteflt, 294 ( 5 , 3 o/ 0 ) finb beim Unter«
rieht befonbers zn beriicffichtigen. An bie Eltern gingen 507 fdjrift*
Iid)e BÜtteilungcn. 2)ie ©chulärzte haben eine eingehenbe Einzel*
unterfuchung ber ©d)üler nach ben abgeänberten Borfchriften außer
bei ber Aufnahme im 3., 5. unb 8 . ©chuljahr oorzunehmen; im
Allgemeinen werben fämmtliche ftinber einer Älaffe h a Ibjährli^
minbeftenS z^^imal befichtigt. ÄranfhritSoerbächtige, fowie bie
unter bauernber ärztlicher Ueberwathung ftehenben Ä'inber werben
einzeln nnterfucht.
Arbeitslöhne tu Württemberg.
Unter biefem Xitel hat Dr. ßofch*©tuttgart eine inftruftioe
Unterfuchung oeröffentlicht. *) X)er Autor befpricht bie ©chwierig*
feiten, welche fieß ber elften geftftellung beS Arbeitslohnes entgegen*
fteHen, bie Bielgeftaltfgfeit ber ßohnformen, bie feßwere Berechnung
ber 9taturallößne, bie fo oft in metßobifch*falfcher Weife falfulirten
„^urchfcßnittslößne", bie Neigung ber Unternehmer ßößere, ber
Arbeiter nicbere ßoßnfäße anzngebeit u. A. m. ßofcß oerlangt
nießt nur bie ^onftatirung ber täglichen Arbeitszeit, fonbern auch
ber tßatfächlichen gaßreSoerbienfte feßon wegen ocS häufigen Bor*
fommenS oon ©aifonarbeit. Er macht aud) auf bie Bebeutung
bes WechfelS ber Arbeiter für ben ßoßn aufmerffam, ber bis jeßt
noch nießt gemeffen fei. Enblicß wirb beßufs ^onftatirung bes
*) SSiirttembergiidie Jahrbücher für ©tatiftif mib ^anbesfuube,
Jaßrgang 1897. 'Stuttgart, W'ohlhaminer, 1898. Y, 3. 129—214,
1123
Sogiale $rajt$. <£cntralblatt für Sogialpolitif. SRr. 42.
1124
„relatioen Arbeitslohnes" (StobbertuS) b. h- beffeit Berhältniß gu
©runbrente unb llnternehmergeroinn als conditio sine qua non
einer ejraften Sohnftatifiif geforbert, mie natürlich, ein Bergleich
ber BreiSfäfte für bie nothroenbigften SebenSbebürfniffc beS
Arbeiters.
0o hadjgefpannten Anforberungen entfpridjt nun leiber baS
Bier Bearbeitete Material nur im Befcfjeibenen ©rabe. ^ie roürttem«
bergifdjen Sohuangaben aus früheren 3 e i* en ftnb ungenau unb
lücfenBaft, nic^t minber bie non tem beutf<Ben £>olgarbeiteroerbanb
unb ben beutfdjen ©eroerfoereinen oerfutf)ten Statiftifen unb in
nod) BöB^rem Btaße Angaben non Unternehmern. So benufet benn
Sofch hauptfäd)lich &aS SKaterial ber Arbeiteroerficherung,
roeid)eS er burd) fpegialifirte Eingaben oielfad) brauchbarer machen
fonnte.
3ni 3aB^ 1895 toaren ber Arbeiteroerfidjerung untermorfen
im Reiche begro. in Württemberg:
1. ber äranfenoerficherung 7 , 5 Million eit begro. 237 000 fßer*
fonen;
2 . ber UnfaHoerfid)erung in 64 gemerBIichen BerufSgcnoffen«
fdjaften 5,3 Blillionen begro. 170—180 000 Betriebsbeamte unb bnrcf;®
fdjnittlid) befchäftigte Arbeiter; in 48 lanbroirthfd)aftlid)en Berufs«
genoffenfehaften 12 /3 Millionen (??) Berfidjerte;
3. ber Alters« unb 3noaIibitätSoerfid)erung ca. 11 üDiiHioueit
begro. 390 000 $erfonen.
Mithin fehrt ber ©runbftocf non mehr als 5 BUIIioneit Ber«
fieberten im D^eicB unb etroa 180 000 in Württemberg in allen
3 ber Berficherung roieber.
2>ie ©egeniiberftellung ber 9lefultate ber AIterSoerfid)ernng
liefert für Württemberg folgenbeS 3iffc r nbilb:
SotjnHaffe I.
= II.
III.
= IV.
im 3aB*e 1891
42? } 63 ' 5 >
ii;i} 36 ' s0 /»
int £Saf)re 1896
i7, c \
40, 5 /
26 , 9 1
14,98 /
41,88 ° / 0
danach barf eine allgemeine Sohnfteigeritng mährenb biefer
fßeriobe als roahrfcheinlich angenommen roerben. freilich fennt
man nicBt bie Qaijl ber nerficBerten fjSerfoiten; man roeiß auch nid)t,
ob bie Soßnfäfte überhaupt genau eingefdjäftt mürben, unb eitblich
fehlt jebe tenntniß barüber, mie fich bie BeüragSeinheiten jebeS
SahteS gur 3 a ^ ber SSerficBerten verhalten.
Beffer fteht eS fcBon um bie lohnftatiftifche Ausbeute ber
£ran!ennerficBerung. 3ot 3ah rc 1895 mürben in Wiirttem*
Berg 451 $ranfenfaffen mit 236 972 (barunter 46 730 meiblicBen)
BUtgliebern gegäßlt, morn nocB bie unbefamtte 3aBl ber Sttitglieber
eiitgefchriebener frölfsfaffcn famen. Stellt man nun bie Büttel«
jähe ber „ortsüblichen STagclöhne" aus ben 3öB re » 1884,
1890, 1893 unb 1898 einanber gegenüber, fo ergeben fich
Söhne oon 112 /5 begro. 117, 5 begro. 140, 0 begro. 133, 7 4 . tiefes
Befultat ift offenbar unrichtig, nicht bloß meil es Buubgreiflichen
□:hö*f ac B en toiberfpridjt, fonbern hauptfächlich, meil bic BeredjnungS«
meife gang unguoerläfjtg ift. Stellt man bagegen biejcitigen ©e«
meinben gufammeu, melcBe in ben genannten Sahrett 2 di ober
mehr ortsüblichen £agelohn an ermachfene männliche Arbeiter auf*
roeifen, fo ergiebt fich ein gutreffenberes Bilb, nämlich bie Säfte
oon 228, 277, 313, 383 4/ alfo eine ununterbrodjene Sohn*
fteigerung. TDie 12 größeren Drte toeifeit Säfte oon 196,9, 204, 3 ,
228 /3 , 236,5 4 auf, mithin Erhöhungen oon 8 , t begro. 24, 0
begro. 8 , 2 %.
^as brauchbarftc Material haben enblich einige gern erbliche
Berufs genoffenfehaften geliefert, bic Sofcft gur Berarbei«
tung unb Biittfteiluug oeranlaßte. Bei ber BaugeroerfS«
Berit fSgeno ffenfdjaft fällt ber ftarfe Wedjfel ber 2lrbeitöfräfte
auf. 3m 2)urd)fd)nitt ber 3«B^ 1890—96 mar je ein eingeftettter
Arbeiter nur 75,o ^age, alfo etma ein SSierteljaljr in einem unb
bemfclben Öefcftäftc thätig. SDabei hat fid; ber Saifomharafter
biefer Olemerbcs nod) oeri^ärft. 1 / i aller gezahlten Söhne ent«
fallen auf bie SanbcShauptftabt, obmoftl biefe nur etma V 10 aller
betriebe enthält. 2)ie Söftnc fiitb in Stuttgart um j / 3 höher,
überall aber im Warfst ft uni begriffen.
l^or 3 Üglich unb nachahmenSrcerth für alle ähnlichen üBcrmaU
tungen ift bie Sohnftattftif bei ben mürttenibergifcheii Staats«
eifeti bahnen. $on 1S91/92 bis 1895/96 flieg bereu 3ah*‘eS«
lohn oon 770,03 auf 822,9t </1( t mährenb er 1895/91 fdjon auf
854,02 r f( ftanb. 3m 3ahi*e 1895/96 toaren iuSgefammt 6138 ?lr«
beiter bei ber Staatsbahnoermaltung befchäftigt. Süinfterljaft mie
bie Statiftif fanit bas Epitheton „Df 11 iterbetrieb" freilich ber s - 8 er=
maltung nidit juerfannt merbeu, fo lange bie Söhne fo niebrige
fiub, bic fid) 3 . bei ben gelernten Arbeitern ber Wcrtjtätteu«
oerroaltung auf etma 1100 f // unb bei ben ungelernten auf ca.
800 ,/ff beliefen, mäljrenb fie bei ber allgemeinen Oerroaltung unb
ber Oahnoerroaltung gar nur 700 bejro. 637 dt. 3ah re 3b>h n
betragen.
®ic fiibbeutfchc £ejtiUOerufSgenoffenfchaft hat fehr be«
taillirte Eingaben gemalt, danach erhöhten fid) bie Söhne 1887
bis 1896 im SHeith um 23,5, in Württemberg aber um 30%, mährenb
bie 3al)l ber Arbeiter um 18 be^ro. 23 % amoud)S. Mein, roaS
roitt ein Steigen beS 3ah*c‘Slohne£ oon 527 ,35 auf 585,44 dt. bc*
fagen? 3agleirf) jeigt bie Statiftif, bafe in biefer erbärmlich ent«
lohnten 3 nbuftric bie 3 a hl ^ er ermachfenen männlichen £e£til*
arbeiter ftetig fällt.
3n ber bebeutenben SJlöbel* unb ^olgmaaren«3nbuftrie
Württembergs mar nach Eingabe ber OerufSgenoffenfd)aft
1894—96 eine Sohnfteigcrmtg oon 243 be^ro. 244 auf 246, 7 4
roahrnehmbar. S)ie Steinbrucharbeiter erhielten im 3ahcc 1896
250,7, bic Orauerciarbciter 296 4- dagegen rouchS innerhalb
ber laugen ^ßeriobe 1868—96 ber Sohn ber £abafarbeiter nur
oon 433 auf 449 ,% dt. pro 3ahr. Md) hi c r läfet fich ^°S ftetige
Mroachfen ber meiblidjen Mbeiter bis auf 50% ber ©efammtjahl
fonftatiren. 3He Salinen« unb Saigarbeiter hatten relatio
hohe aber ftarf [chmanfenbe Söhne oon 702 auf 894 <,4i r ebenfo
bie ber Mbeiter in 3urf er fabrifen, Brauereien unb ©rofe«
töpfereien. £ie Söhne ber ©laSarbeiter fanfen beftänbig,
bie ber Schont ft einfeg er finb exorbitant niebrige bei ftarfem
Mbeiterroechfel. Slm beften flehen fich innerhalb biefeS burchauS
unerfreulidjeit 3'ff c rnbtIbcS bie Mbeiter an ben Srafcen« unb
Onnatbahnen mit 800 Begro. 1100 di. 3ahreSoerbienft, beffen
£)urchfd)nittö|afte bnreh Einftellung oon niebriger entlohnten
legenheitSarbeitern herabgebriieft roerben.
9iadh beit Berechnungen oon Sofch belief fich bie ©efammtgabl
aller Mbeiter in Württemberg mährenb beS 3ahreS 1895 auf ins*
gefammt 411 327 (barunter 148 289 roeibliche), maS 20% ber
ortSanroefcnbcn ©efammtbeoölferung bebeutet. Sin biefe mürben
ruitb 1 U OäHiarbe 3Rarf 3ahceSlohn auSgegahlt. Smierbalb
einiger beffer entlohnten Snbuftrieen oermehrte fich 1891—95 bie
3ahl ber BoIIarbeitcr (b. h- ber an 300 Xagen Befchäftigfen) oon
61 654 auf 69 442, ihr 3af)reSlohn oon 685,gc‘ auf 708,9 di
Gegenüber allen früheren Sohnangaben bebeutet baS eine etfySUfye
Steigerung, ^a imd) ber BerufSgäljlung oon 1895 36 % aller
Mbeiter roeuiger als 20 3ah*e alt maren, fo erhielten bie älteren
burdjgänqig ein häh ere ^ Einfommen als jene gur fjriftung bes
SebeitS ungenügenbe Summe oon 708 di
3 n einer fehr inftruftioen Tabelle ftcllt Sofch bie auf jeben
eingelnen BerufSgmeig burchfchnittlich entfaHenbeit Arbeitstage gu*
fammen. Es ergiebt fich barauS, ba& bie Bergleute unb EHaS*
arbeiter oott begro. gu % befchäftigt maren, roenn man 300 ^age
als SRormalgaljl bcs 3 ah^ annimmt. 3 mif(hfn % bis % unb
barüber maren bie Arbeiter in Steinbrüchen, Straßenbahnen,
3 ucfer« unb ©laSfabrifen in berfelben Unternehmung thätig, bie
Bauarbeiter aber rocfentlid) fiirger.
2)ie greife ber ScbenSmittel maren im ©angen gefallen, ba*
gegen hatten bie 9ttiefhSpreife angegogen. Sofch macht barauf auf*
merffam, baß bie f<Broäbifcl)en Arbeiter fich not B iu 3 U geringem
©rabe ber ^oufumuereine behufs $erabbrücfung ber ®etailpreifc
bebienten.
3m Schlußmort fdjilbert ber Autor bie fd)Iimme Sage ber
bäuerlidjen Beoölferung Württembergs, hierauf eingugeheit ift um
fo roeniger angängig, als fpegialifirte 9teformüorfd)läge nicht ge*
macht werben.
So unooUrommen unb liicfenhaft auch biefe SRefuItate in Solgc.
ber fehleubcit Unterlagen fmb, fie befiften immerhin ihren fpmpto*
matifchen Werth nub fie geigen oor Allem, maS hoch mit bem
oorhaitbcnen Material ber ArbeiteroerficBerung immerhin angu*
fangen ift. £>offcit mir, baß mit bereu Ausbau unb innerer
Seftigung fid) aud) Berbefferungen in lohnftatiftifcher Begiehuitg
menigftens anbahnen laffen unb baß baneben 9teid), Staat unb
Stabt burd) periobifche fpegieÜe Erhebungen baS fdjroierige Problem
ber Söfung näljer bringen.
Berlin. t 91 ub 01 f ©röfter.
e Sage beS beulfc^ett ArbeitSmarlteS im 3««^ im
oorigen ÜDfonat beridjtete merfmürbige Erfd)einung ber Arbeits*
lofigfeit als öolge giitiftiger ElefcftäftSlage bauert fort. „^Ter Ar*
beitsmarft" berichtet hierüber in ber neueften Mmmer: iic Börfe
batte gegen s JWitte bcs Monats 3uni mit einem Biale baS ©efiibl,
baß bie Monjimftiir umfdilagen miiffe, unb gab ihrer Stimmung
I burd) einen ftarfcn Mursriicfgaug Ausbrucf.
1125 ©ogiale $rajt$. Eentralblatt für ©ogialpolttif. 9>lr. 42. 1126
©o fernen auch bie Börfe in ber nach bem 16. 3uni folgenben
Böo<he fid^ roieber erholte, fo Braute fie burdf) ben auffälligen $urg*
rüdfgang hoch bie gefpannte Sage beg Hrbeitgmarfteg gum Hug*
brudf. Aufträge in $üße unb gütte unb trofcbem ergroungene Befchäfti*
gungglofigfeit in oielen Betrieben megen Sohlen* ober ELfentnangel!
Sin Hugbrucf biefer unruhigen uno in fid^ roiberfprud)gooßen
©timntung ftnb bie mit elementarer ©eroalt aitgbredjenbeit ©treifg
jugenblidher HrBeiter (Herne) unb Hnbrohwtgen non Hugfperrungen
(Maurer), bie fdjneU auftaueben unb fcfjnell roieber oerfcbminbeit.
£>ah im 3)ur<bhbnitt aller ©eroerbe bie Situation nod) immer
üBerroiegenb günftig ift, geigen bie Hrbeitgnadf)roeife, Bei benen im
3uni auf 100 offene ©teilen noch nid^t einmal 94 Hrbeitfucbenbe
famen (gegen 113 im Borjabr). $te 3af)l ber Befcbäfticjten nach
ben Äranfenfaffen ift im Saufe beg Bfonatg eine $Heinigfcit ge*
ftieaen, roäbrenb fte im Borjabr noch nidjt gang gleich ge*
Blieoen mar.
Arbeitgeber' mtb llntemtjttirmerbänöe.
$er Berbanb ber Bfetaflinbnftriefleu unb bie 9rbeitgftttttgcu*
Hlg Material für ben ©efebentrourf gum Schufte beg geroerblicben
Hrbeitgoerbältniffeg ermähnen mir folgenbe Heuherungen beg
gaBrifanten $aul ,§edfmann oom Berbanbe ber Bktaßinbuftrießen.
Er fagt: „Bfeine Herren, ba mir im ©efammtoerbanbe Bin*
fid)tlicf) ber Hrbeitgnadftroeigfteßen einen 3afammenbang über gang
2)eutfd)lanb haben, fo mirb, menn in Hamburg g. SB. ein Hugftanb
ber Former proflamirt mirb, burcB unfere einfache Drganifation
natürlich fämmtiidhen Hrbeitgnadhroeifefteßen refp. fämmtlicBen Sßit*
t liebem beg ©efammtoerbanbcg entfprecBenbe Btittbeilung gemacht.
)ann ift eg für einen Berbanb mie Hamburg ober Berlin natiir*
lieb feBr einfach, bie Seute auggufperren, meil eine ßRittbeilung an
bie Hrbeitgnacbrocigfteßen genügt. Huf biefe Sßeife fönnen bie
Scuteoon allen Sßcrfftätten beg Berbanbeg fern geBalten merben."
. . „Bor anbertBalb Sabren broBte mieber ein gormerftreif, ber
Bei ber Sirma 3Jf. 33orftg Begann. Er bat nur menige BSocben
gebauert. Böir mären aber, um bie ©treif(affen gu leeren, ent**
fcbloffen, unb 3 mar alle bie oereinten Hrbeitgeber Beding, melcBe
inggefammt 31 OÖO Hrbeiter BefcBäftigen, fämmtlicBe Bkrfftätten gu
fcBUefeen, um auf biefem SBege in möglicBft furger 3 e ü SRuBe unb
Srieben mieber Berguftelien."
Arbeiterbewegung.
$ie ferner Bcrgarbciter*$raroaßc bürften einen $R a f f c it p r o g e h
gnr Öolge Baben. $o<b immer mirb oon Berbaftungen jüngerer
Bergleute gemelbet, bie ficB an ben Äraroaßen BetBeiligt, Begm. iBre
ftameraben BcbroBt Baben foUen. Eg Baben auch Bereitg Sofal*
termine unb 93efid^tigungen beg ^batorteg feiteng ber Hnflage*
BeBörbe ftattgefunben. Sngroifcben Baben bie Hern er Unruhen ber
©eneraloerfamnilung beg Bereing für bie bergbaulichen Sntereffen
im Dberbergamtgbegirfe 2)ortmunb Hnlah gegeben, für bag „3ud)t*
bauggefeft" eingutreten. SE)ie grage beg ©djufteg ber Hrbeitg*
rotßigen fei burcB bie ferner Straroaße jebenfaßg afuter gemorben.
Eg tnüffe in biefer Begebung unBebingt etrnag gegeben. Btan
Bebauerte, bah im BetcbStaae bie Vorlage fo fdEjroff abgemiefeit
morben fei. 3meifellog meroen bie ferner Vorgänge unb bag gu
ertoartenbe ©eridBtgurtBeil näcBften hinter im SReicBgtage Bei ber
SöciterberatBung ber 3acBtBaugoorlage noch eine 9ioÖc fpielen. ®ag
Organ beg alten Berg** unb .f)üttenarbeiter*Berbanbeg Bat jüngft
in einem faft fünf ©palten langen drittel bie ferner Borgänge
BefprotBen unb babei Befonberg B e n>orcjeBoBen, ba& bie poImftBen
Arbeiter gemöBnlicB in ben 3 e£ B en ^°I° n i e a ifolirt geBalten mürben.
„Sleiu SuftBau<B mobernen Smpfinbeng" biirfe au fie Beran. 3)ie
Bertrauengleute beg Berbanbeg liefen ($efaBr, geprügelt gu merben,
menn fie in bie $ßolen**$olonien gu geBen oerfud)ten. ^)ie lieber*
Ballung ber polnifcBen Arbeiter fei für bie ferner Borgänge oer**
antroortlicB niacBen.
^IrBeiterBetoequng im BaugetoerBe» Baugemerbe gieBt eg
g. 3- eme ftarfe nrbeiterBeroegung. Bon oerfcBiebenen ©eiten mirb
über ^lugftänbe ber Btourer Berichtet, Bei benen eg gutneift um
(SrBöBung beg ©tunbenloBneg unb gerabfebung ber Slrbeitggeit
fid) Banbelt 3« 3n>idau ftreifen fcBon feit längerer 3 e ü ^ie
Biaurer. SöäBrenb bie BeBörben ßcB urfprünglicB neutral oer**
hielten, Baben fie neuerbingg gegen bie Arbeiter Partei ergriffen,
iubem bie ©treifpoften megen „groben llmfugg" beftraft unb bie
anfommenben Btaurer oon bendßoligeiorganen gur HnnaBme oon
Slrbeit berebet unb gu ben Slrbeitgfteßen begleitet mürben. @g
foßen fogar gmei gugereiften ßRaurern, benen bie ©treifleitung
SifenbaBnfaBrfarten gur SRiidCfaBrt gelöft Batte, bie Bjßetg oon ber
^oligei roeggenommen morben fein, bamit biefelben nid^t abfaBren,
fonberit Arbeit neBmen foßten. SRachbem ein ©inigunggoerfaBren
oor bem Dberbürgermeifter refultatlog oerlaufen ift, rooßen bie
Arbeiter bag ©emerbegericht alg (Sinigunggatnt aitrufcit.
Bom BttcBbrurferoerbanB, SRad^träglicB mibmet bag Organ
biefeg Berbanbeg, ber Seipgiger ©orrefponbent, ber unlängft in
3Raing abgeBaltenen ©eneraloerfammlung (f. ,,©og. B^ig" 9Rr. 39,
©p. 1053^ oerfchiebene Slrtifel, aug benen mir einige fünfte Beraug**
greifen rooßen. B?ag bie grage ber aud) bei anberen Arbeiters
organifationen immer nteBr in ben Borbergrunb tretenbeu ^arif**
gemeinfcBaft betrifft, fo fonftatirt ber „(Sorr.", bah in SRaing
aße ^elegirten auf ®runb ber gemachten ©rfahrungen Batten gu*
geftel)en müffen, bah ^arifgemeinfehaft aßentBalben nüfelidB für
bie ©eBülfenfd)aft unb ben Xarif geroirft Babe, feine Stimme
Babe ftd) bafür erBoben, bah nach Ablauf ber SarifgemeinfcBaft
eine Erneuerung berfelben nid)t roieber angeftrebt merben foße;
eg fei oielmeBr betont morben, bah eg im 3ntereffe ber EieBülfen
geboten fei, bie 2)auer einer folcBen nicht unter brei 3aB*en
feftgufefeen. „?öir flehen nach mie oor auf bem Boben ber Huf*
red)ierBaltitng beg geroerblidjen griebeng unb miffen feBr rooBl,
bah Bi er w f% on e i ne Ö an S B eröorra genbe Garantie für eine innere
Erftarfung beg Berbanbeg unb für ein gefnnbeg ©emerfoereing*
leben »gegeben ift. fämpfe fud)t man nicht, fonbern man oer-
meibet fie, folange eg geht. Unb in unferer Sarifgemeinfchaft
glauben mir ben feint ber Eutroicfelung für einen genügen mirth s
fd^aftlichen fonftitutionaligtnug gefuttben gu Baben, ber im
BürtBfchaftgleben bodt) noch gur Geltung fommen mirb, trofc aßer
3ud)thaugoorlagen." 2)a ber Berbanb in erfter Sinie bie Er*
ringung unb bauernbe Erhaltung oerbefferter Sohn* unb Hrbeitg*
Bedingungen erftrebe, fo tonnten feine Unterftühunggeinrid)*
tungen nicht ©elbftgmecf, fonbern nur Mittel gum 3mea fein, unb
eg Babe beghalb bett Anträgen auf Erhöhung ber fraufenunter*
ftütjung nicht entfprodjen merben fönnen. tiefer 3 roe ^9/ obgleich
er in feinem befottberen 3ufaminenhange mit ben gemerffd)aftlichen
fielen flehe, fofte bem Berbanbe jährlich runb 400 000, ^. 2)a*
gegen fei ber Bcgug ber Sfteifeunterftühung erleichtert unb bie Sn*
oalibenunterftühung unb bag Begräbnihgelb erhöht morben. Biit
ber internationalen Berbinbung ber Buchbrucfer fteht cg
anfeheinenb nicht befonberg gut. $cr „Eorr." erflärt menigfteng,
bah bie Hoffnungen, roelche f. 3- an bie ©rünbung beg inter*
nationalen ©efretariatg gefnüpft morben feien, fich nicht erfüßt
hätten. Hflerbingg feien 19 Berbänbe im ©efretariat oertreten,
aber nur menige baoon feien oon Bebeutung unb bie Snformationen
beg ©efretariatg aug biefen Berbänben feien gleich ^Ruß. Qfranf*
reich, Stalien unb Belgien ftänben bem ©efretariat gänglid) fern
unb bag feBr in Betracht fominenbe Englaub fei für ben Beitritt
noch nicht gu geroinnen gemefen. 9htr ^eutfchlanb, Oefterreich,
bie ©dEjroeig unb Elfafj * Sothringen feien bie Präger biefer 3» s
ftitution.
Arbeiterfd)u|.
Boligetpeporbnung gttui ©d|ü|e ber Bauarbeiter tut Uuterelfah«
^5er Begirfgpräfibcnt für bag Unterelfah, ber oor Burgern eine
Boligeioerorbnung gu ©unften ber Bäcfereiarbeiter ergehen lieh
(oergl. $r. 40 ber „Sogialen $rajig" ©p. 1085), Bat folgenbe
Begirfguerorbnmtg gum Schuhe ber Bauarbeiter erlaffen, bie fid)
an ähnliche Berorbnungen auf biefem ©ebiete anlehnt:
„ s Ber in ftjentetnben mit mehr* alg 10 000 C^inmoBncnt Bauten
unternimmt ober herftetlt, bereu Hugfitörung eine ^ütbnuer oon mein*
alg gmei BJonaten in Hnfprud) uinuit, ift uerpfliditet, für bie Arbeiter
a) befonbere, ber Hrbcitergal)! entfprecBenbe, gur Benutmug mäbreub ber
Hrbeitgpaufeu unb gum Sdjuhe gegen bie Unbtlbcn ber Witterung bet
ftimmte Unterfuuftgräume, meldic mit Eiuridjtungeu gur Bermabruug
ber Kleiber, gur Äörperreinigung, gum Ermärmeu ber ©peifett oeriehen,
mit 2ifd)eu mtb Stühlen auggejtattet unb bei faltent fetter ermärmt
fein müffen, gu errichten unb in reiulidjcut 3uftaube gu erhalten, Tinern
er nicht burcB ben gircig* begm. ^oligeibireftor megen befoubercr ört*
Ud)cr Schmierigfeiten augnahmgmetje baoon entbuuben mirb; 1*1 be=
fonberc, ben Huforberungeu beg §. 120b ?lbfaü 4 ber Olemerbeorbunng
eutfprcdjenbe Bcbürfuthanftaltcn hcrguftclicu. Sie ooriielieiibeu Be-
ftimmuugen fönnen burd) bie Ärcivbireftoreu auf C'lemeinben mit ge*
ringerer Bcuölferuugggaljl ober auf beftimmte Sheile beg .Mreife«, mo
bie Bauthätigfeit gröberen Umfang anuimmt, für aumeubbar erflärt
merben. — ^su Räumen, in meldien oifeue A-euer cMoafvtörbe u. f. m.i
1127
©oglale $ra£ts. Ecntralblatt für ©ogialpoltül. Ar. 42.
1128
ober fjeifje Jveuergafe gunt AuStrocfnen oerroenbet roerben, bürfen Bau*
Arbeiter nur bcfchäftigt roerben, roenn für geregelte Ableitung ber ent*
ftefjenben ©afe unb für reichliche 3ufuf)r frifdjer Öuft tu btc Staunte ge*
forgt ift. — SBä^renb ber falten jabre^ett bürfen Bauarbeiter im
Innern oon Bauten nur bann ftänbig bcfdjäftigt roerben, roenn bie
ArbcitSrännie bitrd) geeignete Spür* unb ftenfierabfdjlüffe gegen baö
©inbringen ber Kälte gefdmpt ftnb. — Bauunternehmer ober Bau*
meifter, roeldje bett oorftcl)enbcn Beftimmungen guroiberfjanbeln, roerben,
foferu nicht eine höhere ©träfe oerroirft ift, nach §. 471 3Ufrr 1» beS
franjöfifcheit ©trafgefepbuebe* beftraft."
©efepliche Siegelung ber ArbcitSbcrhiUimffe im ©ctfiroirthö-
etoerbe unb bie oraaniftrten <$aftn>irtf)3gef)ülfrn. AngefidptS ber
eoorftehenben gefepfidpen Siegelung ber ArbeitSoerpältniffe int
©aftroirthSgeroerbe bat bie Berliner güitfer4Tomntiffion einen Auf*
ruf an bie organiftrten ©aftroirtpägehülfen gerichtet, in roeldpem
biefelben aufgeforbert roerben, int ßaufe beS Sommers in allen
größeren Stabten Btoffenoerfammlungen gu neranftalten. lleberaü
foÜen Kommtffionen gebilbet roerben, roelcpe fidp neben ber Be*
fpreepung ber allgemeinen fragen mit ber Erörterung ber Iofaleit
Berpältniffe befaffen foüen. 3n Begug auf baS in AuSficht
ftefjenbe Scpupgcfep foüen in Anlehnung an bie Befchlüffe ber
Stortgreffe ber organifirten ©aftroirthägehülfeit folgenbe Öorberungen
oertreten merben:
Die tägliche Arbeitzeit ber ©aftroirthSgepüIfen barf groölf ©tunben
nicht iiberfdjreiten unb mufe fichi, mit Aiicfficpt auf bie Art beS Betriebes,
eiufdjliefelid) ber Raufen, auf hörfjftens 15 ©tunben oerthcilen. ©enterb*
liehet rociblidjes Dienftperfonal fomie jugenblidjc Arbeiter unter
16 fahren bürfen nicht länger als 10 ©tunben befdfjäftigt merben.
Beibeit Kategorien ift eine ununterbrochene Aupegeit oon 12 ©tunben
git geroähren. Die Bcfdjäftigung jugenblicher Arbeiter unter 16 fahren
ift oon 10 Uhr Abenbs bis 6 Uhr früh 3 « unterlagen; 2. ben ©chilfeu
ift ein regelmäßiger roöchcntlicper Aupetag oon 36 ©tunben, ber alle
4 Wochen auf einen ©omttag fallen muß, gu gemährett; 3. für jngcnb*
Iidte Arbeiter unter 18 fahren obligatorifdjcr gacpfdjulunterricpt;
4. Unterftellung ber gaftroirtpfdiaftlitfjen Betriebe unter bie ©enterbe*
auffidjt; 5. aiisretcpcnbc Bezahlung ber Kellner itt Betrieben, bie beut
©taate begro. mittelbar ober untniittlbar uittcrftehen; cnblich 6. Berbot
ber ©teflenoermittelung gegen ©ntgelt.
3nt ^erbft foÜ ein aÜgemciner 3acpfongre& ber ©aftroirtpS*
gepülfen gufammentreten.
Arbciterfcpup in Rero*?)orf. Die ©efepgebung beS Staates
Rero* s $orf hat am 1. April einige Arbeiterfcpupbeftintmungen oon
Sntereffe befdploffen, bie gunt S:^eil fofort, gunt Dpcil am
1. September l. 3. in Kraft treten. Die roieptigfte biefer Bo.r*
Triften bezieht fiep auf bie Heimarbeit in ber KoitfeftionS*, Dabaf*
unb anberen Snbufirien. Das ©efep oon 1897 geftattete bie Be*
nupung oon BSopnräumen für bie geroerbemäfeige Herfteüung ber
oerfchiebenen Artifel burch bie SJiitglieber ber Familie felbft; bem
neuen ©efepe gufolge mu& nunmehr auch in beut gaüe, menn
nur gamilienmitglieber mit ber Heimarbeit befdpäftigt ftnb, eine
Sigeng ermirft merben, bei beren Erteilung bie 3 a ÜH ber Heim*
arbeiter in jebem BBopnraum berüdfidptigt mirb, inbem für jeben
Arbeiter 250 Kubiffufe Suftraunt bei Dag unb 400 bei Äadpt ge*
rechnet merben. Der gabrifinfpeftor faitn Artifel, bte in ben
Staat importirt unb unter ungefunben H^ntarbeitSoerhältniffen
ergeugt merben, als „tenement made" tnarfiren laffen. — Eilt
anberes ©efep betraut ben ©eroerbeinfpeftor mit ber Aufficht über
bie ©eriifte an unb in Haufern, begiiglich melier oerfchiebene Bor*
fcfjrtften getroffen roerben. — Die 3at)l ber Snfpeftoren ift oon 36
auf 50 erhöht roorben. — Ein ©efep oon 1897 fept bie ArbeitS*
geit für grauen unb 2Jtäb<hen unter 21 3apren auf pöchftenS gehn
Stunben pro Dag ober 60 Shmbeit bie BSocpe feft, unb gmar hat
bie Befchäftigung in bie 3^it oon 6 Uhr früh bis IängftenS 9 Uhr
AbenbS gu faüen. Diefe Beftimmung ift nunmehr auf fämmtliche
Arbeiterinnen ohne llnterfchieb beS Alters auSgebehnt roorben.
^rbeilemer|l(i)ennig. SparhafTcu.
BerufSgenoffenfthaftStag tn ^tonftang. 3» betn Berichte über
ben BerufSgenoffenfchaftStag in Ä'onftang in Ar. 40 b. Bl. Sp. 1085f.
finb einige Unridjttgfeiten unterlaufen, auf bie mir oon guoerläffiger
©eite aufmerffam gemacht merben: 3n feinem Sieferat gur 3*rage
ber Befd)itfung ber Barifer B3eltau«ftcllung hat ber AeichS*
tagSabgeorbncte Bocfufc nitfjt baoon gefprochen, baß an „aller*
höchster Steüe" bie Bebeutung beS Bcrnfsgenoffciifct)aftSmefcus I
uod) unterfdjäpt merbe, fonbern nur fein Bebauern guut AuSbrucf |
gebradjt, baß nad) feiner Bieinung bei ben hohen unb höchsten |
AeidjSbehörben bie B}id)tigfeit einer Ausfteiluiig ber auf bem {
©ebicte ber beutfehen Arbetteroerficherung erhielten begro. gu er*
martenben Befultate noch unterfchäfet merbe, mofür aud) bie
Steüungnahme gu bem oon faft aüen Parteien beS Reichstages
befiirroortetett Brojeft eines SDfufeumS für Unfaüoerhütung als
BemeiS gelten fönne. — $>ie Örage ber SÖahrung ber berufs*
genoffenfchaftlichen Selbftoermaltung ben Anforberungen
ftaatlicher BerroaltungSbehörben gegenüber ift u. A. in
Qfolge ber Anforberung beS babifchen SKimfteriumS beS 3nnern auf*
gemorfen roorben, monach ben BerufSgenoffenfdjaften bie Ber*
pflichtung auferlegt merben foüte, ben mit ber Durchführung byc
Unfaüunterfudhung betrauten Behörben oon aüeit erfolgten Renten*
bemiüigungen unb beren Abänbening fortlaufenb BZittheilung gu
machen. Als Ergebnis ber Beratung biefeS ©egenftanbeS ift
nicht, mie es auf Sp. 1086 unfereS Blattes helfet, bie Abänbcruitg
ber §§. 139b unb 120e ber ©eroerbeorbmtng geforbert, fonbern
ben " BerufSgenoffenfehaftS* unb SeftionSoorftänben empfohlen
roorben, im 3ittereffe eines gebei§Itd)cn 3ufammenroirfenS ber ge*
noffenfchaftlichen Organe mit ben ftaatlichen Behörben bem Er*
fuchen ber Sefeteren utn SÄittheilung, bie fte gur Durchführung beS
UnfalloerricherungSgefefecS für münfchenSroerth erachten, oon Satt
gu ßaD nad) 9Aögli<hfett gu entfprechen. Dagegen glaubte ber
BerufSgenoffenfchaftStag aÜe gorberungeit biefer Behörben, bie
barauf gerichtet finb, bte BerufSgenoffcnfchaften gu einer forllaufen*
ben tittb reaelntäfeigen Berichterftattung für bie bienftlichen 3 rce ^
ber StaatSbehörben heranjugieljcn, als einen bnreh baS ©efefe nicht
begrünbeten Eingriff in bte genoffenfchaftliche Selbftoerroaltimg ab*
lehnen gu müffen. — ©egen bie oon uns (Sp. 1086) ermähnte,
oon Direltor 2SengeI*BerIin beantragte Refolutioit mürben in ber
Berfammlung Bebenfen geltenb gemacht, bie u. A. barin beftanben,
bafe bie ßanbeSregierungen ihre Rechte unb ^Pflichten auf bem
roidjtigen ©ebiete ber Uiifaüoerhütung nicht an Angeftellte einzelner
Draantfationen, inSbefonbere nicht an bie lebiglich aus Arbeitgeber*
freifen hcroorgegangeuen Borftäitbe ber BerufSgenoffenfchaften ab*
treten lönnen unb roerben. Diefetn Einmaitbe cntfpred)enb mürbe
ein oom ReichtagSabgeorbneten Roefiäe gefteüter Antrag angc*
nornmen, roelcher lautet: „Der BerufSgenoffenfchaftStag beauftragt
ben gefchäftSfiihrenben Ausrufe 1. mit bem Reid)v*BerftdjenmgS*
amt tn Beraihung gu treten, auf melche Steife ben in Begug auf
bie llebermadjung ber Betriebe heroorgetretenen Uebelftänbeu to\xI*
fam gu begegnen ift; 2. geeignete Bcittel in Erroägung gu giehen,
um biejenigen BerufSgenoffenfchaften, bie ber Aufgabe ber Unfall*
oerhütung ihre Aufmerffamfeit bisher noch nicht in geitiigcnbcm
Btafee gugemenbet haben, gu einem entfehiebeneren Boraebcn auf
biefem ©ebiete anguregen unb inSbefonbere iiberaü bie AnfteÜuug
einer auSretchenben Angahl technifch oorgebilbeter Beauftragten
ur mirffamen Ueberroathung ber Betriebe herbeiguftihren; 3. über
ie im Sinne ber 3iff ern 1 unb 2 gu machenben Borfd)läge betn
Berbanbe auf bem nächften BerufSgenoffeufchaftStage gu berichten."
©egenüber ber Refolution, melche itt Begug auf bie eoentuclle
gufünftigeBerroenbnng berReittenftellen beiDurd)fübruug
ber llnfaüoerficherung aefafettourbe, hat Roeficfe nicht nur bie
Beteiligung ber Arbeiter bei geftftcüung ber Renten für noth s
menbig begeidjnet, fonbern auch bie Rentenfteüen inSbefonbere ba,
mo anbere Organe nicht auSreichenb oorhanben finb, bcgiiglid) ber
llnfaüoerficherung für burchauS brauchbar unb groeefroäfeig er*
Hart, namentlid) fofent feinem Borfd)lage gemäfe, bei Abänbernng
ber ttnfallöerficheruugSgefcfee ben fich für biefe ergebenben Ber*
häUniffen Rechnung getragen mürbe. — Bknit übrigens auch bie
fonftigen Rebner bie Rentenfteüen burchmeg befänipften, fo rourbc
bod) anbererfeits mehrfach gugegeben, bafe bie Beteiligung ber
Arbeitnehmer begro. Berfid)erten bei bem RentenfeftfepungSoerfahreu
in einer anberen gornt ben berufSgenoffenfchaftlitcn Sntercffen
burchauS nicht miberfpräche.
ttnferr Arbetteroerficherung ttnb bie ^arifer MeltauIfteOnttg.
Schon auf früheren SßeltauSfteÜungeu, fo oor Aüem auf ber in
Ehicago 1893, ift unfere ftaatliche Arbeiteroerficherung bttrt
ftatiftifc^c DabeÜcn, Blobeüe u. f. ro. oertreten gemefen. Es ift gu
biefem ReichS*Bcrftd)erungSantt auch e iu befonberer
ßeitfaben gur Arbeiteroerficherung beS Deutfteu Reiche heraus*
gegeben roorben. 23ie jüngft in einer Monfereng oon Traufen taffen*
oorftänben u. f. ro. mitgethcilt rourbe, foü bie AuSfteüuug in Baris
baS gefammte Kran feit*, UnfaÜ*, 3noaliben* uit b AlterSoerfidie*
nmgSioefen tttitfaffen uitb in groei Abteilungen: eine terapeutifdie
unb eine ftatiftifchc, gcrfaÜen. Die crftcre roirb aud) oerfchiebene
Riobeüe, fotoie bilblicfje Darftellungen oon H c Wcüen, Unfall*
ftationen n. f. ro. umfaffeit, mährcub bie leptere im B.'e|entlid)cn
lid) auf bie. Beibringung oon roi|fenfd)aftlid) * ftatiftiftem Biatcrial
bcfdjräiifen roirb. Bon bem Borfipcitbeit ber 3noaIibitätS* uttb
1129
Sogtale $ra£tS. dentralblatt für Sogialpoliti!. Ar. 42.
1130
AlterSoerficherungSanftalt Berlin, Dr. 3rcnnb, ift in ber oben er*
wähnten $onfereng ber ©ebaitFe angeregt worben, bemnädjft eine
beutfdje SonberauSfteEung für Hrbeiterfcfju^ unb Arbeitcroerfiche*
ruttg in Berlin gu oeranftalten. dS foE ber ©ebattfe and) Aus*
ficht auf Vcrwirflichung Rahen. 3ür bie Vertretung nuferer
Arbeiteroerficherung auf ber Varifer AuSfteEung Rat baS ÄeicR
50 000 Ji bewiEigt.
3Urb*ttesui$tt)ei$.
AÖgcmeiuc Arbeit#» nttb VMnnngSnadjuiciSimfialt ttt Göln.
3)ie oon ber Stabt Slöln burch Stefluna ber ©efcRäftsrämne unb
einen Vaargufdjufc bis gu 8000 <yff, jabriidj unterftüpte AEgemeine
ArbcitsnachweiSanftalt Üöln (Vorftpenber V. d. gwwerlänber) Rat
in iRrem fünften ©efdjäftSjaRr (1. Quli 1898/1899) 12 156 männ*
licken fßerfonen rneift bauernbe ^öefdjäftigung unb 5944 weiblichen
Verfonen Stellung oerfcRafft. 3n ber männlichen Abteilung
würben 93, 4 % ©efudje ber Arbeitgeber unb 67, 34 o 0 ber Arbeit*
neunter, in ber weiblichen 54,2 4 % ©efucRe ber Arbeitgeber unb
97, 8 8 % ber Arbeitnehmer befriebigt, gegen bie Vorjahre wieberum
eine drRöRung ber VermittelungStRätigfeit. Vei ben weiblichen
35ienftboten war bie Nachfrage wie in einer VeiRe größerer Stäbte
ftärfer als baS Angebot. 3)te Hausfrauen befcRäftigten baher mehr
als bisher Vup* unb Stunbenfrauen unb im ©aftRofSgewerbe ift
man oielfacR bagu übergegangen, ntännlidjeS ^ßerfonal für bie
robe Hausarbeit einguftellen. 3ur §eranjiehung weiblicher Kräfte
ebiente ftch ber Arbeitsnachweis auch fortlaufenber 3eitungsan*
geigen. — An biefe Anftalt ift ein gleichfalls unentgeltlicher
SBoRnungSnacRmeis für Arbeiter unb fleine AngefteUte ange*
gliebert. Seit (Eröffnung beS ÜBoRnungSnachroeifeS (i. April 1898)
bis gum 30. 3nni 1899 würben 3051 unmöblirie SBoRnungen ge*
melbet unb 6020 gefragt, bagegen möblirte 209 angeboten unb
nur 76 gewünfcRt. 3)ie Nachfrage nach fleinen VJoRnungen war
wefentlich größer als baS Angebot. 35er Vericht fteflt feft, „bap
paffenbe unb gefunbe SBoRnungen für Arbeiter unb fleine Ange*
fteEte nicht in genügenber Angahl oorhanbnt finb". VefonberS
fcRlimm fteRe es für FinberreicRe Samilien unb unter ben Heineren
Hanbwerfern für bie Schuhmacher. 3)ie ungulänglichen VerfeRrS*
mittel erfchwerten ben Ausgleich burch Wohnungen in ben Vororten.
kommunales Arbeitsamt in dhriftiaitta. 3)aS im Januar
1898 errichtete fotnmunale Arbeitsamt in dRriftianta hat int erftett
3aRre feines VcftanöeS eine erfolgreiche ^^ätigfeit als unentgelt*
liehe ArbeitSnad)weiSfteEe inaugurirt unb oon ben 5378 Arbeit*
fucRenben 2695 placirt. 3>ie Leitung beS Arbeitsnachweis bilbet
ein gur Hälfte aus Arbeitgebern, gur Hälfte aus Arbeitern be*
ftehenber AuSfcRup; bei Streifs unb AuSfperrungen ftetlt ber
Arbeitsnachweis für ben betroffenen Snbuftriegweig begw. Vetrieb
feine 3Rätigfeit ein. 3>aS Amt foE auch als dinigungsamt thätig
fein, fowie als ScRiebSgericht, hoch nur im dinoerftänbnip ber
Streitparteien. 3m SaRre 1898 würbe eS nur gmeimal um
Snteroention erfucht; in einem 3aEe bewirfte baS Amt auch eine
dinigung, im anbern lehnlen bie Arbeiter bie dinigungSoerfuche
beffelben ab.
Sojiale 4)t)gi tut.
Arbeitcrbnber in ffoatttdjen VetriebSftatten. i ie MunitionS*
fabrif in Spanbau befdjäftigte nach bem lebten Vericht beS Ve*
gierungS* unb ©emerberatReS für ben VegierungSbegirf $otSbam
750 männliche unb 2355 weibliche Strafte, bie gufammen im Iepten
3aRre über 44 000 ^Bannen* unb Vraufebäber genommen Raben,
baS macht auf 5ßerfon unb Sah* 14,2 Väber. 3$ie 1650 Arbeiter
ber ©efd)üpgicfjerei benupten 1500 SBannen* unb 24 240 Vraufe*
bäber (15, fJ Väber). Auf bie 2100 männlichen unb 250 weiblichen
VefcRäftigten beS geuerwerfSlaboratoriumS entfaEen 60 000 Väber
(25, t ). 1850 Arbeiter ber ArtiEeriewerfftatt nahmen 21 000 2Bannen*
unb Vraufebäber (11,3, nnb bie 744 Seute ber ^otsbamer difen*
baRn*HauptwerFftatt 3972 ^Bannen* unb 11 220 Vraufebäber (20, 4 ).
£aS Vaben finbet währenb ber ArbeitSgeit unb ohne SoRnabgug
ftatt. 3n beit Spanbauer SBerfftätten müffen aEe Arbeiter, welche
mit gefunbReülicR bebenflidjen Stoffen in Verübrung fommen (wie
Vlei, 3ittf/ Cuetffilber u. f. w.) wöd)entlich minbeftenS gweimal
haben. Väber nebft HanbiucR unb Seife erhalten fie untfonft.
SDie übrigen, nicht gunt Vaben oerpftid)teten Seute gaRlen für Seife
unb $anbtud) ein fehr geringes dntgelt. 3tt ber difenbahn*^aupt*
werfffatt gu 5potSbam erhalten bie oerpflichteten Öeute ebenfaEs
aEeS drforberliche umfonft, bie Uebrigen gahlen 10 $ für ein
^Bannen*, 5 ^ für ein Vraufebab. 3?er oon eingelnen Unter*
nehmern oft oorgebrachte dinwanb, ba& ein ^rioatmamt nicht in
ber fiage fei, ben Arbeitern währenb ber ArbeitSgeit ohne Sohn*
abgug (Gelegenheit gum Vaben gu geben, wirb — fo fagt ber Ve*
rieht — für Stiicflohnarbeiter baburch wiberlegt, baR bei ben ge*
nannten ©erfftätten ein Vücfgang beS ArbeitSoerbienfteS burch
für baS Vaben gegebene freie 3 e *t nicht eingetreten ift. 2)er Ar*
beiter bringt im (Gegenteil burch bie erhöhte SeiftungSfähigfeit
ben Verluft an ArbeitSgeit burch rafdjere Arbeit fehr * balb
wieber ein. ®er Vericht beweift guglcid), wie gern bie Arbeiter
oon Vabeeinrid)tnngen (Gebrauch machen.
$er (fiaflui beS VerufStoeihfelS auf ben ^efitnbheitS^nftanb.
Ueber ben dinflufe beS VerufSmechfelS auf ben ©efunbheitSguftanb
gewiffer befonberen (GefunbljeitSgefabren auSgefe(jter VerufSgruppen
berichtet ber VegierungS* unb (Gewerberath für bie ^rooing §an*
nooer in feinem lefeten Jahresbericht: 3nt 3)orfe Viünchchagen bei
Veljburg wohnen übermiegeitb Sanbfteinbrucharbeiter, welche in ben
benachbarten Vriichcn unb bei Stabthagen unb SDfterwalb befchäftigt
finb. 3)ie „SteinbruchSfrantheit" forberte bort jährlich gahlreid^e
Opfer. Um fich oor ihr gu fdjütjen, haben Reh bie Stute eine
anbere 3hätig!eit gefucht, unb ber glücflid)e 3 u faE hat fte in einen
Veruf geführt, oon bem fie bisher wohl faunt eine rechte Vor*
fteEung hatten, fie werben Schiffer, oormiegenb £eringSfif<her. 3m
3uni gichen aus Münchehagen aEein etwa 80 Mann nach dntben,
dlsfleth, (Geeftemiinbe unb nad) anberen §äfeit unb fommen ge*
fräftigt unb auch mit refpeftablcn lleberfchüffen erft im Gtooember
nach $ au f e gurücf, um bann wieber etwa fed)S Monate in ben
Steiitbriidjen gu arbeiten. 3>iefe Unterbrechung ber ungefunben
Arbeiten, welche oon Seuten aus ben benachbarten Vegirfen nach*
geahmt wirb, hat fegeuSreiche drfolge gehabt, benn bie gällc oon
Schwinbfucht uub Sungenentgünbung haben ftarf abgenommen.
Gtewerbcgeridjtc. (Tinigungsämtet. öd)iei?getid)tt.
28 iU^(ifu»igen bos ^terfitr.
Aebigtrt oon ©cwerbertchter Dr. S d) a I h o r u, Verlüt.
Ueber „(Gatodjtett irnb Anträge" ber dJemerbcgerichte.
Süngft war mehrfach in ber 3ageSpreffe bie Vebe oon ben
„(Gutachten unb Anträgen ber ©ewerbegerichte" auf (Grunb beS
§. 70 beS (GemerbegerichtSgefeheS. 3 ds hat ftch gegeigt, ba& über
bie ©rengeit, welche ber ^hätigfeit ber ©ewerbegerichte nach biefer
Vichtung hia gefteeft finb, giemliche Unflarhcit h^rrfcht.
2Bir werben oerfuchen, bie Tragweite, welche bie Vorfchrift
beS §. 70 a. a. 0. nach Abficht beS ©efefcgeberS hat, feftgufteEen.
l ) 3)en AnlaR bot ein oon bem AuSjdjuffe beS Verliner (Gewerbe*
gcricfjts berathener unb angenommener Antrag an ben Aeidjstag unb
ben VunbeSrath gur drhaltung ber ÄoalitiouSfretheih welchen mehrere
Veifi&er biefeS AnSfchnReS gur Agitation gegen ben dntmurf eines (Ge*
fefceS gum Schule beS gewerblichen ArbeilSuerbältniffeS oeroffentlichl
haben (f. unter Anberem 9ir. 38 biefer ^citfrfjrift oont 22. ftunt 1899).
Mehrere ben dewerbegerichten nicht wohlgesinnte Rettungen benubten
ben Aufruf jener Veifiber, um gegen bie (Gcwerbegerid)te, inSbefonbere
gegen ba§ Vcrliner (Gewerbegerid)t Stimmung gu madjen, inbern bie Ve-
hauptung aufgefteüt würbe, baR bas Verliner ©cwerbegericht bie $unb*
gebuitg ber Veifiber oeranlajjt habe. 3te oon uns georadjten Verichti*
gungeu fd)einen nicht genügenb beFannt geworben gu fein, benn in
„£>anb in |)anb w Sritfdirift für bie ©efammtoertretung ber ^ntereffen
oon Snbuftrie unb §anbel (Ar. 7 ooui 1. Juli 1899 ®. 72) wirb
wieberum bem Verliner ©ewerbegericht oorgeworfeu, agttatorifd) in
bie dntwicfelung ber CGefebgebung eingegriffen gu haben. "SBir möchten
beSwegen nodi einmal betonen, ba| baS Verliner ®ewerbegerid)t oon
bem prioaten Aufruf ber VeiRber erft burch bie Leitungen .Mcnntiiig er=
hielt, ©ctheilter Meinung Faun man freilich fein, ob es überhaupt
richtig — unb gulaffig — war, ben an ben AeidiStag uub VunbeS*
ratl) gerichteten Antrag für bie Agitation gegen beit (Gcfcpentumrf gum
Schule beS gewerblichen ArbeitSuerhältniRcs nupbar gu madjeu, umfo*
mehr als man tjat feheu muffen, bnf? bie CGegucr ber (Gewerbegerirf)te
oon bem Aufrufe ber Vcifiper (Gebrauch madjen, um bie tSiuruhtuug
ber OJewerbegerichtc gu bcFämpfeu.
©oktale $raji§. Eentralblatt für Sogialpolittf. 9ir. 42.
1132
1131
S'er Paragraph 2 ) ift erft burd) Vefd)lufe ber VI. Kommiffion 3 )
in bcn ©efefeeiitrourf, bclr. bie ©eroerbegeridjte ^ineingcfommen.
Aus bem Vericfjte biefer Kommiffion erpeHt, bafe man urfprüng*
lid) nur eine s #flirf)t ber ©eroerbegeridjte einführen wollte, „gu
antworten, wenn fie gefragt werben". V7an erroog babei, bafe biefe
ben ©eroerbegerichten aufguerlegettbe £fjätigfeit bort, roo ©emerbe*
fammern nicht beftänben, erroünfcht fein mürbe. Es rourbe
ferner für fehr roerthooll erachtet, gegebenenfalls auf biefe Weife
©utadjten erhalten gu fönnen, welche — im ©cgenfafe gu ben ©e*
roerbefammern, beren Vfttglieber auSfcfjliefelich Arbeitgeber feien —
foutrabiftorifd) groifdjen Arbeitgebern unb Arbeitern unter ber un*
parteiifdöen ficitung eines unbeteiligten dritten feftgeftellt roorben
feien. Sn groeitcr Sefung gab man aisbann ben ©eroerbegerichten
noch baS 9te<ht, auch gehört gu rcerben. Es mürbe bei ber Ve*
rathung ber Kommiffton ausgeführt, bafe biefeS SRc<f)t „bie ©e*
merbegerid)te noch mehr befähige, btejenigen Sunftionen gu
erfüllen, meldje man fon)t non ©emerbefammern gu er*
märten pflege."
$ad) aHebem ift beabfidjtigt, burcf) bie SSorfdjrift beS §. 70
a. a. 0. ben ©eroerbegerichten, foroeit ©utachteu unb Anträge in
Jrage fommcn, biefelbe Arbeit, mie fie ben ©emerbefammern ab*
liegt, guguroenben. 4 ) Wenn mir erfahren mollen, rocldje Vefugttiffe
ben ©eroerbegerichten hiernach guqeöacht finb, müffen mir bie bieS*
begli glichen Aufgaben ber ©emerbefammern in ^Betrad^t gieren.
$a in bem KommiffionSbericf)te bie ©emerbefammern ber
fönigreidje Saufen unb Vaperit ermähnt merben, fo befchäftigen
mir uns gunädjft mit ben ©crocrbefatnmern biefer Staaten unb
ben für fie ntafegebenbett gefefelidjen Veftimtnungen. 5 )
3)aS fächfifdje ©efcp oom 23. Suni 1868 über bie Abänbe*
rung mehrerer Veftimtnungen beS ©eroerbegefefecS oom 15. 0!tober
1861°) hat im § 17 unter 3iff er 12 folgenbe Veftimmung:
2)ie £>anbelsfammern unb ©emerbefammern finb beftimmt:
a) bem Vtinifterium beS Snnern unb berSRegierungSbeljörbe
beS VegirfS als fachoerftänbige Drgane in fragen gu
bienen, welche $anbel unb ©emerbe bes gangen l'anbes
ober bes VegirfS ange^en. ©oroeit cS bie Verhältniffe
irgenb geftatteu, foflen biefelben — begiehentlicf) bie
£>anbelsfammer ober bie ©emerbefammer — bei jeber
wichtigen Angelegenheit biefer Art gehört merben;
b) bie Kammern finb ferner, eine jebe in ihrem Bereiche,
bie Vertreter ber gemeinfdjaftlidjen £>anbels* unb ©e*
merbeintereffen unb befugt, felbftftänbige Anträge unb
Wünfdje an baS Sflinifterium beS Snnern ober bie 9te*
gierungSbehörbe beS VegirfS gu richten.
$)ementfpre<henb ^at beShalb g. 39. 9feguIatio unb ©efchäftS*
orbnung für bie §anbelS* unb ©emerbefammer Bresben oom
9. iVai 1878 7 ) burdj $ 17 unter Anberent eine gemifdjte, aus SOUt*
gliebern beiber Abteilungen gufammengefepte ftänbige Kommiffion
fiirfogiale@efehgebung unb eine ftänbige^ommiffion ber ©e*
9 ) §. 70 lauict: Tns Qlemcrbegertd)t ift oerpfItd)tet, auf
Wnfiulicu uon ©taatäbehörben ober be^ 33orftanbeS beS
.st onimuna locrbanbes, für meldjcn baSfelbe errid)tct ift,
(shitaditeil über gemerblidie a rngen abgttgebcn. ^ur SJorberci*
titng ober Abgabe bernrtiger ('Hitddjten tonnen Ausfdjiiffe aus ber SJtitte
be*? (Heroerbegcriditö gcbilbet merben.
Xiefe Auöidjüife müffen, jofern egt fidj um fragen Ijanbelt, meldic
bie ^mereffeu beiber Üheile berühren, jit gleidien i heilen aus Arbeit*
gebern unb Arbeitern gufammengefept fein.
oii gleidjer Steife ift bas (slemerbegeridjt beredttigt, in
gemerb lidieu Aragen, mcldte bie feiner fsierid)t$barfcit unter*
fteheuben betriebe berühren, Anträge an 3Jebörbeu unb au
Vertretungen oou .stomniunalOerbänben gu ridjten.
Aähcre beftimmt bas 'Statut.
a ) Veridjt ber VI. .stommiffion, betreffenb ben berfclbeu gur Vor*
beratlumg übermiefenen (slcicpeutmurf, betreffenb bie (shmerbcgeridüc
(Ar. - r >l Aeidjstag, 8. yegtslatur* s periobe I. Seifion ls'.io 3. 32 u. 33j.
4 ) 3iebe hierzu Alefd), ^at? (slemerbegeridit als Arbeitsfammer,
Vlätter für iogiale Vraris oom 2ö. Januar 18ü;{ Ar. 4 3. 31 u. 32.
b ) ^u Sadtfeu unb Vapern bilben bie (siemerbefamment ber Aegel
nad) Abtheilungeu ber .s8aubelv= unb ('Semerbetammer. (Viörterbud)
ber Volfviiürthfdjaft uon hr. 0'liier, I. Vb., v Viiu lstis S. suö, unb
.s>anbmörterbud) ber Staatsmiiieufdiaft, III. Vb., ^ena lsü2 3. 1037).
v'sn Vripüg befiehl feit 1^*'^ bie (siemerbefammer fclbftftäubig neben ber
bortigen {saubelsfammer rVerorbuuug bes .'.Vinifteriuinv bes Innern
oom H>. Suü l sr »8, bie >>anbels* unb (^emerbefaunner beireifeub §. 4,
( 'W'ien- unb Verorbniiugsblatt oom ^ahre l^ns, Abth. I 3. 437 ff.).
'') (slefep unb Verorbnungsblatt oom ^ahV-e Isdx Abth- I 3. 333 ff.
T ) Bresben, Vudibruderei oou a. VonuuaOfeh (A. 3diröer)
3. 7 unb s.
merbefamnter für ©emerberedjt gur Vorberatung ber midhtigeren
Vorlagen unb (Eingänge oorgefeben.
diner gleichen SBirffamfeit, melche bie fächfifdhen ©eroerbe*
fammern auf bem ©ebiete ber fogialen ©efepgebung uitb beS ©e*
merberedhts entfalten, haben fich audh bie baperif^en ©emerbefammern
gu mibmett. ^eit baperifchen «§anbels* unb ©emerbefammern
fotnmen folgenbe hi^ intereffterenbe Dbliegenheiten gu:
1. biefelben haben ben ©taatSbehörben als begutad)tenbe
Drgane in fragen gu bienen, melche «ftanbel, 3abuftrie
unb ©emerbe beireffen, biefelben finb, foroeit thunlid),
bei jeber micfjtigen Angelegenheit biefer Art git hären.
2. Sie finb gur Wahrnehmung ber Sntereffen oon ^anbel,
Snbuftrie unb ©emerbe beS betreffenben SRcgierungSbe*
girfS berufen unb baher befugt, bie gur Öörberung berfelben
geeigneten Einrichtungen gu berathen unb bei ber gu*
ftänoigen Vehörbe anguregen. 8 )
3ur Erlebigung biefer ©efchäfte ift nach äer ©efchäftSorbnung
ber £sanbelS* unb ©emerbefammer für Dberbapern ein AuSfdjufe
befteUt. ^)er WirfungSfreiS beffelben umfaßt anfeer atten bie
^anbelsgefefegebuug u. f. m. betreffenben ©egenftänbeu aud) alle
©emerbe unb Snbuftrie beriihrenben fragen, ooruehmlich auch bie
©eroerbegefefegebuttg. 9 )
Eilte ähnliche Stellung, mie in ©achfen unb 93apern, ift ben
©emerbefammern in Vreufeeti unb ben übrigen beutfd)en Staaten
eingeräumt roorben. 10 )
j 3m Anftfjlufe an bie burdj bie ßaitbeSgefefee gefdjaffeneti ©e*
merbefammern fittb burch bie fogenannte SnuungSnoueUe ooit
1897 für gang ^eutfdjlanb ^anbmerfsfammern als ©emerbefammern
lebiglich für baS ,^anbmerf berufen. 2)ie öanbeScentralbeljörben
berjenigen VunbeSftaaten, in roeldjen fsanbelS* unb ©eroerhe*
fammern gur Vertretung beS ^anbmerfS oorhanben finb, fönnen
nad) §. 103 q ber genannten 9looelIe biefen S'orperfchafteit bie
Wahrnehmung ber rechte unb Pflichten ber |>anbmerfsfantmer
übertragen, menn ihre SRitglieber, fomeit fie mit ber Vertretung
ber Sntereffen beS ^anbroerfs betraut finb, aus Wahlen oon .s>anb-
roerfern beS ÄammerbegirfS heroorgehen unb eine gefonberte Ab*
ftimmung ber bem §anbmerf angeljörenben VHtglieber geftchert ift.
Wenn bie ©emerbefammern biefe Vefugniffe empfangen haben, \o
haben fie nach §. 103g 3iffer 3 (ftehe and) §■ 103e) a. a. 0. Ve*
fchlufe gu faffeit über bie Abgabe oon ©utachteu unb Anbringung
oon Anträgen bei ben Vehörben unb ben gefefegebenben
^'örperfchaften über ©egenftänbe, melche bie ©efammtintereffen,
inSbefonbere bie ©efefegebung über bie Verhältniffe beö
.^anbmerfeS betreffen.
Wie mir bereits angeführt haben, finb nach §• 70 bc*3
©eroerbegeridjtSgefefeeS bie ©eroerbegeridjte begüglich ber ©utad)len
unb Anträge mit ben ü)?ad)tooflfommenheiten ber ©emerbefammern
ausgerüftet. Viit ber s D2afegabe, bafe bie gemcrblichen fragen,
melche gur Entweihung ftehen, bie ber ©eridEjtSbarfeit ber ©emerbe*
geriete unterfiehenbe Vetricbe betreffen müffen, 11 ) gebührt nad)
uuferen Erörterungen ben ©eroerbegerichieu baS 9ie<ht, Anträge an
bie Vehörben unb gefefegebenben £örperfd)aften gu richten, ebenfo
mie fie gur Abgabe oon ©utachteu oerpflichtet finb. $)ie ViUigfeit
fpridjt aufeerbem bafür, bafe bie gcmerblichen Arbeiter, meldje eiugig
unb allein in ben ©emerbcgerichten eine birefte unb umfangreiche
Sntereffcnoertretu-ng 12 ) haben unb nur oon hier aus bie Wünfchc
unb Vebürfniffe beS ArbeiterftanbeS unoerfümmert mafegebeubeu
DrteS oorbringen fönnen, befonberS auch ben gefefegebenben
Safloren nach äer §anbmerfS* unb ©emerbefammern ihre
Anträge gu unterbreiten im ©taube finb. ©omeit es fich um ©ut*
8 ) ülefefc* unb VerorbmuigSblatt für baS Königreich Vapern
Ar. 42 . Vtündjen, bcn 8. Aooetnber 1889 ©.359 ff. Königlid) Aller*
fjöd))te Verorbnnng bie §anbcis* unb ©emerbefammern unb bie Vcgtrfs*
gremien für .vsanbel unb ©emerbe betreffenb >?. 2.
§. 3 biefer ©efdjäftsorbnnng, Vciindjen 1890, Kgl. .J>of* unb
Unioerfitätsbuclibrucferei oon Dr. (i. Wolf u. ©ohn.
lü ) «i'saubioörterbud) ber ©taatSmiffenfchaften Vb. III ©. 1035 unb
Wörter!)udi ber Volfsioirtlptfjaft oou Dr. (ilfter Vb. I 1898 ©. 893 ff.
I 1 ‘) biefelben ©diraufeu, mcldie beit ©emcrbegeriditeit in ibreni
| Antragsrcdjt nadi 70 gefept finb, (verba: tu gemerbiidjen Stagen,
mcldie bie feiner (s)erid)tsbarfeit unterftebenben Vetricbe
berühren) füllen nugciüdicinlirij glcidifafls bcn ©taatsbehörbeit :r.
nad) AUf. 1 bes Varagrapbett cntgegenfielieu. tiefes beuten uns bie
Eingangsworte bes Abf. 3 bes 'Paragraphen gleid)er Weife“ an.
19 ) Vei ben .vsaiibioerfsfammcru joirft ber ©eiellenaux'fdmfe nadi
103 k ber Aiuuingsnooelle mit bei Abgabe oou ©utaditeii unb Er
fiattuug oon Veriditen über Angelegenheiten, meldic bie Verhältniffe ber
(Mellen (©ehülieuj imb Lehrlinge betreffen.
1133
©ogiate $raji3. ©entralblatt für ©ogialp oliiif. Ar. 42.
1134
ad^tcn hanbelt, ift biefer ©ebanfe, wie oben Bemerft, in betn
ÄommifftonSbericht ähnlich gutn'AuSbrudf gelangt.
Sei biefer 6acf)laae palten mir bafiir, bah biejenigen fnf) im
Unredpt bcjtnben, welche behaupten, bah baS Serliner ©emerbe-
geriet bei ber Beratung beS Anfangs gebadeten Antrages an
ben SunbeSrath unb ben AeichStag feine Eompeteng Übertritten
habe. 3 roci f e ^ 0g g?f)t ber ©efepentmurf betreffenb ben ©d)np beS
gewerblichen ArbeitSoerhättniffeS bie SerlragS- unb EoalitionS-
^reifjett fäntmtlicher ©ewerbetreibenber an. S)erfelbe fteHt ft<h fo-
mit als eine gewerbliche Srage bar, welche bie ber ©eridhtsbarfeit
ber ©emerbegerichte unterftehenben Setriebe berührt. 13 ) 2>ah bei
berartigen Anträgen bie Antragftetter meift oon politif<heu ©efidpts-
punften geleitet werben, lägt ftdp nicht oermeiben. Seim ©emerbe-
recht b^ben bie politift^en Parteien ftets eine grofee Stoße gefpielt.
Skhrfcbeinlid) roirb fid) bieS in 3ufunft nicht änbern.
3um ©d)luh möchten mir barauf pinmeifen, bafe bie ©emerbe-
gerichte oon ihrem AntragSrecpte bisher mohl ausgiebigen ©ebraudf)
gemacht haben, bah fie aber Ieiber oon benSehörben, meniaftenS foroeit
baS Serliner ©eroerbegericht in Betracpt tommt, gur Begutachtung
gemerblicper Qragen nur fehr feiten perangegogen futb. Aitfcpeinenb
fehlt baS Sertrauen.
@S bürfte fich übrigens empfehlen, gu überlegen, ob nicht
burch bas ©efep feftgulegen toäre, ba| ©utaepten nur mit ©t-
laubnih ber erfudhenben Sehörbe, Anträge niemals dritten gu-
gängig gemacht roerben bürfen. 14 )
Serlin. 3R. o. ©djulg.
$a£ Serliner ©ekoerbegericht als ©mignngSamt. S)aS fchneße
©ingreifen bes Serliner ©eroerbegeriebts als ©iniaungSamt
im jüngften SRaurerftreif bafelbft hat nicht nur oerpinbert, bah
ber ßopnfampf in biefem ©eroerbe fich über gang S)eutfchlanb
nuSbehnte, fonbern es hat auch, mie ber folgenbe Satt geigt,
bie weitere gute S3irfung gegeitigt, bah man nunmehr be¬
ginnt, felbft in ©treiffadpen fich ben Anorbnunaen unb Aatpfcplägen
beS eingelnen Borfipenben gu fügen, ohne erft ben 3ufammentritt
beS ©inigungSamteS gu begehren.
Sei bei girrna 3- u. Sr. — einem gröberen STapegierergefcfiäft
— wollte ber Arbeitgeber unter Anberem nicht bulben, bah feine
Arbeiter ihre Serfammlunaen in einem im gabrifgebäubc belegenen
ßofal abhielten. S>ie Arbeiter erblicften pierin eine Sefeinoung
ihrer Organisation unb legten, 20 an ber 3apl, am 24. 3uni er.,
nachbem ber @pef baS Serhanbeln mit gtoei gang jungen, als
S)eputirte gewählten Arbeitern abgelehnt hatte, Die Arbeit plöplicp
lieber. S>er Borfipenbe beS Serliner ©ewerbegerichtS lub fich
hierauf bie Parteien nach einigen Jürgen, getrennt geführten Bor-
oerpanblungen bereits gum l.Suli er. gu gemeinfamer Sefpredhung
Dor. 3m ßaufe beS oon ihm geleiteteten AteinungSauStaufdpeS
«rflärten beibe Parteien aus freien ©tücfen, auf bie ©inberufung
beS ©inigungSamteS oergichten unb ben Sorfplagen beS Borfipenben
folgen gu motten. $>ie S)ifferengpunfte würben herauf gur 3u-
friebenpeit beiber Xpeile fchnett beigelegt, inSbcfonbere würbe baS
Serlangen beS Arbeitgebers, bie Serfammlungen in 3nfunft nicht
mehr in bem £>aufe abguhalten, in bem bie ©efchäftSräume fiep
befinben, als berechtigt anerfannt. Xie Arbeit würbe bemnädhft
won allen AuSftänbigen unoergüglitp wieber aufgenommen.
Wedjtfpredjmig.
©proerlepungen geben bann feinen ©ntlaffungSgrunb
aus §. 133c 3 . 5 ber Aeicp3-©emerbeorbnung, wenn fie
burch ©proerlepungen feitenS beS Arbeitgebers prooogirt
ober mit folgen erwibert finb. (Urtheil oeS ©ewerbegerichtS
Serlin, Kammer 1, oom 30. April 1898.)
I3 ) Ursprünglich hatten wir Attftanb genommen, ben Antrag an
ben SunbeSrath uno ben Aeicpstag gur Serhanblung gu bringen. 2Sir
wollten geftiipt auf §. 85 giff. 2 lepier Abfap beS Serliner DrtSftatutS
bie Serhanblung nicht gulaffen.
u ) Aach Artifel 80 beS OrtSftatutS für baS ©ewerbegerietjt Augs¬
burg finbeu bie Serhaitblungen, Serathungen unb Sefcpluhfaffungen
über ©utachten unb Anträge beS ©ewerbegerichtS in geheimen
©ifcungen ftatt. ©ine fold)e Sorfrfjrift enthält bas Serliner ©tatut
nicht, ebenfowenig baS oom Sänifter für .fjanbel unb ©ewerbe f. g. oer-
öffentliche Aormalftatut. Cb oiellcidht fdjort auf ©nmb analoger An-
wenbung beS §. 53 beS ©ewerbegerichtSgefepeS unb bantit beS §. 200
beS ©erichtSoerfaffungSgefepeS eine Serpfiichtung ber AuSfchubmitglieber
gum Stitlfcljwcigen über bie Sorgänge in ber ©ipung augunchmen ift,
mag unentfehieben bleiben.
Klägerin ift bei ber Seflagten als Sfaeftrke thätig gewefen unb
am 15. Januar 1898 ohne SJunbigung entlaffen worben, ^er Seflagte
hat an biefem Sage ber Klägerin ben Sormurf beS SJicbftaljIS gemalt.
Klägerin hat barüber ihre ©ntrüftung geäußert — nadh Sehauptung
beS Seflagten hat fie ihn einen frechen Äerl genannt Seflagter hat
ihr barauf eine Ohrfeige gegeben unb fie entlaffen. Sn bem wegen
S)iebftahlS eingeleiteten ©trafoerfahren ift Klägerin redfjtsfräftig frei*
gefprodhen. Sh* Anfprudh auf ©ntfdhäbigung wegen unbefugter ©nt-
laffung ift anerfannt.
Aus ben ©rünben:
$er oom Seflagten als ©ntlaffungSgrunb angeführte Sorfatt oom
15. Sanuar berechtigte Seflagten nicht gur fofortigeit ©ntlaffung. 93enn
ber Seflagte ber Klägerin bamals ben Sormurf beS ^iebftahlS machte,
fo war eS burcfjauS cntfdhulbbar, wenn biefe ihn einen frechen Äerl
nannte; benn ber Sormurf war, wie bas ©trafoerfahren ergeben hat,
ungerechtfertigt unb muhte bas ©hrgefüljl ber Klägerin fchwer oerlepen.
UeberbieS ift nicht einmal erwiefen, baf} Klägerin jene SBorte gebraucht
hat, unb follte fie eS wirf lieh unb gu Unrecht gethan haben, fo würbe
bie barin enthaltene Selcibigung burch bie ihr unmittelbar barauf oer*
abfolgte Ohrfeige mehr als ausgeglichen fein. SBcgen ©hrenfränfung
fonnte fich alfo Seflagter nicht befchmert fühlen.
$)a$ Urtheil würbe oom ßanbgeridht I Serlin beftätigt.
Aus ben ©rünben:
(Sowohl ber Umftanb, bah ^er Seflagte burch feine leichtfertige,
ehrenfränfenbe Sefdhulbigung bie Klägerin gu einer hrftigen ©egen*
äuherung herauSforberte, als audh, bah e * feinerfeitS biefe Aeuherung
burch eine Sfjätlichfeit erwiberte, taffen ben Sorgang als ungeeignet
erfefjeinen, in An wenbung beS §. 133 c g. 5 ber ©emerbeorbnung eine
©ntlaffung gu rechtfertigen.
*
Sfaifeier als ©ntlaf fungSgrunb. hierüber oerbreitet fich ein
Urtheil beS ©ewerbegerichtS Serlin, Kammer 8, oom 1. 3mu 1899
wie folgt:
... ©S fann feinem Sebenfen unterliegen, bah bas Ausbleiben aus
ber Arbeit gerabe am 1. Hftai ohne bie ©enehmigung beS Arbeitgebers
als ein „unbefugtes Serlaffen Der Arbeit" im Sinne ber ©ewerbe-
orbnung (§. 123 '&r. 8) aufgufaffen ift. §ter hanbelt cS fi<h nicht mehr
um ein gelegentliches, etwa auf Sequemlidjfeit bicfeS ober jenes Ar¬
beiters gurücfgufübrenbeS, unb bafjer im ©tngclfalle entfchulbbareS
Ausbleiben, wie etwa beim Slaumontag-Siachen; h ie r wirb otelmehr
bemüht unb gumeift mit oereinten Kräften gefeiert; eS breljt fich
eine Machtprobe ber gangen Arbeitcrfchaft gegenüber ben Arbeitgebern.
SBer baher am 1. 3Rai abfidhtlidh aus ber Arbeit bleibt, obwohl er
weih/ bah ber Arbeitgeber gegen baS geiern ift, bricht feinen ArbeitS*
oertrag; er hanbelt bemüht re^tSwibrig, alfo „unbefugt" im Sinne beS
©efepeS.
Sm oorliegenben gatte fann jebodfj bem Seflagten ein folcfjeS
redhtSwibrigeS unb unbefugtes Serfjalten nicht oorgeworfen werben.
35enn inbem ber Seflagte bem Äläger auf beffen auSbrüdlidheS Se*
fragen, ob er am 1. 9J?ai mcgbleiben fönne, erflärte, „wer nicht arbeiten
wifi, ber läpt eS," fo burfte ber Kläger beS ©laubenS fein, bah & bem
Seflagten gleichgültig fei, ob Kläger am 1. 3Kat arbeite ober nicht,
©r burfte alfo bie (Genehmigung gu feinem Ausbleiben oorauSfepen.
$ent gegenüber faitn oon einem „unbefugten", bem SSillen beS Se*
flagten wiberftrebenben gortbeiben aus ber Arbeit feine Aebe fein.
Serfahren (§§.30, 55 A.®., betr. b. ©ew.©er.; §.477 ©.^p.O.).
Unguläffigfeit ber Serufung gegen ein gewerbegerichilicheS
Urtpeil oor gehöriger 3uftellung beffelben; 3uftellung
burdh bie Partei unwirffam. (Urtheil beS Sanbgericfjts I Serlin,
©ioilfammer 8, oom 6. ©egember 1898.)
Sie Serufung muhte als unguläffig oerworfen werben. Senn fie
ift erft nach Ablauf ber einmonatigen Aothfrift, welche nach §• 55
Abfap 3 beS ©efepeS, betreffenb bie ©ewerbegericfjte, mit ber an ben
Seflagten unb SerufungSfläger bewirken gufteüung, nämlich am
9. Auguft 1898, gu laufen begonnen hat, eingelegt worben. Söäre, wie
ber Seflagte ausguführen gefugt hat, bie am 9. Auguft 1898 erfolgte
3uftellung ungültig, fo wäre bie Serufung oor gufteüung beS Urtpeils
eingelegt, unb fte würbe baher nach ber auch für baS Serfahren oor
ben ©emerbegeridhten gültigen Sorfchrift beS §. 477 ber ©toilprogeh*
orbnung wirfuitgSloS fein. Ser Ieptgenannte Paragraph gilt für Das
Serfahren oor ben ©emerbegericfjten nur infoweit nicht, als in biefem
Serfahrctn bie SerufungSfrift unabhängig oon bem ^arteibetriebe gu
laufen beginnt; bie grift beginnt nach §• 55 Abfafe 3 beS ©efepeS, bc»
treffenb bie ©ewerbegcrichte, für jebe Partei mit Der an fie bewirken
gufteüung; ber SerufungSfläger muh baher abmarten, bis an ihn bic
gufteüung beS gewerbegerichtlichen UrtpeilS oon AmtSwegcn bewirft
wirb (§. 30 ©.©.©.) unb eS ftef)t ihm nicht frei, fchon oorljer burd)
eine gufteüung beS UrtljeifS an ben ^ßrogehgegner bie grift beginnen
gu laffen. hiernach fommt eS barauf nicht ait, bah ber Seflagte gu*
gleich mit ber SenifungSfchrift auch baS angefochtene Urtheil ber Klägerin
gugcfleüt hat-
»erantroortUc^ für bie Rebaftion L S.: Dr. CSlemenSpetB/ Serlin.
äJerantroortlict) für t>ic öiueigeu; vcllinmij (Seibcl, fceipiig. — Verlag uou Dunffer & Cmmblot, Scipiig. — öcbrucft bet 3ultu$ eittcnfclb, Serlin.
vrn. fourgtng.
Öcrlir, ben 27. 3uli 1899.
Rümmer 43-
Soziale praris.
^enftrafßraft für ^ogiafpofifiR
mit ber SRonatSbettage:
Vas (Bewerbe^etricht.
©rgan lies üerbanbes beutfdjer <5et»erbegeridjte.
Reue golge ber „Slätter für fogtale ©rajtS" unb beS „Sojialpolitifchen EentralblattS".
©rffteiitt an |ebettt Bonnerftag. Herausgeber! ©ret« öierlelffibrlltb 2 9t* 50 ©f.
Rebaftton: Verttn W., VapreutherftrQjie 29. Dl*« ®m(l Verlag Don ©uncfer & Humbtot, Seidig.
3 nl|alt
©ogiale Kampfmittel mtber bi«
Heimarbeit, ©on Dr. Eugen
®(b»ieblanb, ©rtoatbojent, SBien
1137
lUtaeateiae Ooiial* unb CNttbf AaVtff *
pofittf.. 1143.
$>ie KrifiS im frangöftfcben ©ogialtS-
muS.
Frauenarbeit in ^abtifen.
£cr Sdjufc ber 9ltbeitS»tttigtn in
£djtoeben.
Soanuinale CestalHoltttl... 1145
Sommetferien für ftäbtifdje ölrbeiter
in Berlin.
(Stabii^er ober prioater ©etricb Don
Straßenbahnen.
StäbtifcbeS ©ieftrigitöttmerf für
^pciliöcnftabt.
©arjeflining eines Rittergutes burdj
bie ©emetnbe ftelbfitd).
Arbeiter unb Komunalpolitif in @ng»
lanb.
*rbetterf*n*.1146
®ie ©etterbeauffidjt in 61faß*
Sotbringen im Sabre 1898.
©on Dr. 61. ©erlin.
St^gelegenbeit. für öabnerinnen in
©nglanb.
Hrbeitev«ievfi(bemma-9t»arfaffeti 1150
Sie ^ranfenfüTforge ber Snbalibitötö*
unb snterSDerfidjerungSanitalten.
3ur 9(uSbebnung ber Unfafloetftdje-
rungöpflidjt.
Stabtfölnifdje ©eifidjerungSfaffe gegen
9lrbeitSlofigfeit im 2öinter.
©enoffenfdxtftStoefeo.1151
9luS bem RedjenfdjaftSbertc&t
beS ©erbanbeS ftbrneigerifcber
Konfumöereine pro 1898. ©on
©rof. Dr. 3«i- ©latter, 3»«$*
©tatiftif ber ©rtoerbS* unb SBirtb*
fibaftSgenoffenfcbaften.
©TobuftionSgenofjenfdmft als ©Uttel
gegen SlrbeitSIofigfeit.
©enoffenfdjaftStoefen in Stalien 1898.
©eutfcticr Ianbn>irtbf<&afttidjer ©e*
noffenftbaftstag D<w 1899.
CBobnmigStDefen ......... 1153
DBobnuugSreform in ©tündjen.
©on ©aul ©üfcbing, 3Jtünd&en.
SRilberung ber SBoRnungSnotb burd)
©ereine.
ßur SBoRnungSfrage in fjrranf»
furt a. 9J1. ©on ©tabtratb Dr.
Frlefcfe, ^Tanffrirt a. SW.
•vfttebmm muh «Ubnva.1157
HoAfcbute für HanbelS« u. Sozial«
roiffenfdjaften in Franffurt a* SW.
goribilbungSfdjuIen.
HauSbaltungSunterricbt in ©onner
©olfsfcpuien.
Hodtftbulfurfe für SWannbeim.
©ollSDorftettungen beS SWannbeimet
HoftbeatcrS.
Scbüleroorfteflungen in SWagbeburg.
OefterreidiifcbeS Äunftgetoerbe im
HauSbalt beS Arbeiters.
gitetsrif^e Mnnettm.1158
tflhbrud fümmtlicber Slrtifel ift ßeitungen unb 3*Üfättften geftattet, jebodj nur
mit ootter Quellenangabe.
Soziale ßctmpfmittel miber bie Heimarbeit.
^rüft man bie Vcfchwerben, welche oon Seiten ber gabrifanten
wie ber fleingcroerblidjen Rfciftcr unb feitcnS Der Strbeiterfc^aft beS
Elrojg* Tüie beS Kleinbetriebes gegen bie Konfurrcng ber oerlagSmäfjig
betriebenen Unternehmungen erhoben werben, fo erficht man, baf;
bic Unternehmer fich über bie briicFcnbc Konfurreng Beilagen,
welche ihnen bie technifch rücfftänbigcn ^Betriebe ber Verlags*
inbuftrie bereiten, währenb bie Rrbeiterfchaft mit Rachbrucf
auf bic elenbe Sage ber oerlegten Unternehmer wie Arbeiter hin*
weift. 3)iefc, ein Uebel an fuh, hinbert and) bie Erreichung ber
3iclc ber Vkrfftättenarbeiter. 3m Vkfen Befd)meren fid) fonadj
Unternehmer wie Arbeiter über ben Konfurrcngbrucf, ber ihnen
ouS bem SBeftanbe ber SSerlagSinbnftrie erwädjft.
Neffen fiaupturfadje ift, bafe biefe Setriebäorganifation —
welche ihre Verbreitung gewiffen prioatwirthfcfiaftlidien Vortheilen
oerbanft, bic- fie bem Verleger gegenüber ben Unternehmern anberer
Vetricbäformen bietet — gu fefjr wefentlichem Sheile baburch Ve«
ftanb erhält, bafe bie oerlegten SWeifter wie (Gehilfen einem BeifpieL*
iofen Öohnbrucfe unterliegen. * 1 II. )
^urch bie aufgebeeften ÜeBelftänbe fieht ftch aber auch ba3
^ublifunt, als ^onfument, berührt, unb baburch wirb es erfläijich,
bafe bei ber mobernen Regelung ber Heimarbeit in Englanb unb in
Slmerüa namentlich fanttätspoligeiliche E3efi<ht§punfte —
gunt Schule ber Verbraucher wie beS H eimar ^ e ^erS — h er *wrtoten.
^ie Sohnregelung, wcld^e noch ber oätcrtich beoormunbenbe
^oligeiftaat beS oorigen Sah^nnbertS fehr wohl in ben Vereich
feiner Vorfchriften gegogen hut, liegt ben mobernen Staaten, oon
Sluftralien abgefehen, fern. ^)ie europäifchen unb amerifanifchen
Staaten überlaffen h^nte ben $atnpf gegen ben Sohnbrucf ber
Selbfthilfe ber Arbeiter.
I. 3)ie Arbeiter haben nun in Englanb, fowie in ber Schweig,
mehrfache Verfuge gur Einfchränfung ber HnnSinbuftrie unter*
nommen, welche allerbingS nur lofale Erfolge hotten. 3<h oer*
weife auf ben Äantpf ber englifchen Schuhmacher, namentlich
in Sonbon, um ihre Äonfeftionäre gur 2lbf<haffung jeglicher
Heimarbeit gu gwingen. tiefem Veifpiel folgten bie Arbeiter ber
Itleiberfonfcftion in ^eutfchlanb eine 3 ei t lang, als fie
im Qahre 1895 unb 1896 bie Errichtung feftcr Vetriebsftätten
fcitenS ber $onfeftionäre ergwingen wollten. 3hm gu folgen rüften
fich gegenwärtig bie Schneiber in Ehicago unb 9iew*2)orf. 3fh
erinnere ferner an bie Verfuge ber Schweiger Schneiber in
Vern, Saufannc, ©enf unb 30^^ S ur Aufhebung ber H eim ^
arbeit burch bie Errichtung gemeinfamer ^Berfftätten für bie oor*
bem oereingelien Heimarbeiter, fowie an ben gleichen erfolgreichen
Verfudj ber Sßeerfchaumbilbhauer in SBien, welchem bem*
nächft weitere ähnliche Verfucfje folgen werben. 2 ) Erwähnen wir
fobann bie Errichtung folcher VSerfftätten feitenS einiger Unter*
nehmer in Sönbon, weld^e fie gegen ein ^Iafcgelb an Verlags*
arbeiter ber Schneiber ei oermiethen.*)
II. Vorwiegenb aus fanitätSpoligeilichen ©efichtSpunften ift bie
©efefceSoorfchrift mancher Sänber entftanben, bafe ^auSinbuftrielle
^robufte ein befonbereS $enngeicf)en tragen müffen. So
orbnet baS „5lrbeitSgefeh" oon Rew*|)orf oon 1897 an, bafe be*
ftimmte ^leibunaSftürfe, ferner ©elbbörfen, gebern, ^unftblumen,
Eigarren unb Eigaretten in bem gatte, bafj fie in H^mbetrieben
beftimmter ?lrt hergeftettt würben, welche feine Ergeugungsüceng
Befipcn, an auffälliger Stelle mit einem ^ettel gu marfiren finb, welcher
minbeftenS oier 3oß I an 9 f ein U11 b in £lein*Eicero*Verfalien bie
Sluffchrift TENEMENT MADE tragen mup. liefen offigietten
3ettel— auf bem bie Söorte Tenement Made fowie bereu Einrahmung
in rother garbe gebrueft finb unb welcher, auf fteifeS Rapier
9 ©ergl. Die Sleufcerungen oon 21 HanbelS* unb ©ewerbefarnnterrt
unb 67 Unteniehmer* unb Hrbeiteroereinigungen in Dcfterreich über bie
Regelung ber Heimarbeit in meinem „3mciten w unb „dritten Vorberichi
über eine gefepliche Regelung ber Heimarbeit; erftattet an bic nieber*
öfterretchifche Houbels* unb ©ewerbefammer", SBien 1897. 67 u. 16 6.
in ©rofeoftao.
2 ) ©ergl. über biefe ©erfuepe mein bemnächft ericbcinenbcS ©ut=
achten: „3iele unb s Bcgc einer Hetmarbeitsgefepgebung." SIMcn 1899,
©?ang’fdier ©erlag, Anhang II.
3 1 Sherweli, Sife in 3Seft*9onbon, 1897, S. 118.
iraö
Sogtalc Prägte. Gentralblatt für Sogialpolitif. 9fr. 43.
11.40
gefpannt, linfs mit einer Defe oerfehen ift — barf $iemanb
entfernen ober oeränbern. Tesgleid)en bat ber gabrifinfpeftor
biefen Settel an ©egenftänben ber obbegeidjneten ?Irt angubringen,
wenn fie unter unreinen ober ungefunben Umftänben oerfertigt
mürben. $ieoon mirb baS lofale ©efunbheitSantt fofort oerftänbigt,
baS bie ©aaren gu beSinfigircn unb fobann bie 3 e *kl 3 U ^ nts
fernen bat, 4 ) Tic am 1. (September 1899 in £raft tretenbe Slrbeits*
qefcfc * SRooeße oom 1. 2lpril b. 3- bat bicfe Pefthnmungen im
©efentlid)en beibehalten, in bie SReibe ber ermähnten ©aaren and)
Schinne eingercibt unb eine allfällige Prüfung ber oon ausroärts
cingcfübrten ©aaren jener 51 rt oorgefehen. 5 )
Hier ift alfo bie Pfarfirung auf beftimmte ©aaren befchränft
unb nur auf ben gaü, bafe biefe unter aefeb* ober gefuitbheitS*
mihrigen Perhältniffen fjergefteüt mürben.
5(ebnlid) in PfaffachufettS. TaS unter bem 9. Pfarg 1898 amen»
birte ©efeß oon PfaffachufettS oom 22. guni 1894 beftimmt in §. 47:
„©er SRöcfe, heften, Peiufleiber ober $IeibungSftücfe rcclcber 51 rt
imitier, bie in einem 3inSgebäube ober ©ohnh au f c bergefteüt mürben,
obue bafe bie begnaliche Familie im Pefih einer ßtceng geroefen
märe, oerfauft ooer gum Verlauf barbietet, bat jebeS ber*
artige Ä'leibungSftücf mit einer Tafel ober einem 3 et i e ^ S« üerfeben,
melche guminbeft 2 3oß ßänge unb 1 3°ß ^Breite haben unb in
leferlicber Trucf* ober Schreibfebrift bie ©orte .,Tenemeot Made“,
fornk ben tarnen beS Staates unb ber Stabt, begro. ber Drtfdjaft,
morin bie Kleiber ergeugt morben finb, enthalten muß/' Um*
gebuugen biefer Porfchrift finb ftrenaftenS oerboten. 6 )
gn 9feu*0eelanb bagegen erfireeft ficb ber PfarfiruitgSgroang
auf alle bausinbuftrieß gefertigten ©aaren fdjlechthiu. §. 23 beS
neufeelänbifdjcn gabrifgefebcS oom 18. Dftober 1894_beftimmt,
bag „jeher Pefifcer einer gabrif ober ©erffteße, roelcher Stückarbeit
in eine prioatroohnung ober in eine nicht als gabrif regiftrirte
$ftäwnlid)feit auSgiebt, jehern SUeibungSftücfe ober fouftigen Db*
jette, meines gang ober gum Theil in einer unregiftrirten ©erf*
{teile ober pnoatroohnung oerfertigt mürbe, einen gebrueften
3ettel nach Pfafc ber Beilage gum ©efefc anbeften laffen mufe, es
fei benn, baß her gabrifinfpeftor eine SluSnabme hieoon im
Vorhinein guaelaffen bat." 3 U 9^ C4 4) wirb beftimmt, bafc jeher tauf®
männifebe Verleger, „jeher Kaufmann, ©rofthänbler, §änbler,
5lgent ober 5luStbeiler oon ©aaren", melcber geroöhnliche ©etuebe
ober S'bobbpftoffe auSgiebt, bamit barauS burch Stiicflöhner ober
Heimarbeiter PerfaufSgegcnftänbe oerfertigt roerben, im Sinne
biefeS Paragraphen als gabrifunternefimer gu betrachten ift. Sie
Pfarfirungsifarte muß minbeftenS groci Duabratgoß haben, auf
ftartonpapier gebruett fein unb folgenben Tegt tragen:
Verfertigt von.
.strasse Nr. .
in einer
Privatwohnung
oder
nicht eingetragenen Werkstätte.
Auf Grund des Fabrikgesetzes angebracht.
Die gesetzwidrige Entfernung oder Verunstaltung
dieses Zettels ist bei Strafe verboten.
l ) §§. 102 unb 103 brr i'abor l'aro uom 13. Pfai 1*97.
5 ) Pergl. ben Wortlaut ber brgüglidjcn Poridjriften in Sdiroicb*
laub, ^ielc unb ©ege :c., 9lnbang I.
6 > *2)er ISonceffionSgioanq für .ftcimbctriebr befiimniter 51 rt mürbe
in PfaffadmfettS 189s eingenihrt. oimdangc ber betrieb ein freier mar,
©er bauSinbuftrielle (Srgeugniffe ohne biefen Sattel oerfauft
ober gum Verläufe auslegt, ift gu einer ©elbbufee bis gu 10 £ oer*
halten; unb mer folcfje 3ettel roißfürlid) oor bem Perfaufe entfernt,
oerfaßt einer folgen bis gu 20 £. — freilich ift gu bemerfen,
bafe ber begriff ber ,/gabrif ober ©erffteße" in 9feufeelanb jebeS
£ofal umfaßt, morin gm ei ober mehr Perfonen mit geroerblicher
Arbeit befchäftigt roerben. Taljer trifft ber 3elklgroang bloft bie
oereingelten Heimarbeiter; gmei Scbmeftern beifpielsmeife ober
Ptutter unb Tochter fönnen Arbeit nach Haufe nehmen, ohne baß
besbalb biefer entroertbenbe 3 ctt el an ihren ©aaren angebracht
mürbe — biefe arbeiten eben in einer ber gefefclichen Regelung
unterftebenben „gabrif". 7 ) 2lßerbingS ift bie ©emerbeinfpeftion in
^eufeelanb roeit roirffamer als anbermärts.
^)er s Diarfirung bauSinbuftrießer Probufte fcblechtbin, ohne
SBerücffichtigung ber fonftigen Umftänbe ihrer Hcrfteßuna, liegt un*
groeifelbaft ein fogialpolitifd)er ©ebanfe gu ©runbe. 3llS in 9feu-
feelanb bie obliaatorifdje ©farfirung aßer Pröbufte ber Heimarbeit
in grage fam, bemerfte ber bortige oberfte ©emerbeinfpeftor: meint
bauSinbuftrieß gefertigten ©aaren ein 3ettet mit ber Eingabe, baß fie
Sdjroibbubenarbeit finb, angebeftet mirb unb jemaitb im publifum
münfeht, fi<b eine gitfeftion gu holen ober baS Scfiroibbubenftjftem g U
unierftüßen, ftebe es iljm immer frei, begleichen ©aare gu faufen.
III. $)kfe Perfebmung bauSinbuftrießer Probufte bilbet bas
©egenftücf beS in dnglanb häufigen SermerfeS auf 23üd)ern: Tie
Seher feien gum ©emerfoereinStarife entlohnt morben. ©äfjrenb
bie anbere Segeichnung bie ©aare ftigmatifxrt, foß ftc burch biefen
Iobenben Permerf bem ftonfumenten anempfoblen roerben.
TaS gleiche 3iel mirb in Äorbamerifa burch bie fogenaunfe
„©eroerffd)aftSmarfe" (Union lsabel) angeftrebt. T)iye ift barf
burch bie propaganba ber ©emerfoereine im ©ege ber greibeit
arofeer Perbreitung gelangt unb bilbet bisher eine amerifamidic
ligentbümlichfeit. Tie Perlagsinbuftrie mirb burch ©infübnntft
biefer s D^arfe infofern berührt, als ihre Probufte ber barin liegen*
ben knempfeblung entbehren ntüffen. 3 un ächft ift bie IRarfe ein
PeroeiS, bafe bie ©aare, melche fie trägt, oon geroerfnereinlen
Arbeitern bergefteüt mürbe; „ift bie ^onfurreng im ©eroerbe fein
heftig, fo ift fie lebiglid) ein Mittel, um ben Unternehmer
oeranlaffen, bloS geroerfoereinte Arbeiter gu befdiäftigen uttb ba*
burch bie 3ablung ber ßRitgliebSbeiträge für bie ©eroerffd)aft \u
fiebern", fagt ein 5lutor. 8 ) 5JHt ©emerfoereinlerit ift jebod) bie
Porftellung leiblich guter £ ohne unb 3lrbeitsbebingungeit oerbunben.
Planche amerifanifthe ©emerfoereine trachten fogar eine ©arantie
für bie gute Dualität ber marfirten ©aaren gu aeroinnen. 9 ) 5lllein
im 5lßgemeinen finb bie begüglichen ©eroerffchaftsftatuten giemlid)
lay abgefafjt unb roerben auch fof gebanbbabt.
Tie ©emerffchaften laffen ihre befonbere Pfarfe regiftriren unb
geben bann beren 5lbbrücfe gegen eine geringe ©ebübr an bie Unter*
nebmer ab, melche fie unter^ontrole ber Vlrbeiterfcbaft an ihren ©aaren
anbringen laffen. Tie ßigarrenarbeiter flehen fie in Streifenfarn
über ben 9fanb ber (Sigarrenfifte, bie (Sipriifer in Gbkaao — egg
inspectors — melche Gdjtbeit unb ©üte ber ©ier beglaubigen, auf
bie Seite ber Sdjacbteln, bie gleifdjaufbereiter unb paefer ber
großen Schlachtböfe auf bie gleifcbembaßage, bie Photographen
auf bie Sftücffeite ber Pilber; Päcfer prägen fie in bie Prote ein,
Pagelfchtniebe laffen fie auf ben topfen ber Hufnägel anbriiigeu,
©agenbauer preffen fie auf bie Sifce, 3iegelarbeiter in bte Parf*
fteiiie ein; bie Sdjneiber nähen fie in bie Taften ber einzelnen
tleibuugsftücfe ober an bie £eibroäfd)e, itnb Parbiere hängen fie als
gemerffchaftlid)e Peftätigung* beffen, baß fte bie ©ebilfen entfpredienb
entlohnen unb ihnen bie oon ber ©eroerffdjaft bebungeite freie 3eit
gemähren, im Schaufenfter ober im Sofale auf. Tabei mirb feitenS
ber ©emerfchaft burch 5lngeigen aßer 5lrt foroie feitenS einiger
Pereine burd) glugblätter 10 ) für bie Plarfe Propaganba gemacht,
beftanb ber ^ettclgmang für hau»inbuftrieUe (irgeugniffe befttnumer
?Irt fehl echt hin. pgl. meinen „3meiten" Porberidjt, S. 44.
7 ) Per gl. Sdjmteblanb, ©ine oorgcfd)rittene gabrifgcfepgcbimg.
Tic gahrifgefepe ber Äolonie Peii=Seelanb oom 18. Cftober 1894 unö
12. Cftober 1896. ©icn 1897. 3. 13, 28 ff. unb 84.
fj v a. ()). ProofS, The Trade-Fnion Label, im Bulletin of the
Department of Labor, Piärg 1898, 'S. 209.
■') So beftimmt bae^ Statut ber internationalen Pereintgung ber
(ligarrenarbeiter üRorbarmcrifaS: „iteiuesfafls barf bk ©emerffaiaftv*
marfe oon einer Tvabrif uermenbet roerben, roeldie roeniger ?lrbcitj?lolm
gahlt alv 6 Tollar^ für bav laufenb. (ibenforoeuig foll eS für 3igarren
omoenbet roerben, roeldie unter 20 Tollars baS Taufcnb u^rfanft locrbcnF
10 ) Ter Pcro = 5)orter Social Reform Club bat eine Serie gefälliger
Heiner Profdiürcn heranvgegeben, morin ©efeu, ©ertl), ©cfdiidite ber
©emerfidiafkmarfe, ihr gefeßlidicr Sdmib einzelne Warfen u. f. ro. be?
i fprorfieu roerben i.l’üfon Label Leaflets“, 9fr. 1 biv lo|.
1141
©ogiale IßrajiS. Eentralblati für ©ogialpolttif. 9ttt. 43.
1142
b. h- auf bic ßefer eingewirft, bamit bicfc bei ihren Käufen nad)
bcr 3J?arfc fragen. £5aS „$ero ?)orf Journal" veröffentlicht foeben
in einer Beilage auf rnei&em Martenpapier unter bern 3Titel Union
Label Bulletin bie Abbilbungen non an bie oierjig ©eroerffchaftS*
marfen in ihren Driginalfarben unter Begegnung ber Art
i^rer Anbringung. £>ie Ortsgruppen ber ©ewcrff«haften be*
forgen eine tnünblidje ^ropaganba, burd) Befuge bei |>änb*
lern, welche fie erfuchen, nur ntarfirte 2Saarcn gu oerfaufen. 11 )
0ogar bie Brief um fdßäge ber ©ewerffchaft finb in ben £)ienft
ber Sßropaganba gefteflt, inbem fie mit ber ©emerffchaftSmarfe
fammt einer Erläuterung ihrer Bebeutuitg bebrucft ftnb. Unb
See that all Clothtaf, Cloaka, Overalls. Shirta
and Rubber Clothing bears tbe above Labil, as a
guarantee ol being made under fair and santtary
conditions.
fnapp baruutcr prangt ber ftcgeläbnliche Abbrucf ber Xppographen*
ntarfe, welche betätigt, bafe baS Eouoert felbft unter ©emeiffchaftS*
bebingungen gebrucft worben fei. £>enn auch bie <8cper be*
nu^en bas ßabel. bisher ift fogar bie einzige bcutfche ©emerf*
fd)<iftSmarfe jene ber beutfd)en 0efcer AmerifaS, ber „X)eittfch*
Atncrifanifchen Itjpographia". 12 ) 3<h faon mir nicht oerfagen, fte
— tropbem gerabe bie £)rucfinbuftrie fein Berlagsbetrieb ift —
hier gu oeröffentlichen. £)ie 0taaten %eoaba unb Montana foKen
fogar jüngft gefefclich Borforge getroffen hoben, bah ©eher*
marfe auf feiner offiziellen X)rudf|orte fehle, unb biefent Söeifpicle
finb auch bereits einige ©tabtoerwaltungen gefolgt.
Auel; gälfdjuttgen non ©emerf [chaftsntarfcn famen nor. 6ie
haben in oerfdfiebeneti Staaten bereits oor 3ob*en gur Bewährung
eines gefehlten Schußes für bie Btarfen geführt.
And) würben Berfudje unternommen, um gu einer einheitlichen ©e*
werffchaftSmarfe für alle (bewerbe gu gelangen, hoch bisher erfolglos.
3» Europa befifct nur Eine ©ewerffchaft eine Btarfe nad)
amerifanifchem SSorbilbe. Es ift bie englifche ©ewerffchaft ber
Jvilghutmacher. ©Icich ben amerifattifdjen ©utmachern — welche
jährlich an bie groölf äßißioiten Abgeidjen abfejjen — befeftigen auch
bie Englänber ihre Btarfe unter bem £eberbanbe im Sitneru ber
£>üte. 13 ) X)icfc englifche ERarfe würbe im September 1893 gum
erften 2Me ausgegeben. 3h r Abbrucf folgt nach:
(2)ie Buchftaben auf
bem männlichen Arm
bebeuten „Amalgama-
ted Journeymen Feit
Hatters“, auf bem
weiblichen Arm: „Feit
Hat Trimmers & Wool
Farmers“.)
ll ) Ein befonbereS AgitationSgentrum btlbcn bic Trades Union
Uabel Leagues tu Albamj, Slodjefter, Ehicago unb Sftiltoaufee.
la ) Englifd)! Gerraan-American Typographia, Stfe in ^nbtanapoltS,
offigtefles Crgan bie „Xcutfd) s Amerifanifcbe Bucbbrucfer^eitung".
,3 ) „Blanche Unternehmer, fo fagt ein Aufntf ber ©ewerffdjaft,
zahlen für eine Arbeit, bic 6V2 Schilling merth ift, lVa Schilling, unb
ÜJfach bem ©efagten erfcheint bie ©emerffchaftSmarfe als eine
Empfehlung ber Arbeiter an bie gefammte Arbeiterfchaft fowie
an bie ihnen wohlgertnnteit Angehörigen bcr anberen SHaffen, gu
©unften beftimmter Waarett.
X)iefe Bebeutung macht bie Eßarfe gu einer B*affe im Stob»*
fampf.
3h** SSichtigfeit als ERittel gur görberung beS AbfapcS ift
in gabrifftäbten leicht gu ermeffen. $)aburch aber, bafg bie
£>änbler nach marfirten SBaaren fragen, werben bie Ergeuger
oeranlafet, bie Berechtigung gu ihrer Rührung gu erwerben, unb
mancher Monfeftionär, ber eine eigene Bkrfjtätte befipt, benüpt
ben Abbrucf ber Lsabel auf ©efdjäftsfarten gur Beflame für
fid). 14 ) B$ie ber ©eneralfefrctäi ber Bereinigung ber anterifa*
nifchen MonfeftionSarbeüer berichtet, fab fich bereits „eine gange
Angaf)l großer gabrifanten gegwungen, bie an ßiefermeifter "aus*
gegebene Arbeit gurüdfgu nehmen, weil bie betheiligten ©emerf*
fchaften nachhaltig an bie ERitglieber ber ©emerf f «haften anberer
©ewerbe, fowie an ©önner ber Bewegung appeUirten, ©efdjäften,
welche mit folcheit nichtmarfirten Artifem §aitbel treiben, ihre
Munbfchaft gu entziehen." 332an fönne annehmen, bap ein Detail*
hänbler lieber feine qefd)äftlichcn Begiehungen gu einem in biefer
£rinfi<ht nid)t einwattbfreien Unternehmer abbricht, als baß er bie
iäbguuft feiner Munben auf fich läbt. X)ie 9Äar!e höbe mithin
gute XMenfte getestet. 15 ) — Auf bem jüngften Mongreft ber Bereinigung
würbe fogar befthloffcn, ihre Berleihung an bie BcbingUng gu
fnüpfeit, bajg aud) bie .^anbelSangefteUten ber ginita ©ewerfnereiitlcr
feien. 16 )
Einen allgemeinen Bonfott housinbuftrieUer SBaaren über*
haupt empfahl oor Murgern Die „Consumers League“ in $em*?)orf.
tiefer Örauenoerein, welcher feit einer 3feihe oon 3oh^ü burch
bie Bropoganba oon Berfamtitlungen unb Borlefungeu bie Sage
ber Arbeiterflaffen, namentlich ber weiblidjen Arbeiter, gu oerbeffern
ftrebt, hot im 3oh^e 1897 einen fleinen Mreuggug wiber ben An*
faitf houSinbuftrieß gefertigterBktaren unternommen; er giebt auch
fogenannte „Bleibe Siften" oon ginnen aus, welche nach ben Er*
hebungeit ber ßiga ben Briitgipien ber lefcteren gemäb oorgehen.
2Sahrfcheinli<h werben bie Bereine ähnlicher Xeitbeng in Broirflpn,
Bofton, ^hilobelphia unb Ehicaqo alsbalb eine gleiche ^ßropaganba
entfalten. ES wirb auch angeftrebt, eine einheitliche allgemeine
Consumers Label gu fchaffen, ein Seitenftücf gu ber gleichfalls
geplanten allgemeinen ©emerffchaftSmarfe. tiefes Abgeichen würbe
ben Mäitfem oie Beruhigung gewähren, bab bie marfirten BJaaren
unter nach jeber Dichtung hin günfügen ArbeitSbebingungen her*
geftellt würben. 17 ) §)infichtlich ber BefleibungSftücfc würbe feboch
oon einem ©ewerbe *3nfpeftor beantragt, amtliche Btarfen gu
©unften jener haaren einguführen, weld^c in ©änge in BScrfftätten
hergeftettt würben, in benen alle Beftimmungen ber gabrifgefefee
beachtet werben. Ein berartigcS amtliches Seugnib — bas ©egen*
ftüdf gur heutigen, bic Btoaren bemäfclnben amtlichen B?arfirung —
würbe auf bie Söahl ber Mäufer oon Einflub fein.
IV. Einen namhaften Erfolg hotte freilich bie Bopfottiruug
hausinbuftriett gefertigter BSaaren, wenn bie Monfumoereine fid)
entfchlieben würben, alle nicht unter entfprecheuben Berhältniffen
mtb gegen angemeffenen Sohn hergefteßten SBaaren oom Berfaufe
in ihren Säben auSgnfd)lief 5 eti.
X)ie englifchen Monfutnoerciite hoben fich bereits toieberholt
mit ber grage befd)äftigt, Brobufte ber Schwijjmeifter oom Berfaufe
auSgufchiiefeen; es ift jeboch bisher nicht gelungen, unter ben gahl*
reichen autonomen Bereitten eine begiigfid)e Einigung h^beiguführeu.
— 3tn ©angeit biirften übrigens gerabe in Englattb wenig honS*
inbuftrieß oerfertigte haaren burch Moitfumoereine in Berfchr gebracht
werben. 3uuöchft führen bie Monfunioereine in ber Begel beffere
BJaaren als ber X)nrchfchnitt ber für gleiche Munbettflaffeit thätigen
§äitbler. X)ann würbe fich ein ^onfumoereinsleiter, weiter
wiffentlid) oon Schwihmeiftern ^crgefteHte 'Baareit führen würbe,
erheblichen Unanncbntlichfeiten feitenS ber BereinSmitglieber aus*
fefjen, faßs biefe Xhatfache befannt würbe. Enblich begieht ber weit*
jährlidj fterben 35% ber gilghutniachcr an £nugenfurfit. öelfct mit,
bieS gu änberu!"
u ) BJandjc Unternehmer oerlangen gerabegn eine (Gewähr für
Aeflame feitene ber ©ewerffchaft, faßs fie bereu Bebingungen au nehmen
unb bie B?arfe eiufübren.
15 ) .J>. 3Sl)itc, The Sweatiug System; ^eft 4 br* Bulletin of <1h>
Departement of Labor, 3Rai 1896, Washington, 3. 374.
16 ) The Garment Worker. Btonatsfchrift. ?tcw*Borf. Januar 189 s,
8 . 11 .
17 l Bgl. bie Auffähe oon 3t. ö. Aidiols mtb :Waitb Aathau in
ber North American Review uon Cftober 1397 unb Jehruar 1898.
Sogtalc $ra$i$. Gentralblatt für Sogialpolitü. Rr. 43.
1144
1143
aiifij größte X^eil ber tfonfumoeretne bie' meiften Sßaafen im SBege
ber enalifcßen unb fcßottifcßen ©roßetnFaufSaenoffen*
fcßaft Der Monfumoereine, beren GiitFäufer einerfeits firen*
gen Auftrag haben, feine sweated goods gu Faufeit, wäßrenb
anberfeits btefe GinFaufSgenoffenfdjaften eigene SabriFen befißen,
in bencn fie bie non ben Monfnmoereinen benötigten SBaaren
felbft bestellen taffen. Gine Anregung beS englifcßen ©ewerFfdjaftS*
fongreffcS non ©laSgow (1892), m Berbinbung mit bem Berbanbe
ber englifcßen ©enoffenfdjaften eine Xrabe Union £abel ehtgu*
füßren, blieb ohne praftifc^c folgen. 18 )
X>aS gefeßlidje 5Sarn ungSgeicßen unb bie ©eroerFfcßaftS*
empfeßlung finb bcibeS mistige Mampfmittel roiber bie Heimarbeit.
Db bie BJaare ooit C^efe^ee megen als oerlagSmäßigeS Grgeugniß
ftigmatifirt ober bureß bie organifirte Arbeitcrfcßaft als ni(ßt*ßauS*
iitbuftrieHeS $robuft anempfoßlen wirb, ftetö toirb babureß ber
M auf mann beeinflußt. SSirb bie als hmiSinbuftrielleS Grgeugniß
marfirte 2Baare oom BnbliFum gemieben, roirb aueß ber M'auf*
mann oermeiben, fie gu führen; roirb bie geroerFfcßaftlicß begeießnete
oom ^ublifnm begüitfiigt, bann roirb ber Manfmann —
unb ißm folgenb auch ber ^robugent — für baS güßren be*
gicßungSweife Herfteüen berart marfirter Sßaaren Sntereffe gewinnen.
BHen. G. Scßwieblanb.
Allgemeine Stojtal- irob ttirtt)fd)nftepolttUu
$ie ÄrifiS im fraiuöftfdjett Sozialismus. X)er Gintritt be$
fogialiftifdjen X)eputirten UWtlleranb in baS Btinifterium 2öalbecF s
Rouffean bat ben frangöfifcßeit Sozialismus plößließ in eine feßarfe
Mrifis getrieben, Btan fdjreibt uns bagu aus pariS: ®ie große
ftrage, welcße bureß bie Bernftein’fcße Schrift oor bem europäifeben
Sogtalismus gur prinzipiellen Grörterung aufgeworfen rourbe, ßal
in granFreicß unerwartet eine praFtifcße ©eftalt gewonnen. Qn
ftolge ber politifeßen Vorgänge waren bie Republikaner genötigt,
ein Sfabinet gu bilben, baS alle Scßattirungen beS RcpubliFaniS*
muS in ficb fongentrirt. Mehrere Berfucße, bie Xßeilnaßme ber
l'infen mit bem Ginfcßluß ber rabifalften bürgerlidjen Partei abgu*
grengen, mißlangen. . 3Ran mußte alfo bie reeßtsfteßenben ©ruppen
bes auSgcfprocßenen Sozialismus ßerangießen, bereit ftibißfte
<$üßrer &iHeranb unb Saures finb. X>ie Berßanblungen mit
Rtilleranb waren gu Furg, als baß es ben fogialiftifcßen Parteien
ntöglidj gewefen wäre, offiziell Stellung gu feiner Annaßme eines
Portefeuilles gu nehmen. Xie erften Ginwänbe, bie oon feinen ©e*
finnuitgSgenoffen bagegen erhoben würben, begogen ficb auch bureß*
ans nicht auf bie prinzipielle Örage, fonbern lebtglicß auf bie $er*
,H ) Xcr erwähnte Kongreß befürwortete btefe Maßregel aus Rite!*
fid)t auf bie Rarfjtheilf, welche ber Berfauf oon SSaaren begrünbet, bie
nidit unter rutfpred)eubcn Bebingmtgen Ijcrcgcftcllt werben, fowie gur
Verbreitung jener, bei bereu Grgeuguug bie Bebingmtgen ber begiig-
liißeu ©croerffdjaft beriicffidjtigt würben. Gin getnciufmnes Moinite beS
(^ewerfoereinsfongreffes unb beS VerbanbeS ber cuglifrfjrii ©enoffen*
fdmften iGooperntioe Union) füllte bie XurdRübruugouorfdjriftcn bc=
rathen. Gine weitere Stefolution forberte, baß auf jeber BJnnrc ber Ramc
bcs Grgeugers unb ber Crt ber ^crftellung fenntlid) gu tuadieu fei. Xer
i'U'noffcuidjaftsfongreß oon Vriftol trat int Vtai 1H93 ben Ve=
fdjliiffeu ber ('iewerfoereine mit Vefricbigung bei unb forberte bie ©e*
uoifeufdmfteu Guglaubs auf, bereu Xurdjfiibrung thunlidtft gu beförbern.
Bobann traten bas parlaiuentarifiße Montitee ber Wewcrffdiaftcn
unb ber ?lusfdmß bes Wen offen fehaftsoerbanbes gufammen unb feßten
folgcube Vorfditäge jeft: Xer pnrlaiiicutarifdjc t’lusfdiuß ber ©ewerf»
fdmften bat ben Stempel, bie 9J?arfe ober ben Zettel gu beftimmen uttb
ben eingelneu ©ewerffdjaften gugufdirciben; bie ^oriu ber Vcgeidjuuug
ift im Giuoernelimen mit ber ©ewerffdiaft, weldjer fie bient, feftguftellen,
biefer gegen Gr lag einer ©ebiibr guguweifeu unb als ^dmßntarfe ber
Glewerffdiaft eingutragen. Xer ©ewerfuereiu haftet bem parlamrutari«
[dien ?lusfd)uffc bafiir, baß ?lbgcidtcu nur au foldjc Unternehmer abge=
geben werben, weldje fid) ben ©ewerfidtaftsbebinguugen anbequemt
haben, lieber bie ;gahl ber ausgegebeneu ?lbgeidjeu unb bie SJameu
ber biefe empfaugeubeu Unternehmer iß zeitweilig bem parlamentarifdjen
','liisidmite Veridit gu erßatteu, bie yißc ber begitglidieu Grgeuger aber
alllährlid) in ben Berichten bes Verbau bes ber Oieuofieufdjaften wie bes
i ewerfid] a ft s fou gr ef i es gu uc r ü r f e u1 1idieu.
Ta bie ('lewerfoereine bie Tenbeug haben, bas betreffenbe (bewerbe
im gangen l'aubc gu umfaffeu, wäre bamit für jebes einzelne (bewerbe
eine beitintmte ('lewerffdjaftsbegeichuuug eiugeführt worben. Tie Me* |
werfoereiue Guglaubs oerhielten fid) jebodi biefer Anregung gegenüber |
io gleidigiItig, baß, wie ber bem <'lenoneuidiaftsfongreffe gu Verth 1897 j
evitaneie ('leiehäitsberid)t betont, bie gHugelegeubeit oorläufig auf fid) [
beruhen muß {Reports of Pertli Gongrcss 1^97 ; V(and)eßer, Gooperatioe !
Union, c. 7).
fönlicbFeit beS £riegSminiftcrS beS neuen ÄabinetS, ber feiner 3 C ^
bie 9lufftänbe ber Kommune unterbrüeft bötte. Gine Hitzabl
fogialiftifeber X)eputirten enthielten fiel) barum ber Slbfümmung,
als bas SJtinifterium fein Programm in ber Kammer oorlcgte,
roobureb fie übrigens bem neuen Stabinet tbatfäd)Ii(b S u ^ cr
beit oon 25 Stimmen oerbalfen. X)ie unter ber Rührung oon
SuleS ©ueSbe ftebenbe ©ruppe bflü e allerbingS feßon oon allem
Slnfang auf bie UnoereinbarFeit opportuniftif^er XaFtiF mit ber
fogialiftifdjen X)oFirin aufmerFfam gemacht. Q\x einer Floren Slftion
natß biefer 9?id)tutig Fant eS jeboeb erft naeß Verlauf einiger
iBotßeit. Slm 12. 3uli oeröffentlicßten 21 fogialiftifiße 2>eoutirte,
wooon 5 für baS Stabinet geftimmt hatten, im herein mit nicßt-
parlamentarifißen Süb^erit ein 9Kanifeft, worin in febärfften SluS*
brücFen geqen bie äRitteranb’fcße $olitiF proteftirt würbe. 3$on
ben orgamfirten ^ ar * e i en waren barin untergeießnet ber parti
ouvrier franejais (©ueSbiften), ber parti socialiste revolutionnaire
(Blanquiften) unb bie alliance communiste revolutionnaire. ®aS
Sßanifeft marFirt eine auSgefprocbene Segeffton, ba es ben Austritt
biefer Parteigruppen aus ber parlamentarifißen Bereinigung Union
socialiste erFlärt.
X)ie Argumentation beS BtonifefteS refumirt fid) feßr Furg
in beut Säße, baß bie fogialiftijdje Partei als ^laffenpartei nie
eine Regierungspartei werben Fönne. Sie b<t&e bk 3)iad)t nidjt
mit bem Bürgertum gu tbeilcn, fonbern fic ißm gu entreißen, um
barauS eine Btoffe ber Befreiung unb ber fogialen Reoolution gu
madjen. X)ie Xbeilnabme an ber BolFSoertretung bübe für ben
SogialiSmuS nur ein RUttel beS StampfcS. X)er ReoolulionariSimts
fei ein mefcntliißeS BierFmal ber Stlaffenpartei.
©ettau genommen, finb in biefetn Bruche nur alte ©egenfäfle
unb Rioalitäten gum AuSbrucf geFommen. Seit ihrem SSMete*
erwachen, gegen Gnbe ber 70er Stoßre, ßat ficß bie politifcße
beiterbewegung in gfranFreicß in meßrere 3weige gefpalten, bie fuß
gegenfeitig ßeftig befeßbeten. 3ßre Programme utiterfcßiebcn fidi
weniger in ber XwFtrin als in ber Xaftif. Aus bem ©ucSbe fdjen
parti ouvrier francais, ber fo giemlicß bie ©runbfäßc ber bemfdu’ii
SogialbemoFratie angenommen ßat, fdßieb gunäd)ft bie poffibilirnfcßr
Ricßtung, bie Federation des travailleurs socialistes eie France,
welcße unter Brouffe’S Sfüßrung eine opportuniftifeße Xafrif befür¬
wortete. Aus biefer ©ruppe traten fpäter bie Atlemaniftew
bie ficß als Parti ouvrier socialiste revolutionnaire gufammen*
fcßloffen unb aus ißrem Programm bie Groberung ber politifcßen
3)lad)t eliminirten. daneben eyiftirten bie oben fcßoit genannten
Blanquiften, bie ehemaligen SFommunarben, unb namentlich bie
unabhängigen Sogialifteu, bie ficß mit einem feßr unbestimmten
Programm in ber Confederation generale des socialistes inde-
endants gruppirten. Rtilleranb, SaureS, Bioiani, ^oumiere finb
ie bauptfäcßlicbiten güßrer ber lebten Bereinigung.
Bei bem erften VBaßlgange im April 1898 hatten bie ocr*
feßiebenen ©ruppen erlangt:
©ueSbiften.350 000 Stimmen,
Blanquiften.32 000
AHemamften. 42 000
Bronffiften unb Unabhängi ge . 516 000
gufammen ... 940 000 Stimmen.
X)a bie Fleine Brouffiftifdje Börteiorganifation nur nod) bem
Ramcn nad) befteßt, fo fmb ißre Bertreter ben Unabhängigen gu=
gegäßlt.
3m oorigen Saßre war eine äußerjicße Annäherung ber
©ruppen gu Staube geFommen. s l)tan batte e m Comite d’entente
gebilbet, gu bem bie fünf Drganifatiouen je 7 Beifißer cutfanbtcn,
beren Viadjtbefuguiß aber feßr befcßränFt war. 2>ie Union socialiste
ber fogialiftifcßen XJepntirten in ber Slammer befaß nie oiel Gin*
fluß auf bie ©efammtpartei. Xie gegenwärtige MrifiS oerlicrt
barum bei näherer Betrachtung oiel oon ißrer Bebeutung.
SOUHeranb ßat in feinem ©efolge bie AUemaniften, Bronffiften mib
bie Unabhängigen, alfo weitaus bie RJeßrßeit ber fogialiftifcßen
BJäßlcr. Seine Anhänger, namentlich 3aureS, fueßen bie Segeffion
roieber gu gewinnen unb bemüßeu ficß, einen förmlicßcu Kongreß
gu Stanbe gu bringen, auf bem man ficß Flar über bie trennenbcn
programmpunfte auScinanberfcßt. Sie oerlieren aueß nid)t bie
Hoffmuig, aus biefem Moitgreß eine feftere Ginßeit ßeroorgeßen gu
feßen als bie bisherige bloße „Gntente". Sie fueßen babei aller*
bingS nid)t weniger bie Xoftnnären beS ReoolutionariSmus gur
reaiiftifcßen ^olitif gu befeßren, weldje oon ben Unabhängigen
oertreten wirb unb weldje na^ BUUeraitb barin befteßt faire
sortir le plus vite ct le moins douloureuseincnt possible l'ordre
socialiste de ranarcliie capitaliste‘\
1145
Sogtale $ra$*. ©entralblatt für Sogtalpolitt!. Rr. 43.
1146
Das 3uftanbe!ommen beS KongreffeS ift ingroifchen gcficfjert
roorben. Rad) einem oon ben brei ©ruppen auSgebenben Bianifeft
foll bcrfelbe auf ©runb folgeuben llebercinfommenS tagen:
Artifel 1. (Sin allgemeiner Kongreß beS frangöftfeben Sozialismus
roirb burdj bie bent @inigungS*Koimte gugeborigen Drgamfattonen für
ben fommenbert Blonat September nach $aris gufammenberufen gu
bern 3roecf, gu entfdjeiben, ob ber Klaffenfampf, welcher bie ©runblage
beS SogialiSmus biloet, ben ©intritt eines Sogialiften in eine Bourgeois*
Regierung geftattet.
^trtifel II. Damit biefer Kongreß ber roirflitbe AuSbrucf ber organi*
firten Kräfte beS frangöfifd)en Sozialismus roirb, mirb er auf folgenbeu
©runblageti fonftüuirt: 3«** ^elcgirte für jeben ber SBablfreifc, in
beiten bie fogtaltftifdje Partei bei ben leßten Äammerroafjlen ben 33abl*
fampf auf genommen bat. Außerbem ein Delegirter mehr für jebeS
Daufcub fojialiftifcber Stimmen über 3000 beim erften SBablgang. Die
3abl ber Delegirten für 1 SBabüreiS barf jebodj bie 3 a bl 5 nicht
überfteigen (für jebe eingelne graftion).
Frauenarbeit in ftabritot* Die in biefem Sabre oorgu*
nebmenbe Erhebung über bie ©rünbe unb SSirf ungen ber Be*
febäftigung oerbeiratbeter Arbeiterinnen in Fabrifen roirb Ieiber
nicht nach einheitlichen ©eftcbtSpunften burebgefübrt. ©äbrenb ber
preußi[d}e Öragebogen (ogl. Rr. 44 b. Bl. &p. 1098) mehr über
bie roirtbfebaftuebe Seite ber Qrrage Siebt gu oerbreiten geeignet
ift, faßt bie roürttembergifcbe Regierung faft auSfchließltcb bie
bngienifd^e Seite ins Auge. Der Fragebogen forbert AuSfunft
üoer foigenbe fünfte:
1 . Welches finb bie ©rünbe für bie gabrifbefdjäftigung oerbei*
ratbeter grauen? 2. $abeit fidj bei ber Befcbäftigung oerbeiratbeter
grauen in gabrüen — allgemein ober in einzelnen Snbuftricgroeigen
— erbeblidje Radjtbeüe a) in fittlid^er Begebung, b) in gefunbbeitlic|er
Begebung ^eraudgefteOt, unb gutreffenben gafleS, melier Art ftnb biefe
Racbtbeüe? 3. ©mpfiebt es ficb, bie oerbeiraibetcu grauen, foroeit fie
ein ftauSroefen gu beforgen hoben, allgemein ober nur für eingelne 3n*
buftriegmeige, eoentueü melcbe? a) oon ber Befdbäftigung auSgufcbließen,
ober b) ihre 3alaffung oon ber Beibringung eines ärgtlidjen 3 CU 9 -
niffeS ober oon bem Ratbroeife abhängig gu machen, baß Stbmaitgere
unb Räbrenbe nur abgefonbert oon männlichen Arbeitern befdjäftigt
merben, ober c) fie allgemein ober bodj mäbrenb ber 3 eit ber
Scbroangerfcbaft ober mäbrenb fte nähren, fürger als bisher ober mit
häufigeren ober längeren Raufen gu befdjäfttgen, ober d) fie binfid)tlid)
beS B^öcbnerinnenfcbupeS (§. 137 Abf. 5 ber ©eroerbeorbnung) noch
giinftiger gu [teilen, eoentueö in melier s Beife unb in meinem Umfang?
4. Speiche 3Birfung hätte bie Befchränfung ber Befcbäftigung uer*
beiratbeter grauen, roeldje ein £>auSroefen gu beforgen haben, a) auf bie
SebenShaltung ber Arbeiterfamilien im Allgemeinen, b) auf bie männlichen
Arbeiter, c) auf bie Iebigen weiblichen Arbeiterinnen im Befonberen?
©ine Berbinbung beS preußifeben unb roürttembergifcben
Fragebogens mürbe ein erfcböpfenbeS ©rgebniß liefern. Denn bie
^unrte, über bie in Preußen AuSfunft oerlangt roirb, finb ebenfo
wichtig. daneben fornrnt noch in Betracht, baß bie ©inbeitlichfeit
ber (Erhebung burch groei fo ganx oerfchiebene ©rbebungSformulare
ooüftänbig oerloren gebt unb bie Refultate feine Begleichungen
gulaffen. Durch groei fo oerfebiebenartige ©rbebungen bürfte ben
Intentionen ber Refolution beS Reichstags nur in ungenügen*
bem Biaße entfprochen roerben-, welche babin ging, eS möge ben
©eroerbeauffiebtsbeamten aufgegeben roerben, bie Fabrifarbeit oer*
beiratbeter F rfl uen binficbtlia) ihres Umfanges gu unterfudjen, bie
llrfadjen unb Folgen berfelben feftguftellen, bie Btöglichfeü unb
3roecf mäßigfeit ber Befchränfung biefer Arbeit auf ©runb ber ge*
machten ©rfabrungen gu erörtern unb Borfcbläge über bie Art unb
Bßeife einer eoentueUen Befchränfung berfelben gu machen. ©S ift
bieS ein roieberbolter Beweis für bie Rotbroenbigfeit eines Reichs*
arbeitSamtS. B3aS bie Durchführung ber ©rl;ebung anlangt, fo
follen bie F ra 9 e &ogen in Söürttembera ben in Betracht fommenben
körperfebaften gugefanbt roerben. Bei ber anerfennenSroertben
BorurtbeilSlofigreit, bie bie roürttembergifchen Fabrifinfpeftoren im
Berfebr mit ben ©eroerffebaften gegeigt haben, barf man roobl
annebtnen, bafe b«r auch bie Arbeiterorganifationen gehört roerben.
^er Schuh ArbeitSwUHgen" in Sdhtoeben. Die Rooelle
gum fehroebifeben Strafgefefe, über bie wir (Rr. 25 Sp. 665) ein*
gebenb berichtet haben, würbe am 10. Fuli oon Völlig DSfar II.
oor feiner Abreifc nach Rorroegen ooUgogen, trofebem üch ^aS
ReichSgeri^t, beffen Blacet nach ber fehroebifeben Berfaffung er*
forberltch ift, einftinimig bagegen erflärt batte.
ftomtmtnale Sozialpolitik.
Sontmerferten für ftäbtifebe Arbeiter in Berlin. Sommer*
feriert roerben oon Berliner fiäbtifcben Arbeitern in einer ©ingabc
an ben Biagiftrat geforbert. ©S roirb erfud)t, allen fiäbtifcben
Arbeitern, welche minbeftenS fünf Fahre bi n & ur( f) im ®icnfte ber
Stabt tbätig, oom Sabre 1900 ab einen alljährlichen Urlaub oon
einer 2Bo<be unter Fortgablung beS fiobneS gu bewilligen. Der
Anfang nach biefer Rüstung bi« ift in Berlin bereits gemacht,
inbem bie Arbeiter ber DeSinfeftionSanftalt fc^on in biefem Sabre
Urlaub in ber Dauer oon 3 bis 7 Dagen erhielten.
@tättifcber ober prioater Betrieb Pott Straßenbahnen* Den
Beifpielen, roo prioate Straßenbahngefellfchafteii ihre Pflicht gegen*
über bem fabrenben ^ublifum unb ber Stabt oerlcbten, fchtießt
fidh iefct bie ©barlottenburger an. Die Berlin*©barlottenburger
Straßenbahn bat nunmehr gum brüten Biale bie gur ©infübrung
beS auSfchließlich eleftrifcheit Betriebes gewährte Frift oerftreicben
(affen. Am 28. S«ni befchloffen beSbalb bie ©barlottenburger
Stabtoerorbneten einftimmig gegenüber bem bisherigen oertrags*
roibrigen Berbalten ber Straßenbabngefellfchaft einerfeits unb
gegenüber bem baS Rücftritisrecf)t begriinbenben §. 22 beS Ber*
trageS anbererfeitS, bie ©eiterfiibrung beS ^ferbebabnbetriebeS nur
auf einer unter befonberen Bebingungen ftebenben fiinie bis gum
1. Sanuar 1900 weiter gu geftatten, aber unter Bermebrung ber
Fahrten, im Uebrigen aber ben Btagiftat um Rücftrüt oom Ber*
trage gu erfueben, wenn 1900 ber eleftrifcbe Betrieb nicht ein geführt
begro. binnen brei ©ochen nicht bie binbenbe Berpflid)tung über*
nommen ift.
StftbtifcheS ©leftrigitätSroerf für |>riiigenftabt. Am 18. Sali
berietben bie Stabtoerorbneten oon §>eiligenftabt eine Blagiftrats*
oorlage, betr. bie ©rrichtung einer eleftrifchen ©entralbeleucbtung
gu einem Äoftenaufroanbe oon 125 000 dt. ©ine gemifebte kom*
miffion roirb befonberS bie Frage prüfen, ob bie Stabt felbft bie
Ausführung ber Anlage übernimmt ober einer $rioatge[eHf<baft
bie kongeffion überträgt, ^öffentlich läßt fte fidb burch &i c ^öf en
©rfabrungen belehren, oie in Berlin unb anberen DrteS mü $rioat*
gefeUfcbaften gemaiht roorben fmb.
Bargedirmig eines Ritterguts burch bie ©emeinbe Felbf!rd|j.
Die ©emeinbe Fribfirch im Amt Staufen (babifcbeS Btarfgräfler*
lanb) bat baS o. ©effenbergfebe ©ut, baS in ber ©emeinbeflur
liegt, gu 145 000 dt angefauft unb bie ©runbftücfe an ihre Bürger
weiter oeräußert. Die Käufer gablen 7 o/ 0 beS ÄaufpreifeS für
3inS unb rafche Dilgung unb eittfprecben bie gu gablenben Be*
träge ben bisher begablten Bacbtpreifen. Sn 21 Fahren roerben
bie Käufer ihre ©runbftücfe fcbulbenfrei haben.
Arbeiter unb äommunafyolitif in ©nglanb. Böie rafch bie
©influßnabme ber arbeitenben Klaffen auf bie fommunalen Auge*
legenbeiten in ben englifchen Stabten roäcbft, mag barauS beroor*
geben, baß eben jeßt gum erften 3Ral ein Arbeiter an bie Spiße
einer fionboner ©emeinbe getreten ift; es ift bieS Btr. 2Ö. BtattberoS,
feines 3^^nS ein Steinmeß, ber gum Dberbaupte beS KircbfpielS
Batterfea gewählt würbe unb ber auch als folcher fein £>anbroeif
weiter auSguübett gebenft. @r befißt großen ©influß in Arbeiter-
freifen, unb man rühmt ihm auch namhaftes DrganifationStalent
nach- — Die Arbeiterpartei in Brabforb bat baS foigenbe fom*
munale Programm aufgefteHt: ©rrichtung eines Departements für
ftäbtifebe Arbeiten, ©infübrung eines BtinimallobneS oon 6 ^ßence
für bie Stunbe für ftäbtifebe Arbeiter unb BlapmalarbeitSgeit oon
48 Stunben wöchentlich, AlterSoerfocgung nach 25jähriger Dienft*
geit bei ber Kommune für alle Bebienfteten, V 2 d Straßenbahn*
Fahrpreis, Bergemeinblichung ber Spitäler, Bergemeinblichung beS
KoblenbanbelS unb unentgeltliche BolfSfongerte.
Ärhelltrfi^ti^.
Die ©eroerbeanfftebt in ©lfaß*Sotbringen im Sabre 1898.
Die uns oorliegenben „BerroaltunaSberichte ber ©eroerbe*
aufruhtsbeamten in ©lfaß*fiotbringen für oaS Fahr 1898" ‘) reiben
Reh benjenigen ihrer fübbeutfehen Kollegen roürbig an. Der Fabrif*
infpeftor für baS Unter*©lfaß nahm in 518 gewerblichen Anlagen
620 Reoifionen oor, baoon 32 Sonntags, 9 Samstags, 15 Racßts.
Fm Dber*©lfaß betrug bie 3 a bl Reoifionen 996, roooon 80
in ber Racßt unb 81 an Sonn* unb Frittagen oorgenommen
rourben. 460 Betriebe würben einmal, 177 groeimal unb 55 brei*
ober mebrmal reoibirt. Sn Lothringen finb inSgefammt 1111 ge*
roerbliche Anlagen reoibirt roorben, barunter 1053 einmal, 52 groei¬
mal unb 6 breimal. 26 Reoifionen würben 3 ur Radjtgeit unb 39
Straßburg, Straßburger Drucfcrei unb Bcrlagsauftalt, oon».
R. Schulß & ©o. 1899.
1147
Sogtale $rajt$. ©entralblatt für Sogtalpolittl. SRr. 43.
1148
an Sonn* unb gefttageu auSgeführt. Sie Qaf)l ber SReoifionen
ift, namentlich im Bergfeich mit ben fäcf)fif(f)cn erfreulich hoch-
2BaS ben Verfeftr mit Arbeitern unb Arbeitgebern anlangt,
berichtet ber Beamte für baS Unter*©lfaft:
„Sie feit 1889 befteftenben Sprcdj ft unben (an jebem Montag) merben
in roadffenbem SRaftc non Arbeitgebern mie non Arbeitern benuftt.
Solange fic oon oielgelefetten Leitungen in banfenSraerther SSeife jebe
'Bod)e befannt gemacht mürben, fanb ifjre Vettuftung burd) Arbeiter
unb Arbeiterinnen in oerntefjrteni Umfange ftatt. SRit bem Aufhören
biefer Veröffentlichungen fanf ber Vejud) auf bas frühere 9Rnft. Ser
3£unfd) nach SBicberaufnahmc ber Veröffentlichungen brängt fid) bcSftalb
oou felbft auf. .freroorguheben ift jebod), baß mie früher bie SRehrgaftl
ber Arbeiter hierljergemiefen mar oon Leuten, beuen unfere Verattjung
Vortheil gebradit hatte, unb baft bie Verathuug ber Arbeiter fidj feinet
megs auf bie Spred)ftunbe ober AmtSftube befchränft, fonbern bei jeber
(Gelegenheit ftattfinbet. Vei Veoifionen, bei UnfaHunterfuchungen, in
ber Vehaufung beS Veamten, oereingelt felbft auf ber Strafte oerlangten
unb erhielten fic Aaift."
©benfo fornmen gu bem Beamten für baS Dber*©lfaft bie
Arbeiter unb Arbeitgeber jeber 3 e ^/ wenn ft* SRathS bebürfen,
obgleich auch hier ein befonberer Sag (ber greitag) hierfür feft*
gefeftt ift. SReiftenS ift es biefern Beamten gelungen, eine (Einigung
gmifcheit Arbeitgeber unb Arbeitnehmern fjerbeiguführen ober bie
gefeftlichen Befttmmungen fo flar gu legen, baft bie 3ReittungS*
oerfchiebenheiten befeitigt mürben. Ser Mangel eines ©enterbe*
gerichts in ©olmar §abt fich f<h° n mehrfach fühlbar gemacht. 2 )
Sroftbem eS ber Beamte für Lothringen an ber nötigen Strenge
gegen bie Betriebsunternehmer nicht fehlen lieft, fann er berichten,
baft fid) bas gute ©inoernehmen mit ben Arbeitgebern roeiter be*
feftigt unb eine erhebliche Störung nirgenbs erfahren hoi- „3m
Uebrigen", heiftt eS in feinem Bericht, „bin ich oon oom herein
bei ben fleinen Unternehmern mit mehr ©ntgegenfommen empfangen
morben als bei ben ©roftinbuftriellen. ©S ift MeS aud) leicht er*
Kärlich- Sie 2öir!ung meiner toohlmoHenben SReoifionSthätigfeit,
oerbunben mit iechnifcfjen unb anberen praftifdjen SRathfchlägen,
ift mehr geeignet, baS Vertrauen bei bem auf fi<h allein ange*
rciefenen Stleinunternehmer gn erroeefen als bei bem über ein fach*
uerftänbigeS Verfonal oerfiigenben ©roftinbuftriellen. Ser per*
fönliche Berfeftr mit ben Arbeitern innerhalb ber Betriebe mar ein
offener unb oiel freierer als früher, unb mürbe nirgenbs burch
baS eftebem theilroeife oorftanbene VHfttrauen ber Arbeitgeber
ftörenb beeinflußt. Auch bie Arbeiterinnen machten h^ioon feine
Ausnahme." SRach ben gemachten ©rfahrungen oemeint ber
lothringer Beamte bie Bebiirfniftfrage gur ©infteÜung roeiblicher
©efjülfen im AuffichtSbienfte.
SaS Verbot ber Befdjäftigung oon Äinbern roirb am meiften
in ben 3i c 9^ien übertreten. gm 0ber*©lfaft mürbe beSmegen ein
3iegeleibefifter mit 100 JL ©elbftrafe ober gehn Sagen ©erangnift
beftraft. 3n ben ©rünben Ijeifft eS: „Bknn auch bie £inoer nur
auf SSnnfch ber ©Itern befeftäftigt morben fmb, um oon ihren
Minbern möglichft früh unb oiel Verbienft gu erhalten, fo entlaftet
ben Anacflagten bies umfomeniger, als er poligeilich oerroarnt mar.
Söegen f orige feftten VerftofteS gegen bie Beftimmungen ber Äinber*
arbeit, ber nach Lage ber Sache als einheitliche ©anblung gu be*
ftrafen mar, erfeftien es angegeigt, auf recht erhebliche ©elbftrafe
gu erfennen, umfomehr als bei berartigen ©eroerbeoergehen fonft
ber baburch erreichte VermögenSoortheil bie Sache (strafe?) nicht
fühlbar machen mürbe." Siefer leftte ©efichtspunft oerbient bei ber
allgemein befannten milben Strafgumeffung, über bie oon 3afjo gn
3aftr in ben gabrifinfpcftionSbertd)tcn geflagt mirb, bie meit*
geftenbfte Beachtung. Auch in Lothringen famen aus bem gleichen
©runbe groei Beftrafungen gegen 3i e 9*[eibefifter oor, mobei gu be*
achten ift, baft ber Beamte nur in SBieberholunaSfällen Straf*
angeige erstattete. Ser Beamte für baS Unter*©lfaft duftert fich
eingeftenb über bie Befchäftigung oon Stinbertt in 3^9^™ :
„Sic Auffaffuiig, baft eine foldje Befchäftigung eine gemerbltdie
unb oon Aedjts megen oerbotett fei, finbet in ber bctbeiligtni Veoölfc*
rmig überall 3^iberfpriid). Sie Arntutb unb ber iSrmerbsfiiiit ber
©Itern, bie fie felbft gu übermäftiger Arbeit gmingen, melrfje bann ©r*
fcftlaffung beruorruft unb ftilfc fudjcti läßt, ihre (Gemübntbeit an int*
befefträurte .^errfdjaft über bie Minber, iftre ©rinnermig an bie eigenen
Miubcrjabre, bie ihnen (Gleidjec- auferlcgten, ber £inblitf auf bie, afler*
bingc- anberS geartete, ftiuberbcfdjäftiguug in ber ^anbrnirtlifdiaft, ber
abfolute Mangel an guten Vcifpieleit innerhalb ihrer Mreife unb bie
(Geioiftheit, baft bie Verbote ber Arbeitgeber nidjt tliatfräftig burch*
‘ J l Vedit begeirfinenb ift folgeube Stelle be^ Veriditö: „©in Aabrif*
bireftor äußerte fid) miftfallig bariiber, baft bie Arbeiter megen jeber
Atleiuigfeit guut (Gemerbeaufmfttvbeaniten liefen. Ser Arbeiter fei bem
Arbeitgeber gegenüber heute nteiftenthcilä int Vortheil, ba er ft er er bie
©riefte oft genauer feuue alo leftterer."
geführt merben, alle biefe Uinfiäube laffen baS Verftänbnift für bas
gemerberedhtlithe ÄinbeSarbeitSoerbot bet ihnen nicht auffontmen. Auch
bie Vetricbeinhabcr beftftett biefeS Verftänbnift gum Shcil nicht, jeben*
faÜS mollett fic ihre Verautmortlidjfeit bei bett Verftöftcn nicht gugebeit.
Ser ©inmanb, baft fic bie ftinber nicht angefteflt hätten unb nid)t aus*
lohnten, baft bie ftittber gegen ihr Verbot oon bett ©Item oertoenbet
mürben, baft fte nod) nie eine Uebertretung beS Verbots beobachtet
hätten, nnb baft bie ©Itern allein recfttlid) oerantmortlich fein fönnten,
mirb ftetS mieberholt. Manchem Arbeitgeber fefteint aud) thatfärf)lid)
baS S^ahrnehmungSoermögen für biefes Vergehen abhanbeu gefoiiimcn
gu fein. SSeitigftcnS hatte ein foldjcr, mit bem ich auf feinem 3t^Q<*l s
felb bie 9ied)tsmibrig!eit ber Vefdjäftigung befprad), angeblicf) rtiäiS
baoon mahrgenommen, baft bie ftittber unter unferett Augen, in 1 ins
10 m ©ntfernung oon uns, SWaterial unb Vacffteine hrr&d* un b fort*
trugen; felbft ber ctma 9jährige ^unge, ber als ftutfdjer einen ein*
fpännigen SSagen mit Vacfftcineti begleitete, mcldjettt mir auSineichcti
muftten, mar feiner Beobachtung angeblich entgangen. Vei einer 8ieihe
oon Acoifionen maren geftfteHungen nicht möglich, meil ein gellenber
Vfiff ober Schrei ober forcirtes £>unbegebeß bie Anfunft beS Beamten
ben Beteiligten angeigte, fo baft bie $ittber 3eit hatten, fich gu oer*
ftectcn ober, mit oom Siehm befdjmuftten ^)änben unb Kleibern miiftig
ftehenb, bem Veamten gn erlläreu, baft fte nur mit Lehm gefpielt
hätten."
Sroftbem im Unterelfaft Verftöfte gegen bie Vorgriffen ber
Befchäftigung jugettbUcher Vcrfonen in Srucfereien unb ©igarren*
fabrifen feftr häufig maren, erfolgte nur eine Beftrafuttg unb auch
in biefern 3?a0e fiel troft ber jahrelangen 3 UTO ^ er hanolung baS
Urtheil fehr tnilb aus, ba bie IDrtSpoligeibehörbe beit erhaltenen
Auftrag, ben V&eberetbeftfcer gu oermarnen, nur miinblich erlebigi
unb ihre SReoiftonen nidftt ernft genommen hatte. Ser Beamte be£
gleichen BegirfS hält eine ftrengere unb allgemeinere |janbhabung
ber bie Arbeitsbücher betreffenben Beftimmungen für bie gebeiblidjc
©ntmicfelung ber jungen Arbeiter oon größter Bebeutung. Sem
fortmährenben gmetflofett SSechfel ber ArbeitSftellen, bem Vertrags*
bruch, bem ©ereittmachfen ber Sreulofigfeit in bie fittlidjen Begriffe
ber jungen Leute mürbe baburch ein nach Lage ber Verhältniffc
burchauS nothmenbigeS §emmnift unb ber £>erfteHung befferer
ftänbe ber 3Beg bereitet merben fönnen. ©iner ber groftten
Snbuftiellen beS BcgirfeS Dberelfaft fprach fteß über bie Schuft*
gefefte für grauen unb £inber baftin aus, baft es nicht fdjäblid)
fei, bie ArbeitSgeit eingufchränfeu. Sie Baffen, ber
jeboch ftörten ben gangen gabrifbetrieb in heroorrageitbcr 'Seife.
9Ran halte ja baraitf, baft biefelben eingehalten mürben, habe fich
auch ßauf ber 3 e ^ baran gcroöhnt; er halte biefelben aber in
tnoralifcher Begiehung nicht für oortheilhaft, ba bie Sagenblichen,
troft ftrenger Beaufftchtigung, rnäftrenb biefer Raufen hoch nur
baS Schlechte, maS S^ber gehört ober gefeijen, gegenfeitig aus*
taufchten.
Sie Befchroerben auS Arbeiterfreifen über bie Verroenbung ber
grauen unb Vtäbchen gum gormen oon BadCfteinen, toirb aus bem
Unterelfaft berichtet, haben nod) nicht aufgehört. Aber nur gang
auSnahmSroeife gelinge es, bie roiberrechtliche Befchäftigung fo feft*
gufteHen, baft eßte ftrafrechtlidje Angeige Ausficht auf ©rfolg haben
fönnte. 3ai gleichen Bericht $eißt eS über baS ÄonfeftionSgeroerbe:
„Auffällig ift bie oerhältniftmäftig oft h ero or treten be ^fbneigung
ber Unternehmerinnen gegen bie UeberarbeitSgeit; fte mirb immer
bamit begrünbet, baft bie Ueberarbeit franf, neroöS mache, ©ine
Unternehmerin hatte megen ber fo erroorbenen SReroofität ben
Betrieb oöttig —, eine anbere auf ßßonate aufgeben muffen."
Begüglid) ber ArbeitSgeit ftnb im Unterelfaft roefentlicfte
Aettberuugen nirgenbs mahrgenommen morben, roohl aber trat bie
Neigung, burch ^ürgung ober 53egfaß ber halbftünbigen Vor* unb
3RachntittagSpaufen bie Schichtbauer gu fürgen, oftmals h*n>or.
V?an glaubte bamit intenffoere Arbeit unb für bie Arbeiter mehr
gamilienruhe erreichen gu fönnen. Lefttere mürbe fich mohl babei
ergeben, erftere aber nach ben oorliegenben ©rfahrungen ftcherlid)
nicht, fo lange bie ©cfammtarbeitSgeit ihre bisherige gcroöhnlidje
Sauer behält. SaS Bebürfttift nach AuSfpannitug ift uberbieS bet
ben geroöhnlichen ArbeitSgeiten fo groft, baft überall ba, mo btc
ArbeitSroeife unb bie Sisäplin es irgenb gulaffen, bie Raufen —
felbft menn fte oertraaSmäftig meggefaHen ftnb — ft<h nad) unb
nach immer mieber einfteflen unb bie ArbeitSgeit — nicht immer
bie Arbeitsteilung — beeinträchtigen. 3n ber Sobafabrif ber
beutfd)en Soloai)*2Berfe in Saaralben (Lothringen) ift bie im
oorigett 3ah*e eingeleitete Aenberung ber gmölffttinbtgeu Schichten
ber Äag* unb 9?ad)tarbeiter in adßtftiinbige nunmehr, nach £>eran*
btlbuttg ber erforberlicßen Viehrarbeiter, ooUftänbig burdjgeführt.
Sie Arbeiter erhalten benfelben Lohn mie für bie frühere groölf*
[tititbige Arbeitsfchicht unb ba burch bie eingeführten Betriebs*
ocrbefferitngen, burd) bie jeftige V^ehrleiftung ber Arbeiter, burch
1149
(Soziale PrajiS- dentralblatt für ©ozialpolittf. Br. 43.
1150
bic beffere Berwerthung ber Boh» unb Betriebsmaterialien, fowie
burd) bic erhöhte Dualität ber drzeugniffe aud) ber Arbeitgeber
feine merfbarc dinbufte erlitten hat, fo finb beibe %ty\k mit ber
neuen dinridjtung feljr jufrieben. $)ie Arbeiter roaren urfpriinglich
gegen bie Steuerung. Aus ben BHttpilungen beS Arbeitgebers
läfit fich fdjliefjen, bafi bie ad)tftünbige Arbeitszeit für ben fontinuir*
licken, Xag unb Bacp fortgefefeten ^Betrieb in ber Ammoniaffoba*
fabrifation nicp nur jum einfeitigen Bortheil beS Arbeiters,
fonbern auch im Sntereffe beS SabrifbefifeerS eingefüpt merben
fann. difenhüttengewerbe liegen bie Berhältniffe ähnlich unb
föitnte auch hier Me acbtftünbige ©d)icp im beiberfeitigen Sntereffe,
beS ©ewerbeinhaberS unb ber Arbeiter, eingefübrt werben.
$)ie Beftimmungen über bie Arbeitszeit in ben Bäcfereien
ftnb nach beit Beobachtungen beS fvabrifhifpeftorS für baS Unter*
elfafc im Allgemeinen als burdjgefiihrt zu bezeichnen unb in
Lothringen finb über ihre Wirfungen mit geringen Ausnahmen
ungünftiae Wahrnehmungen nicht gemacht worben. 3nt Ober*
elfafj ba^n bie Beoifionen ber Bäcfereien ergeben, bafi in oielen
bie Beinliripeit febr zu wünfihen übrig lagt.
SDaS Bcrhalten ber Arbeitgeber gegenüber etwaigen Dr*
ganifationS * Begebungen ber Arbeiter ift nach bem
iotbringifeben Bericht faft ausnahmslos ein feinblicbeS. din
mächtiger ©rofcinbuftrieEer oerfolgte felbft bie ©rünbung fatfjolifcher
Arbeiteroereine mit SBifttrauen, ba er auch bie pe* gegebenen
fozialen Belehrungen für oerberblich b^lt. Bach feiner Meinung
habe bie Arbeiterbeooiferung feinen Anlafi, unzufrieben z u fein,
wenn zu beren Unterhalt für eine auSreicbenbe phpfifcp dmäbrung,
int BothfaEe burch Unterftüfcungen, geforgt werbe.
3n zu>ei Betrieben im Dber*dlfafe würben feine ©trafen mehr
oerbängt, ba bie Arbeitgeber zu ber Ueberzeugung gefommen finb,
bajj ernftlicheS 3ureben mehr hilft als ©trafen. §m Unterelfafi
erftreeft ficb ber drlaft oon ArbeitSorbnungen immer mehr auch auf
Kleinbetriebe.
3 n Lothringen finb nur 4 Arbeitseinteilungen oorgefommen,
wooon brei auf ©djuhfabrifen entfallen. $)ie gelernten Arbeiter,
bie burch ben Uebergang zum Sabrifbetrieb in Der ©«huhmaeprei
ihre ©elbftftänbigfeit oerloren haben, finb p* r bie unruhigen
dlemente.
3)ie wkthfchaftliche Lage ber Arbeiterbeooiferung hat ungeachtet
ber tbeilmeifen Lohnerhöhungen, im ©anzen genommen, feine
Befferung erfahren. SDiefelbe rnufi oielmehr als ungünftiger wie
im Borjahre bezeichnet werben, ba bie greife ber notbwenbigen
Lebensbebiirfniffe, oon BteP unb Öleifcp Kartoffeln, überall in bie
£>öbe gingen, wäbrenb etwa % ber Arbeiterbeooiferung auf bem
früheren Lohneinfommen ftehen geblieben finb. 3n Lothringen
werben, um bem Arbeitermangel abzuhelfen, maffenhaft frembe
Arbeiter, namentlich Staliener, herangezogen. 3nbeffen hat nach
bem Bericht für baS Dberelfafi in feinem drmerbSzmeige ein din*
bringen ber Arbeiterinnen in bisher ben männlichen Arbeitern oor*
behaltene Arbeitsgebiete ftattgefunben.
Berlin. dl. £eifi.
©iptelegenpit für Labnerinnen In ©nglnnb. $>ie Borlage
für Anordnung oon ©ifcgelegenpiten für Berfäuferiitnen in dng*
lanb unb 3nanb hat mt englifchett Dberijaufe ben entfihaften
Wiberfpruch oon Lorb ©alisburp gefunben, ber fcf)on oor einigen
Wodpn bie Annahme einer gleichen Borlage für ©dpitlanb oer*
hinberte. $)ie Arbeitgeber, meinte er, würben bei folcher Bor*
fchrift feine weiblichen Berfäufer mehr einfteEen. 2)er Herzog oon
Weftminfter fefete irtbefi mit grofier Mehrheit eine abermalige
Lefuitg burch unb brachte ein Amenbement zur Annahme, bafc bas
©efefc auch für ©chottlanb gelte. $>aburd) ift bie lefcte Abftimmung
beS DberhaufcS umgeftofien. $>aS ©efefc beftimmt in feinen erften
brei Paragraphen:
1. 3n allen Bäumen eines SabenS, WaarenraumeS, WaarenljaufeS,
ober auberen defdsäjtSfteEen, wo Waaren bem publifum wirtlich im
Kleinen oerfauft werben unb wo drhülfinnen mit biefem Berlauf be*
fchäftigt werben, hat ber dcfchäftsinhaber in foldjett defdjäftsräumen
hinter bem Sabentifch unb in ben Ausstellungsräumen ober einem an*
bereu Crte, ben ein Sabeniitfpeftor auf drunb biefee defeps beftimmt,
©i^gelegenheiten zur Senujjung feiner Angestellten Oorzufehen, unb
Zwar nicht weniger als eine für je zwei in bem Baum befdjäftigte de*
hülfimten.
2. 3£er ben Berpfltcpungen biefeS dejepes nicht nachtommt, h fl t
im fummarifdjeu Berfahren für ben erften Berftofe eine Bu|e, bie brei
Bfunb nidjt überschreitet, oerwirft, für einen zweiten ober folgeitben
Ber ft oh eine Bnfie nicht unter einem unb nicht über fünf Bfunb.
3. $ns defefj foll für dnglanb unb Urlaub (uub ©djotilanb)
gelten unb am 1. Januar 1900 in Kraft treten.
&rbettemr|tyeritttg. Sporkalfm.
c Kranfenfürforge ber 3uualibitätS* mtb AlterSoerficherungS*
anftalteu. 3 U bem Auffah oon Dr. Bothholz in Berlin über bie
Kranfenfürforge ber BerfidjerungSanftalten ber 3noalibitätS* unb
AlterSoerficherung für 1898 („©oziale präzis" $r. 39 ©p. 1055
bis 1058, ogl. auch 9lr. 41 ©p. 1104) erhalten wir oon ge*
fihäfcter ©eite folgenbe weitere 3 uf<hrift:
„3nbem Dr. Bothholz bie 10 Anftalten, bie bie gröfete ab*
folute 3af)l oon entlaffeueu Lungenfraitfen aufweifen, namentlich
heroorl)ebt, z^ht er aus Mefer 3afif ben ©d)lufj, bafi biefe An*
ftalten bie eigentlichen 3 üh*e* ber §eilbewegung feien. SDiefer
©chlufi ift uuzutreffenb, ba ber Berfaffcr bie ©röfee ber einzelnen
Anftalten uub bie £>öhe ihrer dinnahmen ganz aupr Bücf*
ficht iäfit.
9iun zühten aber zum Beifpiel bie beiben Anftalten für bic
Bheinprooinz unb baS Königreich ©achfen oereint um bie ootte
§älfte mehr Berficherte, als bie acht baperifchen Anftalten zu*
fammen. 2>azu fommt, bafi bei Anftalten mit oorwiegenb in*
buftrieHer Beoölferung (zu biefen gehören bie beiben oben ge*
nannten unb mehrere anbere ber fonft aufgeführten Anftalten) hop
Beiträge niebrigen Aufwenbungen für Beuten gegenüberfiehen, wie
bies zum Beifpiel h e roorragenb bei ben Anftalten Berlin unb
!>aufeftäbte ber 8 faH ift.
SSitt man einen einigermafeen richtigen 9Rafiftab an bie
Leitungen ber Berficherungsanftalten legen, fo fann er nur im
Berljältnih ber gefammten Aufwenbungen für bie .f)cilbehanblung
Zur Beitragseinnahme (auch baS Bermögen ober bie 3 a hl ber
Berficherten fönnte zum Bergleich h^rangezogen werben), gefunben
werben.
$)ann aber änbert fid) baS Bilb recht bebeutenb, benn es
faßen zum Beifpiel oon ICO 000 Beitragseinnahme auf Auf*
wenbungen für $eitzwecfe bei ben Berficherungsanftalten: Pen*
fionSfaffe ber Preuffifchen ©taatSeifenbahnen 2223,53 M.,
falen 2152,ci JL, Königreich ©achfen 1346 ,71 Bheiuprooinz
679,09
dagegen: ArbeiterpenfionSfaffe ber Babifchen ©taatSeifen*
bahnen 18 294, : y </# ., Borbbeutfche KnappfchaftSpenfionSfaffe
7041,3! Jt, Braunfchweig 5315, 40 JC, Pofen 5012 ,19 ©d)les*
wig*J)olftein 4037,cs JC. t Dlbenburg 3853 , 6 g JL, Württemberg
3261,76 Jt, Dftpreufien 2374, 48 Ji, Thüringen 2309,59 alfo
überall mep als bei ben oon £>errn Dr. Bothholz rühmenb her*
oorgehobenen oier Anftalten.
®ie BerficherungSanftalt für bie Bheinprooinz erfcheint bei
biefer 3ufammenfteßung unter ben überhaupt oorhanbenen 40 Ber*
fidprungSanftalten uub Kaffeneinrichtungen erft an 27. ©teile unb
wirb zum Beifpiel noch oon zwei baperifchen Anftalten, ©chmabcn
unb Beuburg bei 696, 39 Ji, unb Pfalz unb BegenSburg bei
685,o fi Jt Koftenaufmanb für .ß>eilzwecfe übertroffen. (Bgl. ©. 482
ber Amtlichen Bachrichten beS Bei^S*Berfi<herungSamtS 15. 3ahr*
gang Br. 6 )."
3ur AftSbcpmttg ber UnfaßPerftcherttngSpflicht ^ie Unter*
ftettung beS ^anbwerfs unter bie UnfaöoerficherungSpflicht, ober
weniaftenS einzelner eile beS §anbmcrfS, ift ein Wunfcp beffen
drfüüuna oon einzelnen |>anbwerfSzweigen noch immer angeftrebt
wirb. ©0 wirb ber nächfte beutfehe Stifchlertag wieber über bie
Bilbung einer Xifchler*BerufSgenoffenfchaft berathen. 2)en „Bert.
Pol. Bacp." Z u Solge ift inbefe faum anzunepnen, bafi ber ©e*
banfe ber dinbeziehung beS £>anbwerfS in bie UnfalIoerfi(hernng,
wie er Btttte ber neunziger 3ah« fogar zur Auffteßung eines be*
fonberen ©efefcentwurfes gefüpt hol/ in naher 3ufunft Berwirf*
iichung finben wirb. $>ie ©timmung, bie fich nach ber Beröffent*
lichung beS dntwurfcS in ben 3utereffentenfreifen futtbgab, fei
niep Dazu angethan gewefen, bi£ Begieruugen zu ermutpgen. Auf
jeben gaE bürfte man zunächfi ben Abfcpufc ber dntwicfelung ber
Drganifationsbeftrebuugen beS ^aubwerfs, wie fie gegenwärtig in
Slufi ift unb noch otandps 3 ahr bauern fann, abwarten. ds fei
beShalb auch anzunehmen, bafi mit ber für bie nächfte Tagung zu
erwartenben UnfalloerficherungSnooeEe eine AuSbehnung biefeS
BerficherungSzweiges auf bas §anbwerf nicht oerbunben fein
werbe. 2)ie UnterfteEung neuer BefchäftigungSzweige unter bas
©efeh bürfte fich auf ben Umfang befcpänfeii, ben bie BooeEeti
ber Tagung 1896/97 aufmiefen.
©tabtfölnifihe BerftchernngSfaffe gegen ArbcitSlofigfeit im
B^inter. Bei ber ©tabtföluifchen BerficherungSfaffe gegen ArbeitS*
lofigfeit im Winter melbeteu fiefi 189S/99 373 perfoiten zur Ber*
fid)erung (1897/1898: 351, 1896/1897: 229). £aoon würben
1151
©ogtale $ra£is. Gentralblatt für Sogialpoliiif. $r. 43.
1152
26 gurücfgewiefen, t^eilö wegen ArbeitSunfäbigfeü, teils mangels
ber für btefe Berfiterung erforberlidjen BorauSfeßungen ber Ar*
beitereigenftaft unb ber DrtSanfäffigfeit. 282 SSerfid^erte galjlten
bie 34 B*od)enbeiträge gu 25 4 8,50 dl für baS ©eftäfts*
ja^t ein unb erwarben bamit ben Anfprut an bie Raffe. 144
melbeten fit als arbeitslos; bei ber engen Berbinbung mit ber
Allgemeinen ArbeitSnatweiS*Anftalt Röln empfingen 32 bereits in
ber breitägigen Bkrtegeit anbanernbe Beftäftigung, bie übrigen
112 batten nad) Abgug ber SBartegeit ein Anrecht auf Arbeit
ober Tagegelb an gufatnmen 48S3 Verflogen, eS gelang, fie an
285772 Bkrftagen gu befe^äftigen, für bie 20257? Bkrftage würben
na^ftel)enbe Tagegelber auSbegablt:
*» 90 KorCcivfltf.cte . . . { ^ »» J- M. = 2368,- M
-- Hitucrljciratfjete . . {j.f 1 I ! ^75 I Z ^M!) ^
gufammen für 20257a Tage: 3343,24 M
Tie auSgegablten Tagegelber oertbeilen fit auf 46 Anftreiter,
40 Maurer, 5 £>anbwerfer unb 21 Tagelöhner. TaS Alter ber
SSerficberten ftwanfte gwifeben 18 unb 40 fahren; ber ^aupttbeil
fiel mit 106 SBerfidjerten auf bie SebenSjabre 31—40. Ter Skr*
mögenSftanb ber Raffe betrug am 31. Biärg 116 163,60 <AC. Tie
Tbatigfeit ber Raffe ift gwar gegenwärtig not beftränft; fie ift
aber immerhin ein bübfdjer Anfang, bas Problem ber ArbeitS*
lofen*Berfiterung auf breiterer als ber ©runblage oon Berufs*
oereinen gu löfen; fie ift oiellcit.t berufen, bereinft einer ftäbtifeben,
womöglich obligatorifäjen ArbeitSlofen*Berfitetung bie Bkge gu
ebnen, wie fie neuerbiugS in Bafel oon neuem in Singriff genommen
wirb (ogl. 0p. 905).
(Benofjenfd) afte w ef«t.
AtiS bem fReteaftaftsBeriihi beS BerbanbeS fttueigerifter
Ronfitntbereine pro 1898.
Ston mebnnalS war oon fonfumfetnbltd)er Seite in ber
febweigerifeben ^Sreffe bie Sorberung aufgeftellt worben, es möchte
ben Beamten beS BunbeS, ber Rantone unb bet ©emeiitben oer*
boten werben, bie Stellungen oon BorftanbSmitgliebent, Ber*
waltungSrätben, SRetnungSreoiforen :c. in Ronfumoereinen gu be*
fleiben. 3 ur Begrüttbung biefer Sorberung würbe angeführt, bie
Ronfumoereine ftäbigten, ja oerniebteten ben „Bttttelftanb", ber
bie Steuern in ber ^auptfadje trage, auS benen bie Beamten be*
folbet mürben.
Troß ber offenbaren §a!tlofigfeit biefer Argumentation glaubte
bie eibgenöffifebe Boftoerwaltung boeb, ficb ben SBünften ber flehten,
aber lauten 0d)aar oon RonfumoereinSgegnern gefügig geigen gu
füllen. 9 Ra<bbem fd^on Anfangs 1898 oerfud)t worben war, einen
RreiSpoftfaffier in Gb ur S ur ^Überlegung feiner Stellung als
Btitglieb beS BerwaltungSratbcS beS Gburer BerbanbSoereinS gu
oeranlaffen, foHte im September beffelben Sabres gegen gwei ^ßoft**
beamte in öugern oorgegangeit werben, bie im BerwaltungSratb
beS Allgemeinen RonfumoereinS in Fügern faßen. Unter Berufung
auf bie bunbeSrätblicbe Berorbnung oom 9. Sooember 1897, wo**
nach „bie Stelle eines TireftorS ober BerwaltungSratbS einer (Sr*
werbSgefellfdjaft, fowie bie aftioe Betätigung an einer inbuftrieHen
Unternehmung überhaupt mit einer eibgenöffifeben Beamtung un*
oereinbar" erflärt würbe, würben bie beiben ^oftbeamten „einge*
laben", ihre Acmter im Ronfumoerein niebergulegen.
Tie BerbanbSbireftion würbe oom ^räfibenten beS fiugerner
BereinS oon biefen Borgängen unterrichtet unb um £>ilfe erfaßt.
Sie trat fofort in Aftion unb erfuebte gunäd)ft bie beiben $oft*
beamten, auf bem orbnungSmäßtgen Snftangenwege Befcbwerbe
gegen bie erlaffene Berfügung ber RreiSpoftbireftiou gu erbeben,
unter Berufung barauf, baß ber betreffenbe Artifel ber bmtbeS*
rätblidien Berorbnung auf genoffenfetjafliebe Ronfumoereine feine
Anmenbung finben fönne, ba biefe feine GrwerbSgefellftaften unb
inbuftrielle Unternehmungen feien. Sanier bcfdjloß bie Tireftion,
ben BerbanbSoorftanb gu oeranlaffen, eine Gingabe an ben Bor*
fteber beS cibgenöffifdjen unb GifenbafmbcpartementS gu
ritten unb baffclbc um SReftifigirung ber Biaßnabmen ber Dber*
poftbireftion, refp. ber Rreisbireftion in Ungern gu erfneben. Ter
BerbanbSoorftanb genehmigte in feiner Sißung oom 25. September
ben Antrag ber Tireftion, befdjloß aber im Weiteren uod), eine
Teputation gu £>erru Buubesratlj 3emp gu entfenben, um ihn
and) uiünblid) oon bem 9tecbte ber Beamten, ißre freie $t\i ber
RonfumgenoffenfdjaftSfacbe mibrnen gu biirfen, gu überzeugen.
Am 1 . Dftober ging bie befd)loffene Gingabe an baS Boft*
bepartement gugleid) mit bem ©efut um Bewährung einer Aubieng
ab, unb nad)bem $err BunbeSratb 3«np fit bereit erflärt batte,
bie Teputation beS BerbanbSoorftanbeS gu empfangen, begab ficb
biefe am 8 . Dftober nach Bern. $ad) einem freunblicben Gmpfattg
begannen bie Btitglieber ber Teputation nacbeinanber baS Unrichtige
eines BerbotS ber Tbeilnabme eibgeuöffifcber Beamten an Ronfutn*
oereinSoerwaltuugen bargulegen:
1. bie Ronfumoereine feien feine GrroerbSgefeIIfd)aften; 2. pe
haben einen burcbauS gemeinnüßigen Gb arfl tter; 3. in anberen
Staaten fei bie oorliegenbe S^age längft gn fünften ber R’onfum*
oereine gelöft, wie ein oorgelegteS englifdjes Blaubuch beweife:
4. ein folcbeS Berbot hotte mannigfache bebenflicbe Ronfeguengen
unb fei nur oom Stanbpunft gewiffer Sonberintereffen erflärlich;
5 . ber Beamte höbe ein gleiches Becf)t wie alle anberen Staats*
bürger, für fein üöobl gu forgen.
Tarauf nahm BunbeSratb 3emp baS BJort unb erflarte ber
Teputation, wie baS Berbot gu Stanbe gefommen fei. Bor ge*
raumer 3eit hätte ein eibgenöffifeber Beamter, ber in ber Ber*
waltung eines ßaufanner RonfumoereinS tätig gewefen fei, barum
erfud)t, man möge ihm geftatten, auch fünftig ftcb an ber Rettung
ber ©efeUfdjaft gu betbeiligen. Ter betreffenbe Bereut war eine
Aftiengefettfcbaft unb betrieb ein Sfteftaurant, eine Bäcferei u. bgl.
mehr. Gr mochte wohl früher einen gemeinnübigen Gbarafter be*
feffen fyahm, fegt bagegen fei er im Bkfentlicben eine GrroerbS*
gefeüfcbaft. AuS biefem’ Anlafc fyaht ficb uun ber BunbeSratb mit
Der S ra 9 c ber Anwenbung ber Berorbnung oom 9. 9 ioocmber auf
Ronfumoereine gu befaffen gehabt. Gr beauftragte gunädjft baS
Suftigbepartement, bie S^age in grunbfäglidjer B&eife gn beguf*
achten, ob Ronfumoereine als GrwerbSgefeüfcbaften gu bctrad)ten
feien ober nicht. TaS ©utaebten beS SuftigbepartementS h°b e biejc
Srage bejaht; geflößt bi^ouf, höbe bann auch ber BunbeSratb in
gleichem Sinne entfliehen. _ r
3n Solge beffen fei ber Borfteber beS B°fi s onb Gifenbabn*
bepartements genötigt gewefen, ber Oberpoftbireftion Anweifung
gu geben, baß bie eibgenöffifeben B°fifieamten fünftig nicht mehr
fid) aftio an beit Ronfumoereinen füllten betbeiligen biirfen. J>err
. BunbeSratb 3 cnt P erflärte nun weiter, bafe er ftcf) oon Anfang
an mehr bem liberaleren Stanbpunft gugeneial
ber oon ber Teputation oertreten werbe, unb er ge fiepe offen,
baß er burd) beren Tarlegungen in feinen Ueber*
geugungen beftärft worben fei. 3n Qolge beS SflefurfeS
Der beiben Boftbeantten werbe bie Srage noch einrnaj oor ben
BunbeSratb fontmen unb er werbe nicht oerfeblen, fit für bit Be*
fugnifj ber Beamten, RonfumoereinSämter anxunebmen, auSgu*
fpreten. Snbcffen werbe bie Gntfteibung wieoer oom ©utatten
beS Snftigbepartements abbängen.
Tie Teputation wollte aut & en Borfteber beS Suftigbepartc*
mentS, BunbeSratb Dr. Brenner, auffuten, ber war aber nitt in
Bern. Taber ftidte man ihm natträglit ein oom BerbanbS*
fefretär ©erfaßtes SRemorial, in weitem namentlit natgewiefen
. würbe, baß, rittige Ronfumoereine feine GrwerbSgefellftaften
feien. Balb barauf oerfprat bei einer Befpretnng ber BunbeS*
ratb Brenner bem BerbanbSpräfibenten, bie gange Srage not ein*
mal grünblit ftubiren gu laffen, eoentueH aut barüber not e \ n
befonoereS ©utatten eingubolen. Gr erflärte aud), baß, fofern bie
Ronfumoereine auSftließticb für ihre Btitglieber tätig feien, ber
Ueberftuß nitt ben Gbarafter eines GrmerbeS ober ©ewinneS b a & c -
Sc|on am 21 . Dftober erließ bie Dberpoftbireftion auf Ber*
anlaffung beS BunbeSratl)S 3 cm P ein SRunbftreiben an bie RreiS*
poftbireftionen, burt weites bie frühere Gntfd)eibung, eS fei ben
Beamten bie aftioe Tbeilnabme an ber Berwaltung ber Rottfutn*
oereine ausnahmslos gu unterfagen, wieber aufgehoben würbe.
TaS Bunbftreibcn erflärt, baß alle jene BerbänbSoereine, bie
ihre Organisation gemäß ben Beftimmungen ber Normal*
ftatuten für ftroeigerifte Ronfumoeretne gestaltet haben,
nitt al$ GrwerbSgefellftaften angefeben werben fönnen uttb baß
auf folte Bereine" bie Berorbnung oom 9. SRooember 1897 feine
Anwenbung fiitbe.
TaS war, furg gefagt, ber wefentlite Snbalt beS SRunb*
ftreibenS. Tod) nur BunbeSratb 3emp erftroang fit S u biefer
i ^)öbe ber Auffaffung, oerntöge weiter bie an bie brei Beamten in
| Gl)ur unb Fügern ergangene Aufforberung^gur 9tteberlegung ihrer
, RonfumoereinSämter rürfgängig gemacht würbe. Ter BunbeSratb
: als ©efammtbebörbe änberte bei ber befinitioeu Drbnuttg ber 2 lu*
gelegenbcit nur beu Artifel 3 feiner Berorbnung bah in unt, baß
I fiiuftig Beamten bie 33efleibung oon Stellen geftattet werben fönne
| in Sällcit, wo eS fid; „um lofale Beftrebmtgen oon oormicgeitD
1158
©ogtale fragte. Centralblatt für ©ogialpolittl. 9h:. 43.
1154
gemeinnütziger Slrt hanble unb ein 9ta<f)theil für ben eibgenöfftfchen
SDiettft auggefdjloffen flehte", unb blieb bamit felbft hinter
monard)ifcben Staaten mit ftrammer Seamtenbiggiplin, roie Preußen,
gurüdf. Öffenbar ift ben Quriften beg Suftigbepartementg ber
Önterfcfjieb groifchen Profit unb ©rfparniß, groifdjen ©rroerb unb
Tonfilm noch immer nid^t flar geroorben. Sag Parlament (ber
„Äantongrath") beg Äantong 3 ürid) crflärte fd&on vor etlichen
©tonaten, baß bie fogenannte „Sivibenbe" ber Äonfumoereine, ber
regten nämlich, bie ihre Ueberfchüffe ben Stonfumenten gurüdf*
erstatten, fein dnverb unb alfo auch xtidjt gu befteuern fei. §offent»
lief) roirb biefe ßtnfirfjt halb in ber ganzen ©chroeig maßgebend.
3 üricf). $rof. 3 ul. glatter.
©tatiftif ber Irüerbg* mtb f&irttf^aftögeuoffenf^affeit. Ser
SlEgemeine Serbanb ber auf ©elbfthülfe berupenben beutfehen Gr*
roerbg* unb S$irthfcf)aftggenoffenfchaften, ber 1571 ©enoffenfdjaften
umfaßt, giebt, roie aüjäfjrlicf), 311 m allgemeinen ©enoffenfefjaftgtage
fein Saljrbnrf) aug.
9ta<h ben vorläufigen ©ttttfjctlungen bringt baSSajjrbudf) bie©efchäfts*
refultate non 862 tötebitgenoffenfdjaften mit 497111 ©titgliebem. Son ben
©titgliebcrn cutfaQeu 31,6% auf bas £>anbrocrf, 32,4% auf bic ^anbivirtß*
fdjaft, 36% auf bie übrigen Serufgflaffen. £ic862©enoffenfdjaften arbeiteten
mit 121 % ©liüioticn 9Jtarf ©efefjäftsgutbaben, 39% Millionen ©tarf ©efer»
nen, 628% 9J?tflionen 5D?arf fremben ©elbern unb haben im Sabre 1898
iljreit ©litgliebern 1 ©ZtEiarbe 907 Millionen ©tarf ftrebit gemährt. —
Sag Jahrbuch enthält ferner bie (^efd^äft^bericfjte non 512 ftonfum*
vereinen mit 431 439 ©litglteberu; biefe Vereine erhielten einen Verlaufs*
erlog im eigenen 2ager in |>öbe noit 92 l /a ©Unionen ©tarf nub ge»
mährten ihren ©titgliebem auf bie bezogenen SBaaren 10 ©Unionen
©tarf Sivibenbe. Son ben ©titgliebem entfallen ruub 70% auf bie
minberbegüterten Älaffen. — Ser im Sefib non 56 Saugenvffeufcbafteii
befinbliche ^mmobilienroerth beträgt 14Vs ©tiöionen ©tarf; ihnen ge»
hörten 16 425 ©Utglieber an unb fic arbeiteten mit 3 ©tiflionen ©tarf
©efehäftggutbaben, 450 000 ©tarf ©efernen, 14 ©Unionen ©Utrf fremben
(Melbern, fie errichteten im Sabre 1898 182 Käufer unb ftettten ihren
©Utgliebern runb 1400 Söobnungeu gur Verfügung.
(Sine ^robttftumggettofftnfdjaft alfl Mittel gegen ftrieitSlofigtett.
Seit 1887 heftest in Srüffel eine ^robuftivgenoffenfehaft ber $affe»
menterie*S(rbeiter; fte mürbe nach einem Streifgegriinbet, herum Öobn*
erhöhung geführt uub nach langer Sauer verloren mürbe. Sie Oie*
uoffeufchaft bcfcfjäfiigt aimfcfjlieblich Slrbcttglofe ober Arbeiter, bie in
golge oon Streife« befcbäftiguugglog finb unb bem ©pnbifate ber $affe*
ntenterie*Slr beiter angeboren. Wann bie ©enoffenfehaft nicht aHe Slrbeitg*
lofen befchäftigen, fo roerben fte vom ©eroerfverein entfdjäbigt. Sic
Arbeiter merben mit 50 Qtä. per ©tunbe befahlt. Sie ©enoffenfehaft
hält auch einen Sabeu, roo en detail verlauft mirb, ber Slbfaß Betrug
im lepten ^iabre 2000 big 2400 ftreg. monatlich unb bag vorhanbene
'Baarenlager mirb auf etiva 20 000grcg. gefchäjjt.
Sa8 ©enoffeufdjaftgroefeii in Italien 1898, ©ine eben oeröffent*
lichte ©tatiftif giebt folgenoe Säten über bie italienifdbeit ©oope*
rativgefeEfcßafteii im 3af)re 1898 : 3m letzten 3aljre rourben ins*
gefammt 355 ©ooperativgefeEfchaften gegrünbet, roovon 58 auf bie
üombarbei entfallen, gegen 453 ©ooperativgefeOfdbaften, bie 1897
gegrünbet roorben finb. Unter ben ©eugriinbuitgen befinben fich
25 Solfgbanfen unb $rebitgenoffenfdbaften, 77 Ianbivirthfdjaftliche
Maffen, 129 $onfumgeiiof}enfd)aften, 14 ^robuftivgenoffenfehaften
u. 91. 11 t., roie roechfelfeitige SerficherungggefeEf(haften, Saugenoffen*
fchaften 2 c. Slufgelöft haben fich im Serichtgjahre 97 (kooperativ*
gefellfchaften gegen 61 im Vorjahr.
Scntfdjcr fanbtoirt^fd^afiltd^er ©enoffeiifdjaft$tag von 1899.
Ser biegjäht'ige Sillgemeine SSereiugtag ber beutfdjcn Ianbroirth*
fchaftlidhen ©enoffenf^afteit, ber urfprüitglich für ÜKittc Sluguft in
Slugficht genommen roar, mufete in bie ©eptemberroochc vom 11 . big
16. (September verfchobeu roerben. Sic öffentlichen Sorträge unb
33erhaitblitngen fiitben bemnaef) aut 13. unb 14. ©eptember unb
,^mar 311 Sreglau im £anbeghaufe ber ^rooinj ©chleften ftatt.
SBohnanggreform in SRünchem
©d)on feit einigen Sah^n ftefjt bie ^vac^t ber ©eform ber
Slrbeitcrroohnuuggverhältniffe in ©tünchen im ©tittelpnnfte beg
Sntereffeg großer Streife ber Söehörben unb privaten. Sag un*
gemein rafchc 9lnroad)fen ber ©inroohnerjahl ber ©tabt, bie rapibe
ßntroicfelung jur 3 nbnftrieftabt mußten auf bie Sauthätigfeit
einen (Einfluß augiiben, ber fich nicht immer mit ben berechtigten
Sorberungen ber §pgiene vertrug; unb anbererfeitg ergab fich
aug ber ©ieigerung ber greife für ben ©runb unb 33oben auch
eine roefetttlidjc uub im SSerhältniß ^um ©infommen ber Slrbeiter |
unb ber ihnen roirthf<haftii<h ©M<hgefteflten bebenfliche ©rhöhung
ber ©tiethgpreife. Saß bie hohen Söohnunggmiethpreife eine
Sorberung beg hDljienifch nnb mbralifch vielfach feßr gefährlichen
©chlaffteHenroefeng, überhaupt eine UeberfüHung ber an fi<h fefjon
fleinen Wohnungen im ©efolge hotten, braucht, alg eine allgemein
beobachtete Shatfache, hier faum befonberg ermähnt ju roerben.
Sie Sorbebingungen für eine groedfinäßige Reform ber 3öoh*
nunggoerhältniffe in ©tünchen, bie burdßaug geboten erfcheint, finb
jefet gegeben, ©g hot ftch vor furjer 3 eit ein Ser ein gnr
Serbefferung ber Söohnunggverhältniffe in ©tünchen
unter ber Slegibe beg erften Sürgermeifterg v. Sorfd)t fonftituirt,
ber fich ^ie ©rfteHung unfünbbarer Heiner 23ohnungen für bie
©tinberbemittetten gur Slufgabe gemacht hot. Surch biefen Serein
glauben feine ©rünber feinegroegg eine burchgreifenbe SRefornt beg
Sohnunggroefeng in ©tünchen beroirfen gu rönnen, ©g foll nur
ber Slufang gu einer gemeinnüfeigen, jeben ©chein von roohlthätiger
Senbeng ftreng vermetbenben ShätigJeit auf bem Selbe ber 2öoh*
nunggreform gemacht roerben, ohne baß man eingelneu Unter*
itehmern (©taat, Sobrifanten) ober gemeinnüßigen Sereiuen (Sau*
gen offen f djaf ten, Sau* unb ©par*Sereinen) bie ©elegenheit nehmen
rooEte, für fich gleichfalls auf eine Sefferung ber SSoljnunggoer*
hältniffe ber Slrbeiter hinsuroirfen. — Sigher ift feiteng beg
©taateg ober privater Arbeitgeber in ©tünchen relativ roenig auf
bem ©ebiete ber Söohuunggfürforge gefcheheu: Sie ©entralroerf*
ftätten ber Jönigl. ©ifenbaljnen geroähren in 32 Slnroefen 1071 Sir*
beitern in 262 Somilienroohnungen ein |>eim; eingelne ©roß*
Brauereien haben Slrbeiterroohnungen (jufamuten 123) erfteilen
laffen. Sie Saugenoffenfchaft ©tünchen, ber ©tündjener Sau» unb
©parverein, bie Saugenoffenfchaft Somilienheim haben bigher in
61 Käufern 277 SBohnuugen erbaut; ber Sau* uub ©parverein
beg Saperifdjen ©ifenbaßnerverbanbeg roirb in ßaim bei ©tünchen
big gum öerbft 1899 : 600 SSohnungen für feine ©titglieber er*
richten. Sie fatl)oIifd)en Slrbeiteroereine ©tünchen*Slu*©iefing unb
©tünd^en Söeft geroähren 186 Samilien ©öohuungen.
Ser neugegriinbete Serein für Serbefferung ber SSohnungg*
verhältniffe in ©tünchen, ber von aEen ©eiten alg ber Slnftoß gu
einer umfaffenben Seforrn bezeichnet roorben ift (aud; von fogial*
bemofratifcher ©eite mirb bag Unternehmen, natürlich unter heftiger
Dppofilioit innerhalb ber Partei, geförbert), begroeeft bie .per*
fteEung Heiner, aEen Slnforberungen ber §pgiene entfprechenber
Somilienroohnungen foroie von ßogirhäufern für öebige, bie unter
Sergicßt auf ©eroinn an Singehörige ber vorgenannten Serufg*
arten vermiethet roerben foEen uuo vorbehaltlich ber ©rfüEung
ber Sebingungen beg ©tiethvertrageg unter Slugfchluß ber ©teige»
rung <bcg ©tiethginfeg feiteng beg Sermietherg unfünbbar fmb.
Slußerbem foE für bie ©rrid)tung von Solfgh^imen, ©rholungg*
unb ©pielpläßen für Äinber unb ©rroachfene geforgt roerben. Stach
ben vorliegenben $länen roerben auch innerhalb ber §äuferblocfg
©arten* unb ©pielpläße vorgefehen. Sie ©titglicbfchaft roirb er*
roorben burch 3ohlnng eineg jährlichen Seitrageg von 20 « K. ober
burch 3 c i<hnung eineg Slntheilfcheineg oon 300 JL Sluf Slntheil*
fcheine, bie mit 3 V 2 °/o nerginft unb burch Sluglofung h e imgegahlt
roerben, finb nach ber Slufnahme 75 c /ft eingugahlen; für Arbeiter 2 c.,
bie nicht im ©tanbe finb, fogleid) 75 gu entrichten, finb [inn*
gemäße ©rleichterungen gefchaffen. Auch ift in befonberen SÖEen
©tunbung ber Säten gu geroähren. Sür je gehn Slntheilfcheine
roirb eine Slnroartfchaft auf eine Söohnung erroorben, bie (von beu
Slrbeitgebern alg 3ei<hnern) auf Sritte (ihre Slrbeiter) übertragen
roerben fann. Sie SBohnunggbenuhung, bie burch Uebertragung
feiteng eineg Arbeitgeber^ entftanb, bleibt auch na ch Äünbigung
aug bem Sienft beg Uebertragenben beftehen, big bag ©tiethg*
verhältuiß gegenüber bem Serein nach Ablauf einer halbjährigen
Äünbigunggfrift erlifdjt. Sie Seibehaltung ber von bem feiteng
beg Slrbeitgeberg gefünbigten Slrbeiter bigher innegehabten S$ot) s
nung roirb nadj ©Möglichkeit erleichtert. Söohnungganmartfdiaft
unb Slnthcilgvergiufung gehen uad) bem Ableben beg Snhabcrg auf
Söittmc unb Minber begm. (iltcru uub ©efehroiftern über.
Drbentliche ©titgliebfdjaft gemährt bag Secht auf Sheilnahme
an ber ©titglicberoerfammlung unb an ber Leitung beg Sereineg.
Sluf einen Slntheilfcheiu entfäEt eine ©timine; jeboch ift eine
begreffive ©rabation ber ©timmengahl nach ©taßgabe ber auf einen
Slntheilgeigner vereinigten ©timmen gur Sermeibung einer ©iajori*
firung burch ©roßfapitaliften ftatutarifch feftgefeßt roorben. Organe
beg Sereing fmb: bie ©titglieberoerfammlung; ber von biefer er*
roählte Serroaltunggrath, ber von bem Serroaltunggrath erivählte
Sorftanb, ber von ben ©tiethern gu roähleube Drbnunggaugfchuß.
3m SaEe ber Sluflöfung fäBt bag Sereingvermögcn ber ©tabt*
gemeinbe ©tünchen mit ber Auflage gu, baffelbc gu feinem big»
1155
Sogialc $ra£t$. ©cntralblatt für Soginlpolitif. Ar. 43.
1156
ßerigen S^ecf weiter gu oerroenben. diejenigen Witglieber, bie
bie Auflöfung befßließen, oergißten bantü gugleiß auf Serginfung
uitb SRücfgaßlung ißrer Antßeüfßeine. — durß biefe Seftimmung
foll bie übereilte Auflöfung oerßinbert roerben.
Stößer finb für ben herein gur Serbefferung ber WobnungS*
oerbältniffe in Sh'inßen bereits weit über 1000 Antßeilsfßeine
gcgcidjuet roorben. An einer gebeßlißen ©ntroicflung beS Wertes
fann nißt gegroeifelt roerben, roenn enblüß baS Serftänbniß für bie
Aotbroenbigfeit ber Reform allgemein erroaßt fein roirb, unb roenn
bie Arbeiter, beren Setßeiligung in erfter £inie roünfßenSroertb
ift, über bie ernftbaften unb nüßlißen Seftrebungen beS Vereins
oöttig !Iar fein roerben. die Segrünbung beS neuen SereinS ift
nicht als ßöfung ber Wohnungsfrage in SJünßett, rooßl aber als
bebeutungsootter Serfuß gur Hebung ber faFtifß befteßenben
WoßnungSnotb gu begrüben.
Wunden. $aul Süfßing.
SRilbenrog ber WolmmigSnotß bitrß Vereine, droß beS Se*
fdjluffeS beS ©entraloerbanbeS beutfc^er WauSbefißeroereine nom
§>erbft o. 3-, baß eine WoßnungSnotb in ben beutfßen (Stabten
nißt befteße, taucbt fie in immer neuen (Stabten auf. das
Statiftifße Amt ber Stabt ©ßarlottenburg ßat, roie im Sabre
guoor, mit llnterftüßung ber königlichen ^oligeibireFtion Anfang
Siai eine Erhebung über leerfteßenoe Wohnungen unb ©efßäftS*
loFale oorgenommen. danach ift innerhalb SabreSfrift bie
ber leerftebenben Wohnungen ohne geroerbliße Aäume oon 1021
auf 591 gurüefgegangen, am ftärFften bei Wohnungen oon 1 bis
3 Zimmern, nämlich oon 221 begro. 203 unb 205 auf 30, 50 unb
103, bei ber ©röße ber Stabt alfo gur 3 e ü eine gang Flare
WoßnungSnotß. Aus oielen anberen Stäbten ßabeit roir Aeßn*
lißeS regiftrirt. der Auffßroung unb ©rfolg ber Sauoereine be*
roeift nach ber gleichen Dichtung. So ßat ber Sauoerein gu
Bocholt i. W., eingetragene ©enoffenfßaft mit befßränfter $aft*
Pflicht, einegolge ber 1897 er WoßnungSerßebungen beS iatßolifßen
ArbeiteroereinS, troß feiner nur 78 Witglieber (barunter 36 ga*
brifanten unb 19 Arbeiter) bereits 8 doppelßäufer mit 16 Woß*
nungen gebaut, unb für 1899 ift ber Sau oon weiteren 24 Ar*
beiterroohnungen befchloffen. 3ebe Wohnung umfaßt nach bem
Sabresbericht 1 küße, 1 ketter, 3 untere Woßnräume, 2 obere
Woßnräume, 1 Söller, 1 Statt unb 1 gutterboben. ©in über*
beefter ©ang fteflt bie Serbinbung groifßen £>auS unb Stallung
her. Sebe Wohnung bat einen Abort im Statt, eine $umpe am
überbeeften ©ang; für je groei Wohnungen ift ein Srunnen ge*
meinfdjaftliß. das gange 10 V 2 X 30 in große ©runbftüd Der
©ingelroohnung roirb oon einer lebenben §ecFe umfchloffen. Sn
bie 10 V 2 X 20 m großen ©arten rourben je 4 0bftbäume gepflangt,
ber ©arten ßat einen 2 m breiten burch ein eiferneS ©ttter unb
dßor abgefßloffenen Ausgang nach ber Straße, der Werth beS
©runbftücfS beS eingelnen ©enoffen mit ©ebäuben oon runb
4000 di ift mit 5 % gu oerginfen, roooon 1V 2 % als Amorti*
fation bienen, der ©enoffenfßaftSantßeil beträgt 100 di. — die
Serliner Saugenoffenfßaft fließt ihr 13. ©efßäftsjabr
(1898) mit einer Silang oon 1 856 992 ^. ab unb fonnte 5 0/0
©etoinn an bie ©enoffenfcbaftSmitglieber oertßeüen. Sei einem
AeferoefonbS oon 19 674 di betrug ber ©jtrarefcroefonbs
53 617 di., ber ©rneuerungSfonbS 4445 di, unb bie SRitglieber*
gutl;aben 185 629 di , ber Seftanb ber Sparfaffe 89 594 dl 3m
©angen hat bie ©enoffenfßaft in ber Umgegenb oon Serlin bis
jeßt 176 Käufer mit groei ober brei Wohnungen, Sorbcr* unb
Wintergarten befchafft. demnäcbft roirb bie ©enoffenfßaft für bie
Arbeiter ber naß degel oerlegten SorfigroerFe 35 dreifamilien*
bänfer als kolonie Sorfigroalbc am Saßnßof degel errißten.
Wäbrenb fie früher Schroierigfeiten in ber krebitbefebaffung hatte
unb auf bie ifitbülfc gemeiuniißig benfenber 3)iänner anaeroiefen
roar — auch Staatsimnifter Freiherr o. Serlepfcß bat ißr einen
Setrag gnr Serfiigung geftettt, ebenfo einen fleinen Setrag bie
ScrficijerungSanftalt Sranoenburg —, arbeitet fie jeßt mit einem
großen Sanfinftüut. — die s $ofener getneinnüßige Sau*
genoffcnfdjaft (ogl. Sp. 907) bat ein ©rnnbftücf oon 600 qm
erroorben. Sie null gunäd)ft 200 ^Irbeiterroobnungen oon 1 bis
2 Stuben mit kließe, jebes Saßr 50 Wohnungen mit einem ©e*
fammtaufroanb oon etroa 476 000 di. fdjaffen, die TOetße für
eine Stube foll inonatlid) 4 / ;, 0 c U , für groei Stuben 8 bis 12 di.
foften. — die Veipgiger geuieiunüpigc Sangefellfchaft bat
mit bem 9iatbe oon i'eipgig einen kauf abgefd)loffen, roonad) fie
ein ©elänbe oon 106 810 qm für 86 310 r K ., b. i. für ben
Ciiabratmeter 81 gum Sau oon Samilienbäufern erroirbt. 3 ur
©iiltigfeit beS Sertrages bebarf es nod; ber 3 ll ftinunung
ber Stabtoerorbneten. — Sn SWündjen ift ber Serein für
Serbefferung ber WobnungSoerbältniffe (oergl. Sp. 908) jeßt er*
richtet, ©r roitt oor allem fleine gefunbe Wohnungen fchaffeu, bie
bei ©rfüttung beS ÜJiietb^oertrageS unter ?lnSfchluß einer Stei*
gerung ber &ietße für ben Sermietber unFünbbar finb. — Sn
Stragburg bat bie ©enteinbe eine 3o/,jige ^insgarantie für eine
Million gu ©uitften ber gemeimtüßigen Sangefellfchaft übernommen.
— Sn Siegniß bat fuß aus bem 1898 gegrünbeten ÜRietßer*
oerein ßcrauS eine WoßnungSgenoffenfchaft gebübet. dort ift bie
WoßnungSnotb fo groß, baß baS ©erießt obbacßlofe Serfoncn,
benen bie Sefcßaffung einer Woßnung oon ben Seßörben ohne
©rfolg aufgegeben roar, freifprecßeit mußte, der SJiagiftrat ßat
ber ©enoffenfehaft ein ©runbftüd gur Serfügung geftettt, aber
unter Sebiitgungen über bie Srt ber Wäufer, bie für bie ©nt*
roirfelung ber Saugenoffenfcßaft ßart genannt roerben, unb ähnlich
ßat fieß bie SnoalibenoerficßerungSanftalt geftettt. ©leicßrooßl roirb
bei bem bringenben Scbürfniß ein feßnetter Sluffcßroung erßofft. —
Sn Süttringßaufen (Sfthcinlanb) ßat fid) aus ben kreifen ber
Sürgerfcßaft ein gemeinnüßiger Sauoerein gebilbet; bie Stabt
betßeiligt fieß an bem Unternehmen mit 3000 di unb übernimmt
ferner bie ©arantie für ein darleßen oon 20 000 Al. — Sn
Stabe ift eine Saugenoffenfcßaft m. b. £. gegrünbet roorben, bie
ben 3roccf ßat, billige unb gefunbe Slrbeiterrooßnungcn gu errichten.
— Snkrefelb ßat fieß naeß eingeßenben Serßanblungen, in benen
baS Sorßanbenfein eines Mangels an fleinen Woßnungen in
krefelb betont unb angeregt rourbe, namentlich beit Sau oon ©in*
ober 3meifamilienßäufern in SluSficßt gu nehmen, ein gemein*
nüßiger Sauoerein gebilbet. — Sa köln ßat bie gleicße 'Sftot gu
äßnlicßen ©rroägungen geführt.— Sn Sramfcße beließt ein Sun*
ocrein, ber bislang 15 C£infamilicii*Wohnßäufcr fertig gcftcllt Bai.
der $rciS ber ©infamilienbäufer fteilt fieß bis jeßt aut 2000 bis
3000 dt, oon bem ©rioerbcr müffen miubcftcnS 300 c 4L angegablt
roerben. — der WoßnungSoercin Ulm gur Sefcßaffung gefuuber
unb billiger Woßnungen für arme teilte ßat bis jeßt ßeute fdion
neun doppelßäufer mit gufainmen 62 Woßnungen ßergeftellt, in
benen 360 ^erfonen nntergebrad)t finb. Segaßlt roerben für biefe
Woßnungen an Siietße pro Saßr 128 unb 270 dl ©S ihijen
bem Serein noeß 5358 dt Stteingeroinn gur Serfügung, roomit
3 3 /4 °/o dioibenbe an bie SIFtionärc oertßeilt roerben fö\\\\a\. —
Sn Sranffurt a./i)i. ift groifeßen groei Stiftungen: Weißfraucu*
ftift unb St. katbarinenftift unb ber ^FtieugefeUfcßaft für Heim
Woßnungen ein ©rbbauoertrag gu Staube gefomnten. die dauer
bes SertVagS ift 80 ber ©rbbauginS für je 20 2lr 240 dt
jäßrlid). — der ?lltonaer Spar* unb Sauoeroein ßat Bereits
277 Woßnungen erbaut unb im uäcßften Saßre fotten 93 Woßnungen
erftellt roerben.
&ux WoßmtngSfrage tu ^ranffnrt a. 9JF. „die Slftienbaugefefl*
feßaft für Heine Woßnungen in Öranffurt a. 3R." ßat, um
bie großen Arbeitgeber gur 3 e i(ßaung neuer Aftien gu oeranlaffen,
Srojefte für Neubauten im Setrag oon meßr als 2 000 000 c/#.
ausgearbeitet, unb fieß bereit erflärt, ben Aftiengeidjneru für je
3 Aftien ä 1000 di baS ftteeßt gu aeroäßren, ben Siietßer einer
Woßnung gu beftimmen. S^bocß fouen bie Wietßer im kontrafts*
oerßältniß nur mit ber ©efettfeßaft fteßen, alfo namentlich nießt
ber ©efaßr auSgcfeßt fein, rooßnungSloS gu roerben, roenn fic ben
Arbeitgeber roecßfeln. die Stabtgemeinbe als größter Arbeitgeber
innerhalb ber ©emarfung ßat fuß auf Anfucßen ber ©efettfeßaft
bereit erflärt, bie S^aungSlifte eröffnen unb 200 Aftien
gegeießnet, fo baß fie gegen 60 ftäbtifeßen Arbeitern Woßnung
roirb geroäßren Fönnen.^ ^öffentlich folgen bie prioaten Arbeitgeber
bem hiermit gegebenen Seifpiel.
Son ben Neubauten fott übrigens nur ein dßeil auf ©runb*
eigentßum ber ©efettfeßaft, bie £mlfte oielmeßr auf bem derrain
beS katßarinen* unb WeißfrauenftiftS (einer öffentlißen Stiftung
gur llnterftüßung alter grauen) errißtet roerben. die ©efettfeßaft
ßat baS derrain oon ber Stiftung auf 80 Saßrc in ©rbbau
(§. 1012 S. ©.S.) genommen, gaßlt roäßrenb biefer 3 f d Ber
Stiftung baS aßtfaße bcS jeßt burß lanbroirtßfßaftliße Ser*
paßtung erlöften SetrageS, unb giebt naß Ablauf ber ©rbpaeßt
bas ©elänbe fammt ben oon ißr errißteten Woßußäufern, —
beren SauFoften ingroifßcn amortifirt fein müffen — gurücf. Ser*
ßanblungen roegen ßppotßefarifdjer Seleißung beS ©rbbaureßts,
beßiifs ©eroinnung oon SauFapüal (§.1017, 1113 S. ©.S.) finb
bereits eingeleitet.
$oß ein anbercr feßr intereffanter Serfuß gur tßeilroeifen
Höfling ber Wohnungsfrage roirb gur 3eit in granffurt gemaßt,
der Sefiß oon Käufern mit Fleinen Woßnungen ift an fiß ein
fißeres unb rentables ©cfßäft.
1157
©oktale ^rayis. Gcutralblati für ©ogialpolüif. Ar. 48.
11 öS
£roßbem roitt fein ftapitalift folcße Käufer erwerben, weil er
bie Verwaltung fcßeut, uitb besßalb baut fein Bauunternehmer
folrf^e Raufer, weil er weber fein (Mb feftlegen fann, noch AuS-
fic^t hat, eS — burch ben Verlauf ber Raufer mit fleinen BSoß-
nungen — wieber flüfftg machen gu fönnen.
3n meinem bem Verein für ©ogialpolitif 1886 erftatteten
(Machten über bie ©oßnungSnotß finb biefe „Hemmniffe ber
SßoßnungSprobuftion" ausführlich bargclegt, unb es hat nunmehr
ein theoretifch unb praftifch mit ben wirtschaftlichen Verhältniffen
oertranter Banquier, Gaefar ©trauß, eine (Gefedfdjaft mit be-
fchränfter Haftpflicht begrünbet, welche fi<h, gang auf jenen (Grunb-
gebanfen berufenb, gur Aufgabe fteflt, bie Verwaltung non
Häufern mit fleinen Wohnungen — non 2 bis 3 3 i*nroeni —
gegen eine nach B^genten ^ cr Vfiethe berechnete Vergütung gu
übernehmen, unb bann, wenn ihr bie Auswahl ber Miether über*
taffen ift, auch ben Gingang ber Mictfjc gu garantiren. ©elbft-
nerftänblich müffen bie Hauseigentümer, bie ftd) auf biefe Art eine
nach menfchlichem Grmeffen abfolut fichere Aente oerfdjaffen wollen,
ben Mietvertrag unb bie .pauSorbnung acceptiren, welchen bie
(Gefeüfchaft ihren (Gefdjäften 311 (Grunbe legt; auch fönnen fie weber
Miethfteigerungen noch Äünbigungen oornehmen'.
Gs müffen eben bie Mieter in folgen §äufern baS Bewußt*
fein haben, baß fa, f° lauge f* e vertragsmäßigen Verpflich¬
tungen erfüllen, gang ebenfo unabhängig unb fichcr wohnen, wie
es in ben $äufern gutgeleiteter gemeintiüßiger (Gefedfchafien ber
SaH wäre. "GS ift leicht möglich, baß ber Anreger ber neuen (Gc-
fellfchaft Specht hat, wenn er hofft, baß bie Möglichkeit, ber Ver¬
waltung überhoben 311 werben, manche Sfapitaliften geneigt machen
wirb, künftig foldße Häufer erwerben, unb baß biefe Häufer
mehr als bisher ein ^aufobjeft werben, mit beffen Herftedung fid)
bie Baufpefulation befchäftigen fann.
granffurt a. M. ölefd).
dtfielptitg unb fiilbnng.
Hocßfcßnle für HanbclS- ttnb ©ogialwiffcnfcßaften in gfranf-
furt a. SR. T)aS Snftitut für (Gemeinwohl hat ber ©tabt
30 000 , // jährlich unter ber Bebingung angeboten, baß bie ©tabt
einen gleichen Betrag für eine nach ber fogialroiffenfchaftlicheh
Dichtung hin erweiterte HanbelShodjfchule gewähre. T>er in golge
beffen an bie ©tabtoerorbnetenocrfammlung gelangte MagiftratS-
antrag, einen ftäbtifchen 3ufd)uß oon 30 000 j!(. jährlich gu be¬
willigen, hat bie 3 u fti nttnun 9 beS ©onberauSfchuffeS gefunben,
unter ber VorauSfeßung, baß über Aufgaben unb Drganifation
ber Anftalt gwifdßen ben ftäbtifchen Behörben, bem Suftitut für
(Gemeinwohl nnb ber HanbelSfatnmcr eine Ginigung erhielt werbe.
gortBtlbnngSfchnlcn. Auf bem ©täbtetag ber Vrooinj ©achten
am 1. Soli fam ber als Gßrengaft gelabene ©taatsminifter
Dr. Freiherr oon Berlepfd) in feinem Xrinffprud) auf bie B>id)tig-
feit ber gfortbilbungSfcßulen 311 fprcchen. Gr äußerte fid), bie Ver-
hanblungen beS ©täbtetageS über HauShaltungSfchulen unb VolfS-
bäber hätten flar erfennen laffen, wie wichtig bie Mitwirkung ber
Verwaltung bei ber fiöfung ber fo^ialpolitifdjen fragen fei. Gine
ber wießtigften fragen, an ber bie ©täbte mitarbeiten, fei bie gort«
bilbungSfdjulfrage; hier halte er bie obligatorifcße Ginführung beS
gortbilbungSuiiterridjtS für nothwenbig:
„B$ir Flagen", fo äußerte fid) ber Aebner, „unb nidjt mit Unrecht;
über eine gewiffe Verrohung ber jungen gabrifarbeiter in unfereu
größeren ©täbten. Sa, meine Herren, wenn man fuß oorftedt, baß ein
kinb oon 14 Saßren, faunt ber ©cßule entwaeßfen, in eine gabrif ge-
[d)idt wirb unb nur Mittags nnb Abenbs mit feiner Familie gufammen«
fouimt, feine weitere gortbübung überhaupt nießt gepflegt wirb, bann
fann man fieß nießt wuitbem, baß bie ©Utenlofigfeit unter biefen Volfs-
feßießten immer meßr an Ausbeßnung gewinnt. Tiefe Sugenb barf
man nid)t ißrem ©cßidfal überlaffen, fonbern man muß ißr in
obligatorifcßen gortbilbungSfcßulen eine fittlicße Grgießung geben."
HattSßaltnngSttnterricßt in ben Bonner Volföfcßulen. Tie
Bonner ©tabtoerorbneten haben befcßloffen, ben wahlfreien HauS-
haltungSunterridjt in ben Mäbcßen-Volksfcßulen eingufiißren. Tie
Mäbcßen beS 7. unb 8 . ©cßuljahreS follen an einem 2age ber
V3ocße biefen Unterricht erhalten, ohne baß bie Vflid)tftunben er¬
höht werben. *2)ie 3Räbd)en, bie nicht an bem HauShaltungSunter-
richt fid) betheiligen, haben bem fchttlplanmäßigen Unterricht beisu-
wohnen. ^ie Soften für Ginführung beS Haushaltungsunterrichts
finb auf 7500 Ji oeranfchlagt. ^ie 2)enffchrift beS ©tabtfchul-
infpeftorS Dr. ©pringer erwähnt, baß oon ben im lefctoergangenen
©chuljahr entlaffenen Biäbchen nur 6 % in ben HauSbienfi, ade
übrigen aber in öabrifen, in baS (GewerbS- ober ©efchäftSleben traten.
Hocßfchulfurfe für B^atmheim. 3n SRannhetm ift unter Vor-
üß beS DberbürgermeifterS ein Komitee gufammengetreten, bas
bort Hochfdiulfurfe eiit^urichten gebenft. s Dtan unterhanbelt jeßt
mit ben H e ibelberger $>ogenten, bie Äurfe ab^uhalten geneigt finb.
3um Einfang beS 2BinterfemefterS foden bie Borträge beginnen,
BolfSOorftellnngen beS SRannheimer $oftheat$rl. Mann¬
heimer ©tabtrath hat in (Gemeinfd)aft mit feiner ^heaterintenbang
befcßloffen, im fommenben ©pieljalir VolfSoorftellungen gu
einem GinljeitSpreiS oon 40 /$ (80 4 für bie &oppelfarte) gu oer-
anftalten. 2)‘ie Vorftedungen foden an ©onnabenb ^Ibenben um
8 Ul)r beginnen unb es foden oorerft im nächften ©inter etwa
oier ftattßnben. Man gebenft nur flaffifche ©tücfe gur ^)arftedung
gu bringen. S)ie 3 uweifung ber Vläße gefeßieht in ber V^eife,
Daß bie harten in oerfcßloffenen GouoertS in eine Urne gelegt
werben, aus welcher man fid) nach Begabung bie harten in ber
3aßl gieht, wie man Beträge gegahlt hat-
©^uleroorfteduttgeti in Magbelmrg. Sie es in Hamburg ftßoit ein-
geführt ift, ocrgl. Sahrg- VII, ©p. 6S4, follen nun auch inMagbeburg möglidjft
aden Schülern unb ©d)ülerinuen ber VoIfS- unb Vürgcrfcßnlen Vor-
ftellungcii im 9J?agbclmrgcr ©tabttheater gugänglid) gcniadjt werben.
Xer oon ber 2el)rerfdiaft gewählte 'JluSfcßuß hat gur iHuffübruug oor-
gefdilagen: Wilhelm 2:ell, Sungfrau oon £rlcan§, 2)te ©lode (feenifeße
i'arfteliung mit lebenben Vilbern), SWinna oon. Vamhelm unb £ic
HermannSfchlacht. 5üer 3luSfd)uß fdjließt fteß hier im SGefcntlicßen bem
Hamburger Vorbilbc an.
DefterretcßifcheS fnnftgcwerlt im Han^halt beS Arbeiters.
5)aS öfterreießifeße Mufeum für ^unft unb 3nbuftrie in V^ien hat
eine VreiSauSfchreibung für Gntwürfe funftgewerblicher Objefte er¬
laffen, bie in ihrer Einlage unb ihrem .f)erftedungSpreife für ben
©<hmucf beS Arbeiterhaushaltes paffen foden. 3)ie Mittel gu biefer
VreiSauSfdjreibuug — 4450 fronen — werben mit (Genehmigung
beS faiferlidjen DberhofmeiitcramteS ben Gingängen beS Hoftitel-
^ajfonbS entnommen, jenes Sonbs, in ben bie ^ajen für bie
3uerfennung beS Hoftitels oon ben Snbuftrieden unb ©ewerbe-
treibenben entrichtet werben. 2)ie neue MufeumSleitung wid ben
ftunftfinn mehr als bieS bisher in 2£ien je angeftrebt würbe, in
in bie große Maffe beS VolfeS tragen. Als fßreiSaufgaben würben
geftedt: 1 . Gntwürfe für bie 2Bot)nungSeinrid)tung eines
oerheiratheten Arbeiters. $)er HcrftedungSpreiS einer folcßen Gin¬
richtung einfchließlid) beS VJafchferoice fod 300 fronen (150fl. ö. V$.)
nicht überfchreiten. 2 Gntwürfe für ein Vorgellan- ober
! gapenceferoice für einen einfachen Haushalt (für 12 Verfonen).
1 3. Gntwürfe für ein mit 2. harmonirenbeS (GlaSferoice unb enblid)
1 4. Gntwürfe für ein gwecfentfprechenbeS i?einen-2)amaft-2:ifchgeug
| für 12 Verfonen. 2)ie greife für bie V3ohnungSeinrichtuug be-
1 tragen 2000, refp. 800 fronen, bie greife für bie übrigen Auf-
I gaben je 400, refp. 150 fronen.
fiitermrirdje Jtajeigett.
! i'aß, Dr. ^ubwig, ftatferl. Aeg.-Aath, ^as ^rogeßreeßt in Unfall-
I ücrftcberungsfadjen. Unter Veuußung amtlicher Cucflen bav-
geftedt. Berlin 1899, Garl HepmannS Verlag. 648 ©. Breis
10 M.
^as Brogeßrecßt in UnfalloeifußerungSfacßen berußt nur in feinen
Grunblagen auf gefeßließen Vorfcßriften. ©ein Ausbau ift mit Abfidjt
ber Brarts ber mit ber Ausführung ber Unfadöer)ld)erungSgefepe be¬
trauten Snfiangen überlaffen loorben. ©0 hat fid) im Saufe ber geit
ein Bi’ogcßredjt entwirfelt, baS wegen feiner ^ormlofigfeit unb Glaftigität
überall nngetßeilten Beifall gefunben hat. BiSßer feßlte es an einer
fpftematifißeu 5)arflcllung biefes in ben 14 Bänben ber „Amtlicßen Aad)-
rießteu bc^ AeicßS-VerficßernngSamtS" gerftreuten unb in bem oon ber
gleicßen Behörbe herausgegebeuen „Hanbbud) ber UnfaOoerücßeruiig"
(2. Aufl., 2eipgig, Verlag oon Breitfopf & Härtel 1897) aueß nur in
gweiter 2inie beßanbelteu Aed)tSftoffeS. 5)ie Vearbeitung beS progeß-
recßtlicßen 2ßcileS ber gweiteu Auflage biefes bewäßrten Hanbbudjs
hat bem Vcrfaffer bie Anregung gu biefer fpftematifdjen SarftcHung
gegeben, bei ber außer bem Aftenmaterial beS Aeid)S-Verfi(ßeruugs=
amtS aueß bie Aecßtfprecßuug anberer fteridjtsböfe — bcs AeidjsgcricßtS,
beS B^euß. Dberoerwaltungsgericßts, beS SimbeSamtS für Heimatßwefcu,
ber Gewerbcgeridite u. f. w. — berangegogen worben ift. Tao Budi
bürfte für bie Verufsgenoffenfcßaftsüorftänbc unb namcittlid) für bie
Vorftänbe ber ©d)iebsgericßte ein uncuthchrlicßcS Hanbbud) werben,
©tatiftifeße Monatsfcßrift. H^auSgegeben oon ber f. f. ©tntifti»
fcßcu Gentral-.dommiffion. Acue golge. IV. Sahrgang, Auti-Heft.
B?ien 1899, Alfreb Hölber.
©craturoorlli^ für bie »ebaltton t. 8.: Dr. (Siemens &cIb, Berlin.
So.^ialc HrajriS. Gcntralblatt für Sojialpolitif. 9?r. 43. 1160
©ie ,,£» 0 tlale $)ravie“ eridjeint an jebcm ©onnerötaa unb ift burdj aUe HudjljanMunßen unb ißoftamter (^oiticitungänummer 7072) ju beaieljen. ©er
für bn$ Hierteljabr ift 9)Z. 2,50. ^ebe Kummer foftet 30 Hb ©er AnjetqenpreiS ift 60 $f. für bie breigefpaltene Hetitjetle.
Zu Bismarcks Gedächtnis.
Gustav Scbmoller,
Berlin.
JYIax Lenz,
Berlin.
6 ricb JVIarcfcs,
Leipzig.
Brste bis dritte, unveränderte Huflag c. 1899.
preis 3.60 JW. r gebd. 4.80 JVI.
Soeben bei ©lt lief er & u m blot in 2cip$ig erfdjicnen: |
Siilirlmdi für fticiclijttiiiij, ^rriuftltung in) MMirtlW 15 ^5850
tm^eutrdTßuitetcit* mBWSpWK'bwsJ
JpcrauSgcgcbeit non ^3^ "««.m*« *«
©uftttt» 5 d)tn«Ucr. „ D ^, J .“ 1 U 1 Z 1 L
XXIII. latjtgnng, Drittes geft. fJriis 10 Pnrlt. 6r, " a "
3ttf)alt*üücrfirfit: ©ie Getreibepolttif ber Zapfte, Hou Vilbel tu föaube. — ©ic Teilung , — —
ber (irbc. <5ine 8tubte über ba* fociale Problem in beutfdjer Sage unb ©iebtung. Hon *>«*
$ au 1 Hidit er. — Fragment ans einer „^bilofopbie beSGelbeö". Hon ©eorg Simmel. — «•“‘h** R4TU,d "
SBirtirfjaftlidje llntcrind)ungen über bie Hclaftuug ber beutfdien ^nbuftrie burd) bie Arbeiter* *****»,«
Her[icf}erung$= unb Sdjupgeiefogcbung. Hou gabrifbireftor Grcifjl. — lieber einen neuen
Herfud) einer Arbeite* unb SHerttfjeoric. Hon '21'. 2eri£. — llcbcrficbt über bie neueren *"*“ aw <6
Heftrebungen unb Hcfonmiorirfiläge in ber 2i>ol)uung*fragc. Hon ^egierungsaffeffor 0>raf 1 Dnck aiuj “
Sftoebern. ©ie fociale ^ufammenfcjuing ber Hcoölfermig im ©eutfdien Heidjc nadi ber r u venQ * ° Tt
Hernfäjäfylung ootn 14. 3>uni 1895. Hon i'aul Möllmann. — Haiffeifcn. Hotten _ ~~ „,
«tur (tfefdiidjtc be3 lanbioirtfcfyaftlicfjen OJenoffcnfdjafteioefenä in ©eutidjlaub. Hon ..■.■■ , :::"_ c . n r ,< -
S. SBpgobjinsfi. — Heridit über bie 18 . SaljreSoerfamntlung be* ©eutjdjcn Hereins . -°*— *
für Armenpflege unb SSofjltfjätigfeü. Hon (ituil 3Kiinfterberg. — $ur öfterreidjifdjen »"£«,_, a
HenualtungSgefdjidjtc. Hon 7veIir Hadifabl. — ©ie gegenwärtige nnrtftfjaftlicfye 2age
ber Spipeninbuftrie (Industrie des tulles et dcntelles) in Helgicn. Hott £>aubetefamnter* «ggg i
fefretär Dr. ©ictrid). — 2itteratur.
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Sttronner 44.
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mit bet ©tonatSÖetlage:
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®rgan bes Oerbattbes bculfdjcr (Betoerbegertcfyte.
©eue golge bet glätter für fogtafe ^rajtS* uttb beS „Sogialpolittfdjen EentralölattS*.
(frfgciitl n icke» Sximexftcg. ^)€CaU§geBer: frei« öicrtelj**rli* 2 BR. 50 «f.
SRebaftton; ©erlin W., ©ahreutherftra&e 29. Dr« Ctttß ©erlag boit Wunder & Vumblot, Cetpgig.
3 uh alt.
© ie beutfdjen©olf«btbnotl)e!en.
©on Dr. ©rnft ©c$ulfee, ©exltn.
1161
Hin cm etax 6 »4 Ul« unk ttUtUaftl*
**IUtf.1168
8lxbett8fainm<x bet ©tabt güticb 1898.
^ottanbifdjeS 8trbeiterfefxetaxiat
Bhcbeitexfefxetaxiat in SBxeßlau.
SRinimaUobn unb äRagimalaxbeitdaeit
in Blmfteibam.
gfeftet Sobn füt Äettner in Hamburg.
S«ftfais .1169
$auftinbufttie al£ golge beä IxbeftS-
mangels in bet ©foxgljeimex ©ijou*
texieinbuftrie.
SlxbeitSoexb<niffe in »euwgjotf.
Sanbtoixtbfdjaftliefce VxbeitSlbbne in
Englanb.
ßöbne bei fommunalen ©xom»a$« in
Englanb.
fibbne bet fcJjmeigextfeben ©tfenbaljn*
axbeitex.
©exfdjtebung in bex ©xtoexbötljätigfeii
junger üttäbdjen.
SlxbeitSlöbne im englijcben unb amexi«
lanifeben ©djtffbau.
Btxbeitfllbbne in gnbien.
tt£»citrrbetoegii«g.1171
3ut Slxbeitexbemegung.
^bxifilicbet SRaurexbexbanb ©eutfdj«
lanbS.
3ebnftunbentaa in bex öftexxeicfcifeben
Seytilinbuftxfe.
©txeifs unb (SinigungSömtex in gtcurt-
xeicb 1898.
©elgiftfcer Slxbeitexinnenfongxefe.
«rtettexffttt*.1174
©olijeiöexoxbnungen jum ©cJjufce bex
Hxbetter auj Sauten.
Sfxbeitß^eit in ben ©etxeibemöblcn.
SRecbtSfxäftige ©exlautbaxung bon
öxbeitSorbnungen.
Slxbeitexfdjufr bei öffentlichen Siefexun*
gen in Deftexxeidfo.
Slxbeitexfdjufe in bex teramifeben 3n-
buftrie ©ngtanbS.
SlxbeitSoxbnungen in ©elgien.
©ie ftonfexena bex bapexif eben gabtüen«
unb ©e»exbe»3nfpeftoxen.
Vxbeitertietfidiming. ©paxfaffest 1176
3ux Dxganifation bet gemexb»
lieben Unfallöexfiebexung in
gxanfieidj. ©on g. ©ebott«
boefex, ©axi«.
©ie UnfaflöerfiebexungSboxIage in ben
Btieberlanben. ©on Dr. 3. $. üan
3anten, Bmftexbam.
BÜtexSdexfoxgung unb Srmenfüxfoxge
in Englanb.
ltx»ett»it«4»rf#.1178
Dbligatorifcbex Blrbeit£nacb»et8 bex
©ääexinnung in ©xeSben.
©tSbtifcbex 8xbeit£na<btt>ei6 für
©ebbneberg.
göxbexung bex gaebauöbilbung buteb
ben SlrbeitSnacbtoei« in ©üffelboxf.
©8obXfabxtfeimri4tniiaeu .... 1178
©tiftungen, ©ermäebtniffe unb @e*
febenfe ju ©unften bet Arbeitet.
CBobnuuflSmefen.1179
8lxbeitern>obnung£n>efen.
2Bobnung8pflegegefeb in Sübecf.
©eue fflrbeitexfolonie bei ©exlin.
2Bobnung8oexböltniffe in amexifa»
nifeben ©töbten.
©MUUoIitif «• 0t*ftaftt»at im ©er*
ftUMefes.1180
Regelung bex Slibeittjett bex 3 U 8*
fübxex unb £eigcx in granfrei dj.
^Betriebsunfälle auf ben gxofe«
bxitannifeben Elfenbabnen.
Blxbeitöbexbältniffe auf ben italienifd&en
Sabnen.
Stlexaxifftc ttsftiti*«.1181
Snbalt beö (SemexbegextcbtS 5Rx. 11.
Beilage t „®*l ©efeexkegexidit" 9tx* 11«
Ubbrucf fammtliebex Slrtifel tft ßeitunaen unb ge!tfe|xifte« geftattet, jeboeb nur
mit bottex Quellenangabe.
Bit btntffytn üolksbibliotytktn*
ftatifiifd»c 2lmt ber Stabt S)ortmunb, ba8 ftc^
fetjon öfter burc^ bie Verausgabe allgemein intereffanter ftatiftifc^er
Arbeiten oerbient gemalt bol/ 1 ) oeröffentlicbt foeben einen „33e*
l ) 3 .©. im uorigen 3al)re burtb eine Arbeit über bas gort«
bilbungsfebulmefcn (f. beit lanfenben 3abrQ an 9 l> cr «Sozialen
i*r«ri*" 9ir. 12 5p. 920 t'.).
rid)t über baS ©rgebnife einer Sftunbfrage bei 40 beut«
feit Stabten, betreffenb ©olfsbibliotbefen unb ßefe*
ballen" (23 Seiten 4°). £)erfelbe bef<f)ränft ficb im Slllgemeinen
barauf, eine tabeüarifctie 3ufammenftellimg ber uerfebiebenen S)aten
für bie SXnftalten in 40 beutf(ben Stabten ju geben unb räumt
allgemeinen Erörterungen nur wenig Staum ein. Slber gerabe in
biefer Slnappbeü jeigt er auf bas Scbtagenbfte, toie armfelig in
S)eutf(blanb bie freien öffentlichen 33ibliotbefen, bie jebent Er«
roaebfenen jugänglicb finb unb fiefeftoff für alle ©ilbuitgSfreife
enthalten, fefbft in ben gatten botirt finb, bie biw bcrau^ 9 ^gnffcn
mürben unb bie bod) febon bie beften biefer Slnftalten in $5eutfcb*
lanb barftetten.
3n ber £bat finb mir in ©eutfcblanb in biefer Schiebung
noch recht weit gurütf, obwohl wir oerbältnifemäöig früh mit ber
Errichtung folcher Slnftalten angefangen haben. ®enn wäbrenb
Englanb etwa 00 m Sabre 1851 an public libraries errid^tete unb
in granfreich bie bibliotheques populaires unb bie bibliothöques
scolaires oon SWitte ber fecpSgiger Sabre ax\ entftanben, würbe bie
erfte ^Berliner ©olfgbibliotbef f%on im Sabre 1850 eröffnet. Slber
wäbrenb bie freien 23ibüotbefen EnglanbS, BiorbamerifaS unb
tbeilweife auch granfreiebs ficb in auSgegeicbneter 3Beife entwicfelten,
war baS ben beutfdben ^tnftalten unmöglich gemacht, ba fie mit
gu geringfügigen ©elbmitteln oerfehen wurben. ©on gang oer¬
eingelten Ausnahmen abgefehen, haben bie beutfehen Stabtge»
meinben es als außerhalb beS Greifes ihrer ©erpflid^tungen liegenb
betrachtet, für baS Sefe* unb gortbilbungSbebürfnife auch ber
Steile ber ©eoöüerung gu forgen, benen in ihrer Äinbheit nur bie
©ilbung ber ©olfsfehute oermittelt wirb, unb bie bitreh ihren ©eruf
fpäter feine geiftige gortbilbung, ja oft genug nicht einmal eine
geiftige Anregung empfangen. Sn oielen gätten haben bie beut¬
fehen Stabtoerwaltungen wohl auch baS in breiten Schichten unfereS
©olfes rorhanbene ©ilbungSbebürfnifc unterfchäfet ober gänglith
geleugnet; unb fo fommt es bann, bafe in gahlreichen beutfehen
Stäbten gwar Stabtbibliothefen beftehen, bie für bie Veranfdjaffung
beS ©Materials für wiffenfchaftliche Arbeiten ber in ber betreffenben
Stabt anfäfftgen Dberlehrer, guriften, Slergte u. f. w. forgen, ba¬
gegen bie bettetriftifdje unb populärwiffenfchaftliche Literatur im
©ringip ober bodb in ©Sirflidjfeit auSfchttefeen — nicht aber freie
öffentliche ©ibliothefen, bie Sebermann gugänglich finb unb aud)
Sebermanu nüfelichen Öefeftoff bieten.
2)agu fommt noch z™ anberer Uebelftanb, ber fid) in faft
allen ben Stäbten bemerfbar gemacht hat, bie neben ihren Stabt¬
bibliothefen auch fogenannte ©olfsbibliothefen eingerichtet haben.
SKan hat ben ©egnff beS SSorteS „©olf" in biefer Safammen-
fefcung au^erorbentlich eng unb befcf>ränft gefa&t, inbem man
nicht alle ©lieber unferer Nation barin eingefd^loffen, fonbern fein
Hugenmerf im SBefenilichen auf ben ttßittelftanb unb fpäter auf bie
unteren Stäube gerichtet hat. ©ian hat eS auf biefe Söeife be¬
wirft, bafe b e utgutage bem ©orte „©olfSbibliothef" ein gewiffer
unangenehmer £mft anhaftet, ber nicht nur oon oielen Angehörigen
ber arbeitenben Greife, fonbern auch oon gahlieichen ©liebem ber
oberen 3 e batanfenb peinlich empfunben wirb. Es mibcrfprid)t
eben unferem heutigen fogialcn Empfinben gu fchroff, eine Anftalt,
bie allen Greifen ber ©eoölferung bienen fottte, fdjou burch ihren
1163
©oktale ¥r<$t$. ©entralblalt für ©ogialpolitif. 37r. 44.
1164
tarnen 311 einer BSohlthätüjfeitSanftalt gu ftempeln, unb eS ift ba«
her gang erflärlidh, ba| iid) gewichtige Stimmen bafür erhoben
haben, für bie Slnftalten, bie an Stoße unferer alten „BolfsBiblto«
then" treten fallen, einen neuen kanten gu fdjaffen. Snbeffen »er**
bient allen bisher gemachten Borfcfßägen gegenüber bie Beibehaf«
tung beS ÜRamenS „Bolfsbibliothef" fchon um feiner $ürge willen
ben Borgug.
Shict) ift ja bereits hier unb ba bet Anfang bagu gemacht
roorben, bie alten bürftigen BolfSbibliothefen in Sanftalten untgu«
wanbelri, bie ben neueren Hnforberungen beffer entfprechen. $aS
Beftreben bagu ift jept, foroeit [ich bas iiberfehen läßt, faft ößent«
halben in $)eutfcf)lanb oorhanben. Ueberaß regt es ft<h, bie alten
Einrichtungen werben umgeftaltet, neue werben gefdjaffen, unb in
gahlreichen Drten ift eine ftetig wachfenbe Agitation am SBerfe,
bie Einrichtung freier öffentlicher Bibliothefen unb ßefehaflen gu
förbern. 3mar ftnb bie äußeren Erfolge bisher noch feine aUgu
impofanten; feboch mehren fie ftch non 3 af)r gu 3 ah r > unb es
fann feinem 3meifel unterliegen, bah bie Bewegung, bie namentlich
feit etwa fünf bis fedhs Sahren einen Sieg nach bent anberen er«
rungen hat, auch in ben nächften fahren an Stärfe gewinnen unb
fchliefelith bagu führen wirb, bah man allenthalben im gangen
beutfehen Sketche für baS Borhanbenfein freier öffentlicher Biblio«
tiefen forgt, bie für ben Ermadjfenen ber nicht ftubirten unb nicht
bireft wohlhabenben Streife gum SJHnbeften biefelbe Bebeutung
haben, wie für baS Sftnb bie Schule.
Bielleicfjt gelingt eS babei auch, getnäh ben Borfchlägen, bie
gachleute wie Dr. E. SRörrenberg gemacht unb genau begrünbet
haben, unfere Stabtbibliothen in ben företS biefer Entwtcfelung
mit eingubegiehen. $>enn man wirb ftch ber Einficht nicht oer«
ffliehen fönnen, bah Bibliothen, bie gefonbert oerwaltet werben,
eine gange Bienge mehr ©elb brauchen, als wenn fie gu einer
Bibliothef oerfthntolgen werben unb unter einheitlicher Seitung
ftehen. Sluherbem wäre es ja thöricht, wenn man in berfelben
Stabt gwei Slnftalten nebeneinanber beftehen liehe, bie gegwungen
wären, gum Zfytil genau biefeiben Bücher anguf(hoffen. Einheitliche
Berwaltung, Eentraltfation beS BücherbeftanoeS, bagegen möglichft
2)ecentraIifation ber Bücherausgabe — bas muh oie ßofung ber
EinheitSbibliothef fein, bie wir für bie 3ufunft forbern unb
bie nicht nur ftreng wiffenfchaftliche Büdner, auch nidjt nur bie
aßerpopulärften unb ein Bihcfjen beßetriftifdje Siteratur enthalten
wirb, fonbern in ber alle Steige ber Literatur, 00 m einfachften
Vornan bis gum bänbereichen wiffenfchaftlichen 3forfchungSwerf,
oertreten fein werben — oorauSgefefct nur, bah fie mirflichen
literarifdfjen SSerth beftfeen.
BBie lange eS noch bauern wirb, bis wir gu biefer EinheitS»
bibliothef ober gu einer ber nothwenbiaen Borftufen bagu gelangt
ftnb, läfjt ftch heute natürlich nicht über)eben Um Ieichteften wirb
bieS wohl in benjenigen Stäbten gefchehen fönnen, wo eine Stabt«
bibliothef überhaupt noch nicht unb erft baS Sftubiment einer BolfS«
bibliothef befiehl. 2öir befifcen eine gange Beihe folcher Stäbte in
®eutfcfjlanb, unb hier mühte eigentlich bie BibliothefSbewegung
am Ieichteften einfefcen unb am erfolgreichften wirfen fönnen. Eine
biefer Stäbte ift £)ortmunb — wie wir ja überhaupt im Bhein«
lanb unb Sßeftfalen eine gange Hngahl baoon finben fönnen. gn
Sortmunb bat fich oor etwa SahreSfrift ein SluSfchuh gur Erridj«
tung einer öffentlichen Bücher« unb ßefefjaße gebilbet, oeffen 2lgi«
tation gwar oon ben ftäbüfcfjen Behörben gefördert, aber oon einem
Zfyeil ber Stabtoerorbneten«Berfammlung unb ber Bürgerfchaft
nicht mit giinftigen Slugen betrachtet wirb. So ift benn Der 2ln«
trag gur Errichtung einer öffentlichen Bücher« unb ßefehaße, ber
im oorigen 3a$re in ber Stabtocrorbneten-Berfammlung gefteßt
würbe, auf ein 3 ahr oertagt unb eine .fommiffion gur genaueren
Unterfudjung ber grage eingefefct worben. $)iefe Stommiffion hat
fiefj bann mit ber Bitte um Ucberfenbung beS einfehlägigen Bta«
terials an eine SReif>e oon BolfSbibliothefen unb ßefehaßen in
gang 2>eutfd)lanb gewanbt, unb bas ftatiftifche 2hnt ber Stabt
^ortmunb hat nun aus ben eingegangenen 2 )rncffachen unb Sßa<h«
richten obenerwähnten Bericht gufammengefteßt.
3)ie 2luSwaf)l ber 40 beutfehen Stäbte, 2 ) auf bie berfelbe fich
begieht, ift, wie ber Bericht auSbrücflich heroorhebt, eine rein git«
fällige, infofern als bie Stäbte berauSgegriffen würben, oon benen
a J E* finb Vlltona, Berlin, Bonn, Branbcnburg, Bremen, Breslau,
Bromberg, Ebarlottenburg, Rangig, 2armftnbt, 'Bresben, Xüjfclborf,
Etfenacf), Erfurt, Elfen, Aiauffurt a, })l. f greiburg i/Br., Wotha, EJretf»-
walb, ('heben, .'oagen i/BJ., .fmnnoocr, ^seua, Waffel, ilöln, Wönigsbergi/Br.,
Stömg*biitte i /£.«Schl., l'eipgtg, Jritbcrf, Bfaiitg, Binnnbcim, Biündicn,
Nürnberg, Bfbrgbeint, Srfjweibnip, Stuttgart, Ulm, ädiesbaben.
eS bem ftatiftifchen 2lmt ber Stabt $)ortmunb gerabe befannt toar,
bah bort BoIfSbibUothefen unb ßefehaßen beftänben. BemerfenS«
werth ift, bah ™ ber furgen Einleitung gu ber tabeßarifchen Heber«
ficht einige allgemeine Bemerfungen über bie mit ben BolfSbiblio*
th^fen unb ßefehaßen in ben eingelnen Stäbten ergielten 9lefultate
oorauSgefchicft finb (foweit überhaupt gebruefte Berichte eingingen),
unb bah biefe ausnahmslos baS auherorbentlich ftarfe
Sefebebürfnih beS BublifumS tyxvottybtn, Söenn g. in
einer Stabt wie Bromberg an eingelnen Sonntagen bis gu
500 Bänben oerliehen worben finb, wenn in SRaing unb anberen
Stäbten bie ßeferäume nicht ausreichten, fo bah c in £$eil beS
SlurgaitgeS mit ^injugegogett werben muhte — Beifpiele, bie fich
leicht genug oermehren liehen — fo wirb man eS begreifen, bah
immer unb immer wieber in biefen Berichten bie Sformel roieber«
fehri, bah bie Benufcung ber Bibliothefen unb ßefehallen
bie fühnften Erwartungen überfliegen hatte.
$)ie £abeße felbft, bie fich in gwei Slbtheilungen gliebert
(erftenS 3abl/ Umfang unb Benu^ung, gweitenS Berwaltung unb
Soften ber BolfSbibliothefen unb ßefehaßen 3 ) geigt bieS noch beut«
lieber. 3Denn obwohl bie gröberen beutfehen BolfSbibliothefen faft
fämmtlich berücfficfjtigt finb (nur Ebemnih, §aße, Karlsruhe, Hiei,
Sübedf unb Btagbeburg hatten noch mit in bie Unterfuchnng ein«
begoaen werben fönnen) fteßt fich ©efammtrefultat für
37 oeutfehe Stäbte nur ein Bücherbeftanb oon inSgefammt
414 741 Bänben heraus, währenb bie ©efammteinnahmen ber
BolfSbibliothefen in 36 Stäbten (ba nicht aße Angaben ooßftänbig
finb, hö&e ich bti ber Berechnung einige fortlaffen müffen) nur
etwa 240 000 JL betrugen. — Es mag bei biefer (Gelegenheit er«
wähnt fein, bah baS „ftatiftifche 3ah*&uch beutf<her Stäbte*
in feinem fechften 3ahigang (1897) fchon eine ähnliche Statijtif,
nur fürger unb mit weniger Eingelangaben, gebracht h fl ri ftc rm
oon bem $>ireftor beS ftatiftifchen 2lmtS ber Stabt SRannheim,
Dr. Schmibt, oerfaftt (S. 112 —119).4)
Sluc| aus jener Statiftif, bie übrigens einige anbere Stäbte
mit einbegog, anbere bageaen wieber nicht enthielt, bie in ber
SDortmunber Statiftif berüafichtigt finb, ergab fich c m 9 an a
IicheS Bilb: in 22 Stäbten waren 293 958 BolfSbibliothefSbäiröe
gegählt, bie Einnahmen ber BolfSbibliothefen betrugen gufammen
100 667 o-//, unb oon biefer Summe würben nur 50303 aus
ftäbtifchen Bfitteln aufgebradht. 3ene 293 958 Bänbe hatten roähtenb
eines SafjieS 1 311 704 Entlehnungen ergielt, fo bah jeber Banb
im ®urchfchnitt faft oiermal oerliehen war. SDie 414 741 Bänbe
ber ©ortmunber Statiftif waren währenb eines 3af)*eS 2 193 463
mal ausgegeben worben, fo bah alfa ^ er jeben Banö
eine mehr als fünffache Benufeuna berechnet.
2 >iefe 3ahien Tmb trofe ber Borfidf)t, mit ber man oerfahren
muh, memt man aus ihnen Schlüffe giefjen wiß, hoch auherorbent*
lieh beweisfräftig. ®enn fie geigen auf baS ©eutlichfte, welch ein
gewaltiges ßefe« unb SortbUbungSbebürfuih in unferem Bolfe oor«
hanben ift. 3ftan braucht nur bie entfpred)enben englifchen 3 ahlen
baneben gu haßen, um auf ben erften Blicf gu erfennen, bafg ber
BilbungSbrang fich bei uns nodj in oiel gewaltigerer Bkife auhert
als jenfeits beS Kanals. 3mar abfolut ift bie 3 a hl ^er Entieh*
nungen, bie auf jebes eiligeine Buch fommt, in ©rohbritannie«
gröber als in $)eutfcf)lanb: bie 5 BMßionen Bänbe, bie in etwa
300 englifchen Stäbten oorhanben finb, werben im Sahre ungefähr
25 bis 30 äJJißionen mal oerliehen, fo bah ieber Banb jährlich
5 bis 6 mal benufct wirb. Hber bie Heine $>iffereng, bie fich fo
in bem üßufcungSwertb jebeS Buches in Englanb imb ^eutfchlanb
ergiebt, fchlägt in eine gewaltige Uebermacht beS beutfehen ßefe«
bebürfniffeS um, fobalb man berücffichtigt, bah bie englifchen publie
libraries in Iiberalfter Bkife ben gangen Xag über geöffnet jinb
unb wöchentlich ungefähr 50 bis 60 Stunben lang Büdner au^-
3 ) Sabeße I enthält bie Shibrifen: 3ahl ber BolfSbibliothefen —
3ahl ber bamit oerbunbenen 2efehaßen - 3 a hl ber felbftftänbigen
Öefchaßen — ©tnb baS ftäbtifd^e ober prioate Einrichtungen? — 3ahl
ber oorl)anbenen Bänbe — 3 a hl ber im lefcten ^ahre entliehenen
Bänbe — 3al)l ber B^fonen, bie bie Bibliothefen begw. ßcichaüen
benuhten — Büttl)eilnngen über bie BeoölferungSfreife, beiten bie Be«
nufcer angchören. Üabcne II bie Sttubrifcn: bie ?luSgaben für Bolfs*
bibliothefen mtb 2efehaßcn betrugen int Icjten 3al)re für Bcfolbung
— für Bi'uher unb ^citfchriften — für fonftige 3wcde — überhaupt —
ber ftäbtifche 3afdjuh betrug überhaupt — aus SparFaffcnüberidiüf?cn
— Sonftige ftäbtifche 3 l *menbungen (unentgeltliche ©tcßuttg uon
Zäunten :c.)
| 4 ) Eine britte oerbienftooße Arbeit ift bte 3 u fantmenftcüung non
1 Dr. E. 9f örrenberg «Wiel: ,,^ie BücherhaIlen=Bewegung im
^sabre 1807" (EomeniuS«Blättcr für BolfSergiehung 1898: aud)
I Soiibcrabbriicf eriihictien: Berlin, (Gärtner 1898, 24 0.1
1165
©ogtale $ra|ts. Hentralblatt für ©ogtalpoltttf. 9h:. 44.
1166
geben, währenb bie meiften beutfdjen BolFsbibliotheFen fich noch
immer mit einer wöchentlichen AuSleihegeit non etma 5 bis, roenn
eS ho«h Fommt, 20 ©tunben gufrieben geben ober gufrieben geben
muffen. ©predjen biefe ßahlen nicht eine berebte (Sprache? ©inb
fte nicht ein mächtiger Appell an unfere ©tabtoermaltungen, enblich
ihre BolFsbibliotheFen auf eine breitere finanzielle Bafis gu fteüen
unb i^nen baburd) bie S0?ögtid)feit gu geben, ben Borfprung ein»
Zuholen, ben bie Anftalten beS AuSlanbeS oor ihnen oorauShaben?
©reifen mir einmal aus ber $>orhnunber ©tatifti! biejenigen
©täbte heraus, in beren BolFsbibliotheFen mehr als 5000 Bänbe
oorhanben ftnb — gewiß eine jämmerliche 3ahl- 2öie oiel foldje
©täbte befinben ft<h nun unter ben 40, auf bie flcf) biefe ©tatifti!
erftrecft? Bid)t mehr als bie §älfte! Unb babei oergeffe man
nicht, baß bieS nicht etwa burdpeg ober auch nur ber Mehrzahl
nach fommunale Anftalten ftnb, ja baß auch nicht einmal alle einen
3ufchu& aus ©emeinbemitteln erhalten! 3cf) höbe biefe 21 ©täbte
in ber nachfolgenben Tabelle mit ihren wichtigen 3ahlen (Einzahl
ber BibliotheFen, Anzahl ber oorhanbcnen Bänbe, Anzahl ber im
lefcten Qahr oerliehenen Bänbe, QahreSauSgabe, 3ofchuß ber
meinben bazu) gufammgeftetlt. 3)ie ©umme biefer Angaben er»
giebt, baß bie
^ -
- s
s g
«nsa^l
ber oor*
Iianbcnen
Sänbe
flnaafU
ber
Der*
lietjenen
Bänbe
3nf>re«*
BuSgabe
faoon
oon ben
«e*
meinben
bei*
gefteu ert
Semcrfungcit
Berlin ....
27
100 520
600
853
40 510
36 161
Bonn ....
1
5000
41
141
5 200
1 100
Bremen . . .
14
14 796
39
000
1 500
—
Breslau . . .
5
15 084
130
985
9 626
8 405
©harlottenburg .
1
8 351
46
481
15 000
15 000
Rangig....
5
6 965
77
600
2 510
500
Bresben . . .
12
42 186
152
414
15 950
14 400
^üffelborf . .
3
5 155
48
090
6 339
6 339
^ranffurt a. 9R..
2
35 300
178
589
31040
6 000
63otha* . . .
1
5 000
*26
800
2 000
600
* tn 'J SHonalrn.
.^agen ....
16
8 207
26
847
1 600
1600
Hanttooer. . .
12
11040
43
297
3 594
1 200
Sena ....
1
9 500
65
998
13 300
—
ÄFöln ....
4
13 000
53
362
6 319
6 319
Königsberg i. J5r.
4
12 000
60
000
6 166
1700
^cipgig* . . .
6
12 000
14
175
4000
3 000
* Bejieht ftdj nur
Btannheim . .
1
7 000
40
000
6 700
8000
auf b. Bibliotijrten
be# „Bcrelnb für
BZünchen . . .
5
27 743
173
131
13 570
7 650
Bolfbroohl*. San*
©djmcibnib . .
1
6 500
24
119
1 1800
300
bete Bibliotbefen
mit sooo Bänben
finb fortgelaffen.
©tuttgart . . .
1
5 500
*36
313
16 281
—
* in 9 Monaten.
23ieSbaben . .
3
1! 077
51
421
8 700
3000
3uf. 21 ©täbte .
125
361 929
1 930 616
211 705
116 274
125 BolFsbibliotheFen biefer 21 ©täbte zufammen 361 929 Bänbe
befifcen (fo baß auf jebe ber BibliotheFen im 5)urchfthnitt nur
2895 Bänbe entfallen), baß oon biefem Bücßerbeftanb jährlich
1 930 616 Bänbe ausgegeben werben unb baß bie Ausgaben in$»
gefantmt 211 705 M betragen, oon benen nur bie §älfte
(116 274 -//) oon ben ©emeinben getragen toerben. 3«ht man
Berlin ab, fo ergiebt fich noch ein oiel trübfeligereS Bilb: in
20 ©täbten finb bann nur 98 BolfSbibliothefen mit 261 409 Bänben
oorhanbeit, bie im Qaljre 1 329 763 mal oerliehen werben; bie
©efammtauSgaben in biefen 20 ©täbten belaufen fich bann auf
171195 JL f oon benen nur 80113 JL oon ben ©emeinben ge»
becft werben. $>aS bebeutet natürlich noch nicht, baß Berlin nun
mit feinem BibliotheFSwefen au ber ©pifce fleht, was eS eigentlich
Fönnte unb müßte, ba eS barin oon bem fogenannten „wiffenfchaft»
liehen Berein", ber jefct nicht mehr befteht, finanziell in ber wefent»
lichften 2Beife geförbert worben ift. Aber in ben abfoluten 3 a hlen
muß eS natürlich an ber ©pifce flehen; auch ift eS mir nicht un»
mahrfiheinlich, baß eS an bie ©pifce treten würbe, wenn ber
BibliotheFSoerwaltung, bie in ben f>änben beS 9KagiftratSbibüothe!arS
£>errn Dr. Buchholß liegt, mehr finanzieller Spielraum gelaffen
würbe.
Berhälhtißmäßig am meiften geben wohl ©harlottenburg
unb BBieS haben für ihre BoIfSbibliotheFen aus: ©harlottenburg,
baS feine BolFsbibliothe! aus Fontmnnalen Bütteln erhält,
15 000 c///, unb BMeSbaben, wo bie BolFsbibliotheFen oon bem
bortigen 3meigoerein ber „©efellfchaft für Berbreitung oon BolFs»
bilbung" unterhalten werben, einen 3öf £ h u & oon 3000*//. 3n
beiben ©täbten ift bie BolFsbibliothe! mit einer ßefehaHe oer»
bunlben unb noch oerhältnißmäßig neuen ©atumS: bie ©harlotten»
burger Anftalt ift erft zu beginn beS oorigen SahreS eröffnet
worben.
®en höchften Sftufcungswerth ihres BücherbeftanbeS hoben
bie BibliotheFen in Rangig, 2)üffelborf, Breslau unb 3ena
ergielt: jeber Banb würbe in ihnen 11 (Rangig) begw. 9 (Büffel»
borf unb Breslau) unb 7 mal ©ena) oerliehen. £)ie fdjwächfte
Sfcufcung weift ßeipgig auf, beffen 12 000 Bänbe (in ben
6 BibliotheFen beS „BereinS für BolFSwohl") nur 14175 mal
oerliehen würben, fo baß auf jeben Banb nur wenig mehr wie
eine Benufcung entfällt.
3m ©angen ift alfo baS Bilb, baS bie ©ortmunber ©tatifti!
oon bem ©tanbe beS BolFsbibliotheFSmefenS in unferen größeren
©täbten entwirft, gwar ein etwas befchämenbeS, was bie §ürforge
unferer ©emeinben für biefe BilbungSanftalten betrifft, aber hoch
auch wieber ein fehr ermuthigenbeS, wenn man erwägt, welche
SWefuItate bamit enielt werben Fönnen. $>a$ ©leidje gilt auch oon
ben mit ben BibliotheFen oerbunbenen ober aber felbftftänbigen
fie f eh allen, oon benen gang allgemein berichtet wirb, baß fie,
falls fie nicht gar gu ärmlich auSgeftattet unb nicht gu ungünftig
gelegen finb, außerorbentlich ftar! benußt werben. 5 )
©3 ift in hoh e m ©rabe erfreulich, baß eine beutfehe ©tabt»
oerwaltung fich ber BFühe untergogen hot, eine ©tatifti! beS BolFS»
bibliotheFSwefenS in unferen größeren ©täbten .hergufteÜen, unb es
ift wohl mit «Sicherheit angunehmen, bah bie Hoffnungen berer in
©rfüUung gehen, bie oon biefer Arbeit eine Sförberung ber
BibliothefSbewegung erwarten, ©inb ja hoch bie in ber S)ort*
munber 3ufatntnenftellung wiebergegebenen 3 a ^ cn berebt genug in
ihrer ©djilberung beS BilbungShnngerS weiter Greife unferer Be»
oölFerung einerfeits unb ber UnguIänglichFeit ber ihnen gebotenen
Bilbungsmittel anbererfeits. 3otnal in ben großen Snbuftriecentren
BheinlanbS unb B3eftfaIenS, bie in ber ©ortmunber ©tatifti! gang
fehlen, weil fie (mit Ausnahme oon Barmen) auf biefem ©ebiete
nichts aufgumeifen hoben, follte mit ber ©rrichtung freier öffent»
lieber BibliotheFen fchleunigft oorgegangen werben, ßiegt eS hoch
auf ber £>onb, bah gerabe bie BeoölFerung ber ©rohftäbte in erfter
ßinie berücfftc^tigt werben muh, wenn es fi«h um bie ©Raffung
guter ßefegelegenheiten für alle BeoölFerungSFreife hanbelt.
Bur ein wichtiger $un!t ift bei ber $)ortmunber Arbeit über»
fehen worben: baS ift bie DeffnungSgeit ber BibliotheFen
unb fie f eh allen, ©iefe ift nämlich in ber &hat oon bem aller»
f iröhten ©influh auf ihre Benufcung. 3ujar ift man ja wohl überall
0 oernünftig gewefen, bie fiefehaHen gerabe beS 2lbenb3 gu öffnen
— aber bie BolFsbibliotheFen oieler ber in Betracht Fommenben
©täbte geben noch immer Bücher gu einer £ageSgeit aus, bie ihre
Benutzung namentlich für zahlreiche Angehörige ber unteren ©tänbe
faft unmöglich macht. BMe foH es bem Arbeiter, ber ben gangen £ag
über befchäftigt ift, möglich fein, fich aus einer BibliotheF Bücher
gu holen, bie nur gur BiittagSgeit auf oielleicht gwei ©tunben, unb
auch baS nur an wenigen Xaaen in ber B$od)e, geöffnet ift? B3ie
Foloffal ftar! gerabe bie DeffnunaSgeit einer BibliotheF ihren
BufeungSwerth beeinflußt, wirb g. B. auf baS ©d)tagenb}te oon ber
Berliner BolFsbibliothe! Br. 1 bewiefen, bie im ©efchäfts»
jahr 1895/96 bei einem Bücherbeftanbe oon 4238 Bänben
11 528 Bänbe oerlieh, gwei 3ohre barauf aber (1897/98), als bie
BibliotheF nicht mehr in ber BtittagSftunbe, fonbern AbenbS ihre
Bücher abgab, 5319 Bänbe 51 314 mal oerliehen hat — bie Be»
nufcung jebeS einzelnen BanbeS ftieg alfo oon etwa breimal auf
ungefähr gehnmal im 3ohre. Bo<h fchlagenber wirb baS Befultat
ber Berfchiebung ber AuSleihegeit auf ben Abenb in einer anberen
Berliner BolFsbibliothe! fein: ber 20. (bisher SSiefenftrafee 66),
bie mit ber zweiten ftäbtifchen fiefeh alle (Baoeneftra&e) oer»
oerbunben ift unb über beren Benufcung nach biefer Berfchiebung
ihrer AuSleihegeit noch Feine offizielle ©tatifti! oorliegt. Bach ^ cn
©rFunbigungen, bie ich eingegogen habe, werben oon ben öOOOBänben,
aus benen biefe BibliotheF befteht, Abenb für Abenb 250 Bänbe
ausgegeben — baS bebeutet auf baS 3oh^ eine Benufcwtg oon
etwa 80000 bis 90 000 Bänben, fo baß jeber Banb bann im
3eitraume eines tingigen 3oh^S 16 bis 18 mal oerliehen fein
5 ) 3«h bin in biefem Auffa^ auf bie 2efehallen nicht genauer
eingegangen, weil bas SBaterial, bas in ber $ortmunber Arbeit bar»
über gegeben wirb, nicht fo reichhaltig ift, wie bas über bie Bolfs»
bibliotbefen unb weil icf) auBerbem ber Anficht btn, bafe, wie bringettb
nothwenbig auch bie Hinrichtung oon ScfcbaÜcn ift, bod) in erfter
Sinie bie Berfchiebung ber AuSleihcgeit ber BibliotheFen felbft, Hr»
leichteruttg ihrer BenubungSbebingungett uub Bermchrung uitb Ber»
befferung ihres BücherbeftanbeS geforbert werben muh.
1167
©oktale $ra$i$. Eentralblatt für ©ojtalpoltttf. Str. 44.
1168
roirb — bie pöcpfte Benupungggiffer, bic mir überhaupt je
oon einer Bibliotpef befannt geworben ift — eine 3apl, oon ber
man meinen föitnte, baß fie Blinbe fepenb machen fann.
Ein äpnlicpeg Beifpiel bietet Breglau bar, beffen Bolfg*
btbliotpefen ebenfalls ftäbtifepe Einrichtungen finb. ftier ift bie
Umgeftaltuitg beg Bibliotpefgroefeng gum großen ^^cil bag 58er*
bienft beg ßanbtaggabgeorbneten SBetefantp, ber eg auch burep*
fepte, baß bie Shtgleipegeit oon ben SRittagg* auf bie Slbenbftunben
»erlegt roorben ift. Tie Unterpaltunggfoften haben fiep aßerbingg
baburep, oerbunben mit ben Äoften für bie Bermeprung unb Er*
neuenmg beg Bücperbeftanbeg, auf bag Tretfache gefteigert —
aber bie Bücperbenußung hat fi<h in ber gleichen 3 e ü »ergehn«
facht. Breslau roirb aller Boraugftcpt nach, wenn eg in gleichem
Tempo weiter oorroärtggept, für bie Entwicfelung beg beutfepen
Bolfgbibliotpefgroefeng maßgebetib werben. §at eg hoch erft fürg*
lieh für biefe Slnfialten einen afabemifch gebilbeten Bibliotpefar
angefteHt — eine ber roichtigften SRaßnapmen, um fte gu heben.
33 igb*r war bie Taftif ber beutfdjen Bolfgbibltothefgoerwaltungen
augfcpließlitp bie, bafür nur einen Bolfgfcbuneprer ober fonft
irgenb 3 *ntanb im Nebenamt angufteßeit, ber froh war, baburep
eine Slufbefferung feineg ©epaltg gu beroirfen unb ftch im Uebrigen
gerabe fo »iel um bie ihm unterteilte Slnftalt fümmerte, wie ihm
genau oorgefcpriebeit war. Natürlich giebt eg »on biefer Siegel
(namentlich in Berlin) gasreiche Slugnahmen, aber bag hilft hoch
über bie SRifere, bic an anberen ©teßen gu Tage trat, nicht pin*
weg. Unb felbft wenn bie fo auggewählten Berroalter ein wirf*
licpeg Sntereffe an ber ihnen unterteilten Slnftalt nehmen unb fich
alle erbenflicpe SRüpe geben, fo fann bag hoch nie einen ©ach*
fenner erfeßen, wie eg ber afabemifch gebilbete Bibliotpefar fein
muß. Tag liegt ja für 3eben auf ber §anb, ber eine ungefähre
Borfteßung baoon hat, welche Stenntniffe unb Fähigkeiten peutgu*
tage oon einem SRanne »erlangt werben rnüffen, ber eine Bibliotpef
teepnifeh gut leiten unb ihren ßefern mit faepmänntfepem Siath gur
©eite fiepen f°ü. ©elbftoerftänblicp ift auch nicht jeber afabemifch
gebilbete Bibliotpefar bagu im ©tanbe, bentt eg gehört eben mehr
bagu, alg allgemeine Bilbung unb fachmännif(heg .(namentlich
bibliothefarifcheg) Riffen, aber wo ftch biefe (Sigenfcfjaften mit bem
Söunfcpe unb ber Befähigung paaren, ben ßefern mit jebem ge*
roünfcpten Sfatp gur ©eite gu ftehen, ba wirb ber bibliotpefan)cp
unb afabemifch gefaulte taufenbmal eher am Blaße fein, alg ein
Bibliotpefar „im SRcbenamt", ber eg noch fo gut meint, bem aber
alle wirflich faepmännifepen Slrbeiten oon einem Bibliotpefgfomitee
ober fonft mem abgenommen werben.
Sluch ift eg gang ficher, ba| bie ©täbte, bie ftch &agu ent*
fcpließen, bie SReprauggaben für einen faepmännifeb gebilbeten
Bibliotpefar im Hauptamt gu tragen, bag bocp nicht gu theuer be*
gahlen. Tenn bann wirb in bie Berroaltung ber Bolfgbibliothefen
ein gang anberer ©cpwung fommen, unb bie erhöhte Benußung,
bie fid) bann ohne 3 n 3 eifcl einfteflen roirb, wirb bie aufgeroanbten
Soften im Bcrgleich bagu alg geringfügig erfepetnen laffen.
Slud) bie Bücher* unb ßefepafle, bie Fricbrich Sirup p für
bie Slngefteßien feiner Söerfe in Effen errichten läßt, wirb oon
einem afabemifch gebilbeten Bibliotpefar »erwaltet werben. Slucp
roirb ftch biefe Slnftalt aller SÖaprfcpetnlichfeit nach gu einer ber
erften in Teutfcplanb entwicfeln.
Slucp in gabireichen anberen ©egenben unfereg Baterlattbeg
gährt eg; überaß bricht fich Erfenntniß Baljn, baß unfer
Bilbunggroefen unoollftänbig bleibt unb bebauerliche ßiiefen auf*
weift, fo lange nicht allenthalben bie SRöglicpfeit beftebt, baß ein
Seber, ber Bilbunggbrang in ftch oerfpürt, Bibliotpefen unb ßefe*
haßen benußen fann, bie oon ber Slflgemeinbeit erhalten werben
unb für bie SWgemeiitbeit beftimmt ftnb. Unb in erfter ßinie
müßten unfere ©emeinben hier auf bem fßlane erfcheinen unb
bie Errichtung unb Unterhaltung freier öffentlicher Bibliothefen in
bie £>anb nehmen, fte werben bann halb inne werben, baß bag
©elb, bag fte für biefe Slnftalten auggebett, nicht gum genfter hin*
auggeroorfen ift, fonbern baß eg 3 infen trägt in ber mannig*
faltigften SBeife: nicht nur, baft fid) halb in ber gefammten Be*
oölferung bag fpmpathifdje ©cfiihl Bahn bricht, ba§ hier in ber
£hat einmal eine allen Bürgern getneinfame Einrichtung gefchaffcn
ift — auch gang birefte wohltl)ätigc folgen werben fiel) eittfteücn.
s JJhtn roirb erfennen, wie ©ir 3 ol)n ßubboef einmal bei ber Eröff*
nitttg einer ßonboncr public library tagte, baft Uitwiffenheit mcljr
foftet alg BÜbung: 0 ) benn bie naturgemäße Folge einer jebeu an*
c ) ©. bie fleine Srfjrift bes? Berfaffcr? „Engliiiljc Boltgbtblio*
tbefeit" (Ijerauggcgcbcn oon ber (^efeüfd;aft für Verbreitung umi Volfg*
lülbimg). Berlin 189s. 3. auf.
gemeffenen unb eblen Erholunggmöglichfeit, bie man ben arbeiten*
ben klaffen bietet, ift eine £>erabminberung beg Söirth^h 0 “^ 5
befucheg unb aller bamit gufammenhängenben Sthorheiten, ein Sin*
wachfen ber ©parfamfeit unb bag §>en>ortreten größeren Ernfteg
unb größerer Berftän big feit in ber gefammten ßebengführung. Eine
jebe ©emeinbe, bie ben Berfuch bagu mit einigermaßen aug*
reichenben SRitteln macht, wirb bie SSahrheit biefer Behauptung
erfahren. Sllejattber oon ^umbolbt $atte gang Siecht toenn
er an Sriebrich oon Slaumer, ben Begrünber unferer Berliner
Bolfgbibliothefen, fchrieb: „SJlit bem Bhffen fommt bag Senken,
unb mit bem Renten ber Ernft unb bie Ätaft in bie SRenge."
Berlin. Dr. Ern ft ©chulpe.
Allgemeine Sozial- unb tÜrttjfi^aft^poUtik.
Hrbettgfaimner ber ©tobt Bürich 1898. S)ie Slrbeitefaminer
ber ©tabt 3 ün<he eine oon ber ©tabt nunmehr fuboentionirteg
Unternehmen ber Slrbeiterocreine, hotte in ihrem gweiten ßebeng*
jahre einen Berfepr oon 25 0CK) ^erfonen im Bureau gu be*
mäßigen. 2434 ©cfuche um Slugfunft würben aeftellt, baruitter
2023 oon Vtänitcrn, 411 oon ^auen. Unter biefen gehörten nur
79S ben Drganifationen au, 1636 niept. S)ie Blchrgapl ber &iw*
fnnftggefuche patte Ä'üubigungg*, ßopn* unb ^aftpflichtftreitigfciten
gum ©egenftanbe. ©epr oiele Silagen betreffen bie ©tellcnoermittler,
troßbem biefe fongcffiongpflichtig finb. S)ie ^aubpabung ber
Slrbeiterfcbupgefepe fepte ba aug, wo bie Frauenarbeit einfept 2ic
Slrbeitglofcn*Berftcperung, bie beantragt würbe, ift groar abgeroiefer?,
ber Bericht fpriept aber bie Hoffnung aug, baß ein gweiter Slnlauf
gur fommunalcn Slrbeitglofen*Berficperung oon Erfolg fein werbe.
Tie ©cwerffcpaftgbeweguug maept feine Fortfcpritte, jonbern ging
ftellenweife gurücf. Ter „neutrale, paritätifepe ccntralifirtc Slrbeite*
naeproeig" ift am 10. Sanuar 1898 eröffnet, ©eine ©aßungen
enthalten bie fogenannte ©treifflaufei. 1449 Bermittelungen foinUen
oollgogen werben, 87,4 % ber Singebote. 355 ber ben ©ewerbe«
inpabern gugeroiefeiten Slrbeiter nahmen bie ©teüc niept ait. Tie
Sluggaplung ber Steife* unb Slrbeitglofenunterftüpung iji uon ben
meiften ©eroerffepaften ber Slrbeitgfammer übergeben. Ein Slnpang
beg Bericptg giebt über bie ßopubeweaungeit unb ©treifg wäpxetib
beg ßapreg 1898 Slitffcpluß unb über bie ßoptt*, SÜtere* um s
Slationalitätgoerpältniffe ber im Tiettfte ber ©tabt 3 ün^ ftepenben
Slrbeiter.
^oßänbifipeg Slrbeiterfcfretariat. Taten beg „Sociaal Weck*
blad" gufolge waren 1898 bem 1893 ing ßebett gerufenen
nationalen Slrbeitgfcfretariate 40 Slrbeiteroerbänbe mit 12 950 SRit*
gliebern angefcploffen. Tag ©efretariat gab im Bericptgiapre ca.
30 000 ^ für ©treifunterftüßungen aug.
Slrbciterfefretoriat in Breglan. Tag ©eroerffepaftgfartett für
Breglau unb Umaegenb fepte bic ©tatuten für bag im ßanuar
1900 gu eröffnende Breglauer Slrbeiterfefrctariat feft. Tie Slu* s
fünfte in ©aepen ber SlUerg* unb Snoalibenoerficperung foroie ber
Unfaßgefepgebung erfolgen ntünblicp wie fcpriftlicp für 0 rtgan*
fäffige unentgeltlich; Slugwärtige paben 104 $ortoentfd)äbigung
gu entrichten. Unter biefen Bebmgmtgcn wirb jebem auf Slnfrageii
Slntroort ertpeilt. Tienftftunben finb oorläufig an Söocpentagcn:
Bormittagg oon HV 2 big 2 Upr unb Slacpmittagg oon ö l / 2 bw
77-2 Uhr.
SRimmaUopn unb SRasimatorbeitggeit in SlrnfSterbam. 3«
Slmfterbam beftept fepon feit 1894 eine Berorbnung, welcpe ben
SRinimallopn unb bie SRayimalarbeitggeit für ©emeinbearbeiten
feftfept. ©epon feit mepr alg einem 3apr forbern bie Bauarbeiter
eine Erhöhung beg Sopneg oon 23 Eeittg (38 ,3 a§) auf 25 EentS j
(41,7 *1) pro ©tunbe. Ta eg fi<P jebod) fepon bei bem großen
©treif oor ben Sfröitunggfeiern perauggefteflt pat, baß bie Slrbeit*
geber bem Beifpiel ber ©emeinbe folgen unb bereit finb, ben ßopn
gu erhöhen, fobalb bie ©emeinbe eg tput, fo pat ber ©emeinbe*
ratp auf Slntrag mehrerer Slrbeiteroereine befcploffen, eine Stommiffion
gu ernennen, um bie Frage ber ßopnerpöpung gu unterfuepen.
©ieper roirb auep bie errichtete Slrbeitgfammer in biefer ©aepe
wichtige Tienfte leiften.
Fefter ßopn für fiettner in Hamburg. Eine Berfammlumi
oon 3000 ©aftwirtpen unb §otelbefipern oon Hamburg unt»
Slltona wäplte mit ben ^eßneroereinen eine 16 gliebrige gemifdjic I
Mommiffion gur Einführung eineg feften ßopneg für bic Äeflner, j
fowie gur Errichtung eineg gemeinfcpaftlidjen foftenlofen Slrbeit** |
naeproeifeg. ,
1169
1170
(Soziale $rajis. ©entralblatt für Sogialpolitü. 9?r. 44.
g»}tai e Jto gfatbe.
$at*gmbttßrfe %U golge bei ftrbeitermangelS in ber fßforg*
heim er BijouterieinbuftTie. Sie fehr lebhafte Befchäftigung ber
SijouteriefabriFation in ^forgheim hat, roie ber Bericht ber HanbelS*
Farnmer ermähnt, itn Herbft gu einem fehr cmpfinblichen Arbeiter«
mangel geführt, ber fogialpolitifch nid)t mtbebenflief)e ©rf Meinungen
im befolge hatte. Namentlich bie roegett ihrer manuellen ©efdjicF*
lid^feit fo unentbehrlichen weiblichen SlrbcitsFräfte roaren fehr Fnapp.
3u ber Siiouteric*3nbuftrie roirb baher in erheblicherem Umfange
«utm erften Wale ber §auSfleiß h er a« 9 egogen, tiielfad^ roerben auch
Bcrlegungen non Setrieben in inbuftrie*ärmere ©egenben mit
günftigeren Slrbeiteroerhältniffen erroogen unb futb oereingclt auch
bereits oorgenommen roorben. So erflärlich bieS auch erfebeint,
fo bebenflid) ift hoch aus foriaIpolitifd)en ©rünben, mie ber Bericht
gutreffenb ausführt, bie Berbrängung ber gabrifthätigFeit gu
©unfieit ber HauSinbuftrie, ba bie in ihr thätigen ^erfonen bei
unbefchränfter SlrbeitSgeit f Rechter begahlt roerben, in ungefiinberen
Bäumen untergebracht finb, ber Bortheile ber Äranfcnoerßcherung
nicht theilhaftig roerben u. 21. m. 3 roar roirb ja bie geplante
2tu8bcbnung ber ©eroerbeaufßcht auf bie HauSinbuftrie auch ih r
ein geroiffeS Waß fogialpolitifdjer gürforge geroährleiften, mit
machfenber Secentralifation ber geroerblichen Xfjäiigfeit mirb aber
naturgemäß bie roirFfame Sachführung fogialpoiitifcher Berorb*
nungen außerorbentlid) erfchroert. 3Rit bem fiarfen Mangel an
2lrbeitSfräflen in engem 3ufammenhang ftehen bie gegen früher
gasreicheren Seftrafurtgen roegen Uebcrtretung ber ©eroerbe*
orbnung, bie ber Bericht als ein ernfteS Symptom anfieht. Reform«
oorfchlägen gur Wilberung beS Slrbeitermangels in bem Sinne,
in 3riten gewöhnlichen ©efdjäftSganqeS an Stelle ber bisherigen
gehnftünbigen eine neunftünbige 2lrf>eitSgeit gu feßen unter Be*
feitigung ber grühftücfs* unb BeSperpaufen, in ber Hodjfaifon
aber ber neuitftünbigen 2lrbeitSgeit nach halbftiinbiger $aufe noch
groei roeitere Stunben oon 6 1 /* bis 8 1 /-/ Uhr hingugufügen, ftcht
ber Bericht fFeptifdß gegenüber, ba bie hier in grage Fommenben
Setriebe troß auSgebehnter mafchineller 2lnlagen hoch in leßter
fiinie auf bie manuelle ©efd^iefIicf)feit beS eingelnen Arbeiters an*
geroiefen ftub, beffen SlrbeitsFraft unb SßrobuFtionSfähigFeit er*
tahrungSgemäß einer Steigerung nur innerhalb enger ©rengen
fähig ift. Sie fiöhne ber Arbeiterinnen finb am ftärFften geftiegen,
bis gu 25 o/ 0 . ^ßoliermäbchen, bie früher 16 bis 18 /$ Stunben*
lohn begogen, erhalten jeßt 23 bis 26 2lber auch bk ßöhne
ber Arbeiter finb hoher geroorben.
&rbeit$oerf)ältmfjje in Neto*Borf. Stach bem Berichte beS
2frbeitS!ommiffärS für ben Staat Nero*?)orF pro 1898 betrug bie
3ahl ber 2lrbeiterorganifationen in biefem Staate am 30. September
beS Berichtsjahres 1087 mit 171067 Witgliebern, roooon 7505
ober ungefähr 4 1 /2°/o grauen; am 30. September 1897 roaren
bloß 1009 Drganifationen mit 168 454 Witgliebern, worunter
5764 grauen (ca. 3V2°/o) oorhanben. Allgemeinen fdßeint
fich bie Drganifation ber Arbeiter rafch un ^ ftetig auSgubreiten.
Sie organißrten 2lrbeiterinnen gehören bis gu 80o/ 0 ber Saba!*
inbuftrie an, ber Neft entfällt auf bie Seftilinbuftrie, baS Such*
bruefergeroerbe unb Sefchäftigung an Sheatern. Ser Bericht giebt,
aHerbingS auf ©runb bloßer Schäßuug an, baß ungefähr 10 o/ 0 ber
gefammten 2lrbeiterfchaft im Staate Ncro*?)orF organifirt fei. Sie
ArbeitSlofigFeit hat im 3ahre 1898 geringere 2luSbehnung gehabt
als im Borjahre; bagegen geht auS ben SimßfchmttSangaben für
bie roichtigften 3nbuftriegroeige heroor, baß bie Sohnhöhe im Be*
richtsjahre um beiläufig 10 0/0 gefunfen fein bürfte. Sie jüngft
in 2lmerifa feüenS ber Arbeiter ber roichtigften Snbuftrien burc|*
gefeßten Sohnerhöhungen haben biefen NücFgang oon 1898 roenigftenS
fcf)on roettgemacht.
Ser groeite Sheil beS Berichtes beS 2lrbeitSfommiffärS be*
fdjäftigt fich mit ber ©inroanberung unb ber NüdFroirFung berfelben
auf bie organifirten 2lrbeiter. ©S roirb fd)äßungSroeife ange*
nommen, baß oon 1783 bis 1819 250 000 ^erfonen in ben Ber*
einigten Staaten eingeroanbert finb, unb oon 1820 bis 30.3nni 1898
lanbeten in 2lmerifa über 18 800 000 ©inroanberer. Hieroon ent*
ßelen 4 970000 auf Seutfcßlanb, 3 800000 aufSrianb, 2 600 000
auf ©nglanb unb SBaleS, ca. 1 200 000 auf Schweben unb 9ior*
roegen unb ca. 1050 000 auf Sritifcf) * l&orbamerifa. $ahegu
13 Btillionen ber ©inroanberer lanbeten in $ero*?)orf. 3n ben
leßten fünf fahren entfielen non ber ©inroanberung 24, c % auf
gelernte 2lrbeiter, 12, x o/ 0 auf tanbroirthfä)aftli(he Arbeiter, 36, 6 °/o
auf Saglöhner unb 18o/g auf |>auSgefinbe. ©ine fchriftliche Um*
frage bei ben ©eroerfuereinen über bie SBirfungen ber ©inroanbe*
rung lieferte bie 2lntroorten oon 1039 Drganifationen mit
175 959 Btitgliebern. ©S äußerten fich 774 ©eroerfoereine mit
105 ’889 Btitgliebern, baß bie ©inroanberung fie nicht berühre,
roährenb 265 Bereine mit 70000 SKitgliebern ober 39 /8 % ber
©efammtheit über bie fchäblichen 9iüdFroirfnngen ber ©inroanberung
SUage führten. Bon biefen 265 ©eroerfoereinen behaupten 120
mit 34 304 Btitgliebern, baß bie ©inroanberung bie Söhne brüefe;
außer in ber ©laSinbuftrie roäre ber Wettbewerb ber ©inroanberer
in fämmtlichen 3nbuftriegroeigen gu oerfpürcn; beroorgehoben roirb
bieSnamentlid^für baS Saugeroerbe, bie ©ifeninbuftrie, Seytilinbuftrie,
SabaFinbuftrie, Seberinbuftrie unb baS Säcfergeroerbe.
Ser Bericht beS 9iero*?)or!er SabrüinfpcftorS pro 1898
Fonftatirt, baß nicf)t weniger als 50 o/o ber oorgeFommenen Be*
triebSunfäHe ber Unad)tfamFeit unb SorglofigFeit ber Berleßten
felbft gugufchreiben finb. 3 n fpi}iri rourben im Berichtsjahre
28 920 ÖabriFen mit 472 784 2lrbextern unb 208 145 2lrbeiterinnen,
ferner 3836 Betriebe beS BäcfergeroerbeS mit 16 832 Befdjäftigten
unb 156 Bergbaubetriebe mit 4674 2lrbeitern. Bon biefer Arbeiter*
fchaft oerunglüdEten 1110 ^erfonen; 34 Unfälle roaren töbtlich,
133 feßroer unb 943 leicht. Ser gabriFinfpeFtor fchlägt oor, eS
foHc gefeßlich oerboten roerben, eine unter 16 3nh^n alte $erfon
an ober bei einer gefährlichen Wafchine gu befchäftigen; bie 2lrbeitS*
geit ber grauen foll auf 10 Stunben täglich ooer 60 Stunben
wöchentlich befcßränFt roerben, unb Shffelarbeiter unb feiger in
gabriFen foUten nur auf ©runb ihrer nachgeroiefenen Äompeteng
befefjäftigt roerben bürfen.
Ser Bericht beS State Board of Mediation and Arbitration
theilt mit, baß im 3ah* e Sfcooember 1897/DFtober 1898 bem 2lmte
271 StreiFS unb Sotfouts beFannt rourben, gegen 243 im Bor*
jaßre. 29 2luSftänbe entfielen auf baS 9iero*?)orFer $FonfeFtionS*
geroerbe. Ser bebeutenbfie StreiF war jener ber 3^9ririarbeiter
oon §aoerftranb, roo über 2000 2lrbeiter groei SRonate lang
ftreiFten unb bie 2lrbeit auf 3 u f a 9 e ÜOn Sohnerhöhungen für bie
nächfte Saifon roieber aufnahmen. Sie StreiFS in ber ÄonfeFtionS*
branche in 9iero*|)orF roieberholen fich in golge ber niebrigen
Söhne alljährlich; bie Arbeiter beabfichtigen bie ©rrichtung eines
eigenen genoffenfchaftlicßen Betriebs.
Sanb»i»trthfchnftti<hc 2trbeitSlS6iie in ©nglanb. ©rhebunaen
beS englifcßen 2lrbeitSamteS, bie fich auf 149 SiftriFte erftreerten
unb 172 616 lanbroirthfehaftliche Slrbciter umfaßten, ergaben, baß
bie Söhne berfelben h cucr Bergleicße mit bem Borjahre un*
gefähr um burcßfcfinittlich 4 d pro ^opf unb Woche geftiegen finb.
3n manchen BegirFen finb bie Söhne fogar um 2 sh pro Woche
geftiegen, roährenb fie in anberen BegirFen um 1 sh unb 1 sh 6 d
geftiegen finb; für eine große 3 a W ber Arbeiter trat aüerbingS
gar Feine Beränberung in ber Sohnhöhe ein. SaS 2lrbeitSamt
notirt Sohnfteigerungen für etwa 30°/o ber länblicßen 2lrbeiterfchaft.
Söhne bei Fomntnnalen ^ramtnaßS in ©nglanb. Ser Stabt*
rath oon |)ull h fl t folgenbeS Sohnfcßema für bie Fommunale
Straßenbahn feftgefeßt: Sie wöchentliche 2lrbeitSgeit beträgt
70 Stunben, roooon bie BtahlgeitSpaufen in Wegfall Fommen. 3n*
fpeFtoren erhalten 30 sh pro Woche unb mit jebent Sienftjahr
1 sh mehr bis 40 sh pro Woche; Wotorroagenführer beginnen mit
28 sh pro Woche unb fteigen bis 35 sh, unb erhalten Uebergeit
mit 6 d pro Stunbe begahlt; ^onbuFteure beFommen 18 sh unb
fteigen bis 25 sh unb erhalten für Uebergeit in ben erften brei
3af>ren 4d pro Stunbe, fpäter 4 1 / 2 d; Stallburfchen erhalten
21 bis 25 sh wöchentlich, feiger 28 bis 30 sh, Sagelöhner 25 bis
27 sh pro Woche. Sie Stabt liefert auch bie Uniformen.
Söhne ber f<hteei£erif<hett ©ifenbahnarbetter. ©ine SohnftatiftiF
ber fcßroeigerifchen ©ifenbaßner, gu beren Aufnahme unb Be*
arbeitung^ ber Bunb einen $oftenbeitrag oon 9000 grcS. leiftete
unb bie fich au f H 7 ^9 ©ifenbahner erftrecFte, roooon 1249 oer*
heirathete ohne unb 7540 mit 24 099 Srinbern, ergab, baß 1895
oor ber Sohnberoegung bie jährliche Surchfcßnittsbefolbung
1573 grcS. betrug, 1898 aber nach ber Sohnberoegung 1853 grcS.,
um 280 grcS. mehr, gleich einer Steigerung oon 17, 8 %• Sabei
finb bie Dberbeamten in bie StatiftiF nicht einbegogen. Sie oon
ben fünf Hauptbahnen jährlich gezahlte ßohnfumme beträgt jeßt
25 482 725 grcS., roooon 39 540 ^erfonen leben müffen.
Scrfdfiebttitg in bet ©ttoev&Stb&tigfett junget Wäbdjen. Breslau
hat bei ben Slrbeiteriunen in ber ^ertilinbuftrie bem Jahresbericht ber
HanbelSFammer" gufolge eine Bericßiebung baburch ftattgefunben, baß
fich für junge äRäbdjen neue erroerbSjroeige, als Buchhaltertunen,
2 elegraphiftiitnen u. f. ro. gefuttben haben, unb baß in bie Üitrfc, welche
baburd; in ben Stellungen für Berfäuferinnen in Fleiuereit ©efdjäften,
in ber HauSinbuftrie utto anberen eingetreten ift, folrfje Bhxbdjett auf*
genommen rourben, bie früher als ftabrifarbeiterinnen Sefchäftigung
fud;ten. @S ift, fo erfreulich baS au unb für fich fein mag, für bie
1171
©ogiale prajis. EentralBIatt für ©ogialpolitif. Ar. 44.
1172
gabrtfen baburdj ber AadÜbeil entftanben, baß nicht bloß meitiger
Arbeiterinnen fiel; melbcn, fonbern baß bie fuß AJclbenben auch aus
Familien fmb, iit benen bic häusliche Ergießung eine fchtcchtcre ift.
Arbeitslöhne int englifdjen nnb amerifamfdjcn ©djtffban. Eine
amerifatiifcße ©tatiftif oergIcicf)t bie £öpne, bie auf ben Bßerften in
Sß^ilabclpljia uub $ull ge 3 al;lt roerben; es ergiebt fid) für Pßila-
belphia ein Surtpfcpnittslohtt oon 9 sh V 4 d pro lOftünbigen Sir*
BeitStag, roäprenb ber 9 flünbige Arbeitstag in §utt bunpfcßnittlid)
mit 4 sh 11V 2 d befahlt mirb. Sie ®iffereng jeiat fiep beutlich
auch im ©tüdflopn: in ^ß^itabelp^ta erhalten bte Arbeiter 11 sh
5 1 /2 d pro 100 Aietnägel, in £ull bloß 7 sh 5 1 / 2 d; bie ent*
fpreepenben Sagelöhne für biefe Arbeit finb 8 sh 4 d in ppüa-
belphia unb 5 sh 3 d in §mH.
1 Arbeitslöhne in Jjfttbien* Sie „Gazette of India“ oeröffent-
licht folgenbe SurcpfcpmttSangaben für monatliche Arbeitslöhne in
Vritifcp-Snbien:
Ungelernte Gelernte
Arbeiter Arbeiter
Burma.
. . . 11 bis 30 Aupicn
10 bis
45 Aupien,
Affam.
... 7-22
12 -
60
Vorbmeftprooingen .
... 3
—
Bombaq . . . .
. . . —
10 -
30*) -
Bengalen, punjab .
5 -
15 - .
JCrbeitttberaetprag.
3nt Arbeiterbetotgung.
Sic ferner Unruhen, bie oon ben ,Scharfmachern" fo
eifrig ausgebeutet roorben finb, befdjäftigen jept bie Gerichte. Vom
£attbgcrid)t in Vocpum finb bereits oerfchiebene junge Bergleute
mit polnifdjen tarnen 311 empfinblichen ©trafen oerurtbeilt morben.
ViS jept ift noch feine eingige Verurteilung auf Grunb bcS § 153
ber Gcroerbeorbnung erfolgt. Ser Gerichtshof pat nielmehr ftets
einen Paragraphen gur Verfügung gehabt, ber ein fcpärfereS ©traf-
maß ermöglichte. Von ben Verurteilten gehörte feiner einer ber
beiben Vcrgarbciterorganifationen an.
Auch bie neuerlichen Unruhen in Augsburg, bie gum Eiit-
fchreiten bes Militärs unb gahlrcichen Verpaftungen führten, famen
ben Scharfmachern" roie gerufen. 3 n Augsburg ftreifen bie
Maurer. Sen äußeren Anftoß gu ben Unruhen gab ber Etnmarfcp
oon ctroa fünfgig ttalicnifcfjen Maurern, bic oon gahlrcichen poligei-
beamten unb ocrfchicbenen Unternehmern 00 m Bahnhof abgcpolt
unb nach bem ©cplad)t- unb Aichhof tranSportirt mürben, mofelbft
ihnen oom VRagiftrat ein UnterfunftSgebäube eingeräumt mar.
Sett ftreifenben Vfanrern mürbe oerboten, mit ihren auSlänbifcheu
Mollegen in Verfcpr gu treten. Aus biefem Anlaß fam es gu
Verhaftungen, an mclthe fich bann bic Unruhen fnüpften, an beiten
aber, roie allgemein berichtet mirb, bie ftreifenben Sttaurcr nicht
befheiligt gemefen fein follen. Aabauluftige Elemente follen oiel-
mehr ben Anlaß gu AuSfd)rcitungen beitupt h a bett. Auch hier
biirften bie beoorltepenbeit GericptSoerbartblungen mehr Mlarßeit
über bie eigentlich ©chulbigett bringen. Gegen bie Verhafteten ift
Auflage megen Aufruhr, Auflauf unb Sanbfricbcnsbruch erhoben
morben. Unter bem Vcrbadjte ber Aufreigung gum ,£>ansfriebenS-
bruep ift aud) ber Vorfipenbe ber auSftänbigen Viaurer oerhaftet
morben. Vteprfcpeinlidj mcrbeit auch in biefem gaüe bic (Berichts*
oerhaublnngeu bemeifen, baß bic bcftchenben Gefepe ausreichen,
um ben rabauluftigen Sanpagel ftreng gu beitrafen. Eigentümlich
muß es jebenfaUs berühren, baß ©tabtocrmaltung unb poligei bie
Unternehmer bei ber §erbeigichung ber Stalicner, bie ohnehin als
bcbiirfuißlofe „Öopitbrucfer" nicht beliebt finb, unterftiipte.
Siefe poligcilicpe Unterftüpung I)at fid) ja auch, roie bereits
gemelbet, bei bem 'JÜiaurerauSftanb in 3 ro icfau in ©adjfett ge¬
geigt. Aur follen bort uidit gtalieuer, fonbern Egccpen bie ftreifen¬
ben Arbeiter erfeßeit. 2öic Arbeiterblätter berichten, fall ber auf
bem Valjnhofe poftirte Gcitbarin mohl bie Agenten ber Vautneifter
bulbeit, nicht aber bie ©treifpoften ber SWaurcr. Siefelbeu Arbeiter-
btätter führen meiter barüber Vcfd)merbc, baß and) beim Vfaurcr-
ftreif tu Sresben bie poligei bie Unternehmer uuterftüpc.
VHe eigenartig eS manchmal mit bent ©(pupe ber ArbcitS-
roilligen feiten«? ber Unternehmer beftellt ift, barüber toerben aus
Viilfter (§olfteiui merfmiirbige Singe berichtet. Sort befinben
fidi feit V>od)cti faft fämmtlidie i?eberarbei ter mögen £opit- uub
ArbcitSgeitbiffcrengeu im AuSftaub begm. in ber AuSfperrung.
Ser Verfließ, Morrigcuben au ©teile ber Ausftänbigeti gu befefjäf^
tigen, foll fehlgefchlagen fein, bagegeu fei ec« gelungen, 51 Arbeite-
*) iiMtljrnib ber ’peft 27 bie« 42 Aupicn.
fräfte aus Oberfc^Iefieit unb Vöhmen perangugießen. lieber ba*
©djicffal bicfeS Arbeitertransportes berichtet ber „Vorroärte":
„Surdj baS 3 u famntcuarbetten ber Poligei, Giienbahntiepörben
unb beS Unternehmertums mar eS nicht möglich, ben getiten fefjott in
Hamburg Anfflärttng gu geben über bie Singe in SSilfter. gn gpepoc,
ber lepten ©tatiou oor SSilfter, mürbe ber SSagen loSgelcgt unb per
Gjrtragug nad) ber galt unb ©cßüttfd)en gabrif, mo bis jept feilte
fahrplanmäßige .{mlteftelle mar, gebracht. Sen Leuten mürbe fdfjon
flar, gu meldjen Sienftcn fte beftimmt toaren, benn bas ftarfc poligei-
aufgebot betrachteten bicfclbeti nicht als eine (Hjrencrmcifung. 9Äan
hatte fie für eine neueingurid)tenbe gabrif, angeblich fünf Minuten oon
Hamburg entfernt liegettb, angemorben. Aad)bem bie ©treifenben ihnen
burdj SBort unb ©chrift Aufflärung gegeben, oerließen bicfelbett am
anberen borgen bic gabrif. ©ätnrntlidje Ausgänge ber gabrif toaren
oerfd)loffen unb als 28 3)?antt benfelben „oerbotenett A^eg" pafürten,
auf bem fte hinein gef ommen, ujurbe aud) biefer Ausgang gu genagelt,
unb fo mürben bie Öeute gleich §äftlittgen au ber Ausübung ihres freien
SBMUenS behinbert. ©eitens ber ©treifenben mürbe ein gtußfahrgeiig
requirirt unb baburch bic ^eutc aus ber ©efangenfd)aft befreit, g»
einer Vormittags abgehaltenen Verfantmlung berichteten bic teilte über
ihre Aitroerbung unb SrattSport h^rher- • • • Ser Vürgcrmctfier hat
thatfädjlid) feftgeftellt, baß bie SBerbefontrafte nad) Wilstorf bei Ham¬
burg lauteten;' fpäter hatte man „orf" burdjftrichen ttnb „er" barüber
gefeßrieben. Auch mürbe feftgeftellt, baß matt ben Leuten itt Statibor
eine 2ifte oorgelegt, gur Aufgeidjttung tl)reS AamettS mit bem Venterfen,
gleichseitig feftguftetlen, mie oiel perfonen gum Transport verfügbar
feien. |)ier entpuppte fid) biefe perfonenlifte als ein Montraft, ooit
bem bic Seute feine ©ilbe mußten. Auf ©runb biefer gefificüiiitg
feitenS ber hiefigen Poligetbehörbe toaren bie 2eute oon ber Aufnahme
ber Arbeit entbunben. ©ie ftnb fämmtlich toieber abgereift." firner
ben ©treifenben fteßt ber Vcrbanb ber beutfdjen Seberarbeiter.
3m Vunglau-ßömenberger ©teinbruchreoier ift ein
©tein arbeitet ft reif ausgebrochen, ber fuß bereits faft über gar,
©(hießen erftreeft unb auch aufVerlin iibergefprungen ift. Verliticr
Unternehmer ftnb Veftper ber fchleßfdien Vrüdje unb bic Verfiner
©teiuarbeiter bettupten bie Gelegenheit, um ihre fchoit im oorigen
3ahrc oergebenS erhobene gforberung: ©tunbentotjn oon 70 4 bei
achtftiinbiger ArbeitSgcit, gu erneuern. Sie Llrfad)c bes ©treifes in
©(hiefien bilben ©treitigfeiten über bie Auslegung bes im SWärg
1898 abgefchloffenen unb noch bis 1 . Viarg n. 3^" gültigen ^ohn-
tarifs. Gs hanbelt fich namentlich um fjöljeve Vegaßlung be-
ftimmter fchmieriger Arbeiten ber ©teinmepen. 3« einem ^U\\xw\
ber Gefchäftsleitnng ber ©teinarbeiter SeutfchlanbS an bic ge-
fammtett Arbeiter ber ©teininbuftrie SeutfchlanbS mirb gur Unter-
ftüpuitg ber AuSftänbigen (bis jept über 1100 Viann) eine (Sjtra*
fteuer auSgefchrtebett, unb oor 3asug uadj ©djlefien getoarnt. Ser
©treif ber Berliner ©teinarbeiter eparafterifirt fidp mehr als ein
©pmpathieftreif. V3äre in Vuttglau ein Gctoerbegericht oorbanben,
fo märe ber ©treif Dieileicßt fepott beigelcgt. Als oor einem 3abre
bie bortigen Arbeiter bie Grridjtung eines folcpeu anregten, erflärte
ber Vlagtftrat, ein Gern erbeg eridjt für Vunglan fei ein „Ünbittg".
3n Berlin uepmen bie AuSgletchSoerpanblungen im
Vaugemerbe biSper einen befriebigenbeu Verlauf. 3n beit Mreifen
ber Vtaurer fepeint man fiep mit ben getroffenen Vereinbarungen
mepr unb mepr abgußnbett. Vtit ben Pupern, 3i inmere rn uub
VaupülfSarbeitern mirb megen ber oon biefen Arbeiterfatcgorien
erhobenen Sorberungen unterpanbelt unb es finb fepon Grfolge er-
Sielt morben. 3n Sonbon ift neuerbingS in einer gemeinsamen
©ipung ber Arbeitgeber unb ber GemerfoereinSoertreter im Baufach
bie Errichtung eines gemeinfamen AuSgleicpSamteS gur Verhütung
unb Beilegung oon ©treifs befcßloffeu morben. SaS Amt foll bei
allen bie AroeitSgeit, £oßn uub fonftige ArbeitS bebingungen be-
treffenben ©treitigfeiten eingreifen. 3 n Hamburg broßt ein © treif
ber 3immerer unb Vf au rer. Sie 3i™merer oerlangen bei
neunftiinbiger ArbeitSgeit einen ©tunbenioßn oon 70 /$. (^egett-
märtig beträgt bie ArbeitSgeit 10 ©tunben, ber ©tunbenioßn 60 iy
Sie Arbeitgeber follen fid) bis gum 1 . Auguft erflären.
SaS ©treiffomitee ber gormer ßeipgi^S ßat gur Uitterftüpnitg
bes fieipgiger gformerftreifs einen Aufruf an bie gformer unh
VernfSgenoffen Seutfd)lanbs erlaffen. Urfprünglicß befepräufte fich
ber ©treif auf eine gabrif, in roelcßer um eine halbe ©tmtbe
ArbeitSgcitoerfiirguna geftreift mürbe. AIS aber bie £cipgiger
VtetaflinbuftrieUen oefcploffen, bie ftreifenben gormer gmei ^aßre
oon ben VerbaitbSroerffteffen anSgufdjließen, falls fte niept inner¬
halb einer ejeroiffen grtft bebiitgungSloS gur Arbeit gurücffeprten,
mürbe ber ©treif ein allgemeiner.
Ser ©treif ber SWobelarbeiter itt ©tuttgart, an bem
anfänglich über 1100 Arbeiter betbeiligt maren, unb ber 12 Stochen
Dauerte, pat mit einem ©iege ber Arbeiter aeenbet. Sie unter bem
Vorfipe bes ©tabtfd)iiltl)cißen Gauß geführten Verl)anbluttgen
haben bas Ergcbniß gegeitigt, baß bie gabrifanten beit A'eunftunben-
1173
©oktale $rajts. Eentralblatt für ©ogialpolitil. 9?r. 44.
1174
tag ber bisher ben Stein beS AnftopeS bitbete, acceptirt haben.
Aus ben getroffenen Bereinbarungen ift mitgutpeilen Einführung
beS StteunftunbentageS unb 7 °/o ßopnaufbefferung für Afforb* unb
©tunbenarbeit; Ueberarbeit totrb an ÜSerftagen mit 25, an ©onn*
tagen mit 50 °/o 3uf^Iag oergütet, fott aber nur in bringenben
gatten oertangi roerben; für §ülfeleiftung bei Afforbarbeit gur
fepnetteren gertigftettung werben 20 °/o 3 u t’df)Iag begaplt; bie
Befperpaufen bleiben abgefchafft; bie Arbeiter bürfen ihr mit*
gebradjteS Effen roäprenb ber ArbeitSftunben oergehren; bie Ar*
beiter oerfpreepen, bie in Arbeit gebliebenen Bottegen niept gu be*
läftigen, roährenb bie gabrifanten oon jeber Bcapregelung ber
auSftänbig ©eroefenen abfehen; gur Beilegung oon ©treitigfeiten
roirb eine tfommiffion oon 5 Arbeitern unb 5 Arbeitgebern mit
je einem Obmann eingefept, bie abroetpfelnb ben Borfip führen.
Unter ben Arbeitern ber beutfepen Braunfoplen*Aeoiere
gährt eS. Auf einer $onfereng ber BertrauenSleute be« Berg*
arbeiter*BerbanbeS ber Braunfoplenreotere ÜDtittelbeutfeplanbS tn
3eip rourbe fonftatirt, bap bie üöerfSbefiper auf bie ßopneingabe
ber Arbeiter nicht geantwortet hätten. S)ie gorberungen follen
nun noch einmal eingereid^t unb eoentuett ein ©treif oorbereitet
roerben. 2)ie gefammten öfterreiepifepen Braunfoplenoereine fotten ihre
Unterftüpung burep ttÄiteintreten in ben ßopnfampf gugefagt haben.
gn $änemarf fott bie nun fepon Btonate bauernbe Staffen*
ausfperrung oon 40 000 Arbeitern ber Btetatt», f)otg* unb Bau*
branepe naep bem ©epeitern aller AuSgleicpSoerpanblungen noep
burep bie Ausfperrung weiterer 15 000 Arbeiter ber ^ejtilbrancpe 2C.
feitenS beS Untern epmeroerbanbeS oerfepärft roerben. ES würben
bann runb 55 000 organifirte Arbeiter (napegu groei drittel ber
im ©eroerffepaftsbunb organiftrten Arbeiter) auSgefperrt fein. S)ie
gorberungen beS UnternepnteroerbanbeS (©enepmigung ber ©ta*
tuten ber ©eroerffepaften, Hinterlegung einer ©elbfumme als Unter*
pfanb für piinftlicpe Befolgung Der Borfepriften ber Unternehmer
feitenS ber ©eroerffepaften, Anerfennung bes AeeptS ber Unternehmer
gu BtaffenauSfperrungen) laffen erfennen, bap es ben Unternehmern
um ßapmlegung ber tpnen oerpapten ftarfen ©eroerffepaften gu tpun
ift. $>ie bänifepe Regierung pat fiep bisher neutral oerpalten; ob
fie in biefer Aotte oerparren roirb, wenn bie Aotp in ben gamilien
ber AuSgefperrten gröper unb baburep eine allgemeine ©cpäbigung
perbeigefüprt roirb, mup bapingeftettt bleiben. Bon piioater ©eite
ift man ben AuSgefperrten burep ©croäprung oon AaprungSmitteln
unb burep Aufnahme oon Äinbern in Bauernfamilien ftpon mepr*
faep gu Hälfe gefommen. 3mmer häufiger unb brängenber roerben
ingroifepen bie Hilferufe ber bänifepen Arbeiter in ben beutfepen
Arbeiterblättern. Vertreter ber bänifdjen ©eroerffepaften bereifen
jept 2>eutfcplanb unb Englanb, um in Berfantmlungen für bie
Unterftüpung ber AuSgefperrten gu roirfen. Sn ©aepfen ift einem biefer
Übertreter, bem bänifepen fogialbemofratifepen ^arlamentSabgeorbneten
0lfen oerboten roorben in Berfammlungen gu fpreepen, roibrigen*
falls er fofort aus ©aepfen auSgeroiefen werbe. ES finb auep
fepon Berfammlungen, in benen gu ©unften ber AuSgefperrten ge*
fprocpeit unb gefammelt roerben fottte, oerboten roorben, fo neuer*
bingS in Nürnberg. „Vorwärts" unb baS „Eorrefponbengblatt"
ber H öni & ui: 9 er ©eneralfotnmiffion ber ©eroerffepaften ©eutfep*
lanbS paben bringenb gur Hälfeleiftung aufgeforbert, beibe Blätter
mit bem Hinweis barauf, bap es fiep um eine allgemeine Arbeiter*
faepe panbele, naepbem ber bäniftpe Unternepmeroerbanb mit Erfolg
burep Eirculare bie Unternehmer S)eutfeplanbs, ©cproebenS uno
Norwegens aufgeforbert pabe, auSgefperrten bänifepen Arbeitern
feine Arbeit gu geben, unb naepbem gu erwarten fei, bap bie lieber*
laae ber bänifepen Arbeiter für bie Unternehmer aller ßänber baS
©tgnal fein werbe, ebenfalls mit BtoffenauSfperrungen bepufS Ber*
nieptung ber Arbeiterorganifationen oorgugepen.
Cprlftlieper Sttaureroerbaiib $>enifsplanbS. 2)ie bisper pier
im herein „Arbeiterfepup" orgaitifirtcn üßaurer paben befeploffen,
einen Berbanb ber Btaurer unb oerroanbter Berufe für gang
3>eutfcplaub gu grünben. 2)er Berbanb fott feine Atitglieber be*
fonbers gegen bie häufigen Betätigungen burep anbersgefinnte
Arbeiter fepüpen unb ipre Sntereffen gegen bie Bauunternehmer
oertreten. Aaep bem ©tatutenentrourf fott ber Berbanb auf cpriftlieper
©runbläge, jeboep unter AuSfeplup jealieper politifepen unb religiöfen
gragen, bie roirtpfcpaftlicpen Sntereffen feiner SDiitglieber oertreten.
$er 3epnjhmbeiitag tu ber öfterreiepiftpeu Segtifisrimfitrie.
AHem Anfepeine naep pat ber Erfolg ber Brünner Arbeiterfepaft
ber Berfürgung ber ArbeitSgeit auep in ber norbböpntifcpen Seftil*
inbuftrie Bapn gebroepen. 3nfoIge Aaepricpten aus biefen Sn*
buftriebegirfen paben fiep bort bereits mehrere Unternehmer ent*
fcploffen, entroeber biefelben ArbcitSgeiten eingufüpren, bie ber AitS*
gleich in Brünn feftftettte ober aber gleiep gum 3epnftunbentag
übergugepen. 3n ben lepteren gehört ber ^räfibent ber Aeiepen*
berger HanbelSfammer. 3Ran barf bemgemäp hoffen, bap es gu
feinen weiteren ßopnfämpfen ernfter Statur um ben 3epnftunbentag
in ber Seftilinbuftrie fommen roirb.
©treifS mtb EiniguugSämter in graufmep 1898. 2)en ®aten
beS „Office du Travail“ gu golge fanben in granfreidp im lept*
oerfloffenen Sapre 368 ©treifS flait, an benen 82 065 Arbeiter
(71 348 ttftänner unb 7955 grauen) beteiligt roaren. ®ie Aus*
ftänbe betrafen 1967 Betriebe unb fte umfapten 1 216 306 ArbeitS*
tage. $ie S)urepfepnittSbaucr betrug 15 iage pro Arbeiter, ©egen
1897 bebeuten biefe $>aten eine niept unbebeutenbe ©teigerung per
©treifberoegung, was oorgugSroeife bem gropen ©treif ber Sßarifcr
Erbarbeiter gugufepreiben ift, an bem allein 42 800 Arbeiter be*
tpeiligt roaren. Bon biefem AuSftanbe abgefepen, entfiel bie gröpte
3apl ber ©treifS auf bie £ejtilinbuftrie (28, 6 o/ 0 ) unb bie Sfetatt*
inbuftrie (15,77 o/o), üiapegu bie ^älfte aller AuSftänbe (45,6 %)
galt ber ^urtpfepung oon ßopnerpöpungen.
3)aS Ülefultat ber ©treifS in ben 1898 unb 1897 er»
giebt fiep auS naepftepenben 2)aten (in ^rogenten):
Streifs Streifen be
1897
1898
1897
1898
Erfolgretdb roaren . .
. 19,10
20,38
28,80
12,91
Erfolglos * . .
• 46,63
46,Q 0
29,43
47,43
AuSgfeiep.
. 34,57
33,45
41,77
39,66.
Auf ©runb beS ©efepeS oom 27. $)egember 1892 fanb in
94 Streitfällen eine einigungSamtliepe Bermittelung ftatt; bieS fmb
runb 25 o/ 0 ber AuSftänbe (gegen 21 o/ 0 in 1897). $>ic Snitiatioe
piergu ging in 57 gätten oon ben Arbeitern, in 3 gätten oon ben
Unternehmern unb in 2 gätten oon beiben Parteien gugleitp aus,
roährenb ber griebenSricpter in 32 gätten ex officio interoenirte.
Bier Streitfälle erlebigten fiep bereits oor Beginn einigungSami*
lieper ^pätigfeit unb bei ben übrigen 90 gätten rourbe in 38 ber*
feiben bie Bermittelung oon ber ©egenpartei abgelepnt: in
32 gätten oon ben Arbeitgebern, lmal oon ben Arbeitern unb in
5 gätten oon beiben ©eiten. ES oerblieben blop 52 ©treitfätte
für bie einigungSamtliepe Bepanblung, unb pieroon rourben blop
18 auf biefe üöeife beigelegt; einem ©epiebSfprucpe unterroarfen fiep
bie ftreitenben Parteien blop in 2 gätten, fo bap niept mepr als 20
oon ben 368 Streifs auf gütliche SBeife beigelegt roerben fonnten.
Belgifeper Arbeiterinnenfongrep. 3» Eparlcroi tagte am 23.3»li
ber erfte belgifepe Arbeiterinuenfongrep. gaft alle belgifcpen Arbeiter»
organifationen patten ®elegirte gefepieft; auep aus bem Auslanbe
roaren nieprere SDelegirte erfepienen. ^er Stougrep ftettte folaenbc
gorberungen auf: 1. Berleipung beS aftioen unb paffioeit 5&apl*
re^ts an bie Arbeiterinnen bei ben SBaplen in bie 3«buftrie* unb
ArbeitSrätpe unb in bie gewerblichen ©djiebSgeriepte. 2. Ernennung
oon weiblichen ©eroerbeinfpeftorcu, benen bie Snfpeftiou oon Üöerf*
ftätten, in benen nur Arbeiterinnen befipäftigt finb, auSfeplieplicp
oorbepalten fein fott. ©egenroärtig giebt es in Belgien nur eine
©eroerbeinfpeftorin. SBeiter rourbe befeploffen, bap bei ßopn*
fämpfen ftets ber ©runbfap gelten fotte: giir gleiepe Arbeit
gleiepen ßopn.
Mhtüttfäuk,
$o(n(4Perorbnuugett gum ©epupe ber Arbeiter auf Bauten*
®er ÜJtinifter ber öffentlichen Arbeiten unb bie Btinifter beS Snnent
unb für H an ^ e I unb ©eroerbe paben ©runbgüge für ^oligcioerorb*
nungen, betreffenb bie Arbeiterfürforge auf umfangrcid)en
£iefbauten, ausarbeiten laffen. 2)ie ©runbjüge fepreiben bie §>erftel*
Iung geeigneter Aäume gur llnterfunft für bie an Bauten befepäftigten
Arbeiter bei ungünftiger Witterung unb in ben Aupepaufen, unb bie
Errichtung geuügenber unb gefunbpeitSgemäper Aborte oor unb
befepäftigenfiep auep mit bcrSorge für bic©efunbpeit ber in9fcnbauten
arbeitenben ^erfonen. 3» lepterer Bcgicpung beftimmen fte, bap
oom 15. üfooember bis 15. Btärg ©tuefateur*, s ßuper*, unb Xöpfcr*
arbeiten in Neubauten nur bann auSgefüprt werben bürfen, wenn
bie Üläume, in benen gearbeitet roirb, burep Spüren unb genfter
oerfeploffen fmb, foroic bap in Aäumen, in benen offene Mofsfeiier opne
Ableituna ber entftepenben ©afe brennen, niept gearbeitet roerben barf.
ßeptere Borfeprift auf bie 3^it oom 1. Dftober bis Enbe April aus»
gubepnen, wie bie ©eroerffepaften oerlangen, bürfte fiep fepr empfehlen.
ArbeitSgeit in beu ©etreibemüplen* Bom banerifd)en Staats*
miuifterium beS Snnern rourben bie ^oligeibepörDcu unb bie ©e*
1175
Sogtale Sßrajig. Eentralblatt für Sogtalpoltttf. Ar. 44.
1176
wcrbcaufiicptgbeamtcn barauf aufmerffam gemalt, baß fiep bie j
Veftimmungen über bic Arbcitggeit in beit Gctreibemühlen oom
26. April i899 auf alle bei bem eigentlichen Vtaplprogeife bcthei*
ligtcn ÜjSerfoiten belieben, gleicpoiel ob bicfe bei ber Vebienung bcr
Mahlgänge ober bei ber Vebienung ber Walgenftüple befdjäftigt
finb (ogl. 0p. 1084).
$te rcdjfgfräiHge Verlautbarung öon Arbeitgorbunngeu. ©ag
öfterreicpifcpe .f>anbefeminifterium pat einen ®riaß an bie Statt*
haltereien gerietet, ber eine enblicpe Regelung ber grage ber Ser*
lautbarung oon Arbeitgorbnunaen auf Grunb ber Erfahrungen ber
Gewerbegericpte begwecft. Sn oem Erlaß Reifet eg:
$acp ben Wahrnehmungen ber Gewerbegericpte unterlaffen eg
bie Arbeitgeber nicht allgu feiten, in beftimmter unb flarer Weife
ben Arbeitnehmern gegenüber fid) über bie Vebingungen beg Ar*
beügoertrageg gu erklären. Wan begegnet öfter ber Anficht ber
Arbeitgeber, baß jcpon bie Vefcplüffe einer Gewerbegenoffenfcpaft
über geroiffe Veftanbtpeile. beg Arbeitgoertrageg (g. V. pinficptlicp
beg Augfdjluffeg ober ber ©auer ber Jfünbigunggfrift ober pin*
fichtlid) ber £öpe beg Arbeitglohneg unb ber Art ber Lopnaug*
gahlung) ohne Weitereg auch für bie Arbeitnehmer binbenb finb,
auch wenn auf biefe befonberen Veftimmungen bei Abfcpluß beg
Arbeitgoertrageg nicht Vegug genommen roorben ift. Eg fam
weiter auch bie Anficht gum Vorftpein, baß beim Veftanbe einer
Arbeitgorbnung f<hon bie ©patfacpe bei Genehmigung ber Arbeitg¬
orbnung bur<p bie Gewerbebepörbe ober ber Anfchlag im Arbeitg*
Iofaie genügt, bamit bie Veftimmungen ber Arbeitgorbnung alg
Veftanbtpeile beg Arbeitgoertrageg für beibe ©b e ü c Geltung haben.
dagegen nehmen bie Geroerbegerichte, roie fiep aug ihren Ent»
fcpeibungen ergiebt,, ben Stanbpunft ein, baß bie Arbeitgorbnung
feine gewerblidpe Verfügung unb fein Vertrag, fonbern eine ein»
feitige Veftimmung beg Unternepmerg ift, fo lange fte nicht burch
Vereinbarung gu einem Veftanbtpeil beg Arbeitgoertrageg geworben
ift. S>iergu ift aber — ben gefeßltcpen Vorfcpriften gu $olge —
nach Anftcpt ber Gewerbegerichte nicht eilte oon beiben Vertragg*
theilen abgegebene augbrüalicpe Erflärung barüber nothroenbig, baß
bie in ber Arbeitgorbnung enthaltenen Veftimmungen alg Veftanb*
theile beg Arbeitgoertrageg für bag Arbeitgoerhältniß maßgebenb
finb, fonbern bie Geroerbegerichte halten eg für augreicpenb, wenn
aug ben tfjatfadjlic^en Vorgängen bei ber Aufnahme beg Arbeitcrg
ftth ergiebt, bah bie Aufnahme unter ben in ber Arbeitgorbnung
begegneten Vebingungen angeboteri unb angenommen worben ift.
$>iefe Annahme wirb nach ben oorliegenben Entfcheibungen
ingbefottbere bann alg thatfäcplicp begrünbet angefehen unb bem*
nach ber Schalt ber Arbeitgorbnung alg Veftanbtpeil beg Arbeitg*
oertrageg anerfannt, wenn:
1 . „cntroeber ein gebrucfteg Ejemplar ber Arbeitgorbnung
bem Arbeitnehmer oor feiner Aufnahme mit ber Weifung
eingepänbigt würbe, oon bem Spalte ber Arbeitgorbnung
Stenntniß gu nehmen, ober
2 . wenn bem Arbeiter bie wefentlichften Veftimmungen ber
Arbeitgorbnung, ittgbefonbere jene über bie Sfünoigung,
über bie Arbeitggeit unb über bie $öpe ober Art ber Ve*
recpnung beg Arbeitglohneg, münblicp befannt gegeben
werben, ober
3 . wenn ber Arbeiter angewiefen wirb, oon bem Spalte ber
angeschlagenen Arbeitgorbnung Äenntniß gu nehmen unb
fobann in allen brei Sailen ber Arbeiter augbrücflicp ober
ftillfcproeigenb burch llebemahme ber Arbeit fiep bamit
einoerftanben erflärt, baß biefe Veftimmungen ber Ar*
beitgorbnung alg Veftimmungen beg Arbeitgoertrageg gu
gelten haben."
Arbetterfcpnß bei öffentlichen Lieferungen in Defterreicp. s Aug
ben jüngften Verpanblungen beg Arbeitgbeiratbeg hat man er*
fahren, bah in ber Angelegenheit beg Arbciterfcpußeg bei Ver¬
gebung öffentlicher Arbeiten uno Lieferungen bereitg umfaffenbe
Vorfeprungen getroffen finb. An fämmtliche EentralfteKen oon
Defterreich-Ungarn, Vogitien unb ber Herzegowina, bie autonomen
Vehörben, bie Lanbegaugfcpüffe, bie gröberen fommunalen Ver¬
waltungen in Defterreid), ferner bie ftatiftifepen Aemter ber
europäifepen unb außerenropäifepen Snbnjtrieftaaten würbe ein
Äunbfcpreiben gerichtet, mit bem Erfucpeu um Wittheiiung ber
über bag 0ubmiffiongroefeu geltenben Vorfchriften. ®ie Erfahrungen
unb Wahrnehmungen in auberen Staaten foflen bic Aicptfdjnur
bieten für bie Siegelung ber Angelegenheit in Ccfterreicf). Sn einem
wirb man bem Aeferenten, Winiftcrialfcfretär Dr. Vad), beipflichten
fönnen: baß ben Erforberniffcn beg Arbeiter) cpußeg unb ben
Wiinfcpen nach Verbefferung ber Arbeitgbebingungen bei öffentlichen
Lieferungen, welche oon Seite uttferer Staatgoerroaltung , gu ocr*
geben finb, leichter Rechnung getragen werben fönne, alg im inter¬
nationalen Wettbewerbe ber Vrobuftion, ba im erfteren Salle ber
Stonfurrengfäpigfeit bcr peimifepen Snbuftrie gegenüber augroärtg
nieptg im Wege fteht.
Arbeiterffpup i» ber ferantifepen Snbuftrie England Alm
18. Suli fanben im enalifcpen Hanbelgamte Äonferengen mit SSer-
tretern ber feramifchen Snbuftrie ftatt, bereu roar /
Amte birefte Snformationen über bie Verroenbung oon Vleiroeife
unb bie Wöglichfcit beg Erfapeg beffelben burch em unfchablidpeg
Vleipräparat gu oerfchaffen. $)er Äonfereng wohnten auch bie
Vrofefforen Olioer unb Shagpe bei, bie ben Verist über ©lei»
oeraiftnngen an bag Board of Trade erftattet haben. S)ie
Sabrifanten fprachen fich bahin aug, bap fte gern bereit feien, bie
Verwenbung oon Vleiweip fo weit alg möglid) gu befchränfen unb
plaibirten für eine Verallgemeinerung ber regelmäßigen ärgtlichen
Unterfuchuna ber Arbeiter in ben feramifchen Snbuftriegweigen, bie
bigper auf Stauen unb Wäbcpen befepränft war.
Arbettgorbuttugeu in Velaieu. Laut Gefep oom 15. Suni 1896
müffen in fämmtltcpen belgifcpen Sabrifen Arbeitgorbnungen an*
gefcplagen fein; burch heftet oom 31. Wai l. 3- ift biefe Ve*
ftimmung auf alle Vetriebe auggebepnt worben, in benen roenigfteng
fünf Arbeiter befd)äftigt finb.
^ie ißßfereitg ber baperifepen Sabrifen* unb Getoerbeiufpef=
toren, finbet am 6. Stooember im Staatgminifterium beg Snnern in
Wiinchen ftatt. Gegenftattb bcr ^agegorbttung finb unter Attbeni
bie Gewerbeaufficht in ben §anbmerfgbetriebcn, Spegialerpcbungen
für bag Waurergewerbe im Sapre 1900, Vefdjäftigung oer^
peiratpeter Srauen in Sabrifen, ftatutarifepe Veftimmungcu über
bie Lopugaplung, S^ormatiobeftimmungen über Unfalloerpütung unb
Getoerbehpgiene, Sichcrhcitgoorfcpriften für Aufgügc, Werfftättcn*
oentilatiou, Lopnftatiftif, Rebling bcr allgemeinen Vilbung bcr
Arbeitcrbcoölferung, Vefcpäftiguiig oon Heimarbeitern, Errid^tung
oon Spipenflöppetfcpulen.
JCrbeUemetfii^emng. gpatkaflTeu.
3nr Organifatton ber getoerblicpett Unfölloerftcpernng in fyranfreie^*^)
Siacpbem bie Volfgoertretung noch furg oor bem Termine oer*
fepiebene Ergängungg* unb Augfüprungggefepe ootirt patte, ift bag
UnfaHüerftcperungggefeß oom 9. April 1898 am 1. Suli b. 3« in
$raft getreten. ^>er einmonatlicpe Auffcpub, ben ber Anfangg*
termin burep ben langfamen Gang ber parlamentarifcpen Verpanb*
lungen über bie Augfübrunggmaßnahmen erlitt, wirb übrigeng
feine SRacptpeile für bie Arbeiterroelt oerurfaepen. Auf einen fogia*
liftifcpen Antrag pin ermächtigten bie beibett legiglatioen Körper*
fepaften bie Regierung, alle gmifepen bem 1. Suni unb 1. Suli
oerunglüeften Arbeiter naep ben Vorfcpriften beg Unfallgefepeg aug
Staatgmitteln gu entfepäbigen. Eine Enquete über bie in biefem
Seitraum oorgefommenen Unfälle ift bereitg im Gange.
Wie gu erwarten war, übte bag Snfrafttreten beg Gcfepeg,
weltpeg bie fämmtlicpen Soften ben Unternehmern aufbürbet, einen
SRücffcpiag auf bie Arbeitgoerpältniffc aug. Saft überall
maepte fiep bag Veftreben geltenb, einen £peii ber Laften auf bie
Lopne abguroälgen. An oielen Drten, namentlich in SRanteg, in
ÜRarfeilte unb SDiion fam eg begpalb gu Augftänben, bie gum
Xpeil noep niept beigelegt finb. 2>ie Weprheit ber Geroerbetreiben*
ben oergieptete jeboep barauf, bie Verftd;erunggfoften burep Lopn*
rebuftionen auggugleicpen, unb eg erfcpcint niept waprfcpeinlich
baß bie Drqanifation ber UnfaHoerftcperung eine bauembc SRücf*
roirfung auf bie Lopnpöhe augiibe.
Ebenfo erroiefen ftep bie Vefürcptungen über eine anbere un*
günfüge 9tebenwirfung beg Gefeßeg alg übertrieben: ba bie Unfall¬
renten opne obligatorifcpe Solibarpaftung gebccft werben, fo riepten
fiep bie Laften ber Unternehmer im XobegfaDe itacp bem Samilien*
ftanbe beg Verunglücften. ©er Unoerpeiratpete, ber feine ober
nur auffteigenbe Erben pinterläßt, oerurfaept weit geringere Ent*
fcpäbigunggfoften alg ber Verpeiratpete mit bireften Erben. Aug
biefem Grunbe patten fiep tpatfädjlid) bereitg mehrere Verficperungg»
aenoffenfdjaften gebilbet, bie ipren 3)Htgliebern gur ^ßflidpt maepten,
Samilieuoäter möglidpft aug ipren Vetrieben auggufcpließen. Eine
entfpreepenbe Gefeßegreform war im Varlamente fepon angeregt,
aber oerfepoben roorben, ba mau guerft bie praftifepe ©ragroeite
) 3ieljc „3ogiale Ar. 30 u. 35.
1177
Sogtale PrajtS. ©entralblatt für Sogtalpolittf. Ar. 44.
1178
bicfcr mangelhaften Veftimmung abwarten wollte. Sie bürfte
nunmehr gänzlich unterbleiben. 3 UI1 ä<hft erflärten einige prioate
SBerfid^erungögefcÖfc^aften, bafc fie oerheirathete unb unoerheirathete
Arbeiter gu gleichen Prämien oerfichern. AnberfeitS oeröffentlichte
bas Arbeitsamt eine beruhigettbe Aufflärung. AuS ber beutfdhen
unb öfterreicbifchen UnfaUftatiftif erhellt, bafc bie 3af)l ber mit
Stob enbigenben Unfälle oerhältnifsmäjjig fehr gering ift, unb baß
bie ßaften aus töbtiichen Unfällen gegenüber ber ©efammtfumme
aller ©ntfdhäbigungen !aum ins ©ewidjt fallen. Aud^ bie Vor*
theile, ‘bie aus ähnlichen ©rünben non ber Vefchäftigung aus*
länbifcher Arbeiter erhofft mürben, rebugiren fi<h weit unter bie
anfänglich gehegten ©rwartungen.
9iacf) feinem Bortlaute, ber nur eine Anzahl oon ©ewerbe*
gweigen aufgähtt, mie nach ben beutlich auSgefprochenen Abfichten
ber ©efehgeber follte bas Unfattgefefc fich nicht auf bie ßanb*
mirthfehaft erftreefen. Tiefe fonnte nur inforoeit in betracht
fommen, als fte Ptafchinen mit mechanifcber Triebfraft oermenbet.
Um nun alle 3meifel gu befeitigen unb namentlich auch bie 35er*
antroorlUchfeiten genau gu fiyiren, hat man burch ein befonbereS
©efefc oom 30. 3uni bie Vefiimmungen beS §auptgefehes bahin
ergänzt, bafe für Unfälle bei lanbwirtbfdbaftlichen Pcafcfjinen ftetS
ber VetriebSinhaber ber betr. Pfafdbinen haftbar ift, foroohl für
fein eigenes mie für baS oon bem ßanbwirthe geftellte Arbeiter*
perfonal, auch wenn es gur Öamilie beS lefcteren gehört.
Tie neuen Verwaltungsorgane, welche burch bie Aus*
führung ber VerfidEjerung nöthig werben, finb bis jefct noch nicht
eingerichtet. Plan hat tn einem Nachträge gum Vubget nur bie
$rebite geforbert, welche bafür in ber gwetten Hälfte beS Iaufenben
Jahres erforberlicf) ftnb. darnach, burch ©efefe oom 30. Suni
feftgefefct, werben für bie beim £anbelsminifterium gu febaffenbe
©entralbehörbe 16 000 5rcS., für ben AuffichtSbienft bei ben oer*
fchiebenen VerfidfjerungSanftalten 34 000 grcS. oerwanbt. 3m
Parlamente hat man an bie ^Bewilligung biefer Ärebite für bie
erftmaligen Ausgaben unb für ben Vetrieb im gweiten Halbjahr
1899 jeooch bie Vebingung gefnüpft, bafj bie orbentlichen AuS*
gaben in ben Jommenoen Sahnen 80 000 grcS. nid^t überfteigen.
Tie Ausführung beS ©efefceS hat gegeigt, ba§ bie Verftche*
rungsfreiheit allein nicht im Stanbe war, alle bie Anftalten heroor*
gubringen, welche ben Vebfirfniffen ber oerfhiebenen Unternehmer*
fategorien entfprechen. Beber bie fcf)on beftehenben Prämien*
gefeÜEfchaften noch bie ©enoffenfehaften auf ©egenfeitigfeit waren
int Stanbe, ihre $unbf<haft beträchtlich gu erweitern. 3m ©egen*
theil, eS erfchien nothwenbig, burch befonbere legiSlatioe Pfaferegel
bie beftehenben VerficherungSfontrafte oor ihrem Termin fünbbar
gu machen. TaS ©efefc oom 30. 3uni giebt allen Unternehmern,
beren betriebe in ben ©eltungSbereich beS UnfaUgefefceS fallen,
baS PedEjt, binnen eines 3ah*eS ihre bisherigen VerfidherungS*
oerträge gu fünbigen. Auf ber anberen ©eite entftanb in ben ge*
werblichen Greifen bas lebhafte Verlangen nach ftaatlichen Anftalten.
©in noch unerfebigter Antrag in ber Teputirtenfammer forbert
felbft bie Schaffung einer großen ßanbeSoerficherungS*
genoffen fchaft, bie mit Staatsmitteln gu grünben fei unb unter
Staatsgarantie funftioniren folle. Verwirrlicht würbe bis heute
nur bas erfte Projeft. Turdb ©efefc oom 24. Piai ift bie ftaatlidE)e
freie Unfaürentenfaffe ermächtigt, ihre Operationen auch auf bie oom
UnfaHgefefc oorgefehenen ©efahren ausgubehnen. Tie Prämien*
tarife finb jeboch fo fyoty angufefcen, bafe fie fämmtliche Ver*
maltungsfoften biefer ftaatlichen Verfidherung beefen. Tie mittler*
weile oeröffentlichten Tarife haben jeboch bie Hoffnungen ber Keinen
Unternehmer entläufst. Sie halten fich ungefähr auf ber gleichen
Höhe wie bie Prämien, welche oon ben prioaten ©efeUfchaften er*
hoben werben, unb es fcheint, als ob bie Regierung bamit ben
Buftrom gur Staatsanftalt habe abfchmächen unb bie Vilbung oon
freien Verficherungsgenoffenfchaften begünftigen wollen.
Paris. 3. Schotthoefer.
®ie ttnfalfocrfuheraogSOoriage itt beit Picbcrlanbcn. Tie be*
antragte ©rrichtung einer allgemeinen VeichS*VerftcherungSbanf hat
bri ben ©rofjinbuftriellen feit einigen Ptonaten einen großen Biber*
ftemb ergeugt, ba fie behaupten, bafe ihnen bie 3mangSoerfi<herung
utel tbeurer gu fteljen fommen wirb, als ihre iefeige fiage, wo fie
bo^ auch ihre Arbeiter nach einem Unfall gu unterftiifeen pflegen,
©re forbern baher baS Pedht, VerufSgenoffenf«haften bilben gu
ourfen. 3h re r Agitation gufolge hat jefct ber Abgeorbnete
Dr. Änpper eine Ptenge oon AmenbementS eingebracht, beren
3wecf ift, wenigftenS fünf Arbeitgebern, oon benen jeher wenigftenS
tünfgig Arbeiter unb bie gufammen wenigftenS 5000 Arbeiter be*
fdhäftigen, baS Vecht gu geben, eine VerufSgenoffenfchaft gu bilben,
bäen Statuten oon ber Königin aenehmigt werben unb eine giem**
lieh fi<h ere ©arantie bem Staat barbieten rnüffen. Streitigfeiten
wifd^en ber VerufSgenoffenfchaft unb ben oerficherten Arbeitern
ollen oon einem S^iebSgerid^t aus Vertretern ber Arbeitgeber
unb ber Arbeiter entfliehen werben. $)er ©infprud^ wirb in her
gweiten Kammer am 8. September oerhanbelt werben unb es ift
nic^t unmöglich, bafj bie Regierung i|r bis jefct feftgehalteneS
Pnngip wirb oerlaffen müffen.
Amfterbam. 3. H- ».an Sauten.
AUevSOerforgnitg ttttb AYmenfürfor^e itt ©ttglanb. 3« ©ng*
lanb werben bie DrtSarmen (Einher, rüftige Pfänner ünb 3rauen,
Arbeitsunfähige) im Arbeitshaus untergebracht, ’&ie ©rörterung
ber 3rage her gefefclicbcn AlterSpenftonen hat eine Parlaments*
fommiffton gu einer Sieibc oon Sorberunacn auf Umänberutig her
ArbeitshanSbehanblung gebraut, bie im feefentiiehen barauf fym*
ausgeben, bie wiirbigen Vebürftigen oon ben übrigen Snfaffen bes
ArbeitshaufeS gu trennen unb alle Einher, mit Ausnahme ber
Säuglinge, außerhalb ber Anftalt untergubringen. 2>ie würbigen
Armen foüen in befonberen 3immcnt fich am 2^age aufhalten unb
ihre Pfahlgeiten einnehmen bürfen. 3u ben Sonberfchlaffälcn Ttub
©ingelabtheilungen für jeben eingerichtet. Sie foUcu eine größere
Freiheit genießen, Spagiergäuge .unb einen Ausgehtag tn ber
'Boche bewilligt erhalten unb fiel) befuchen Iaffeit bürfen. 3h^
ArbeitSgeit wirb oerfürgt, fie erhalten ein Vecht auf Nationen oon
Xabaf, Schnupftabaf, troefenen Xljee unb 3ucfcr. $)iefe Ver*
quiefung oon Armenpflege unb AlterSoerforgung wirb bem 3uftanbe*
fommen einer gefefclithen AlterSperficherung faunt förberlidj fein.
Obltgatortfiher ArbeitSmuhweiS ber Vädfertmmttg in Bresben.
^ie Väcferinnung in Bresben hat fich in eine 3mangSinmmg um*
gewanbelt. 2>aS neue Statut enthält nun eine Veftimmung, nad^
welcher bie Pteifter oerpflid[)tet ftnb, nur oom Unternehmer*ArbeitS*
nach weis gugewiefene ©ehülfeit gu befcöäftigen. Ber bagegett fehlt,
wirb mit einer Vujje oon 20 J/ belegt unb muß attfeerbem folthe
nicht legal nach bem Statut auf genommene ©ehülfett fofort ent*
laffen, wenn er nicht wieberholt beftraft werben will. 5>a es fidE)
um eine 3mangSinnung hatibelt, ber fämmtliche Vädfermeifter an*
gehören müffen, fann fich ber ©ingelne gegett biefen Terrorismus
nicht im geringften — burch Austritt 2 c. — wehren.
Stäbtifcfyer Arbeitsnachweis für Schöneberg. Tie Schöne*
berger Staotoerorbneten befchloffen unter 3 u ftimmung beS 9Ka*
giftrats bie ©infiihrmtg eines oöHig foftenlofen ftäbtifqen ArbeitS*
nachweifeS unb wählte in bie ftänbige VerwaltungSbeputation für
biefen Arbeitsnachweis brei Arbeitgeber unb brei Arbeitnehmer.
Tie Vermittelung für weibliche Arbeitfuchenbe fotl einer weiblichen
Perfon übertragen werben, welche für ihre Thätigfeit, bie auch an
Sonntagen auSguüben ift, jährlich 900 Jl. erhält. Ter Nachweis
tritt am 1. Auguft in 5fraft.
f^örbernna ber 3tohanSbitb«ug burch ben Arbeitsnachweis in
Tüffelborf. Sas ©eutrajbüreau Des VerbanbeS gur görberuug
beS ArbcitSnachweifeS int Peg.*Veg. Tüffelborf, bem bis jefet bie
ArbcitSnachweiSftelleu oon. Anrath, Tüffelborf, Tuisburg, ©Iberfelb,
©ffen, Hi^ en / Ätefelb,- Pt.*©labbach, Peu&, Aatingen, S^^e^bt,
Solingen, Vierfen angefchloffen finb, hat eine Tenffchrift an bie
Schulen feines VegirfeS oertheilen laffen, welche bie ©Itern unb
Äonfirutanben auf bie Pothwenbigfeit unb Püßlichfcit ber gewerb*
liehen gachauSbilbung unb bie ©efahr einer Vermehrung ber un*
gelernten Arbeiter hiameift. Tic bem Verbanbe ungehörigen s J?a<h*
weisftcllen oermitteln unentgeltlich &ehrlingSftel!en.
Stiftungen, Verwächtniffe nnb ©efchenfe jn ©unftcu ber
Arbeiter. Ter ©entraloerein für baS Bohl ber arbeitenben klaffen
oeröffentlieht in bem „Arbeiterfreunb" jefet vierteljährlich bie oon
Snbuftrieflen, prioaten unb Aftiengefettfchaften beS Teutfthen
Reiches ben Arbeitern unb beren Angehörigen begw. beit un»
bemittelten VolfSflaffen gemachten auherorbentUcheu ©efchenfe unb
Stiftungen. Bährenb baS erfte Vierteljahr einen ©efammtbetrag
aller ber Vebaftion befannt geworbenen ©efchenfe, Stiftungen unb
1179
©ogtale PrajtS. Gentralblatt für Sogialpolttif. Br. 44.
1180
Bermächtniffe von 5 804 317 JC ergeben ^atte, geigte baS gweite
Bierteljahr non Anfang April bis Gttbe 3uni 1899 einen ©e*
fammtbetrag non 6 493 886 di ; baoon
entfielen auf:
oon (42)
Prioaten
JC
oon (134)
Aftien-
gefell*
[«haften
JC
3n
Suinnta
JC.
penftonS* unb UnterftüpungSfonbS,
fowie Stiftungen für Arbeiter unb
bereit Angehörige.
530 642
1
2 042 934
2 573 576
Prämien, ©ratififationen, ©ewinn*
antheile.
50 OCX)
1 320 005
1 370 005
nidht befonberö begeichnetc Arbeiter*
woljlfahrtsgwecfe.
200 000
931 441
1 131 441
gur fiinberung ber golgen oon Ar*
beitslofigfeit.
—
35 000 1
35 000
nicht befoitberS begeid)nete gemein*
nüpige 3roccfe.
135 000
l|
278 500 1 413 500
Äinberfürforge.
16 000
I 9 013
25 013
Altenheime unb Bürgerafqle . . .
30 000
—
1 30 000
ftranfeiipflcge unb ©enefenenfürforge .
217 600
141 969
i! 359 569
BJohmutgsfürforge.
36 000
12 477
j, 48 477
GrgiehuugS* unb UnterrichtSgwecfe. .
11300
12 000
;; 23 300
BilbungSgmecfe (Bibliothefeu :c.) . .
21 000
—
!; 21000
Äirdjlidje 3merfe.
11 000
15 005
jj 26 005
.Hunjtpflege (Biufeen, 2)cnfmäler :c.) .
Unterbringung unb Berpffegung er*
werbsthätiger 3)?äbchen . .
310 000
2 000
312 000
125 OCX)
—
i 1
ü 125 000
1 693 542
4 800 344
1 6 493 886
Au&erbem ohne befonbere Aufführung ber bewilligten Beträge:
1 Penfionsfaffe, 1 Prämienfaffe, 2 Baupläne für AlterSoerforgungS*
Käufer 2 c v Sahrfartenoerabfolgung u. f. w.
9JirS. Sharman, Sefretär ber Womens Civic League, Ä geführte
Enquete wirft auch ein intereffantcö Streiflicht auf amerifanifche
BßohnungSoerhältniffe überhaupt. 2öir finben barin folgenbe 3u*
fammenftetlung:
Prozente b. Käufer Progentc b. Bcoölferung
bewohnt non woljnenb in Raufern mit
1—6 7—10 llu. me^r 1—6 7—10 11 u. mehr
Per fönen perfonen
Bew*?)ürf . ■
. . 27,7
22,4
49,8
6,3
10,i
83,5
Gfjicago . .
. . 46,5
22,9
24,5
22,9
27,8
49,i
Philabelphia .
. . 7l,o
28,5
4,3
52,o
35,2
12,7
Brooflqn . .
St. SouiS . .
. . 40,3
24,o
29,6
17,8
25,4
56,6
. . 52,2
30,3
16,4
28,9
34,8
36,j
Bofton . . .
45,3
31,4
24,2
22,5
29,7
47,s
Baltimore . .
. . 63,3
30,i
5,8
44,5
41,3
14,i
$onferS. . .
. . 43,2
33,o
23,7
21,7
32,3
45,9
$)ie Enquete in ?)onferS befaßte ft<h oornehmlich mit
587 Arbeiterwohnhäwfern, wooon 203 blofj je einen SRaum ent*
galten unb non ebenfoniel H au ^ a ltangen mit 1004 perfonen be*
wohnt werben; 165 Raufer enthalten je 2 BSofinräume unb werben
non 1552 Perfonen bewohnt; 175 befipen 3 Söohnräume unb
werben non 1739 Perfonen bewohnt; 51 Käufer ha&en 4 SRäutnc
unb beherbergen 966 perfonen unb 43 Raufer hoben 5 ober mehr
SBohnräume unb werben non 1258 Perfonen bewohnt. $as
wichtigste (Ergebnip geht bahin, bap 75% ber Haushaltungen,
ober 71 o/ 0 ber Beoölferung, über weniger als einen SRaum pro
Perfon, Äüdhe inbegriffen, nerfügen.
0,8
1,56
13,9
25.7
26,3
14.8
11.8
2,3
$)ie SJßiethpreife erhellen aus folgenben $)aten:
Progent b. unterrichten 3Bof)nung. fofteten unter 3 $ rnonail.
, . . * - - 15—20 =
* = = * = = 20—30 *
= s s * = = 30—40 =
. = = = = - 40—30 *
s = = = = = 50-60 *
s s = s = * 60—80 *
* = * * * über 80 *
3m ^urdjfchnitt fieHt fidt) ber TOethpreiS pro 3öohnrattm im
Arbeiteroiertel non $onferS auf runb 8 dt. pro Blonat.
ArbeiterwohmmgStoefen. $er flÄagiftrat non Nürnberg hat
bie Erbauung non norerft 108 Wohnungen für ftäbtifd^c Bebienftete
befchloffen. — $>er rheinifche Berein gur görberung beS Arbeiter*
wohttungSwefenS weift neue (Erfolge feiner Begebungen auf. 3m
SRegierungSbegirf $)üffelborf finb eine SReihe getneinnüpiger Bau**
oereine, u.A. in fieerbt, Weniges, Sfrap, Gffen, Gronenberg unb
fiüttringhaufen gebilbet, währenb in anberen Drten, g. B. in
Hrefelb, Dberpaufen, Sülicf), 3üchen, Grfrath, ^aiferSwerth, SRonS*
borf unb HitrfcSwagen bie ©riinbung foldjer Bereine beoorfteht.
3n SRabcoormwalb unb SRecS beabfidjtigen bie Sparfaffen mit
Hülfe ber ©elber ber Berfi<heningSanftalt SRIjeinprooing Darlehen
gwecfS (Erbauung non Arbeiterwohnungen gu gewähren. 3m
Kölner Begir! ftnb neue Bauoereine in $öln*Ghrenfelb, $öln»Süb,
in Bonn unb H enne f entftanben.
3m SRegierungSbegirf Äobleng ftnb auf Anregung unb mit
Hülfe beS 1'anbrathS beS Greifes Blapen gtoet Baugenoffenfchafteit
entftanben (0tabt 2Rapen unb Anbernad)). GS wirb beabftchtigt,
hier bie Bestrebungen auch auf Iänblidje ©egenben gu übertragen,
um bie lanbwirthf3)aftlid)en Arbeiter fefehaft gu machen. 3n ber
Stabt Xrier ift ein Baunerein in ber Bilbung begriffen. Sämrnt*
liehe oorgebarfjten Bauoereine ftnb unter BMtwirfung ber £ofal*
beworben entftanben.
in Sübecf. 2)er fiübecfifche Senat hat
bie Ausarbeitung eines SSohnuttgSpflegegefepeS oeranlafet, baS bie
Befferintg ber Arbeiterwohnungsoerhältitific begtoeeft, oom 9Rebiginal*
foliegiutn geprüft unb für gutbefunben worben ift, unb bemnächft
ber Biirgerfchaft gur Befthluftfaffung unterbreitet werben wirb.
5Reue Arbeiterfofonie bei Berlin, ^ie Berliner Biafd)incnbau=2lftien s
gefcHfcftaft oormalö Sdjwarpfopff uerleqt tlircii gclanimteii ^nbrifbetrieb
in bie (ücgenb jioifdicn Mötiigvwuftcrhaiifeu uub Reuthen unb bcab=
[id)tigt bie Unterbringung uon 20no Arbeitern in eigenen Arbeiter 3
bäujevn. !Sie 1(K)0 übrigen Arbeiter erhalten eine bequeme Bahn*
oerbinbung mit Berlin.
^ohaungSoerhältntffe in amerifanifchen Stäbtcn. ^ic Am riean
Economic Association ueröffnttlicf)t eine Stubic über bie Arbeiter*
wohrntttgSoerhältniffe in ?)onfcrs, einer Stabt oon 40 000 Gilt*
wohnern in ber unmittelbaren Umgebung 9icw*?jorfS. ^ie oott
gwei tarnen, s Diiß Butler, ^räfibcntiit beS Womens Institute, uub
$0}ialpoltttfil)e J(a§nat)timt int öerhctjrsioeftn.
Siegelung ber ArbettSgeit ber 3 vdfü^er unb *■
^ranfreich« 3n ber Sipung ber 2)eputirtenfammer oom 4. 3uli
interpeüirte ber $>eputirte 3eaaeS ben Btinifter für öffentliche
Arbeiten betreffs beS ©efejjentwurfeS Berteauf, ben bie Kammer
1897 angenommen hat unb ber genaue Beftimmungeu, betreffenb
bie ArbeitSgeit oon 3agSbebienfteten, enthält; bisher ift biefer (Eni*
wurf bem Staate noch immer nicht unterbreitet worben. 35er
BHnifter für öffentliche Arbeiten fonftatirte, bafc bie Regierung noch
feine Qtxt gefunben, ftch mit biefer Angelegenheit gu befaffen, baß
fie feboch nidht ermangeln werbe, bie BJünfche beS Parlaments in
ber ^Richtung beS angenommenen ©efepentwurfs rücffjaltloS gu
förberu.
BetriebSunfä 0 e auf ben groftbritaumfdjen ©ifrubahueu» 5 )a *3
BetriebSperfonal ber (Eifenbahnen in ©rofebritannien umfaßte (Enbe
1895 mehr als 390 000 perfonen. 2)urch birefte Betriebsunfälle
würben baoon im 3ah*e 1898 504 Bienfchen getöbtet unb 4149
oerwunbet gegen 510 ©etöbtete unb 4129 Berwunbete im 3 a h re
1897. Aufeerbem farnen im 3ah« 1898 auf ben ©ifeubahngrunb*
ftücfen burch anbere Unfälle noch weitere 38 £obeSfäüe unb
8830 Bermuttbungen oor gegen 56 XobeSfäHe unb 10 273 Ber«
wunbungen im Borjahre. Söährenb beim Bureauperfonal erft ani
11500 Pcrfoneu eine töbtliche Berunglücfung fommt, fällt bei
manchen Arbeitergruppen, bie im ©leifebetriebe angefteüt ftnb,
fchon auf 485 perfonen eine Söbtung. $)ie gahlreichen Unfälle
waren bie Beranlaffung gur Ginfefeung einer föniglidjen Mommiffion
gur Unterfudjung ber llrfachen biefer löblich unb nicht töbtlid) oer*
laufenben Unfälle im Gifeiibahnbctriebe. 5E)ie Mommiffion, ber
3ad)leute unb Parlamentarier angeboren, foH auch über bie bis*
her eingeführten Sd)u(joorrid)tungen unb •Beftimntungcn berichten
unb ihr Urtfjeil über Blittel abgeben, burd) bie im tedutifdien
Gifeiibahnbctriebe unb im 5Sege gefeplicher Anorbnungen unb fee»
hörblicher Berfiigungeu bie 3 a hi *> er Unfälle gu oerminbern ift.
Ar6eitSPerhältniffe auf ben italiemfchen Bahnen. $>ie oon bei
italienifdjen ^eputirteufammer angeorbnete Guquete über bie
1181
©ogtale $ragt*. ©entralblatt für ©ogialpolitif. Rt. 44.
1182
ArbeitSoerhältniffe auf ben ©ifenbahnen Italiens ift eben bcenbet
worben unb Ijat bie Regierung ben 600 ©eiten utnfaffenben Bericht
hierüber oorgelegt. Die Borfdjläge ber UnterfuchungS*$fr)minifF»oii
gipfeln in Jolgenbem:
Die ©ifenbahngeftttf<haften werben oerhalten, bem SRinifterium
für öffentliche Arbeiten ju Beginn eines Jeben Jahres eine ooff*
ftänbige RamenSlifte aller Bebienfteten oorgulegen. Die Regierung
behält fief) oor, über bie Aoancements, Remunerationen u. f. w.
auf ©runb eines für alle Bahnen einheitlichen Reglements genaue
Aufftdjt gu führen. Die Bahnen füllen oerpflichtet werben, für bie
AlterSoerficheruna ber Arbeiter ©orge gu tragen. (Sine ©pegiöl-
foramiffton foH Damit beauftragt werben, barüber gu machen, ob
bas $erfonal jeber Bahn für bie eingelnen Dienftgweige genügenb
grob 'ft um bie ©idjerheit beS BerfehreS nicht gu beetjtträdjtigen.
Sin Reglement fotf genau bie Ruhepaufen für bie einzelnen
Arbeiterfategorien fijiren unb gwar folt jeber Arbeiter in 24 ©tunben
auf minbeftenS 7 ununterbrochene Ruheftunben Anfprud) hu^en.
Die Regierung mirb genaue $ontroIe aller Arbeiterfchup*Beftim*
rnungen, betreffenb baS @ifenbahn*DienftperfonaI, einführen.
ßtterorifdir Anjetgeit*
Jahrbuch für ©efepgebung, Berwaltung unb BoIfSwirtÖ*
fdjaft im Deutfchen Reich- 28. Jahrgang. fterauSaegeben
oon ©uftao ©chmoller. 3. $eft. Seipgig 1899, Wunder
Sc gmmblot.
Bon ben gröberen Auffäpen biefeS namentlich auch für ben ©ogial*
politifer fehr intereffanteu §efteS firtb fjeroorgupeben „Die fogiale 3u*
[ammenfepung ber Beoölferung im Deutfchen Reiche nach ber Berufs*
jählung oom 14. Juni 1895". Bon bem trefflichen £ Ibenburger
©tatiftifer $aul Sfoümann. gabrifbireftor ©reifcl untcrfucht bie Be*
laftung ber beutfehen Jnbuftrie burd) bie Arbeiter*Berfid)erungS* unb
©djupgefepgebung. Regierungsaffeffor ©raf Roebern giebt eine Ueber*
ficht über bie neueren Begebungen unb Reformooruhläge in ber
Wohnungsfrage. W. WpgobginSfi oeröffcntlidjt Rottgen gur ©efchichte
beS lanbrnirtjchaftlidjeu ©enoffenfd)aftSwefenS in Dcutfchlanb. ©ntil
SRünfterberg erfiattet Bericht über bie 18. Jahresversammlung beS beut*
[djen Bereins für Armenpflege unb Wopltbätigfeit. .franbclsfamnter*
©efretär Dr. Dietrich bespricht bie gegenwärtige mirthfchaftliche 2age ber
©pipeninbuftrie in Belgien. Wilhelm Raube liefert einen Beitrag gur
©etreibepolitif ber Sßäpfie. ©eorg ©intmel giebt ein Fragment aus
einer ^^^ilofop^ie beS ©elbes". 3« einer ©tubie über baS fogiale
Problem in beutfeper ©age unb Dichtung behanbelt Bcwl Richter „Die
Dljeilung ber ©rbe" mit erftaunlicher Sitteraturienntnip, bie fich fogar auf
bie Sofalgefdjidjte erftreeft. W. 2criS fritifirt bie neue Arbeite* unb
Werttheorie oon 2eo oon Buch- Sitterarifdje Angeigen fd)lieben baS £>eft.
Die Arbeiter * Bcrficfjerung im AuSlanbe. Bearbeitet oon
Dr. jacher, Äaif. ©eh- Reg.*Rat im Rei<hS*Bcrftcherung$amt.
föcft V1I/V11I. Die Arbeiter*Berfid)erung in Defterreidj unb Ungarn.
Berlin 1899, Berlag ber Arbeiter*Berforgung (A. Drofdjel).
133 ©. Breis 3 M.
Die nunmehr erfdjicnenen $efte VII unb VIII beS oorgüglidjen
©ammclwerfes, bas bie ©rnnbfäpe unb ©rgebniffe ber auSlänbifdjen
Arbeiteroerficherung für ben beutfehen 2efer überfi^tlidj gufammenftellt
unb ihm ben ©efcpeStert an bie $anb giebt unb fidj burd) bie 3noer*
läffigfeit unb ©rünbüdjfeit ber Bearbeitung auSgeichnet, befjanbeln bie
Arbeiteroerfidjerung in £efterreidj*Ungarn in gleich muftergiltiger Weife,
wie bie bisher erfdjienenen §efte.
©olp, ?rof. Dr. Sljeob. grfjr. oon ber. Borlefunaen über Agrar*
rnefen unb AgrarpoIUif. 3 e na 1899, ©uftao gifcher. 294 ©.
$reiS 6 M., geb. 7 M.
Der burd) mehrere h^orraaenbe Arbeiten über bie länbUche
Arbeiterfrage befannte Direftor oer lanbroirthfehaftlichen Afabcmie
BoppelSborf, früher Brofeffor in 3^na, ber auf bem ©ebiete ber Sanb*
ioirthfch a ft ab8 eine ber crficti Autoritäten gilt, hat bie (Srgcbuiffe feiner
langjährigen afabemifchen 2ehrtl)ätigfeit in ben foeben erf^ieneneti
^Borlcfungen über Agrarroefen unb Agrarpolitik gufammengefafet ©r
geigt fotoohl bie prioaten wie oolfsmirthidjaftlichen 3* e ft melche bie
2 anbioirthfchaft oerfolgt ober gu oerfolgen berufen ift. Die beftetjenben
3 uftänbe werben flar, befiimmt unb objeftio gefefjilbert unb ihr tieferes
Berftänbnib burd) bie Darftellung ihrer gcfchi^tlichen ©ntwicfelung
ermöglid^t. Aus bem Bereite ber Iänblidjen Arbeiterfrage, ber ein
eigener Abfdjnitt gewibmet ift, wirb namentlich bie 2eutenoth befonberS
eingebenb behanbelt unb barauf bingewiefen, bah bie ©utSbeftper burdj
eine humane Behanblung ihrer Arbeiter bem Mangel an laubwirth*
fchaftlichen Arbeitern gu einem guten Dfjeile felbft abguhelfen oer*
mögen, ©ine Befchränfung ber greigiigigleit hält Berfaffer meber für
wünfchenSwerth noch für burdjführbar unb befürchtet oon ihr für bie
fipnbwirtbftbaft felbft unangenehme golgen (©. 156). Sßenn audh
gwifcheti ben Unternehmern unb Arbeitern ftets eine gemiffer ©egenfap
oeflchc, fo fei er hoch in ber 2anbmirthf<haft oiel geringer als in ber
3nbuftrie ober fönnte unb foHte eS hoch fein, ba bie gemcinfamen
^ntereffen oiel größer feien, als bie wiberfirettenben (@. 158). Die
(Erörterung ber grage, ob Deutfdhlanb ein Agrar* ober gnbuftrieftaat
fei, erfdjeint bem Berfaffer unfruchtbar: ,,©S ift beibeS unb muh beibeS
bleiben. Die Uebereinftimntung gwifchen ben gntereffen ber lanbmirth s
fchaftlidjcn unb benen ber übrigen erwerbstätigen Beoölferung ift er*
heblid) größer als bie gwifchen ihnen obwaltenben ©egenfähe. Die
Öanbwirthfdjaft ift unb bleibt baS gunbament ber BollSwirthfchaft."
Aber biefer ©tanbpunft hiu^rt ben Berfaffer nicht, gegenüber agrari*
fchen Uebertrcibungen auch bas Recht ber übrigen Beoölferung mit
Radjbrucf gu oertheibigen.
L’Humanite Nouvelle. Revue intet nationale. 3 e Annee. Juillet 1899.
Paris, Librairie 0. Reinwald; Bruxelles, Librairie Spineux Prix
du Numero: France et Belgique 1 fr. 25, Etranger 1 fr. 50.
Berichte über ben ©tanb unb bie Stiftungen beS ©ewerbe*
oereinS für §effen*Raffau pro 1898/99.
Äeferftein, Dr. $orft, Die Bebeuiung einer gefteigerten BolfSbilbung
für bie wirtl)fchaftliche©ntwic!elung intfereSBolfeS. —Bäbagogifchc
SRittel gegen ben ÄlfoholiSmuS (Bäbagogifche Abhanblungen.
IV. Bb. §eft 2). Bielefelb, A. §elmidjS Buchhanblung (§ugo
AnberS). 23 @. B^eiS 50 &f.
Bach, SBilh- Äarl, Die Äommunalfteuerfreiheit ber preufcifthen BolfS*
fchullehrer (Bäbagogifche Abhanblungen. |>eft 46). Bielefelb,
A. $ehnid}S Buchhanblung (C>ugo AnoerS). 21 ©.
Der angebliche Ruin beS SfleinhanbclS burch ben Saben*
ftlufe (glugfehrift Rr. 5 ber BerufSgenoffenfchaft Deutfeh*
nationaler £>anblung$gehülfen*Berbanb). Hamburg 1899, Drucf
ber 5>anfeatifchen Drurf* unb BerlagSanftalt. 35 ©. Br^ 20 9 \Y •
Rleilath, gofef ©raf, Der fogenannte unabhängige ©ogialiSmuS in
Ungarn mit befonberer Rücfficht auf bie Bobrogfög unb bie Btittel
feiner Söfung. Söien 1898, ©elbftoerlag. Drucf oon ©arl ©erolbs
©oljn. 15 ©.
Jahresbericht ber £>anbelsfammer für ben ÄreiS ©ffen. 1898.
Deil II.
Jahresbericht ber $anbelsfammer für ben AmtSbegirf
Bforgheim pro 1898.
Beridjt über bie ©emeinbe*Berwaltung ber ©tabtBerlin in
ben Jahren 1889 bis 1895. Btit Abbilbungen. 3nmterDcil.
Berlin 1899, ©arl £>eijmannS Berlag. 310 ©.
II. Jahresbericht ber Arbeiterfammer ber ©tabt Süridj pro
1 . Januar bis 31. Degember 1898.
greiburg i. B. Radjweifung über bie ©inuahmen unb Ausgaben ber
©tabt.
©Ibing. $fämmerci*§aupt*©tat ber ©tabt ©Ibing pro 1899.
Statistisch Jaarboek der Gemeeute Amsterdam. 3® Jaargang
1897. Eerste Helft. Amsterdam 1899, iu commissie by Johannes
Müller. Prijs f 1.57'/a-
Barmen. Bericht ber ©täbtifchen Armenoerwaltung unb beS ©entral*
SBaifenratheS gu Barmen pro 1898 nebft ben ©tats ber ftäbti*
fchen Armenoerwaltung unb ber ftäbtifdjen Anftalt fiir oerlaffene
Äinber pro 1899.
Breslau, ©tjjuugSbcridjtc ber ©tabtoerorbueten oom 18. 2Kai bis
30. Juni 1899; hiergu Referate oon ©. 319 bis 451.
Beiträge gur ©tatiftif ber ©tabt Karlsruhe, im Aufträge beS
©tabiratljes h^ausgegebeu oom ©tatiftifchen Amt. Rr. 6:
Mranfenfaffenftatiftif für 1898. Karlsruhe 1899, Drucf unb Berlag
ber ©. Braunfdjen ^ofbudjbrucferei.
Brötofoll ber fechften orbentlichen ©efammtoerbanbs*Ber*
fammhtng Deutfcher Berpflegungsftationen gu Berlin
am 19. April 1899.
Bericht beS BerbanbeS ber $anbelS* unb ©cwerbeoercine
für bas öergogthum Dlbeuburg 1898. Dlbenburg i. ©r.
Drucf oon ©erhärt) ©taDhtg.
B^otofoll über bie 14. orbentlidje ©i^itug beS 6entral*Bor*
ftaubeS beutfeher Arbeitcrfolonien am 20. April 1899.
Die gleichseitig hiermit ausgegebene Rr. 11 ber RtonatSfdjrift
„DaS (gtaoerbegeridji" enthält:
Angriffe gegen eilte geplante Äompetengerweiterung ber G)e*
merbegerichte; Abänberung beS GfewerbegerichtSgefepeS. — Ber*
faffung unb Berfahren. Wahlberechtigung arbeitslofer Ar*
beiter unb allein arbeitenber Unternehmer. — Red)tfpred)ung.
BHttheilungen aus* ben ©ntfeheibungen ber ©ewerbegerichte §eibel*
berg, ©tettin, Bremen, Hamburg, Karlsruhe, mtb ber Öaubgerichte
SRannheim, ©tettin. — BerbaubS«Angelegenheiten. ©in*
gegangene Jahresberichte. — Brieffaften. §errn A. R., ©ewerbe*
gerid;t Hamburg. — §errn 0. 0t., ^alberftabt. — JuhaltSangabe
ber /; ©ogialen BirayiS".
Beramn>ortli<$ für btc «ebaftion i 8.: Dr. (Siemen B petfe, Serlln.
11 Sil
©ojiale $rajiö. (£entralblatt für ©ojialpolitif. SRr. 44.
1184
Die »>$*ttoU Vrarl#” etföeint an jebem Domterßtag unb tft burd alle 2hi$l)anblungen nnb fßoftamter (^oftaeitungönummet 7072) $u bejteljeit. Der ^JreiS
für baß ©ierteljaht tft 2JL 2,50. 3febe Kummer foftet 30 $f. Der Änaetgenpreiß ift 60 tßf. für bie bretgefpaltene $etitjeile.
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
Soeben erschien:
ZurFrage derLohnermitfelnng
Eine methodologisch-kritische Untersuchung
von
Dr. Franz Eulenburg,
Privat-Docent für Nationalökonomie und Statistik
an der Universität Leipzig.
Preis 3 Mark.
Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig:
Die Lebensfähigkeit der städtischen
und ländlichen Bevölkerung.
Von Carl Ballod. 1897. 2 M. 20 Pf.
Die mittlere Lebensdauer in Stadt
und Land. Von Carl Ballod. 1899. 3 M. 60 Pf.
Sorbett bei Dunder & $umblot in fieipjig erfdjienen:
§i|M fit itfe^ckng, Sttintai niii M$»ittfW
im iUtttfdje« $letdj.
§erau3gcgeben non *
Onftav $1 (pttalle*.
XXIII. |ah£0ira0« brlttes $eft. JfreU 10 Park.
3nl)a(t$ill>evfid)t: Die ©etreibepolitif ber ^äpftc. SSon Wilhelm S?aub4. — Die Teilung
bcr <5rbe. (Sine 6tubie über ba§ focialc Problem in beutfther Soge unb Dichtung. Sion
<j$aul Stiel)ter. — Fragment au* einer „^hilofophte be*@elbe£". 93on ®eorg@tmmcl. —
Wirtjchaftliche Uitterfuchungen über bie Belüftung ber beutjehen 2>itbuftrie burd) bie Arbeiter-
Berftd)erung*= unb ©djufeaefefegebung. Bon ftabrifbireftor © reife I. — lieber einen neuen
Berfud) einer Arbeite* unb Werttheorie Bon 58. 8e£i*. — Ueberficfet über bie neueren
Beftrebungcn unb ^eformoorfdjläge in Der Wohnungsfrage. Bon 9degternng*af[effor töraf
Bioebern. — Die fociale 3 u iammcnfefeung ber Beoölferung im Deutfchcn SHeicfje nach ber
Seruf^ählnng oom 14. guni 1895. Bon $aul Äollmann. — SUaiffcifen. 9?otijen
xur Wefdjubte beö Ianbnnrtfdjaftlidien ®eno||enfd)aft*wefenß in Deutfdjlanb. Bon
W. Wpgobflinafi. — Bericht über bie 18. 3o§re#üerfammIurtg be* Deutfchcn Bereut*
für Slrmcnpflege unb Wofjlthätigfeii. Bon @mil Biünfterberg. — 3 ur öfterreiditfeheu
Bentmltimg*gefdjichte. Bort ftelij Bladjfahl. — Die gegenmcirtige imrtfdjaftliche Sage
ber ©pifeemnbuftrie (Industrie des tulles et dentelles) in Belgien. Bon $anbelöfammer*
fefretär Ür. Dictridj. — Sitteratur.
König Ludwig IX. »*
und
*a <•£ fürst Bismarck
tm Jahre 1870 .
Von
Louise von Kobelt
9
1. unb ». Staffage. 1899.
Jttit einem jfaftftmilt be# liaiferbrtef#.
9 I
preis 1,20 ^1. I
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel in Berlin W.
Zusammenstellung
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Entschädignngssätze
welche das
Reichs-Versicherungsamt
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Zweite Auflage.
-- 1899. Preis 1,20 Mk. —-
_Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig:
Ein Prozent.
Die Schaffung und Erhaltung einer deutschen Schlachtflotte.
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Adolph von Wenckatern.
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Die Bedeutung des Seeverkehrs für Deutschland.
Von
Ernst von Halle.
-— Preis 60 Pf. -
r
Bering fron ^utufter & tfumblot in Xeipjig^
0tubien jur ^emtfdj=3Beftfättfdjen
Bev$atrbeitevbett>e$un$
SSon Start Obenberg.
1890. 2 SKatl 80 $fg.
Z>et? KeUnetrbetruf.
(Sine fociale 0tubte
®on Sari JOlbettberg.
1898. 1 Start.
X>ev nTa£imalatrfceiteta$
im 33ä<fer= unb ^onbitorengetoerbe.
S8on Sari Clbettberg.
1894. 4 SKarf.
i-eraniiDortltdf Sir ote -.'in,c n- n: vcUiftiftj Weibel, üeipiig. — Verlag Ion Zunder & humblot, fictojtg. — WcMnrfr bet 3uitudi Sittcnfclb, Serlin.
VIII. fflbrgang.
SBetlin, beit 10. 9luguft 1899.
flummtr 45.
Soziale pvaps.
{|tentrafßfatf für ^ogiafpofifiE
mit bei BtonatSbetlagc:
Das (Dewetrbe^etricht*
(Organ i>es Derbanöes beutfdjcr <Beu?erbegerid?te.
9?cuc golge bet „Blätter für fojtale PraytS* unb bcS „Sogtatpolitifcben ©eutralblattS".
(SrMetn* an iefcew Sonntrftag. ,£)CCauSgcbcr! ?reifl biertelfibtlid) 2 SW. 60 $f.
9?eboftlon: Berlin W., Bapreutherftrajje 29. DP« (Etttjl JtfUtdUt ©erlag öoti ©unefer & Jjumbtot, Seipgtg.
JttljalL
Wegatiöe unb pofititie ©emetf-
t»er einSpoIitif. Bon ©rofeffot
Dr. Sujo Brentano.1185
Stc ^anblung6gebälfen*Orga«
nifattonen im ©eutf <$en Welche.
Sott Dr. 3. ©Ubermann, Berlin.
1189
Allgemeine Sozial« asb VSiribfitififi**
l»oIi««.1194
ATbeiterfefretariat in Bremen,
©efefclttbc IRegdunn bet lanbtoirt!)»
fdjaftlichen ArbeitSöerpältniffe in
Ungarn.
ftomminaU ionitlboliHl .... 1194
Sßctfotflung ftöbtifc^cr Arbeiter in
Stuttgart.
(Stabtifcpe ©efunbheitsinfpeftorinnen
in Birmingham.
kommunaler Arbeitsnachweis in
Sonbon.
09)tale ftuftänbe . 1195
©aS Broifthenmeifierfhftem in
ber Berliner £>ol,$bearbei»
tungSinbuftrie. Bon Dr. ©eorg
91 eubaue, ©harlottenburg.
©ie Bergarbeiter in Belgien.
Arbeitgeber» unb Unternehmer* er»
bänbe.1197
©er Arbeitgeber-Bmtb für baS Bau¬
gewerbe ©eutfchlanbö.
ilrbeiterbemegung .1199
BiaffenauSfpemjng in ©änemarf.
3ur Sage ber gorrncr in granfreicb.
©ie ©rabe*UnionS auf ber Sparifer
2BeltauS|telliing.
©ine finnif^e Arbeiterpartei.
Arbeiterfrau.1201
lieber bie ©inridjtung unb ben Be»
trieb ber SRoßbaatfpinnereien, ^aar*
unb Borftenauricfctereien, foroie ber
Bürften* unb ©infelmacpereien.
Arbeiterberfiibemng. ©jMrfgffen 1201
3nbaliben« unb Altersrenten.
SnoalibitätS« unb AlterSberficherungS»
anftalt SRljeinprooing, ^Jahresbericht
für 1898, ©runbfäfce für ©ewähmng
Don Baubarleben.
RiioMtfUgt .1202
Deffentliche Armenpflege in Hamburg
1898.
©enoffenfibaftOioefen.1203
40. Allgemeiner ©enoffen»
fdjaftßtag ju Berlin.
©aß lanbmiTtbfcbaftlicbe ©enoffen*
fchaftSroefen im ©roB^er^ogtpum
Reffen 1873 bi« 1698.
tKrgicbnng anb ©Übung .1205
AuSbtlbung bon BolfSfdjultebrern für
ben Unterricht an Iftnblicben gort*
bilbungßfcpulen.
Bletfterfurje in (Strafiburg.
©ogial« $bgienc.1205
©eutfdjer Berein für BolfSbbfltene.
©etnerbegeriibte. ©inignngSätnier.
@d)ieD$gertd}tc.1203
©in nationaler Äongrefj ber Arbeiter«
beififcer in ben franaBfifcpen ©e*
merbegeriebten.
kaufmännische <8chteb8getid&te.
©ie ©inigungßoerbanblungen jroifeben
ben Arbeitern unb Arbeitgebern im
3immerergeroerbe in Berlin.
©ojialpolitifdlpc Vtaftnabmeu in Brr»
tebrSmefen.1206
Arbeiterjüge in ©ariS.
©ie ©ifenbapnarbeiter in ben Ber¬
einigten ©taaten.
Äbbrud fümmtlicher Arttlel 4ft Bettungen unb ßeitfd&riften geftattet, iebod) nur
mit bollet Quellenangabe.
Ucgattue unb pofttiu* (Detuerknerein^polittb.
I. perfönlid)eS.
©er bergeitige prengifefje £mnbelsmini|ter t)at in ber Debatte
©errenhaufes über bie fogenannte 3 uc ()^ au ^ üor l a 9 C auSge^
fproetjen, baß bie preufeifd^c Regierung nod) feinesroegS auf ben
Ckbanferi oergidjte, ifjren Gntmurf eines ($efe|jeS 311 m Stufte beS
gemerblidjen Arbeitemerf)ältni)jeS im Peidjstage gur Annahme gu
bringen. Scitbem finb in gahlreidjcu 3 ^tungcn unb 3 e itfd>riftcn
vHrtifel erfdjieticn, roeldje btc fecidjung biefe^ norbereiten
| füllen. Sn ber ftreu^eitnng f)at fid) ber ^ricatbosent an ber
! berliner llniocrfität, ,J)crr Dr. non SBemfftern, in ben S)ienft biefeö
| (Strebend geftcllt. ^iefee ber Regierung Uitredd t^nn, roollte
t man annefjtnen, ba& fie 311 bem non iljm enttoiifelten fonfufen,
| nnberfpriid)£oollen „pofitinen Programm" in irgenb inelcfjer ^ 8 e*
gie^ung ftänbe. Allein in feinen Slrtifeln roirb aud) eine Skr*
nii^tung ber Gegner ber Vorlage nerfndjt, unb bei ber geiftigen
Slrmfeligfeit, bie auf 0 eiten ber SSertbeibiger berfelben im Verlauf
ber 9?eid)ötagöbebatte b erüor 9 e ^ eten ift, ftebt 311 befürchten, bafj
man auf biefer Seite bie ©egner nun toirflid) für nerniebtet er*=
achte. $>abci finben fid) in ben Sluffäfcen be^ §errn non SSemfftern
Slnflänge an einige Sleufeeruugen, bie auch non Seite ber SÄegie*
rungäoertretcr im Saufe ber 9teicb^tagöbebatte gefallen finb unb bie
ber $ritif bebürfett. 2 )iefe ©rroägungen allein ncranlaffen mich,
jene SXrtifel ber Mreuggeitung einer 33cleud)tung 311 untergieben.
Db nc kleine Scbulb mup icb ben Sefer hierbei aud) mit meiner
$erfon befaffen. |>err non SSencfftern erflart mich nämlich für
biejenige $erfönlid)fcit in 2 )eutfd)lanb, mclcbc b«uptfäcf)lidi bafiir
oerantroortlid) 311 madjcn fei, bafj augenblid'licb eine falfdjc 2 luf*
faffung ber Swinge berrfcbc. üMjme id) bie Söorte in bem Sinne,
in bem er fie meint, fo mürbe bie‘3 für mich eine grofee (Ihre be*
beuten. ($% mürbe ber Stolg meinet SebenS fein, fönnte id) mich
alö ben SBecfer jenes au ff cf)äu men ben 9ied)t£gefüblS be§ beutfd^en
S?oIt'es betrachten, meld)e$ bisher bie Sinnahme einer feine fo^iale
©ittmicflung fo fchmer bebrobenben Vorlage oereitelt hot. 2 )ocb
groingt mict) bic ©ahrhaftigfeit, befcheibener gu fein. 3 ^ bin nur
(Einer unter ben Saufcuben geroefen, roeld)e ihr Pflichtgefühl gum
proteft gegen eine ^apregcl gegroungen h a ^ melche bie klaffen=
gegeufäbe im beutfcf)eu Polfe für ^egennien bis gur 3 e rftörung
jebes ßinhcitSgefiihlcS ncrfcharfen mürbe. Slber id) meifc bie mir
oon £errn non ^euefftern giigebachte ©l)re nicht ctroa gurücf, um
meine Peranlmortlidjfeit abgufdjroächen. giir baS, roaS id) mirflid)
gethan höbe, übernehme id) gern bie Perantmortung.
3nbeni ich bas, maS §err n. Söencfftern gegen mich oorbringt,
ins Sluge faffe, gögert aHerbittgS bie §anb, bieS niebergufd)reiben.
Por elf Saljren *) habe id) gegenüber einer cinfeitigen Peruriheilung
ber kartellbilbungen beren Ilrfadjcn, natürliche Pcbingungen unb
I Söirfungen bargelegt, bei (Erörterung ber legieren auf bie (Gefahren
i nermiefen, meldje bamit fomohl für bie Slrbciter als auch für bie
konfumenten nerbunben feien, unb bie ©egenmafjregelu betont,
melche gur Perhiitung biefer (Gefahren nötljig mürben. Srofe biefer
Peigabe erntete ich bamals uneingefchränfteS Sob fogar feitenS ber
„poft", ber „Snbuftrie", unb anbercr ben Unternehmerintercffen
bienenben Plätter. SBcnn id) nun mie bamals barlege, bafj bie
Urfad)cn, Prinzipien unb Qidc ber kartcllbilbung biefclben feien
mie bic ber Slrbeitcrfoalitionen, mufe ich erleben, ba§ «§err o. SÖcitef*
ftern einen 3:heiX meiner bamaligeit Slusführungen mit einem anberen
Bergt. 9Jlittbeilungen ber ©efellfchaft öfterreief)tfdjer BolfSmirtbr-
I. oabrgaug. 2Sieit 1889. S. 76 ff., 134 ff., it>7 ff. feinet: lieber Me
Urfad)cn ber Ijeutigeit fogialcn Potg. Seipgtg 18S9. ©ie tfjcorctifdjc
Begriirtburig ber koalition fomol)l non Unternclnmingcn als aud) non
Arbeitern finbet ftch bereits in meiner Sdjitft: ©er Slrbeiterocrfid)erungS=
gmang, feine Boraitsfegungen unb feine golgen. Berlin lssi.
1 IST
11SK
Sogtalc VrayiS. dcntralblatt für Sogialpolitif. 9?r. 45.
£ heile bcrfelbcn befämpft. 34 fclje barauS, bah id) aflcrbingS für
falfc^c Auffaffungen ber Dinge, bic gegenwärtig in Deutfchlanb
herrfdieu, verantwortlich gu machen bin, närnlid) für jene Argumente
gu (fünften ber Kartelle, bie sperr n. VBcntfftern gegen mid) vor*
bringt. Allein cS liegt bieS wirtlich nidjt an meinen bamaligett
Ausführungen, foitbcru Icbiglid) an bem Vobett, auf beit fic bei
$crrn d. SSencfftevn gefallen finb, unb für £>errn n. VBencfftern muh
ich jebwebe Verantwortung ablehnen.
9?id)t anbcrS verhält es fid) mit ben Venterhingen meinem
Angreifers über bas Vcrljältnih ber Arbeitsteilung ber bcfdjäftigtcn
Arbeiter gu bem in einem betriebe bergeftelltcn ^robuftc. Auch
Ijicr werben mir Ausführungen, bie id) tut Olcgcttfap gu früheren
nttb gegenwärtigen SRationalöfonomcn feit naljegu brcifjig 3flhren
itt s Bori unb Schrift norgetragen, nur halb nerftanbett entgegen*
gebalten. Aber auch hier wäre id) f)ötf)ftenS verantwortlid), "wenn
$>err n. VBeucffteru mein Sdjülcr wäre.
Unb barin erfcf)öpft fich feiueSwegS baS Amnutfjige biefer
$olemif. Visher, fagt man mir, hätten biejenigen, welche baS,
was id) g. 3t., ba fte !aum bie Sdjulbänfe brüeften, fchon lehrte,
unvodftänbig unb nur halb nerftanben wiebergaben, mich mit „ 3 rr*
gättgen meines 3tttedeftS" enfdjiilbigt, jept aber beanfpruept §err
Don"V>encfftem in feiner „objeftiveu VSiffenfdjaftlidjfeit" gar baS
5Red)t, mich ber bewußten dntftedung ber Dljatfadjcn gu geifjen.
dS ift niiht genug, bah ein Vtann, "ber fo wenig logifd) gefault
ift, bah er inbirefte Vöirfungen ber Kartede als öirefte begeid)ttet,
mich über baS, was logifd) richtig unb unrichtig fei, belehrt; nicht
genug, bah Sentanb, bcr nicht einmal weih, bah baS 3^1 &er
©eroerfvereinSpolitif feit einem 3ahrl)iinbert weniger bie jeweilig
hödjften Söhne als nielmehr Stetigfeit ber Vefchäftiaung bei
Söhnen, bei benen fich leben läht, gewefen ift 2 ) unb bag bie
roerfvereiite in biefem ihrem streben häufig fo weit gingen, bah
fie non ihren Arbeitgebern gerabegu beit Abfcpluh nöu Kartellen,
welche bie Stetigfeit ber ^robuftion fidjern füllten, verlangten/) mit
Kennermiene über bie lebten 3 icle ber ©emerfocreine fpridjt; ich merbe
non .Jjerrn non Vöencfftern auch über Unterfdjicbe gwifepen Kartellen
unb Arbeiterfoalitionen belehrt, bie tl;atfäd;lidj gar nicht beftehen, 4 )
unb weil fein eigenes Denfoermögeu unb feine eigenen Kenntniffe
ungureichenb ftnb, befdjulbigt mid) ber Vortreffliche, wo er auf ihm
frembe Anfdjaitungen ftöht, bah id) „feit Karl Sföarf baS Unglaub*
iitpfie an Verbreitung, was gegenüber ben flaren Dpatfacpen möglich
fei," gcleiftet habe.
tiefem Aiveatt ber ^olemif eittfpredjen benn auch bic übrigen
Anfcpulbigungen, burch bie id) üernidjtct werben foÜ.
Vknn id) bie Strcifbrecper als Arbeiter begeiepne, bie gu ben
fcplecptcften Arbeitsbebingungcn gu arbeiten bereit finb, wirb bieS
*) Vgl. Arbeitergilben ber (Gegenwart, II, 3. 30—40.
3 ) Vgl. Stfjrifteit bes Vereins für Sogialpolitif, 45. Vanb, 3. 11.
4 ) 3ut $apre 1844 fireiften bie (ftrubcnlenic bcS VfargniS non
Sonbonbcrri). tiefer veröffentlichte barauf mehrere an feine Arbeiter
geridjtcte dpifteln ooll „väterlicher Aathfd)läge." darauf gab ber
Bonöoncr ..Vund)" folgenbe Antwort ber (ftrubenarbeiter an ihren bc*
forgteu Vater ooit Bonbonbern) gum Veften:
„Viarguis! — 3Bir haben 3hrcn Vricf empfangen, ber uns auf*
forbert, ben (ftciuerfueretn gu uerlaffcn unb gu nuferer Arbeit guviicf*
gutehren. Sir antworten barauf: 0 Vfnrquis! ncrlaffen Sic 3hren
Verein, bamit bie Kohlen billiger unb bie Arbeit ber (ftrubciilcutc rridj*
lieber werben. Sic befchulbigeit uns ber Vereinigung; wir, ViarquiS,
befdjulbigcn Sie ber gleidien ^anblung. Sir verbinben uns gegen»
feitig, um uns ben SBertlj nuferes Sdtwcihes git fiebern; 3ic gehören
gu bem Kol)Icnoerbanbe, gu bcr Vereinigung ber llnternehmer, bie fid)
gufammenfdjlüffen, um ben Kohlenprcis bodjguhalten, bas Angebot bes
ViarfteS gu befdtränfen, um ftets einen gewiffeu ^rcis gu ergielen. 23iefo
beim fann fid) bcr Aeidithnm verbinben, Arbeit jebodi nicht? 3ie be=
fchwören uns, auf ben SHuin gu blicfeu, ben wir über uufere 3Beiber,
unfere Kinbcr, liniere Öraffdtaft, unfer Banb bringen; als CSrwiberuug
befd)wären wir 3ie, auf bas ülcitb, bas Unglücf, bie Beiben gu blidett,
weldje währenb jebes ViiuterS bcr Olrubcubefipcrüereiu über bie Armen
Bonbons bringt, für weldje bie Neuerung, wegen ber fid) hartnäefig
bchauptenben boljen Vreife, gu einem uncrrcidjbarcn Bitjus wirb. 3ie
melben uns, bah ^ie gu uns fomnten unb fortfaljrcn werben, uns aus
nuferen Sühnungen gu vertreiben, irtbem 3ic befonbers 3orgc tragen
wollen, bag 0*iuü= unb Viilitärmadjt 3buen gur .öanb fein wirb. 0
tljciircr Vater! SBollen Sie fo 3Öre imterlidje Siebe ben Kleinen 3hrer
(')rubenlcute geigen? — Kommen Sie gu uns, Viarquis, lütte fomnten
Sie unb laffen Sic fid) nidjt träumen, bah wir Gtoil= unb Viilitär*
gemalt brauchen, um Streitigfeiten gwifdjeu uns gu fdjlidjten. Aeiu,
fürdjten Sie nidjts; uad) einem furgen (')efprädjc werben wir uns in
^reunbfdjaft unb Biebe ncrgleidjeu. 3a biefer Hoffnung, tljcurcr Vater,
ocrbleibeu wir 3hre licbeuofleu Kiuber bcr (itrube."
2!4cfe Antwort, abgebrueft im 43. Vanb ber Sdiriftcn bcS Vereins
für Sogialpolitif, S. 14, mag and) £>errn oou SBcurfftern genügen.
mit einer dntrüftung benungirt, als ob ich ^4* etwas gang (Selbio
ocrftänblidfeS bamit auSgebrücft hätte. 0ber meint ehva -CScrr
oon Vücncfjtcrn, bah bie Arbeiter ftreiften, um fdjlechtere Arbeite
bebingunqen gu erlangen, währenb ihr Arbeitgeber beffere gu bc*
willigen bereit fei, wogegen ihre Arbeiter fid) wehrten, tutb baf;
bie Sngenb ber Streifbrecher barin befiele, bafg fte auch P bieien
befferen Vebingungeu arbeiten wollten?!
SBenn er mir ferner gittn Vorwurf macht, bah id) ba, wo i#
von anardjiftifd)en Elementen unter ben Streifbrechern fpraef), midi
fo oorfidjtig auSgebrücft habe, bah ich bei einem Angriff auf bieic
Stelle mich fofort verantworten fönne, fo erinnert bie« an jene
fantofe Anflagc in ber ^enffchrift über AuSfchrcitungen bei Ar*
beitsfämpfeit: „©röberc DrönungSfiörungcn 2c. würben von ben
Streifleitcrn in ber Vcgel mit Vebad)t vermieben, um bett Schein
ber ®efcplid)feit gu wahren!"
3 'u einem gerabegu unvcrftänblicheu @aEimathiaS bectinnt mein
Angreifer ben einen Abfap: „VJemt bie gefammte Arbeitevfdjafi
^)cutfd)lanbs gemerfverctnlid) organifirt wäre unb nur eine .vnnbe
von Arbcitsfcheuen unb Arbeitslosen außerhalb biefer Drganifatimi
ftänbe, bann hätte Vreutano 5Ked)t", unb ben nädjfteit: „^rofeiftn
Vrentano weih nur gu genau, bah bieS bas fd)wierigfte Problem bei
gangen Qragc ift, toie bic ©cwerfocrcine gu rechtfertigen fein würben
wennficebenbiegangeArbeitcrfchaft erfaßten." V3ettt gwei fid) fomi&er*
fprechenbe Säpe hinter ciitanbcr paffiren föttnett, ber leibet an foldier
Ünflarl)eit, bah rS ihm auch nidjt 31111 t Vorwurf gemad)t werben fann,
wenn er weiter fehreibt: „3nt Angeficht ber Sfrage, wie fic itt dnglanil
brennenb würbe bei ben grohen 2)ocfftreittgfciten, h^t bie Vren«
tano'fch« Weisheit voUftänbig verjagt, dr hat es gngegeben, i\v;
hier bie grofje Schroierigfeit liegt, h^t fich aber bariiber aus*
gefdjwiegen, wie ihr gu begegnen wäre." 34 ^ a &e nl i 4 nur einmal
über bie $$rage ber Drganifation ber ungelernten Arbeiter au*
Aniah beS iOonboner 2)oifftreifeS auSgefprocheit; 5 ) wer bie Stelle
itachlicft, wirb bie eben angeführten Vemerfungeit meines Angreifers
als etwas völlig Uttverftänblid)eS anftaunen. Hub wie niemals bei
fehlenbemÖaffungSvertnögen als leptes Kampfmittel bie2)enungialitm
fehlt, fo enbet auch fü^ ber Angriff mit einer ©roteSfe, bic midi
als wahren öeroftratuS Ijinfteilt, ber ba fagt: „Apres uous le
deluge. SDaS ^ringip bcr dJetvcrfoercine foll unb muh ancrfaunl
werben. 2)ie praftifdje Ausgcftaltung wirb ttod) eine "Släht non
Safjren bauern, bann bin id) tot uttb ein berühmter Viann, til
nach meinem $obe föitnen fiefj bie 0cnte bic Köpfe geriet)lagen!“
SBetttt ich ferner ausführe, bah bic Vetjriiubuug, welche bic
Regierung bcr 3 u 4th ail ^ D °tIagc beigegeben, tm VHbcrfpru^ Hebe
mit bem s $rittgip bcS Sd)upeS bcr nationalen Arbeit, bem fic fonit
hulbige, be 3 eid;nct .'perr von ^Bcncfj'tcrn bieS als eilte beit Kenner
meiner fonftigen Stellung gum Sd)upe ber nationalen Arbeit
gerabegu oerblüffenbe Volte. Armer S>err von SBcncfftcrn, ber io
leicht gu verblüffen ift! Angenommen baS, was er über meine
fonftige Stellung in biefer Srage fagt, wäre richtig, fo ift es bodi
ein felbftoerftäublichcS Verlangen, bah bie Vorlage mtt ben^ringiptcn
ber ©irthfdjaftspolitif, weldje bie Regierung fonft proflamirt, in
lleberciuftimmung fei unb ebenfo felbftPerftänblich ift, bah
biejenigen, welche biefer ^olitif nietjt bulbigcn, baS 9?cd)t h alien -
ben 3Btberfprudj gelteub gu machen, wenn AegienmgSmahnahmni
h4 bireften dlegenfap gu biefer ^olitif fepen. 3ttt llebrigen
erweift ftch aber Sperr von jScncfftcrn ebenfo wenig als Kenner
meiner Stellung gunt Sdjupc ber nationalen Arbeit wie ber (Sriiiibe,
bie tnid) gu einem ©egtter bcr ©ctreibegölle machen. s Bic ich über
baS jprobugenteniutereffe im ©egenfap guut gntereffc ber Kon*
fumenten benfe, ^abe id) in ber Kartcllbebatte ber VBiener volfs*
wirthfdjaftlidjen ©efeUfchaft auSfüljrlt4 bargelegt. 6 ) teilte Dar¬
legung geigt, bah *4 {e itt pringipieder (Gegner beS SchupeS bcr
nationalen Arbeit bin; wohl aber erachteich auf ber dntmidelunge*
ftufe, auf ber Deutfdjlanb g. 3- angelangt ift, ben ^reibanbel
ebenfo für ben wahren Sdjup ber nationalen Arbeit, wie bieS bic
englifd)en Sttbuftriellen thaten, als fie vor 50 S^h^tt guin 3rei»
banbel übergingen, unb meine ©egiterfchaft gu ben ©ctreibegöllcn
beruht barauf, 7 ) bah fie, ohne ber Banbmirthfdjrtft ttüpen gu fönnen,
gerabe bie nationale Arbeit aufs dmpfinbltchfte fähigen.
Allein für J)crrn von VBentfftern finb foldjc Ünterfchcibungcit,
wenn er fte überhaupt fennt, wot)l gu fein. Unb aus cbm biefem
©rttnbc finb ihnt benn auch utilbernDe Umftänbe gugubidigen, wenn
er einerfeits fuggerirt, ich fei ein Vorfämpfer ber Sogialiftninq
5 ) Vgl. (ft. v. Sd)ulge=däocniip, focialen grieben, II S. 4Turf.
6 ) Vgl. VUltheiluitgeit bcr CMefeUfdjaft öfterreidjifdjer VolfSwtrtlif
.135/
7 ) Vgl. bic cntj'prcdjenbcn Ausführungen in meiner Agrarpolitik.
1189
©ogiale $rajt$. Eentralblatt für ©ogialpolitif. Sfcr. 45.
1190
ber S r °&uftionSmittcl, anbererfeits fcßreibt, mir fomme eS barauf
an, ben Eingefnen 31t ftärfcn auf Soften ber centralen ©eroalten!
desgleichen erfcßeint es begreiflief), wenn mein Angreifer ftd^
gegen bie „gait3 freie Äritif" einer befteßenben Staats» unb 3 Birtß»
fcßaftSorbnung erflärt. Er füßlt fieß als einen dßeil biefer Drbnung,
unb naeß bem, waB er in feinen ÄreuggeitungSartifeln gcleiftet bat,
bebarf eB in ber &b Q * feiner fef>r freien ftritif, um ibn 3U ge»
fäbrben.
gürft Sigmare! febreibt in ben „©ebanfen unb Erinnerungen",
bie Uebergeugung, baß ber ©egner in Allem, roaS er oornimmt,
im beften gaHe befeßränft, roabrfcbeinlicb aber böSroillig unb je»
toiffenloS fei, beßerrfeße nocf) beute baS Sßarteileben. Es ift bies
eine golge ber Ünfäbigfeit Sieter, fidEj in ben Stanbpunft beB
©egnerS 3U oerfeßen. 3 m Sarteüeben mar bieS non jeher fo unb
wirb auch in 3 ufunft fo bleiben. Aber eB märe traurig, wenn bieS
auch für bie SBiffenfcßaft gelten faßte, grüner mar eS in ber
SBiffenfcßaft anberS. ES ift betriibeub, baß fie beute fo gefunfen,
baß man nach einer breißigjäßrigen, roobt nicht unrühmlichen
roiffenfdf)aftlid>en Saufbaßn genötßigt ift, fieß gegenüber Angriffen
311 oertßetbigen, bie im toiffenfeßaf fließen Jieben baSfelbe bebeuten,
mie menn man einen im bürgerlichen Sebeit in Ehren Ergrauten
bcfcßulbigt, filberne Üöffel geflößten 3U haben.
Cscß merbe mich mit $errtt oon 2Bencfftern nicht mehr be»
febäftigen. 3 Boßl aber beabfießtige ich, beS Weiteren auf einige
Sragen eingugeßen, bie auch in feinen Artifeln berührt finb. Sie
fmb auch in ber fonftigen diSfuffion beB Defteren beroorgetreten
unb fönnen rnieber ßeroortreten. Aueß möchte ich mich über pofitioe
©eroerfoereinSpotitif auStaffen. ßujo Brentano.
Bie ^onbliinasgeijölfett-CPrgottirotiotie» im
Bentfdjett Keidje.
Aeßnlicß mie in Subuftrie unb £>anbroerf bat ftd> au<ß im
.^anbelsbetriebe baS einftmalS patriardjalifc^e Serßältniß 3rotfcben
Arbeitgeber unb Arbeitnehmer innerhalb beS lebten Saßtßunberts
unb namentlich in beffen leßter $älfte aelocfert. Aber bie $luft,
roelcße ben ^ßringipal oon feinen ©eßülfen trennt, ift im AUge»
meinen noch nicht fo tief unb fo breit mie biejenige 3toifcben bem
Sabrifßerrn unb feinen Arbeitern, 3mifcben bem |>anbroerfSmeifter
unb feinen ©efeßen. 2öie febr auch ber faufmänmfche ©roßbetrieb
oorbrinaen möge, er bat noch nicht biefelbe Dberßerrfcßaft erlangt
mie in ben gemerblichen Setrieben, unb bei ben eigenartigen Ser»
bältniffen gerabe beS mit ben Serbrauchern unmittelbar oerfeßren»
ben detaitßanbels ift es noch burcßauS feine ausgemachte Sache,
baß b^r ber ©roßbetrieb bie Dberßerrfcßaft fieß enbgiltig aneignet,
daß er fieß auch weiterhin noeß beträchtlich ausbreiten mirb troß
ftaatlicßer unb genoffenfchaftlicber ©egenmaßregeln, ift allerbingS
anguneßmen.
®iefe dßatfadßen finb für baS gegenmärtige Serbältniß groifeßen
bem faufmännifeßen 'ißringipal unb feinen ©ebülfen oon auSfcßlacj»
gebenber Sebeutung. SDton gebt burcßauS fehl, menn man für bte
©eftaltung fo^ialer Serbältniffe auSfcßüeßlicß mirtbfchaftliche S 2 o»
mente als maßgebenb atifießi. Eine große Steiße pfpcßotogifcßer
isaftoren mir ft mit. 3 u einer ^abrif fühlen fieß fämmtlicße Ar»
beiter, bie gut» unb fcßledßt gelohnten, roelcße dßätigfcit fie aueß
ausüben mögen, als Einheit, aber in einem £>aublungsßaufe macht
ließ in bem fo^ialen Empfinben 3mifcßen §anblungSgeßülfen unb
•ÖauSbienern ober Sßacfern ein ganj erßeblicßer llnterfcßieb be»
merfbar. Scßon .f)crfunft unb Sorbilbung läßt ben §anblungS»
geßülfen fieß bem Arbeitgeber meit näßer füßlen, fieß als 3U ber»
leiben fogialen Scßicßt geßörig betrachten mie ber ^ßrin^ipal, mag
aueß fein Einfommen noeß fo niebrig fein. der jüngfte ßeßrling
feßon träumt baoon, ein großer gmnbelsßerr 3U merben, unb fein
QangeS Streben rießtet fieß barauf. AnberS ber Arbeiter; feiner
°on ihnen träumt baoon, ein großer gabrifßerr gu merben, er ift
fitß oon oornßerein Har, baß bieS naeß menftßlicben SorauS»
feßungen eine Unmöglicßfeit ift, ja er benft aueß nicht einmal an
oic Erlangung einer felbftftänbigen Eyiftenj überhaupt, benn aueß
oce Erreichung biefes Zieles ift unroaßrfcßeinlicß. Es ift eben ber
große Unterfdjieb groifeßen geiftiger unb meeßanifeßer ^ßätigfeit, unb
^aofmännifeße Sßätigfeit ift eine meßr ober minber geiftige,
Ijübft ba, too eine reeßl mcitgeßenbe ArbeitStßeilnng bureßgefüßrt
JJJ* ?tacß bie ÜDtöglicßfeit, bereiitft Arbeitgeber 3U fein, ein eigenes
©ef^äft 31t füßren, ift für ben §anblungSgeßüIfen beute noeß immer
^arßanben. 4 )enn menn aueß bie 3 a ßl oer ©roßbetriebe ftänbig 3U»
nimmt, fo ift boeß bie 3 aßl ber fleinen unb mittleren Setriebe
noeß immer feßr groß, unb ißre Snßaber geßen faft auSfcßließlicß
aus bem Stanbe ber .f>anbIungSgeßülfen ßeroor. 3 ft Semanb aber
erft einmal felbftftänbiger ©ef^äftstreibenber, bann mirb es aueß
fein Streben fein, ben Setrieb immer roeiter auS3ubeßnen, 3U einer
ßößeren mirthfcbaftlicßen Stufe auf3unicfen. ©aS mag mit ber
3 eit immer feßmieriger merben, allein fo lange bie Entmicfelung
noeß nießt fo meit oorgefeßritten ift, baß bie Erreichung biefeS
3 ieIeS eine ttnroabrfcßeinlicßfeit ift — unb ob biefe Entmicfelung
fommeit mirb, läßt ftdß ßeute mit Seftimmtßeit nießt fagen —, fo
lange fann aueß ber gmnblungSgeßilfe nießt „flaffenbemußt" in bem
Sinne fein, mie es bie Steßrßeit ber Arbeiterfcßaft ift. Alle
„logifdßen Setracßtungen", alle .jpimoeife auf üble 3 u ftanbe im
^anbelSgemerbe, auf lange Arbeitzeit, niebrige ©cßälter, f^lecßte
Seßanblung in oielen EinxelfäHen fönnen bie ©efammtßeit ber
beutfeßen ©eßülfen oon oiefen ißren fo3ialen Empfinbungen
nießt abmenbig maeßen. Sollenbs nießt in einer 3 *it, bie biefen
©efüßlen burd^ bie Setonung auS3ei<ßnenber Sonberftellung ber
§anbluugSgeßülfen in bem neuen .^anbelSgefeßbutße, bureß bie
Semüßungen um Hebung ber Sorbilbung, um Ermeiterung unb
Sertiefung ber gortbilbung reidßlicße Sfaßruitg 3uträgt.
Aus biefen ©rünben ift es aueß Ieicßt erflärlicß, marum bie
Serfucße, bie ^anblungSgeßülfen an bie „moberne Arbeiterbemegung"
ansufcßließen, bisßer oon geringem Erfolg begleitet maren. 2 )ie
3 uftäitbe im $anbelsgeroerbe, mögen fie noeß fo oieler Serbeffe»
rungen bebürftig fein, bilben ßeute noeß nießt einen geeigneten
Soben für gemerffcßaftlitße Drganifationen. 3 ft boeß überbieS bie
inbuftrieÜe Arbeiterfcßaft felbft, bei ber alle Sorbebingungen ßier»
für 3utreffen, nur 30m geringen £ßeile geroerffdßaftli^ organifirt.
Ein offener, beharrlicher ftampf gegen Arbeitgeber ift oon benen
nießt 3U erroarten, benen boeß immer bie SRöglicßfeit roinft, felbft
Arbeitgeber gu merben, unb nur für bie Sanfgeßülfen oerringert
fieß biefe SKöglidßfeit offenficßtlicß oon Saßt ju Saßr. •
Alle biefe Serbältniffe müffen berücfficßtigt merben, menn man
bie befteßenben Sereiuigungen ber ^anblungSgeßülfen einer Se»
traeßtung untergießt. 9 )tan rann fie in groei große ©ruppen tßeilen:
in eine bie Stebrgaßl umfaffenbe ©ruppe, roelcße ein 3ufauimen»
arbeiten unb ein 3 ufuuimengeßen mit ben Arbeitgebern befür»
mortet ober gum minbeften nidjt auSfcßließt unb in eine ©ruppe,
bie bie tlaffenunterfcßeibung feßarf betont. 3u ber erfteren ©ruppe
finben mir ßäufig Arbeitgeber unb Arbeitnehmer in ©emeinfeßaft
oereinigt, roenngleicß erftere in geringerer Angaßl. Es finb bieS
namentlich bie in mittleren unb fleinercn Stäbten befteßenben
„^aufmännifeßen Sereine", in benen ^ringipale nießt feiten bie
auSfcßlaggebenben Sorftanbsämter befleiben. Aber bie fogiale
SBirffainfcit leibet babureß nießt immer Scßaben, mie benn g. S.
bem ftaufmännifeßen Serein gu .föln, beffen Sorfißenber ein $rin»
gipal unb Sltitglicb ber §anbels!ammer ift, aueß oon ben „Haffen»
bemußten" ©eßülfen ein Sormurf nießt gemaeßt merben fann.
Aeßnlicß ift es mit einer gangen Angaßl anberer Sereine beftellt.
$>ie meiften biefer Sereinigungen, beren ©rünbungSjaßr gum Sßeil
in bie oiergiger 3uß^ guriiefreießt, fmb urfprüngücß lebiglicß 2BoßI»
faßrtSoereine gemefen, b. ß. Serbinbungen gur Erlangung mirtß*
fcßaftlicßer unb jefeUfcßaftlicßer Sortßeiie für bie SJtitglieber. All»
mäßließ mürben*bie Aufgaben enocitert, mie eben bie örtlicße ober
nationale Entmicflung ber Serbältniffe es mit fieß braeßte. Söenn bas
neue beutfeße §anbeISgefeßbucß eine erßeblicße recßtlicße ober mirtß»
fdt)aftlicße Sefferftellung ber faufmännifeßen ©eßülfen ßerbeifüßrte,
fo ift unftreitig biefen Sereinen ein roefentlidßeS Serbienft gugu»
feßreiben. Es barf ßier freiließ aueß nießt oerfeßmiegen merben,
baß niancße biefer Sereine fieß gu einer ermeiterten fogialen £ßätig»
feit im Sntereffe ber ©eßülfenfeßaft erft ßaben brängen laffen, unb
baß biefe 3u9ßuftigfeit gu einigen reeßt bebauerlicßen Abfplitte»
rungen geführt ßat.
3u berfelben ©ruppe geßört aueß bie überroiegenbe Steßrgaßl
ber in ben ießten neun 3 oßren gegrünbeten Sereine meiblicßer ©e»
ßülfen, beren es nun etroa ein &ußenb giebt.
Sei faft allen biefen Sereinen, foroeit fie überhaupt eine
größere Sebeutung erlangt ßaben, fteßen bie Unterhaltung eines
fpftematifcß auSaebilbeten SteHennacßroeifeS, Staßnaßmen im Suter»
effe ber Sortbiloung ber Stitglieber (Unterhaltung oon §>anbels»
unb faufmännifeßen SortbilbunaSfcßuIcn), ferner ©emäßrung oon
Unterftüßungen an bebürftige ^titglieber, Seranftaltung ßanbels*
miffenfcßaftlicßer mie aUgemein beleßrenber Sorträge an ber Spiße
ber SereinSaufgaben. Sie leiften in biefer Segießung ßäufig feßr
ErßeblicßeS unb oermenben hierfür große Summen. Wamenilicß
bem öortbilbungSfcßulroefen mirb gur 3 e H 9 aiI 3 ßeroorragenbe
Aufmerffamfeit gugeroanbt, ba oon oer l'öfung ber SÜbungStrage
tßatfäcßlicß bie meitere Entmicflung unfereS M aufmannSftanbeS unb
1191
Sogtale $ra£t$. dentralblatt für SogialpolttU. Dr. 45.
1192
fetne fokale Stellung abfeöngt. Slud^ baS ^ranfenfaffenwefen
finbet bei ihnen pflege, wie ja bie freien £)ülf0faffen gerabe im
.VfruifmanuSftanbe oiele Anhänger befipen. desgleichen unterhalten
manche BenfionSfaffen, beren wofeltfeätige Wirffamfeit nicht unter*
fdfeäpt roerben barf. Biele biefer Bereinigungen gehören bem beut*
fdjen Bcrbanbe faufmäunifcfeer Bereine an, beffen Xfeätigfeit in
biefen Blättern öfters drwäfenuttg gefunben hat. tiefer Berbanb
fud)t ba, roo bie Sntereffen ber ^ringipale unb Hngeftellten einanber
gegenüberftefecn ober gegenüberguftefeen fcheinen, einen Ausgleich
auf mittlerer ßinic feerbeigufüferen. (Sr umfaßt 96 Bereine (ein*
fcfeliefelidfe gweier öfterreidjifcher) mit inSgefammt 126 000 Dfit*
gliebem, roooon 24 700 ^ringipale unb 1800 Dicfeffaufleute finb.
Seine alljährlichen ^auptoerfammlungen erfreuen ficf) bet Beachtung
aller intereffirten Greife.
HbfeitS baoon flefeen bie in oerfchiebenen Stabten oorhanbenen
fatfeolifcfeen faufmännifchen Bereine, obroohl fic, abgefefeen oon
ihrem fonfeffionellen dfearafter, nac h fogialpolitifcfeen $ln*
fefeauung gu biefer Kategorie gehören.
9Bir geben im Nachfolgenben über bie größten Bereine biefer
2lrt einige Safylm für 1897, bie allgemeines Sntereffe beanfpruefeen.
befiehl
Safere
Bfttglieber*
Beftanb ! )
Bermittelte
Stellungen
©ewäferte
Unter* 9 )
ftüpungen
SBirft feaupt*
fäcfelicfe in
©emäfert raufen*
feülfe begw. befipt eine
©ingefdfer. ^ülfsfaffe
gortbilbungSfcfeulmefeii
Berlin.
Berein junger Äaufleute ....
jfauftnännifchcr £>ülfsuerein . .
Berein ber Banfbeamteit . . .
Berein bcntfdjcr .^aufleute (S>irfcfe s
^uneferfefeer ©ewerfoerein) . .
ftaufmnnmfdjer unb geroerbltdjer
■f)ülf$oerein f. weibliche^ngefteßte
59
15
7
25
9
3592
9418 (951)
1596 (181)
4409
10 423 (404)
756
680
46
696
1985
13 530
4 250 8 )
600 4 )
682
Berlin
Berlin
Berlin
gang ^eutfcfelanb
Berlin
freien Sfrgt u. Ärgnei
beSgl.
beSgl.
©irtgefcfer.^ülfSfaffe
(Eingefcfer. §ülfsfaffe
Unterhalt eigene ^nnbelr*
fefeute unb faufmämiiicbc
gortbilbunbsanftalt.
Unterfeält .^anbelsfchulc.
Sranffurt a. B?.
^aufmänntfefeer Berein ....
88
13 985 (548)
2513
508
Sübbeutfcfelanb
©ingefcfer.§ülfsfaffe
Hamburg.
Berein f.^anbluugsfommis o. 1858
Seipgig.
40
53 951 (7170)
5516
3 730
gang $eutfdjlanb
©inaefdjr. ^iilfsfaffe,
$enjtonSfaffe
Unterhält 5ortbiIbiing#»U
Berbanb beutfdjer^anblungsgefeülf.
17
45 855 (353)
3621
4 669
gang SJeutfcfelanb
©ingefefer. ^ulfSfaffe
-
SWannfeeim.
.Haufniänntfcfeer Berein ....
81
2982 (696)
518
724
Sübbeuticfelanb
©ingefcfer.«gülföfaffe
Unterhalt £>anbcl*idjnlr.
Bfüncfeen.
.(faufmännifefeer Berein ....
24
2590 (313)
566
—
Sübbeutfcfelanb
-
Unterhalt ^ortbilbimgefife.
Dürnberg.
cHaufmännifefeer Berein Bterfur
37
4823 (990)
Hl 2
165
Sübbeutfdjlanb
—
Unterfeält ^oiibrlbiuni«fdj
Stuttgart.
tfaufmänmfcbcr Berein . . . .
22
1234 (231)
164
2600
Württemberg
^ingefcfer.^iilfsfaffc
Unterhält 7vottb\\bvvwg^Ä\.
0 $ie 3tffem tu ben klammern geben bie gafeleit ber Bid)t=©ebülfcn an.
2 ) BZit vlus|d)lub ber Unterftüpungen aus Traufen*, Begräbnis, BenfionSfaffeti.
3 ) $)cr Bereut gemährte auperbem 8895 je $)arlefeit. (Sr betreibt lebiglich Stellennachweis unb gemährt Unterftüpungen. lic
(Erörterung fosialer fragen ift grunbfäplidj auSgefdfeloffen.
4 ) $)agu fomnten 9445 M. für ftatutarifdje SteHenlofen-Unterftüpung.
®eu oor etwa fed)S Sah reit gegrünbeten „®eutfcfe*nationalen I
§anblungSgehülfetioerbanb", beffen <§ip in Hamburg ift, haben
mir, tropbem er über 20000 üJfitglieber gtf feien foll, feier nicht mit
aufgeführt, weil feine WühlfafertSeinricfetungen hinter feiner auf bie
Befäntpfung namentlich beS £eipgiger unb Hamburger BereinS
gerichteten agitatorifchen Wirf famfeit röllig in ben $>intergrunb
treten, dr bitbet bie llebergangSftufe gu ben oon ihm roegen
ihrer Sabenfreunblicfefeit U nb bemofratifefeen ©efinnurtg ftarf be*
fellbeten Bereinen „flaffenbewufeter" ©efeülfen, welche Den Snter*
effengegenfap gwifdjen ©efeülfen unb Arbeitgebern fcharf betonen.
Sein Stellennachweis ift bislang ohne erhebliche Bebeutung. dr
hat jept eine Stellenlosen * Unterftiipung eingerichtet, über beren
dntmicfelung noch fein Bericht oon Belang oorliegt. Seine ein*
gefchriebetie .§ilfsfaffe ift oor einem Safer in ftraft getreten.
3)ie Bereinigungen ber flaffenbewnfeten ©efeilfen fann man in
brei ©nippen feilen: in bie rein fogiatbemofratifefeen mit oöllig
politifd)etn dfearafter, in bie gemerffd)aftlid) organifirten unb in
allgemeine beniofratifcfje. £>ic in oerfchiebenen Stäbten $>eutfcfe*
latibs, wie Berlin, dreSben, Dtogbcburg, Dfüncfeen gegrünbeten
„freien Bereinigungen ber itaufleutc" wie bie fid) an fie an*
fdjlicBenben „öadjuercine für .vronbliiitgSgefeiilfinuen", beren Drgan
bas in Berlin erfdjeiuenbe fialbmonatsblatt ,,£tr .ftanbelSaugefteÜtc"
mar, erwarten alles Mcil ausfcfeliefelich oon bem 9lnfd)Iuft ber
faufmännifchen ©cbtilfeit an bie politifdje fogialbemofratiidje Partei.
Sic Diitgliebcrgabl ift nicht bctriidjtlid), unb fie hefigen fo gut roie
gar feine Wohlfahrtseinricfetung. Shre Shiitigfeit ift eine rein
agitatorifdic, unb fie finb mehr ober miubcr offene (Gegner rein
bernfegeuoffenfdmftlidjeu oon ber politifdieit ^arteiftellnng abfehen*
ben Sufqmmcnfdjluffes gur drgicliing befferer Arbeitsbedingungen,
obren ©ruub bat biefe Anfdjauunq barin, bafe ber älteftc biefer
Bereine in Berlin feinen Sip hatte, unb bah hier and) bas Bereins*
organ erfdiien. Befanntlid) hat aber in Berlin in ben Streifen ber
Arbeiterfdjaft bie politifdje Strömung bie Dberfeanb. '
$>a aber in anberen Stäbten, namentlich in Hamburg unb
£eipgig, bie gewerffchaftliche Dichtung bie ftärfere ift, fo entftanb
ein recht heftiger feänSlidjer Brubergwift gwifefeen ben beibeu $ar*
teien, ber oor ehoa einem Safere gu einer gemerffchaftlichen Sonber*
bilbung, ber ©rünbung beS „dentralocrbanbcS ber £>anblungS*
gehülfen unb ©ehülfinneit 3)eutfd)lanbS" führte. Sw §. 2 bes
Statuts helft* es auSbrücflich: „^arteipotitifefee Beftrebuiigcii finö
auSgefdjloffen." Allein es ift fein Sroeifel, unb bie £eftiirc bcs
BereinSorganS ,,^)aS £anblungSgehülfen=BIatt", baS fid) im erücn
Safere feines BeftefeenS burefe feinen fachlichen, mafeoollcn $on oor*
tfeeilfeaft auSjeicfenete, bemeift eS, bafe bie fojialbemofratiftfie Ält-
anfchauuttg bie ©rüitber unb Seiter heute noch beljerrfdjt. Bei ber
feit ber ©rünbuitg oerfloffenen furjen 3eit ift es unmöglich, ein
Urtfeeil über bie jufünftige ©eftaltung su fätteit. ?lbcr eS ift
anjuerfennen, bafe gu feinem Programm ber SteÖcnnadjweis ge¬
hört, eine ifjätigfeit, welche oon ben rein politifcfeen Bereinen
mifetrauifch betrachtet, gum Sljeil lebhaft befämpft roirb, wenigftens
fotoeit fie oon ben „alten" Bereinen auSgeitbt mtrb. ?lud) bie
Steüentofen*llnterftüpung unb bie ©croährung oon Nechtsfdjup ift
fapungSgemäfe feftaelegt.
Sngroifcheti ift groifchen beibeu Dichtungen nach längeren
Kämpfen eine „dinigmtg" guftanbe gefommen, welche eine Nicber*
läge ber fogenamiten Sofalorganifation, b. h- in biefent Salle ber
rein politifdjen Dichtung bebeutet. $ie lofalcn Crganifationeii
follen fiefe banaefe auflöfeu unb ifere eiitgeliten NJitgliebcr follen bem
deittraloerbanbc beitreten. 3bie Sadjfdjrift ber ,,.f)unbels=3(ugcftclltr
ging ein, bagegen erfdjeint baS „ManblnngSgeliilfcu * Blatt" oon
unu an in Berlin. Sb ber 3 lü iefpalt gmifdjen beiben Did)tungei
baburdj oöllig befeitigt ober nur oorübergefectib beigelegt ift, läüt
liefe feeute nod) nid)t überfefeen.
3u ben ben Älaffeitgegenfap bctonenbeit ©efeülfen muffen wir
aud) bie Bereine für faufmäuniiefee ?lngeftetttc gu Sranffurt a. B’.
unb SRaing rechnen, bie faft ausfchliefelich agitatorifche unb auf*
1193
6o}ictIe $ra£ts. Gentralblatt für ©ojtalpoltti!. 9h:. 45.
1194
flärenbe Wirf famf eit entfalten. 3h* BereinSorgan war bie oor
Kurzem wegen geringer ßeferzahleingegangene„Kautmännifd)e$reffe".
SluS oer bisherigen Kennzeichnung ber einzelnen Drganifationen
fann bereu Stellungnahme zu ben bie faufmännifche Gel)ülfenfchaft
gegenwärtig bewegenben widjtigften Fragen leicfjt gefolgert werben.
®tefe fragen finb, uachbem über bie fogenannte Konfnrrenzflaufel
eine wenn and) allgemein nicht befrieoigenbe Gntfcheibung auf
längere 3eit gefallen i|t: ber Sfchtubr*ßabenfd)luß, bie faufmännifchen
6d)tebjjgerid)te, bie Frauenarbeit. Gute wirfliche BteinungSoer*
fdjiebenbeit befielt nur über bie leßte Frage, wä^rettb über bie
beiben erften grunbfäfclid)e Uebereinftimmung bei allen Bereini*
gungen ^errfrf)t. Rur über bie Slrt ber SluSführung unb in ber
Form, wie jene Forberungen öffentlich zum SluSbrucf gebracht
werben, h cr *f<h* Smiefpalt. Ter Teutfcfje Berbanb faufmännifcher
Vereine hat ft<h für ben Slchtuhi>ßabenfchluß unter 3ulaffung oon
StuSnabmen auSgefprochen, begleichen ber Berbanb beutfcher
£>anblungSgehülfeu, wogegen bie übrigen Bereinigungen einen aus*
nahmslofenSlchtubr*ßaben|chluß gefeßlid) ^crbeigeführt fehen möchten.
Leiter gehen bie Meinungen über bie Frage ber fauf»
männifdjen Schiebsgerichte auseinanber. Tie Btehrzabl ber bem
beutfchen Berbanbe faufmänuifcher Bereine angebörenoen Berbin*
bungeit wünfcfjt hauptfäd)lich aus bem Grunbe, um fammtlicben
£>anbIungSgehülfen im beutfchen Reiche bie Wohltat zu Tf)eil
werben z u laffen, ben Slnfd)luß ber Schiebsgerichte an bie SlmtS*
gerichte. lieber bie Unzwecfmäßigfeit einer folcfjen Bilbung fei bei
biefer Gelegenheit nicht gefprodjen. (Sine Btinberzahl ber BerbanbS*
ocreinc fowie ber ®eutfch*iiatioitale §anblnngSgehülfen*Berbanb
forbern entweber felbftftänbige SchiebSgeridjte nad) Slrt ber Ge*
werbegeridjte ober ben bireften Slnfchluß an bie Gewerbegerichte.
Ter Leipziger Berbanb beutfcher £>atibIungSgebülfen will ooit einer
Berbinbung ber Schiebsgerichte mit ben Gewerbegerichten nichts
wiifen, weil leßtere für bie fo$ial niebriger flehenben Arbeiter unb
.fmnbwerfer eingerichtet feien; er erflärt fi<h bemgemäß für felbft*
jtänbige Gerichte. Sille übrigen Bereinigungen forbern, wie bieS
ja aud) in ihrem Wefen liegt, SluSbehnung ber 3uftänbigfeit ber
Gewerbcgeridjte auf Streitigfeiteu aus bem faufmännifchen Sin*
ftellungSuerhältuiß. Tiefe 3 c *fplütoung ber Slnfichten unb bie
gegenfeitige heftige Befeßbung tragen mit Schulb barau, wenn bis*
lang in bicfcr Slngclcgeuheit non ber Regierung nichts gegeben i[t.
Was bie Frauenarbeit anbetrifft, beren Wettbewerb ft<h bem
männlichen fjaublnngSgchülfen immer fühlbarer macht, fo finb
nur jroei Bereinigungen auSgefprochene Gegner: ber Seliger
Berbanb beutfd)er' £mnblungSgei)ülfen unb ber Teutf<h*nationale
£)anblungSgebülfen*Berbanb. 3mar fehen fie ein, baß bie Frauen*
arbeit im .fwnbelSgemerbe nicht oerboten werben fann, inbeffen
wollen fie mit allen gefeßlidjen Mitteln ihre Ginfchränfung herbei*
führen, unb fie glauben bieS am beften burch SluSbehnung ber
Schußbeftimmungen ber Gewerbeorbnung auf bie weiblichen
.§anbluugsgehülfen zu erreichen. Tem ftefjt freilich bie Tßotfache
gegenüber, baß jene Scßußbeftimmungen bie 3 a hl ber Fabrif*
arbeitcrinnen nidjt uerminbert haben. Ter .spirfch^unäer’fche
Gewerfoerein „Berein beutfcher Maufleute" befämpfte bis oor etwa
brei Fahren bie Frauenarbeit auf baS ßeftigfte, ift aber jeßt fein
auSge)‘prod)ener Gegner ber Frauenarbeit mehr, fonbern oerlangt
Drganifation ber §anblungSgehiilfinnen als baS leßte Blittel zur
Befeitigung fchäblictjer Konfurrenz. 3i e mlich unfreunblich ftcht ber
große Hamburger Berein für ^anblungSfommiS ber Frauenarbeit
gegenüber. Glicht, baß er fie öffentlich befämpfte, er erflärt ftd)
aber gegen jebe Unterftüßung ihrer Organifation, weil eine folche
ben Wettbewerb nur ftärfe unb oermehre. Tie übrigen Berbin*
billigen beS ©eutfehen BerbanbeS faufmännifther Bereine finb ber
Frauenarbeit weniger abgeneigt, unb bie §auptoerfammlung beS
FaßrcS 1896 nahm nad) einem Bortrage beS Borfißenben beS
Berliner faufmännifchen £>ülfSoereinS für weibliche Slngefteflte einen
Befdjlnß an, wonach fie bie Frauenarbeit im ^anbelSgewerbe als
berechtigt anerfennen. Beflagt würbe nur ber auf bie Entlohnung
brüefenbe Wettbewerb, bem Ginhalt gethan werben ntüffe. Gin
3ufaßantrag, baß bie befte §ülfe bagegen bie Drganifation ber
weiblidjen Singeftellten fei, würbe auf Betreiben beS Hamburger
Bereites abgclehnt. Taß bie fojialbemofratifchen unb gewerffchaft*
lieh organifirteu $anbIungSgef)ülfen gernäfe ihren politifchen unb
wirthfd)aftlid)en Sinfchauungeu über bie moberne Strbeiterbemegung
bie Frauenarbeit als ein nothtoenbiges Glieb in ber allgemeinen
wirthfd)aftlid)en Gntwicfelung anfehen, braucht nicht befonberS her*
oorgebobert $u werben.
3oni Schluft fei noch erwähnt, bafe oon ben Bereinen ber
erften Gruppe ein eigenes Fachorgan befigen: ber .Hamburger
Berein für |)anblungStontmis, ber Öeipgiger Berbanb, oer £)irfd)*
^uncferfche Berein beutfcher Äaufleute, bie allgemeine Bereinigung
beutfcher BuchhanblungSgehilfen, ber beutfch*nationale ^anblungS*
gehiifcnoerbanb,ber faufmännif^e^ilfSoerein für weibliche^(ngeftellte.
Berlin. _ 3- ©ilbermann.
gemeine Sojtnl- null Mirt^fi^aftopoUtlk.
Slrbetterfefretartat i« Bremen* ®ie Begrünbung eines
Slrbeiterfefretariats in Bremen ift in finanzieller £>inficbt gefichert.
Bon ben 4868 GewerffdjaftSmitgliebern (etwa bie §älfte ber
organiftrten Arbeiter), bie an ber Slbftimmung fich betheiligten,
haben — unb baS ift ein erfreuliches SRefultat — 4466 für einen
obligatorifchen Beitrag ffdj erflärt, unb zwar unter biefen 3079
für einen 10 ^Beitrag, 1387 für einen 5 /$*Beitrag. 9fur
54 Slbftimmenbe paben an ber Slnftcht feftgebalten, bafe ein obliga*
torifcher Beitrag nicht z u erheben fei, währenb 348 Slbftimmenbc
gegen bie Grrid)tung eines Slrbeiterfefretariats ftch gewanbt haben.
Gefehliihc Wegelinig ber lanbmirthfdKtftUihei! SlrbeitSberhättuiffe
tu Ungarn. 3m ofPziöfen „Hefter 53lot;b" finbet fich folgenbe Brit*
theilung: ,,®er große Grfolg, welchen baS Gcfeß über bie lanb*
wirthfehaftlichen Slrbeiter fchon in ben erften jjwei Fahren feiner Sin*
wcnbniig erzielte, ermuthigt ben Slcferbauminijter Dr. 3gnaz 5)arani)i,
baS Wert ber SHegelung ber Slrbeiteroerhältniffe, foweit biefe fein
Steffort berühren, eifrig fortzufeßen. F» ber 2:hat hat ber G.*Sl. II:
1898 fowohl bei ben oorjährigen, als auch bei ben heurigen Grnte*
arbeiten fich außerorbentlid) bewährt unb ben agrarfo^ialiftifchen
Umtrieben mit einem Schlag ein 3tcl gefegt. Ta bie ^gubwirthe
ebeitfo, wie bie betheiligten Slrbeiter bie zahlreichen Bortheilc richtig
erfaunt haben, welche baS Gefeg ihnen gewährt, giebt ftd) in allen
biefen Greifen nngefchntälerte Slnerfennung für baS aufrichtige, aHe
Fntereffenten gleid)ermaßen berücfftchtigenbe Streben beS Banifters
Taränpi funb. Wie wir nun erfahren, hat ber Slcferbauminifter
für bie #erbftfeffion beS Reichstages wicber mehrere cinfchlägige
Gefegentwiirfe oorbercitet. So foüen bie Rechtsoerhältuiffe ber
fogenamtten itnbifarbeiter unb ber Unternehmer oon Ianbmirth*
fdjaftlichen Slrbciten gefegiich geregelt werben, woburd) einem
brennenbeu Bebürfuiffe entfprod)en werben wirb. Ferner beab*
fichtigt ber SKinifter einen Gefcgentwurf über bie Untcrftiigung ber
lanb wirthfehaftlichen Slrbeiter bei Unfall unb Fnoalibität ber ^egis*
latioc oorzulegeit. Ter bezügliche Referentenentwurf ift bereits
fertiagefteüt. Gs fann nur gebilligt werben, baß biefe Kategorie
ber Slrbeiter nicht, wie bieS z- B. itt ^reußen gcfchehen ift, mit ben
Fnbuftricarbeitern unter einen §mt gefteüt wirb, ba ja ihre fpezieflen
Berhältniffe nur burch befonbere Berfiigungen richtig geregelt
werben fönnen. SchUeßlidh würbe ber Entwurf einer Berorbnung
betreffenb bie Bcrmittelung lanbwirtbfd)aftlicher Slrbeiten auSge*
arbeitet. Btinifter Tarantji hat biefen Gntwurf ben Fadheiten
behufs Begutad)tung iiberfenbet. Gr will bie Berorbnung noch im
laufenben Fahre burchführeit, burch welche bie bisher fo grünblich
unb mit fo giinftigem Grfolge oorgenomineuc Slrbeitsoermittelung
beünitio organifirt werben füll." — So ganz tabcllos fdjeint jebod)
baS Uontraftgefeg oom oorigen Fahre nid)t zu funftioniren, ba es
auch heuer nid)t au Tifferenzen zmifchett lanbwirthfchaftlichcu Sir*
beitem unb Slrbeitgcberu gefehlt hat. So haben fürzlid) auf ber
Befigung beS Reid)StagS*Slbgeorbnetcn Äolotnan Brazat) etwa
600 Schnitter bie Slrbeit eingeftellt. Wie bem „Mel. Grt." gcmelbet
wirb, haben bie Slrbeiter bie Äontraftc gebrochen, weil bie Mott*
oention nicht entfprad) unb weil fie in Folge ber fd)ledjten Grnte
einen größeren Schnitteranthcil forberten. Dberftuhlrichter Banniß
erfeßiett im Mreife ber Sdjnitter, um bie Differenzen auSzugleid)cn,
was aber bisher nid)t aclnngen ift. Tie GutSoerwaltung wenbete
ftch an bie Slrbeiterabthcilung beS SlcferbaumiuifterimnS um Sir*
better, biefeS wies jebod) bas Bedangen ab.
fiotttmimale Sojialpolitik.
Berforgmtg ftäbtifcher Slrbeiter in Stuttgart. 3n Stuttgart ift bie
Berforgungsfaffe für Slrbeiter am GaS* unb Waffcrwerf mS Üebeti
etreten. Tie Fuoalibcnrcuten werben oon 220 d(. bis 650 J(.
etragen, bie Sittersrenten werben git>if<hen 160 <1( unb 450 , K.
liegen. Tie bisher noch nicf)t penfionsberechtigten Gemeinbeuntcr*
beamten unb Bebienfteten, fowie bie ebenfalls bisher noch uidjt pen*
fionsberechtigten Fubuftrielehrerinuen unb Lehrerinnen an Allein»
finberfchulen unb ^inbergärten werben oon jeßt ab and) Bcnfion
beziehen unb wirb bereu iliaj'imum fogar bis 80 % beS Tienft*
einfommenS fteigen. Wittweu* unb Waifenoerforgung aller bicfcr
Kategorien oon Slngeftellten ift ebenfalls oorgefeheu.
1195
©ogtale $rajt$. Sentralblatt für ©ogialpoliiif. $r. 45.
1196
(StäbtifcRe ©efunbhettStnfpeftorinnfn in Birmingham. SDer Stabte
ratR oou Birmingham Rat, roie bereite mitgetReilt, meliere grauen
als j.Health Visitors^ angeftedt. SSie nun ber ftäbtifdjc ErgtDr. £)\d
berietet, ift biefer BerfucR bereite jept als überaus gelungen unb
erfolgreich gu begcicRiten. Xic ^ufpeftorinnen Raben ^a^Ireicfje
ErbettcrRäufer befudR unb fomitcn fdjoit in beu erftett Zagen ihrer
ZRätigfeit inaitd)erlei Uebelftänbe abfteden, roaS ntangelnbe SHcitt*
lid)!eit, fdjlccRtc Ventilation, Beniadfläffigung oon itinbern u. f. io.
in ben Wohnungen ber unbemittelten klaffen anbetrifft, EucR in
täranfReitSfädeii erroiefen fief) bie Health Visitors als fehl* mipIicR.
Sehr roertRood namentlich ift bie llnterftübuitg, bie fie bem
0auitätsbepartemeut bieten, inbem fie. baffelbe auf mancherlei
Uebelftänbe aufmerffam machen, fiir roeldje bie .§auSeigcntRümer
oerantroortlich fiiib unb gu bereit Ebfteduttg Re oon ber jtäbtifdjeu
BeRörbe oerhaltcn toerben. Dr. §iH ift ber EnficRt, baR bie XRätig*
feit ber Women Health Visitors bie RoRc BtortalitätSgiffcr in
Birmingham merflidj toerbe herabfepen föitnen.
ftommiutafer Ärldfina^tneii in fionbon. Der 3a^reS6erid>t
bcS Islington Labour Bureau pro 1898 aiebt an, baR im Berichts*
fahre 4091 ErbeitfucRcnbc (3690 männliche unb 401 roeiblidje) re*
giftrirt mürben unb Rieroon 2099 ^erfonen Arbeit unb groar RäuRg
bauerube nadjgemiefeit mürbe. 3)ie Beftrp felbft beefte ihren Bebarf
an ErbeitSfräften aus ben SRegiftern beS ErbeitSnacRroeifeS unb
befdjäftigte 1239 ErbeitfucRenbe. $>ie ftoften biefer fommunalen
ErbeitSoermittelung ftedten fich im Berichtsjahre auf 216 £.
Sojtol* Jttßattbe.
$a8 3to*f4««metperf#cia in ber Berliner ^ol^bearbeitnngSinbufhrie.
Bei jebem Unternehmen fommeti groei Erten oon SURfo in
Örage, bas SRififo beS BtiRlingenS ber ^robuftion unb baS SRiftfo
beS EbfapeS beS fertigen B r °^ u ^ eö - 3cber Unternehmer ift baRer
bemüht, biefe beibe Erten oon SURfo, an roelchen fein Unternehmen
f(Reitern fönnte, gu oermeiben. ZieS mirb ihm bann am beften
gelingen, menit er baS Siififo auf anbere Schultern abmälgt. Beim
Ebfape beS fertigen BrobufteS läRt fich öie$ RRmer machen, menn
ber Unternehmer feine oöflige Selbftftänbigfeit behalten miß. EnberS
oerhält es Reh beim BrobuftionSprogeffe. £>ier ift eS tnöglid)
burch GinfcRieben oon 3mifd)enperfonen bit (Gefahren beS s i)HR*
lingenS ber Brobuftion Enbere tragen gu laffen. Eis Beifpiel
hierfür begieße ich mich nur auf bie Berliner $onfeftion mit ihrem
3mifchenmeifterfpftem. Euch bei anberen Berliner Snbuftrien Rnbet
fich bicfeS Spftem thcils ood auSgebilbet, theils in ber Borberei*
iung. XieS ift befonberS ber gad in ber Berliner £>olgbearbeitungS*
inbuftrie, unb groar nicht nur bei ben Branchen, roelcRe außerhalb
ihres Betriebes auf Bauten arbeiten laffen, fonbern auch bei benen
— unb baS ift befonberS intereffant — melche nur in eigenem,
gefcRloffenen Betriebe probugiren. X>aS 3 ra if4enmeifterfpftem bei
beiben, mie es fich mir bei meiner fünfjährigen XRätigfeit als
©eridjtsfdjreiber beim Berliner Gleroerbegeridjt gegeigt hat, foll Riet
näher bargeftedt merben.
I.
Schon feit langen 3ah ren ift bei ben BautifcRlereien unb
ben guRbobenfabrifanten unb *.£>änblern Sitte, baS Ginfepen oon
genftern unb ZRiircn refp. bas Verlegen oon guRböben auf Bauten
an 3roifd)enmeifter gu oergeben. Xiefc refrutiren fich auSfcRlieRlicR
aus ZiRRlergefeden ober früheren Biciftern. Eb unb gu über*
nimmt and) ein Heiner felbftftänbiger ÜMfter bie EuSfüRrnng
biefer Erbeiten. SebeufaflS finb bie 3mifd)emneifter ftets gelernte
Erbeiter. X)iefe übernehmen bie genannten Erbeiten theils auf
Oirunb eines fd)riftlid)en, tReils auf Olrunb eines münblidjen Ber*
träges nad) 8tücfloRnfäpen, unb gmar fo, baR g. B für baS Gin*
fepen eines gcnfterS ober für bas Berlegen eines CuabratmeterS
guf 3 boben ein beftimmter Breis oerabrebet mirb. Gs fomtut and)
oor, baR ber ^ojifdjenmeifter fämtntliche auf einem Bau aus*
guführenben Ginfeper- refp. guRbobenarbeiten gegen eine Baufdial*
fuiuine übernimmt.
Xie Öage bes 3mifchenuicifterS iit feine fein* rofige. Gr haftet
bem Unternehmer für orbnungsmäRige EuSführuug ber Erbeiten
bis guin feftgefepten Xerinin. Brenn nad) biefer SRiditung bem
Unternehmer eine (Gefahr broht, mirb ber ^iuiidicnmeiftcr ootn
Bau gemiefen. Xas Enncljmeu, Vöhuen unb Beauffiditigeu ber
Erbeiter fällt ihm allein gur Vaft, bod) nuiR er cs fid) gefallen laffen,
baR ihm fein Erbcitgcber (behülfen gufeubet ober bie oon ihm En*
genommenen emläRt. V>iergn fotnmt noch, baR ber 3mifd)en=
meifter fämmtlichc ©efchäfte, mie EBholen beS ©elbeS, baS Ber*
hanbeln mit bem Unternehmer ic. allein gu beforgen hat- SRidjt
immer begieht er für biefe befonberen Pflichten eine befoitbere
Bergütung, ba er feine Erbeiter gemöhnlich gu benfelben Stücf*
lohnen, bie er felbft erhält, arbeiten IäRt. Behält er aber einen
Xheil beS Stücflohnes für Rdh, fo ift berfelbe fo aering, baR ihm nur
nothbürftig bamit bie 3 c itoerfäumniffe, bie er Durch bie genannten
befonberen gunftionen hat, oergütet merben. X>a ber 3mifchen*
meifter regelmäRig bei bem Giufepen begro. guRbobenlegen mit*
arbeitet, fo muR er gang befonberS leiftungsfähig fein, falls er
ben üblichen fiohn feiner ©ebülfen begiehen miH. X>aRer gehören
benn auch bie 3mifchenmeifter gu ben tüchtigften unb intelligenteften
Erbeitern biefer Spegialbranchen.
Xie behülfen merben gemöhnlich oon ihm felbft eingestellt,
hoch ntuR er Reh, mie oben ermähnt, gefallen laffen, baR ber Unter*
neunter ihm Erbeiter gumeift ober entläRt. 5>ie ©eRülfen Rnb
theils gelernte Erbeiter, XiRhlergefellen, theils ungelernte, ifepterc
merben gegen Stunbenlohit (etma 35 bis 40 4) befd)äftigt unb
haben nur ^anbreidjungen gu leiften. 9iicht auf allen Bauten
fommen biefe gur Eumenbitng. 2Bo bie Xifchlergefellen Reh irgenb*
mie ohne einen ungelernten Erbeiter behelfen fönnen, fehen Re oon
ber GmfteUung eines foldjeit xib. Xie gelernten Erbeiter erhalten
regelmäRig Stücflobn. X)a am Gnbe jeber ©oche bei biefen fich
längere 3 e it hingiehenben Erbeiten nicht abgerechnet merben fann,
fo erhalten bie Erbeiter ebenfo mie ber S^ifdienmeifter jebe ©ohe
ein fogenannteS £oftge!b, meines gmifcheu 24 unb 36 c 4t fd}roanft.
9ladh gertigftedung aller Erbeiten rechnet ber 3a>ifd)enmeifter mit
bem Unternehmer ab unb bann Grfterer mit feinen (behülfen. $on
bem ßohne biefer unb bes 3 l oifd)enmeifterS merben oorerft Die
etroaigen EuSlagen für Sftägel 2 c. unb ber Cohn beS ungelernten
ErbeiterS abgegogen. £)anit befommt jeber GJefeHe incl. ^roiRhen*
meifter ben für feine Seiftungen oereinbarten Sohn, roobei, roie
bemerft, für bie Bemühungen beS 3mifd)enmeifterS öfters etroaS
abfällt. Selbftoerftänblid) mirb in berfelben Bkife mit bem 6Je*
feilen abgerechnet, ber oor Beenbigung ber Erbeiten ausfrf/eibet.
s J?icht feiten fotnmt es oor, baR ber 3mifd)enmeifter aus bm auf
ihn entfallenbcn ßohn feine ©ehülfen begahlt, menn biefdben aus
ben 3 a hI uli gen beS Unternehmers nicht ooll befriebigt roerbeu
fönnen. Bfauchmal fommt es auch oor, baR ber 3miiä)nvme\)let
feinen (behülfen mit bem Sohn, ben er oom Unternehmer erhalten
hat, burchgeRt. 3^boch bürften berartiae Borfontmniffc nur Eus*
nahmen btlben. X)aS .?>anbroerfgeug pflegen bie gelernten Erbciter
RcR felbft gu beforgen.
28aS nun bie BerficRerung beS 3roifchenmeifterS unb feiner
Gtehülfen gegen ^ranfReit unb Snoalibität betrifft, — bcgüglich
ber UnfaHocrRcRerung bin icR nicRt orientirt — fo liegen bie Ber*
Rältniffe Ricr feRr im Ergen. öäuRg Hebt ber Unternehmer für
ben 3 ro if<h en meifter bie SnoalibitätSmarfen unb melbet ihn bei
ber ftranfenfaffe an. BielfacR unterbleibt bieS auch bei ihm.
X)ie ©eRülfen merben meiftenS rneber gegen ^ranfReit nodi gegni
Snoalibität oerRcRert. Xenn ber Unternehmer ReRt biefelben ge*
moRnlich nicRt als feine Erbeiter an, mäRreub ber 3 lll ifchenmeijter
fid) nur jür einen Borarbeitcr Rält unb fid) baRer gur Tragung
ber auf ben Erbeitgeber ‘fallenben BerRd)ernngSbciträge nid)t für
oerpflicRtet erachtet, gumal er auch fein GJemerbc angumelben als nicht
oerbunben erfcReint. 3>n oerfd)iebenen fädelt, in roelcRen roegen ber
Enmelbung jur Ätranfenfaffe ein BerfaRren eingeleitet mar, Rat —
foroeit id) mtd) infonniren fonnte — bie betreffenbe BeRörbc gu
©unften bes Unternehmers ben 3roifcRenmeifter als ben eigent*
licRen Erbeitgeber beRanbelt.
II.
I Stann eS 5Riemanben, ber bie geroerblicRen BerRältniffe im
I Berliner Baugeroerbe fennt, überrafcReu, baR ficR ebenfo mie bei
j ben B u fe er n unb 8teinträgern and) bei ben Ginfepcrit unb 0fuR*
j bobenlegern ein 3 rü if ( h enme iR er f9ftcm RerauSgebilbet hat, fo ift
| bie GrfcRciuung, baR in ben gefcRloffenen Betrieben ber Biöbel*
i tifcRlerei baffelbe 8pftem bei ber EuSfüRruug gemiffer Erbeiten
i Eumenbung Rubel, ein 9?oount. EicRt bei allen Erbeiten, btc in
I ber Biöbelprobuftion oorfommen, Rttbeit ficR 3mifcRenmeifter. Biel*
i meRr ift bieS ber 3ad bei ber EuSfüRrung ber polier*, ber Bilb*
j Rauer* unb ber XrecRslerarbeiten.
! Bei bem Bolireti*) bilbetc ficR guerft ein 3mifd)enmeifter*
fpfteut aus. ElS id) oor fünf 3aRren beim ©eroerbegend)t ein tr at,
I
i Xas "poliren oon Döbeln Rat fid) tm Saufe ber 3eit gu einem
| Ecbfiigemcrbc ber Wöbcltiidjlerei beraiisgebilbet. trüber unb aud) jept
nodi in fleinen Betrieben mit einem ober gmet Cstebülint geidiab rein.
1197
©ogiale ^rajig. dentralblatt für Sogialpolitif. 9ir. 45.
1198
feiert baffelbe eben erft Bei größeren Serfftätten ober oielmeßr Bei
gabrifen eingefüßrt roorben gu fein. ift eg foroeit gefommen,
baß in jeher Serfftätte, bie fooicl Söbel probugirt, baß ein ober
groei ^olirer regelmäßige Sefcßäftigung finben, ein fogenannter
^olirermeifter oUeiit fämmtlicßc $olirerarbeiten übernimmt, unb
gtoar felbftoerftänblicß gegen Slfforbloßn. ©egenroärtig roerben in
oerftßiebetten größeren Söbelfabrifeit aueß fogenannte S3ilb^aucr«=
meifter unb drecßglerntcifter in berfelben Seife befcßäftigt.
da ber $olirergroifcßcnmeifter bag Prototyp für alle 3nnfcßen*
meifter im gefcßloffenen Setriebe ber Söbelbrancße BUbet, fo foll ber*
felbe oorguggtocifc Serücfficßtigung finben. der ^olirermeifter über*
nhnmt in ben betrieben mit größerer Söbelprobuftion bie Slug*
füßrung fämmtlicßer ^olirerarbetten. Sßtn roirb ein befonberer SRaurn
gu biefem 3n>ecfe angetoiefen unb ißm aueß bie erforberließen £>obeI*
bänfe gur Verfügung geftellt. Seige, 0cßettacf, 0piritug nnb 0anb*
papier befommt er oorn Unterneßmer geliefert, toäßrenb bie Fußlappen
unb -ballen foroie 3^ß^inge jeher ^olirer felbft mitbringt. dem
^olirermeifter bleibt eg überlaffen, bie Arbeiten allein auggufüßren
ober für ft(ß ©eßülfen einguftetten. Sltterbingg Beßält fieß meift ber
Unterneßmer oor, ©eßülfen bem Seifter gu überroeifen ober bie
ißm nießt paffenben gu entlaffen, felbft, roenn fte oom Seifter
felbft eingeftellt ftnb. der ^olirermeifter arbeitet ftetg felbft mit.
dr ift geroößnlicß ein befonberg tiießtiger $olirer. Arbeitet er mit
©eßülfen, fo beßält er fteß bie befferen Slrbeiten felbft oor. dag
dinfommen beg ^olirmeifterg ift eing ber ßöcßften ber Arbeiter in
ber gangen Söbelinbnftrie. dg feßroanft groifeßen 30 unb 45 ,At.
pro Socße. dod) ift ber fßolirmeifter faft immer unter Slugfcßluß
jeglitßer SHinbigunggpflüßt eingeftellt.
die ^olirgeßülfen roerben tßeilg in Socßenloßn (18—27 J1),
tßeilg in Slfforbloßn oom Seifter befcßäftigt. daß bie deßülfen
3eitloßn erßalten, ift begßalb möglich, roeil bag Sßoliren fi(ß in
bag Slbpußen, Seigen unb Sluftragen ber Politur gerlegen läßt.
58ielfacf> roirb ben in Slfforbloßn befcßäftigten ©eßülfen eine biefer
dßeilarbeiten übertragen. den leßten 0cßliff girbt geroößnlicß ber
s #olirermeifter attein. der SSerbienft ber in Slfforb befcßäftigten
$olircr ift um 3 big 6 <At pro Sodße ßößer alg ber ber 3ritloßn*
arbeiter. die Soßnabrecßnung gefeßießt natürlicß in ber Slrt, baß
ber ^oürermeifter mit bem Unterneßmer, unb ber drftere roieber
mit feinen ©eßülfen am dnbe jeber Socße abreeßnet. Sludß ßier
fommt eg oor, baß ber 3roif<ßenmeifter feinen ©eßülfen mit bem
Soßn auf unb baoon geßt.
die 3^if(ßenmeifter in ber drecßglerei unb Silbßauerei be*
fcßäftigen ißre ©eßülfen nur gegen Slfforbloßn, roelcßer, roenn eg über*
ßaupt gefeßeßen follte, nur um Senigeg geringer ift alg bag, roag
ber 3rotf<ßenmeifter felbft erßält. diue SBefeßäftigung ber ®eßülfen
in 3eitloßn fommt faft gar nießt oor, ba befonberg bei ber Silb*
ßauerei eine oortßeilßafte Slrbeitgtßeilung nießt möglicß ift. die
drecßgler befommen fämmtlicßeg Serfgeug oom Unterneßmer ge*
liefert, toäßrenb bie Silbßauer außer ben Sänfen unb bem tßeueren
,<panbroerfgeug ißre 0cßneibeeifen, 0ted)beutel 2 c. geroößnlicß felbft
befeßaffen. 0onft liegen bie Serßältuiffe ebenfo roie bei ber
$olirerei.
Sillen biefen brei Stebengeroerben ber difcßlerei ßaftet bie*
felbe Unflarßeit begügl. ber Slrbeiteroerficßerung an, roie bei ben
dinfeß* unb Öußbobenarbeiten. der 3 TO ifeßenmeifter roirb ßier
regelmäßig auf ben tarnen beg Unterneßmerg gur $ranfenfaffe
angemelbet, ebenfo roirb für benfelben gefleht. Sei ben ©eßülfen
aefeßießt bieg ßäufig roeber oon bem Unterneßmer, noeß oon bem
3roifcßenmeifter. die Saften ber Unfattoerficßerung roerben natür¬
lich oom Unterneßmer getragen.
III.
Sft im Sorfteßenben im Sefentließen nur eine 0cßilberung ber
gorm beg 3^ifcßeumeifterfnflemg gegeben, fo follen jefet bie fteß
aug bemfelben ergebenben Sißftänbe unb Sorfcßläge gur SlbfteHung
gefeßiebt baffelbe burd) ben Sijcßler felbft. 8onfi beforgen bag ^olireit
eigeug bagu angeftetlte 2ente. ^iefelben braueßen nießt lifdjler gu fein,
ßg finben fieß oielnteßr bagu muß 5t?eute aug aitberen (^crocrben, in
benen fte nießt gut fortfomtnen tonnten. 9?ur bei ber ^ianoforte*
fabrifation ftnb bie ^olirer faft augfd)Itcßließ gelernte 2ifd)Ier. Um
bag ^olircn orbentließ au.gfüßren gu föunen, muß ber Üöctreffenbe eine
befonbere ©cf^meibigfcit im .'panbgelenf befißen unb natürlicß eine
größere Hebung. 2Sor etroa einem ^aßre taudjte einmal ein Scßrling
in biefem (geroerbe auf, unb groar roar berfelbe minberjäßrig (16 ^aßre
alt) uub fritßer 2aitfburfcße geroefen. dg fdjeint alg ob ftdi bie ^o*
lirerei alltnäßlid) gu einem befonberen ©eroerbe mit eigenen Setrieben
ßeraugbilben toollte, ba, roenigfteng in Serlin, aueß öfters ^olirer*
arbeiten (befonberg bei ^ianofortefaften) ßauginbuftriell mit ©eßiilfen
gemadjt roerben.
berfelben näßer erörtert roerben. Sorerft fei bie grage entfeßieben,
roer alg Arbeitgeber ber ©eßülfen angufeßen ift.
Son ber roirtßfcßaftlicßen 0eite betraeßtet, ift Unterneßmer unb
baßer aueß Arbeitgeber ber, roelcßer aug eigenen Sftoßftoffen Saaren
anfertigt, um biefelben gu oerfaufeu, in unferem gatte alfo ber,
roelcßer auf bem Sau bag Material gu ben dinfeßer* unb guß*
bobenlegerarbeiten liefert, refp. ber digentßümer ber Serfftatt*
Arbeiten. 3roifcßenmeifter unb ©eßülfen oerfaufen im ©runbe
enommen nur ißre Slrbeitgfraft, genauer ißre Slrbeitgleiftung, an
en Unterneßmer, ba fte in feinem 0tabium beg ^ßrobugireng
digentßümer beg fertigen Sßrobufteg ober beg 9?oßmaterialg ftnb
(augaenommen geringere Sluglagen). Quriftifcß oerßält fidß bagegen
bie 0acße etroag anberg.
0ft übernimmt ber 3roifd)enmeifter bie fragließen Arbeiten mit
ber augbrücflidßen Sebinaung, baß er attein ben ©eßülfen für bie
ßoßngaßlung gu ßaften ßat, roobei ißm natürlicß überlaffen bleibt,
ob er bie Arbeit attein augfüßren ober roelcßeit Coßn er feinen
©eßülfen gufommen taffen tritt. San roirb ißn baßer oom
0tanbpunfte eineg Surifien alg ben eigentlicßen Arbeitgeber anfeßen
müffen, obgleich er felbft feine eigene 0tettung gum Unterneßmer nur
alg bie eines Slrbeitneßmerg auffaßt. 0o flar finb aber bie Slb*
maeßungen beg S^ifcßenmeifterg mit bem Unterneßmer nießt, oiel*
meßr roerben bem drfteren nur bie gefammten Slfforbarbeiten attein
übertragen. ®aßer ift eg benn aud) oft äußerft feßroer, naeß bem
ftrenaen SRecßt ju entfeßeiben, roer ber Arbeitgeber ber Oeßülfen
beg Swiftßenmetfterg ift, unb ßierin liegt bie Urfacße adeS 0cßäb*
ließen, roelcßeg in biefem 0pftem Befonberg für ben ©eßülfen liegt.
3cß fann nießt fo roeü geßen, bag gange gefeßilberte 3roifeßen*
meifterfpftem gu oerbammen unb feine Unterbrücfung gu roünfcßen.
$>enn in einer roeit oorgefeßrittenen Solfgrotrtßfcßaft bilben fteß
bei ^erftettuitg oon Saaren immer Unterneßmer ßeraug, roelcße
nur Sßeile beg gangen Serfg probugiren. gcß erinnere nur bar-
an, baß auf niebriger Sirtßfcßaftgftufe eine^erfon bag 0pinnen,
Seben unb Späßen bcg£ieibeg beforgt, roäßuenb jeßt bei ung für biefe
Serricßtungcn eine gange Slitgaßl oon ben oerfeßiebenften Unter¬
nehmungen befteßt. 9iur bie 0cßäben, roelcße bei einer roeitgeßenben
Slrbeitgtßeilung fieß ßeraugftetten unb nießt oon felbft leießt oermiebeu
roerben fönnen, finb gu befeitigen. ®tefe 0cßäben befteßen ßier bariu,
baß für bie Soßngaßlung unb bie Tragung ber Saften beg Arbeit^
geberg g. S. ber ärbeiteroerneßerung bie 0cßultem beg 3roifcßen*
meifterg, oon ber finangietten 0eite betraeßtet, gu unfteßer finb.
Sebenfattg tritt bieg bann ßeroor, roenn bie genannten ^füißien
beg Slrbeitgeberg einmal oom 3n)ifcßenmeifter oemacßläfftgt roorben
finb, ba bie erforberlicßen ©elbgaßlungen bei feiner Sütellofigfeit
naeßträglid) niemalg eingutreiben finb.
Sein Sorfcßlag geßt nun baßin: AIS 3roif<ßenmeifter betraeßte
man denjenigen, roelcßer bie lebiglicße Slugfüßrung oon Arbeiten
außerhalb einer eigenen Serfftätte mit ißm nießt geßörenben
Saterial ober an ißm nießt geßörenben dtegenftänben oon einem
geroerblicßen Unterneßmer übernimmt, diefem Unterneßmer liegt
eg ob, bafür gu forgen, baß bie ©eßülfen beg 3rotfcßenmeifterg
entroeber auf ben tarnen biefeS ober beg Unterneßmerg felbft bei
ber guftänbigen H'ranfenfaffe angemelbet, unb baß für biefelben bie
erforberlicßen Sarfen gur Alters** unb Snoalibitätgoerfußerung ge*
Hebt roerben. Unterläßt folcßeg ber 3 ro if<ß e nnteifter, fo ift ber
Unterneßmer bafür oerßaftct. der Unterneßmer ßat bie Saften
ber Unfattoerficßerung attein gu tragen. 0elb}toerftänblicß gilt ber
3ioifcßenmeifter bem Unternehmer gegenüber lebiglicß alg Arbeit*
neßmer unb ift aueß bementfpreeßeno gu oerficßern.
Sag nun bie Soßngaßlung für bie deßülfen anbetrifft, fo
foll ber Unterneßmer nur foroeit ßaften, alg er benSoßn nießt be*
reits an ben 3 ro if(ß e nmeifter augbegaßlt ßat. gft Seßterer mit
bem Soßn bureßgegangen, fo ßaftet ber Unterneßmer nur für
culpa in eligendo fo groar, baß feine Haftung bann eintritt, roenn
er bie Arbeiten an einen 3roifcßenmeifter übertragen ßat, ber ißm
alg unfteßer betannt roar ober befannt fein mußte ober bann, roettn
bie ©eßülfett birefte Segaßlung oerlangt ßaben.
dieg ift bag ©eringfte, roag gur Sefferung ber Serßältniffe
beg S^iftß^nnteifterfpftemg in ben genannten (Beroerben geforbert
roerben muß. da oßne ©efeß*) btefe ^Eroberungen nid^t erfüllt
roerben fönnen, fo müßten eutfpredjenbe Seftimmungen in bie be-
güglicßen SReicßggefeße aufgenommen roerben.
dßarlottenburg. Dr. ®eorg 9£eußaug.
*) Sdioit nad) ben befteßenben ©efeßen bunte bet riefjtigcr AnS=
legimg bie durdjfüßrung biefer §orbenuigeu gefießert fein, unb cz
bebarf baßer feiner Slenberuug ber Weießgclmng.
Tie 9lebaftioti.
1199
So$iale Prajte. ©cntralblatt für Sojialpoltttf. Nr. 45.
1200
Die Sergarbefter in ©elgien Die „Annales des mines"
geben folgenbe 'Daten über bie belgifdjen $ohIenarbeitcr im
3af)tc 1897:
Die Arbcite^ahl betnig 120 382 ober 1136 mehr als in 1896
uub oertheilte fid) folgenbermaheit:
1
l
über 16 3nbrc
unter 2ag
81 678
über £ag
21 536
9)iämilidie
14-16 =
4 223
1 384
12;— 1 4 =
1 804
1 147
1
über 21 gabre
549
1 554
leibliche
16—21 =
87
3 774
l
14—16 *
—
2 646
88 341 32 041
120 382
Seit ber (Geltung bcS ArbeitcrfchuhgcfcfceS com Dezember 1889
bat bie 3 n hl ber unter ^ a 9 befdjäftigten grauen unb Wäbcfjen im
Mo bienberg bau um 3055 Arbeiterinnen ober 83 o / 0 abgenommen:
Aiäbdjeu unter 16 3abren toerbett überhaupt nid)t mehr unter Dag
beftf)ä|tigt. Die 3 a bl ber jngenblidien Arbeiter, bie in ben ©ruben
felbft arbeiten, h a * fid) etrna um ein Drittel oerringert. \
Die ©efammtfumme ber ßöhne belief fiel) 1897 auf
123 258 500 Srcs., roaS einem burd)fd)mttlid)en 3rtl)reSlol)u oou
1023 TrcS. pro Stopf glcid)fommt; 1896 belief fid) biefer ßohu-
burd)fd)uitt blofe auf 970 $rcS. Der burdjfdjuittlidje Ncttolohn
ftclltc fid) pro Dag auf 2 ,*2 5rcS. für Arbeiter ober Dag unb auf
3,72 Tyres. für Untertag*Arbeiter, roaS einer 4,4 pro^entigen Steige*
ruug gegenüber 1896 gleidjfommt. — Die tätlichen Unfälle be*
Offerten fid) mit 10,3 auf 10 000 Arbeiter ( 11,4 in 1895). — Die
©efammtprobuftion betrug 21 492 446 t ober 180 t pro Arbeiter;
ber ßofju betrug 5 , 70 Srcs. per Donnc unb ber jährliche Nein*
geroiun 164 QrcS. pro Arbeiter ober 91 Centimes pro Donne.
Arbeitgeber- unb üntenteljmrruerbänöe.
Der Arbeitgebcrfoinb für ba$ ©angctoerbe DctstfdjlanbS fiat
folgenbe 23efd)lüffc gefaxt: 3m Anf<f)lu§ an bie örtlidien Vau*
arbeitgebcrocreitiigungen fiitb in gan^ Dcutfdjlanb obligatorifdje
ArbeitSnadjrocife auf unparitätifdjer ©runblage ju erriditen. ©in«
heitlidje GntlaffiuigSfcbeine, bereu Wortlaut oom Vorftanb feftgefefct
ift, roerben im Aufd)luft an bie Arbeiisnadjroeife eiugefübrt. — An
ben VuubcSrath wie an bie Ntinifterien färnrntlidjcr VuubcSftaaten,
ferner an bie Ntitgliebcr ber fonferoatioen Traftion uub beS Sen*
trumS mirb ein proteft gegen Errichtung paritätifdier ArbeitSitad)*
roeifc gefanbt. — Die Arbeitgeberoerbänbe oon gaii 3 Deutfd)lanb finb
311 oeraulaffen, Ncfolutionen 311 ßhuifteu beS ©efejjeutrourfes 3 um
Sd)u(j beS geioerblidjen ArbeitSoerhältniffeS 3 U faffen uub biefe bem
NcidjStag, PuubeSratf) unb bem NeidjSatnt beS Innern 311 über*
feubeu. Diefe lepte Niittheilung ergiebt flar genug, rooljer bie
Vorliebe ber Arbeitgeber für uuparitätifdje ArbeitSuachroeife
itammt; fie fön neu fid) iiidit bnran gemöbneit, in bem Arbeiter
einen gleidiberednigteu probuftiousfattor 31 t fel)en; fie roüufdieu and)
in bem ArbeitsnarfjioeiS ein ^Machtmittel in ben .&änben 31 t Ijabeit,
etmaigeu „llugchorfam" burd) Viafjregelungen uub Strafen 311 alinbcn.
Arbeiterbewegung.
SRaffenauSfperrttng in Dänemark Die bireft auSgefperrton
Vcnifc finb:
orgaitifirtc SRitglicber
1. bie AJaurer.mit ca. 5 Oou
2. = Zimmerer. ■* = 4 <)<H>
3. = Difdjlcr.= = 4 000
4. * SägciucrfSarbciter ... = = 1 000
5. = ®2afdiinciiarbeiter . . . 6 000
6. = Stuctateurc .... . ioo
7. = Klempner.- * 1 000
s. = Oielbgicner ...... - - 300
9. = otiengieper.= - 1 300
10. , Scaler.£ = 2 300
11. = ungelernten Arbeiier . . . 27 «fii
Tür bie erfteit ^efin ber genannten Berufe fouimcu nod) etiua
1 n(H ) l)iu\u, bie uid)t orgamiirt finb; ungelernte Tubuftriearbciler
giebt es etrna 50000 , fo bafi liier nur bie Mälfte organifirt ift.
Os finb alfo in biefeu 11 Zeniten etioa 500110 orgauifirte uub
20 000 unorganifirte Arbeiter. N Hiit Ausnahme ber Oleioerfe Ar. 5
nub Ar. 11 finb alle Crgauifirteu ausgefperrt, unihreub in biefeit
beiben uoeli eine Anzahl arbeiten.
^nbireft oon ber AnSfperrung betroffen finb:
organifirte SWitglieber
1. bie Drechsler.mit ca. 300
2. = Vilbhaucr.= = 150
3. = Japegrer unb Dcforateure . . 850
4. ? Sd)iffS 3 immerer.* = 450
5. * Dfeitfe^er.=» = loo
H. = Dadjbedev.= = 50
3« biefeit berufen ift ber größere Dljeil ber Drganifirtei
arbeitslos gemorben.
©eitit mau einen Dnrcbfd)nittStaglol)n oon nur brei fronen
regnet unb bie ©efammt 3 al)l ber AuSgefperrten auf runb 40 000
annimmt, fo fotnmt bei einer Dauer ber AuSfperrung oon jefct
Sefnt 2Bo(^en ein ©efammtlobnoerluft oon 7 200 000 Mroiten heraus
(1 frone = l,j 0 Jfi ).
Unterftübung mürbe oon ben Crganifationeti bis jefet ca. brei
SJhflioneit fronen auSge 3 al)lt. Seit einiger 3eü ift mau mit ber
Ausheilung oon Naturalien oorgegaitgen. §uman benfenbe ßeute
aus bem $ürgertl)um b^^en Sammlungen oerauftaltet, um bie
ßraucn unb f itibcr 3 U fpeifen.
Die ©eneralfominiffton ber bcutfdjen ©emerffhaften quittirt
bis jept über 25 874 ,K. für bie Dänen, barunter aHeiu oon ber
(^eroerffdjaft ber 23ucbbrucfer 5000 t 4 (, oon ber berliner ©eiocrf*
fd)aftSfommiffion 2600 jft. als 8 ., 9. uttb 10. Note.
ßage ber Former tu ^franfretd) fdjreibt unfer ’i'arifer
Niitarbeiter: NHttc 3uli b^l ^ 11 ^i^ fx*aii 3 ÖfifdE)ett Stornier in lütont=
lu<;on ibreit 3 flb re ^fongreft ab, auf bem fic über bie allgemeine
ßage i^reS ©crocrfeS berieheu unb ein AftionSprogramm auf*
ftellten. ^aS 3 unäd)ft bie Daftif betrifft, fo cntfdjieb fid) ber
fongrefj für ben Öeneralftreif, ber baS befte Ntiitel barfteüe,
um ber Arbeitcrfd)aft 3 U il;rem $ielc 31 t oerhelfen. Die
Sforberungen, melc^c ben Unternehmern unmittelbar oot^ulegen finb,
untfaffen folgenbe fünfte: 1 . Abfchaffnng jeglidjer Art oon Voljiu
absiigeit für bie llnfalloerficherung; 2. s Diaj;iinalarbeitStag oon
10 Stunbeu mit boppelter ßöhnung für Ueberftituben; 3 . ikjeitu
guttg ber Stiicfarbeit, ber Prämien unb ber ©ruppenafforbr:
4 . roöd)entlid)e ßolinjahlitng au Stelle ber monatlichen; 5 . griiub*
lidjerer ©efunbheitsfdjih in ben ^erfftätten; 6. ‘m'ftfetmug eines
ßohnminimumS nach beu Iofaleu DnThältniffen. Leiter ya%\c 'Set
fongreft eine Nefolntion, in roelcher energifch bie Örganifation ber
allgemeinen Altersoerficherung oerlangt mirb.
Die Drabc llntonS auf ber $arifer SeltauSfteflnng. ^luf ber
Sßarifcr 'KeltauSftcflung roerben neben ben (Si^euguiffen ber Jabrifcn
bie amcrifauifd)cn Drabe IluionS 3ur Aufdjaitung bringen, tocldie
Tortfd)ritte ihnen ihre Crganifation ermöglidjt hat. (iin Aufruf
theilt mit, ba^ bie fommiffiou ber bereinigten Staaten für bie
ÄdtanSftcIIiiug in baris ben Drabe IluionS genügeuben 9 iaum
eingeräiimt hat uub forbert bie borftänbe ber lluious auf, für bie
Ansftellimg folgenbe Dinge ein3iireid)cn:
1. (Sin Flugblatt, bas über bas (Sniilchni uub bie Aortfdjnitc brr
Union Ausfuuft gtrbt. 2. Statiftif über ;3«bl, Sio unb 3)iitglicbcr>ahl
ber ocrirfnebencu Crtcmerbäube, mit gleiib^citigcr Angabe über bas jahr*
lidje 23ndjstf)um biefer bereine. 3. bei^eidmih ber crrciditen bcr=
beffcruugeu tu Arbeitsftunbeu uub Arbeitcbcbiugungen, fomeit bieie
berbefferungen ohne Streif erreidit mürben. 4’. ;jal)l ber iabrlidi
unternommenen Streifs, unter gleidi.^citiger Angabe, mie uiele gemonnen,
mic otele burd) gegenteilige* O'utgegenfommen beigelegt miirben imb
mie uiele ucrlorcu gingen, hlriinbc ber Streif* finb an^ugeben.
5. Aoti^en über bie jäbrlid) al* StiTifuutcriiütmug an bie beretn*mtf-
glieber gezahlten Summen. 6. Sesgleidien über bie für ©obltbätig*
feit* 3 medc oerausgabten (Selber. 7. (Sine ober mehrere Kopien ber
bcrciusfiatutcn. 8. o'in ober mehrere (Sremptare ber beridjtc über
bie jnhrlid)en Kongreffe. 9. (itn uollftäubige* (Sremplar ber bcrein**
jeitidjrif t-
Aiiherbem merbeit Photographien ber borftäubc ber Pereine,
fomie Pilbcr 3111' (Srflärung ber oerfdjiebciien .panbmerfe anSgeftellt
roerben.
(Sine ftnnifdje Arbeiterpartei ift iit ber oergaugeueu 23 odie in
Duru auf ber britten aügenieinni PolfSuerfammlung gegriinbet
toorben. Das Programm ber Partei ift folgetibeS: Die miuifdie
Arbeiterpartei ift auf jeglid)e P>eife beftrebt, für bie Arbeiter
bie Freiheit ber Koalition imb ber Selbftnenoaltnng 31t erlangen,
mas oor Allem oorauSfept, bah bie (Eigenart beS fiiiuifcheu Golfes
erhalten unb gefdjiipt mirb. ^miad)ft 311 erftrebeu fei TolgenbcS:
1. Allgemeines Stimm* uub 2 ßablred)t für jeben über 2\ oahrc
alten (Sunoot)iier, fotoobl mäunlidjeit als and) rociblid)cn ©efdiledjis:
2. bas Aed)t ber ©efepgebnug 1111b Pefteueniitg füll ben oom
Polfe gcioähltcn Vertretern 3itfichen: oöllige MoalitiouS*, Ver=
ein**, Aebc* unb prehfreiheit: I. aditftünbigcr Arbeitstag: 5. all*
1201
@ogiale $ra£tg. Eentralblatt für ©ogialpolttif. Sr. 45.
1202
gemeiner ^cfjuljroang; freier Schulunterricht in aücn Schulen;
6 . bie Stilitärlaft ift gu ermäßigen, bie FriebenSbeftrebungen finb gu
förbern unb gu uuterftüpcu; 7. oollitänbige ©leidjberecptigung ber
Frauen itnb SRäniter; 8 . ein gefeplicpeS Verbot beS SerfaufS unb
ber §erftellung ftarfer ©etränfe; 9. progreffioe Vermögens* unb
Einfommeitfteuer; 10 . ftaatliche Arbciteroerficperung; 11 . unentgelt*
liehe ©cricptsbarfeit unb unentgeltliche ärztliche §)ilfe; 12 . bie
tfebenSbebiugnngett ber fianblofen, ber ^äepter unb Heilten ßaitb*
roirtpc finb gu oerbeffern u. f. ro.
3Crhclterfd)u|.
Weber bie ©itiridjtuitg nttb bei Setrieb ber 9tafth** r ft’ta ne ™iett,
$aar- unb Sorftengnridjterfictt, fotoie ber Sürften* nnb $infel=
raadjereten haben ber Stinifter für .span bei unb ©enterbe, ber Kultus*
miuifter unb ber Siiuifter beS Ämtern git ben am 1. 3uli b. 3* in
straft getretenen Seftimmungen beS SunbcSratpS eine AuSfitprungS*
anroeifung für Sirupen erlaffen, danach erfolgt bie in ben Sun*
beSrathSbeftimmungen oorgcfchcne Befreiung ooit bent XeSinfeftionS*
groange nur auf Eintrag beS Unternehmers. Xer Antrag ift fdjrift**
lieh bei bem Öanbratpe angnbringeit, ber ihn mit einer Segut*
ad)tung bem SRegierungSpräfibcnten einreicht. Die Prüfung nnb
Entfcpeibung, ob ber SctriebSunternebmer bett SRacproeiS erbracht
hat, bah er baS Material in oorfcpriftSmähig besinfigirtem 3 Us
ftanbe begogen pabe ober bah baS Material nacproeislih bereite
im AuSlanbe eine Sepanblung erfahren habe, roelcpe als ber oor*
fehriftömähigen inlänbifchen Xesinfeftion gleichmerthig angufehen
ift, erfolgt, toenn erioiefen merben fofl, bah bie Xesinfeftion inner**
halb beS Xeutfcpen SReicpeS erfolgt ift, bnreh ben ßanbratp, menn
erroiefen merben foll, bah bie Xesinfeftion beS Staterials im
auherbeutfehen AuSlanbe erfolgt ift, burch ben SRegierungSpräfibenten.
Xer oor bem Öanbratpe gu füprenbe Stacpmeis gilt in ber Siegel
als erbracht, meint ber Untenefjmer bie amtliche, fcf>riftlid^e Se*
fcheinignng einer beutfehen Staats* ober Kommunalbebörbe ban'iber
beibringt, bah baS nach Öcrfunft, Stenge, Sefhaffcnpcit unb Ser*
patfung, burch Frachtbriefe ober eine anbere amtliche Sacproeifnng
ber Serfon beS ScrfänferS ober AbfeitberS unb beS Käufers ober
Empfängers fomie beS Datums beS Empfanges feftgeftetlte Staaten*
qnantutn an einem beftimmten Xage einer ben betreffenben Sor*
fepriften entfpretpenben Xesinfeftion untermorfen morben ift. 9Jtit
SRiicfficpt auf bie Serfdjiebcnartigfcit ber ©efepgebnng unb Ser*
roaltnngScinrichtungen ber anSlänbifcpen Staaten, aus beiten bie
hier in Setracht rontmenbeu SRopftoffe eingeführt merben, laffen
(ich einheitliche Sorfhriften barüber, toie ber 9tacprociS einer im
AuSlanbe auSgeftiprten, ber oorfepriftsmähigen, inlänbifchen, gleich*
roerthigeu Xesinfeftion gu führen fei, nicht aufftellen. Xie $Re*
gieruugSpräfibenten haben Paper in jebern Falle forgfältig 31 t
prüfen, welchen S?ertl) fic ben ooit bem Unternehmer ehoa beige*
brachten Sclegen beimeffert biirfen. 3n ber SRegel nnb falls nicht
jeher ^meifel an ber orbnungSmähig erfolgten Xesinfeftion oöllig
ausgefhloffeit erfcf)cint, ift bte beantragte Sefreiuttg oont XeSitt*
feftionS* 3 roange uon foit ©rgebniffen einer bnreh geeignete Sach*
ocrftänbige aitSguführenbett Kontrolunterfucpung beS Staterials
abhängig gu machen. Xie burch bk Unterfucpung entftepenben
Soften fallen bem Unternehmer gur £aft. XaS ber Kontrolmtter*
fnchung unterroorfene Staterial gilt fo lauge als milgbranboer*
bädjtig unb fomit als beSinfcftionSpflihtig, als nicht bie guftänbige
Sehörbe auf ©runb beS ErgcbniffeS ber Unterfudjutig bie Sc*
freiung 00 m XeSinfeftionSgroangc entfepicben hat.
3t?bettenier|t4)entitg. SparkafTtn.
Fnfcalibeit* nnb Altersrenten. 9Rit grober ©efeproinbigfeit
nimmt, mie ber neuefte 00 m 9 f teid)S*Serfid)crungSamt aufgefteHte
AuSroeis über bie am 1. 3uli b. 3- laufenben Fnoaliben* nnb Alters*
rentett geigt, ber Ucberfrf)uh ber erfteren über bie le^teren gu. 9tod)
im oorigen 3 af;re übermog bie 3 a hl ber Altersrenten bie ber 3 n*
oalibcureitten nnb jetjt flehen bie lepteren gu ben erften fhon mie
3 :2. Xie 3»aalibenoerficherung rcirb bei biefem Serfiherungs*
gmeige halb fo Jibermiegert, bah fic bie Altersoerficherung ooll*
ftänbig in ben ^djatten ftellt. 3n biefen Slätteru ift auf biefe
Eittmicfclung nnb bie Aothmenbigfeit einer £>crabfepuitg ber Alters*
grenge für Altersrenten mieberljolt aufmerffam gemäht. Xer
fiirgere 9?ame 3noalibenoerfiherung (ftatt 3noalibitätS* unb Alters*
oertidicrnng), ber feit Fahren in biefen Slätteru angemanbt
morben ift, ift für bas neue aui 1. Fanuar 1900 in ilraft tretenbe
^SnoalibenoerühcrungSgefep" ans ähnlichen Ermägiutgen gemäljlt.
Xie Snoatibenrenten fheineu halb auch bie Unfaürenteu an 3 a hl
gu überflügeln.
3ttDalibit3tS* unb WlterSHerficherungSanftalt fRh e < n brobtng f
3ahrcSbertcht für 1898, ©rnnbföhe für ©emühmng non Sau*
betrieben. Sah bem neueften ©efd)äftsberid)t ber Anftalt finb 00 m
1. 3anuar i891 bis 1 . 3uli 1899 Snoatibenrenten bemilligt
morben an 27 728 männliche unb 7527 meiblihe, gufammen an 35255
Serfonen. ^ieroon entfallen auf in ber £anb*.itnb Forftmirtpfhaft be*
fdjäftigte Arbeiter6647, auf Snbuftric unbSergbau 22533, auf.panbel
unb Serfehr 730, auf Xienftperfonal auher bem §aufe 1961, auf
Staats*, ©emcinbe*, Wirhenbiener n. f. m. 887, auf Xienftboten
im £>aufe ber ^errfhaft 2497 Renten. 3n ©egfall gefommen
finb burd) Xob 10 361, burh Eintritt ber ErroerbSfähigfcit 183,
ans anberen Urfahen 586 Stenten. — Son 22 894 im gleid)en
3eitraum an 17 504 Stänner unb 5390 Frauen bemiQigten Alters*
reuten entfallen auf bie Arbeiter in ber Sanb* unb Forftmirtfj*
fhaft 9792, in ber Snbuftrie unb im Sergbau 8548, im £anbel
unb Serfehr 516, Xienftperfonal auher bem $aufe 1627, Staats*,
©enteinbe*, itirhenbiener u. f. m. 1411, Xienftboten im £>aufe ber
^errfd)aft 1000. 3n Wegfall famen burh ^ab 9644, burch 3n*
oalibität 183 unb aus anberen Urfahen 136 9tenten. 3n ®eil*
behanblung ftanben 612 SDtänner mährenb 23 911 unb 284 Frauen
roälirenb 10 507 SerpflegungStagen, mofür ein Äoftenaufmanb oon
92 264 c 4i. erforberlih mar. Xie ^eilbehanblung mürbe im
Fahre 1898 für 187 Slänner unb 47 Flauen, melhe an Zungen*
tuberfnlofe erfranft maren, abgefhloffen. Xie 3al)^ ^er Ser*
pflegungStage betrug bei erfteren 9333, bei tepteren 2138, ber
koftenaufmanb 31 377, 75 begm. 5550,i 0 c^
Stad) ben „Allgemeinen ©runbfäpen für bie ©emährung oon
Xarleljen gunt 3«>e<fe ber Förberuitg gemcinnüpiger, auf bie §er*
ftettung geeigneter Arbeiter*Familienmohnungen unb Arbeiterhofpige
gerihteter Seftrebungen" fönnen Xarlehen bemilligt merben an ©e*
meiuben, Korporationen, öffentlihe Sparfaffeit, milbe Stiftungen mit
K‘orporationSred)ten, fomie getneittnüpige Sauoereine unb Sau*
qenoffenfhaften innerhalb beS Segirfs berSuoalibitätS* unbAlterSoer*
fiheruugSanftalt 9?h^nprooing (iRheinprooiitg, §)ohengol!ern, Sirfent
felb). Eingelnen Arbeitgebern fomie fonftigen Unternehmern, melhe bie
Sefhaffung oon SBohnungen auSfthliehlid) für Arbeiter eines eingigen
SetriebeS begmeefen, gemährt bie SerfiherungSanftalt Xarlehen nid)t.
Eingelnen Arbeitnehmern fonnen Xarlehen bann bemilligt merben,
menn eine ber oben genannten Sßerfonen als 6 olibarbürge mithaftet.
SorauSfepung für bie ©emährung oon Xarlehen ift bie ©e*
meinnüpigfeit beS Unternehmens unb Ftftfepung beS SJcqrimat*
geminnes ber Korporationen u. f. m. burh Statut auf 4 <V 0 . Sor*
gugSmeife merben Heinere Käufer für 1—2 Familien belieben.
Sei Seleihung oon gröberen SOUethshäufern muh i^be Sohnung
für fih abgefhloffen fein unb bie nötigen 9?ebenräume (Abort,
Antheil an Keller u. f. ro.) haben. 3ebe SSohnung hat in ber
Siegel aus minbeftenS brei Räumen gu beftehen. Xie Stiethpreife
finb für bie Käufer niept hah er angufepen, als unter Serürffihti*
gung beS gemeinnüpigen 3mecfS beS Unternehmens für eine an*
gemeffene Serginfung unb Amortifation beS Saufapitals, für bie
Unterhaltung berfelben unb für Steuern unb Sermaltuna erforber*
lih ift. Auh im Falle beS Serfaufs fihert fih bie Anftalt bie
Nahrung beS gemeinnüpigen 3mecfeS hinfihtlih Senupuna, Unter*
oermiethuug, Skiteroeräuherung, 3 u fäffigfeit bauliher Seränbe*
rungen u. f. ro. roenigftens für eine SReipe oon 3 a hren. Xie Xar*
lepen merben auf Amortifation gegeben. Xer 3i n§ f u & beträgt
3 o/p, bie AmortifationSquote 1V 2 u /o ^ie Serfiherungsanftalt
bepält fid) baS SRecpt oor, eine oerftärfte Amortifation gu oerlangeu
unb bas Xarlepen palbjährlih gu fiinbigen, menn nah bem Er*
meffen beS SorftanbeS ber Eparafter ber ©emeinnüpigfeit nid)t
auSreihenb geroaprt erfheint. XaS Xarlepen ift fofort einforber*
bar, menn baS beliepene Dbjeft an anbere als bem SReicpSgefepe
00 m 22. 3uni 1889 unterliegenbe Serfonen oerfauft mirb, menn
baffelbe niept in gutem 3 uftanbe erpalten, unroirtpfd)aftlid) ober
gmeefroibrig benupi ober niept gehörig gegen FeuerSgefapr oer*
fihert gepalten mirb, ober menn bie 3^* unb Amortifations*
quoten nid)t innerhalb groei Stonaten nad) Serfaü geleiftet merben.
(Sergl. auh 1 6 p. 17 unb 9ir. 22 @p. 603 b. Sl.)
3ltmettpflcgc.
OefFcutlidie Armewpflege tu Hamburg 1898. 6eit bem
1. April 1898 merben oont Hamburger Armenfollegium Frauen
gur Stitmirfung in ber öffentlichen Armenpflege perangegogen.
Sojiale $ra£t$. Eentralblatt für Sojtalpolitü. 9tr. 45.
1204
1208
Am Enbe beS gahreS 1898 roaren fdjon 317 grauen neben 1569
Armenpflegern in Hamburg tfjätig. TeS Weiteren fonftatirt ber
Vericf)t beS ArmenFoflegiumS, baß ber milbe fBinter 1897/98 bem
(irroerbeleben ber ärmeren klaffen burchaiis nid)t förberlich geroefen
ift. SBäßrenb ein firenger hinter burjh S^necabfuljr, EiSgeroinnung
u. f. ro. manche (Einnahmequelle für bie ärmere VeoölFerpttg er*
fdjließe, habe bie anhaltenb milbe Witterung im Wegentfjeil bem
WroS ber Arbeiter unb fpe^iell Sauarbeiter einen Theil ber ArbeitS*
gclegcnheit genommen. So feien trop ber anbaiternb günftigen
ioirthfchaftlichen Sage unb bcS überaus milben VöiitlerS 1897/98
bie Anfprüdje an bie Armenpflege im lebten gapre bod) roteber
geftiegen. V&ihrenb im gapre 1897 bie 3 a hl ber bauernb unter*
ftiipten Parteien ftch auf 9046 belief, rourben 1898 9290 Parteien
bauernb oon ber öffentlichen Armenpflege unterftüpt. Taburd)
haben fid) bie Ausgaben für Vaarunterftüpungen um 85 200 di.
erhöht. Sieben ber öffentlichen Armenpflege ift aber gerabe in
Hamburg bie prioate ©ohlihätigfeit oon einer befonberS großen
Vebeutung.
©enoflenfrfjaflsujefVn.
40. Affgetsteiittr ©enoffcnfchaftStag §» Verltn.
gn ber erften Auguftroodic tagte ber (40.) Wenoffeufdjaftstag
bes allgemeinen Verbanbes ber auf Selbftpülfe beruhenbeii beutfchen
EnoerbS* unb ©irtbfdjaftSgenoffenfdjafteii jum erften s Dial feit Ve*
ftebeti in Verliu. Sein Wrunbgiig roar bie banfbarc Erinnerung
an Dr. Sd)ul 3 e=Telipld), ber oor fünfzig fahren mit ber Erriet)=
tmtg ber s ^robuftioaffo ( yationen ber Tifdfler unb ber Schuhmacher
;,u Tdipid) (1849) unb beS bortigen Vorfdiußoereins (1850) bie
beutfd)e Weuoffeufchaftsberoegung begrünbet hat. Sein TenFmal
(auf bem gnfelplap 311 Verlin) rourbe am 4. Anguft enthüllt. Es
ift nad) bemoomMaifer griebrid) gur Ausführung oorgcfdjlage*
neu, preisgcfrönteit Entrourf auSgefiihrt. Tie Mail er in griebrtd)
hatte gur Enthüllung ein Schreiben gefanbt. Als (Säfte nahmen
an beu Verhanbhmgcn unb Vegriißungen bes WenoffenfdjaftStages
theil: Vertreter beS 9 feichSFan 3 lers, bes preußifeben ginanjmiriifters,
bes guftigminifters unb bes i'anbroirthfdjaftSmimfters, beS 9teid)S*
baufbireftoriumS, ber Stabtoeriraltufig, ber Aelteftcn ber Mauf*
manufdiaft, bes EeutralausfdniffeS fanfmäiinifcher, gerocrblidier
unb iubuftricüer Vereine, ber WeroerFoereiite, ber EentralfteÜe für
S.'ohlfahrtseinriditungcn, bes Wroßen Verliner £>anbroerferoereinS,
ber (Sefcllfd)aft für Verbreitung oon Volfsbilbung unb aitberer
(Seuoffeufdiaftsoerbänbc. Von ben beutfchen WenoffenfcpaftSuer*
bäuben roar ber (Cffenbacher) Verbanb ber laubroirthfd)aftlid)en
(Senoffeitfd)aften unb ber roürttembergifdK, oon ben auslänbifchcn
ber öfterreid)ifd)c, ber fdiroegcr, ber fran^öfifd)e unb enblid) ber
internationale (Senoffenfd)aftsbnnb oertreten; ber Anroalt ber italieiti*
[dien Volfsbaufen, SJiiuifter a.T. ^u.^atti, hatte fein gerubleiben ent*
fchulbigt: fein Verbanb hat aber, roie ber öftcrreidjifche, einen Vronje*
Ehrenfrentj für baS TenFmal geftiftet. Unter beu theilnehmenbeu
9oo Viitglieberu roaren u. A. bie Vcid)StagS*Abgcorbneteu gacobS*
föttcr (fouferoatio), nub VMirtn unb o. Elm (fojialbemofratifd)). Tie
Verhaublnngeu leitete als Vorfipenber ber Tireftor bcS ftatiftifchen
Amts ber Stabt Viiincpen unb oerbiente (Senoffeitfrf>nfter g.
Vroebft ein, unter Anberent aitSfiibrenb, bie ©enoffeufdjafter feien
ber Regierung baufbar für ben Scpup unb Sd)imt innerhalb beS
Vahmens ber Wefepc, ber bie felbftftänbigc roirtbfdmftlichc Ent*
faliung freilaffe. VkVbl als Autroort auf biefen Saß betonte ber
Vertreter beS preußifeben gufti^minifterS, Webeimer Cbci^gitftijratf)
ViorbanS, bie 9ted)tspflege fei .jperritt unb Wienerin bes fokalen
Gebens: Herrin, iubeut fic ber roirthfd)aftlid)en Entfaltung baS
Vett roeife, Turnerin, inbem fie nie oergeffe, baß biefe Entfaltung
ihre oberfte Vid)tfd)iiur fein inüffc. Tie Regierung roiiufd)e bie
Aeiibelebung bes (Senoffeufd)aftsroefenS fchr. — giir beu 9feid)S*
fauler fprailj Webeimrat Wruncrt. — Aad) bem Verübt beS Au*
umltes l)r. m. Eiliger ift int nerfloffeueu gal)re bie gal)l ber
Mrebitgeuoffeufdmften roieber bebeuteitb geioad)fett, befotibers bie
ber läublidieu. Tie geioerblidieu Vohftotf* unb Vier t'geuoff enf d)afreu
haben einen fleineu ;>nmad)S erfahren, and) bie gabt ber geroerb*
liehen ^robiittiogenoifeufdiafteu ift geioadifeu: bie geioerblidieu
Viaga^ingeuoifeufdiafteu fiub um brei ^uniifgegangeii. Tie gabt
her ianbroirthfd)aftlid)eu (Senoifenfdiafteu aller biefer Arten hat fid)
iinuehrt. Tie gal)l ber Moufuiuuereine. ift ^nnnfgegangen ; ba*
gegen bie ber Vaiigenoifenfdiaften um 52 geitiegen, ein erfreulidjeS
; lei dien für bie Anertennnng, bie bie Violiunugsptiege gegenroärtig
n n bet. Aadi ben ooiu Allgemeinen Verbaube geführten Eliten be* j
itanbeu am 81. Viät'A I s 99: 0» >50 Mrebitgenoffenidiaften, 82 ge* 1
roerblidie Aohitofigenoffeuidiaften, 1198 laubioirthfdiaftlidie Aob= I
ftoffgeuoffenfehaften, 34 geroerblic^e SBerfgenoffenfchaften, 482 latib*
roirthfd)aftliche üBerFgenoffenfdiaften, 67 gerocrblicbeSftagajingenoffen*
fd)aftcu,106 lanbroirthfihaftlidic SJtagajiugenoffeufchafteu, 193 geroerb*
liehe ^robuftiogenoifcnfdjaftcu/ 2017 lanbroirthiihaftliche VrobuFtio*
geuoffenfehaften, 271 (Scnoffeufd^aftcn oerfchiebcner Art, 1373 Mon*
lumoereine, 244 Vaugenoffenfchaften.
©enoffenfdjaftsoerbänbe beftehen in Teutfchlanb 29. Ter all*
gemeine Verbanb umfaßt 1571 ©enoffcnfdjaften, bie ftaatlich be^ro.
prooin^iell in Unteroerbänbe gegliebert finb (ogl. Sp. 1153).
Eigene ^robuFtion, meift Väcferet, haben 68 ber berichtenbeit Mon*
finnoercine.*) — giir VolfSbilbungS* nub gemeinnühige 3 l0Cf te
rourben oon ben bcrichtenben Mrebitgcnoffenfchafte.u feit 1886
756 000 Jf. oeranSgabt. — Siach ber Vtitgiiebcrftatiftif oon
492 VerbanbSFonfumocrcinen bilbeit bie abhängigen Arbeiter mit
61,r,°/o ben größten Theil ber Vtitglieber ber Monfumoereiite; bar*
auf folgen bie felbftäubigen ^anbroerfer mit ll,o% (41 692 gegen
37 528 im Vorjahr). — Ter VerbanbSanroalt Dr. Erüger
fchilbert eingeheitb bie Entroicfelung bes beutfchen (Senoffcnfdiafts*
roefens in ben 50 gahren feines VeftehenS unb bie Sdpoierigfeiten,
| bie feine Vegriinber gefunbeit haben, bis ben ©enoffenfdiafteit bie
i ^techtsfähigFeit burd) baS preu&ifd)e unb baS oor ( uiglid)c beuifdje
(Scnoffenfchaftsgefeh oon 1889 geroährt toorben fei. ßeiber hak
bamit bie (Scfchgcbung nicht aufgehört, fonbern bie Montremiiu’
habe bie Siooelle oon 1896 burchgefept. TaS Enbe ber geuoffen*
fdjaftlicheu Entroicfelung fei bei bem Steigen ihrer Aufgaben noch
nicht abjufeheit. — Tie Vcfchlüffe bes WenoffenfchaftStagcS betrafen
neben ben alljährlid) roicberfchrenben 9tcchnnngSfad)en unb 3Bahlen
bie Anpaffnng ber Verbanbsfapnugen an bie Vcftiminuitgen kr
Vürgerlidjcn WefepbucheS, bie Empfehlung an bie Mrebitgetioffen=
fepaften 3 ur Vilbung oon Ehecfoerbänben, oon Mommiffioncn $ur
Eiitfchäpung beS MrebiteS ber AufrtthtSrathSmitglieber nub giir
AufftcEuitg oon MrebitfähigFeitSliften, §u einer oefferen Montrolc
für bie Sparfaffcitbüd)er, bie Empfehlung ber Verpflid)tung ^ur
Abzahlung bei Prolongationen unb gur jeitroeifen ^Benachrichtigung
ber Vürgen über ben Umfang ihrer Verpflichtungen ?c. Ten
Moitfnmocretnen rourbe u. A. bie Drganifation beS gemeiufdjiift*
lid)en SaarenetttfaufS, bie Vornahme .jeitrocifcr VCmarenuntcr*
fudjungeu burd) VerbaitbSreoiforen unb tnöglid)ft Eitiheitlichfcit \\\
ber Atiorbtiung ber gebrueftert gahreSbertchte empfohlen, gur Au*
hahnung gleichmäßiger Taraberedpinngen follett Schritte bei beu
§aitbelsfammcrn nnb 3oübchörbcn gethan roerben. Tie Vau*
geiioffenfchaften Befprachcit in einer Sonberfipung eine Veihe fic
angehenber grageu.
TaS laitbkoirthfchaftliche @enoffenfchaftSro(fett tm €4ropergog*
thmn Reffen 1873 bis 1898. Aus Anlaß ber 25 jährigen gubel*
feier bes VerbanbeS ber l)effifd)en Ianbroirthfdjaftlidien Elenoffen*
fchaften 311 V?aiit 3 (29. September 1898) ift ben VerbanbS*Ee*
noffenfchafteit oom VerbanbSoorftanb eine geftfehrift geroibmet.*^)
Tauad) umfaßte ber Verbanb, ber 1873 mit 15 Vereinen unb
1070 VJitgliebern begrünbet rourbe, am 29. September 1898:
501 Vereine mit 46 000 VHtgliebern unb groar 2 Eeutralaiiftalten,
341 Spar* unb TarletmSFaffen, 113 Monfumoereine, 31 Ißolferei*
geiioffenfchaften, 14 fonftige Elenoffenfdjaften. Ter Wefammtanfauf
biefer Monfumoereine an lanbroirthfdjaftlidjen VebarfSartiFcln k.
fteüte fid) 1897 auf 2 ,i Millionen SRarf SBertl). Ter Wefanimtumfap
ber Spar* unb TarlehnSfaffen im gleichen galjre auf 79 ,0 3Ril*
lioneu VtarF bei 44 ,g VÜHionen VFarF Vetriebsfapitai unb
2 672 000 <Jt . eigenem Kapital. Tie Ianbroirthfd)aftlid)e Wenoffen*
ßhaftsbanF Steigerte ihren llmfap oon 14, 8 Millionen 3Rar! im
gahre 1884 auf 66,5 Millionen ViarF im gahre 1897 bei
3,4 VJiülionen s JOJarF Vetriebsfapitai unb 542 000 dt. eigenem
Mapital. Ter ©efammtumfap fänmitlidjer E)efd)äftSanftalteii bes
Verbanbes (ber VanF, ber Eentralgcnoffenfchaft ber Monfum
oereine unb fämmtlicher Wenoffenfdiaften) betrug 1897 166, 2 Pül*-
lioneit s DtarF bei einem eigenen Mapital oon 4 165 000 üHarf
1111 b 138 700 df Veferoeit. Tie ViolFcreien oerarbeiteten begro.
oerfauften in 1897 26,-, Viillioncn Milo Viild). ghr gmmobiliar*
9 Vgl. 5al)iluuh brs Allgemeinen Verbanbes ber auf Selbfihülrc
beruhenbeu bcutidjen ErroerliS* unb SBivtbichaftSgeuoffeuidjafteii für
lsbN (bes Jahresberichts neue Jolge), II. Jahrgang (40. Jolge bes
Jahrcsberidjtsi. .^evausgegebeu oon Dr. .5aus Erüger, Anroalt bes
Allgemeinen Verbanbes ber auf Selbfthülfc beruhenbeu beutfdien Er*
roerbs* unb 3Birtln*dinftsgeuofieufdjaftcn. (Verlag oon g. Elitttcmag,
Verliu ivro.)
) Tas lanbroirtliidrrtftlidje o^enoffeufdiaftsrocfen im Wroßl)er3og=
thmn Vi'üeu in ben Jabreu 1S73 bis lsns. Tarmftabt. goh- Eour.
perbertidie A>oTburt)brucfrrei (Jr. Herbert). 189b. BabcupreiS 6
i2or>
1206
©ogiale Vrajrtg. (Eentralblatt für ©ogialpolitif. 9tr. 4r».
unb Vtobiliarbefiß hat einen Werth non 1,4 Millionen. — Ver*
banbgreoifton, milchroirthfd)aftlicf)e Verfudjgftation unb Zentral*
oerfaufggcnoifenfdjaften erweitern bie Wirffamfett beg Verbanbeg.
Sem Dfifenbadier Verbanbc gehören 198 f;cffifd)e <Gcitoffenfd)aften
nicht an. Saoon regnen 64 gu feinem Verbaitbe, 47 gunt
Sonberoerbattb DBcr^cffen, 47 bem EReuroieber Verbanbe (SRaiff*
eifen), 39 bem Allgemeinen berliner Vcrbanb, 1 bem Verbanb beg
Vuitbcg ber &anbroirthe. Sic Anlagen geben in Wort unb
grapl)ifd)er SarfteUung nad) amerifamfebem Gftufter mic in einer
Marte genaue uergleid)enbe Augfunft über ben Stanb beg CGe*
noffenfd)aftgtuefeng in Reffen, feine unb feiner (Einridfjtungen (Ent*
roicfelmig, Erfolge, (Gefd)äftgthätigfeit unb bie Verhältniffe beg
Vereing, foroie Vetfpiele oon (Grünbungen, (Einrichtungen unb
(Entroicfelnng ber uerfdjiebenen (Genoffenfchaftgarten.
(Et|ietjmig utth fiiUmttg.
Angfcilbuttg oon VolfgfthitUehrerit für ben Unterricht an länb*
lidjen SprtBUbnngöf^uIett. 3n ber 3eit oom 2. Dftober big 4. $o*
nember b. 3- roirb an ber Sanbioirtbfd)aftgfd)iiIe in Siegniß ein
Murfng gur Ausübung non 35olfefd)iilIc£>rcrn zur (Erteilung beg
Unterrichte an länblidjen Öortbilbungeid)iiIen abgetjalten roerben,
ber beit eriten Xt)eil cincg aug jmei Murfen beftebenben neuen (Gc*
fammtlehrgangeg barftcüen wirb. S'ehrgegenitänbe beg beoor*
ftebenben Mnvfite finb: (Ehcniic, Vflanzenprobnftionglcbre, 3oologic
unb lanbn)irtl)f^aftlid)cö Uutcrrid)tgrocfen uebft Hebungen. Vom
Staate merben ben Sebrcrn, bie au biefen Murfen tbcilnebmen, an*
gemeffenc (Gelbzufchüffc gcroährt, wenn bie bezüglichen (Gemeinben
zur ßeiftung fold)er llnterftiifeungen nicht rooblbabenb genug finb.
Gtfeiftcrfurfe in Straßbnrg. Sie clfaß*iotl)ringifd)e Regierung
beabfiebtigt im nächsten hinter in Strasburg ^anbioerfgmeifter*
furfe zu nerauftalten, an benen felbftänbige .^aubmerfer aug ganz
(Elfaß*£otbringcn tbeilncbmen fönnen. 3n biefen Murfen füll ben
fmrtbroerfent (Gelegenheit gegeben merben, bie ted)nifef)cn Sort*
febritte, bie in ihren (Geroerben gemacht werben, fennen zu lernen.
Soziale {jgglene.
Scntfdjer Verein für Volfßfiljgiene. Unter 3führnng ber §erren
^räfibent Dr. Vöbifer, Dr. CGraf Souglag, Vtitglieb beg 3teid)gtagg
unb Sanbtagg, (Gcbeimrath (E. u. Sepbett unb (Gebeiinratb Gtubncr ift
in Berlin ein „Scutfd)cr herein fürVolfg*£>t)giene" gegriinbet roorben.
Ser herein, roclcber fid) über ganz Scutfä)lanb erftreden unb fo*
fort mit bem Anfang beg Winterhalbjahre^ feine eigentlidie Shätig«
feit beginnen foll, bezroeeft, bie (Srgebuiffe ber f)i)gieuifif)cn /vorfdjimg
unb Erfahrung allen Mreifen nufere-? beutfdjcit Voltes ^ugänglid^
Zu inad)cn unb aud) auf biefem (Gebiete ben praftifdjen (Gero um
ber Wiffenfcbaft in ben Sienft ber Allgemeinheit gu ftellcn. Siefeg
3iel foll erreicht roerben burd) öffentliche Vorträge, regelmäßige
Vcreuisiißuugcit, tueld)e fid) in allgemein oerftänbiieber Weife mit
hi)gienifd)cu fragen befchäftigen, öcraiiggabe populärer Oiigicnifdjcr
Schriften uttb burch pefuntäre llnterftüßung ber auf bie .pebung
ber Volfggefunbheit abziehlenbeit (Einrichtungen. Sie (Gefdf)äftgftcllc
ift g. 3- Berlin W., 93?aaßenftr. 23, II.
@norrbcgcrld)tc. (Einlgungsatntet. Sdjieösgeridjte.
®ttt nationaler Kongreß ber Ärbeiterbeifif er in ben fran^üftfdhen
^eroerbegeriebten rourbe oom 14. bi^ 16. 3uli in $ari§ abgehalten.
Sie Sage^orbnung umfaßte alle bie 23efcbroerbepunfte, roelcbe in
ben Slrbeiterfreifen gegen bie geltenbe (GcrocrbegeridjtSorbnung
^eltenb gemacht roerben, roie es fid) benn überhaupt barum
banbeite, bie oon ben Arbeitern geroünfehten Reformen genau zu
tormuliren, ba ba§ Parlament fich halb mit ber Srage beschäftigen
wirb. Ser Seputirienfammer liegen mehrere Einträge oor, bie je*
boch feine£roeg$ ba§ Sntereffe ber Arbeitnehmer gu roahren fuchen
unb gegenüber melden biefe ihre Sorberungen erheben. Ser Mon-
Qreß oerlangt Au&bebnung ber (Geroerbegerid)t3fompetenz auf bie
gefammte ßobnarbeit, felbft auf bie liberalen Berufe, foroeü fte in
betracht fommen fönnen. Sie (Gerichte foüen ebenfo über alle auS
bem Arbeitserträge entfpringenben Streitig feiten urtheilen fönnen,
namentlich über Schabenerfaß, §pgiene ber Werfftätten, ßebrling«'
fragen. Wag bie Drganifation ber ©eroerbegeridde betrifft, fo
möchte ber Mongreß bie Wal)lperiobe für bie iöeifißer oon fed)g
auf oier Qahre h^abfeßen. @r oerlangt ferner Wählbarfeit ber
grauen gu 33eifißern, (Erroerb beg aftioen Wahlrechteg mit bem
21. gabre, beg paffioen mit bem 25. Saßre; fobann Sefeitigung
beg @ibeg unb Deffentlid)feit ber Sißuttgen.
Manfmämtifche Sdjiebggeridjte g n b oon ber .^anbelgfammer in
föalberftabt, ©chöncbecf unb ©tenbal errichtet roorben. Sic Mamrncr
roählt nach ber „S. .f)anbelgroad)t" für jebc£ (ücind)t einen 'l?orfibenben
auf bie Sauer oon brei fahren, ber fcinericitg für jeben Streitfall oier
58eifißer beruft, fallg bie Parteien nicht oorgiehen, groei oon biefen felbft
gu ernennen. ^Bet ©treitigfeiten groifdjen ^ringipalen unb Angefteüten
j fteflen beibe Stänbc je eine .frälfte ber 'öeifißer. Sa? Verfahren roirb
1 eingeleitct, falls eine giitlirijc lEinigung nidjt gelingt unb falls beibe
Parteien fid) gur llnterroerfnng unter bie (^ntfdjeibnng beg (Berichte
| bereit erflären.
Sie (GintgunggPerhattblungen gtotfehen ben Arbeitern unb
| Arbeitgebern im 3i*uui^wg^uierbe in Berlin. Sie Unternehmer
im 3unmcrergeroerbc, bie bic 2?crhanbliutgen mit beit Arbeitern oor
bem (Eiitigunggamt abgelcbttt hatten, ocrhanbelten burch ihre Gteuner*
fommiffion mit ber Siennerfommiffion ber 3iuintever am 4. Auguft.
lieber bie Anfbcfferung beg Stunbenlohng fallt eine (Einigung nicht
gu Staube, roetl bic ÜnterneI)meroertretcr aii bie entgegenftehenbeu
Sefchlüffc beg Arbeitgeberbunbeg gebiutben roaren. (Eg rourbe aber
in Augftd)t gcftcllt, baß eine (Gencraloerfammlmtg beg Arbeitgeber^
buttbeg barfiber in weitere Unterl)anblungen treten roiirbe. Ser
^Berliner „^Borroärtg" berid)tet herüber:
„Um nun bie Skrbanblungcn nicht gänglid) fcheitern gu Iaffen,
erflärten fid) bic Arbcitcruerircter bamit einoerftanben, baß ben Zimmerern
hinftdjtlich beg Sohneg baffelbe beroifligt roirb, roag ben Stfaurern gu*
geftauben roorben ift. ($cßt 60 S*f\ f oom 1. Januar n. 3- aö 62 Vg 'Tf
unb oom 1. £ftober u. 3- an 65 ?f.) (Eine längere Scbattc ocranlaßte
and) ber in ben Abmachungen mit ben Söfaurern enthaltene $nffu*,
roonad) eg ben Unternehmern geftattet ift, mit Arbeitern, bie in tfolgc
oon Unfall, Alter ober 3aoalibität miuber leiftuuggfäliig finb, befonbere
Söhne gu oereinbaren Sic Vertreter ber gimnicrer beantragten, bem
genannten ^affug bic ^efttmmung angufügen, baß in fällen, roo über
eine mit bem Alter beg betreffenben Arbciterg begrünbetc geringere
Sohngablung 9)?einunggüerfd)icbeuhciten entfteheu, bic Ad)tgehner*
fommiffion entfcheibeit foll. Sic Vertreter ber Unternehmer roiber^
fprad)en gioar ber Aufnahme einer ioldjeit Aefttmmung in bie
(Etnigunggbebingungcn, erflärten fid) jebod) bereit, Streitfälle ber bc=
geichnetcn Art ber Mommiffion gur (Entfd)etbung gu unterbreiten. Sie
übrigen fünfte ber mit ben Hftaurern getroffenen Vereinbarungen
rouvben ohne roefentliche Sebatte angenommen."
Stefer Vorgang geigt roteber, roie febr eine fräftige Arbeiter#
organifation geeignet ift, eine friebliche Höfling uort Sifferengen
herbeignführen unb oon rocld) bcbcutfamem (Einfluß für ben focialeu
Sri eben ber Vergleich oor bem (Gcroerbegerid)t groifdjen ben Unter*
nebmern unb Arbeitern im V^aurergeroerbe geroefen ift.
Qojfalpolltifdje iRagnafctnen im Uerhetyrsmefeii.
Arbritergüge in $arig. Ser Seputirte GK. fialoge (Seine)
hat an ben GJhnifter für öffentliche Arbeiten ein Schreiben gerichtet,
in bem er ihm mittljeilt, er roerbe ihn bei (Eröffnung ber Seffion
neuerlich über bie (Einrichtung ber Arbcitergüge interpelliren. (Gleich*
geitig macht er ben Vünifter barauf aufmerffam, baß mehrere
(Eifenbahnen |)anbelgangeftellte, benen eg gelungen ift, ben Arbeitern
auf ben Vahnen gleichgeftellt gu roerben, oon ber Vegiinftigung
ber Venußung oon Arbeitergiigen augfchließen roollen; ber Sepu*
tirte oerlangt bie formelle (Gleidhflellung ber ^anblungggehülfen
unb fleinen Veamten mit ben Arbeitern auf ben (Eifenbahnen.
Sie (Sifenbahnarbciter in ben Vereinigten Staaten. Sie
Interstate Commerce Commission hat fürglia) if)ren Verid)t über
bie amerifanifchett Vahnen im leßten gtgfaljahre erftattet. Sem*
gufolge roaren 1898 874 558 Sßerfonen beim Vahttbetriebe in ben
Vereinigten Staaten befchäftigt, bag finb 51000 mel)r alg im
Vorjahre. Sie ©efammtfumme ber Söhne unb (Gehälter im Vc*
richtgjahre belief fich auf 495 055 618 Sollarg ober 29 1 / 2 s Diil=
hotten Sollarg mehr alg im Vorjahre. Sie fiöhnc unb (Gehälter
machen 60 l /2 ü /o ber gefammten Vetricbgfoften unb ttahegu 40%
ber 9tetto*(Einnaf)men ber Vahnen aitg.
jBetantroonlid) für bie Jtebaftton t 8.: Dr. Ciemen« €>ec&, Serltn.
I2<>7 Soziale ^rajris. gentralblatt für ©o^ialpolittf. 9?r. 45. 1208
©ie ,,*?o?lale $lrart»“ erfdjeint an jebem ©onnerßtaq unb ift burdj alle ©ucpbanblungen unb ^Oiiämter ('iPoftjeiiiinflSnuinmet 7072) ju bejiefjen. ©er ^StctS
für ba« Sierteljabr ift ÜJf. 2,5'). $cbe Kummer Foftct 30 $?. ©er Anzeigenpreis ift 60 $f. für bie breigefpaltene RSetitzeile.
Verlag oon 3) int cf er & £>utnblot in Seidig:
! ®9ftcm ber $<mbel$t>erträge unb ber 2Jteift*
i bcgütiftigutig. SSon 3W. u. ©djraut. 1884. 2.40 TO.
$>i( @«fdj< bev £anbcl#politif. ©on £ fj e o b o r
.'perfcla. 1880. 3 3W.
®ie 3been bev beutfdjen $anbet§botitit t>ott 1860
bi# 1891. ©im SBaltljer £ofc. 1892. 4.60 20?.
@efd tiäfte bev prenfcifd)=beutf d)cn (Stfen^öHe ttott
1818 bi# j«v (öcgcnivnrt. ©on SWar ©ering.
1882. 8 SW.
®ie bev Sbftcvrcidjifd) * Ungavifdjcn
WJoitrtrdjie unb be# Seiitf^cn ÜHcidjc# feit
1868 unb beven näd)ftc 3»tunft. ©on 81. oon
SDiatlcfouitö. 1891. 21 3 71.
$ie £>anbel#politif Öftcrrcid)=Ungarn# 1875 bi#
| 1899 in iljrcm SlcvtyäUni# juut $>vutfd)ett
9icid)c unb ju beut Jucftlidjcn @nro|M. ©on
: Sof). oon ©ajant. 1894. 4 SW.
^ie &anbrf#politif 91ovbamerifa#, Italiens, Cftev=
veid)#, Belgien#, bev 9iicbcvlanbe, &äncmavf#,
©d)tvcbeit# unb 9?ovn>egcit#, 9tuft(anb# unb bev
in ben lebten ^vje^nien, fotoie bie
bentfdje 4panbel#ftatifrif Uon 1880 bi# 1890.
©ericfjte unb ©uladjten, ueröffentlidit uora ©erein für
©ocialpolitif. 1892. 13 SW.
Sie £>anbel#poIiti( (Snglaitb# unb feinev Kolonien
in ben teijtcn ^a^vjebttten. ©on Garl 3of)anneS
gudf)§. 1893. 7.20 SW.
Sie ftüiifoigutig bc# eug(ifd)en $anbel#t>evtvage#
unb ipre ©efaljr für ®eutfdf)lanb§ 3ufunft. ©on
Äarl Watljgcn. 1897. 40 ©f.
©ertrage juv Okfdjicbte bev franjöfifdjen .$attbe(#=
polrtif oon Solbert bis gur ©egenroart. ©on
klejanber non ©raubt. 1896. 4.80 SW.
Sie $anbel#b*rfttft bev ©altanftaaten (Rumänien,
Serbien unb ©ulgaricn), S|mnienS nnb ^r«»b
veid)# in ben lebten ^a^vjebnten. ©eridjtc unb
©utadjten, oeröffentlidjt nont ©crcin für ©ociaI=
politif. 1892. 4.60 2W.
Sev intevnationnte 2öirtfd)oft#l>crtcl)r unb feine
©ilattj. ©on 3ofepI) ©run^el. 1895. 4.80 SW.
Verlage ooit Pnttkninmer & Mühlbrccht, Berlin, ift focbeiL
erfdüenm unb burd) alle $ud)banblungcn 511 bestellen:
Statistik dep Krankenversicherung
im Jahre 1897
■ .. ■■■ .. ■■ % a b e 11 e n 10 e r E —-
Gearbeitet tm Ifaifcrltdictt 3 tatifHfrficn ütnit
(3tatiftif beö ©eutfdjcn Sieidje*, N. F. 2?aub 121)
f) 3 rci^ 5 9 W.
3ie ^ugebörignt »Cdäutciuugcu" locrbeti uuOercdjuct uadigclicfert.
©liefe aintlidje 3tatiftif bietet eine uollfiänbigc Uelierfidjt über bie t5rgebiiiffe ber auf
0 )niiiMagc ^e‘5 ('leiebes uont 15. 'siuii 1^83 orgaoifirtnt .Uranfciiocrfidjcntng ber Arbeiter für
^abr l^OT nad) Mafiniarten, nadi Staaten unb .iröfu'iTti iienimltimgi’be.grfen. ouöbeimibere
fiub barin »Hngabeu liier bie ;',alil ber Mranfenfaffen unb ihrer äVitglieber, über iSTfrnufiingö»
falle, .Slranfljcitötagc imb 3terbcfälic, über (iimiahmeii, ?ht^gabcn, ?lftina unb ^affiua ber Kaffen,
ioiuie über bie ©aucr ber Kranfenuntcrftiibung unb bas ^rü^culüerbältuijj ber Beiträge unb
he© Kraufengclbeö 311111 ^ol)iie 31t finben.
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel in Berlin W.
Das Streitverfahren
in den
ReiehsvepsieheFungsgesetzen.
Systematisch dargestellt
von
H. Seelmann.
- Preis J,20 Mark. -
Verlag von
Duncker & Humblot in Leipzig:
Engelmann, J., Die Leibeigenschaft
in Russ-
Luxemburg, Rosa, Die industrielle Ent-
land. Eine rechtshistorische
Studie.
wicklung Polens. 1898. 2.20 M.
1884.
3 M.
Sperber, Otto von. Die socialpolitischen
Thun, Alplions, Landwirtschaft
und Ge-
Jdeen Alexander Herzens. 1894. 3 M.
werbe in Mittelrussland seit Aufhebung'
ThUU, AlpbOUS, Geschichte der revolutio-
der Leibeigenschaft. 1880.
6 M. ;
| nären Bewegungen Russlands. 1883.
Rosenberg, 6. J-, Zur Arbeiterschutzgesetz-
j 7 M.
gebung in Russland. 1895.
3 M. |
Oldenberg, Karl, Der russische Nihilismus
Mayer, Heinrich, Münzwesen u. Kdelmetall-
von seinen Anßingen bis zur Gegenwart.
1 Produktion Russlands. 1893.
2.60 M. .
1888. 3.60 M.
Vin. faljrgana.
fflerlin, ben 17. ?(ugufi 1899.
Itummer 46.
Soziale praps.
^entrafbfaff fttr
mit bet Bfonatöbettage:
Vas ( 5 ewerbe 0 enci|t*
(Drgatt bes Derbartbes beutfdjer <33ett>erbegertdjte.
Beue golfi* bet „Blätter für fojtalc ^rajriS" unb be$ „Soatalpolttifchen (SentralblattS*.
an jebem X«nnerfia«. |>ecau8geber I frei« btertetjlfrli* ML 50 ff.
Bebaftton: Berlin W., Babreutherftraj 3 e 29. Dl*. Ctttß Berlag »on Wunder & £umblot, Seipalg.
3tti|iilt
Begatibe unb pofitibe ©cw«tf»
öeteinßpoUtif. II. Bon ^tofeffot
Dr.fiuio©tentano,äRütu$en 1209
Bleivergiftungen in bet
Töpferei. Bon ^elcne ©inion,
Berlin.1213
ftommoMlt ©a#*Ip#ttt£f .... 1218
Äranfenfaffe für ble Beamten bet
©tabt Scip|ig.
©arife für ©trafcenbaljnen in 2J?agbe»
bürg unb 3Rün$en.
Branbenburgifdjer StSbtetag.
Cijiik Ä»fümfe.1219
©ie Arbeiter in bet franaB*
fifd&en Bünbbolafabrüation.
Bon $. ©d&ottboefer, fariß.
©et beutfdje &rbeitßmarft.
fiobnöetbaltniffe beß £aufigefinbeß in
engüfdjen ©täbten.
Äoblcnarbeiterlöbne in SHinoiß.
Fair Wagea in BeW*$orf.
ttr*etterbctoc«Kiia.1221
3ur Bewegung in bet ©laß»
furawaaren»3nbuftrie Botb»
böbmen«. BonBobert^reufjler,
SBten.
ttrtettcvf*«* .1223
Hitgültigfeit non Boliaeiöerorbnungen
übet tfinberbefääftigung.
2Jtafenüf)nten gegen bie gewerbliche
Äinberarbett in Uelaen.
ttvfceiterfcerfttfjetnita. ©parftffeu 1224
Äranfenoetficbetungßftatifti!.
(EtatifHf bet entfdjäbigungßpflic&tigen
Unfälle föt baß 3>abr 1897.
©t^obung bet UnfaDgefaljr burch
unftönbige arbeitet.
©aß Beicbß*Betftcherungßanit QU f bet
fatifet SBeltaußfteHung.
flietßbetfotgung bet ißrinatbeamten
in Defietteicb.
.1226
Aufhebung bet Weferüiften • Ärbeitß»
nai weife au ©unften tanbwirtb«
fdjaftlicher Bachwetfe in Jpannobet.
•cii 0 ffe»f 4 «ft«»cfe».1226
Sanbwirthfchoftlicbe ©enoffenfchaften
unb lanbwittbfcbaftlicb benu^te
Bobenfläche in ben beutfc^en Bmtbeß»
floaten.
Beteiligung bet ©enoffenf(baften an
bet Barifer SSeltaußfteHung.
»otwmgttoefai.1227
21. Berbanbßtag beß (Sentraloerbanbeß
bet ftübtifchen £auß» unb ©ronb*
beftfcer*Bereine.
Söobnungßfürfotge bet Beichßpofi»
Berwaltung.
Öeerftebenbe 28ohnungen in Berlin,
ftbeiletwobnbaufet füt lanbwirth»
fcbaftlid)e arbeitet in £>ftpreufeen.
©ctoatbegerichte. ©InigntigßämteK.
©fttebSgertdite.1229
©inigungßämtet in Belgien 1898.
©aß Board of Trade alß C*inigungß»
amt.
9ilrt«ifp( ©«§**«<».1230
ttbbrud fammtlicber Ätttfel üt ßeitungen nnb geitf^riften geftattet, jebod) nut
mit üoUet Quellenangabe.
ttegatitie unb pofititue (Bewerktiereinppolttik.
II. Tie Stellung her Arbeit im $robuftionSprü 3 cfj.
Alfo bie untergeorbucte Stellung bei* Arbeit im s $robuftions«
prozefj fchon fofl es auSfchliefeen, bah man bas Moalitionsrecht bei
Arbeiter aus Schein unb Siige, maS es jefct ift, jur 2öal)i*heit
TDcrben laffe! Ta# ift nach bei* llebertreibung bei* fo^iat*
bemofratifcheit Sehre eine llebertreibung in bei* entgcgencjefetjten
Dichtung.
Tic ältere Bationalöfouomie bat uon brei s ^robuftion^fa!toren
gefprocben, Äatur, Kapital unb Arbeit; ans ib[rem 3 u f ainmens
luirfeu lien fie ba# ^robuft bi'^orgebeu. SDabei badete man fiel)
bie s JDhtn)irfuug bei* ^atur al^ bie einer freien ^abe, bie gebeut
überall gleidjmäfjig 3111 * Verfügung ftebe: bie iWitmirfung be‘5
Slapitate betrachtete man ai# bie »ergangener Arbeit; fomit blieb
ai# §auptprobuftionafaftor bie Arbeit. Slbam Smitb bereits
batte aber geschrieben: „Ta# $robuft ber Arbeit bilbet ben
natürlichen Entgelt ober i^ohn ber Arbeit." SSor ban Uebergang
bc# £anbe$ in ba^ Sonbereigenthum nnb »or ber Anhäufung he#
Kapitals habe ber Arbeiter oiefen Ertrag auch »oll unb ganj er«
halten, nnb wenn biefer 3 uftanb angebauert hätte, mürbe betn
Arbeiter auch aller $ortbeil ber fteigenben $robufti»ität jugefloffen
fein. Sluch mürben alle ^robufte entfprechenb ben 5 ortfd)ritten in
ber $robu!ti»ität billiger geroorbeu fein. Slttcin feit ber Aneignung
bee 33oben£ »erlange ber 23obeneigenthümer einen £h e ü beg @r*
trag^ be # Arbeiters für Ueberlaffnng be # lobend, ©inen gmeiten
Slbsng madjc ber Mapitaüft, ber ben Arbeiter nicht bcfchäftigcn
mürbe, menn ihm fein Kapital nicht mit einem ©eminn mieber er«
fe^t mürbe: aud) fei ber Arbeiter, ohne Ilntcrhaltömittel, baraitf
angeroiefen, bah ipnt ein Hnberer mährenb ber 3lrbeit ba@ jum
Sebeu 9iöthige oorfcf)ie&e. So merbe ber Arbeiter genötigt, ftatt
ben »ollen Arbeitsertrag ju erhalten, mit einer ßohnabfinbung ft<h
jufrieben 311 geben.
Xann fam 9ticarbo. (h: prä^ifirte bie Itebre, monath ber
iBerth eines (#uteS lebiglid) burch bie s IRenge ber 3 » feiner
^erftellung nöthigen Arbeit beftimmt merbe, unb fam fonfequent
3 u bem Sa^e, baft ber Anteil »on ©eminn unb £of)n an biefem
SSerthe in umgekehrtem SSerhältniffc ftehc, bah ber ©eroinn nicht
fteigen fönue anher oermöge eines Sinkens bes Sohns unb nicht
finfen anher oermöge eines Steigens bcS Sohns. Ten Sohn lieh
er abhängen »on bem 9)tah beffen, mas eine Arbeiterbeoölferung
jemeilig als 311 m Sebeu nöthig erachte. (Sr mar aber nicht choa
für niebrige Söhne, noch auf k) erfcfjienen niebrige Söhne nach feiner
Sehre als eine Borbebingung einer blühenben 3ubuftrie unb
fteigenben Ausfuhr. 3tn Öegentheil: h°h e Söhne führten nach
ihm eben roegeu ihrer geroinnminberuben 2 Birfung 311 einer fteigen*
ben Grrfebung »on nmlaufenbetn burd) fi^eS Kapital, b. h- uon
Arbeitern burch SJIafchitien, bamit 3 um Sinfen beS "Berthes ber
Sßrobufte unb folglich 311 einer Steigerung ihres Abfafces nnb ihrer
(£rportfäbigfeit.
Bon biefen Sehren A. Smiths unb Ütticarbos mar es bann
nur noch ein Schritt 311 benen Smens unb £>obgSfinS. Droen
»erncinte, bafj bas Kapital auf mehr als ben (Srfah feiner Ab«
nupuug Anfpruch erheben fönne; ,?)obgSfin beanfpruchte für ben
Arbeiter ben gefammten Ertrag ber Brobuftion. oeucr mollte fein
3 iel auf bem Bege ber Bcform burd) (Benoffenfchaftcn erreichen;
.s‘*)obgsfin fdjrccfic nicht »or reoolutionären Bütteln juriief. Beibe
fauben zahlreiche begeisterte Anhänger, bie in bei* (Shflrtifteubemegung
eine nicht unerhebliche Bolle fpielcn füllten. £anit fam .Starl Bf an;,
beffen gortbilbuug ber ©ebanfen CmenS nnb fmbgsfins, mie
man treffeub gefagt hat, als reoolutionäres ©cfpenft auf bem ©rabe
ber heute als unhaltbar erfanuten ArbeitSmerththeorie thront.
Allein fchon beoor Marl Biarj: bie Sehre »on ber Arbeit als
bem alleinigen ^robufttonsfaftor 3 U fo einseitiger Ansbilbnng
brachte, hatte in Xcutfdjlanb Saoergue«Beguilheu gegen bie Sei)re
oon beit brei Brobuftiousfaftorcu (iinfpracbo erhoben, (fr »er«
laugte, bah neben Aatnr, Mapital mtb Arbeit ber Staat als felbit«
ftänbiger "^robuftionsfaftor anerfannt merbe, inbent ohne fein Bor«
1211
©ojialc $raji*. Gentralölatt für Soaialpolitil. SRr. 46.
1212
banbenfeiit unb feine "Diitroirfung feincrlci 'jSrobultionSthätigfeit
bcitfbar fei. llnb mit ber Icptereu Behauptung mar er ohne
3 tocifeI im SRecpt, nur bap bantit bie 3 a h* ber bet ber ^dibuftion
mitroirfenben gaftoren, um beit bi« babiit üblicpeit AuSbrudf 31t
gebrauten, nodj feineSroeg* abgefcploffctt mar. Gin ebenfolcper
gaftor finb bie jeroeiligcit Grrmtgcnfcpaftcn be* geidlfcpaftlicpen
3ufammcnlebeu* bet SReufcpen, bie bent ^robujenten unentgeltlich
3ur Verfügung flehen, unb bie mir unter betn kanten ber „Kultur"
jufamnten^nfäffeu pflegen. G* giebt nur roenige Wüter, an bereit
Herstellung ober 3 u roa r ftbringung nidjt alle biefe fünf Glemcnte
beteiligt mären: jene Kombination, bie mir ijkobuit nennen, ift
regelmäßig au* ihnen allen sufammengefept.
Berftept man unter „gaftor" aber ba*, roa* ba* Sort fagt,
fo crfcpcineu meber SRatur, nod) Kapital, nod) Staat, itocp Kultur,
ja felbft niept bie Arbeit im üblichen Sinne al* ein gaftor be*
'ßrobuftS, gu beffeit Herftellung fie Verroenbung gefuitben. Denn
unter gaftor oerftepen mir ba* pätige, roclche* ba* ^robuft
fepafft. Keine* ber fünf genannten fogenantiten 'ißrobuftionSfaftorcit
aber fdjafft ein bestimmte* ^robuft; fie erfepeinen oielmepr alle
nur al* Gientente, bie bei ber Herftelluug ber oerfepiebenften $ro*
buftc Skrroenbung finben fötttten. Da*jenige, roa* ein bestimmte*
^robuft fdjafft, tft oielmepr einzig unb allein ba* Grfcmten unb
Sollen, b. p. ber Weift beseitigen, ber bie $robuftion*elctnente
31t einem neuen s ^robufte oereint. G* giebt alfo nidjt fünf ipro*
buftionefaftoren, fonbern nur einen einzigen, ben tnenfcplidicn Weift;
alle fogenannten $robuftion*faftoren finb niept* anberc* al* ^ro*
buftionSelemente, bie je nad) feinem Grfennen oon bent Betriebs*
Unternehmer fei es 3U biefent, fei es 311 jenem ^robufte uerbunben
roerben. Daher ift bentt ba* iit einem betriebe bergeftettte *ßro*
buft nid)t ba* ^robuft be* Arbeiter*, ber bei feiner Herstellung
Berroenbung gefuttben, fonbern be* BetriebSuuternehnier*, ber bie
Arbeitsleistung be* Arbeiter* mit anberen Sßrobuftionselementen ju
einem neuen s $robufte oerbunbeit pal- Unb 31001* gilt ba* für alle
Arten oon Arbeitern, beren Arbeitsleistungen in ba* bergeftettte
ißrobuft eingegangen finb, für bie Arbeiter be* Weifte* toic für
bie Haitbarbeiter. Gin Banb Woetbe’fdier Webicpte ift ebenforoeitig
ba* ^robuft Woetpe’S, ber ben Dert geliefert pat, mie be* Sepers,
ber ipit gefept bat; Dejt unb Sap finb nur BrobuftionSclementc,
roelcpe ber Verleger mtt anberen fgrobuftionSelemcn.tep 3ttr.Heo s
ftellung be* Banbe* oereint bat; ber fertige Banb ift einzig unb
allein ba* ^robuft be* Verleger*. Dem entfpredjcnb ift e* meber
Woctpc nod) ber Seper noch irgenb ein aitbercr bei ber Herstellung
be* Banbe* beipetligter Arbeiter, ber ben Grtrag be* Banbe* al*
feinen Arbeitsertrag gait3 ober tbeilmeife in Einspruch nehmen
fann: biefer Grtrag ift ba* Grgebnip be* Grfennen* unb Sollen*
be* Unternehmer*.
Grfcheint fomit ber Unternehmer al* ber einzige Sßrobuftion**
faftor, inbem allein feinem Grfennen unb Sollen bie Bcrbinbung
oorhanbetter $robuftion*eleinente 31t einem neuen ^ßrobufte 3U
baitfen ift, fo gilt e* hoch, fofort irrigen unb mipoerftänblicpen
Deutungen oorgubeugen.
Daß $robu3ircn nicht fo oiel ift mie Stoff Schaffen, bebarf
roohl für feinen Webilbeiett ber Betonung. Der Bfenfcp oermag
fein Atom oon Stoff 3U fdjaffcit; Sitte*, ma* er fann, ift, oor*
haitbenett Stoff berart 3U oeränbern, bap ihm erhöhte Brauch*
barfeit 3ufomtnt. G* gilt bie* für ben Öanbmantt mie für ben
Wemerbetreibenben, für ben Kaufmann mie für ben, ber tut* Dienfte
leiftet. Allein nicht minber irrig mürbe e* fein, roollte man $ro*
bn^iren mit bem Schaffen oon Scrtpett oerroecpfeln. Brobii^irett
ift 3unächft nur ein tecpitifcper, Sertf) Schaffen ein roirtpfcpaftlidjer
Vorgang. 3n einer SRaturalroirtbfdsaft mag ^ßrobn^trett rcgel*
mäßig fo oiel fein mie Sertb fepaffen; betut ba* S3ebürfnif3, bent
ba* 'probuft bienen foll, ift hier gegeben; in Slnpaffung ait biefe*
toirb ba* ^robuft hergeftcllt; e* Iäfjt fiep aitttehmcn) bafs hier
feincrlei $robuftion*elemeute 31t einem neuen $robufte oereint I
roerben, auper, 100 e* oon oornherein feftftcht, bap ba* fertige j
^robuft bem 9 ?ebiirfnip itt höherem $Rapc entspricht, al* bie ^ro* !
C!iftton*elcmntte, au* beiten e* 3ufammengc|ept ift, oor ihrer S>er* !
einigung. Slttber* in einer auf Slrbett*theÜung unb Daufds, auf
Sonbereigcnthnm unb perföitlidjer Freiheit beruhenben Crganiiation
ber S?olf*mirthfd)aft. Da tätigt e* uidit allein oon bem $iobir,enten
ab, ob ba* hergefteüte s probuft Serth hat unb mie grop fein !
Serth iit: ba hängt bie* baoou ab, ob Diejenigen, betten ba* ,
i'robut't jur ^efriebigung ihrer 23 ebürfnifif bargeboten mirb, c*
al* hierzu geeignet anerfeunen unb in meldiem s AK’at;c iie e* ba31t
Mir geeignet eraditen. iRag ein i^robuft teilmiids nodi io oor;iig«
Hth fein, fo iit baher bannt feine*meg* getagt, bau e* Sertb habe
ober gar, bau fein Sörth ein hoher fei. De *g lei die 11 famt e* oor*
fommen, bap ein ^robuft, beffen Herstellung grope Kosten oer*
urfarfjt hat, geringen SBertfj habe unb umgefehrt, foroie, bap ber
Ueberfcpup be* Serttje* be* fertigen ^robuft* über bie Kosten ber
aufgeroenbeteu ^robuftion*elemente bei einem tedhnifcp minber oor^
3Üglidjen fprobufte gröper fei, al* bei bem oorgüglichereit. G* ift
oie Aufgabe be* Unternehmer*, bie $robuftion*elemente fo 311 »er*
toenben, bap ber Scrth be* fertigen fßrobuft* ben feiner Glementc
oor ihrer Skrmenbnng möglicpft überfteige; je mehr bie* ber Jall
ift, befto beutlidjer, bap er bie Glentente in ber Seife oermenbet
hat, mie )ie ben oorhanbenen ^ebürfniffen jemeiftg am meisten
entgegenfamen; im entgegengefepten gatte ift fein SBerluft, ba5
3urücfbleiben be* Sertp* be* fertigen ^ßrobuft* hinter bem feiner
Glemente oor ihrer SSerroenbung, bie Strafe für eine fcplecpte Gr=
füttung ber Ünternehmerfunftionen.
Desgleichen peipt eS ba* oben Dargelegte oottftänbig miß*
oerftepen, toettn man bie Stellung be* Arbeiter* im ^robiiition**
pro3ep al* eine oerglcicp*metfe unerpeblicpe piitfiettt, gefeproeige
benn, roenn man foroeit gept, feine Arbeit oon bent ©egrtff ber
nationalen Arbeit, mo man oon ber Sttotproenbigfcit, biefe 311
fepüpen fpriept, au*3ufcpliepen. G* gab einft eine 3 e ^ ba ber
Arbeiter iit bent betrieb, in bem er befepäftigt mar, auf ging; er
mar nod) feine felbftftänbige SirtpfcpaftSeinpeit, fonbern mept* al?
ein Sftäbcpeit in bem SirtpfcpaftSgetriebe feine* Herrn, gleicpoiel, 06
biefer nur für ben 23 ebarf be* eigenen Hau*palt* ober für bett Dtarft
probu3irte. Da* mar bie 3 e ü ber perfönlicpen Unfreipeit be* 2 h>
beiter*. Da* Satercffe an bem gortfdjreiten feiner eigenen Sirtb*
fepaft pat beit H errn 9^nötpigt, auep bem oon ipm befepäftigten
Arbeiter ein Sntereffe an ferner fieiftung 3U erroeefen. Die*'bat
3ur allmäligen Gman3ipation be* Arbeiter*, fcplieplicp 311 feiner
oöttigen greierflärung geführt. So nun ber Arbeiter frei ift, m
in unferer heutigen Sirthfchaft*organifation, ba ift er qleidpfall*
ein Unternehmer: er hat nun ba* au*fdjlicptid)e SSerfügung*recpt über
ba* ihm gehörige $robuftion*elemertt, bie 9 Utpung feiner Slrbeitsfrafh
feine Arbeit; er roibmet fie biefem ober jenem $robuftion*3roeif, inbem
er fi<h biefe ober jene gertigfeiten ermirbt nttb fie biefem ober jenem
Käufer anbietet; er tf)itt ba* für eigene ^Rechnung unb Wcrnbc:
er ift ein Unternehmer oon 2 lrbeit*leiftungen. Die grererflärung,
inbent fie ihn für ftd) felbft oerantroortlich machte, h fl i ba^u
gemgeht, unb gerabe in biefer feiner UnternehmereigeniäsaU
Sich mirthfdjaftlid) feine greiheit. Dabei ift e* oofljtänbig gleich^
gültig, ob ber Slrbeitgeber, an ben er feine Arbeitsleistung »er*
lauft, biefe feinen Knttben unmittelbar 3ur Verfügung stellt unb 311
bem Öohite, ben er bem Arbeiter 3ahlt, noch e i» cn ^Reiftergroicpeti
3ufd)lägt, mie bie* in oielett hanbroerlSntäpigen ^Betrieben nod]
heute ber gatt ift, ober ob ber Arbeitgeber bie gefaufte Arbeit*^
leiftung mit anberen ^robuttionSclementen 3U einem neuen
s $robufte oereint. Qn beibett gatten ift bie Arbeitsleistung be?
Arbeiter* ein ^robuft, ba* biefer für eigene SRedjnuitg bem Arbeit¬
geber oerfauft. Unb geht biefe* fein ^robult im yoeiten galle
aud) in bem höheren $robuft unter, bei beffen Herstellung e* ocr*
roenbet mirb, fo oerhält fiep bie* genau fo bei ben ^Rohstoffen ui^
Halbfabrilaten, roelcpe fein Arbeitgeber oon beren Gängern fauft
unb mit ber £eiftnng be* Arbeiter* 3U bem neuen ^robufte oer-
eint. Sie bie Kopie, roeldjc ber Wrubenbefiper förbert, roie ba?
Hctlbfabrilat, ba* ein gabrifant anbern gabrifanten barbictet, fo
ift feilte Arbeitsleistung ein felbftäitbige* mirtpfcpaftlidjc* Wut.
Sie jener Wrubenbefiper, mie biefer Grgeuger oon Halbfabrifaten
felbftänbige Unterttepiner finb, fo ift bie* ber freie Arbeiter, ber
feine Arbeitsleistung für eigene SRccpituitg ju 3 Rarft bringt. Die
Wefcpgebung pat bie* anerlannt, inbem sic bie geftfepiing be*
Sertpe* ber Arbeitsleistung ber freien Vereinbarung 3itnftpcu
Käufer unb SSerfäufcr, b. p. ^roifepen Arbeitgeber unb Arbeiter
übcrliep unb biefen für bie Steigerung jette* Sertpe* ber Arbeit?«
leiftung gleich jebem Verläufer auf bie s Dlarttlagc uitb beren Kon*
junfturcii oermies.
Wait3 baffclbe, ma* oben über ba* SSerpältitip be* Setrieb**
Unternehmer? 311 bem in feinem betriebe hergeftettten $robuftc
gefagt roorbeit ift, gilt alfo für ba* SSerpältuip be* Arbeiter* \u
feiner Arbeitsleiftiuig. Sic ba* Grfennen unb Sotten be* "Be*
tneb?iiitteruehrncr* titaf^gcbenb ift für bie Hcrftclluttg jenes "proi
butt*, io ba? be? Arbeiter* für feine Arbeitsleistung. Sie geiter
ift er Brobu3ent, toeitn auep niept be* Brobuft?, bei beffen H cl;
itelliing er thätig mar, fo boep ber Arbcitsleiftung, bie oon betn
BctriebouiitcriiebiiUT 3itfammeit mit anberen ^robuftioitSclenienien
31t biefer Heritelluiig nerroenbet morben ift.
Sa? 11 tut bie rclatioc Bebeutuug ber Arbcitsleiitung be?
Arbeiter? ttttb ber Dbätigfeit be? Arbeitgeber? für bie Hcntelluitg
be? 0011 biefem 311 Biarft gebraditen Brobufte? angeht, fo ift fie
1213
Soziale $ratfS. Gentralblatt für Sogtalpoltttf. ftr. 46.
1214
je nach Ben Umftänberr utienblich oerfchiebcn. 2118 ber Verleger
Eotta „f>ermann unb Torothea" gu $)iarft brachte, war ber Saitb
fein ^robuft, feine Thätigfeit aber im Sergleich gur Arbeitsteilung
©oetfjeS, bie gu biefer |>erfteßung oerroenbet mürbe, geroifc recht
unerheblich- desgleichen giebt es Unternehmungen, für bereu Er»
folg bie ArbeitSleiftuug ber in ihnen oermenbeten £janbarbeiter
ttahegu AßeS, bie beS Arbeitgebers relatio unerheblich ift. Um*
gelehrt giebt es Unternehmungen, für beren Erfolg bie dhätigfeit
beS SeiriebSuntentehmcrs nahcgu 3lHeS bebeutet. Sor Aßem aber
oergegenroärtige man fich, eine mie grofee Anzahl ber Unter¬
nehmungen Aftiengefeßfchaften finb; SetriebSunternehmer finb hier
nid)t etma bie Ttreftoren; bie ArbeitSleiftuug biefer ift nur ein
VrobuftionSelement, baS mit anberen bei ber ©erfteßung unb 3 Us
marftbringung ber h e ^ c fküten Vrobufte Serroettbung finbet;
Unternehmer finb h^* bie Aftionäre. Dber man benfe an ©rojg»
runbbefifcer, roelche, oon ihren ©ütertt oft jahrelang abroefenb,
iefe burd) Vermalter bemirthfch^fkn laffen; mir ift Einer oorge»
fommen, ber im 23efifee einer großen Angahl ©üter nicht einmal
mufjte, mo fie alle lagen. Solche gälte geigen frappant, mie thöricht
es ift, baS Erfennen unb SBoßen beS SetriebSunternehmerS auf
Soften ber oon ihm befchäftigten Arbeiter als bie einzig mähte
nationale Arbeit h erait b 3 uftreichen. S^oc^ abfurber aber geigt fich
bieS, roo biefe SetriebSunternehmer, mie nicht feiten, AuSlänber
finb. ES ift ein _d)arafteriftifcheS SRerfmal neuzeitlicher inbuftrießer
Entroicfelung, baß große Unternehmungen Setriebe innerhalb ber
oerfchiebenften 3°Üö e bietc errichten. 9hcht nur, bafj mir deutfche
an gasreichen Unternehmuugen in auSlänbifcfjeu 3oßgebieten be*
theiltgt ftnb, es giebt eine gange Angahl oon Setrieben in TeutfA*
lanb, beren Untemehmer gang ober übermieaenb AuSlänber fino.
Tie Herren be SBenbel unb gasreiche elfäffifche Firmen, beren Sc¬
haber grangofen ftnb, bie Soloaproerfe, anbere Setriebe* in ben
£>änbett oon Engländern unb Selgiern bieten bafür ben Seleg;
auch öfterreichifche Firmen ftnb mir befannt, bie innerhalb beS
bcutfchen 3oßgebiete8 Setriebe errichtet hßöen, um an bem Schuhe
ber nationalen beutfchen Arbeit theilgune|men. ©8 Hegt mir geroifj
fern, djauoiniftifch bagegen gu eifern; ich ermähne fie nur, um
baS Unhaltbare gegnerifcher Tebuftionen flargulegen. Tenn
melcf)e ift benn bie nationale Arbeit, bie in folgen gälten ge¬
büßt roirb? Tie ber Unternehmer ober bie ber befchäftigten
Arbeiter? Soll unter ber nationalen Arbeit, beren Schuh man
als Aufgabe ber Staatsgeroalt preift, roirflid) nur bie Thätigfeit
jener fremben SetriebSunternehmer oerftanben merben? Soßen
bie beutfchen Arbeiter, menn fie fich ihren Anteil an ben hohe«
greifen erobern rooßen, melche ber „ Schuh bex nationalen Arbeit"
jenen Werfen fichert, roirflich als Sünber gegen baS Staatsintereffe
gelten? 28enn man italienifche, tfd)echifthe, polnifthe Streifbrecher
als bie toahren Sertreter beS StaatSintereffeS hinficßt, melche „mir?»
fain gu fchühen eine mistige unb bringliche Aufgabe ber Staats¬
gewalt ift", märe bieS bie Äoitfequeng.
28enn es roirflich bie offigieße Auffaffuitg fein foßte, bafj man,
toenn man oon „Schuh ber nationalen Arbeit" fpricht, unter bem
Schlagmort nichts AnbereS als ben Schuh beS UnternehmergeroinnS
oerfteht, ben Schuh ber ©runbrente gar nicht arbeitenber ©ruitb*
befifcer mit inbegriffen, fo möge man bocf> oor ben nächften Wahlen
bieS offen fagem Ta ber 9teid)Stag, ber aus biefen Wahlen heroor»
gehh über ben Abfchlufe oon §anbelSoerträgen gu befinbeit haben
mirb, bürfte eine authentifche Erflärung, maS unter bem „Schuh ber
nationalen Arbeit" gu oerftehen ift, oon aßgemeinfiem Sntereffe fein.
München. ßujo Srentano.
filetoergiflmtgen itt ftet döpferei.
Sklth grofje unb bebenflidje SRoße bie Sleioergiftungen unter
ben ©eroerbefranfheiten fpielen, ift längft befannt. Sie gehören
gu ben gahtreidjen Erfahrungen, bie gmar in Snfpeftorenbenchten, 1 )
aemerbehpgienifchen unb fogialpolitifchen gadjfdhriften niebergelegt
jtnb, in ber TageSpreffe erörtert roeroen, bie aber praftifdje Ent»
fdjlüffe gur Abhülfe bisher nur für eingelne Snbuftrien unb auch
hier nicht burdjgreifenb, gegeitigt ha&en. für bie Sleiroeifj*
l ) Aeljnli* mie in ben früheren Sahrgängen h^ifet es auch in ben
amtlidjen SÖlittneilnngen aus ben gabreSberichten ber Eeroerbe-AuffnhtS*
beamten für 1897 S. 359: „Unter beit EefunbhettSftörungen, bie auf
Verarbeitung fchäblicher Stoffe gurücfguführen finb, treten mieber bie
^leierfranfungen febr hctoor. $aft aus allen Auf fich tsöegirfen fntb
foldje gemelbet." Sietje aud) bie A. 5Dt. a. b. g. b. ®. A. für 1896
8. 547, fomie ben galireSbericht ber .ftönigl. ^reufe. Eemerberäthe für
1997 S. 64—66 unb S. 75.
unb Sleigucferfabrifen 2 ) unb für Affumulatorenfabrifen, auch für
Suchbrucfereien. 3 )
gür bie anbern Sitbuftrien, aus benen Sleierfranfungen feit
fahren gemelbet merben, mie Töpfereien, Slaubrucf», geilen»,
glafchen!apfel*gabrifen, 9KaIermerfftätten 2 c. fehlen reid)8gefehlid)e
Sorf^riften gum Schuhe ber Arbeiter. T)aS ift um fo bebauertid)er,
als bie Eiitmirfutig beS SleieS auf ben Organismus oon un*
überfehbarer Tragroeite ift.
T)aS Slei mirb theils in gorm oon Kämpfen eingeathmet, theils
finbet es in gorm fefter Vartifelchen Eingang in ben Körper. Tie
$ran?heit geigt fich in ber^9tegel gunächft burch Sleifaum am
3ahufleifch, Släffe unb Schroäd)eguftänbe, führt gu plöhlichen ober
aßmäligen Er?ran?ungen ber SerbauungSorgane, ber fogeitannten
Sleifolif, gu Ertranfungen beS 9?eroenfpftemS, fiähmungen,
^rampfguftänben, Telirien, gu ©elenferfrantungen unb Vieren»
leiben. ErblinbungS* unb TobeSfäße in golge oon Sleioergiftungen
fommen nicht feiten oor. 3n Englanb mürben 1896/97 oon
1030 Sleierfranfungen 404 einer Spegtalprüfung untergoaen, bie auf
biefe neun gäße oon Erblinbung unb ebenfooiel TobeSfäße ergab.
Seicht immer führt inbefc baS aufgenommene ©ift gu unmittel¬
baren Erfranfungen. „28enn baS Slei als ©ift plöhlidier unb
fchärfer mirfte, mürben mir mahrfcheinlich meniger oon feinen
fchlimmen golgen hören, aber es ift langfam unb gleichenb in
feinen Söirfungen unb eS fommt oor, baf* V^rfonen in hohem
Stofte SDtonate, ja S^hre bleiburchfeucht finb, bis irgenb eine
funftioneße Störung eintritt, bie baS latente ©ift in Aftion gu
fehen fcheint. 3Ran fann ben Arbeitern nicht nadjbrücfüih genug
jum Seroufetfein bringen, ba& felbft bie größte Vertrautheit mit
oer Sleioerarbeitung ihn nicht arglos gegen bie unheilooße ©emalt
beS ©ifteS machen barf." 4 ) üöornit mir aber feineSroegS an ber
©renge ber ©efahren ber Sleioergiftungen angelangt finb. Sie
machen nicht ©alt bei ber gegenroärtigen ©eneration. „3e länger
bie Einmirfung biefer geroerblichen ©ifte anbauert, um fo oerberb*
lieber geftaltet fich biefelbe, unb mie bie burch öen Alfohol be*
bingten organifthen Seränberungen über bie Eingelinbioibuen hinaus¬
gehen unb ben SRachfommen unter ben gormen ber oerfdhieben-
artigften neroöfen Störungen fich mittheilen fönnen, fo ift baffelbe
als golge geroerblicher Sntoyifation, unb inSbefonbere bei Slei*
arbeüem beobachtet, melche bie Neigung gur Erfranfung beS
9ieroenfpftemS auf ihre $ad)fommen oererben." b ) (©ahrfcheinlich
liegt hier eine ber Hrfad)en ber gasreichen unb gunehmenben gäße
oon ©eiftesfranfheiten in ben unteren klaffen.) Es liegt auf ber
£anb, bafe bei meiblichen Arbeitern biefe golgen noch meü mehr
in ben Sorbergrunb treten. „So barf es als erroiefen betrachtet
merben, bafj baS Auftreten oon 9JtenftruationSanomalien burch
Aufnahme oon Slei in ben DrganiSmuS fehr begünftigt mirb." 6 )
gerner, bafe ber Einflug beS SleieS auf bie 5Kutterfchaft ein aufeer*
orbentlich ftarfer ift, gur Unfruchtbar feit führt, gum AbortuS, gu
grüh* unb Tobgeburten ober gur ©eburt franfer Äinber, bie meift
fdjon als Säuglinge an Krämpfen fterben. 7 ) Aßein nicht nur bie
Empfänglichfeit für bie $ran?heit, fonbern auch ihre ßebenS»
gefährlid^feit ift. bei grauen nach gahlenmäfjig belegten englifegen
Erfahrungen gröfeer als bei Männern. Auch ftnb jugenbliche
Arbeiter für Sleioergiftungen empfänglicher als Erroachfene.
Eine befonberS grofee Sßoße fpielt bie Sleioer gif hing in ber
Töpferei, auf bie neuerbingS bie Aufmerffamfeit burch eine energifthe
englifche 2lgitaüon gelenft roorben ift unb burch ein in biefer 3^**
fegrift fchon befprocpeneS, im 3Kai 1899 erfchieneneS Slaubuch über
„ben ©ebrauch oon Sleioerbinbungen in ber Töpferei, ben Einfluß
beS SleieS auf bie ©efunbheit ber Arbeiter unb Sorfchläge gur
Sermeibung feiner fchäblichen SSirfung." 8 )
2 ) Sefanntmachung, betreffenb bie Arbeit in Sleifarben* unb 3uder*
fabrifen uom 8. ßuli 1893.
3 ) SunbeSräthlicher Erlab, betreffenb ben Schuh ber Arbeiter in
Anlagen gur ^erfteßung eleftrifdjer Affumulatoren oom 11. SRai 1898.
4 ) Siehe Report on the Employment of Compounds of Lead in the
Manufacture of Pottery etc. S. 14. (London, Eyre and Spottiswoode.
Piice 5 l fa d.)
5 ) 2Bet)l: Eemerbehpgiene Sb. 8 1897 unter ©erocrblidje ©ifte.
6 ) Ebenbafelbft.
7 ) Siehe hierüber „Report on the Employment of Compounds of
.ead in the M. o. P. u i mie oben unb „A.nnual Report of the Chief In¬
spector of F. W. für 1897; fomie feine Sefpredjung in biefer
fdhrift $Rr. I. Jahrgang vjii.
8 ) Report on ihe Employment of Compounds of Lead in the Manufacture
of Pottery mie oben, fomie „Sleioergiftungen in ber feramiidjen ^nbnftrte"
9h\ 28, 3flh r 9 an 9 VII biefer ^kitfdjrift. — Sgl. audj Dr. Aogev oon Sodj,
©efchichte ber Töpferarbeiter oon Stafforbfhire im 19. Sahrljunbert,
Stuttgart 1899, SRündjener Solf^m. Stubien 81. St. XIII. 51ap. 3. 295 ff
1215
Soziale $ragt&. ©entralblait für ©ogtalpolittf. Nr. 46.
1216
©S hanbelt ftd) in ber Töpferei im Bkfentliehen um bie gum
©lafiren bcr Söaarc oerwenbete Blaffe- Sür baS ©lafiren fomrnen
oerfd)iebene Arten oon ©lafuren in Betracht: 1. bleihaltige ©la-
furen, 2. bleifreie ©lafuren. Bleihaltige ©lafuren werben in
Deutfdjlanb gur £auptfa<he für bie fogenanntegaoence ober ©tein-
gut unb groar foroohl für bie feine gapence als für bie Nlajolifa
genannten Bafen unb 3iergeräthe, für Dfenfacheln, SBanbfliefen
unb baS gemeine Döpfergefdjirr oerroenbet. Die bleihaltigen ©la-
furen finb je nach ihrem Bleigehalt unb ihrer größeren ober ge**
ringeren LöSltd)feit mehr ober weniger gefunbheitsgefährlich. „Die
©rfahrung lehrt aber, bafe auch nahegu unlösliche Blei*
oerbinbungen noch giftig wirten." 9 ) ®ut burdjgefchmolgene
©lafuntiifchunaen oon nicht gu hohem Bleigehalt, in benen Blei
in fehr feft geounbenem 3 u f*anb enthalten ift (gefnttete ©lafuren,
Bleifilifate), finben aber nicht einmal in allen fällen, in benen eS
bie Ded)nif geftattet, Berwenbung, fonbern nur für feinere Söaare,
weil ihre $erfiellung bisher als geitraubenber unb foftfpieliger
galt. 10 ) ©röbere Thonwaaren werben fogar nicht feiten burch
Aufbeuteln eines ©lafurpuloerS, Bleiglätte, SRennige, Bleiglang
unb bergl. mit §ülfe eines ©trumpfeS glaftrt. Das ift bie ge*
wohnliche Btethobe bei ben foaenannten ©efchirrhäfnern unb in
ben Keinen Dfenfabrifen. n ) Alfa an ^ßlafeen, an benen, wenn fte
überhaupt bem DitelVIl ber ©ewerbeorbnung unterftehen, bem
§. 120a am wenigften Rechnung getragen wirb.
©ine gewiffe ©inbämmung ber ©efahr für bie Arbeiter eines
DheileS ber Snbuftrie gewährt bas SHeid^Sgefeö oom 25. Quni
1887 im Sntereffe ber Stonfumenten infoweit, als ©&*, Drinf- unb
^ochgefchirre nicht mit ©maiÜeglafuren oerfehen fein bürfen, bie
bei halbftünbigem Wochen mit 4%iger ©fftgfäure Blei abfeheiben.
Btit Nücfficht auf bie Arbeiter ift man bisher nur in Berlin
eingefchritten, wo bie gahlreichen ©rfranfungen oon ©lafurarbeitern
in fladjelofenfabrifen gum ©rlafe ber Sßoligeioerorbnung oom
22. gatiuar 1888 geführt haben. 12 ) ©ie unterfagt in ber Töpferei
bie Berwenbung anberer als oerfuchter ©lafuren, baS ift ge*
fchmolgenes an Stiefelfäure gebunbeneS Blei (gefritteteS Blei, Blei¬
filifate), unb beftimmt über befonbere Borrichtungen für Abfaugung
unb Bentilation, Anfeudhten ber ©lafuren bei ftaubabfoubernben
Berrichtungen, ©efid)tsfchwämme, 2Bafd)ungen, BhinbauSfpülen,
Berbot beS AufbewahrenS oon Nahrungsmitteln in ben ArbeitS-
räumen ac. Drofebem ergiebt ein Bergleich mit bem Durchfchnitt
ber Berliner Arbeiterbeoölferung bei benDöpfern noch immer eine
erhöhte ©terblichfeitSgiffer. „Die ©lafurarbeiter finb auch
alle mehr ober minber bleifranf." 13 ) ©S ift alfo flar, bafe
bie beftefeenben ©chufeoorfchriften nicht genüaen. Qmmerhin ift
hier wenigftenS ber ©ingriff angebahnt. Btit biefer eingigen Aus¬
nahme ftnb bie Arbeiter in ben Töpfereien DeutfdjlanbS gur^aupt-
fache ben Bleioergiftungen ebenfo fchonungSloS preisgegeben, wie
bie englifdjen Arbeiter, ober noch fcfeonungSlofer, benn in ©nglanb
beftehen feit 1894 ähnliche BorbeugungSmaferegeln wie in Berlin;
ber ©rfolg ihrer Berfchärfung in 1898 mufe abejewartet werben.
Die englifche Agitation unb ihre ©rgebniffe ftnb fornit auch
für uns oon erheblicher, bisher meines ©rachtenS nicht genügeno
gewürbigter Bebeutung.
Die Bewegung ift in ©nglanb bereits eine langjährige unb
fann ft<h rafefeer ©rfolge nicht rühmen. Als gefährlich regiftrirt
finb Töpfereien fefeon feit 1892, feit 1894 beftehen auf ©runb ber
amtlichen ©nquete oon 1893 erlaffene ©onberoorfchriften für bie
Dfeonwaaren unb BorgeIlan«3Nanufaftur, bie ftd) inbefe als burch*
aus ungulänglich erwiefen haben unb 1898 in ebenfalls hö<hft an-
ureichenber Söeife oerfdjärft worben ftnb. dagegen hat ©nglanb
eit 1897, was uns oor allen Gingen fehlt, eine fpftematifche
©runblage für bie Befdjaffung einer jährlichen ©tatiftif ber ©r*
franfungen nach bem ©efchlecht ber Betroffenen in allen Snbuftrien,
9 ) £cmin, Scbrbitch ber Sortfologie, II. Auflage, ©telje ferner
Ijicrgu unb gum Aolgenbeu Dr. £>. £ ft, Lehrbuch bcr tcdpitfchnt ©hentie,
II. Auflage, Berlin isp$; Albredjt, ^anbbudi ber praftifcheu ©ewerbe*
hugiene, Berlin 1K96, unter „Sbonwaareninbuitrie"; it>ei)l, ©cwerbchijgicne
Bb. 8 Iso? unter „©ewcrblidjc ©iftc"; 3ommerfelb, ftanbfuuh bcr ©c=
wcrbefratiflicitcn Bb. 1 1898, unter „.frngiene ber ^lionmaareuarbciter";
Dr. .'o. Nafd), über Blciocrgiftungen bei Arbeiter in Atadjelofcnfabrifen,
Arbeiten nuS bem Äaifcrlidien C'icfunbheittfamt Bb. 14.
10 ) 3iel)e l)iergu 3p. 1216 unten.
n ) 3icbe B?ei)I wie oben.
I3 ) 3iebe Amtsblatt ber .Uöuigl. SM cg. 311 ^otsbam unb ber 3tabt
Berlin 18ss 3. 42; and) unter Ä'aubcsbeborblidjc Arbrttrrfchuhoor*
idtrirten", jufammengefteflt im Neidi^amt bes Csuuern, Berlin 1897.
13 ) Siehe Oahresbcrid^te ber Atünigl. preuh- ©ewerberäthe für 1897
Seite 75.
in benen Blei-, Phosphor-, Arfenüoergiftungen ober Äarbunfel
oorfommen, baburd), ba& bie Unternehmer, Snfpeftor unb Slmis-
argt beS ®iftri!teS fofort fchriftlich über jebe einfehlägige geroerb-
liche Bergiftung gu unterrichten h a & en - behanbelnbe Arit ift
aufjerbem oerpfli^tet, oon jeber berartigen burch bie gewerbliche
^hätigfeit oeranlajjten ^ranfheit unter Angabe oon Name unb ge¬
nauer Abreffe beS Sßatienten bem ©hief 3nfpector Äenntnifj gu
geben, gegen eine ©ebühr oon 2V 2 ©h- unb bei ©efahr einer
©elbbufge pon 40 ©h. im UnterlaffungSfaHe. 14 ) ©rft baburch höt
bie Agitation eine gahlenmäfjige Unterlage erhalten, beren Er¬
langung auf eine anbere Sßeife als burch bie SRelbepflicht unter¬
richteter Qnftangen überhaupt nicht möglich erfcheint. 3n 3)eutfch-
lanb fönnte gur ©rlangung einer fpegiftgirten ©tatiftif ber Berufs*
franfheiten bie SNelbepflicht über gewerbliche Bergiftunaen junädhft
ben Äranfenfaffen auferlegt werben; es ift baS ein feunfef), ber
auch oon ben Snfpeftoren oielfach geäußert worben ift.
3n ©nglanb hat fid) auf ©runblage ber SRelbepflicht ber
Unternehmer unb Aergte für bie genannten gewerblichen Ber-
giftungen ergeben, bafe oon 1239 Jätten im gahre 1897
1030 auf Bietoergiftungen, baoon 446 allein auf bie SßorgeHan*
unb Xhonwaaren-Qnbuftrie famen. 15 ) 3)ie Snfpeftoren ftnb ber
Anficht, ba& bie ©efammtfumme ber ©rfranfungen nicht entfernt
erfaßt ift unb bafj bei fteigenb genauer Beridjterftattung auch ihre
3ahl entfprechenb gunehmen wiro. ^re&berichte, UnterhauSbebatten
unb Deputationen haben nun gunächft m einer amtlichen Unter*
fuchung ber ©ad)lage in ber Töpferei Durch eine <h e mifche unb
ärgtliche Autorität 16 ) geführt, beren ©rgebniffe je^t in bem oor*
erwähnten Blaubuh *0a the Employment of Compounds of Lead ä
u. f. w. oorliegen. Die ©achoerftänbigen waren beauftragt, feft*
gufteüen:
1. Jßie weit bie ©efahr oerminbert ober befeitigt werben
fattn, wenn man baS gewöhnlich gebrauchte Bleicarbonat (Blei*
weife) entweber burch & 1C e1116 obez anbere weniger lösliche Blei-
oerbinbung, g. B. ein ©ilifat (fiefelfaureS Blei), ober burch
bleifreie ©lafur erfefet.
2. 9Sie weit einige als unfchäblich ober weniger gefährlich
wie baS Bleicarbonat erwiefene ©rfafemittel ben oerfdpebenen praf*
tifdjen Bebürfniffen ber Sabrifanten entfprechen.
3. Söelche BorbeugungSmaferegeln aufeerbent getroffen werben
fönnen.
Die Antwort auf biefe Sragen lautet bahin, bafe für fieben
3ehntel ber gangen bleihaltige burch bleifreie ©lafuren
erfefelich ftnb. ©o hat man gweifelloS leicht herftellbare,
bleifreie ©lafuren oon genügenbem ©lang, Decffraft
unb Dauerhaftigfeit für alle Arten häuslicher ©efchirre, für
weifee, gelbe, feberfarbene unb gemufterte ©liefen unb ^adjeln, unb
für benjenigen 3meig ber Döpferei, in bem Utenfilien für eleftrifd^e
Apparate h^rgefteHt werben. Dagegen ift eS nach bem Bericht noch
gweifelhaft, ob für bie§erfteHung oon9Kajolifa-©eräthenunbBtajolifa*
kacheln ber ©ebraud) oon Bleiglafuren abfolut oermeiblich ift. 3n
allen ©ätlen aber Iäfet fi<h bas jefet oielfach oerwenbete Bleicarbonat
burch Bleifilifat erfefeen unb gwar burch nahegu unlösliches Doppel*
felifat. „©^perimente im Negierungslaboratorium an ben Sßro*
buften ber oerfchiebenften Unternehmer haben gegeigt, bafe ein allen
Anfprüchen berfelben genügenbeS, nahegu unlösliches Doppelfilifat
herftellbar ift, beffen ©ebrauch, gang abgefehen oon ber hpö^nifchen
grage, für ben Unternehmer ein birefter Bortheil ift." 17 )
©rfahrungSmäfeig hängt bie gröfeere ober geringere ©djäblidh*
feit oon ber 3nfammenfefeung beS ©ilifateS ab. „©in einfaches
©ilifat mag weniger ftaubabfonbernb unb fiebrig, unb baher
leichter oon ber Äaut gu entfernen fein, ohne beShalb fchwerer lös*
lieh gu fein als Bleicarbonat." Bei ber ©chwierigfeit, feftgufteOien,
ob einfaches ober Doppelfilifat gur Anwenbung fommt, (unb An-
gefichts ber nach beutfehen Lehrbüchern überhaupt nid)t
M ) @ief)e Ab[. I §. 29 beS Sabril* unb SSerfftättengefefeeS oon
1895. ©-3 wäre gu empfehlen, auch bie Angabe beS Alters obligatorisch
gu machen gur ©ewinnung eines fofortigen Ueberbücfs in 3al)ien. Als
©runblage für eingehenbe Unterfuchuitgen genügt natürlid; bie englifche
B?elbepflid)t.
15 ) Ucber bie nähere Bertbeiluug biefer 3ahlen nach bem ©efchled)i
fiche ben Annual Report of the Chief Inspector etc. für 1897, foioie
feine Befprerfjuug in Nr. 1 Jahrgang 8 biefer 3eitfhrift.
16 ) Brofcffor %. ©. Ühorpe, Principal of the Government Laboratory.
Brofeffor IhomaS Clioer, Physician to the Royal Infirmary, Newcastle-
upon-Tyne.
* 7 ) Auf bie djeniifchen 3ufammeufehungen fann ich hier nicht ein*
gehen, fte finb im Blaubud), auf baS id> bie Anfmerffamfeit ©acb-
oeritänbiger gu lenfeit wünfehe, ausführlich enthalten.
1217
©ogiale fßragis. Gentralblatt für ©ogtalpoltttl. Sfcr. 46.
1218
oollftänbig gu befeitigenben SergiftungSgefahr) muß in*
beß, fo lange ber ©ebraudfj bleihaltiger ©lafuren geftattet ift, ber
©efahr burch Verbote unb SSorbeugungSmaßregeln Einhalt gethan
werben.
Sahin gehört oor allen Gingen ber SluSfchluß weiblicher unb
jugenblicher Arbeiter oon ben gefährlichen Sefchäftigungen in ber
töpferet. Ser englifche SBerid^t ift h^r gang infonfequent unb
brüeft fich, mit einem $uge nach ben Unternehmern, mit bem an-
beren nach bem SSolfSwohl blicfenb, fo aewunben au«, baß es bei
nicht fehr genauer Prüfung fdjwierig ift, ba« genannte SRefultat
auSguIöfeit. 3nfonfequenter SBeife bleibt es für bie fehr gefährliche
ßRajolifamalerei offen, ob grauen oerwenbet werben foHen ober
nicht. E« hängt bie« gurn Shell auch bamit gufammen, baß biefe
unb anbere Shätigfeiten in ber Söpferei an ftch leichte unb für
grauen geeignete ftnb; aber gerabe bed^aUb fann ihr SluSfdbluß
als Stimulus gur Einführung bleifreier ©lafuren bienen. 3eben*
faß« finb bie hieraufbegüglichen Seftimmungen für unfere SBleigucfer*,
bleifarben* unb $lffumulatoren*3abrifen weit entfehiebener al« bie
englifchen borfchläge.
3n begug auf bentilation, Slbfaugung unb SReinlidfjfeitS*
oorfdfjriften ift in bem englifchen bericht auf bie oerfdjärften be*
ftimmungen (Special Rules) für Shon- unb ißorgeßanwaaren oon
1898 hingeroiefen unb beren Ergängung burch bie gorberung oon
Öußböben, bie eine grünbliche Reinigung ermöglichen, oerlangt,
gerner werben über bie Slrme gehenbe ©ummihanbfehuhe unb
Sangen mm galten ber gu alafirenben ©egenftänbe empfohlen, unb
bie Slu«behnung ber für grauen unb Miuber in ben „Special
Rules“ oorgefehenen fnftematifchen ärgtlidjen Unterfuchungen unb
SRegiftrirungen be« befunb« auf äße bleiarbeiter in ber Söpferei.
,,E« ift augenfcheinlich," erflären bie berichterftatter, „baß unfere
Erhebungen bagu angethan ftnb, ben in ber Deffentlichfeit herrfchen*
ben Einbrucf oon ben ©efahren in ben eingelnen 3meigen ber
Söpferei gu oerftärfen. — 3 ro eifello8 fönnten behörben, wie bie
be« $oft*, Arbeit«*, $rieg«bepartement«, ber Schulen, Firmen*
häufer, Hfple unb $ofpitale, wenn fie auf ber Lieferung bleifreier
SBaaren beftänben, wie fie gum größten Sheit ohne Schaben für
bie b$aare unb ohne oermehrte Soften h er fießbar Futb, in hohem
9Raße für bie aßgemeine Einführung bleifreier Söpfermaaren
bahnbredEjenb fein."
Sluch in äßen beutfehen gächfehriften ift ba« berbot ber ber*
wenbung nicht gefritteter ©lafuren unb bie Einführung be« blei*
filifat« bringenb empfohlen. „Sroecfmä&iger wäre eS," heißt eS
bei SBepl unb a. 0., „Erfaßmittel für bie bleiglafur einguführen."
„Ser bleiglafur ift leichte ©chntelgbarfeit, große SBiberftanbS*
fähigfeit gegen rauhen Semperaturwechfel unb ©lang eigen, hoch
finb werthooße Erfaßmittel befannt geworben." ©o ift fchon 1897
in ber barifer ©efeßfehaft für öffentliche ßRebigin unb ©ewerbe*
hpgiene burchau« gebrauchsfähige« Söpfergefchirr ohne bleiglafur
gegeigt worben.
bor aßen Singen finb nun für bie Einführung folcher
Söpferwaare, ben Erfaß ber bleiglafur burch bleifreie ©lafur,
aße £>ebel in Bewegung gu feßen. Slßein e« ift leiber faum an*
gunehmen, baß man fidf) felbft ba, wo an ber borgüglicfjfeit be«
Erfaßmittel« fein 3meifel mehr befteht, wie für häusliche ©efdhirre,
weiße unb farbige giiefen unb $?adjeln, unb Utenfilien für eleftrifche
Apparate, oorerft entließen wirb, ben ©ebraudf) ber fo oer*
hängnißooßen bleiglafur gu unterfagen.
Sroßbem muß bie grunbfäfelicf)c gorberung ber Einführung
bleifreier ©lafuren aufgefteßt werben. Sa wo fie ftch gunächft
nicht bureßfeßen läßt, ift mit aßer Energie auf ba« berbot ber
berwenbung anberer al« Soppelfilifate, ben Erlaß entfprechenber
BorbeugungSmaßregeln fowie ?lu«behnung be« für blei* unb
^ffumulatorenfabrifen bereit« geltenben berbot« ber befchäftigung
weiblicher unb jugenblicher Arbeiter auf bie Söpferei gu bringen. 18 )
,8 ) ben Slmtl. SRit. a. b. b. b. ©. Ä. für 1896 heißt e« ^terju:
„SRacß ben im begirfe gemachten beobachtungen holte tdj eS für
wünfdjenSwerth, baß jugcnblidje Arbeiter oon allen $abrifaiion«gwetgen,
in benen blei ober bleihaltige ©toffe oerwenbet werben, auSgefdjloffen
unb im llebrigen ähnliche beftimmmigen getroffen werben, wie fie für
bie bleifarbenfabrifen bereit« erlaffen finb." 2Bie fepr ba« Eieiche für
weibliche Arbeiter gilt, tann wohl nach ben oben wiebergegebeiten Er*
fahrungen nicht mehr begweifelt werben. SSie wenig übrigen« bie bis¬
herigen ©(huhoorfchriften in bleifabrifen gureidhenb ftnb, lehrt bie
^$ra£iS. Sie berichte ber Eewerbeinfpeftoren liefern auch ^ier$u reiche«
3J?aterial. ©o futb in einer mit ben neueften technifrfjen unb fanitären
Einrichtungen uerfehenen bleifabrit währenb 15 SRonaten 141 Arbeiter
ein* unb 124 wieber ausgetreten. 2Rit anberen SBorten, bie gefammte
%x beiter[chaft wirb aße gwei Sftonate entlaßen unb burch neue Kräfte
E« finb baS gorberungen, bte fi<h gweifello« in Sälbe burchfefecn
laffen.
gerner ift barauf hingumirfen, baß wir enblich eine ©runb»
läge für eine ©tatiftil ber ©ewerbefranfheiten unb ihrer berthei*
lung nach ©efchle<f)t unb Sllter in ben eingelnen unb befonber« in
ben gefährlichften 3nbuftrien erhalten. £>ier ift ber in Englanb
eingefd)lagene, oben erwähnte 3öeg ber 3Mbepfü<ht für bleiweiß*,
^ho§Phor*, ^Irfenifoergiftungen unb Slarbunfel oorbilblich-
Sie 9iothwenbig!eit einer folgen ©tatiftif ift auch Dt)n ^ cn
Snfpeftoren oft genug betont worben, ©o bei&t e« in ben Ä. 9R.
b. ©. 31. für 1896: ,,2öa« ben ©ewerbe*3lufficht«beamten noch
gebt, ift eine guoerläffige unb umfaffenbe ©tatiftif gewerblicher be*
rufSerfranfungen, bie für bie erforberlichen ^pgienifc^cn 9Raß*
nahmen ebenfo unentbehrlich ift, wie bie Ä'enntniß ber Unfäße für
bie 3me<fe ber Unfaßoerhütung."
2Bir ha&en am beifpiel ber Söpferei gefehen, wie fi<h in
Englanb eine folche ©tatiftif für bie öffentliche Meinung unb bie
Einficht in bie SRothwenbigfeii be« Einfehreiten« bewetSfräftiger
gegeigt hat al« aße Sheorie. Sßomit nicht gefagt ift, baß man
oor ihrer befchaffung überhaupt nicht eingreifen foß. Sa« hieße
ähnlich hanbeln, wie jener Leiter in ber feüfte, ber, al« er oon
einem berfchmachtenben um §ülfe angefleht würbe, gwar abftieg,
um ihm SBaffcr gu reichen, aber oorher in aßer ©emüthlichfeit
fein $ferb abfattelte. Unterbeß war ber Anbere gefiorben.
beriin. $ eie ne ©imon.
fiotttmtraale «o^aipolitik.
firanfettfaffe für bie beamten ber ©tabt Seipgig. Sie oon
ben Unterbeamten be« batße« ber ©tabt Seipgig ernannte $otn*
miffion gur bornahme ber borarbeiten bei ber geplanten ©rünbung
einer Äranfenfaffe für biefe beamten hatte fid) an ben bath mit
bem Erfucßen gewenbet, ba« Unternehmen gu genehmigen unb gu
unterftüßen fowie eoentueß bie Dberauffi<f)t über bie klaffe gu über*
nehmen. Ser 9tath hat baraufhin gunächft ein oerficherung«*
tedhnifche« ©utachten hfrbeigegogen unb biefe« ber Äommiffton mit*
getheilt, babei auch erflärt, baß er geneigt fei, ba« Unternehmen
gu förbern, unb gwar nach befinben auch ^ ur£ h ©ewäbrung eine«
beitrage«, wogu er fich jeboch bie EJenehmigung be« Plenum« unb
bk 3aftimmung ber Herren ©tabtoerorbneten oorbehalten müffe.
E« ift beabfichtigt, fein Äranfengelb, fonbern nur 2lrgt unb
Slpothefe gu gewähren.
Tarife für ©traßenbahuen in üRagbcbttrg unb München. Sie
SDRagbeburger ©tabtoerorbneten befcfjloffen am 10. Sluguft, namentlich
im Sntercffe ber borftäbte buefau unb beuftabt, ben 2Ragiftrat
gu erfuchen, mit aßen SRittcln barauf hinguwirfen, baß ber 3 c h n *
Pfennigtarif auf aßen Straßenbahnlinien möglichft halb eingeführt
wirb. — 8rür fitrgere ©treefen würbe in b?ünd)cn ber günfpfennig*
tarif eingeführt.
branbenbnrgifcher©tübtetag. 2luf bembranbenburgifchen©täbte*
tag, ber am 18. unb 19. September unter bem borfiß oon Dberbürger*
meiftcr Dr.2lbolf*3ranffurt a./0. in^otSbam abgehalteu wirb, wirb,
abgefchen oon ben bechnungSangelcgenhciten, bürgermeifter Hncfer*
Sanb«berg a./SB. über bie berfidjerung ber ©emeiitben gegen
Haftpflicht, bürgermeifter b?olf*Spanbau über ba« becht ber ©e*
meinten gur 9lbweifung$Reuangicheuber unb?lu«weifung Unterftüßtcr,
0berbürgermeifter £oelße*Spanbau über bie Srage fprechen: Sinb
0uitttung«büd)er bei ber Abhebung oon ©uthaben au« ftäbtifchen
©parfaffen gwedfmäßig? ferner wirb ©tabtfcbulratb Dr. ^cufert*
Eharlottenburg über bie 5ortf<hritte ber Sd^ulen für fd)wad)be*
gabte Gintec (bie ©tabt Eharlottenburg befißt bereit« gwei befonbere
§)ilf«f<hulen für fd)wad)bcgabte hinter mit in^gefammt adit Sehr*
fräften), 0berbürgermeifter itoelße*Spanbau üoer bie Äranfenfaffen
gegenüber felbftoerfdjulbcten Äranfheiten unb bürgermeifter SReper*
branbenburg über bie Schulärgte referiren. Leiter finb noch folgenbe
fragen gur Erörterung gefteßt: a) bie Einführung eine« einheitlichen
©nftemS ber $hirgf<hrift bei ben ©emeinbeoerwaßungen (Referent
0oerbürgermeifter 253erner*5lottbu«); b) erfdjeint e« gweefmäßig, bie
Entwürfe oon ^Soligeioerorbnungeu auch ^ en ^tabtoerorbneten oor*
gulegen? (Referent ©tabtoerorbnetenoorfteher-Steßoertrcter <5ränfel«
Sanbsberg); c) bie 2lnmahnung auswärtiger oergogeiter Steuer*
gahler (^Referent ber borfißenbe); d) 9tabfaprerwege.
erfefet (f. 3ahre«berid^te ber Äöntgl. $r. Eewerberäthe für 1897 S. 76).
Ebenbafelbft erflärt ber Ecwerberatlj für $ot«bam eine gcjctcliche ber*
fürgung ber 9lrbeitSgeit auf 8 ©tunten, auSfchließlidj bei* Raufen für
bie Elafurarbeiter, für bringenb geboten.
1219
Sogiale BrajtS. Gentralblatt für ®ogtalpolitt!. 9fr. 46.
1220
Soziale Itafföttftt*
Die Arbeite* in ber fraagöftfdjeu 3ünbl|o4faBrifattim.
Seit bcm gahre 1890 ift bie fcan^öftfcfjc 3ünbhoIginbuftrie
in bcn §änben beS Staates monopolifirt, ber fie oöllig in eigener
Siegie betreibt. ®ie ©efammtprobuftion erhob ftch 1897 auf über
33 SRtHiarben Stücf, roooon etwa 31 s / 4 SMiarben in H°lS unb
li /2 SMiarbeit in 2BacbS. 3um roeitauS größeren %tyil ber
fabrigirten 3ünbhölgd)en roirb geroö^nlic^er Phosphor oerroanbt;
ber armorphe B*)o8phor fommt bei !aum 7ß in Slnroenbung. Der
inlänbifdje Verbrauch becft fid) faft auSfd)lieplich aus ber hrimifthen
Brobuftion, ba fich bie Einfuhr frember 3ünbhölgchen jährlich auf
uur 45 V ‘2 SRiHionen Stücf beläuft. Die unerlaubte, aber im Ber*
borgenen ben noch betriebene Brioatfabrifation liefert fchroerlich er*
hebuche Quantitäten. Die SRoheinnahmen aus bem 9Ronopol
betrugen im gleichen gahre 28 711 433 grcS., bie SRegiefoften
8 269 875 grcS.; ber Staat bezieht bemnad) eine jährliche SRein*
einnahme oon etroa 20 BttHionen Francs.
Die £erfteHuug ber 3ünbhölgd)en erfolgt in fieben getrennten
Bianufafturen, roeldge nach einer ftatiftifchen Aufnahme beS HrbeitS*
arnteS 1 ) im gahre 1895 ein Slrbeiterperfonal oon 676 9Rännern
unb 1444 grauen befdjäftigten. Die 3^hl be* jugenblichen 2lr*
beiter ift oerhältnifjmä&ig gering, nur 3, 5 o/ 0 beim männlichen unb
6,3 °/ 0 beim meiblichen ©erfechte. Die mterSflaffen oon 19 bis
45 gaf)ren fteüen bie iiberiotegenbe Bfrbrheit, nämlich 83 % ber
männltchen unb 88 o/ 0 ber meiblichen Slrbeiter.
Die ^IrbcitSoerhältniffe finb bie nämlichen roie in ben übrigen
Staatsmanufafturen. Die Berroaltung fuboentionirt bie HiffS*
faffen beS ^erfonals mit 3ufd)üffen in gleicher £>öhe ber Arbeiter*
beiträge. Sie hat ferner bei ber ftaatlicijeu freien NlterSrentenfaffe
einen ^enfionSfonbS angelegt, ber aus Prämien in ber £>öhe oon
4 °/ 0 ber Löhne gebilbet mirb. ®ie fälligen ^enftonen richten [ich nach
ben für ben betreffenben Arbeiter geleifteten Eingahlungcn; hoch
ergänzt ber Staat biefe $enfion auf 600 grcS. für bie Männer
unb auf 400 grcS. für bie grauen, roemt ber Antritt nach 30 Dienft*
jahren ober nach ooüenbetem 60. Lebensjahre erfolgt. Das effefHoe
Lohneinfommen ftettt fich im Durchfd)nitt für bie männlichen Arbeiter
auf 0,50 grcS. pro Stunbe, für bie meiblichen auf 0,.% gres. Die
täglidjc 2lrbcitSgeit ift 10 Stunben. Die folgenbe Tabelle giebt
einen Ueberblicf über bie thatfächlühen EinfommenSoerhältniffe in
beu einzelnen Btonufafturen unb beren Betriebsumfang.
SRänner grauen
SRittlerer 1? o l)n SRittlerer 2 o Ijn
3aIjl pro Stunbe 3 rt hl pro ©tunbe
grcS. gres.
Bantiu. 209 0,«o 353 0,4o
Satntines. 170 0,40 275 0,39
Dijon. 14 0,55 6 0,39
2li;r. 41 0 , 3 s Hl 0,20
Starlet Ile. 63 0,55 424 0,35
BegleS. 54 0,56 121 0,31
Drclage .. 125 0,43 184 0,40
3uf. ... 676 0,50 1444 0 , 35 .
®ie Hrbeiterfchaft ber 3üubholjmanufafturen hat mit bem
gahre 1890 begonnen, 2 ) fich geroerffd)aftli<h gu organiftren. ES
beftehen heute fünf lofale Bereinigungen in SRarfeitte, BögleS,
Drelage, SaintineS unb Bantin, rnelch« feit 1893 in einem
9£ationaloerbanbe, ber Federation des ouvriers et ouvrieres des
Mauufactures d’allumettes de France gufantmenaefchloffen finb.
Der Berbanb umfafjt mit 1528 Biitgliebern über Dreioiertel
beS Bei'fonalS unb pflegt alljährlich einen Stongrefc gu oeran*
ftalten, auf bem bie'Slngelegenheiten beS ©croerfeS erörtert roerben.
Der bieSjäfjrige ftongrefe fanb 00 m 24. bis 30. gult in Singers
ftatt. ?luS ben Beiljanblungen, aus benen übrigens nur fpärliche
Nachrichten in bie Ceffcntlichfeit brangett, erhellt, bafj für bie 5lr*
beiter uielfacfje Okiiube ju Befchraerben oorliegen. 9Ran bringt
namentlich auf alle tedjnifcheu Berbeffcruugen, bie im gefunbheit*
lidieu gntereffe ber Arbeiter nöthig erfd)cineu ober bie Arbeit er*
leichtern föuuen, ferner auf Öcmähniug oerfd)iebener Bergünfti*
gungen allgemeinerer datier. Qi e auf bem bieSjährigen ilongreh
feftgeftellte genaue gorberungSlifte umfaßt bie folgenben Bnnfte:
1. >>eritellung ber .J)ölgehen in Staatsbetrieb an Stelle beS bis*
hörigen (Siufaufs; 2. Nbfchaffung ber frembeu Einfuhr fertiger
l ) Office du Travail. Repartition d<*s salaires du personnel ouvrier
<l;m> 1 cs mauufactures de Tetat etc. 1896.
,J j Amiuaire des Syudicats profcssionnels. 1897.
3ünbhölgchcn; 3. achttägige ßohngahlungen; 4. 12 £age jährlichen
Urlaubs ohne öohnentgiehnng; 5. unentgeltliche ftranfenpflege.
Ueber eine SReihe non gragen, roie Lohnerhöhungen, Opportunität
eines SHuSftanbeS ic., ift ber Stongrefe gu feiner Einigung gelangt.
(Sine Delegation, roelche bie obigen gorberungen nertrat, rourbe
bereits nom Direftor ber Staatsmanufafturen unb bem ginang*
minifter empfangen, ohne inbeffen geneigtes ©ehör gu finben.
gn golge biefer Slbroeifung befd)lo6 bie Sentralleitung beS Ber*
banbeS, fich mit ben lofalen Bereinigungen über bie Sage gu uer*
ftänbigen unb fich weitere BoHmachten geben gu laffen.
Baris. g. Schotthoefer.
Der beutfdje ÄrbeUSmarft geigt gegeuroärtig ein Büb mit
roiberfpruchSnoUcn 3wQ cn > bic in ber Berliner s lRonatS|chrift ^Der
ÄrbeitSniarft" roie folgt gufammengefafet roerben: gn ber gefammten
Berg* unb SRctaKiubuftrie einerfeits flotteften ©efdhäftSgang,
anbererfeits bie nun nicht mehr neue @rfd)einung, bafe bei bem
intenfioen Berbraudj an Stöhle unb ^albgeug ÜRangel eiutritt unb
3lrbeitSlofigfeit nach f l( h gielht. gn ber Xcytilinbuftric, bie bisher
an bem allgemeinen Aufblühen nicht theilnahm, fchlägt bie Lage
fo fthnell um, ba& roeibliche Hrbcitsfräfte fteHenroeiS fchon nicht
mehr gu befchaffen fmb. (Sin SluSbrucf ber allgemein unruhig ge*
roorbenen Lage ift ber noch immer anbaucritbe grofec Umfaiti ber
Streifberoeguncj in Deutfchlanb. 9?ach ben Strcifmonateu Slpril
unb s Jl)?ai mit je 84 neubegonnenen Streifs ift bie 3ol)l S^ar, roie
alljährlich, im guni gurüdgegangen, aber nur auf bie immer nodi
beträchtlidhe §öhe oon 52 unb h«t fich auf ungefähr ber*
felben .£>öhe (48) gehalten. Bei bcn s #rbeitSnad)roeifen beefteu fnfj
im guli ungefähr Angebot unb Nachfrage (roähreub im Borjatir
Ucberfchufe roar); auf 100 offene Stellen famen 100,7 Beiocrber
(gegen 112,5 im Borjafjre). Die ungeh e R rc ©u«ft beS guni aber,
bie'einen auffallenben, gang bireften mbeitermangel gegeitigt hotte,
ift nicht mehr oorhanben.
Lohnberhälitttffe beS ^auSgefinbeS in englifchen Stäbtrn. Das
englifche Labour Departement oeröffentlicht eben einen Bericht von
Bhf* Sollet über fmuSgefinbelöbne. gn ber Einleitung oerroeift
3Rr. Lleroellpn Smith barauf, bafe bieS ber erfte Berfud) ^e\, b\e
©elblöhne beS §auSgefinbeS ftatiftifch gu erfäffeft; bisher fei man
ben Schmierigfeiten einer folgen ErbdMRQ überall aus bem ^Bege
gegangen, bie namentlich barin gelegen feien, bafe nicht leicht eine
genügenb grofje 3ohl oon Haushaltungen ber oerfchjebenen klaffen
Der Statiftif gu ©runbe gelegt roerben fonnte, roie aud) barin,
ba& ber ©elblohn ja nicht bie eingige gorm ber Entlohnung oon
t auSgertnbe fei unb im ÜRonatS- ober gahreSlohn auch houfia
ntfehäbigungen für $oft unb Quartier enthalten feien, gür 3Ri|
EoüetS Statiftif roirb felbftoerftänblich audh feine Bottftänbigfeit
ins gelb geführt, aber fte fann both barauf ?lnfpruch madhen, rer*
läfclid)e DurcbfchnittSbaten gu liefern, bie SlnhaltSpunfte gu Ber¬
gleichen mit ben SRefultaten fpäterer Aufnahmen geben.
Das Btaterial, baS ber nicht unintereffanten Statiftif gu
©runbe liegt, ift auf oerfthiebene Söeife gefammelt roorben. giir
Haushaltungen ber bemittelten klaffen rourbe eine Umfrage in
Brioatfreifen (bei ben Btitgliebern ber Royal Statistical Society
unb ber British Economic Association) ocranftaltet, bie ein hübfcheS
Ergebnis ergielte; baS Material für H aug ^oItungen ber unteren
Schichten rourbe burch Aufnahmen bei Der Metropolitan Association
for Befriending Young Servants, bie 9lrbeitSnachroeife in 31 Lon*
boner Diftriften hot, gefammelt, inbem burch brei Btouate h*nbur<h
bie bei Engagements flirten Löhne regiftrirt rourben. gm ©angen
erftreefte fich bie Aufnahme auf 2 067 Hofhaltungen m it
5453 meiblichen unb 326 männlichen Dienstboten; oouftänbige
Daten lagen für 5338 roeibliche unb 230 männliche Dienstboten
oor. DiefeS oerarbeitete Material umfaßt foroohl Lotibon als
anbere Stabte in Englanb, Sd)ottlanb unb grlanb. Daß bie oer-
fchiebeiten klaffen oon HouShaltungeu ooHe Berücffichtiguiig ge*
funben hoben, geht aus folgenben Daten heroor; bie 5338 roeib*
liehen Dienftboten gehörten folgenben HouShaltungeu an:
512 roaren in Hofhaltungen mit 1 Dienftboten,
1342 * * = * 2
1158 * = = 3
796 * i» = =4
522 = = - r,
335 = = = 6
673 = = = mehr als 6 Dienfiboten.
Der Lohnburd)fdjnitt für roeibliche Dienftboten in Lonboii
! [teilt fid; auf 17 .€ 18 sh pro gahr. Nichtiger erfcheint uns bie
1221
©oztale fragte. CentralBIalt für ©ojtalpolttil. 9h:. 46.
1222
gcftftcttung ber SurcpfcpnittSlöhne in bcn einzelnen nad) 3®hl ber
Sienftboten rangirten £auShaltungSflaffen; biefe fteßen fiep für
Lonbon rote folgt:
Haushaltungen mit 1 Sienftboten .... 14,9 £,
- * 2 * .... 16,6 s
* * 8 * .... 18,8 8
51 »4 * .... 20,7 s
* 8 mehr als 4 Sienftboten 28,9 8 .
©erben bie SurcpfcpnittSziffern mit SfKicffid^tna^me auf bas
Silier (AnfangSlöpne) forrigirt, fo ergiebt fiep ein ungefährer
Surtpfipnttt ooit 17 £ 14 sb. Stuf ähnliche GSetfe gelangt GRiß
Sollet $ur Angabe eines SurcpftputttSlohneS oon 15 £ 10 sh für
bie anberen ©täbte in Englanb unb GBaleS, unb oon 17 £ 6 sb
für bie brei größten ©täbte ©cpottlanbs, roährenb für 3 rlanb eine
oerläßlicpe SurcpfcpnittSziffer nicht gefunben roerben fonnte. Gfttß
EoßetS ©tatiftif geht weiterhin [ehr ins Setail, inbeut baS oor-
liegenbe GRaterial foroohl nach toer als nach Kategorien beS
£>auSgeftnbeS, roie auch uaip HauSpaltungSflaffen oerarbeitet er*
fepeint. Sei GBieberpolung ber Aufnahme bürften ft<h jebenfaßs
intereffante Ergebniffe oon aßgemeinem GBertp perauSfteßen.
Kobleuatbeiterlöhue itt 3ßinotS» Einem englifdjen Konfular-
beriete über bett Kohlenbergbau in QUinoiS zufolge ift bie Lage
bcr bortigen Kohlengräber nicht günftiger als jene ber englifcpen
Bergarbeiter. Sie Söhne in Amerifa roerben pro Sonne geförberte
Kohle befahlt unb groar oerfeptebett nach Slrt ber Arbeit (H>anb*
arbeit ober GJlafcpinenarbeti). Ser größte STheil ber Kohlenförberung
(78,27 %) in 1899 rourbe burchf<hnittli<h mit 44 ,09 EentS pro Sonne
befahlt; bei GJfafcpinenarbeit fteßte ftch ber Arbeitslohn für bie Sonne
auf burcpfcpnittlith 31,37 EentS. Sie 3aplung ber Lopne erfolgt
Zumeift jroeimal im Bfonat, hoch erhält ein Sljeil bie Söhne au*
wöchentlich unb ein anberer bloß jeben GJionat. Ser Konful be-
rechnet ben ArbeitSoerbienft beS Bergarbeiters auf 1 sb 5 d bis
1 sh 6 d pro Sonne, roooon noch bie Koften beS ißuloerS abiu*
rechnen ftnb, baS bie Arbeiter felbft befahlen müffen. Sa Die
jährliche Arbeitszeit bloß 180 Sage betrage unb bie BerpflegungS*
foften eines Arbeiters mit 100 £ im 3apr zu oeranfcplagen finb,
meint ber Konful, baß bie Bergarbeiter in ©tefforbfptre ober
GöaleS ftch nicht fehlerer als jene in SßinoiS ftänben.
Fair Wages io Gle»*§§yi Sie ©efeßgebung bes ©toateS
G£ero-g)orf hat int Btoi eine Aeitberung beS ©efeßeS oom Sah«
1897 beireffenb ben Arbeiterfchuß bei öffentlichen Arbeiten ange¬
nommen, bie fogleich in Kraft getreten ift, Bisher geftattete
nämlich baS ©efeß, baß bie Arbeiter, bie bei öffentlichen Arbeiten
bireft ober burth ©ubunternehmer befepäftigt roerben, für eine Ejtra*
Zahlung lleberftunben arbeiten; biefeS roirb nunmehr abfolut oer-
boten unb bie achtftiinbige Arbeitszeit bei öffentlichen Arbeiten barf
nicht mehr Übertritten roerben, GfothftanbSfäße ausgenommen.
Bezüglich ber Söhne roirb bie 3ahfang ber ortsüblichen Lohnfäße
oorgefchrieben. (Gleichzeitig roirb ftatuirt, baß jeber Bürger beS
©taateS Klage auf ©uSpenfton ober Abfeßmtg eines jeben Beamten
erheben fann, ber roiffentiieh gegen bie Beftimmungeit bes neuen
(GefeßeS oerftößt; beSgleichen tann oon Sebennann reeßtsfräftige
Einfpracße gegen einen mit ben ©efeßeSoorfcpriften nicht in Einflang
ftehcnbeit Bertrag ober gegen bie Bezahlung gefeßroibriger Arbeit
aus öffentlichen Mitteln erhoben roerben.
TUbettnbetoegimg.
3«r Bewegung io ber ^laSfnrztoaarcn-Subnftrie GforbböhmenS.
Sie gegen ben Giotpftanb in ber ©laSfurzmaaren-Snbuftrie
GJorbböpnteitS unternommenen Aftionen, über welche bie „Soziale
^ßrafiS" ausführlich berichtet hat, finb bort, roo fie mit bern
nötpigen Ernft geführt würben, nicht opne Erfolg geblieben. Siefe
Erfolge in einer 3nbuftrte, beren trifte Sage bereits fo groß war,
baß bie Sntercffcnteit an einer Rettung oerzroeifelten, beanfprud)ett
aügemcineS Sntereffe, umfomehr als fie zum Shell 3 ro eige
.^auSiitbuftrie berühren, roo eine Befferung erfahrungsgemäß z 11
bett feproieriaften Aufgaben gehört.
GJttt biefetn hausmbuftrießeu 3u>eige meinen wir bie ©las*
pcrlenbranchc beS SfergcbirgeS. Sie norbböhntifche (Glasperle,
bereu Abfaßgebietc in Glußlanb, im Orient, Subien, Epittct unb in
einigen Speilen AfrtfaS liegen, hat in feinen ähnlichen ober anberen
SDeforationS* unb ©cßmncfarttfeln eine Konkurrenz. 3ßr Abfaß
war feit 1886 ein fteigenber. Sroß biefer giinftigen Bebingungen
hatte bie innere Konfurrenz, bie burch bie SiberftanbSlofigfeit ber
hausinbuftrießen ^erlenarMter ins Angemeffene gefteigert roerben
fonnte unb bie eine BerfchTechterüng ber SSaarenqualität zur Qolge
hatte, ben Snbuftriezroeig att bcn SRattb beS AbgruttbeS gebracht.
3u Anfang beS BorjahrcS .roarert bie greife berart gefunfen, baß
900 Arbeiter bem §imgertobc entgegenfahep ürib Sidferanten unb
%porteure fein Sntereffe ineßr hatten,, bcn Artifel zu führen, weil
ber Profit in feinem Berhältniß zutn Jßififo unb zur ßfegie ftanb.
Sie Union ber (Glas* unb ferantifchen Arbeiter rüttelte bie Arbeiter
troßbem auf, unb ffpj .traten in eine Bewegung ein, bit oon
Dr. SSeißfopf unb oou. ibeuik Snhaber ber Atohölusfabrifeu SRicbl
unterftüpt rourbe, weil -bje beibep ^(genannten .einfahen, b,aß cS
ein Bcrbrechen unb eine Shorheik fev bie Aröeiterfchaft eines fo
wichtigen 3nbuftriezn^igeS, - -bcr J>ie heften Ausfichten auf bem
Btarfte hat, aus purer . .Subifferenz preiszugeben,. - ^ Bet ber
im ©ommer 1898 - oovgcnommepcn (Snquetc einigte man
fich auf bie Errichtung eiwer r ^robuftiogeiiöffenfd|aft ber
Berlenarbeiter unb Stcfcranten, jbereit^ : 3iet fein müßte,
Btinimallöhne aufzufteßen unb bie f -im Sahre 1890 beftanbenen
BtinimalarbeitS* unb r Sieferpreife attmahlich roieber zu erringen.
Sie girma SRiebl unterftüpte biefeS Unternehmen baburch, baß flc
ißm ein Kapital oon Ji 156 000 auf zehn Sahre unuer*
ZinSlich pr Berfüguna fteßte.. Samit war ber Befcbluß reaKfirbar,
fo baß ftch bie (Genoffenfthaff bereits am 9. J)ftober fonftituiren
fonnte. Sie Erfolge finb gerabeju überrafchenbe. Obwohl fid)
ber Eenoffenfcbaft bie Befdjränftheit uieler Sieferanten, Efporteure
unb Arbeiter hinberlich entgegenfteßte, hat bie (Genoffenfchaft in
ber furzen 3 e 't ib«S BeftanbeS aße §in;bernitfe bereits über*
rounben. Sie Sieferanten finb fämmtlim bis auf sroei, bie fich
bereits angemelöet, bocfji z ur Strafe für ipr hartnäckiges gefthalten
an ben früheren (Gewohnheiten noch nicht aufgenommen finb,
Btitglieber ber (Genoffenfchaft. Sie ©enoffenfehaft ift zur einzigen
EinfaufSqueße für bie Exporteure geworben, Die nun, ob fie woßen
ober nicht, z« ben feftgefepten Breifen laufen, müffen, bafür jeboch
bie ©arautie für eine rafche Beoienung unb tabellofe Söaare haben.
Ser Umfap ber ©enoffenfehaft, ber im erften Btonate 8000©ulben
betrug, hatte in biefem April bereits 40 000 ©ulben erreicht unb
ift feitbem roieber gefiiegen. Sie SBaarenqualität ift eine weit
beffere geworben unb ber Abfap fteigt fo, baß bie 3 a h^ ^ er
befchäftigten Arbeiter oon 900 auf 1200 geftiegen ift. Surd) eine
roeitauSgebreitete uiib uprtrefflich oxganifirte Kontrole roirb bafür
aeforgt, baß foroohl Lieferanten rote. Arbeiter bie Beftimmurmen
ber ©enoffenfehaft nidjt umgehen fonnem Saburch ift bie Ein¬
haltung bcS BHnimallohneS gefiebert unb auch bie Arbeitszeit ift
eine fürzere unb gleichmäßige geworben, Sßährenb Anfang
I beS BorjahreS ein ^erleHgr.beiter bet bnnhfchnittlich 14 ftünbiger
| Arbeitszeit günftigenfaßs 2 bis 5 ©ulben wödjentlid) . oerbieute,
beträgt baS ÜJHnimum nun bei täglich zefinftünbiger Arbeitszeit
6 ©ulben in ber Bloche.. SteS ergiebt 3 e v^aufenbe, welche, bie
Arbeiter innerhalb beS furzen BeftanbeS ber ©enoffenfehaft an Lohn
mehr erhalten haben. BMr haben bie Arbeüerfdjaft roährenb beSGioth®
ftanbeS fennen gelernt uno. faheu fie; in einer maffenhaft befuchten
Berfammlung im Biai roieber, Sßas wir ba an Beränberungeu,
an LebenSfreubigfeit, Ausbau^: unb feftem SSoßett roabrnahmen,
roirb uns unoergeßlich .bteiben! Sie ©enoffenfehaft Jieoeutct für
baS Sf^rgebirge ein ©tucf Kultur, unb ihr Beifpiel lehrt, baß ein
Gtothftanb in ber ©laSinbuftrie GforbböhmenS, folange fie feinen
Beränberungeu oon außen ausgefeßt ift, einzig unb aßein bem
unlauteren fcetfberoerb ber ©efchäftsleute im Sabuftriegebiet felbft
Zuzufcpreiben ift unb zu -btt! ünnÖthißfl^u Singen gehört. Aepnlidp
rote in ber B^ttßnmche ßnb bie Erfolge in ber Kriftaßeriebranche.
Sa bie Betriebsart hier feine hauSinbuftrieße ift, mußte auch e i ne
attbere gorm zur Simhfühtuttg ber üon beu Arbeitern geforderten
BUnimalarbcitSlöhne angeroenbet werben. SicS gefepah burd) ben
Abfcplnß einer Konoentum 'Ajoifcpett ben Egporteureu, Erzeugern
unb GlopglaSfabrifanten/mit Hinzuziehung oon BcrtrauenSmännern
bcr Arbeiter. 3n einer am 8. GJtai l. 3. ftattgefunbeneu Ber¬
fammlung rourbe nun-über bie Gtefultate ber Konoention roie folgt
berichtet:
Sie Konoention zahlt heute 115 SDtttglieber, roooon 42 ßrporteurc unb
78 Erzeuger ftnb. ©oweit bie in ber Sohnlifte enthaltenen Artifel in Be¬
tracht fommen, ftnb an beren £>erfieflung itacp beit genau rruirteit Säten
1606 Arbeiter betheiligt, woodit 1142B?änner unb 464feetbcr finb. Jttbiefer
3iffer ftnb bie ungefähr 450 SlÄann zähleitbcn Arbeiter oon ^ohannesberg,
bann 346glacon 8 unb bergleichen©djlcifer mtb fdjlicßlich 41tuecl)fclnbc, baS
heißt balb birnel-, halb [(hwarzglaSfajleifenbe Arbeiter nicht utitinbegriffeu.
Öaut ber feinerzeit erhobenen Säten weichen bie Söhne für bie Soljn-
liftenartifel um 80 bis 40 unb häufig auch noch mehr Prozent oon bcr
Sohnlifte ab. Sie ^riSmen unb Birnelartifel, bie einen großen Sheil
ber obigen Arbeiterfcpaft befchäftigen, hatten nahezu bur^wegS einen
1228
©ogtale $raits. Gentralblatt für ©ogtalpoltttf. Sfr. 46.
1224
Äuffdlfag gu regifirtren. Veranfchtagt man, um ber möglidjft
naljegufommen, beit $urdjfdjnttt$lohn oor ber Soljnregulirung auf
70 fr. unb rechnet utan eine burc^fcfjnittlid^e 30 %ige Stegulirung, fo
ergiebt fidg oom Sanuar biefeö SaljreS bis beute bei runb 100 SlrbeitS*
tagen eine 3ÄebrauS$afjIung non 48180 ff. unb feit guli oorigen
Saures, in meinem Sfeonat bie SWinimanobnlifte roteber allgemeine
Slufnabme fanb, bis beute einen SRebrbetrag non 119 486 ,40 fl., mit
anberen Sorten, jeber Arbeiter oerbefferte fich in biefem 3eitraum um
runb 74 fl.
2)ie oben ermähnte Berfammlung, melier auch Vertreter ber
Steidjenberger |>anbel 8 fammer unb beS ©remiumS ber (Importeure
in ©ablong betroofjnten, fa&te eine Steifje oon SSefd^Iüffen, burd)
roeldjc bie noch feruftchenben Sntereffenten ber Äriftafleriebrandje
pm Beitritt gur Äonoention oeranlafjt roerben foHten. $)ie Liefe*
rauten, roel(be bereits SJtitglieber ber Äonoention finb, merben oer*
halten, an ©rporteure beS ©ablong*£annroa!ber SnbuftriebegirfeS,
bie fid) ber Äonoention nodj nicht angefcbloffen, feine in bie Äon*
oentioit einbegogenen Saareti gu liefern. $>ie außerhalb beS
©abloitg*2:annroalber SnbuftriebegirfeS ejiftirenben firmen, bie fid)
mit ben in bie Äonoention einbegogenen Slrtifeln befaffen, müffen
einen Sluffcblag oon 10 o / 0 für Lieferungen, bie ihnen oon ©fpor*
teuren ober Lieferanten gemacht roerben, galjlen.
$ie ©laSfabrifen höben bie Verpflichtung, SHdjtmitgliebern
ber Äonoention feinen $)rucf ber in ihr einbegogenen Slrtifel gu
liefern. 2>iefe Bebingungen ftnb feit 12 . SM in Äraft getreten.
$ie ©lasbrutfer befdjloffen, ber Äonoention als fpegiell organifirter
Äörper beigutreten.
Sie man fieht, ftnb bie Beftimmungen ber Äonoention barauf
gerichtet, es ben ^roteftanten auf bie Malier unmöglich gu machen,
fich ber Äonoention gu entgiehen. 2 )ie Bortheife, melche feit 1 . Suli
o. 3 . burch bie Äonoention errungen mürben, finb in ber £hat
cbenfo iiberrafchenb mie bie in ber Vcrienbrandje unb eS geigt fich
auch h^r, ba& ber burd) Vertrag feftgelegte 3 u fammenfchluB baS
eingige Mittel ift, baS Siebereintreten eines ^othftanbeS gu oer*
mciben unb bie Snbuftrie au f e i ne f e [f e ©runblage git ftcllen. SJodj ift
biefe ©infidjt nicht überall eiitgefefjrt. 3n>ei ber bebeutungSooHftcn
Branchen finb es oor Slllem, bie noch unter mahrhaft aitardjifti*
fdfjen 3 uftänben gu leiben höben. S)ie eine ift bie oon uns in
biefem Blatt gulefct befprodjene Befafofteininbuftrie, bie anbere bie
©ejpicttenringbrandje. $ie Bemegung in b^, Befahfteininbuftrie
ift un oollen ©ange, bod) gmeifeln mir baran, ob bie Arbeiter unb
jene menigen (Importeure unb Lieferanten, bie Verftänbnift bafür
haben, ohne äufeere SKithilfe im ©tanbe fein merben, Sanbel gu
fchöffen.
Hier roirb bie Regierung, melche auch ber ©enoffenfehaft ber
perlen arbeitet eine ©uboentioit gugemenbet hat, fjclftnb eingreifen
müffen, meitn fie nicht roill, bafe bie Arbeiter fd^ließlich non ber
Vergroeiflung übermannt merben unb in ungefejjlidjeu Husfdjrei*
tungen ihr §eil fuchen, mie bieS befanntlidfj 1889 aefdjah. Sn
ber ©eroiettenringbrandje fteljt bie ©adjc etroaS günftiger. Hier
mürbe ein SlftionSfomitS einaefefct, roeldjeS im ©inoernehmen mit
ber Union ber ©laSarbeiter bereits ©djrittc unternommen fjöt, gu*
nächft cinfjeitlidjc greife burchgnführen. Heber bie 3nftanbe in
biefer Branche unb über ben bisherigen Verlauf ber Bemegung
berichten mir in einer ber nädjften Hummern.
Sien. Stöbert ^reuftler.
UrbetterfiCjtsfc.
Ungültigfeit tum fßoligetotrorlmuugcu über &inber6efdjäfttguug
2)aS DberlanbcSgericht Scna hat einen ©eraer Bädfermeifter, bei
trofe entgegenftehenben DrtSftatutS ©djiilfiitber oor Beginn ber
VormittagSfchiile gum SlnStragen ber Srüfjfiücfsbrötchen benuht
hatte, freigefprodjen, ba fein ©chuloorftanb baS Stecht höbe, bie
©chulfiuber in ihrer freien 3 c 't gu beauffichtigen ober in bie Ver*
fügung über ihre freie ^eit eiugugreifen. 2)ie Befdjäftigung ber
©djulfinber fei burch StcidjSgefefc geregelt unb eine bem lederen
gegen iiberftcljeiibe Voligeiocrorbnnng nid)t gu Stedjt beftehenb.
ä)icfc rein formaliftifdje ©ntfd^cibung — mie fie ähnlich feiner Qtit
in Hamburg ergangen ift — geigt aufs Stcue, mie nothmenbig eine
drroeiternng beS renhSgefefelidjen ©chnheS ber ©djulfinber ift.
SRaßnahmett gegen bie gewerbliche Äinberarbett in Helgen«
2)urch eine $öIig e inerorbnung Des VtagiftratS mirb bie Verroenbung
fchulpflichtiger Äinber, melche baS 11. Lebensjahr noch nicht ooü*
enbet haben, gu geroerblichen Arbeiten, inSbefonbere gum ÄuStragen
oon Bacfroaaren, Vtilch, 3 e ü un 9 en u - f- ro v f on) i e S um Hegel*
auffefeen, gu fonftigen $ülfeleiftungen in ©chanfroirthf(haften, gum
Seithalten oon Blumen unb ähnlichen ©egenftänben oerboten. $ie
Beschäftigung foId)er Äinber, melche baS 11. Lebensjahr oollenbet
haben, mit geroerblichen Arbeiten barf nicht oor 5 Uhr SRorgenS
beginnen unb nicht über 8 Uhr SlbenbS hinaus bauern, di ift
biefen Äinbern innerhalb beS 3ßitraumS oon 5 Uhr VtorgetiS bis
8 Uhr 9lbenbS — abgefehen oon ben ©cbulftunben — eine Sreigeit
oon minbeftenS 3 ©tunben (für bie ©rholung unb für bie
fertigung ber häuslichen ©chularbeiten) gu geroähren.
&tbettea)erftyentttg. $pmrba|ren.
ÄrftttfeiitierftchertmgSfitatifti!« Stach ben lebten Veröffentlichungen
beS ©tatiftifdjen ÖmtS beftanben in ®eutfd)lanb am ©cfjluffe bce
SahreS 1897 22 477 Äranfenfaffen (gegen 22 111 imSahrc 1896).
2>a nicht atte biefer Äaffen baS gange 3ahr hinburch thätig
roaren, betrug bie 2)urd)fchnittSgaht ber Äaffen 22 000, bie $)urdj*
fchnittSgahl ber Vtitglieber 8 337 119 (gegen 7 944 820 im Söhre
1896). 2luf jebe Äaffc fanten burchfchnittlich 379 SJtitgtieber.
2)ie größte SJtitgliebergahl, nämlid^ 3 850 858, hatten bie 4548
DrtSfranfcnfaffen aufgumeifen; bann folgten 6974 Betriebs*
(3fabrif*) Äranfcnfaffen mit 2160 074 ÜDtitgtiebern, 8587 Äaffen
ber ©emeinbe*Äranfeitoerficherung mit 1 370 822 SJtitgliebern, hier*
auf 1422 ©ingefchriebene §ülfsfaffen, bereit SJtitglieberbeftanb 730985
betrug, aisbann in geroaltigent Slbftanbc 593 3nnungS4lranfen*
faffeit mit 145 819 unb 261 LanbeSredjttidje ^iilfsfaffen mit 58 603
SJtitgliebern. 2)en ©djlufj bilbeten 92 Baufranfenfaffen, bereu
SJtitgliebergahl 19 958 betrug.
Bei fämntlichen genannten Äaffen famen 2 964 937 ©rfran*
fungSfälle mit 51 513 783 ÄranfljeitStagen oor, fo ba^ burchfchnitt*
lieh auf 1 SJtitglieb 0 /S 6 ©rfranfungSfäüe unb auf einen ©rfranften
17,37 ÄranfheitStage entfielen. Sie ungiinftig es mit ben (Sefunb*
heitSoerhältniffen ber Bauarbeiter fteht, bcmeifeit bie Bau*Äranfcn*
faffen, bei benen auf ein Vtitglieb burchfchnittlich 0,52 ©rfranfimgS*
fälle fanten, fo baft alfo über bie^älfte ber Vtitglieber erfranft finb.
2 >ie ©innahmen (einfchlie^lich ber gurüefgegogenen $ap\ta\\e\i),
bettugert im 3a|re 1897 bei allen Stoffen 167 810060 «n
Beiträgen unb ©intrittsgelbcrn gingen allein 135 486 710 ^ ein.
5)ie Ausgaben (auSfchlieblich ber ÄapitalSanlagen) ftclltcn fid) auf
133939781^, Darunter bie für ÄranfljeitSfoften auf 120487910. Ir
(gegen 109 722 779 <At> int Vorjahre).
Von ben Äranfheitsfoften entfielen auf Slrgthonorar
26 914 241 <Ai, auf $lrgnei ttnb fonftige Heilmittel 20 699 812 Jl,
auf Slnftaltsoerpflegung, ©terbegelber, Unterftiihungen oon Södi*
iterinnen unb gürforge für StefonoaleSgenten 21 142 918 c M. Sin
Äranfenaelbern mürben 51 730 939 ^. aegahlt. 2)ur<hfdjnittlicb
fam auf ein VHtglieb für Äranfheitsfoftcn eine SluSgabe oon
14,45 JL Sluch hi^ hatten bie Bau*Äranfenfaffen biefen 3)urdj*
fchnittsfab am meiteften überfchritten, ba bei ihnen auf ein 3J?it*
glieb 20 , 74 ,4i. für ÄranfheitSfoften fanten.
5)er Ueberfchufe -ber Slftioeit über bie Vaffioen betrug bei allen
Äaffen 133 457 564 Jf. (gegen 120 769 326 Jf im Vorjahre).
Unter ben 5lftioen befaitben fid) bie angefammelten Steferoefonbs
in ©efammthöhe oon 119 627 754 Jt. (gegen 107 856 665 ^ im
Sahre 1896).
Slufeer ben bei oorgenannten Äranfenfaffen oerficherten Berfonen
maren im 3aljre 1897 nod) bei ben ÄnappfdjaftSfaffcn 526 067
Berfonen oerfidjert (gegen 496 946 im 3ah r e 1896).
©tatiftif ber entfchäbtgungSpflichtigen Unfälle für baS 3«hr
1897. ^ie 00 m SteichS*VerrtcperungSamt in Singriff genommene
Unfattftatiftif, bereit Höften bnrdj einen befonbers im ©tat oorge*
fehenen Soften gebeeft merben, ift fomeit geförbert, bafj mit ber
S)rudflegung ber Tabellen unb ©rgebitiffe hat begonnen roerben
fönneit. 2)ic fehr umfangreiche Slrocit roirb im Laufe biefeS mtb
beS nächften Sah^S crfcheincn. ©in Vergleich mit ber für ba*
Saht 1887 ootn StcichS*VerficherungSamt angefertigten ähnlichen
©tatiftif roirb intereffante ©rgebniffe liefern.
©rhäbnug ber Unfallgefahr burch nnftänbige Arbeiter. Die
bem StcidjSoerfidjerungSamt oorlicgeitben Siachmeifungen geigen
roieber oielfadj eine 3nnahute ber eutfdjäbigungSpflidjtigen lltifäflc
gegen bas Vorjahr. Siir biefe 3nnahmc finb bie oerfdjiebcnften
©riinbe ntaf^gebenb, einer ber roidjtigftcn aber ift bie ©inftellung
ungeübter Slrbciter. Sm Begirf ber rbeinifd)*roeftfälifdjen Hütten*
unb SalgmerfS*Berufsgenoi|enfchaft ift bie 3 a ht ber ftäubigen
1225
©ogtale $ro£t$. Eentralblatt für ©ogtalpoltttl. SU. 46.
1226
Arbeiter oon 58% im Safere 1896 auf 54, 2 % im Safere 1898
gefunfen, am tiefften in ber ©eftion II ber ©enoffenfcfeaft unb
gwar oon 52,7 auf 48,2%. *£>ier fanb alfo bcr gröfete Arbeiter*
wecfefel ftatt unb in ihr ift bcitn auch bie 3afel bcr Unfälle oon
10,3 auf 13,3 für je 1000 Arbeiter geftiegen, wäferenb in bcr gangen
©enoffenfcfeaft bic Unfälle fi(fe oon 10, 2 auf 10,9 oom Daufenb ge*
fteigert hatten. ©3 gefet bicS auch aus Tabellen über ben progentfafe
ber Verlebten im erfteit Safere ber Pefcfeäftigung auf ben Werfen feer*
oor. 3m gangen Pegirf fteigerte fiefe biefer Progcntfafc oon 38, 4 im
Safere 1896 auf 43,3, bagegen bei ber gmeiten ©eftion oon 46,7
auf 55, 8 . 3Rit ber Verringerung ber 3afel ber ftänbigen Arbeiter,
alfo bei oermefertem Arbeiterwecfefel, fteigt bie 3afel ber im erfteit
Sabre ber Pefcbäftiguitg oerlebten Arbeiter.
Das $ei<h$*Perfidjerttitß0aiiit auf ber Parifer PMtistSftettttttfj*
9?acf» einem Nunbfchreiben beS SReimSsPerficherungSamtS an bte
PerufSgcnoffcufdiaften loirb man fid), ftatt ber urfprünglicb
beabfiefetigten Ausstellung oon Lobelien auf bie Ausstellung einer
gro&eti 3 a *fl oon Photographien befeferänfen, bie Ptafcfeinen unb
anbere PetriebSeinrid)tungen, bie mit ©ebuboorfebrungen oerfefeen
fiitb ober bureb eigenartige ©eftaltung ©efeufe gegen bie PetriebS*
gefahren bieten, fomie ©erätfee gur uttfaHfidberen Pebienung oon
PetriebSeinrichtungen barftellen. Diefe Photographien f ollen in
befonberS fonftruirten Apparaten oorgefüfert werben, ferner roirb
beabfiebtigt, eine cjröfeere 3^bl d&arafteriftifcf)er Ptafcfeinen, ©erätfee
unb anberer PetnebSeinricfetungen in 3Rutoffop*Apparaten ber Art
gur DarfteHung gu bringen, bafj bie ^anbfeabung ber Ptafcfeinen
unb ber babei m Petracfet fommenbett ©icherbeitSoorfebrungen nach
Art ber fogenannten lebenben Photographien fic^tbar wirb. Die
^enifögenolfenfdbaften finb bureb baS erwähnte Punbfdjreiben erfmbt
worben, geeignete Photographien gu fammeln unb im Saufe bes
©eptember betn Peicbs*Perfid)erungSamte gu übermitteln. Eoentuell
foflen bie PerufSgenoffcnfcbaften beftimmte Einrichtungen, bie ficb
für bie erwähnte DarfteHung in P?utoffop*Apparaten eignen, bern
9teid)S*PerficherungSamte unter Angabe ber betreffenben gabrifanten
begetdjneu.
AlterSOerf orgaua ber Prioatbeamten ttt Ocfterreieb. 3m oer*
ficberungStecfemfcben Departement beS öfterreiefeifeben PtinifteriumS
beS 3»nern ift ber ©efefeentwmf über baS allgemeine obligatorifcbe
Penftonsrecbt ber prioatbabnen fertiggefteflt worben. Diefer Ent*
wurf bürfte gunäcbft ber Peratfeung in einer Encjuete untergogen
werben, ehe er bem Parlamente für ben SaH beS 3 u fanimentritteS
beffelben unterbreitet wirb. Pknn ber Entwurf ©efefeeSfraft er*
langen unb bem großen Greife ber Prioatbeamten bamit bie Ptög*
liebreit einer penfion für bie 3 e ü &eS Altert unb ber 3noalibität
gewährt werben follte, würbe einem feit Saferen angeftrebten
PSunfcfee einer Daufenbe umfaffenben PerufSflaffe enblicfe Rechnung
getragen werben.
Der Entwurf beS oerficberungStecbnifcben Departements beS
PtinifteriumS beS Snnern Bafirt in feinen ©runbgügen auf ben
Pringipien, welche feinergeit in einer gemeinfdjaftlic^en Pefprecfeung
ber Prioatbeamten*©ruppen feftgefteDt würben unb in golgenbem
gufammengefafjt werben fönnen: Die PenfionSberedfetigung ift eine
allgemeine, obligatorifcbe unb umfcfelie&t bie prioatbeamten unb
PrioatangefteHten aHer Kategorien unb auch bie nicht penfionS*
berechtigten AngefteHten beS ©taateS. Es werben nicht b!ofc bie
AngefteHten rein prioater Unternehmungen, fonbern auch jene ber
öffentlichen PerwaltungSförper, welche feine ©taatsämter finb, wie
ber ©emeinbeoertretungen, ©täbte :c., penfionsbereebtigt fein. SSie
oerlautet, beftimmt ber Entwurf, bafj bie PenfionSoerfid)erung für
alle prioatbeamten männlichen unb weiblichen ©efcf)lecbteS oom
18. bis gum 50. ßebenSiafere obligatorifch ift. Die PenfionS*
oerfiefeerung wirb auch für folchc prioatbeamte obligatorifch fein,
bie fich bereits aus einem anberen Ditel einen Pufeegenufc gefiebert
haben.
Die Perforguitg foll ben prioatbeamten für ben SaH ber Sn*
oalibität unb beS Alters, ferner ben SBittwen unb Ptoifen oon
prioatbeamten gu ©ute fommen. Die Eingablungen werben in
progentuellem Perfeältmffe gu ben Pegüaen fielen unb bie Koften
oon Unternehmern unb Peamten gememfam getragen werben. Die
für bie SSerforgung gu Ieiftenben ©ingahlungen finb auf ©runb
einer Durd)fd)nittSprämie berechnet, welche nicht mehr als 10 bis
12 % ber Vegüge beS Prioatbeamten beträgt. Sluf ©runb ber an*
gefteÖten SBeredjnungen ergiebt fich, menn ein Prioatbeamter
eine oiergigjährige ©ingahlung Ieiftet, er mit Erreichung beS
65. ßebenSjahreS ungefähr 75 o/ 0 feines ©ehalteS gu biefer 3rit als
SRuhegenufi erhält. Die SyterSoerforgung ber prioatbeamten wirb
unter ftaatliche Kontrole geftetlt. Der «bfaffung beS ©efehentwurfeS
gingen umfaffenbe ftatiftifche Erhebungen über bie ©fanbesoerhült*
niffe ber Prioatbeamten oorauS. Die Regierung liefe 100 000 Bfrage*
bogen für bie Unternehmer unb 520 000 3ähtfarten für bie Hn*
aeftellten auflegen. Pei biefen Erhebungen würben im gangen
reiche 25 922 Unternehmer unb 99 537 prioatbeamte gegähß, oon
benen 3920 bem weiblichen ©efflechte angehören. * Pon ben
99 537 Stageftellten ftehen 61900 im Dienfte gewerblicher unb
^anbelsbetriebe, 17154 finb in lanb- unb foritwirthfefeaffliehen,
4204 in Perg* unb £nittenbetrieben, 8057 bei Slboofaten unb
Notaren in ©teHung. Der fpegieHen Pefdjäftigung nach finb etwa
19 000 technifche, 7000 lanbwirthfchaftliche, 8000 forftwirthfefeaft*
liehe, 4000 abminiftratioe unb fommergielle Peamte, 15 622 Pu<h*
halter, 2320 Peifenbe, 1681 fiehrperfotien, 1409 Kongipienten,
370 ©chriftfteller, 1838 Slergte unb Slpothefer unb 1179 Ärtiften.
Unter biefen prioatbeamten bienten etwa 18 000 6—10, 18 778
11—20, 9716 21—30, 2871 31—40, 1006 mehr als 40 Safere.
Die ©tellenloftgfeit pro Safer beträgt 1,75% unb bauert burefe*
fcfenittlich 167 Dage. 3m Sllter oon 50 Saferen wäfert fie 248 Dage,
im SUter oon 60 Saferen 341 Dage. Pon ben gegäfelten 99 537
Prioatbeamten finb 55 541 oerfeeirathet, oon biefen haben 41 652
Aufammen 107 752 Kinber. Die ftatiftifefeen Erhebungen bilbeten
oie ©runblagen für bie Perecfenungen oerficfeerungStechnifcher SRatur.
Knffeebnitg ber 9)efernißett*9lrbeItSiiaihtoeife $tt Sinken lanb*
tvirtfefihaffliiher 9{ad|toetfe in ^annoOer. Staä) neuerer Pe*
ftimmung finb bie Perfucfee mit ber allgemeinen SlrbeitSoermittelung
für gu entlaffenbe Ptannfcfeaften einguftellen unb bie ©eneral*
fommanboS angewiefen, in 3nfunft auSfcfeliefelicfe bie in ben ein*
gelhen Prooingen oon ben fianbwirtfefchaftsfammern bereits einge*
richteten SlrbeitSnacfeweife für länblidje Arbeiter möglicfeft gu
unterftüfeen. Eine urbeitSoermittelung für ftäbtifefee ©teilen ober
für bie 3nbuftrie foH unterbleiben, ebenfo bie Petfeeiligung ber
Kriegcroereine bei ber Durchführung ber oon ben ©eneralfommauboS
naefe Penefemen mit ben Saubwirtfefdiaftsfammern gu treffenben
Ptafenafemen. Der Dberpräfibent ber Prooing ^annooer hat nach
bem „|>ann. Eourier" im Einoerftänbuife mit ben ©eneral*
fommanboS beS IX. unb X. SlrmeeforpS folgenbe SluSfüferungS*
beftimmungen für bie Prooing |>annooer erlaffen: DieKommanoo*
[teilen überfenben bie ßiften oerjenigen Ptannfcfeaften, bie naefe
iferer Entlaffung eine SlrbeitSfteHe wünfefeen, an bie Sanbmirtfe*
fefeaftsfammern 2 c. Die Sanbrnirtfefcfeaftsfammer forgt für bie
Veröffentlichung ber ßiften. Die Arbeitgeber fefeen fiefe bireft mit
bem ©olbaten, ben fie als Arbeiter wünfefeen, in Perbinbung. © 0 *
wofel bie Arbeitgeber als bie ©olbaten finb gu benachrichtigen,
bafe, wenn ber Arbeitgeber binnen aefet Dagen feine Antwort er*
feält, ber ©olbat auf bie ©teile oergiefetet, wäferenb ber ©olbat,
wenn er nicht antwortet, mit bem Perftreicfeen ber grift nicht mefer
beftimmt auf (Gelegenheit gur Arbeit bei bem betreffenben Arbeit*
geber reefenen barf. 3 ur icfenellen Erlebigung oon Anfragen finb
ungewanbte ßeute im Druppentfeeil tfeunlicfeft gu unterftüfeen.
Saubtoirthfcfeaftltihe ©euoffeufcfeafteti nab laubtoirthfcfeafflich
beu«|te Pobcujläche in ben bentfefeen PnnbeSftaaten. 9cad^ ben
neueften ftatiftifefeen Perecfenungen beftanben am 1. Suli 1899 im
Deutftfeen 9teicfee 12 736 bem ©enoffenfcfeaftSgefefe unterftellte lanb*
wirtfefcfeaftliche ©enoffenfefeaften. ©efet man nur ein halbes Safer*
efent bis auf baS Safer 1894 gurücf, in welchem noefe niefet fealb
0 oiel, nämlicfe erft 6031 lanbwirtfefcfeaftliche ©enoffenfefeaften be*
ftanben, fo ergiebt fiefe baS nie raftenbe PorwärtSfcfereiten bes lanb*
wirtfefcfeaftlithen ©enoffenfcfeaftSwefenS in allen ©auen Dcutfcfe*
lanbS. Namentlich feaben in biefen 5 Saferen bie norbbeutfefeen
Pegirfe ben Porfprung ber füb* unb meftbeutfefeen gum grofeen
Dfeeil eingefeolt. Das wirb am flarften, wenn man gufiefet, auf
wie oiel $eftar Iaubwirtfefcfeaftlicfe benufeter Pobenfläcfee in jebem
Pegirf eine ©enoffenfefeaft fommt. ÜJiit §ülfe ber Siften unb
Dabellen bes Allgemeinen Perbanbes ber beutfefeen laubwirtfefcfeaft*
Ucfeen ©enoffenfefeaften in Dffenbacfe finb barüber bie folgenben
Daten gu gewinnen:
1227
Soziale fragt«. Gentralblatt für Sogtalpoltttl. 5Rr. 46.
1228
Sn ben Söbten 1894 bi« 1899 fam'büwbfdjnittlicb auf 5836,
4904, 3913, 3296, 2970, 27.6! ha cin-e knibroirtbfc^aftUd)c ©c*
noffenfebofl im (Deutfd)en Sleidj; bie ©efefeung ba* fid) ülfo
mehr als oerboppelt. 9Jod) rafdjer f$rät ;fie oornmrt«, roenn man
freußen attein. in ©etrcuht gie$t, bcffen '3>unf)fd)nitte fid) immer
mtbr bem SReichSbuircbfcbnitt ndfitrh utifcr:für bic betreffenben Sab**
8820,. 6824, ,5094, 4090, 3698, 3451 ira für jebe ©enoffenfchaft
lauten. £üeß ba* feinen ©rwrb> bctrin,j baß 1 namentlich bie öftlidjen
prooingen crft feit 1894 lebbaf^ .irt; Iwä ^enoilenfdjaftgberoegung
eintraten ; beuili# seinen bie« fb<e,(Durd)rfdiüitte für Oftpreußen, roo
1894 auf 16 476, 1899 ftboit auf7464; &a eine lanbroirtbfcf)aftiicf)e
©enoffenfchaft loinmt, für; Weftpceußen: (1894 auf 24 618, 1899
auf 6936 ha eine; ©enoffenfchaft), fite Pommern (1894:25 502,
1899.: 6881), für ^Ifefiejl (1894;; i5 097, 1899 :2910), für
©ranbenburg (auf 32 780 kgto. 5315 ha):imb fofen (31 582 begro.
4569 ha); and) bie übrigen frooingeu; baeunter alte ©enoffen*
fdjaftögebiete roie $)annoper (1899 .atof 3290 ha eine ©enoffen*
fcbafk), Weftfalen (2559), §effen«*Äaffau (1120) unb tttbeinpreußen
(1309) b a bein unaufbaltfame gorlfchrüte gemalt, fie roaren im
$)urd)fd)mtt 1899 über hoppelt fo. ftarf -befefet roie 1894. p>a$
ungefähr gleite Sn nähmet)erbältnift. geigen bie meiften übrigen
©ebietetfjeile. $>a« retbtSrbeinifcbe Königreich ©apern mar 1894
auf 4441 unb ift jept auf 2238 ha mit einer ©enoffenfchaft befept.
3m Königreich Sad)fen finb bie 3 a ^ en 16 143 unb 7224, im
Königreich Württemberg 1700 unb 1264; in ©oben 2887 unb
1860, im ©roßbergogtbum Reffen 1022 uni* 765. (Die baperifd)e
Sftbeinpfalg bat gegenroärtig bte bid^tefte ©efepung mit lanbroirtb*
fd)aftlid)en ©enoffenfcßaften in (Deutfcblanb (eine ©enoffenfchaft fc^on
auf 521 ha), es folgen bann bet Sfaib« nach; Reffen, £>effen*$affau,
Walbedf, Württemberg, Slbeiupreußen, ©oben/ Koburg*©otba u. f. m.
©ethdligung bet ©enofenfdjnfteu an bet farifer Wfltait«*
a . Sin her f arifcr Wcltausfieflung füllen fid) aud) bie ©e*
djaften allgemein betbeiligen. (Dte frangöftfcben ©erbänbe
ftellen in ben 3ad)abtbeilnngen ihre« ßaube« für ßanbroirtf)fd)aft,
|>aitb!Perf, Strbeitenooblfabrt^eiTrricbtungen u. f. ro. au«. (Die eng*
fifdje ©roßbanbelsgcfellfcbaft her Künfumoereine (Wbole Sale-
Society) will alle bie ntaiiuigfacben Waarcit gur 9 lnfcbauung
bringen, bte fie ben gfqmilien ihrer Vfa Wittionen Witglieber
liefert, unb cbcnfo bie galjlretd)en non t^t in eigenen SRiefenfabrifett
bergeftcflten Waaren, injonbcrfiett Kleibungsftüde unb ,§au«*
baltmtgsbcbürfniffe. (Der ©erbcntb her engltfdjen ©enoffenfc§aften
ftettt Saf)re«6eric§te liub 0 d)riftcn ait«, ebcnfo her allgemeinerer«
Banb her beutfdjicn ©ttoerb«? wt$ TOhbfd)aftSgcnoffenfcbaften gu
l£l)arlottenburg. ©cfonbers lebhaft, ift man baruni bemüht ge«
ttrefen, Jbie rcid)faltige ?lu^ftel[ung be« allgemeinen ©erbanbe« her
beutfdjeu lanbroirtbtd]aftticbcn ©drroffenfe^aften (Offenbarer ©er*
banb), beffen oielfeitiqe SpcgTalfrtrteu, grapbifd)c 3 )arftettungen,
Literatur unb Sormniarfatnntlmigcn, Spcrrfartenautomaten zc. auf
ber bieSjcr^rigeit, bentfren Ianbroirtbfib a f*Ii 4 cn 2Iu«ftettung gu
gra.nffurt große« Slnffeljcu erregt bähen,: für fari« gu erneuern.
Äti« (Deutfcblanb roirb ferner für bic 9 fii«ftettiing feiten« her ©cn*
tralfteüe fnr 51 rbeiterroof)lfa 1)rtöeinricfjtnugen eine ©efammtbar«
fteflnng her Woblfafjrt«pflcge in ^cntfiblanb oorbercitet, in her
auch ba« ©enoffcnfd)aft«mdfen eingcljenDc ^ 3 erü(ff!cf)tigung finbet.
fieiber ift e« Bei bet Süorbnuncj her Weltan«ftellnng nicht möglich
geroefen, bie internationale ©enoffenfd)aft«au«ftellung an einer
(Stelle untergubringen; oielmehr muß jeher SBerbanb in her Slb«
theilung feine« i 3 anbe«. au«ftcljen.., ^ie S 3 etheiligung 2 )eutfchlanb«
an ben internationalen .^ongii»ffen btr4tün[innoereine unb ben
Ianbmirtl)fchaftlichen 0)enoffen)d)afteu, tüie au her oierten ©eneral«
nerfammliing be« internationalen ©enoffenfdjaft«bunbe«, bie im
(Sommer 1900 mährenb befc ^n«ftdlung itt ^ari« ftattfinben, er«
fdjeiut nad; ben neueften refpredjungen ebettfaU« gefiebert.
2t Ikrbonlittg be« CeuträUMtbrntbe« bet ftSbttf(hen $att«« unb
©nmbbefl#tr*rmtn^ ^er preuf;it.d)e öanbe«oerbanb ftäbtifd^er
^aus* unb ©ntnbbefiher«rcrfine befdiloß am 8. ?luguft in Glberfelb,
beim ßaitbtage um SKilbcrung bc^ Momntmialabgabcngefepe« gu
©liufteu be« ftäbtifchen JjSau«befibe« unb ftärfere Meiangidjung her
©roßgemerbetreibenben gu ben bitrd) ihren iöe&ieb ueranlaßtcn £djul«
unb ärmcirfafteu gu petitionireu,. ferner um Sb*ug«fähigfeit ber
fonununalen ©ruub«, 0)cbäube», ©etoexbe« unb iBetrieb«)teuer, fomie
einer auörcicfjcnben Sbnubung«guote bei ber ßiufommenfieuer«93er«
anlagung. Saugen off enfebaften unb Saugefellfcbaften foöen au«
9ieicb«* / @taat«« unb Äommunalmitteln nur infomeit — uub groar oor«
übergebeub — unterftüpt roerbeit bürfeit, al« ba« genoffcufdjaftlicbe
Sauroefeu in erfennbarer Weife im (Sinne ber ^rioatmobltbätigfeit
au«geiibt roirb ober bie prioate Sautbätigfeit in Öolge Eintritte«
außergeroöbnlicber ©reigniffe ben Sebarf an Wohnungen nidjt beeft.
Slnberenfall« fott bie Unterftußung Sehern gegeben roerben, roelcber
Slrbeitermobnungen nach befonberen, oon ben Staats« begip.
^ommntialbebörben gu gebenben formen erridyteit mitt. Wie in
ben Sorjabren „fann bie §auptuerfanuulung nicht anerfenneit, baß,
non oereingelteit Satten abgefeben, eine WobnungSnotb in ben
Stabten befielt", eine ©rflärung, bie fdjled)t gu ben fparfainen,
aber heutigen Eingaben ber preußifeben ©eroerberätbe für ba«
Sabr 1898 ftiimnt, bie befonber« über bie ungerechtfertigte f)öbe
ber ^Rietbpreife bei ttWangel unb ungulänglicber Sefcbaffenbeit her
Wohnungen (Dftpreußen, Königsberg i. ^Sr., Stabt Rangig, ©örlip,
©rfnrt, ®agbeburg :c.) berichten. —
Som 9. bi« 11. Shiguft tagte eben bort ber ©entralnerbanb
ber ftäbtifchen £>auS« urtb ©runbbefiper«Sereine ©cutfchtanb«.
©r fprach ftef) für bie gefepliche 3ulaffung einer Serfidjcrung
be« 3Rietb«oerlufte« unb be« gefdjäbigtcn Snirreffe« in Solge
©intritt« elementarer ©reigniffe au« unb bereit Su f nab me in
ein etroaige« beutfehe« 9teid^S«Serficherung«gefeb. ^er non ber
Komntiffion ausgearbeitete einheitliche 8Rietb«ocrtrag fott al«
©kunblage für Wietb«oerträge nach oem Sürgcrlicben ©efepbuebe
benußt roerben, lofale Senberungen bleiben erlaubt. Was bie
£>au«befiber fid> bercut^nebmen gu biirfen glauben, geigen einige
Paragraphen be« ©ntrourf«. ^er urfprünglicbe §. 9 oerbot bie
Sufnabmc anberer ^erfoiten al« gamilienangebörigcr (SraUf Kinber
unb 93ebienftete) über oier Wochen bi naug - Sft biefe Srift oon
oier Wochen auch mit ber SBcgriinbuitg geftridjen roorben, baß es
hoch oorfommeit fönne, baß Semanb feine Butter ober fouftige
Snoertoanbte gur Kür aufnebnten rootte, fo ift ba« SBerbot
baue ruber Sirfnabme anberer ^ßerfonen al« Sfamilienangeböriger
befteben geblieben. ^)ie §§. 17—18 unb enblid) 13 lauten:
§. 17: $5te beigebrudte ^)au«orbmmg gilt al« SeftanbibcÜ öc«
Vertrage«, unb berechtigt bte SRidjtbeacbtung oerfelben nach brrimaltger
SRahnung ben 25ermiether gur Künbigung be« Vertrage« mit breitägiget
Künbigimg«frift.
§. 18: 3öetm ber $ermietf)er roegett 23erfioße« be« SKiether« gegen
bie SBertraggpfücbten, gemäß ben Seftimmungen be« 6)efepe« ooer
biefe« Vertrage« (9Jichtgahlung ber SKiethe ober Berlefcung ber ^aus«
orbmtng), oon feinem Künbigung«redjt ©ebrauch maebt, h a fl et her
SJhether bem SBermiether für ben Su«fatt an 3)Hetbe für bie gange
$Bertrag«bauer.
§. 13: HÄietber haftet bafür, baß bie eingebraebten Sttobilien unb
SKooentien fein freie« ©igentljum uitb mit feinem ^fanb belaftet ftnb.
Soßte bie« unrichtig fein, ober ber 3Rietl)er bie« fein Mobiliar nidu
pfanbfrei in bie SJ?ieth«räume einbringen, fo ift ber 2krmietljer jebergeit
berechtigt, oom Vertrage guriiefgutreten. 3 inu 3 l ® e£ l c her Siisütumg
biefe« gefeblid^en ^fanbrecht« fteht bem 3?ermiether ba« Siecht gu, bie
SDHethräume im SBeifeiu eine« 3 eu gen gu betreten. 2)affelbe Stecht ftebi
auch einem ©eauftragten be« $krmietf)er« gu.
^)ie SSerfammlung empfahl bem SSorftanbe, bie Silbung oon
$fanbbriefinftituten für ben ftäbtifchen ©runbbeftp überatt mit
Statt) unb &bat gu unterftüßen, foroie für bie Sförbcrung unb
Sefferung Beftebenber öffentlicher Seuerfogietäten begro. Schaffung
neuer Sogietäten burch ^rooingen ober Stäbte eingutreten unb
außerbem mit bem SSorftanbe ber oereinigten Seueroerficberiing«*
gefeüfcfjaften über günftige ©ebingungen in SSerbanblung gu
treten. (Die Srage ber Sicherung ber 23auforbenmgen fonnte
wegen Wangel an Söctbeiligung nicht oorberatben roerben.
bie Stäbtereinigung fteHte her $8erid)terfiatter (Bauratb peoeling«
©berSroalbe) folgenbe ©runbfäbe auf:
1. ^ei ©roßftäbten fommt oorroiegetib bie Schmemmfanaltfation
mit Seriefelung in betracht. 2. ©ei mittelgroßen Stabten tritt neben
ber Sdjioemmfanalifation bie Drennfanalifation mit ©ericfclung ober
fiinftlichcr Reinigung in SSettbemerb, 3. ©ei inittelfleiuen Stabten ift
ba« met)r ober ntinber ooßftänbigc Drennfpftein angebracht, mobei bie
gäfalien entmeber burd) Kanalifation ober burd) organifirtc Abfuhr be«
feitigt merben. 4. ©ei fleinercti Stabten ift bie organifirte ?lbfnbr,
namentlidj mit bem Doimettftjftem, ba« gioecfmäßigfte. 5. ©ei 1 unb 2
ift centrale SBafferlcitnug nothmenbig, be«glcichen bei 3, außer meitn
Säfalienabfuhr ftaiifinbct; in biefem gaüe ift and) für gaü 4 bie
SBafferleitung au«gejchloffen.
(Die balbige allgemeine ©infiibrung einer Wobnuuc^^ =
beauffiebtigung unter Witmirfung oon öttwöroirthen, Wietliem
unb Berglen hatte ber ©erid)terftatter (©aumeiftcr §artmig =
DreSbert) in feinen £eitfäfccit für ioünfd)cn«toertb erflärt, eine ^e=
fcblußfaffung über biefe grage rourbe aber bi« gum Häuften 2?er»
banbstage oertagt, ber in ©rfurt ftattfinben fott.
1229
Sogiale $ra$i8. Gentralblatt für 6ogiaIpoIitif. 9fr. 40.
1230
©öopmmgSfürforge ber 9leühSpoß-©erttMlhmg. Um fiep über
bie SBohnnngSocrhältmffe ihrer Ünterbeamten gu unterrichten, ner*»
anftaltet bie 9ieid)£poft*©enDaltung an ber £>anb eines Fragebogens
oon 21 Fragen Erhebungen über bie ©efdjaffenheit beS ©aufeS,
feine Entfernung oon ber ^oftanftalt, bie 3al)l ber ©Sohnräume
unb bereit Einrichtung, beit SJiiethSpreiS, bie 9frbengelaffe, Abort,
©Safferoerforgung 2C., über bie 3af)l ber gum gauSftaitbe gehörigen
f erfotten begro. ber ©chlaffteHeninhaber uno Ißenftonare. Eine
al)l anberer Fragen follen ben hhgienifdpeh ©Serth ober itnwerth
ber Wohnungen feftftellen. Fn Sägern haben bie ähnlichen Er*»
hebunaett über bie ©SohnuttgSoerhältniffe ber Eifenbahubcamten ein
oielfach recht betrübenbeS Silb ber ©Sühngelegenheit unb beS ©Sohn*»
bebürfttiffeS ergeben unb ^Infäfee gur Abhülfe gebracht. ©Sir fürchten,
biefe Erhebungen ber 9?eichSpoft**SernmItung narben fein beffereS
23ilb ergeben, unb hoffen, baß ihrErfolg eine planmäßige ©SohnuttgS*»
fürforge ber ©erwaliung bort fein toirb, too'.baS ©ebürfniß e£
erheifdjt.
Beerfjtepatbe SSopnunge* in ©erlim Xrop ber hohen 3 a hl
ber leerftehenben ©Sohnungen laffen bie JiauSeigenthümer mit bem
Steigern ber ©fretljpreife nicht nach- 12 253 SÖohnmtgen unb ©e»»
fcpäftslofale haben in Serlin nach ber oon ber ©runbfteuer»
oerwaltung angeftellten Erhebung gu Seginn biefeS FapreS leer*
geftanben. Xer SahreSmiethSmerth biefe Sftäume belief ftch auf
8 734 784 .41 Ibl ©Sohnungen ftanben bereits ein ganges Fahr,
516 IV 2 3£h*/ 240 gwei S^hre, 264 brei Fahre, 162 oier Fahre,
91 fünf Fahre unb 214 noch länger leer. Son ber ©efammtgahl
waren 8446 ©Sohnungen ohne ©efchaftSräume, 686 folche mit ©e*
ÜhäftSräumen unb 3121 ©efdpäftslofale ohne Sohnungen. Segen
9ieubauS waren 914 Sohnungcn unb ©efchäftslofale unoermiethet.
©on ben leeren Sohnungen hatten 4323 nur ein 3intmer, 1908
beren gwei, 1557 waren fogenannte ©frttelroohmtngen mit 3 bis
5 3intmern, 510 große Sohnungen mit 6 bis 10 3imment unb
34 folche mit mehr als 10 3 intmern. Sei einer Angahl ber ©Sop*
nungen fehlten nähere Angaben.
Arbeiiertoopnpättfcr für lanbtturtpfcptftlidic Arbeiter in Oft*
prenßen. Xcr ©orftanb ber oftpreußifdjen SanbroirthfcpaftSfammer
hat eine Sfommiffion gewählt uitb biefer 51 t ihren Arbeiten 2000 dt
gur Verfügung gefteüt. Es füll ein ^reiSauSfcpreiben erlaßen unb
gur Einretchung oon Saupläneu unb Artfcplägeu für länblicpe
Arbeiterroopnungen aufgeforbert werben; für bie beften Arbeiten
follen greife oon 800, 500 unb 350 dt . gezahlt werben. Au£
ben prämiirten Arbeiten foll bann baS für bie prooingieüen Ser**
hältniffc geeignetfte ^ßrojeft gufammengefteßt werben. Xtefe ben
Erforbentiffen am meiften entfpreepenben Arbeiten werben bann
oeroielfältigt unb an Sefiper unb fonftige Fntereffenten 311111 greife
oon 1 dt abgegeben werben.
(ftewerbtgeridite. (fcmigungsSmter, Sd)iti»sigerid)tc.
Xie EinignugSämtcr in Belgien 1898. Xen 1898 in Selgien
amtirenben 30 Conseils de Prud’hommes würben 7872 Streitigfetten
oorgetragen, was einer neuerlichen Steigerung ihrer Xpätigfeit
gleichfommt, bie 1896 bie Erlebigung oon 7624 unb 1897 oon
7470 Streitfällen umfaßte. Xem „Bureau de Conciliation“ würben
7821 StreilfäEe aus bem Arbeitserträge oorgelegt; in 5060 Fällen
ober 65o/ 0 würbe eine Einigung ergieß; iit ben oor baS ©eriept
ber Prud’hommes oerwiefenen 1108 Streitfällen erfolgte in 54 o / 0
ber Fälle eine Erlebigung burth Urtpeil, in 491 Faßen erfolgte
ein gerichtlicher Ausgleich unb ber SReft war gu FapreSfdpluß noch
in Schmebe. FnSgefammt würben 70o/ 0 ber Streitfälle im etni*
gungSamtlichen Seae erlebigt, fei es oor bem EiniguugSamte, fei
eS oor bem ©ewerbegeriept. Xie umfangreichften Agenten weifen
auf bie Aemter oon Eharleroi mit 1200 Streitfällen (918 in
1897), fiütticf) mit 1157 (1008 in 1897), Sörüffel mit 904 (963 in
1897) unb Steiles mit 744 (689 in 1897) Streitfällen.
Xa8 Board of Trade als EinigungSamt. Xie Berichte beS
englifcpen |)anbelSamteS über feine einiguttgSauitliche Xpättgleit
aut ©runb beS ©efepeS oont Fahre 1896 finb etwas unregel*
mäßig. Xer erfte umfaßte bie erften gehn Monate ber Sirffatnfeit
beS ©efepeS, unb ber gweite, bett ©fr. ©ateman foeben erstattet hat,
umfaßt einen mehr als hoppelt fo großen 3 e üraum, nämlich bie
3 eit 00 m l.Fali 1897 bis 30. Fnni 1899. Iropbem ift bie 3ahl
ber FäEe, über bie berietet wirb, gering; währenb in beit erften
gepu Monaten bas ManbelSamt in 35 Faßen internenirte, bc**
frfiäftigte es üd) als Einigungsamt iit ben folgenbeu gwei Fahren
Seraniroonlitlj für bte JtebafUen: Dr. Srnft
nur mit 32 Streitfäßen, .oon welchen 22 als „auf ©runb beS ©e-
fepeS beigelegt" auSgewiefeit werben. ©on aßen 67 Streitfäßen
feit Fnfrafttreten beS ©efepeS würben 41 einigungSamtlich beigelegt.
Xie übrigen 26 Fäße umfaffen 12, in welchen bas §anbelSamt bie
einigungsamtliche Fnteroentxon, bie gefordert würbe, ablepute;
7, in welchen zwifepen ben Parteien bireft ein Ausgleich gu Staube
femt währenb ber Sßerhanblitngen mit beut Board of Trade, unb 7,
in benen baS gianbelSamt etne Einigung nicht ergielen fonnte.
SSon ben 41 beigelegten Streitfäßen würben 26 im SBege beS
EiiügungSoerfahrenS unb 15 burch SchiebSfprud) beigelegt. Fa
2 Fäßen interoenirte baS .sjanbelsamt aus eigener Fmtiatioe,
in 12 Faßen auf SBunfch beiber Parteien, in 14 auf Verlangen
ber Arbeiter unb in 4 auf jenes ber Arbeitgeber.
XaS Board of Trade bemühte fi<h auch weiterhin um bie
Errichtung oon Fach 5 unb XiftriftSeinigungSämtern unb es würben
oier neue folche ins öeben gerufen; ihre ©efammtgahl beläuft fidj
nunitiehr auf neitiigehn.
fttennrtr^t SUtjetgat.
.tlei), Dr. 2B. Set Äntpp. Eine fogialpolitifdie 9teifeffigge unter bc=
fonberer Serüdftd)tiaung ber Arbeiter**5Bol)nungSfürforge. Wlit
oielcn Sttggen, grappifthen Xafeltt unb Sabeßen. Seipgig 1899,
Xnncfer & £mmblot. 165 S. S^eiö 3,60 M.
XaS Süchlein fcpilbert in anfcpaulither 9öeifc, wie ber Segriinber
beS größten oaterlänbifcpen Etabliffements fiep burd) unermiibltche SluS*
bauer unb Sebarrlidjfeit aus Kummer unb Sorgen, bie tpn fdjoit als
oiergebnjäbrtgp Änaben 2ag unb Stacht brüeften, emporgearbeitet pat.
95efonbers etitgepenb wirb bie SSopnungSfürforge bepanbelt. Für bte
3659 Arbcitermopmmgeit ber Fi rma ift ein Anlagefapital oon
12256075 .//. erforberlicp gewefen, bas ftep gu 2,i % oerginft. ^ei ben
ftep fteigernben Sobenpreifen unb Saufoften läßt ftep baS Eottagefpftem
nicpt rttepr burcpfüpren. Xie Scprift fann Febem, ber ftdp für bie fogial*
politifepen SKaßnapmen beS größten inbuftrießen ltnternepmenS Xeutfcp*
lanbs intcrefftrt, empfoplen werben.
o. Sobcn. XaS FnoalibenoerficperuttgSgefep ootn j*’-'I™ 1 -unter
fortlaufenber SRumuterfoIge ber ^arägrappeit nadj ber 5Befamtt«
mad^uttg oont 19. Fult 1899. 2ertauSgabe mit .fperoorpebung
ber Steuerungen, Sgorbemerfungen^ 6 Anlagen (entpaltenb bie
wieptigften SunbeSratpSbefcplüffc) unb Sacpregifter (SKeinpolbS
Furiftifchr §anbbtbliotpef. ^anb' 107). 2cipgtg 1899, Albert
Serger (Serig’fd)c Bucppattbluitg). 128 <3. $rei$ . 1,60
Xiefe panbltcpe 2ejctauSgabe eignet ftep befonberS baburep gur
rafepen Einarbeitung in bas neue ©efep, baß bie neuen Seftimmunaen
gegenüber beit biSper geltenben burep lateinifepeu Xrucf pcroorgepobeit
finb.
SBeißweiler, F-> Settfaben für preußtftpe ©emctuberätpe unter ber
^errfepaft beS SSürgerltcpen ©efepbucpeS. 6. gänglicp umgearbeitele
unb oermeprte Xoppelauflage. ^annooer unb Berlin 1899,
Earl 90teper (Enftao ^5rtor). 78 S. ^reis 1 M ., tn Partien
biütger.
Faprbitdjer für Statiönalöfonomic. Eegrünbet oon SSrutto
§tlbebranb. ^erauSgegeben oon ^3rof. Dr. F- Eonrab in 9Ser s
binbung mit ^rof. Dr. Ebg. Soening unb ^rof. Dr. SB. 2ejiS.
III. Folge- 17. unb 18. $8b. SWonatlicp erfepeint ein lieft,
6 §efte bilben einen ©anb. fpreiS beS ©anbeS 15 M., beS ein»
gellten |>efteS 3 M.
Le Mouvement Social ist e. Revue bismensuelle internationale.
No 12 et 13. Paris, Georg Bellais, 17 rue Cujas. Prix: France
et Belgiquo 0,40 fr.; autres pays 0,50 fr.
Statistische Mededeelingen, mitgegeven door het Bureau van
Statistiek der Gemeende Amsterdam. No. 4. De gemeentelijke
Incomstenbelasting in de Belastingjaren 1894—95 en. Amsterdam
1899, in commissie bij Johannes Müller. Prijs f. 0,40.
Urifere Englanbretfc! ©eriept beS EefcpäftSfüprerS unb ber Auf-
ftcptSratpmitglieber ber EroßeinfaufS = Eefeßfcpaft Xeutfcper
Äonfumoereine mit befepränfter Haftung über bie ©ciicptignng ber
Co-operative Wholesale Society Limited unb ber englifdien
Äonfumoereine. Hamburg 1899. .^eransgegebeu im ©eriag ber
EroßeinfaufS=Eefeßfcpaft iteutfdjeu Monfumoereine mit befdjrantter
Haftung.
The Quarterly Journal of Economies. Vol. XIII. July 181)9.
Xo. 4. New York and London, Macmillan & (’n.
Annals of the American Academy of politieal and social
Science Vol. XIV. No 1. July 1899. London, P. S. Kiirj
A; S 011 . Price per Year Lstr. 6,00, per Number Lstr. 1,00.
| E pennt iß. ©eriept über bie ©erwaltung unb ben 3 tanb ber Ee=
1 meinbeangelcgenpeiten pro ls9s.
Stande iit Setlin W., 8ai?teutl|erftrafee 2y.
©oktale $ra£i8. <£entralblatt für ©ojialpoltttf. 9fr. 46.
©i< »Stottet* f>ratri**‘ erfdjeint an jebem ©onnerfitag unb ift burdj alle Biidjfjanblungen unb $o|tdmtei (Boüieitunßftnuiumer 7072) ju belieben, ©er B«t‘ 3
für ba« Biertetjabr ift 3H. 2,50. Sebe Kummer foftet 30 Bf- ©et SHnjeigenpreiS ift 60 Bf- fü* bie breigefpaltene Bereife.
Durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Der Grossbetrieb
ein wirtschaftlicher und socialer Fortschritt.
Eine SMß auf dem GeMete der Baomwollmdnstne.
Oerliart von Schulze-Gävernitz.
1892. Preis 5 M. 60 Pf.
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschel, Berlin W.
KrankenversictieFangsgeseti
vom
1 5. Juni 1883
IO? A prill892*
Mit Einleitung und Kommentar
von
Julius Hahn,
Amtsgerichtsrath.
Zweite, umgearbeitete und reich vermehrte Auflage.
1898. Preis 6 Mk. t geh. 7 Mk.
Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig.
Englische Wirtschaftsgeschichte, fine Ein¬
leitung in die Entwickelung von Wirt¬
schaftsleben und Wirtschaftslehre. Von
W. J. Ashley, M. A. Autorisierte Ueber-
setzung aus dem Englischen von Robert
Oppenheim. 1896. Geb. in Leinewand.
I. Das Mittelalter.
4.8O Mk.
II. Vom 14. bis zum 16. Jahrhundert.
iO M.
Zwei Bücher zur socialen Geschichte Englands.
Von A. Held. Aus dem Nachlass heraus¬
gegeben von G. F. Knapp. 1881. 16 Mk.
Das englische Arbeiterversicherungswesen.
Geschichte seiner Entwickelung und Ge¬
setzgebung. Von Wilhelm Hasbach.
1883. 10 M.
Zur Geschichte der englischen Arbeiter-
Bewegung im Jahre 1871. 1872. 1.60 M.
Das englische Armenwesen in seiner histo
rischen Entwicklung und in seiner heutigen
Gestalt. Von P. F. Aschrott. 1886. 10M.
Die Entwickelung des Armenwesens in
England seit dem Jahre 1885. Von
P. F. Aschrott. 1898. 1.40 M.
Englische Auswanderung und Auswanderungs¬
politik im XIX. Jahrhundert. Von Kar
Rathgen. 1896. 6.80 M.
Agrarische Zustände in Frankreich und Eng¬
land. Auf Grund der neueren Enqueten
dargestellt von F. Frhrn. von Reitzenstein
und E. Nasse.
Die englischen Landarbeiter in den letzten
hundert Jahren und die Einhegungen. Von
W. Häsbach. 1894. 9 M.
Die britische Genossenschaftsbewegung. Von
Mrs. Sidney Webb (Beatrice Potter.)
Herausgegeben von Lujo Brentano. 1893.
Geb. in Leine wand. 4 M.
Untersuchungen über die englische Eisenbahn¬
politik. Von Gustav Cohn. Zwei Bände.
1874 75. 20 M.
— (Dasselbe.) Neue Folge. (1873—1883.)
1883. 5 M.
Die Handelspolitik Englands und seiner Kolonien
in den letzten Jahrzehnten. Von Carl
Johannes Fuchs. 1893. 7.20 M.
Eine neue Ära Englischer Socialgesetzgebung.
Von Otto Bielefeld. 1898. 2.20 M.
.iu'vantroortii.i) für fcte 'Ansagen; tfcümmij Weibel, L'eipjtg. — Verlag oou Duncfev Al ijea'sig. — Webrucft bet Sultuä Sittenfelb, Setlin.
vm. golprgaiqj.
®erlitt, beit 24. ?(uguft 1899.
|lummer 47.
Soziale prajte.
^entrafbfaft für ^ogiarporifiE
mit ber SRonaiSbetlage:
Das (Bewerbegevich*.
0rgan bes Detbanbes beutfdjer <5en>erbegerid?te.
«Reue golge bet „©Iftttcr für fo^tate ^raytS* unb beS „Sozialpolitifchen ©eutralblattß*.
drfdeiiit ** Jefcem Sottner»«!.
fRebaftton: Sertin W., ©apreutberftrabe 29.
Herausgeber:
Dr. drnjl «frandte.
»tri« »iertelj«*rl«t 2 ». 60 Vf.
Verlag Don $umfev & Humbtot, Selpzig.
3 »l)alt.
9 ?egatiDc unb pofitiüe ©ctoetl*
oerein«poIttif. III. ©on ©rofcffot
Dr.&uio®tentano,9Rfin4)en 1233
IB|awtM90ili(* unb 9Slgf$f4*ftf-
»•Mit.1237
SoatatpoUtifcpe Sßünfcpe 3 Ut
nädjftcn ©olf«aäblun 0 . ©on
Dr. J&iifcbberg, (Sborlottenburg.
ßioonflSinnung unb 9W>eit«nacbtt>et«.
Ster 3 etjnftunbentag in ber öfter*
reidnfdjen Sejtiltnbuftrie.
Mrbettßebtr» unb Uttlcvnebmcrber*
bünbe. . . ,.1240
$):r beutfcpe Strbeitgeberbunb für ba«
©außeroerbe.
12. dentralberbanbttag be« ©äder«
SnnunßSöerbanbe« „©ermania".
STeutfd)« Stiftplertaß.
«tbeUcvbctottuug.1241
<£ie beutfc^en ©etoerffcpaften
im Sabre 1898.
Slrbeiterfefretariat unb Stabtratp in
SDlannbeim.
£)ienftboten*©erIammtunßen in ©erlin.
£)ie ^Berliner 9toD!utfcber unb Spe*
bitionSarbeiter.
555eutfd)nationaIer £anblunß«ßef)ilfen*
©erbanb.
(Jinißunß im englifdjen ©lafcbtnenbau.
©ie ÜRaffenauöfperrung in ©änemarf.
ftetetterfVtt».1245
(sdjufc ber in beutfcben 3 ünbbo 4 *
fabrtfen befdjäftißten Arbeiter.
SBauarbeiietjibub in ©Opern.
©nglifdje SlrbeiteifdjufebiU«.
ft«bfitcff»erfUb<nmfl.@»«*ta1V«i 1246
3 ur ©teHung ber Siebte au ben
ftranfenfaffen in Sachen.
SRentenfteUen für bie 3> nöa ltbenöer*
ftcberung unb ber ©erbanb eöange*
Iifcber ®rbeiterbereine SBÜrttemberg«.
aUet«penfton8*Borfd)Iäße in ©nßlanb.
Untcrftübunfl bet Frlendly societies
burcb ben ©raffcbafi8ratp in (Sljefptre.
.1248
©iaatlidje 9Bobminß«reform in ©apem.
@emeinbli<be 2öopnunß8fürforße für
ftäbtlfcpe Arbeitet unb ©ebtenftete in
Nürnberg.
jEBobnungfifürforge in ßeipaiß*ßin*
benau.
Eöofjnungflöerpöltntife in tfatlörupe.
4H§teb»ut «mb «Übung.1250
#anbel«fdjule für toeibltdje SingefteUte
in Hamburg.
Unentgeltlicbfeit ber Seprmittet in
Büritb.
©emegung gegen bie gortbilbung«*
faulen in ©nglanb.
©dperbeaevUbte. «inigungfümlev.
e«teb* 0 ert*tc.1251
9aU9<i(uitgen tes »rwcrtegeri^ts ?Jrr(m.
Sftebigirt non Dr. Sdjatporn, ©e*
toerberidjter, Serlin.
SRetbtfpretbung.
Sft ber Arbeitgeber befugt, einen
unter ßünbigung«au8fd)lufc an»
genommenen Arbeiter im Saufe
einer ibm übertragenen Afforb»
arbeit au entlaffen?
©eilegung eine« Streif« in Stuttgart
burcb ©ermittelung.
©rrieptung eine« pribaten Schieb«*
geriet« in ©unalau.
Aeforai ber ©eioerbegericpte in granf*
teidj.
8tier*rtf4e ttnaetgeu.1254
Abbrud fämmilicpet Artifel tft Bettungen unb 3*itfcprtften geftattet, feboeb nur
mit Poller Quellenangabe.
Ucgatioe unb pofUioe ®twrrhtiereln?poUtik.
III. Sie llncntbebrlichfcit ber ftoalitionSfrcibcit.
Bir haben gefepen, bie tnobente BirtpfchaftSorbnung fjat
ben Arbeiter jebern anberen Verfäufer gleicpgeftellt, ber feine Baare
für eigene SRedjnung unb ©efa^r uerfauft. 0ie bat bie geftftellung
ber Sübeitsbcbingungen bem entfprecffenb ber freien Vereinbarung
gtuifeben Käufer unb Verläufer iiberlaffen. S)er Arbeiter bat gleich
jebern anbereit Vcrfäufcr baS Dtecfjt, bei fteigenber Nachfrage* nach
Sirbeit belfere HrbeitSbebingungen git forbern, unb ber Arbeiter
bat bem entfprecbenb ben berechtigten ?(nfprucb, ba§ Vebörbett unb
öffentliche Meinung ihn biefeei Stecht ebenfo ungeftört anSnuhen taffen,
tüte fte bieg anberen Vcrfäufcrn geftatten. ®ie inbioibualiftifchc
Stationalöfonomie oerroeift ben Arbeiter rote jeben anberen Verfäufcr
auf bie SluSnuhung biefer Äonjunftur für bie Vefferuitg feiner Sage.
Umgefebrt macht fie ihn auch ucrantroortlich, roenn bag Angebot non
Slrbeit bie 9tad)fragc überfteigt. V5ie jeber aubere Verfäufcr muß
er fi«b bann eine Verfchlcchterung feiner Slrbeitsbebingungen ge¬
fallen Iaffen. SBarunt, fagte fie ihm bann, bift btt ba? SBarutn
foÜ. ber ©efammtbett bie Verantroortung für ben Scicbtfinn beiitcr
(SIterrt im Heiraten unb ^inbererjeugen aufgebürbet roerben?
HöcbftenS bal man bie alten @becrf<broerungen lange Beit bei-
behielt, big man fie bur<b (Srmabnungen gegen unDorfidjtige Hei-
ratben erfefete. SDRan fanntc atfo, roo ber Sohn unter bag SJiaB
beffeit fanf, roag uad) Vta^gabc ber üblichen Scbcngbattung alg
jum Scbcn unentbehrlich anaefeben rourbe, nur bett acfchlechtlichen
Streif alg SRittcl ^ur Stnpaffung beg Slngebotg ber Vlrbeit an bie
Nachfrage.
®iefe Sluffaffung, roelctje an bie Stelle ber alten Stegclung
ber Slrbeitgbebiitgungen fei eg burch Herfommen, fei cg burch bie Ve-
börben getreten ift, bat ben Slrbeitcrn ben Vorteil gebracht, baft
bantit bie ©leichbeit beg Stcrf)tS beg Slrbeitcrg gegenüber bem
Arbeitgeber unb allen übrigen ©efeUfthaftgflaifen jur prinzipiellen
Äncrfeitnung gelangte. Allein fo unfehäbbar biefer gort-
fchritt roar, fo lag ihr hoch ein burebgreifenber gebier z u
©runb, ber ben Stufen beg neuen Prinzips für ben Arbeiter
oöllig iEuforifch machte. Sic überfab bag, roag ben Arbeiter oott
anberen Verfättfern unterfebeibet. ^ie Vkare, roeld^e ber Arbeiter
oerfauft, feine Arbeit, ift untrennbar oott feiner Sßcrfou. giir
beren ©yiftenz aber ift ber Arbeiter nicht oerantroortlich. Cl)ne
fein Batbun foinmt er zur "Belt; inbein er beranroäcbft, entroiefdt
fich mit ihm feine Arbeitgfraft, roäbrenb feine Armutb ib« uötbigt,
bie Siithung berfelben, feine Arbeit, fortroäbreub zu Vfarft z«
bringen, um nur leben z» föitnen. Hat er nichts alg feine Arbeit,
fo ift er, um feine ©yiftenz z u Triften, zu fortroäbreubem Angebot
unb Verlaufe berfelben gezwungen, ©g roar alfo roie Hobu, roenn
man ben Arbeiter gleich jebern anberen Verfäufer für bie VerfanfS-
bebiitgnngcn, bie er erzielte, inbioibuett oeranttoortlich machte. ^)er
inbioibuelle, fich felbft überlaffene Arbeiter trug gar feine Verant¬
wortung für bie Baare, bie er burch 9foth fortroäbreub zum
Äaufe anzubieten gezwungen roar.
$)cr gebier jener inbioibualiftifchen Auffaffutig, welche an ber
Biege ber blutigen Birtbfchaftgorbnung ftanb, machte in boppelter
Beije ft«h fiibloar. ©inmal brachte bie untrennbare Verbinbung
ber Arbeit mit ber ^erfon il;reg Vcrfäuferg eg mit fich, bafs ber-
jenige, ber bie Arbeit taufte, bamit, unb zwar notbroenbig, auch
eine H^ffhaft über bie ^erfon beg Arbeiters erlangte. ^)er 0rt,
an bem bie Arbeit geleiftet roirb, ift notbroenbig auch ber Aufent¬
haltsort ber ^erfott beS Arbeiters; feine Vefchaffenbeit ift grunb-
bebingenb für Seib unb Scbeu bcffelbcn. SDie Arbeitszeit beftimmt
nidbt nur bie 2)auer, für rocldje bie Arbeit geleiftet roirb, fonbcrit
auch bas VJafj ber ©rfchöpfung ber ^erfoit beS Arbeiters, bas
SRafe ber 3^it, welche ihm zur ©riteuerung feiner Kräfte, zur ©r-
bolung, ©rbeiterung unb Vilbung, zur ©rfüllung feiner Pflichten
gegen feine gamilie, gegen ©emeinbe unb Staat bleibt. 2)ie lim-
1T.US
12 ’) '>
Soziale Gcniralblatt für ©ogialpolitif. Ac. 47 .
gebuug bes Arbeiters bei feiner Arbeit, feine ArbeitSgcnofieu, bc-
beuten nidjt nur jvörberung ober Becinträriitigimg feiner Leißling,
fonbern and) ba* Wulfs, in beut ihm Leib ntib Leben, teufen mtb
©ittlidjt'cit toäbrenb ber Arbeitslciftung burri) bie, wcldjc mit iljm
arbeiten, gefäljrbet tuerben. B*er bie Ärbeitsbcoitigungcu bcftiuimt,
beftimutt alfo nidjt bloß ^Diafs uub ^rcis ber Arbeit, fonbern
gleiduritig über bas gange pbijfifdje, geiftige, moralifdje unb biirger*
iid)e ©afeiit bes Arbeiters, uub halb geigten firi) ■ bie Aadjtheile
ber einfeitigen Bcftiuimung' biefer Arbeitsbebincjuncjcn burdj *bcn
Arbeitgeber fo groß, baß ber Staat fidj genötßigt fab, gefeplidjc
Beftimmungeu gutn ©cßupe ber ^erfou bes Arbeiters gu erlaffen.
Es ift ber ber Arbeitcrfdjußgefeßgebung, ber Hcrrfdjaft beS
Arbeitgebers über bic $erfon bcS Arbeiters gefeplidjc Grcugcn 311
Rieben, ©afjer beim ber §. 105 ber bcutfdjcit Geroerbeorbitung bic
tveitfieflung ber Arbeitsbedingungen nur mehr infoweit ber freien
Vereinbarung oon Arbeitgeber uub Arbeiter überläßt, al^ nidjt bie
AeidjSgefepe befonberc Beftimmungeu über jene gctrPffen tjnben.
Allein baS ift nicht bie einzige Art unb SBeife, wie ber bar*
gelegte gehler in ber unterfdjiebSloS gleichen Veljattblung beS
Arbeiters mit anberen Verläufern fidj geltend mactjte, unb eS ift
unridjtig, memt oon ©eiten ber Regierung im AeidjStag bie Aeußc-
rung fiel, baS .Btaljlredjt unb bie Arbeiterfdjupgefepgebung machten
baS KoalitionSredjt ber Arbeiter oöflig entbehrlidj. ©enn abgefehen
baoon, baß galjlreidje Beftimtnungen ber Arbeiterfdjußgefeßgcbung
praftifdj unburdjfüfjrbar finb, wo fic nicht oon ber llnterftüpung
oon Arbeiteroraanifationen getragen roerben, ntrgenbs enthält bie
Arbeiterfchupgejepgebung bie geringftc Bcftimmung über bie Lohn¬
höhe, nnb Graf s J?ofabowShj bürfte auch ber lepte fein, ber bie
Höhe ber 3U gahleubeu Löhne uon parlamentarifdjen Befdjlüffeit
abhängig 3U machen gewillt märe, ©er nur mit ©urchfehnitts-
eigeitfdjaften begabte Arbeiter aber, ber bie große Ateffe bildet, ift
außer wo, wie in ber neuen Söelt, eine Süße unangebauten LanbeS
oorhanben ift, beffen Anbau er fid) guwenben fann, ober, wo er
in ber alten SBelt einen eigenen Ader ober fonftigeS Vermögen be-
fipt, oon bem er eoentneU gu leben oermag, ifolirt oöllig außer
©taube, irgeitb welchen Einfluß auf baS Angebot ber Arbeit 3U
üben. Ohne fein Verfchulben gur Vklt gefommen, gwingt ihn bie
Aotlj, feine Arbeit fortwährenb angubieten. Vknn er felbft gar feine
Kiitber erzeugte, würbe dies befteh JallS erft baS Arbeitsangebot
einer 3ufünftigen Generation minbern unb audj bann nur, wenn fein
Verhalten nicht burdj baS anberer, leidjtfinnigerer Genoffen neutrali-
firt würbe. Aber felbft in btefent Stolle würbe fein Verhalten nur
erfolgreich fein, wenn man nicht $olen, ©fdjedjen, Staliener — man
hat ja fogar fefjon oon Ehtnefen gerebet — in bem Ateße herangöge,
als eine AJinberung ber Arbeüergahl eintreten würbe; ber aitem-
pfoljleue gefchlcdjtliche ©treif müßte alfo ein internationaler fein.
Ai an fieljt, felbft bie Aegepte der inbioibualiftifcheu National*
öfonomie fönnen nicht ohne Aufforbcrung 3U planmäßigem Ver¬
halten ber gefammten Arbciterfdjaft ausiommen, nur baß ihre
Vorfdjläge an Unburthfüljrbarfeit bie toüften Vhnntafien utopifti-
fdjer ©ocialiften weit hinter fidj Iaffen. ©inft nun bie Nachfrage
radj Arbeit, fo ift ber ifolirtc Arbeiter nidjt im ©taube, durdj
AJinberung bcS Angebotes oon Arbeit ein ©iufen beS Lohnes
unter feine ^robuftionSfoften 31t hinbern. Um überhaupt uerfaufen
3U fönnen, muß er fogar mehr Arbeit anbicten; mäfjrenb bie Aach'
frage abuimmt, fteigt alfo baS Angebot unb ber s ^rciS finft nodj
tiefer, ©teigt bie Nachfrage, fo rüden gunädjft biejenigen ein, bic
mährenb ber fehlenbcn Aadjfrage burdj Armenuutcrftüpuug erhalten
mürben; bie Aadjfrage muß alfo feljr intenfio fteigen, bis fie ab-
forbirt finb nnb bis ber Lol;u fteigt; er fteigt erft fpät, unb auch
bann fteigt er nidjt fo hoch wie ber VnüS anberer Vtearen bei in
gleidjem Alaße fteigeuber Aadjfrage. ©0 ift es beim ba, wo ber
Arbeiter feiner Crganifation angehört, als Siegel ber Arbeitgeber,
ber ben Lohn einfeitig feftftellt, unb baß bann ba, wo ber Arbeit¬
geber mit Leidjtigfeit Arbeitswillige finbet, bie felbft einer plöp-
iidjen Vermehrung in ben Vefteliuugen genügen, ber Lohn bis
unter baS Vlinimum beffen finfen fann, was 3U einem ehrbaren
Leben nötljig ift, seigeu bie ^uftanbe, wie fie in berVerlineriton*
feftionsinbujtrie herrfd)en.
Vcim Verlauf ber Arbeit hot alfo bie Lehre, baß bie freie
Monfurren3 ifolirter Sobioibuert bem eigenen oiitcreffe ber Arbeiter
wie bem der Gefammtheit am nteiften bienlidj fei, am friiljeften
oerfagt. Unb bic Arbeiter hoben in allen Vcrufen, außer in jenen
ungelernten, in benen, wie 3. V. in bem ber cnglifdjen Hafen¬
arbeiter, ber Abfall aller VerufSarteii unb aller Gefellfdjaftsflaffen
’idj 3iifammcnfinbet / oon Anfang an bieS begriffen. And) als bie
alte gewerblidje Crbnung fidj anflöfte, hulbigten fie nirgenbs ber
Monfurrenj. 2 Bie bie brafonifdjen MoalitionSoerbote beS 18 . unb
19 . SohrljonbertS ihr ^{ufammcnhaltcn nicht gu erfdjiittern ücr-
modjt hotten, fo blieb and) gegenüber allen nationalöfonontifcfjen
predigten über bie Vorgügc beS MonfurrengpringipS ihr ©aljl-
fpraef) ftets: Silier für Äße, Alle für Ginen! 3 n einigen
Stößen Ijat ihre neue Crganifation fidj unmittelbar aus jenen
alten Gefellenoerbiubungen entwidelt, wie fie gur 3onftgeit, fei
es gebuldet, fei es oerboten, eriftirten; in anberen Stellen Ijat
ber alte' Geift ber ©olibürität oöllig neue Vereinsbilbungeu
gefdjaffen. Unter oft furchtbaren Entbehrungen, trop (^cfärtgniß,
ja felbft trop Anbropung oon ©obcSftrafe fmb fie ihnen treu ge¬
blieben. §ier ift es nicht nöthtg gewefeu, fünftlich Sonungcn in§
Leben gü rufen;mit ber befonberen Aufgabe, baS Geineingefühl gu
weden unb ©tanbesintereffen unb ©tanbeSeljre gegenüber ben ab-
weidjenben Sntereffen Eingeluer gu wahren, ©ie Gilben finb hior
fpontan aus bem Vebürfniß ber Arbeiter erwachfen, unb es erroerft
eigenthümliche Vorfteflungen oon Unparteilichfeit unb Geredjtigfcit,
wenn man fieht, wie häufig biefelbeit ^ßerfonen, welche bas
SnnungSpringip für fo oortrefflich holten, baß fic es eoentneU fo¬
gar burch 3 roa ng gur Geltung gu bringen oerfudjen, feine ärgjten
Sieinbe ba finb, wo es gang oon felbft geheißt. VSäfjrenb fic tonft
nicht genug über baS Verberblidje beS SnbiütbualiSmuS gu flagen
oermögen, fpredjen fie oon ber Aothwenbigfeit, felbft burdh 3roang
bie tnbioibueße Freiheit gu wahren, fobalb es Arbeiter finb, welche
bie praftifdje Aupanwenbung auS ihren eigenen Lehren giehen.
Ober gefchteht bieS hkr etwa beShalb, weil man erfannt hot, baß
in ber Lage beS Arbeiters es nur bie Drganifation ift, welche bie
fonft fo gefchmäljtc inbioibueße Freiheit gür Wahrheit gu machen
oermag, unb groar bie Freiheit gegenüber bem Arbeitgeber?
SuS bic heutigen Arbeitergilben fich gu cntwideln begannen,
waren es gunächft nur bie Arbeiter eines unb beffelben Vetnebes,
bie gemeinfam auftraten, um ihre 28 ünf<he begiiglich beS Arbeits-
oertrageS gur Geltung gu bringen. Allein eine fo bcidjiänfie
Koalition geigte fich gang unfähig, ben Arbeitern irgenbmie gu
itüpen. ©enn fo lange bie Koalition auf bie Arbeiter nur eines
Betriebes fich erftredte, war eS für ben Arbeitgeber Icidjt, feine aus-
ftänbigen Arbeiter v burch anbere gu erfepett. ©ie Erfahrung brängte
bie Arbeiter naturgemäß gn Drganifationen, bie äße Arbeiter eines
unb beffelben Berufs uub gwar nicht nur an einem unb bemjcibcu
Orte* fonbern an aßen Drtcn beS LanbeS, au benen baS Gewerbe
betrieben wirb, gu umfaffen beftrebt finb. ©0 finb in Euglanb,
ba, wo nrfprüngltch mehrere Gewerfoereine in einem uub betn-
felben Gewerbe beftanben, biefe gu einem Verein oerfchmolgen
worben, unb auch in ©eutfchlanb wirb es, faßs bie Gewerfoereins-
bilbung wirffam werben foß, unentbehrlich fein, baß bie oerfdjicbencn,
nicht fadjmäßigen ©onberiutereffen unter ben Arbeitern eines unb bcs-
felben Berufs, bie beute in befonberen failjolifcbcn, eoangclifdjen,
fortfdjrittlidjen nnb fogialbemofratifchcn Gewerffchafteu oertreten
werden, gegenüber ben Sachiiitereffen gnrüdtreten, baß einljeitlidie
Sadjocreine entfielen, bie ihren Atitgliebern ebenfo wie in Euglanb
jebwebe beliebige politifdje, religiöfe ober fonftige mit ben : §adj-
intereffen nicht gufammenhängeiibe Anfchauung gu oerfolgcu ge-
ftatten.
28 o btefeS 3^1 erreicht ift, werben bie Gewertoereine gu
wahren nationalen Korporationen ber Arbeiter eines unb beffelben
Berufs. 2 Bie bas englifdje Skifpiel geigt, finb fie bann wirflid)
im ©taube bie Auffaffung, wcldje bem rechtlich, freien Arbeits¬
oertrag gu Grnitbe liegt, gur 'Baßrbeit gu machen. SBie anbere
Verläufer oermögen bie Arbeiter bann ihre Arbeit gu oerweigern,
wo ihnen ein ihnen nidjt genügenber VreiS geboten wirb. V>ie
anbere Vcrfänfer oermögen fic ißr Angebot nun ba gurüefgu-
giefjeti, wo es bie Aadjfrage überfteigt, um es bort gu ntadjen, wo
cs Ijiutcr biefer guriidblcibt. 2Bie bei anberen Söaaren wirb fo
für bie Arbeit eine Aitsgleidjiuiq ber greife an oerfdjiebcncn ©rlcit
hcrbetgefüljri, wobei Lofalgufdjfägc bie oerfdjiebene Ihfucnmg an
ben ciugelneu Crten gu berücfudjtigen geftatten. Bei finfeubee
Aadjfrage oermögen nun bie Arbeiter ißr Angebot cntfprcdjenb gu
mindern unb bamit einem unoerhältnißmäßigcn ©infen des Lohn-
einfommcnS oorgubeugen. Bei fteigeuber Aadjfrage oermögen fie
bie Konjunftur gleidj anberen Vcrfaufcrn ausguuupen. ©ie Gleidj-
fteßung beS Arbeiters mit anberen Verläufern, oon ber bic ber
moberneu Gcfepgebung gu Gritnbc Iiegenbe Auffaffung beS Arbcits-
oerhältniffeS ausgeht, wirb alfo erft burch gewerfoereinlidie
Drganifation ber Arbeiter gur Wahrheit.
©0 erfdieiut bie Koalitionsfreiheit gang unentbehrlich, foll
nidjt bie Aeftfepung beS ^reifes ber Arbeit, ohne baß bem Arbeiter
eine anbere Suhl als gwifchen Annahme und Verhungern bleibt,
bem Gutbünfen bcs Arbeitgebers, feinem Sßohlwoßen ober feiner
Gemtnufnrfjt, iiberlaffen bleiben, ©as Eingige, wie ber Arbeiter
1237
Sogiale $rajt$. ©entralblatt für Sogialpolitif. Kr. 47.
1238
optte Koalitionsfreiheit oor biefer einfeitigen <5cftftcCTung burtp
feinen ©egner im ^reiSfampf beroaprt roerben fönnte, märe bie
Seftftellung beS ßopnS burd) ben Staat. (Sine folcpe hat früher
ftattgefunben, als ber Arbeiter nocp niept gleicf)bered^tigter Staats»*
bürger mar unb bie Herrfcpenben ihm einfach oftropirten, mas fie
nach feinem Stanbe für ihn angemeffen erachteten, unb ben, ber
batnit nicht gufrieben mar, mit Karbatfcpftreicpen bebrohten. Koch
heute märe bieS baS S&eal Vieler, bie eine Kücffepr biefer oer*
aangenen 3uftänbe herbeiführen möchten. AnbererfeitS ift eS auch
Die Sorberung einiger rabifaler Xpeoretifer, melche barauf rechnen,
bap bie Arbeiterfcpaft fich in ben ©efip ber StaatSaeroalt feiert
unb bann f<hon bafür forgen merbe, bap bie ßopnfäpe nicht gu
niebrig mürben feftgefefci merben. Aus ben Hintergebanfen beiber
einanber entgegenftebeuben Parteien, mel<he fo bie Kücffepr gur
ftaatlichen ßopitregulirung münfchen, Iäpt fidh f<pon ermeffen, gu
roelchen unerträglichen roirtpfcpaftticpeu unb politifcpen 3 u flönben
eine folche ^olitif führen mürbe.
Allein abgefehen baoon, rooher benn bie ©epörben nehmen,
melche in ben ©enterben, bie für ben Abfafc nach aupen arbeiten,
gu beftimmen oermöchten, roeldpen ßohn ber Arbeitgeber gu gahlen
oermag unb melchen nach ßage beS ©MarfteS bie Arbeiter gu forbern
berechtigt mären? ©S gehört ein burd) bie im 18. Saprliunbert
mit ber behörblichen ßeitung ber Snbuftrie gemachten Erfahrungen
ungetrübter ©taube an bie aHeinfeligmacpenbe Kraft beS AffefforiS*
mus bagu, um glauben gu fönnen, bap fich auSreicpenbe Sßerfönlich-
feiten fänben, melche für alle Snbuftriegroeige ßohnfeftftellungen gu
machen oermöchten, mit benen beibe Parteien fich gufrieben gu geben
im Stanbe mären, ©in folcper ©Iaube erfcheint um fo erftaun*
lieber, menn man bie ©rfaprungen ins Auge fapt, bie man felbft
bei ScpiebSgcricpten mit außerhalb ber Qntereffentenfreife ftehenben
SchiebSrichtern gemacht pat. 1 ) %
$)aper benn auch unter ben englifcpen Arbeitern nur oer*
fcproinbenb menige fich finben, melche eine ftaatlicpe geftfehung ber
ßöpne befürroorten. 2 ) Auch öiefe pflegen aber ihre ©efürroortung
auf ©efepäftigungen in folgen ©eroerben, melche ber auSroärtigen
Konfurreng nicht auSgefept ftnb, unb auf bie ungelernten Arbeiter
gu befchränfen. gür biefe gälte märe eine ftaatliche geftfefcung
eines ßohnminimumS allerbingS äpnlid) benfbar, mie es Lepren
für mancherlei anbere ©efepäftigungen giebt, unb fogiat ift fie fym
nicht abguroeifeu, ba eS ben Ungelernten aus befannten Urfacpen
fehr ferner ift, fich fo gu organijiren, bap es ihnen möglich mirb,
egenüber ber einfeitigen ©eftimmung ber ArbeitSbebingungen burd)
en Arbeitgeber ein ©$ort mitgureoen. &ie ich fdjon 1890 ge*
fchrieben höbe, 8 ) roerben bie „ungelernten Arbeiter beShalb ftets
mehr oom Staate oerlangen" als oie gelernten. Allein auch menn
alle ihre ArbeitSbebingungen burch ben Staat feftgefept mürben,
märe bie Organifation ber ©Mitglieber beShalb nicht roeniger unent*
beprlicp. ©enn ohne bie Mithilfe ihrer Organifationen mürbe eS
oöüig unmöglich fein, bie oom Staate feftgefepten ArbeitS*
bebingungen pünftlich gur ©eltung gu bringen. $>aS geigen bie
©rfaprungen, bie man bisher fepon auf bem ©ebiete Der §auS*
inbuftrie mit ber Arbeiterfdpupgefepgebung gemacht pat.
©Müncpen. ßujo ©rentano.
3U1 ge meine Sojiol- mtb XMttyfilpaftapiUtttlt.
Sogtatyolitiftpe Söünftpc gur nächften ©olfSgäpfaug.
©egen ©nbe biefeS 3oP*punbertS, gu Anfang 2)egember 1900,
mirb mieberum eine allgemeine ©olfSgäplung im ©eutfepen Keicpe
ftattfinben, unb eS fragt fich, ob nicht aus biefern Anlap befonbere
SSünfepe, namentlich oom fogialpolitifrfjen Stanbpunfte aus, geltenb
in machen mären, mie ja auch oor & en Säpluttgen beS 3»oprc$ 1895
Der Untergcichnete im „Sogialpolitifdjen ©entralblatt" oom 14. $a*
nuar 1895 auf Sßunfcp beS bamaligen Herausgebers ben gleichen
©egenftanb bepanbelte.
©S ift in ber jüngften 3*it bk S^oge ber inneren 2Sanbe*
rungen unb bamit bie ber Arbeiternotp auf bem ßanbe oiel er*
örtert morben. ©efonberS im preupifepen Abgeorbnetenpaufe mürbe
bieS mit großer ©reite behanbelt, aber für ben Unbeteiligten blieb
l ) ©gl. „Schriften beS ©eretnS für Sogialpolitif" 46. ©anb
0. XXIX ff.
8 ) ©gl. SptjerS, „The Labour Question“, Sonbott 1894, 0. 61.
©eoffrei) Sbrage, „The Labour Problem“, Sonbon 1896, 6. 77 ff.
8 ) ©gl. ©. o. 6chulge*@äüernife, „3ttnt fogialen grieben" II, 0.483.
ber ©inbruef gurücf, bap man über ben Umfang, bie Urfache unb
ben 3 roct t bk Herfunft, baS 3^1 nnb bie 3)auer biefer SBanbe*
rangen bei allen Parteien gleich ungenügenb unterrichtet unb baper
gang oerfchiebener Anficht mar.
Kun glauben mir, bap bie nächfte ©olfSgäplung einen null*
fommenen Anlap bieten foüte, biefer Srage näher gu treten.*) ®ieS
!ann gunächft baburch aefchehen, bafj für jeben Arbeitnehmer auf
ben auSgufüllenben 3öhtpopieren bie (Soh^ ©lonat beS
3ugugS) erhoben mirb, eine Srage, bie längft oon ben ftatiftifchen
Aemtern oerfchiebener ©rofjftäbte bei ben ©olfSgählungen regel*
roofjig geftellt unb auch auf ben Sonnularen ftets aut beantroortet
mürbe. Aber bieS mürbe nicht genügen. ©S müßte eine meitere
Srage nach bem Orte, oon mo gngegogen, bem lepten ©Wohnorte,
geftellt roerben, roobei eine Anleitung barauf hinguroeifen hotte,
ba& nicht etroa ber lepte Ort ber $)urdf)reife, fonbern ber eigentliche
lepte ©Wohnort ma&gebenb ift.
AllerbingS fleht auf ben 3ofjtforten oorauSpchtlich eine S*oge
nach bem ©eburtsorte unb oielleidjt eine folche nach ber 9J2utter*
fprathe, fobafe man aus biefen Angaben auf bie ^erfunft beS 3u*
gegogenen fchliepen fann, inbeffen ift biefer Sd^lup bo<h feineSmegS
{icper. 9Äan mürbe g. ©. nicht annehmen bürfen, bap aus Kup*
ianb nach ©Seftpreupen unb oon hier nach eingeroanberte
$olen bireft oon Kuplanb nach Holftein gemanbert fiub, ba fie
3toifchenftationen, g. ©. in ©kftpreupen, gemacht hoben fönnen.
Aber man fann meiter einroenben, bap biefe S*ogefteIIung,
meil eS fich um eine ©Sintergählung honbelt, nicht ben gemünfepten
©inblidf gemähren mirb. tiefer ©inmanb märe niept unberechtigt,
benn bie Sragen hätten in ber Spat bei Gelegenheit ber ©erufs*
gäplung oom 3uni 1895 geftellt roerben rnüffen, mie in bem oben
ermähnten Auffape beS ©erfajferS f. 3- oorgefcplagen mürbe. Aber
menn auep ber geeignetefte 3eitpunft oielleicpt oorüber ift, fo ift bie
Sacpe boep roieptig genug, um menigftenS für ben $)egember*
Termin unterfuept gu roerben, ba boep eine ©erufSgäplung fo balb
noep niept roieber in AuSpcpt fiept.
Kun fann jeboep ferner burd) eine eingepenbere S^ogeftellung
bie ©fomentaufnapme beS ©Monats ^egember gu einer Aufnahme
für ben ©efcpäftigungSort mäprenb beS gangen SopreS 1900 gc*
fialtet merben. ©Man fann nämlich fragen: „An melcpen Orten im
ßaufe beS QapreS in Arbeit (Stellung) gemefen? Sanuar..
Sebruar . . . ., ©Märg . . . ., April . . . ., ©Mai . . . . u. f. m.
bis Kooember."
®ie S^oge ber ©öanberungen pängt bann auch mit ber
ArbeitSlofigfeit gufaramen, einmal infofern, als ArbeitSlofigfeit
bie Urfacpe ber Abmanberuitg bilbete, bann mo fie bie Solge ber*
felben ift, bie Solge mieber entmeber in ber Hinficpt, bap am Orte
Der ©inroanberung bie gemünfepte Arbeit niept gefunben mürbe,
ober bap anbererfeits na% ber Kücffepr in bie Heimatp eine 3 e it
geroünfepter ober au^ unerroarteter ArbeitSlopgfeit eintrat, ©r*
möglichen boep bie pöperen ßöpne, melcpe bie öftlicpen ßanbarbeiter
in ben ©$eftprooingen mäprenb ber ©Monate iprer Spätigfeit in
biefen erhalten paben, ihnen oielfacp naep Kücffepr in bie Heimatp
©Monate ber Küpe. ©Man tpäte alfo gut, auep S*ogen naep ber
ArbeitSlofigfeit mieber aufgunepmen, inbeffen niept in ber bet ben
3äpfungen oon 1895 geroäplten Sormulirung, roeldje nur ein
AugenblicfSbitb gemäprte, fonbern in einer fiep auf baS gange 3apr
begiepenben SragefteHung.
©S mürbe bann in ©erbinbung mit obigen S*ogen bie Sormu*
lirung etma folgenbermapen lauten:
Aufenthaltsort .
Optte Arbeit (3opl ber
SBocpen).
S)aoon franf (3opl ber
©Jotpen).
*) Kacp ber (Srmiberung beS Staatsfefretärs beS ^imeru am eine
Anregung beS Abgeorbnetcn ©rafen Äanip int Aetcpstag am 21. ©färg
bS. ift anguneptnen, bap biefer 3Bunfcp erfüllt merben mirb. $5ie
geftftellung ber Fragebogen für Me närfjfte ©olfsgäplung foU auf einer
©erfammluitg ftaatlicper Statiftifer ©Mitte September in ©oftoef erfolgen
S)ie ©ebaftiort.
i2S9
©ogtale BrojtS. (Jenttftl&latt für ©ogialpottti!. 9fct. 47.
1240
Wir oerßeßlen wt* mcßt, bdß bic Aufnahme fo betaittider
Berßältniffe mit ©cßroierigfeiten oerbunben tft, aber mir glauben,
baß bie Wid)tigfeit ber @acße, bie SEotßroenbigfeit, brennenbe
fragen unferer BolfSroirtßfcßaft aufguflären, bie SRüße oerloßnt.
©elbft wenn bie Erhebung ni<ßt bureßroeg in allen SanbeStßeilen
baS geroünfcßteBefultat haben follte, fo mürbe ein unooHftänbigeS
Ergebniß nocß immer beffer fein, als bie jeßt gu beflagenbe oott-
fiänbige ftatifiifcße Unfenntniß beS Umfangs unb ber Bebeutung
ber inneren Wanberungen gum 3toe(fe beS BroberroerbS.
Sine anbere fogialpolitifcße Aufgabe für bie näcßfte BolfS*
gäßlung, roelcße auiß mit ben inneren Wanberungen in Berbinbung
gebraut roirb, ift bte Erforfcßung ber Wohnungsfrage.
Auch hier ift bie ftäbtifeße ©tatiftif oorauSgegangen, unb eS
märe an ber 3*it, baß nunmehr bie ftaatlid^en Aufnahmen eine
©tatiftif ber ©runbftiicfe unb Wohnungen in ben ©täbten unb auf
bem £anbe in Angriff nehmen.
TieS gedieht am beften bureß befonbere ©runbftücfsfaden
für jebeS ©ntnbftücf unb WoßnungSraden für jebe Wohnung.
Bei ben bebauten ©runbftücfen mürbe in ^Berlin g. B. nach
ber ©todroerfßöße, ber 3ahl ber oermietßeten, ber unoermietheten
Wohnungen unb ©efcßäftslofale unb bem BttetßSpreiS gefragt;
auch °b ©arten, Brunneit gum ©runbftücf gehören, mie lange eS
fich in ben §>änbert beS gegenwärtigen EigentßümerS befinbet,
mürbe ermittelt. 3Rit 9^ürfftd)t auf fänblitße Berßältniffe fönnte
bonn nach bem Borßanbenfein oon ©taflen u. bgl. in Woßußäufern
gefragt roerben, feit mann unb mie bie ©runbftüde erroorben finb
u. f. m.
Sei ben Wohnungen rnirb nur nach ber 3 a hl ber tilgbaren
unb nnheigbaren 3im mcr / naiß bem Borßanbenfein oon Küchen,
Widßfcßafts* unb ©efdjäftsräumen, nach ber Höhenlage gefragt,
fornie ob Tienftrooßnung, Sfreirooßnung unb bergt, ©eßt man mie
in Berlin bie Wohnungsfragen fogleicß auf baS Bergeicßniß ber
föauSßaltungSmitglieber, fo erhält man leicht bie Wöglicßfeit, bie
tfaßl unb Slrt ber Einrooßner bei ber AuSgäßlung mit ber ©röße
ber Wohnung gu fombiniren.
Wir finb uns beroußt, mit biefen Borfcßlägen feineSroeaS bie
fogialpolitifchen 3orberungen für bie nädßfte BolfSgäßlung erjeßöpft
gu - haben, ; alauben aber, baß ßier menigftenS, michtigere ©eficßts*
punfte berührt finb.
Eßarlottenburg. Dr. E. £irfcßberg.
BmattgStatnutg unb Ar&fitSiiadjtoeiS. Aus SKagbeburg
roirb uns gefeßrieben: „3n 9ir. 44 3ßn:S gefcßäßten Blattes oom
3. Auguft roirb unter ber SRubrif „ArbettSnacßroeiS" bie Blit*
tßeilung gemacht, baß baS neue ©tatut ber Bäcfcr*3mangSinnung
in Bresben eine Beftimmung enthalte, rconach bie 3unungSmit*
glieber bei Bermeibung einer Drbnungsftrafe oon 20 <stL oerpflichtet
finb, nur oom Unterneßmer*ArbeitSnacßrociS gugeroiefene ©ehülfen
gu befchäftigen begiehungSroeife anbermcit angenommene ,§ülfS*
fräfte fofort gu entlaßen, ©ie bemerfen ßiergu gutreffenb, baß ftd;
bie 3nnungSmitglieber, ba eS fich um eine 3wangSinnung ßanbelt,
gegen biefen Terrorismus bureß Austritt nicht mehren fönnten.
TaS ift richtig, aber — unb barauf möchte icß mir im Sntcreffe
ber ©aeße ßinguroeifen erlauben — biefer Terrorismus ift
nur ein papierner, benn jene Beftimmung ift gmeifelloS geifeß*
mibrig unb baßer ungiltig, braucht alfo oon ben Setheiligten nicht
beachtet gu roerben. Tie gmnbroerfcrnooelle enthält grcar feine
auSbrücflicße Beftimmung, toeld;e bie Aufnahme oon Borfcßriften
ber ßier in 3frage fteßenben Art oerbietet. TaS ift aber auch nießt
möglich, falls fid) ber ©efeßgeber md;t in eine Äafuiftif oerlicren
roollte. 3n biefer Begießung entßält nur §. 100g bie auSbrücflicße
Beftimmung, baß bic 3n>angsinnung ißre Bfitglicber nid)t in ber
JMtfcßung ber greife ißrer Waarett ober 5i?eiftungen ober in ber
Annahme oon ÄUnben befdjränfen barf. ^Keines SracßtenS ßätte
es and) biefeS auSbrücfließen Serbots nießt gebraud)t. Tenn ein
berartiger 3u)ang ift unoereiitbar mit bem Wefeti unb bem
Sßarafter ber 3»uangSittnung. Taffelbe gilt ßinficßtlicß beS ?lrbeits^
nadnoeifeS. 2lber and) aus bem ©efeße fclbft läßt fieß bic Un*
guläffigfeit ber obigen Seftimmungen oßne Weiteres ßcrleiten.
Ten Sunnngcn ift gur $ßicßt gemacht, bic „giirforge" für ben
9lrbeitSnacßroeiS; fie füllen im mirtßfdjaftlidjen unb fittlicßcn Suter*
effe ber ©efcllen Sinricßtungeu treffen unb unterhalten, tockße ge*
eignet finb, bie ?lrbcitSoermittelnug gu förbern. Ter Erfüllung
biefer gefeßlidjen Slufgabc bienen aber nid)t Sinridjtungcn, bic
unmittelbar gu einer feßroereu ©djäbiguug beS SortfouunenS ber
©cfcüeit fiißren müffeit.
„«ueß ßier in SKagbeburg ßöben faft fämmtlicße 3roaitgS*
innungen — äugenfcßcinlicß einer Anregung her ©entralftelle
folgeno — ben Scrfucß gemacht, Seftimmunaen, mie folcßc in bem
Tresbener ©tatut enthalten ftnb, in bie ©iatuten aufguneßmen.
Ter ßieftge SRagiftrat ßat fie für nnguläffig erflärt unb ißre
feitigung oeranlaßt, unb ber SegirfSauSfcßuß als bie in Preußen
für bie Genehmigung ber Statuten guftänbige Seßörbe ift ber
Äuffaffung beS ’magi|trats beigetreten."
Ter 3eßnftunbentag in ber öfterreidjifeßen TejtiHnbufitrle.
Ter Serbanb ber Saummollinbuftriellen CefterreicßS ßat ein 9htnb*
cßreibeit att feine Witglieber gerießtet, in ber auf eine roenig
ogialpoIitifcßeS Serftänbniß ocrratßenbe Weife gum Äampf gegen
Sie Slrbeitcrfdjaft aufgeforbert mirb, bie fteß bemüßt, eine S3er*
fürgung ber SlrbeitSgett burebgufeßen. TaS 3^uubfcßreiben oermcift
auf bie gegenroärtia in 9iorDböhmen ßerrfeßenbe Seroegung beßufS
Erlangung beS 3*ß n ftunbentagcS unb fäßrt fort:
„Äuf @runb ber oorliegettben Seritßte mürbe mit Bebauern
fonftatirt, baß eingelne ftirnten bem Bedangen ber 9lrbeiterfcßaft nad)
«bfürgung ber SlrbeitSgeit oßne größeren Wiberftanb ftattgegeben ßaben,
meil barnit für bie aefammte öfterreidjifeße Subiiftrie ein gefäßrlicßes
^räjubtg gefeßaffen uno ein einheitliches Borgeßen in biefer hodjmiditigen
grage oon oornßerein unmöglich gemacht mirb. Ter (ientralauSfcßuß
perßorreScirt feineSmegS eine Berfürgurtg ber ÄrbeitSgeit unter allen
Umftänben, er ift aber übergeugß baß bie Berfünung unter ben gegen*
märtigen Umftänben bie ohnebieS prefare Sage Ber öflcrreichtfd^cn 3» =
buftrie nodh oerfchärfen mirb. “
©chlicßlich rnerben bie Biitglieber aufgeforbert, „einer einfeitigen
Berfürgung ber SlrbeitSgeit im eigenen ober in oermanbteit Be*
trieben nad; Kräften entgegenguarbeiten". S^acß bem drgebnifte
beS Brünner Streifs ift raum gu ermarten, baß bie Arbeiter*
beroegung ftillfteßen roerbe, unb es ift baßer feßr bebauerlid;, menn
ber 3dt>uftrieHenoerbanb nießt beffer Stellung gu neßnten meiß als
in bem ermähnten Kampfruf; ber Drganifation ber Arbeitgeber,
ber angeblich fogialpolitifcß oorgefeßrittene äeute angeßören, mürbe
bie Aufforberung gu friebfertiger Berftänbigung meit beffer ge*
ftanben ßaben. GS ift nießt auSgefcßloffen, baß biefe unoerftänbige
Haltung noeß gu ernften Soßnfämpfen füßrt.
Arbeitgeber- trab itnteraeJjmemerbäiibe.
Ter bentfiße ArbeitgeberBmtb für baS Baugewerbe oeranftaltet
am 10. Dftober in Karlsruhe im Anfd;luß au bie BerbanbStage
ber beutfeßen Baugcroer!s*BerufSgenoffcnfd;aften unb beS SnnungS*
oerbanbeS ber beutfd;ert BaugeroerfSmeifter feine erfte orbentlicße
©eneraloerfammlung. Auf ber TageSorbnung fteßen ©tellung*
naßmc gum ßntrourf beS ©efeßeS gum ©cßuß beS gemerblicßen
ArbeitSoerßältniifeS, ^oßnbemegungen im Baugcioerbe Teutfd)lanbS,
©teffungnaßine für bie weiterhin eingufdjlagenbe Taftif beS BunbeS
unb bie Einführung obligatorifcßer ArbeitSnad;rceife auf nn*
paritätifeßer ©runblage unter Beriicfficßtigung einheitlicher ©nt*
laffungSfdheine. §infid;tlicß biefer maeßt ber Bunb befannt, baß
bie EittlaffungSfcßeine feineSmegS (?) jur ©cßaffung „fdhroarger
ßiften" bienen, uielnteßr, ba aus ©treiforten ©efellen nießt ein*
aefteßt roerben foHen, ein offenes ftampfeSmittel, ebenfo mie bie
Aufforberung ber Arbeiter ^3ugug ift ferngußalten", roerben foHen.
— @S ift anerfennenSmertß, baß ber Berbanb öffentlich Sugcfteßt,
baß bie Arbeitgeber im Baitgemerbe fteß berfelben Mittel in 3oßn*
fämpfen bebienen mie bie Arbeiter. Befaiiutlid; ßaben ocrfd;iebene
©eridjte bic Aufforberung „3 U S U 9 fernßalteu" für ftrafbar erflärt.
Bielleicßt laffen fie fieß jeßt bureß bas Berßalten ber Arbeitgeber
eines Befferen beleßren.
12. GentratoerbaiibStag beS Bäffcr*3nnuttgSoerBanbeS ff Gcr*
mania". Unter Anmefenßeit ooit 200 Telegirten ßat biefer jeßt
32 000 Biitgüeber gäßlenbe SunungSocrbanb am 15. unb IG. Augnft
in s D?agbcburg getagt, gaft an erfter ©teile ber Beratßmigen
ftanb natürlich roicber ein flammenber Broteft gegen ben BJarimaU
arbeitstag im Bäcfergeroerbe. Einftimmig mürbe folgcnbe ~9tefo*
lution angenommen:
„Tte gum 12. BerbanbStage ocrfanuneltcn beutfeßen Bäcfermetftcr
proteftiren fortgefeßt gegen bic Bcrorbnung beS Bimbesraths oom
4. SKärg 1S98, meil eine Berechtigung gunt 'Erlaß berfelben nid)l uor-
licgt, ba bie BürauSfeßungcn, meldjc ber §. 120e Abi. 3 beaufpmdit,
nicht uorlmnbcn finb. 3ie crfudieu beit fteid)#fauglcr, beim BunbeSrath
bie Aufhebung ber Berorbmmg gu beantragen; foötc bic Aitihcbuiig
aiiv Ghiinbeu, bie fid) nuferer Beurteilung entgießen, unguläffig ober
unburd;|üßrbar fein, fo molie ber Biinbesrath an 3teÜc bei* jeßt gu»
1241
1242
Soziale ißtajis. ©entralblatt für Sozialpolitik Br. 47.
läffigen Arbeitszeit entweber eine Bukett oon acht Siunben vbet oon
Zehn Stuubeu pro Dag unter ©ewäljrung non 50 Ueberarbeifötagen
pro 2*»atir nerorbnen. ferner wolle berfelbe bejütnmen, baft bie wirfjfah
Schuftigen, weldje bie Berorbnung übertreten, zur Beftrafnng herauf
gezogen werben, forotc auch, ba& bie Berfolgijug ber Uebertretung
innerhalb acht lagen nach ber lf)at ju geirfjefjen ’ijpt."
©aS non biefem neuen Sßjroteft wie all ben früheren Zü
galten ift, bas erhellt aus ben unanfechtbaren Ausführungen $ro*
feffor DlbenbergS in Br. 35, SdfjrQ- VIII biefer ^itfdjrift; tnir
fönnen uns besijaib jebeS weitere ©ort fparen. ©eitere Befolutionen
n>urben gegen „bie bem Bäcfergewerbe befonberS befd)ioerIidje unb
fd^äblid^e Sonntagsruhe" unb gegen ben obltgatorifrfjen £abenfdhlu&
gefaxt. (Sin AuSfchufl foH bie Bereinigung ber fübbeutfdben
JnnuugSoerbäitbc mit ber „Oermama" anbahnen. 3n jebem Be*
Zirf foll ein (Eentrai*3nnungSarbeitSnacbwetS gefd^affen werben.
Sdiliefjlidj mürbe befchloffen, eine Statiftif über ArbeitS* unb
fiohnnerhältniffe im gefammten Berbaitbe aufzufteüen, um ben
einseitigen Darftellungen ber ©ebüfcn entgegentreten z u fönnen.
— Die (Erhebungen ber Ämnmiffion für Arbeiterftatifüf über bie
ArbeitSoerhältniffe im Bäcfergewerbe werben wohl trofe biefer oon
ben Tieifteru angeftrebten (Enquete für jeben Unbefangenen ihre
mafjgebenbe Bebeutung behalten.
Detitfcher Difrfjlertag. Der in ßübedf oerfammelte 16. beutfehe
Difdjlertag befdjlofz bie ©rünbmig eines SchufcoerbanbeS beutfeher
Difchleritinungen gegen unberechtigte gorberungen ber ©efeHen,
unb fprach fid) einftimmig für bie 3mangSinnungen aus.
3Ubettttbtnie0tmg.
Die benifdjen ©etoerff (haften int Saljre 1898«
Das 3ah r 1898 hat ben beutfd)en ©ewerffdjaftSorganifationen,
wie bieS fchon auf ihrem Äongrefc Anfang Tiai in granffurt a. T
(oergl. „Soziale BrajiS" Sp. 889ff.) feftgcftettt würbe, einen er*
heblidien 3uwa<hS gebracht. Die 3afjl *h r er Tritglieber ift um
runb 80 000 geftiegen. Auch bie beiben oorhergehenben Saljre
1897 unb 1896 weifen ein ähnliches ©athSÜjum auf, wäfjrenb
baS Sah^fünft 1891 bis 1895 entmeber nur eine mäßige Ber*
mehrung ober fogar eine zeitweilige Abnahme gebracht hatte. Der
im „Äorrefponbenzblatt ber ©eneralfommiffion ber ©ewerffchaften
DeutfdtjlanbS" jefet erftattete Sahresbericht bemerft in feiner (Sin*
leitung m biefer ©r[cf)einung, „bafo bie ©ewerffchaften DeutfchlanbS
in ber 3cit beS wirthfehaftlichen BiebergangeS einen Berluft an
Tritgliebern aufweifen, währeitb bei ber anhaltenb günftigen Äon*
junftur ber lebten Jaf)re eine fortgefefcte Steigerung ber Tritglieber*
Zahl fid) Z c ^t-" 3a, es wirb fogar ber Berfuch gemacht, Ziffern*
Ä ben 3 u f°mmenhang ^txiifchen ber ©ewerffdjaftsbewegung
en Schwanfungen in ber Ausfuhr beutfeher gabrifate „in
ber BorauSfebung, bafe an biefer bie ©efchäftslage abzufchäfcen
ift," nachzuweifen, wie folgenbe Dabelle getgt:
SJrit»
Differenz gegenüber
bem Borjahre
SSerth ber Aus*
Differenz gegen*
3ahr
glteber*
Zahl ber
fuhr beutfeher
gabrifgte
über bem Bor*
jahre
Berbänbe
abfolut j
%
JC.
JC
1891
277 659
_
2 049 300 000
— 98200000
1892
237 094
— 40 565
— 14,61
1949 600 000
— 99 700000
1893
223 530
— 13 564
— 5,73
1 998 000 000
+ 48400000
1894
246 494
+ 22 964
+ 10,27
1 879 400 000
— 118 600 000
1895
259 175
+ 12 681
+ 5,14
2 179 500 000
+ 300 100 000
1896
329 230
-h 70 055
+ 27,00
2 301 200000
+ 121700 000
1897
412 359
-h 83 129
i + 25,30
2 304 500 000
+ 3 300 000
1898
493 742
+ 79 879
+ 19,30
2 396 100000
+ 91600000
Befteht bie Ueberzeugung oon einem folchen 3ufammenhang
ber Dinge in ben Ieitenben ©ewerffchaftsfreifen, fo müßten biefe
im eigenen 3ntereffe ber oon ihnen oertretenen Bewegung unb z»m
Bu^en ber organifirten Arbeiter beftrebt fein, alle Tta&nahmen zu
unterftüben, bie eine günflige Äonjunfiur befeftigen unb förbern
fönnen. 3n ©ngfanb gefdjieht baS oon ben Führern ber Drabe*
UnionS wenigftenS in Bezug auf eine fräftige §anbels*, Äolonial*
unb Ttarinepolitif. Dafj in Deutfchlanb bie unzweifelhaft oielfach
oorhanbene ©inficht noch zu wenigen thatfachlichen ©rgebniffen ge*
führt hat, ift leiber nur zu befannt. freilich tragen auch bie Be*
gierungSfreife an biefem rücfftänbigen Berhalten ber Arbeiter ihre reich*
liehe SWttfdhulb, ba fie bie gemerffdjaftlichen Drganifationen fortgefefct
burch (Eingriff* b*r ©efefcgebung, Berwaltung unb Polizei an ihrer
freien (Entfaltung hemmen unb baburch baS Btifetrauen auch 9 e 9 e u
ÜRabnahmen erhalten, bie bem wirthfehaftlichen Sluffchmung nüben
unb fomtt* ber fcbeitermelt zugute fommen.
3« euter genauen Ueberftiht werben 57 Drganifationen auf*
geführt mit' inSgefammt 493 742 ©itgtiebern, bazu fommen noch
17 500 Arbeiter in Sofaloereinen. ©emerffdfjaftiich finb alfo runb
510 000 Arbeiter organifirt. 3u ©ewerfoereinen, fatbolifdfjen unb
eoangeiifchen Srbeiteroereinen mögen weitere 250 000 Arbeiter
ftehen. 2lngeü(htS ber oerhältiiifcmäfjig furzen 3eit ber Drgani*
fationSbeftrebungen ift baS immerhin eine gary ftattliche 3ahl, unb
ihr beftänbigeS ©achsthum beweift, bafe bie Bewegung unaufhalt*
fam fortfehreitet, freilich gegenüber ber ©efammtmaffe ber gewerb*
liehen Arbeiter in Deut[chlanb ift ber Sßrozcntfafc ber organifirten
nur mä&ig: er wirb für bie ©emerffchafter faum mehr als 4 bis
5 o/ 0 betragen, währenb bie britifchen Drabe*UnionS mit ihren
l 2 /s Btillionen ©itgliebern etwa ben 6. bis 7. Dheil ber gewerb¬
lichen Arbeiter beS &anbeS umfaffen. BefonberS fd^wadh ift bie
Drganifation ber beutfehen Arbeiterinnen, fie zahlt« inSgefammt
1898 nur 13 481 SRitglieber, was einen Berluft oon 1163 gegen
1897 bebeutet Der Bericht bemerft bazu:
Der Büdaang in ber 3aljl ber organifirten Arbeiterinnen ift über*
aus ÖebauerUd), benn bie Antbeünabme beS weiblichen ©efdjjlechts an
ber ©rwerbsthätigfeit befinbet ftch in fortgefefeter Steigerung. . . . Die
Schwierigfeiten, welche ber Drganifirung oer Arbeiterinnen entgegen*
K en, fmb jeboch feineSwegS z u unterfd)äben. ©S ift zu berüeffuhtigen,
bie jüngeren Arbeiterinnen in ber Hoffnung, burch ben ©intrttt in
bie ©h« aus ber gabrif auSfcheiben zu fönnen, wenig Beigung z«*9 e U/
an ben ernften Begebungen ber ©ewerffchaften theilzunehmen. Die
oerheiratfteten Arbeiterinnen betrachten ben Arbeitslohn oielfach als
einen 3u|dfju& z u bem ArbeitSeinfommen beS Cannes unb fmb nur
fctjwer bafur zu gewinnen, biefen 3uf<hub burch ben Sohnfampf zu er*
hohen. . . . 3mmerhin aber wirb baburch, bafj 13 500 Arbeiterinnen
heute ben ©emerffhaften angehören, ber Beweis geliefert, bafc es oer*
fehlt ift, baootuzu fprechen, bafe bie Arbeiterinnen h«ute norif) nidht für
bie Drganifation reif wären. Bodj ftehen SWiHionen Arbeiter, bei
benen bie gefchilberten ungünftigen Borbebingungen nicht oorbanben
finb, ben ©ewerffchaften fern, obgleich in Bezug auf Agitation für bie
Heranziehung biefer’Arbeiter bisher mehr gethan ift, als für bie Dr-
ganifiruna ber Arbeiterinnen. 3ahrz«hute waren erforberlich, um bei
einer halfen Million beutfdjer Arbeiter bie ©rfenntni& oon ber Both*
wenbigfeit ber Drganifation h«röeiz u füh re u. So fnher, wie wir barauf
rechnen, baß nidht eine gleich lange 3cit zur Drganifirung einer weiteren
halben SKülion Arbeiter nothwenbia fein wirb, fo ficher ift barauf zu
rechnen, bafe troh aller Schwierig feiten, bie entgegenftehen, auch bie
Drganifirung ber Arbeiterinnen zu einer fortfdfireitenben ©ntwicfelung
fommen wirb.
©aS bie einzelnen ©ewerffchaften betrifft, fo fteht an ihrer
Spifce ber ©itgtieberzahf nach bie ©ewerffdhaft ber Metallarbeiter
mit 74160; es folgen bie 9Raurer mit 60175, bann bie §oiz s
arbeitet mit 48 589, bie Deytilarbeiter mit 27 679, bie Bergarbeiter
mit 27 300, bie Buchjbrudfer mit 24 020, bie 3tuimeret mit 22 104,
bie Dabafarbeiter mit 15 613, bie Sabrifarbeiter mit 15 101, bie
Schuhmacher mit 13 727, bie Hafenarbeiter mit 10 037 unb bie
Steinarbeiter mit 10 000. Aüe übrigen ©ewerffchaften haben
weniger ©itglieber; einige zählen überhaupt nur ein paar hunbert.
©ie bie Bfitgliebenahi, fo ift auch bie innere Äraft unb SeiftungS*
fähigfeit ber einzelnen Drganifationen fehr oerfdhieben unb ungleich*
werthig. Beben ben Buchbrudfern, bie 56 JlL 21 4 für jebeS
©itglieb ihres BerbanbeS aufbringen, ftehen mit einem Saftes*
beitrag oon 33 Jt. 88 4 Äopf bie ^utmacher; auch bie Bilb*
hauer leiften 26 J(. an ihre Äaffen, bie Hanbfdhuhmadhcr faft
18 Jf, bie ©igarrenfortirer 21 M, bie ©aftwirthSgehülfen eben*
fooiel. Aber es giebt auch Drganifationen, wie bie ber Barbiere,
Hafenarbeiter, Dapezierer, wo ftch bie Jahresbeiträge zmifchen
1 J(, 71 4 aab 2 JL 97 4 halten. ArbeitSlofen*Untcrftühung
haben 19 ©ewerffchaften eingeführt; bie Beträge fchwanfen zmifchen
50 4 unb 1 JL 50 4 täglich- Der Bericht empfiehlt biefe Art
ber Unterftüfcung zum Behufe ber Äräftigung ber Berbänbe mit
folgenben ©orten: „Die Drgantfattonen, bie ihre üftitgltebcr
wä|renb ber 3eit ber ArbeitSlofigfeit unterftüben, werben auch in
ber 3ett ber wirthfehaftlichen Depreffton einen nennenSwerthen
SBitglieberoerluft nid)t aufzuweifen haben."
Die ©efammteinnahmen ber Drganifationen für BereinSzwecfe
überftiegen 5V2 Trillionen, bie Ausgaben 4 ! / 4 Trillionen Ttarf. Daoon
würbe für Streifs runb ein Biertel aufgeweiibet (1073 290^).
Die für Unterftübungen atter Art (Bed)tSfchub, ©emafercgelten*
unterftübung, Beife*, ArbeitSlofen*, Äranfen*, Snoalibeuunter*
1248
1244
©oktale ©rajtS. Gentralblatt für Sozialpolitif. ©r. 47.
ftnfcung 2 C.) oermcnbeten Mittel belaufen fi<h auf etwa 1 300 000 JL
$ie Ausgaben für bie treffe unb bie Agitation betrugen
655278 , Jf , für Konferenzen unb ©erfammlungen mürben 68693 <stt.,
für ©enoaltungSmaterial 165 926 Jt. unb für ©ehälter 140 423 JL
aufgemeubet. SDic lefeteren ©often ^aben in einigen, einfeiligen
Unternehmerintereffcn bieitenben ©lättern eine ebenfo fcharfe mie
unbillige Kritif erfahren; es mar ba mieber einmal bie ©ebe oon
ben „Agitatoren, bie ftd) oon ben Arbeitergrofchen mäfien". 9Bie
fdjlec^t bie ©eroerffd)aftsbeamten unb ©ebaf teure, ohne bie fid)
both Drganifationen oon £>unberttaufenben nic^t fdöaffen unb er*
halten Iajfeit, im Allgemeinen befolbet merben, bafür h a & e n bie
©erhatiblungen beS lebten ©einer ffchaftSfongreffeS ©eroetfe erbracht
— jebettfalls tonnen ihre ©ehälter entfernt feinen ©ergleidj aus*
halten mit benen ber ©cneralfefretäre ber Unternehmeroerbänbe,
bie auf ihrem ©ebiete, mie ber Abgeorönete Freiherr o. $et)I im
©eichstag feljr richtig h crü0r ho&, bie gleichen Aufgaben ju erfüllen
haben mie bie ©emerffdjaftsbeamten für bie Arbeiter. — An ©er*
mögen befaßen bie beutfefjen ©emerffchaften Gnbe 1898 tnSgefatnmt
4 373 313 Jfi, baoon in ber Hauptfaffe 3 880 092 ,1(.
$ie 3flhf btt ©emerffchaften, roelche in ber Statiftif geführt
finb, hat [ich im %crt)vt 1898 gegenüber 1897 ein roeniq oeränbert.
$er ©erbanb ber glö&er unb bie Drganifationen ber Biographen
finb für 1898 aus ber Statiftif fortgelaffen. SDer ©erbanb ber
glöjjer fann als aufgelöft gelten. 2>ie Biographen finb in &ofaI*
oereinen organifirt, unb eS fehlt biefen an einer Gentralftelle.
9teu geführt in ber Statiftif finb bie ©erbätibe ber ©ud)brutferei*
hülfSarbeiter, ber gorntenftecher unb ber ©tofehiniften unb §eijer.
Sie fchon bemerft, haben bie ©emerffchaften 1898 mieber einen
beträchtlichen 9JHtglieberzuroad)S 3u oerzeichnen> unb groar oon
79 879 ober 19,30 % gegenüber 1897. tiefer s Mtglieberzuroa<hS
entfällt jeboch nicht auf alle Drganifationen. Gs ift im ©egentheil
in einzelnen ein ©üefgang in ber S)titglieberzahl ju oerzeichnen
GS oerloren an ©fitgliebern: ©rauer 488, ©ärtner 50, ©laS=
arbeiter 424, ©olbarbeitcr 10, Hafenarbeiter 963, H»l mat h e r 200;
Konbitoren 12, ßithographen 965, 5DtüHer 24, Schuhmacher 125,
Seeleute 523, Steinarbeiter 1500, Steiitfeher 37 unb ©ergolber 29,
Zufammen 14 Drganifationen 5350 ©iitglieber. 42 Drganifationen
hatten einen SRitglieberzumachS oon zufammen 85 229, mährenb
eine Drgdnifation ben gleichen SRitglieberftanb mie 1897 behielt.
Sie 'ber leptc ©emerffchaftsfongref} in $rattffurt a. s 4)t. bar*
gethan hat, roenben fi$ bie ©emerffchaften immer mehr praftifchen
Aufgaben zu: paritätijeheu ArbeitSnadnoeifen, Xarifgemeinf(haften
mit ben Unternehmern, ber Grrichtung oon Arbeiterfefretariaten,
bem ©au oon eigenen ©rroerf(<haftsf)äufern, bem Ausbau beS
UnterftnfeungSfaffenioefenS u. f. m. 9Kit Gntfchiebcnheit roirb auch
bie feibftänbige, oon ©arteipolitif unb Religion unabhängige ©e*
loerfjcbaftsbeiuegung betont, obroohl ebenfo entfehieben erficht mirb,
ba& bie grofec SJtehrzahl ber gemerffchaftlich orgänifirten Arbeiter
fi<h politifch z ur ^ozialbemofratie befennt unb Den Sahnen biefer
©artei folgt. $)arin mirb auch folange fein Sanbel eintreten, als
bie Regierungen ben ArbetterberufSoereinen überhaupt mit SDtife»
trauen unb Abneigung gegenüberftehen unb fie burch ihre 9Raft*
nahmen immer mieber in bie fchroffe Dppofition brängen.
Ar1ieit?rfefrrt«rtat unb $tafetrat| in 9hnm|eiut. Mehrfach ift in
biefen ©lättern heroorgefjoben morben, bah oiele ©ehörben in Sübbeutfd)*
lanb in ber gnfiitution ber Arbciterfcfretariate eine Hilfe für bie Gr*
lebigung ber ihnen ztifoittmeubcn Aufgaben ber Arbeiterfürforge er*
blicfen. Reuerbiugs bat baS Arbeiterfefretariat in SRamiheim eine Slrt
amtlicher Anerfemmng erfahren. gn ben int Aufträge beS StabtrathS
herausgegebenen „Statiftifdien ‘’Dionatsberidjten ber Stabt ^Mannheim'
merben oon nun an laut Stabtrathsbefdjlub bie Statiftifen über bie
©enufcung beS Slrbciterfefretariats oerüffentlicht.
^ienffboteu-SerfaMwlnttgen tu ©erltu. 3n ©erlin machen zur
3eit ©erfammlungen ber ^ienfiboteu oon fich reben, bie ©lätter
fprecheu fogar oon einer „^ienftboten^croeguug". ^)ie erften
©erfammlungen mareit oont llnterftühungSoerein ber ^)ienerfchaft
einberufen unb füllten aucjcnf<heinli<h ben 3mecfen biefeS ©ereinS
bienen, ©ian oermahrte lieh in biefen ©erfammlungen entfehieben
gegen fozialbetnofratifdje 2:enbenzen, erfannte and) an, bafe es gute
Herrfdjaften gebe, bod) mürben bie ©efinbeorbnungen, bas ©cfinbe*
oermiethungSmefcn unb befonberS bie Schlafräume, bie Grnährnng
nub bie ©ehaubluitg mand^er ^ieuftmäbchen einer fdjarfen Kritif
unterzogen intb oor Ellern eine ^Ibfchaffung ber ©cfinbeorbuung
unb ©leichfteOung ber ©ienftboten mit ben gemerblichen Arbeitern
geforbert. 2)ie erften ©erfammlungen mürben oon einem Stfjeil
ber ©reffe nicht ernft genommen, ja gerabezu „oerulft", anberc
©lätter riefen nadj ber ©olizei, mieber anberc fpradjen oon fozial*
bemofratifcher ©fache, ©on biefer fann tnbeffen nicht gefprochen
merben, ba eine oon ber Sozialbemofratie einberufene ©erfamm*
lung, in ber fiil^ ©raun über bie ©ienftbotenfrage referirtc,
nur oon einzelnen $>ienftmäbchen befucht mürbe, obgleich in früheren
®ienftboten*©erfammlungen müitblich unb burch 3 e ^ e ^ 8 U ^ cr
fozialbemofratifchen ©erfammlung eingelaben morben mar, roa#
mieber zur Solge §atte, bafe oon ben Ginberufem ber früheren
©erfammlungen oor bem ©efuch bet fozialbemofratifchen ©erfamrn*
lungen geroamt mürbe. So maren in ber Iefcteren roohl oiele
„©ettoffen unb ©enofRnnen", aber nur menig ^ienftmäbchen er*
fdjienen. grau ßilp ©raun erflärte beim and) am Schluffe ihre«
©eferats, bafj man bie ^)ienftmäbchen burdjauS nicht z^ Sozial*
bemofraten preffen rooHe, man molle bie 2>ienfimäbchen nur er*
muntern, fich 8« organifiren unb einig aufzutreten. $>ann mürben
fie oon felbft ins fozialbemofratifche Säger fommen. 3n einer
©efolution mürbe bie §lbfchaffung ber ©efinbeorbnungen unb ber
©ienftbücher (oon benen in ©erlitt allein jährlich einige £aufenb
„oerloren" gehen), Aufhebung beS KoalitionSoerbotS, Hnterftelluna
ber $)ienftboten unter bie ©emerbeorbnung unb bie Kranfen- unb
Unfalloerfidjerung, Grrichtung öffentlicher, ftaatUcher ober foutmu*
naler 2lrbeit$na<hroeife h5r 4)ienftboten unb behörbliche Kontrole
ber Sohnungett ber ^)ienftmäbchen geforbert. — 3 un Öchft niirb ftch
erft noch zu 8 e i0 cn hu^cit, ob eS ft^ bei ben ®ienftmäbchen*©er*
fammlungen um me|r huubelt, als um eine fpontait an bie Dber*
fläche getretene ©emegung, bie zubem burch bie©eife- unb Serien*
Zeit begiinftigt mürbe. GS ift {ebenfalls zu benicfftchtigen, baß bie
©erfammlungen in ber Hmipt[acbc bisher nur oon $>tenftmäbchen
aus fogenannten feineren Hciufem, feine^njegg aber oon ben
„©Jäbchen für 5lHeS" aus Heineren bürgerlichen Hciufent befugt
maren. $)abei foH burchauS nicht oerfannt merben, bafe im ^ienft*
botenroefen ernftc Uebelftänbe oor|anben Ttub, nur herrfcht anfeheinenb
unter ben $ienftboten felbft über baS, maS fie roollen, feine oolle
Klarheit, ©cformbebürftig erfcheint zunächft baS 5)ienftoermitte-
lungSmefen, ganz abgefehen oon ben ©efinbeorbnungen, bie in
unfere 3 e ^ nicht mehr paffen. 3m fiebrigen macht fich ein Um*
bilbungSprozefe infofern bemerfbar, als baS Softem ber Äufmarfe*
frauen in ben ©ro&ftäbten ftarf zunimmt. 9fad$ ber lebten ©erufS»
Zählung hut fief) bereu 3«hl erheblich ftärfer öermehrt als bie ©e*
oölferung foroohl als bie 3<*hl ^ cr meiblichen GcmerbSthättgen
überhaupt, mährenb bie 3 a hl ber eigentlichen $)ienftmäbchen im
©üefgang begriffen ift.
$ie ©erliiter ©ottfntfeher mtb SpebitimtSorfteiter, bie fid) burch über*
lange Arbeitszeit, 9>?ichtinnehaltung ber ©aufen unb über baS Straf*
aelberfi)fient auf manchen SpebitionShöfen befdnoert fühlen, fmb in eine
Öohnbemcgung eingetreten. 9SBie ber „©orroärts" berichtet, bauert bie
Arbeitszeit int $ur<hfdjmtt bei allen ©crliiter SpebitionSftrmen für bie
Stoflfutfcher oon 5 1 /« Uhr früh bis 10 Uhr AbenbS ohne ©aufeit. 3n
ber Hochfaifon mirb bei einzelnen girmen oft bis 2 auch 3 Uhr früh
gearbeitet. 3ür biefe faft übermeitfchlichen Stiftungen mirb ein ^obn
oon 16 bis hödjftens 22 M. in ber Söoche gezahlt. 3m SpebitionS*
gemerbe fennt man bas ©ezahlen oon Ueberftunben überhaupt nicht,
©on bem fargen Sohne mirb noch 1 JC refp. l,so .4t pro Socljc als
fogenannte Kaution in Abzug gebracht. $>abei ift ber Siollfutidier ge*
Zmüngen, fein grühftücf, fein SKittageffen, ©efper, Abenbbrot in ber
Kneipe einzunehmen, maS hoppelte Ausgaben oerurfacht. gür bie gamilte
bleiben bann 10 — 12 , im günftigften galle, menn ein paar ©rofdben
2rinfgelb oerbient merben, 14 jk. für bie ganze SBodje. ^ic Sohn*
fontmtffion ber ftolifutfcher unb SpebüionSarbeiter, oon benen nur
ctma 250 organifirt finb, fjut folgettbe gorberungen anfgefteöt: gür
©obenarbeit ein SDUnbeftlohn oon 21 j/. f für bie Kutfcher 22 M. pro
3Boche. Güte beftimmte Arbeitszeit mirb nur für bie ©Obenarbeiter
oerlangt; für bie Kutfcher mirb geforbert, bafe nad) 7 bezm. 8 U^r
AbenbS feiner oon ihnen mehr auf bie 2our gcfdjicft merben barf. 2)ic
©Obenarbeiter oerlangen für Ueberftunben 35 bie Kutfcher nach
9 Uhr AbenbS 50 4 pro Stunbc.
fceiitfihwitioiiöler 3u bem Auffafc „$ic
HanblungSgehilfen*Drganifatiouen im S)eutfdben Sieidj" in 9?r. 45 ber
„Sozialen ©rajris" erhalten mir oon ber ©ermaltung beS „^eutfeh*
nationalen HanbluitgSgel)üfen*©erbanbeS w in Hamburg folgenbe 3u*
fdtrtft mit ber ©itte um Aufnahme: „2Benn and) unfer ©erbanb, 'ber
übrigens nicht 20 000, fonbern z«r 3^t nach Abzug aüer Streidiuugcn,
Austritte u. f. ro. 30 165 ©fttgliebcr zählt/ ein huuptfädjltcheS ©croicfjt
auf bie ©ehanblung fozialpolitifd^er Sagesfrageu im Hu»belsgemerbc
legt, fo hat er banebeu bodj eine 9ieil)c oon ©?ohIfahrtSeinnd)tiingcii
für feine SJcitglieber getroffen, bie fich mit benen anberer ©erbänbe fchr
moljl mcffcii tonnen, ^ir ermähnen bie oöllig foftenfreie Abthcilung
für 9tcdjtsfdjup, bie in biefem 3ahre bereits 842 gäfle (Klagen, A 11 S*
fünfte, giitlidje ©ercinbanmgen) erlebigte, ferner 36 Oiehilfen zur CJr*
laugung eines 3 PI ig»MfcS ucrljalf unb bie Auszahlung oon 3906 .✓/.
Zuriidgclialtcncr ^öbne bemirfte. ®ie ©erfnherung gegen SteQenlofig*
feit, Die bie SDfitglieber ohne befonbere ©eitragSleiftung im galle uii*
1245
©ogtale graste, ©entralblatt für ©ogtalpolittf. Nr. 47.
1246
oerfchulbeter 5CrBci4dlofi0fet4 511 m Seguge einer SKonatSrente oon 25 M.
bi« gur Tauer non 3 SRonaten Berechtigt, hat in ben 19 SÄonaten ihre«
Seftehen« 8428 Jl. Renten auöbegahlt. Aufcerbem gelangten non ber
tlnterftüfcungsfaffe für nothleibenbe Serufögenoffen int Saufe ber lejjfen
l l h 3uhre 3160 M. gur Sertheilung." . . ,
Stttigssg im englif<h«t ^affhinexbatt. 3 U beginn be« Sßlire«
forberten bie Stafchinen arbeitet in Lancafbire eine Lohnerhöhung
non 2 sh für bie 28o<he, unb nach längeren Unterhanblungen ge*
ftanben bie Unternehmer eine ßobnfteigerung non 1 sh wöchentlich
au, bie nom 1. Suli eintreten foßie, fall« bie ©efdjäftslage um
oiefe 3*ß eine ßohnfteigerung rechtfertigen follte. 3m 3uli be¬
haupteten bie Unternehmer aber, bie ©efihäftslage hübe fuh ner*
fchlechtert, unb al« fie bie Lohnerhöhung oerroeigerten, fünbigten
bie Arbeiter in 3Äib-ßancafbire. Um etnen auSgebebnten ©treif
gu oertneiben, ber 7000 Arbeiter umfaßt hätte, mürben fofort neue
Unterhanblungen in ßonbon eingeleitet unb man einigte fidf) auf
folgenbe SBeife: (Ss mürbe ein Unparteilicher geroäbß, bem bie
Prüfung ber ©efchäftslaae ber Stofdfinenfabrifen in 2Rib*ßancafbire
nom 1. Hpril bi« 30. 3uni b. 3- obliegt; beoor er feine (Snt*
fdjeibmtg mittheilt, tritt jeboch für brei Stonate eine Lohnerhöhung
oon 1 sh in ber Stoche in Kraft. Lautet bie (Sntfiheibung be« Un*
parteiifchen gu ©unften ber Arbeiter, fo erhalten fte ben rücf»
ftänbigen ©biHing ab 1. 3uli nachgegabß, roogegen im anbern
gaße eine Nücfgablung ber Lohnerhöhung feiten« ber Arbeiter
nicht gu erfolgen hat.
$ie ^«jfeuauSfperrmig in $&neinarf, bie nun fchon brei
Monate bauert, ift nach uem ©Reitern ber lebten Vergleich«*
oerhanblungen 00 m Unternehmeroerbanb auf rocitere 10 000 Ar¬
beiter (©chneiber, (Sementarbeiter, ©chloffer unb ©chtniebe, (Srb-
arbeiter) au«gebehnt roorben, fo bafe nunmehr im ©angen über
50 000 Arbeiter (nahezu groei drittel aller gemerffchaftlich organi*
firten Arbeiter) au«gefperrt fmb. (Sin (Snbe be« Kampfe« ift
umfomeniger abgufeben, al« bie Unternehmer noch mit roeiteren
AuSfperrungen brohen unb bie Arbeiter unbebingt au«harren
motten. 3n einem neuerlichen Aufruf an bie beutfchen Arbeiter
um materielle Unterftüfcung erflären fie, bafi fie nicht nur im eigenen,
fonbern im Sntereffe ber Hrbeiterfc^aft ber gangen S$eß für ihre
Drgaitifgtion fäptpfen müfetcn,, ba, ihre ?}ieberlage ba« ©igpaJ .gu
äbnTtdjen ®Ea|fenau«fperrungen auch in anberen Länberu geben
mürbe. 3n ben anberen Länbern, oornehmlich in Teutfcblanb,
roirb für bie AuSgefperrten eifrig gefammett unb e« finb auch fchon
beträchtliche ©ummeit gufammengefomtnen. Son ben groei bänifd)en
©eroertfchaftsfübrern, bte SDeutfajIaitb bereiften, um in Serfamm*
lungen für bie AuSgefperrten gu roirfen, ift ber eine au« ©djleSroig*
£>olftein au«gemiefen roorben, bem anberen mürbe in ©achfen
unter Anbrobung ber AuSroeifung oerboten, in Serfammlungen
gu fprechen. 3ieffi man ©röfie unb SeoölferungSgiffer in Setracht,
fo ift ber iefeige Kampf in TänemarT ber größte, ber bi« jefct
Ä bem organifirten Unternehmerthum unb ber geroerffihaft*
w anifirten Arbeiterfchaft ftattgefunben hat.
raum ehtfteh^uöen 3>ampfeu in ©erührunö fbmm^U. ' ©elbftoerftäpblitfi
ift bafür ©orge gu tragen, bafj bie Arbeiter ©elegcnbeit haben, fi<h
orbnungSmäffig gu roafepen."
©mmrbeiterfihitb 9tyn*. $ie (Sentralfommiffion für Sau-
arbeiterfchuh gu Hamburg erläfit einen Aufruf an bie baugeroerb¬
lichen Arbeiter im Königreich kapern, roorin barauf hingemiefen
mirb, bafi e« ber Gentralfommiffion, bie in 38 Drten Sapern«
oerfucht hat, bie SertrauenSperfonen gur Silbung oon LoTal*
fommiffionen anguregen, mtr in fieben Drten gelungen ift, folche
(Einrichtungen gu fd)ajfen. Tie Nothroenbigfeit ber ßofaßommiffionen
roirb au« ben boh cn UnfaßSgablen in kapern nachgemiefen. Tie
3ahl ber Serle^ten, für mache llttfaßangeigen erftattet mürben,
ftieg oon 1811 ober 36,64 °/oo ber Serficherten im gab^e 1886 auf
5212 ober 56, 0 7%o im Sabre 1897, bie 3 a hl öer burdj Unfälle
©etöbteten oon 59 im Saht* 1886 auf 101 im 3ab*e 1897; fie
betrug in ben 12 Sahnen gufammen 1062. Tie baperifche Sau*
berufggenoffenfthaft hat gur S3eauffi^tigung oon 13 732 betrieben,
in melchen 92918 Skrficherte befchäftigt roerben, nur gmei Beamte
angefteüt unb giebt für 5Beauffict)tigung ber Setriebe nur 58 ^ pro
Setrieb au«, S)a in Sapern ben Saububen, ben 2lbort«anlagen,
ber genjter* unb Koaf«ofenfrage fein Sntereffe entgegengebracht
roerbe, roerben bie Lofalfomntiffionen aufgeforbert, btefeit fragen
ihre befonbere §lufmerffamfeit guguroenben. Slud^ roirb ein eigene«
Saugerocrbe-Snfpeftorat geforbert. (Snblich roirb eine grünb¬
liche Reform UnfaHoerfid)erung«gefehe« oerlangt, bamit ben
Arbeitern ein genügenber (Siitflufi auf bie Serroaltung unb bie Sln-
ftellung ber Seauftragten ein geräumt roerbe.
($ugttf<he SlrbeiterfchuhbUlt«. 5)ie am 9. Sluguft beenbete
©effion oe« englifchen Parlament« hat eine 9teihe oon (Snhoürfen
unerlebigt gelaffen, bie einen Slu«bau ber ^Irbeiterfchubgefehe be*
groedfen. darunter befinbet fich eine Sill oon £ennant, Sunt«
unb ©ir (Sharle« ®ilfe, betrefienb bie 2lu«behnung aller ©anität«-
oorfchriften auf $>eimarbeit«ftätten; für bie gefunbheitlidjcn Ser*
hSIttiiffe fold)er Wohnungen foUen foroohl ,jpau«eigenthümer al«
Stiether unb Arbeitgeber haftbar gemacht roeroen. ^)ie Sill fieht
weitere Arbeiterfdjugbeftimmungen auch in Sfabrifen oor, forbert
Sorfchriften bcgiiglich be« Licpte«, ber Kanalifirung unb 5trinf*
roaffer« in Jabrifen foroie ber Sentilation. ^De«glei^en .roirb eine
Neuregelung ber Seftimmungen ^infid|tnd> ber grauen- unb
Kinberarbeit oörgefchlagen, auch foll ben Textilarbeitern, eoentueE
allen gabrifarbettern, ein wöchentlicher $atbruhetag au&er bem
©onntag obligatorifch geroährt roerben. @ine anbere Sill oon
Norton, Taoit unb SDilfe forbert, bafi e« ben Arbeitgebern gefefc-
lich unterfagt roerben folle, ihre Arbeiter gum Austritt au«, einer
Sereinigung ober gum Seitritt gu einer fofehen gu oerhalten ober
bie« gu einer Sebingung be« ArbeitSoertrageS gu machen. (Sine
anbere Sill oon Sroabpurft, £>aoeIocf unb ©ir SBaßer gofter be¬
faßt fich mit Trudoerboten; ßohnrücfhaltungen unb ©trafabgüge
foUen oerboten roerben unb e« follen bie Trucfgefefcc auch auf
t eimarbeit au«gebehnt roerben; in jebem gatt foEt ba« ©efefe bem
rbeiter bie 3 ö plung feine« gangen Lohne« garantiren.
Arbcitarftyttfe.
©<l«h ber in 3ünbholgfabrife* Befchäftigteu Arbeiter, ©ine
00 m preufiifchen $anbel«minifter im April 0 . 3* oeranlafjte
Unterfuchung barüber, worauf bie bei ben Arbeitern in 3ünbholg-
fabrifen oorfommenben §autau«fchläge gurüefguführen finb, hat
ergeben, bafi unreine Paraffine, bie als fogenannte Tunfmaffe oer*
roenbet roerben, bie ©rfranfungen oerurfa^jen. 3u einem Nunb*
fchreiben über bie ©efunbheitsfd)äbigungen in 3äabholgfabrifen
führt ber SJtinifter au«:
,,©« fepeint al« feftftetjcnbangenommen roerben gubürfen, ba^bte^aut*
au«fd)Iäge nur bort auftreten, roo bie billigen, mit allerlei $robuften ber
troefenen TeftiHation oerutireinigten Paraffine oerroenbetroerben; jebenfallS
Tann nicht begroeifelt loerben, baß bie «£>autait£fd)läge, roo fie früher beob*
a^tet roorben finb, oerfchroanben, nad^bem bie gabrifanteu ftatt be« früher
oerroenbeten ungereinigten Paraffin« 3 ur Serroenbung reinen Paraffin«
übergegangen roaren. Audj bie (Einführung mafdjincrier Sorridjtunaen
gum AbfiiKen ber ^ünbhölger hat auf ben ©efunbljeitSjuftanb ber ba¬
mit Befchäftigten ^erfonen günftig geroirft. danach ift barauf ^u
halten, baß in ben günbholgfabrifcn thunlidjft gereinigte« ^arafpn
oerroenbet, bafe aber, roo bie« nicht gedieht, auf eine möglichft 00 H*
ftänbige (Entfernung ber bei ber (Erwärmung be« Paraffin« entftchenben
Kämpfe mit Nacpbrud hingeroirft roerbe unb bafi bie al« befonber«
empfinblid) fich erroeifenben ^erfonen nur mit Serrichtungen befchäftigt
roerben, bet benen fte roeber mit Paraffin, noch mit ben im ^araffinir-
Jirbclttmerflitjeröttg, «parHulfc».
3#* ©icttttttg ber Aerjte gn bett Kranfeufaffen roirb au«
T)re«ben folgenber Seitrag oerieptet: 3m Königreid) ©achfen ift
ben Aergten ber SetriebSfranfenfaffe ber Staatsbahnen ein
neuer Sertrag Oorgelegt roorben, in bem bie ärgtlichen Honorare
niebriger (!) al« bie 1 JL betragenben Ntinbeftfäfee ber ärgtlichen
©ebührenorbnung bemeffen roerben. (Stoa 200 Aergte haben fich
mit ben Sebingungen ber (Sifenbahnoerroaltung einoerftanben er-
Tlärt. Sefet haben aber bie ärgtlichen SejirfSoereiite, welche bic
©runblage ber ftaatlichen Aergte-Drganifatton bilben, gegen beit
Abfchlufi biefer Serträge ©infpruch erhoben, fie beabfidfitgen aud),
gegen bie Aergte, welche fich bereit« gegen bic (Sifenbahnoerroaltung
willfährig gegeigt haben, mit aßen ihnen gu ©cbote ftehenben
Mitteln eingufchreiten. S)a bie SegirTsoereine bie Sorlegung oou
Serträgen oerlangen fömten, forbern fie bie Aergte, bie folgen
bereit« gugeftimmt haben, auf, ihre 3ufage gurüefgugiehen, toibrigen^
faß« ein ehrengerichtliche« Verfahren gegen fie eingeleitet roerben
würbe. Segrünbet roirb ba« Sorgehen ber Segirf«oereine mit
bem .gnnroeife, bafi bie SetriebsfranfenTaffe ber 8taat«bahnen fich
nicht in einer Notblage befinbe unb bafi beöroegen Tein ©runb
oorliege, ihr auf bie Smibeftfäfce ber ©ebiibrenorbnung einen Nad)-
lafi gu gewähren.
1247
Soziale frafi*; ©entralMatt für Sogialpoltttt Ar. 47.
1248
ftmteuftettett für Ue 3utebe»tietft<bftttng tt«b %& Bertel
etantgefifiber Arbeiteröerchte Württembergs. 5)er Berbcntb eoan*
elifrf)er Arbeiteroereiite Württembergs bittet in einer Eingabe an
ad Minifterium bed Snnern um (Einrichtung non prtlidjen Renten*
ftetten. Bie Eingabe begrünbet bad Bebürfntß nach folgen
Aentenftetteu mit bem £>tnweid auf bie ©efcbäftdoerfcbleppung bur<b
bie Dberämter, bie gttweilen ihren ©nmb in mangelhaften Hennt*
niffen unb Erfahrung junger Beamten te e - £aß bent gegenüber
bie Aufteilung „niebergeprüfter" Berwaltungdfanbibaten empfohlen
wirb, um an ben Höften gu fparcn, halten wir für oerfebrt. Benn
bad ©lefeß ift fo fompligirt, baß bie Aufteilung eined juriftifch ge*
bilbeten Beamten notßwenbig, unb bie ©efdjäfte ber Drtdbehörbe
für bie Arbeiteroerficherung finb fo umfangreich, bie babei auf bem
Spiele ftehenben Sntereffen ber Arbeiter fo wichtig/ baß bie An*
Heilung afabetnifd) gebilbeter Beamten, bie übrigend roohl faurn
in einem anberen ßanbe billiger arbeiten ald in Württemberg, nicht
gu theuer erfdjeint. Bie Eingabe, ber mir fonft natürlich in ihrem
©nbgwecf durchaus guftimmen, führt refumirenb aud:
Hofer gbeal wirb natürlich eine Aentenfielle fein, oon ber bem
Aachfnchenben auch gleichseitig ber Befreit) über fein ©efud) ertheilt
wirb. Allein, abgefeßen baoon, baß fuß biefe Sßätigfeit ber Berftthe*
rungdanftalt in burchaud anerfennendwerther Weife oolljieljt, möchten
wir mit Anbern glauben, baß ftd) oorläuftg ein fdjrittmeifed Borgeben
auf bem gu betretenden Bfabe empfiehlt, möchten aber an (Sin l)ol)ed
Äöttiglidjed Minifterium bie bringende unb ergebene Bitte richten,
bicfent $nnft eine fortwährende wohlwollende Aufmerffamfeit gu
fchenfen. ©d ift außer allem 3weifel, baß bie Aentenfteflen oor allem
anberen geeignet ftnb, oerföhnenb gu wirfen unb baburdj bagu bei*
juiragen, bah bie fogialen ©egenfäße immer mehr ausgeglichen werben
ünb auch bagu, baß bie fogialen ©efeße ft<h endlich ber Beliebtheit er*
freuen, bie fte oerbienen.
Äfterdpeuftotid-Borfchlftfle in &nglattb* Bie Homtniffion bed
englifchen llnterhaufed gur ^Srufung ber beftehenben Alterdunter*
ftüßungd* unb Benjlondeinridjtungen für würdige Bedürftige (ogl.
„Sogiale Brarid" ©p. 929 unb 1178) behandelt in ihrem Bericht
fieben oerfchieoene Borlagen darüber, fdßägt aber baoon feine gur
Annahme oor, fonbern fprniulirt felbft allgemeine ©runbfäße.
Biefe ftüßeu fich h<wptfächli<h auf bad in Bänemarf eingeführte
Alterdpenfiondfpftcm unb auf bie ungefähr 250 in Geltung flehen*
den Berforgungdpläne ber Wol)lfal)ridpfIegcr. Sie ftiputirc'ff
folgende Bedingungen für bie Benfiondberechtigung: „Ber männ*
lidhe ober weibliche Benftondcmpfänger muß britifcher llnterthan
fein, 2. er muß 65 Söhre alt fein, 3. er darf während ber leßten
20 ßebendjahre nid)t eine 3ud)tf)aud* ober ©efänqnißftrafe erlitten
haben, 4. er darf in beit leßten 20 Sahren oor feiner Forderung
der Alterdpennon, außer mebigitiifchcr, feine Unterftüßung aud ber
Ärmenfaffe erhalten haben, ed fei denn in außerordentlichen Satten,
5. er darf nicht mehr ald 10 jf(, wöchentliched ©infommen haben,
6, er muß nach heften Hräfteu, fei ed durch feinen gleiß ober durch
oerftänbige ©parfamfeit, oerfucht haben, für fid) und feine nächften
Angehörigen Borforge gu treffen, 7. er muß im Begirf ber Ben*
fiondbehörbe wohnen." ©d fptt nämlich in jedem Armetihaudbegirf
eine Beufioudbef)örbc 3ur Annahme oon ©efuthen unb ©ntfeheibuna
über bie Berechtigungen eingerichtet werben, ©tefe Behörde fott
aud einer Hommtffion oon 6 bie 12 Mitgliedern beftehen, bie oon
den Armenpflegern aud ihrer Bütte gewählt werben. Broß biefer
3ufammenfcßiing fott bie Hommiffion oom Armenrath unabhängig
fein und, nach Borfcßriften, bie oon ber Dridbeßorbe gu erlaffen
find, durch andere 'Mitglieder ergäugt werben; unbefchabet der
Mehrheit der Armcnpflcger fötten and) andere öffentliche Körper*
fchafteit in ber Hommiffion oertreten fein, ©ie .Höften ber Benfion
fotten oon den allgemeinen Begirtdarmenfonbd getragen werben,
dem ftaatliche 3»fä)iiffe entfprecßenb ber Beoölferung bed Begirfd
gegeben werben fotten, aber nur bid gur £älfte ber oeranfdjlagten
Benfiondbcträge. Ber nähere Hoftenoerthcilungdplan fott während
ber Barlamentdferien durch fompetente Sacboerftänbige audge*
arbeitet werben, Bie B en t’ion fott eutfprechenb der ortsüblichen
^ebendhaltuiig nicht weniger ald 5 und nicht mehr ald 7 sh. die
Wod)e betragen unb durch bie Baft audgegahlt werben, ©ie fott
auf minbeftend drei gabre gewährt unb bann erneuert werben, ift
aber jeder 3eit widerruflich- Bie Audfiihniugdbeftimmungeu gelten
gunärfjft für ©nglanb unb Waied, fönnen aber fmngemäß auf
Sdjottlanb und Srlanb andgebchnt werben.
^ie Sfommiffioii hält eine Aenbermtg bed Armengefeßed ald
©rgängung gu biefen Borfchlägen für nothwenbig (ogl. €p. 1178)
unb fcßließt fich iw Attgemeinen den Borfchlägen ber .J)eimftätten*
(Cottage Homes)Hommi)fion an aud) begüglidj ber Bläue für ©r*
riditung oon getrennten .s^audeheu für alte würdige unb bedürftige
©hepaare bei den Arbeitdt)äu)eru, ebenfo begiiglid) ber Hlaffififation
ber Armen, ©in gebruefter Borfchlag eined Mitgliedes ber Äom*
miffton, Mr. äeeft), fpricht fich 0CÖ en jede Alterdpenfion and; er
meint, baß durch „ein ausgedehntes unb flaret präciptted Spftem
der Armenflaffififation bad B^ablem anfeheinenb am beften gelöft
werben dürfte". — Sn den Borfchlägen ber Äommiffion ift bie Ber*
quiefung biefer Alterdoerforgung mit ber Armenpflege oom Stand*
punlie unterer beutfehen Alterdoerficherungdgefeßgcbuug recht peinlich-
3ur llnterftühung ber Äommiffion ift oom Arbeitsamt bed
£mnbeldminifteriiimd eine Ueberficht über die ftaatliche Alterd*
oerforgung in europäifchen Ländern audgearbeitet worben. Bon
den 11 ßänbern haben eigentlich nur ©eutfchlanb und ^änemart
ein allgemeines Alterdoerforgungd- ober llntcritüßungdfpftem. 3)ad
bänifefje Spftem fieht für jede bedürftige unbefd|oltene Berfon
über 60 Sah^c eine befonbere Altcrdunterftüßung oor. 5)er ©m*
pfänaer braucht feine bireften Beiträge gu begahlen unb bie .pöhe
ber Benfion ift nicht gefeßlich feftgelegt, fie muß für den Bewerber
unb feine gamilie audreidjen. 2)ie Annahme biefer Ilntcrftüßung
hat feine Bermtnberung bed Wahlrechts im ©efolgc. Sw 3ahre
1896 wurden 36 240 ‘ Betonen mit 14 223 Angehörigen mit
4 326 340 c/fL unterftüßt, eine Summe, bie gur $>älfte oom Staat,
gur §älfte oon den ©lemeinben getragen wurde. 3)er Bericht er*
wähnt eine gwangdweife Berficherung für 3^ianb nach einem ©e*
feß oon 1890, ftettt aber feft, baß bisher noch feine Berficherung
banach gegahlt worben ift.
Unterftäßttug ber Friendly societies durch beu ©raffch«ftdrat| tu
©heffhre, $er ©raff^aftdrath oon ©ßefhire hat eine Berfügung erlaßen,
ber gufolge alle durch ihn angeftellten Arbeiter Mitglieder irgend einer
der woßlfunbirten „©enoßenfd)aftcn ber greunbe" fein müfjen. Alle
Arbeiter, bie einer biefer ©eicllfdjaftcn beitreten, erhalten eine ioöd)cntlicfje
Zulage oon 50^. Ber ©raffchaftdrath will feine neuen Arbeiter ein=
[teilen, bie ftch ni$t ber Borfchrift bed (Eintritts fügen.
Motyumijpmtfm.
Staatftdje Wohnungdreform in Baßem. BHinchener Blatter
oerbreiteten oor Sfurgem bie Aachricht, baß die Regierung an den
ßanbtag eine Borlage gu bringen gebenfe, in ber gum Bau oon
Wohnhünfern für die bei der föniglid) baprifchen Staatdbahn an*
geftettten Arbeiter unb Bebienfteten bie Summe oon 30 Millionen
Marf oerlangt werben fotte. Bie Mieten füllten einer Berginfung
bed Sfapitald mit 3% entfprcchen. Biefe pofttio auftretenbe Aach*
rid)t flang gwar fefjr erfreulidß, wenn man bie fd)wachen Berfuche
der Staatdbahnoerwaltung gur Aeform ber Wohnungen in Betracht
gieht aber ber llmftanb, baß fefte 3iff e ^n in fo h*>h cm Betrage
genannt wurden, mußte etwas Mißtrauen erweefen. An guftänbiger
Stelle eingegogenc Snformationen haben benn auch, wie man und
aud München fcfjreibt, ergeben, baß die Mitteilungen in der Brrifc
gum Bheil unrichtig find. Atterbingd beabfichtigt bie Aegierung
eine Borlage, betreffend bie ©rridjtung oon Arbeitenoohnungen
für bie Staatdbal)narbeiter u. f. m., an ben neuen Sanbtag m
bringen, boöß find Betaild noch nicht gur Beröffentlichung gereift.
Sebenfattd ift bie beftimmte Angabe, baß bad B^ftulat 30 Miüioneu
betrage, unrichtig.
(ScmeiuMiche Wohnungdfürforge für ftäbtifdje Arbeiter tt«b
Bebieuftete in Aümberg. Burch Bcfchlüffe ber ©emeinbebehörben
oom 10. und 21. gebruar 1899 war beftirnmt worben, baß gu*
nächft für ftäbtifche Arbeiter unb Bebienftete gefunbe unb behag*
liehe Mietwohnungen gegen mäßige Miethpreife — feine Bienft»
Wohnungen — befdiafft werben fotten. Aach einer amtlichen (Er*
bebung werben gur 3 e ü l 555 nicbere Bebienftete unb Arbeiter oon
ber Stabtgemeinbe Aürnberg ftänbig befchäftigt; bie nur oorüber*
gehend auf furge 3 e ü befchäftigten Arbeiter find nicht mit einge*
rechnet, ebenfowenig bie £ehrer, bie ftäbtifchen Dberbeamten, Be*
amten 1. und II. klaffe u. f. w. Bon biefen 1555 Arbeitern unb
Bebienfteten find 105 = 7% im Beftß oon Bien ft Wohnungen.
700 = 45% haben bie ©rflärung abgegeben, baß fte auf eine
ftäbtifd)e Miethwoßnung refleftiren. Bon ben Miethdluftigen ftnb
8 % ledig, 19 % oerheirathet ohne unoerforgte Hinber unb 73 o/ 0
oerheiratbet mit unoerforgtett .Hindern. Aach ihrer Bcrufdftettung
gehören gu ben 700 Miethdluftigen 403 Arbeiter (Dberauffefyer,
$luffef)er, Mafchiniften, Monteure, §audbiener, Arbeiter, Jage*
löhner u. f. w.) unb 297 Bebienftete, darunter 9 BoUseiwacbt*
tneifter, 130 Sd)ußlcute, 39 Boten, 15 ©efätt*©innebnter, 27 gunf*
tionäre, 9 Haitgliften, 7 Affiftenten, 11 Schreiber u. f. w. Bie
fämmtlichen Miethdluftigen wünfd)en, baß bie ftäbtifchen Mieth*
Wohnungen mit ben üblichen Bequemlichfeiteit, indbefonberc mit
1 Hüche, 1 Speifc*, 1 Boden*, 1 Heller* unb 1 Wafcbfücbenantbeil
1249
©ojioJt $ra£i$. Eentraßblott für ©ogialpölttil. Sir. 47.
1250
oerfehen ftnb. Setterhin beattfprudien oon ben 200 StethS?
luftigen
165 = 24 °/ 0 eine Stethwoljnung mit 1 3iimner uhb i Kammer
= 1 * ■ ■ * 2 Kammern
5 1 = * 3 S
* 2
«2 i s 1
* ,2 -■ =2 =•
*' 2 '* = 3
= 8
s 3 s * 1 s
= 3 * 3 2 3
* 4 3 3 1 3
6 = 1 % ein möblirteg Sintnter,
b. b- 80% wünfchen big gu 3 Sohnräumen, währenb bie übrigen
20% über 3 So|nräume beanfpruchen.
Ein mit ber weiteren Prüfung ber SBoIjnunggfrage betrauter
Unteraugfchufc ber ©emeinbebefjörben berietb nunmehr auf Erunb
biefcr Errungen unb mehrerer eingeholter ®u tagten auswärtiger
Eenteinben unb ^ßrioatunternebmitngen. $)er Referent, 9ted)tsrath
Sedfb, frf)lug mehrere für biefe Sohmniggbauten in Setracht
fontmenbe ftäbtifd^c Erunbftücfe oor. Sei ber Auswahl biefer
Saupläfce nahm ber Ausrufe Darauf föücfficht, ba& feine fo*
genannte Arbeiierlolonie, baS ift fein eigeneg ©tabtoiertcl, für Die
ftäbtifchen Scbienfteten unb Arbeiter gefdjaffen werben fofl, fonbern
bafj in Sücfft d)t auf bie oerfd)tebene SerufSfteHung ber Sebienfteten
bie ftäbtifchen Kleinwohnungen gruppenweife in ben oerfchiebenen
6tabttbeilen errichtet werben, ferner, bafe bie Saupläfce an §aupt-
Stabialftra&en unb in möglichfter Siähe non Straßenbahnlinien ge«
legen ftnb, weiterhin baß eine entfprechenbe Eutwäfferung, fomie
bie Suleiiung non Saffer unb (Sag ermöglicht ift, enblidfj baß ber
Serif) ber Saupläfee ein entfprechenber ift, b. h- nod) eine an*
gemeffene Sergiufung beg gefammten, für ben fraglichen 3 n,C£ *
non ber Stabtgemeinbe aufgewenbeten Kapitals guläßt. Sei ber
grage: „Sie fall gebaut werben?" war ber Ausfluß einftimmig
ber Anfchaüung, baß geräumige, fyJk, trocfene gefunbe, überhaupt
möglidhft gute unb babei boch einfache unb billige Kleinwohnungeä
hergeftettt werben füllen, bann, baß womöglich Eärten, unb jeben*
fallg enifprechenb große §öfe gum Aufenthalt für Kinber unb Er-
wadhfene bei ben Raufern oorgufehen ftnb, unb baß bei bem Sau
ber Käufer alles einförmige, fchablonenhafie unb fafernentnäßige
gu oermeiben ift, baß oielmehr bie $äufer ein gefälligeg AuSfeben
haben unb ein abwechslungsreiches Silb geben unb oon ben
prioaten Käufern ft<h nicht unterfcheiben füllen. S)ie Sohumtgen
follen gumeift aug 3 Sohnräumen (1 3immer unb 2 Kammern
ober 2 3tmmern im b 1 Kammer) beftehen; eiugelne Sohnungen
ftnb fleiiter hergufteHen mit 1 3«™™* unb 1 Kammer. Sei fämmt*
liehen Sofjnungen muß ftetg 1 Küche oorhanben fein, auf beren
praftiftfje Eintfjeiluna befonbers gu fehen ift. 3tn Uebrigen foHen
bie Wohnungen mit ben üblichen Sequemlichfeiten, wie mit
1 Soben unb 1 KeUerantheile u. f. w. möglichft felbftftänbig aug*
geftattet werben, bamit fie für ficb abgefchloffen gehalten werben
fönneu; gemeinfam füllen nur folche Einrichtungen, wie Safch*
füchen u. f. w. fein. ®rei folche Kleinwohnungen futb in ber
Siegel gu einem gaufe fo gu oereinigen, baß leßtereS je 1 Sohmntg
imErbgefchoß, im Dbergefdjoß unb im $5achgefd)oß enthält. Um
bie Anlage- unb Saufoften. gu oerringern, ferner um ben $>äufern
ein beffereg Augfehen geben gu fönnen, finb feine Eingelhäufer gu
erbauen, foubern ftetg 2 ober 3 berartige Käufer gu einem Ee-
bäube gu oereinigen, mit anberen Sorten: dg wirb oorgefchlagen,
tljeilg 2)oppelhäufer, theilS breitheilige Käufer gu errichten.
Sei ber grage: „Sie oiele Käufer foHen gebaut werben?"
einigte fid) ber AuSfd>uß bahin, gunächft einen Serfu<h gu machen
unb erft, wenn ber Serfuch gelingt, Kleinwohnungen in gröberer
Angabi, etwa big gu 200 mit einem KapitalSaufwanb big gu einer
StiHion SWarf herguftellen. $>emgufolge wirb begutachtet, auf ben
befonberg geeigneten Sauplä^en, nämlich 1. an ber gürtherftraße,
2. auf bem SubwigSfelbe an ber Siegengburger 0traße, — oon
welchen Släfeeti ber erftere an bem weftlichen, ber lefetere an bem
öftlidjen Umfrcig ber Altftabt Slüntberg unb beibe an öauptlinien
ber @trabenbahn ober hoch in beren $äbe gelegen fmD, gunächft
je 6—10 §äufer (theilg 2)oppelbäufer, theilg breitheilige «öäufer)
mit ie 54 Kleinwohnungen aufguführen, fo bab für ben Anfang
108 gute, gefunbe unb billige Kleinwohnungen für ben fraglichen
3wecf gur Serfügung ftehen.
SDiefeg (Suta%teu beg Augf<huffeg würbe in ber (Sefammtfibung
beg Stagiftrateg oom 28. Quli einftimmig genehmigt unb bag
©tabtbauamt fofort oom SRagiftrat beauftragt, fo halb atg nur
irgeub möglich, bie erforberlichen Släne unb Koftenaufchläge aug-
guarbeiten, wobei auch ber bur^fchnittti^e $erfteHunggpreig für
je eine SBohnung ün drbgefchob, im BbergeT^Ob unb im SDadjs
gefchob berechnet werben foll.
SBohnuuggfürforge ht Se^gtg-fiinbe’natt» $>er Serein für Er¬
bauung billiger Wohnungen h^t nach feinem foeben erfchienenen
Sericht währenb ber lepten Drei 3a^ e 13 §äufer mit 121
^Bohnungen, bie oon 480 Köpfen bewohnt werben, erbaut. $)er
Seftqnb beg Sereing beläuft fich auf 62 Käufer mit*529 Söohnungeü
unb 2110 Sewohnern. 2)er Ein'heitgpretg pro- Duabratmeter nuh s
baren SBohnraumg beträgt 3,74 JL jährlich. $>er ÜJtietheinnähme
pon runb 47 000 c /# fte|en Aufwenbutigen für bie Käufer oon
32 000 c JL gegenüber, unb eg fonnte bag Anlagefapital oon
2 438 519 c /ft mit 2, 62 % üerginft 'werben. 3m nächlten 3abr füll
auf Eutribfcher Starfunji eine neue Anlage in Angriff g&iopimett
werben. Ein gweiter Serein („Oftheim") h<*t im Iefeteii Sahre
20 Käufer fertigfteHen laffen.
föohnunggperhiltntffe in Kavfgrnh^ ^tatiftifche Amt ber
0tabt Karlgruhe fe(jt feine 3 ähl«ngen ber Ieerftehenben SBohnungen
regelmäbig fort. 2)ie Erhebung am 1.3uli ergab, baft 292 Wohnungen
leer ftanben, *= 1,4 % aller ©ohuuitaen. Sleue SBohnungen würben
1898 1011 hergeitetit. (Segen Aprif hat bie3ahl ber leerftehenbeu
Sohnungen um 19 abgenommen, bagegen war fie um 128 gröjjer
alg am 1. 3«li 1898. Stad) Eröfee oertheilen ftch bie leerftehenbeu
Sohnungen wie folgt: 14 Eingimmermohnungen, 50 3meigimmer-
wohnungen, 81 breigimmerige, 58 oiergimmerige, 42 fünfgimmerige,
21 fechggitnmerige, 7 ftebengimmerige unb 9 Sohnungen mit 8
unb mehr 3immer. 2>ie ber gur Serfüguug fteheitben
Sohnungen waren:
für 1 3immer. 80— 180 M.
- 2 - . 144— 330 3
3 3 - ......... 216- 1 50 3
3 4 3 . . . .. 300—1000 3
3 5 3 .. 600-1800 3
3 6 3 . . .. 700 - 2000 3
3 7 3 . 1070-1900 3
3 8 unb mehr3immern. , . . r . 900—2800 3
An billigen 3mei-unb . 5Dreigimmerwohnungen ift fortgefebt
großer Saugel. SDiefe Sloth wirb fich bei ber lebhaften Se-
fdjäft^gung in allen ÖrtbnftriegWeigen mb bem Kanal- uitb ^afetM
bau in nachfter 3^1 mohl nod) fteigern.
nnb jCUUrnnj,
^anbelgfdpile für tteiüliche HngefteDte in ftämburg. San fihreiöt
ung aug Hamburg: „®er Serein „^ubuftria" gur görbenmg ber tm
§anbel unb (Bewerbe tl)ätigen weiblichen Angeffellfen Hamburgs wirb
am 1. Oftober eine .ftaubelgfdjule eröffnen. Sorläufig ift ein einjähriget
Kurfug norgefchen, bie Stuubenjnbl beträgt wöchentlich 24. feer mit
ben Sorarbeiten betrauten Kontmiffion ift eg gelungen bie erften Sehr»
fräfte ber männlichen §anbelgfch«Ie beg Sereing für ^»amburgg Eomntig
oon 1858 für bie @chule gu gewinnen, gur bie erften fünf ^ctljre ift
ein jährlicher 3 u hh u & üon 2 —8000 Jl. non prioater 0 etfe gugefidhert
worben. San hofft guoerftchtlid), in wenigen fahren ber Hamburger
Kaufmannfchaft burch biefeg Unternehmen eine Angahl gut gefdjuuer
weiblid)cr Arbeitgfräfte gnguführen imb bie beredjtigtcn Klagen, bag
bie uugefchulte Arbeitgfraft ber grau bag Eehalt beg Samteg herab*
brüdt, gum Schweigen gu bringen. Sann unb 3rau muffen heute ben
Kampf umg 2)afein in gleicher SBeife aufnehmen, gleiche Öeiftungen be*
hingen gleichen Sohn, ohne Unterfchieb non welchem Eefchledjt Ü c aug*
geführt werben."
Unentgcftttdjfeit ber Sehmittel in Bär!#, giir bie unentgeltliche
Serabfolgung oon Sehrmitteln unb ©djreibmatcrialien in fämmtlidjen
Solfgfchulen hat bie Stabt Sürich int 3ahre 1898 bie ©unune oon
90 252 grcg- auggegeben, bei 160 000 Einwohnern 56 Etg. pro Kopf
ber Seoölferung.
Settegima gegen bie ^ortbUbmtggabenbfchuleti in Englanb. 2)ie
ÄugbUbung beg unentgeltU^en Abenb'Sortbilbunggunterrichtg, bie Ec*
Währung oon freiem 3rid)eitmaterial u. f. w. in Englanb hat eine Ecgen»
bewegung oon Schulen heroorgernfen, bie ähnlidje Sehrgwcde oer=
folgen. 2)er Aubiteur ber lotalen «Sdjulbeputation hat bie |>anblungg 3
weife beg Sonboner 0 djulamteg für ungefefeli^ erflärt, eg habe fein
Stecht, bie Steuern gur .Unterhaltung foldjer über ben 3wedt oon
Elemcntarfchulen hinauggehenben Sehranftalten gu oerrocubeu. 2)iefc
Auggaben Dürften nur gemacht werben, wenn ber Eraffdjaftgrath/ bie
für biefe Ergiehnng oerautworlidje Seljörbe, finangielle ^ülfc leifte.
$5ag Sonboner 0d)ulamt hat gegen biefe Entweihung Scfdjwerbe ein*
gelegt.
135 = 19 %
3 - 0 , 430/0
16=2 o/ 0
253 = 37 %
29 = 4 %
1 =
35 =
49 =
2 =
0,14 o/ n 3
5 % *
7 °l o *
0,3 % 3
1 = 0,140/0
1251
6ogiale $ra£tS. ©entralblatt für SogtolpoliitF. 9h. 47.
1252
dinigimgsaitttrr,
Pittfdfnttgen
Bebigirt oon ©emerberid>ter Dr. @ <h a 1h o r n, Berlin.
ftedjtftredjnng.
Sft bet Arbeitgeber Befugt, ehtett unter ftüttbigmtgSaitSfdjtoj? augettomutcueu
Arbeiter int Saufe einer tynt übertragenen Aftorbarbeit gn entlaffen?
Xie grage ift verneint in einem Urtfjcil bes ©ewerbegeridjtS
Berlin oom 15. 2>ejember 1898 unb in bem hierauf ergangenen Be*
rufungsurtheil beS ßanbgerichts I Berlin. Sie ift bejaht in gwei
weiteren Urtheilen beS ©ewerbegeridjts Berlin oont 21. 9iooember 1898
unb 9. SRai 1899.
1. Urttjeü beS ©ewerbcgeridjtS Berlin, Kammer 5, com
15. Xegetnber 1898.
Xie ArbeifSorbnuttg beS Betlagten enthält feine Befümmung bar*
über, baß ber WinbigungSaijSfchluß auf AFForbarbeit Feine Anwenbung
gu finben f»abe, wol)l aber in 9tr. 4 bie BenterFung, baß ber jcbeS«
utalige, bem Arbeiter mit jeher neuen Arbeit übergebene SFommijfionS*
gettel bie nähere Angabe über bie Arbeit, itiSbcfottberc ob eS ßohn*
ober AFForbarbeit fein folle, enthalte. Aus bem gcl)len einer befonberen
Äünbigungsmobalität für ben gaü ber AFForbarbeit unb aus ber ©leid)*
Teilung ber AFforb* unb ber ßohnarbeit ift gu folgern, baß ber in 9Fr. 1
ber Arbeitsordnung oorangeftellte WmbigungSaitSfdjluß für beibe gälle
gu gelten habe, baß bie getroffene .HünbigungSbeftiutmung' bas gange
Arbeitsoerhältniß beherrscht. Xer 5lnfic^t beS Wägers, baß baS SSefen
ber AFForbarbeit es oljne SBeitereö bebinge, baß ioäl)renb i^rer Xauer
eine ßöfuug bcS ArbeitSuertrageS auSgefdjloffen fei, ift nid)t beigu*
pflirfjten. Xie Uebertragung einer AFForbarbeit ift Iebigließ eine herein*
barung über bie Art unb £>öfje ber ßoljngahlung unb nirfjt bie Be*
ftdlung eiueö SBerFeS.
2 . Urtbeil ber 8 ;©toilfammcr beS ßanbgeridjtS I Berlin
vom 28. 9Rärg 1899..
Xem ©ewerbegeridjt tft bariu beigupfltd)ten,’ baß ber Kläger auch
mäfjrertb berjenigen 3*ih tn ber er gegen AfForblohn im Betriebe bes
Betlagten gearbeitet ßoh ber Beftimmung ber ArbeitSorbnung, nach
welcher jebergeit bie ©ntlaffung erfolgen burfte; unterworfen war. (Sine
oon ber ArbeitSorbnung abweicbenbe Beftimmung ift für bie Xauer ber
AFForbarbeit oon ben Parteien nicht getroffen worben unb au$ bem
SBcfen ber AtForbarbeit ift nicht gu folgern, baß entgegen jener Beftim*
mung ber ArbeitSorbnung bie Söfuug bes ArbeitSuerbältniffeS erft mit
Beenbiguug ber AFForbarbeit erfolgen barf. Xie Ianbrecbtlicbeu Bor*
febriften über ein oerbungenes SSerf (§. 922 ff. I 11 . AUg. ßanbred)tS)
ftnb für baS BertragSoerhältniß ber B a *tcien febon beSljalb nicht an*
wenbbar, weil ber Wäger gewerblicher Arbeiter im Betriebe beS Be*
flagten war unb als foldjer unter ber Stufficbt beS Betlagten gearbeitet
bat, auch an bie ArbeitSorbnung gebunben war. Selbft eine analoge
Anwenbung ber©runbfäße über bis SSerFoerbingung wirb baburd) nicht
begrünbet, baß nicht bie Arbeit fchled)tl)in. fonbern bie gu einem ©rfolge
hinleitenbe Arbeit bebungen unb erft für bie Arbeit unb ben ©rfolg
yablnng gu leiften war (oergl. görfter*©ccius, ^reufeifebes Brwatre<bt,
6 . «ufl. JJ. §. 188, 9Jote 69). Xie Xauer bes 9lrbeitSoertrage$ war auch
nicht in Beziehung auf bie Bollenbung ber jebeSmaligen, bem Kläger
gugewiefenen lltforbarbeit beftimmt (§. 905 I, 11, 91. S.$.); benit ber
9lrbeitSoertrag ift abgefcfjloffeu worben ohne Bejiebuitg auf bie Ueber¬
tragung einer 9lFForbarbeit. SBenn bem Arbeiter bie Arbeit gegen
Sfforblobn (Stiictlobn) unb nicht gegen 3 eitlobn übertragen wirb, fo ift
bieS nur oon Bcbcutung für bie Süljuberecbuung, fofern nicht eben aus
einer auSbrücFlicben Beftimmung bes 2lrbeitsoertrageS erhellt, bafe bie
^auer beffelben oon ber Beenbiguug ber 9lfForbarbeit bat abhängig ge¬
macht werben foHen. 2luf eine folcfje Beftimmung bat fich ber SUäger
aber nicht berufen Fönnen unb beinhalt ber 9lrbeitSorbnuug ftebt ipm
entgegen.
8 . Urtbeil beS ©ewerbegerichtS Berlin, Äammer 3, oom
21. ftooember 1898.
(SS fragt ftih, ob bie 9lbrebe, baß ^ünbigung auSgefdjloffen fein
folle, ben kontra beuten eines gewerblichen Hrbeitsuertrages bas Bccbt
giebt, bas 9lrbcitsoerbältnifj oor Beenbiguug einer fdjott wirflid) ange*
fangeneu 9lfforbarbeit 31 t Iöfeit. hierbei ift baooit auS 3 ugeben, bah bie
9lbrcbc bcS .(tiinbigungsansfcbluffes 311 nichts anberent bient unb bienen
foll, als bie gewerberecbtlidje Aiinbigungsfrift bes §. 122 ©ewerbeorbnung
auf 3 ul)eben, bafj fie aber niefjt ohne Breiteres alle auf bie £auer bes 9lrbeitS*
oertrages be 3 iiglid)en Beftimmuugen bes Brioatred;tS anher Äraft fc^en
foD. Bei ber quäftionirten 9lbrebe bleiben alfo bie Borfdmften beS
91.S.91.1 2 it. 11 unberührt. 2 )ort werben bie „Berträgc mit gebungeuen
^anbarbeiteru . . unb bie „Berträge über ein uerbuugenes B>erf w
getrennt oon einanber abgebattbelt. GS ftebt aber nidüs bem entgegen,
baf 3 ein BertragSocrbältnifj beibe 9lrten oon Berträgeu über 4)anb*
hingen enthält, 1111 b es ift iusbefonberc wol)l möglidj, baf? mit einem
„gebungeuen .fraubarbeiter" ein B?erfocrbingungsocrtrag bei ^oitbauer
bes Xienftmietl)eoertrages gcfd)loffrn wirb. Beftaub alfo im oorliegen*
ben tvall ein ^ienftmietheoertrag 3 wifdjeu ben Parteien feit ^uli 1898,
fo enthält bie innerhalb biefes BertragcS jwifdjen Parteien getroffene
Vlfforbabrebc über jebcs einzeln au 3 uftrcid)enbe e\cnfter einen B>erf=
oerbingungsoertrag. 9fun fpridjt 3 war bas 91. ß.B. im §.925 a. a. £.
nur oon SBerfoerbingungen an ^SSBerFmeifter ober Äünftler" unb eS Fann
besbalb jweifelbaft erfcheinen, ob auch ^ mit bem Kläger, einem ein*
fachen SJtalergehülfen, gefcbloffene Bertrag unter bie SBerFoerbiitgungen
ber §§, 925 ff. cit. 3 U fubfumieren ift. Berücffichtigt man aber, bafe ber
Spracbgebraudj jur 3^it ber (Emanation bes Allgemeinen ßanbredits ein
anberer war, als beute, unb ba& man inSbefoubcre auf gewerblichem
©ebiete ben „SBerFmeifter" ber ©ewerbeorbnung, ben „AFForb" bcS heutigen
gewerblichen ßebenS noch nicht ober wenig Fannte, fo wirb man nicht
fehlgehen, wenn man als ben ©ebanFen beS §. 925 cit. annimmt, er
wolle nid)t jebweben ßieferungSoertrag, fonbern nur ben mit einem
„SSerfoerftänbigen" über ein oon ihm „su fertigen bes BSerf" als einen
SBerFocrbingungsoertrag anfeben (fo auch ©cciuS, Breufj. Brioatredjt,
II. Buch §. 138, III). Zubern nuu ber BeFIagte bem Kläger, einem
SBerFoerftänbigen, eine Ansahl Senfter gu einem beftimmten AFforbfa^
gum Anftreichen übertrug, fd;lo& er mit ihm einen SBcrFoerbingungs*
oertrag innerhalb bes beftehenben ArbeitSoertragcS. $ie
BoHeubung beS oerbuttgenen SBerreS gu htubern ift aber bem Arbeit*
geber nirgenbs in ben ©efefcen ein Aecht gegeben: ber AuSfcblufc bcS §. 122
©etoerbeorbnung ergreift — wie oben bargethan —bieeingelne AFforbarbeit
itidjt, §§. 925 ff. A. ß.A. I 2it. 11 ftatuiren ein foldjeS 9lecht ebenfalls nicht,
unb bie allgemeinen ©runbfäfce ber §§.869 A. ß.A. 1 $it. 11 , welche
gemä {3 §. 925 cit. gur Anwenbung tommen füllen, enthalten ein folches
Bedjt ebenfalls uid)t. 35Bohl aber ift bort in §§. 888 , 889 a. a. £. eine
©chabcnerfahpflidjt für ben 2 >ingenben feftgefe^t, welcher bem ©e*
buugenen bie Erfüllung bes nod) beftehenben BertrageS unmöglid) macht,
©iner foldjen AedjtSoerlepung aber hätte fid) nad) Borftehenbem beT
BeFIagte gegenüber bem Kläger tt*o^ bcs^unbigungsausfchluffes idjulbig
gemalt, wenn er ihn ohne einen gefefelichen ©runb (§. 123 ber ©ewerbc*
orbnung als AeidjSrecht bricht ßanoeSrecht) oor BoHenbung feines
AFForbeS entlaffen hat.
4. Urtheil beS ©ewerbegeridjts Berlin, Kammer 5, oom
9. Hfl ai 1899.
Aach ber mafcgebenben SabriForbnung ift eS „beiben ^heilen ge-
ftattet, baS ArbeitSoerhältnifj jebergeit gu löfen". 5)iefe Beftimmung Fann
jeboch h^r nicht in Betradjt Fomntett: 2)ie Borfchriften ber Arbeits*
orbnung Fönnen gweifelloS bur<h befonbere Bereinbaruitgen für ben
©ingelfafl befeitigt ober abgeänbert werben. Unb eine folche Berein*
barung liegt b ic r nor. 2 )em ÄFlägcr ift innerhalb bes beftehenben
ArbeitSoertrageS bie §erftellung eines beftimmten AFForbeS (oon 50 eap
9telaiS*B?agnetcu) gegen bie beftimmte Bergütung oon 100 M. über¬
tragen worben. Aach ber Aatur biefeS Glefchäftes ift es als 28ifle ber
Barteieu angunehmen, bnfe bie übertragene Arbeit jebcnfaDS fertig ge*
ftcHt, b. h- alfo, bah innerhalb ber ®erfteflungSgeit eine Stiinbigvmg nicht
erfolgen folle. Xer BeFIagte Fand biefe Auslegung beS AfForboertrages
nicht burch bie bloftc Behauptung wiberlegen, oafe er einen folchen
SBUIen ttjatfächÜch nicht gehabt habe. Xenn im Berfehrsleben Fommt
es weniger auf bie eigene fubjettioe Meinung, als barauf an, welchen
@inn bie Glegenpartei nad) Giebraudh unb BerfehrSgewohnheit aus ber
©rFlärung entnehmen muhte. Aun ift es aber nicht nur üblich, bafj AFForb**
arbeit gu beenbigen ift, fonbern eS entfpridjt bies aud^ ber Befchaffenheit
ber Arbeit. Beibe Xheile haben regelmäßig übereinftimmenb ein Jntereffc
baran, baß bie Arbeit oon ©inunboemfelbeu fertig geftellt werbe. Xem=
nach burfte audj .Wäger eS als ben BSiflen bes BeFlagten anfeben, baß
er für bie Xauer ber übertragenen AFForbarbeit feft gebunben fei, wie
aud) er burch bie Uebernahmc ber Arbeit gtt ihrer ^ertigfteflung oer*
pflichtet war. SBoHte BeFlagter biefe Auslegung oermeiben, fo mußte
er entweber itt ber SabriForbnung ober bei Uebergabe ber Arbeit aus*
briicflid) h^norheben, baß aud) bei AFForbarbeit jebergeit Winbigung
guläffig fein foUe. £>at ht^nach ber BeFIagte baS Arbeitsoerhältuitj
oorgeitig gelöft, fo ift er bem Wäger gum ©rfaße beS ocrurfachten
SdjabenS, b. h* gur 3ahluug ber oertragsmäßigen ©cgenleiftung ab*
güglid) bes etwa ergiclten anberweitigen BerbienfteS oerpflichtet.
AnmerFung ber BebaFtion: Xie Streitfrage wirb fidj allaemeiu*
gültig nicht entfdjeiben laffen. ©s wirb in jebern cingelnen ^aO gu
prüfen fein, unter weld)en BorauSfeßungen bie fragliche Arbeit über*
tragen ift. SBirb feftgefteüt, baß bie ©ntlöhnung in AFForb (nach ber
STOenge ber geleiteten Arbeit) lebiglid) als eine Art ber ßohnbemeffung
gewählt ift, fo muß ber Winbigungsausfchluß uubebingt burchgreifen.
©0 etwa in gälten, wo ber Arbeiter im SSefentlichen nur bie Btafchine
gu bebienen hat, wie g. B. beim BlediauSftaugeu. ^n oieleit gäücn
bebeutet aber bie Uebertragung einer AFForbarbeit auch an beit im feften
Arbeitoerhältuiß ftehenben Arbeiter ein BFeßrereS, als nur eine Berein*
barung über bie ßohnbemeffung. SBirb beifpielswcife bie $erfieüung
eines ©elbfdjranFeS, einer 9)tafd)inc ober eines gaeabenpußeS beiit
Arbeiter übertragen, fo gcfd)iel)t bieS faft burchgängig — oergl. and)
bie nädjftfolgenbe ©ntfeheibung, am ©djluffc — in ber beiberfeittgen
Borausfeßnng, baß ber Arbeiter bas gange BSerF fertigftellen unb ben
©rfolg vertreten foll. An ber Beenbiguug bes ^erFeS burd) ©tnutib*
benfelbeii haben beibe Barteten gntereffe, befonberS ber Arbeitgeber, ba
bet geteilter Arbeit bie ©iite bes SerfeS gu leiben, bie £>erftcllungs=
Foften aber gu fteigen pflegen, demgemäß werben in ben Arbeits*
orbnungeu häufig befonbere Aad)tl)cile gegen biejettigen oorgefeben,
weldje ohne geredjte Beranlaffung oor Beenbiguug einer AFForbarbeit
auf hören.
gn folchcu gärieu muß — auch beim gehlen einer auSbriietlichen
©rllärung — fdiou burch bie Uebertragung unb bie Uebernahmc bes
1253
Soziale $rajiS. ©entralblatt für ©ojtalpolitif. SRr. 47.
1254
Kerfes? bie aßgomeine Vereinbarung beS EünbigungSauSfdjluffeS als für
t?ie Sauer ber Arbeit befritigt gelten.
Vei biefer Äuslegung beS ÄfforbvertrageS als einer befonberen
Vereinbarung ber Parteien bebarf es, was bie grage ber voreiligen
^öfung bes ÄrbeitSverbältmfjeS betrifft, nidü bes 3uriicfgreifcnS auf
bie Ianbrccbtlifben Veftiuimungcn über ben Werfvertrag. ^nt llebrigeu
bürftc ivobl nidjt 31 t leugnen fein, bag ein Äfforbvertrag ber ge*
fibüberten Ärt, wenn nicht ein Werfvcrtrag im Vabmeu beS ÄrbeitS*
Vertrages, fo Dorf) als ein Vertrag ansufebeu ift, ber foroohl Veftanb*
tlietlc brS ÄrbeitS* roie foldje bes Vkrfoerirages enthält. (Sine fefte
(Mren^e ^mifchen ÄrbeitS* unb Werfoertrag läßt [ich eben nicht mehr
Sieben.
Sas Vürgerliche ©efcpbiich hat auf biefe moberne ©eftaltnng bcS
ÄrbcttsvcrbältniffcS leiber feine geniigenbe Äücfficht genommen; es wirb
baljer in 3ufunft 511 ßJieintmgSvcrfdjiebrnheiten fommen, ob insbefonbere
ber für ben Werfuertrag gegebene § 649 bes Vürgerlichen ©efcfcbudjS,
ber bem Vefteller eines Kerfes 3 tvat\ jebereit ein ÄiicftrittSrecht giebt,
ihn aber von ber ©cgeuleiftung nicht entbinbet, auch auf bie gebachten
Äfforbvcrhältniffc Änroeitbung ju finben hoi- Sch.
3m Änfchlufj hieran roirb nachftchenb cinllrtheil beS©ewerbe*
geriajts Verlin, Äiammer 5, vom 21.3unil898 mitgetheüt. ®aS*
i'elbe behanbett einmal bie uerroanbte grage, ob ber mit einer
größeren Äfforbarbeit betraute Hrbeiter biefe Arbeit auf
Verlangen unterbrechen unb eine anbere Arbeit vornehmen
mit ft. Äufjerbent jeigt es, bafc ber beflagte Ärbeitgeber — eine grofte
Verliner Äfiicngefcflidjaft — bie allgemeine Veftimmung feiner
gabriforbnung über EiinbigungSauSfdjluB auf Äffvrb*
arbeit nicht bejogen roiffen rooßte, obwohl biefe Auslegung ihm
ungünftig mar.
Ser Shötbeftanb mar folgenber:
Ser Kläger, feit etma einem $ahr bei ber Veflagten gegen Äfforb*
lohn als gräfer beschäftigt, ift ohne Eünbigung entlaffeit worben, meil
er fich rocigerte, feine angefangenc Äfforbarbeit (§erfleßung von jmei*
hunbert Ereisfägeu) ju unterbrechen unb eine anbere Äfforbarbeit, bie
ein Sritter unbeenbet halle liegen laften, sunädjft fertigsufteDen. Kläger
beantragt 3ahßmg beS ganzen ÄfforblohneS für feine angefangene
Ärbeit. Siefem Verlangen ift ftattgegeben.
ÄuS ben ©rünben:
Äadj ber ÄrbeüSorbmmg ber Veflagten, beren ©ülügfeit nicht be*
mängelt ift, ift aHerbingS feber Arbeiter verpflichtet, feinem Vorgefepten
„in Ve 3 ug auf bie Ärbeit unb alle Giurichtungen ber gabrif ©ehorfam
31 t leiftcn" unb „bie iljtn 3 ugemiefenen Ärbeiten . . . gemiffeuhaft aus*
3 ufül)ren". Siefe Vorfdjrift ift jeboef) nur als eine Orbnungsbeftimmung
an 3 ufchen, fie giebt feinesfaßs bas Siecht, bie Veftimmungen beS eigent*
Itdjen ÄrbeitSvertrageS cinfeitig 3 U änbern. So fann 3 . V. bie #öhe
beS ÄrbeitSlohncS vom Ärbeitgeber nicht wißfürltch geänbert merben.
Äutfj bie Uebertragung unb Ännaljme einer Äfforbarbeit ftellt ftdj als
eine befonbere Ärt ÄrbeitS vertrag bar. Saher barf auch in eine
Äfforbarbeit ber Ärbcitgeber nicht cinfeitig eingreifen. ©benforoeitig fann
er bem Ärbeiter eine beftimmte Äfforbarbcit au^wingen, eS fei benu,
bafe ber Ärbeiter — was aHerbiitgS bie Siegel fein wirb — von vom*
herein 31 er Ucbernafjme beftimmter Ärbciten 3 U feftfteheuben Säpeu fich
verpflichtet hat.
Viag es nun auch richtig fein, bah ber Kläger foldje Verpflichtung
ftülfchmeigenb eingegangen ift, fo folgt hoch baraus nicht, bafj er auch
eine bereits von einem Änberen angefangene Ärbeit hätte übernehmen
müffeu. Senn für bie Volleubuug foicher Ärbeiten giebt eS fidler feinen
fcftftehenbeu 2ohnfa$. Sie h^ cr 9 e 9 cl1 1,011 ber Veflagten in Ve 3 ug ge*
nommenc Veftimmung; „Sie 3 ugemiefene Ärbeit ift gemiffeuhaft ausju*
führen" regelt hoch nur bie Ärt ber ÄuSrührung. 3cbenfaflS fann fie
ben Olrunbjap nicht abänbern, ba& nur bie innerhalb ber ©rennen
beS jeweiligen ÄrbeitsVertrages 3 ugemieiene Ärbeit ausgeführt
31 t merben braudjt.
Ser Eläger mar ferner aus bem ©runbe 3 ur Slblehnung berÄuS*
biilfSarbeit berechtigt, weil er noch anbere Äfforbarbcit nicht beenbigt
hatte. Senn ift bem Ärbeiter einmal Äff orbarbeit übertragen, fo muh
ihm audj ©elegenheit 3 U ihrer alsbalbigen Äusführung gegeben merben.
Wenn banach ber Kläger einen befonberen ©runb 3 U feiner ©ttt*
laffung nidjt geboten hat/ f° mar nicht er, fonbern bie Veflagtc an ber
Siichtbecnbigung ber Äfforbarbeücn beS Klägers fdjulb.
. Vtitfjin fann bie Veftimmung ber gabriforbnung feine Änroenbung
finben, wonach ein Ärbeiter, ber bie Äfforbarbeit burch eigenes Ver*
fchulben nicht beenbigt, hö^ftenS Änfprud) auf Stunbenlohn für bie
wirf lieh gelciftete ÄrbeitS 3 eit hat- Vielmehr muff bie Veflagte bem
Kläger ben vollen auSbebungenen Äfforblohn 3 ahlen, ba er unftreitig
3 itr Weiterarbeit bereit mar unb alfo alles gethan Ijat, was feinerfeits
3 ur Erfüllung beS ÄrbeitSvertrageS erforberlich mar (§§. 907, 918. 1.11
beS Ällgemeiwen SanbredjtS). ÄDerbingS enthält bie ÄrbeitSorbnung
bie Veftimmung, bah Äünbigung nicht' ftattfinbet unb bie ©utlaffung
jeber^eit — aljo audi oljne hefortberen ©runb — erfolgen fann. Vad)
ber von ber Veflagten felbft gegebenen ÄuSlegung )oß jebod) biefe
Veftimmung nur auf Ärbeit tnt Zeitlohn ÄnmeuDung finben; für Äfforb*
ärbeiter foß ber ©runbfafc gelten, bah junächft bie betreffenbe Ärbeit
311 beenbigen ift, bergeftalt, bah nic^t nur ber Ärbeiter, ber burch bie Ve*
flagte an gertigfteßung gehinbert wirb, ben voßett Sohn erhält, fonbern
aud) bie Veflagte ihrerfeits eventueß auf Voßenbung ber Äfforbarbeit
beftehen fann. Sa fidj bie Veflagtc felbft 311 biefen — für ben vorliegend
ben gaß ihr ungünftigen — ©runbfäpeu befennt, fo beftaitb gegen ihre
Slnmenbung fein Vebenfcn.
Vetfegmtg eines Streifs in Stuttgart burch Vermittelung. Ä111
11 . Äuguft ift eine 12 Vovd)cn bauernbe Vemegung im Klempner*
geroerbe 311 Stuttgart burch eine Vereinbarung 3 tvifd)en Vieiftent
unb ©ehülfeit 31 t (5nbc geführt worben, 'bie 3 mar ben Ärbeitent
nidjt fofort bie erftrebte Vcrfi^ung ber ÄrbeitS 3 eit, mofjl aber bie
ÄuSfidjt auf eine folche in'fpäteter 3 C ^ aab eine namhafte Sohn*
erphnug gebracht hat. Sie ©iniguitgSverhanblungen würben von
bem Vorfibratea beS ©emerbegerichtS, ©emeinberath Stocfmaper,
geleitet unb führten 3 U folgenbcn fdjriftlid} feftgclegten Äbmachungen;
1. Sie Vertreter ber Ärbeiter vernichten für auf bie ©irtführuijig
einer fixeren ÄrbeUS 3 cit als 10 Stunben, merben aber auf bie gor*
berung 3 urücffommen, wenn bei ben -SKaurern, Steinmeben otir
Zimmerern eine verfügte ÄrbettS 3 eit vereinbart wirb. Sie Vertreter
ber Ärbeitgeber erflären fich ihrerfeits bereit, eine Verfügung ber
ÄrbeüS 3 eit 3 U 3 ugeftehen, fobalb folcje auch im gejammieu Vaugemerhe
g5lab greift.
2. gür Ueberftunben tvirb bis 9 Uhr ÄbenbS 25 %, nach 9 Uhr
ÄbeubS, fomie für Sonntagsarbeit 50 % Öohn 3 ufchIag f^ahlt.
8. Äuf bie 311t 3 cl t beS ÄuSbrudjS beS Streifs bcsahtten Äfforb*
nub Saglöhne wirb eine Sohnerhöhung von 10 % gemährt.
4. ©S wirb ein SRinimallohn in §öhe bcs jeweiligen orte¬
üblichen SaglohnS be3aljlt.
5. ©S wirb achttägige 2 ohn 3 ahIung verabrebei; fie hat je greitags
ÄbeubS fofort nach Scblufj ber Ärbeit 311 erfolgen.
6 . Vei auswärtigen Ärbeiten wirb ohne Uebernacfjten ein 2ohi; s
3 ufd)iag pon 20 0 ( o, mit Uebcrnad)ien von 45 % gemährt.
7. ©S wirb gemeinfdjajtlich eine für fämmtUthe hiefigen glafd;ner=
unb 3uftaflationSgefd;äfte gütige Werfftattorbnung aufgefteßt.
Viit biefen Vereinbarungen erflären beibe Parteien ben Streif
für Beenbet; bie Ärbeit foß am nädjften ßttoutag mieber aufgenommeu
merben. ©ine Venadühciligung ober Veläftigung wegen beS StrciFs
ober wegen Vorfomniffen mährenb beffelben barf beiberfeits nicht ftatt*
finben.
Errichtung, eines privaten SchtebSgerichtS in Vnn^lau. Sehr
BeachtenSmerth ift bie Selbsthilfe einiger Vuuslauer ginnen, über
bie ber ©emerberath für lüegui^ alfo berichtet:
„ 3 ur ^efeitigung von früher häufig vorgefommenen Sohn*
ftreitiafeiten aller Ärt haben bie beiben girrnen 3 ciblcr tt. SBitnmel
unb Earl Schilling in Vunslau für ihre fämmtlicheit Steinmcpn
unb Steinbruehbetriebe burch Statut ein ftäubiges SchiebSgeri^t
errichtet, bas aus Vertretern ber beiben girmen uttb aus Vertretern
ber Ärbeiter gebübet ift. Saffelbe regelt bie SohnFjöp unb bie
Sohtt 3 ahIuttg bei vorfontmenbeit Streitigfeiten. ©S umfaßt etma
500 Ärbeiter. ©S foß fich bisher gut bewährt haben. Sie tut*
mittelbare Veranlaffung gur ©cridjtung beS Schiebsgeridht gab ber
Umftanb, baft 120 Ärbeiter ber Vritche oon Earl Schißing in
Vkrtha bie Ärbeit nieberlegten, als ein VJanit roegeit fiohnftreitig*
feiten entlaffen worben mar."
Ser Vun 3 lauer VFagiftrat mar, wie früher gemelbet, ber
Meinung, bafe Viut 3 lau etrt ©ewerbefchiebSgericht npt benöthige.
©infichtSvoße Ärbeitgeber unb Ärbeiter pben fich bafjer erfreulidjer*
weife felbft geholfen.
^Reform ber ©etnerbegerichte in gfraufretch. S>ie franjöftfche
VarlamentSfommiffion, Sie bie Vorfdjläge von S^ittreiy, Veauregarb
unb Cannes, betreffenb bie Vcform beS Prud’hommes-©cfebeS 31 t
prüfen hatte, beplofe eine Äenbcrmtg ber ©efeheSbeftimmungen
in Vorfchlag 311 bringen. Sie wichtigfte Neuerung wäre bemgemäfe
bie Schaffung faufmannifeher ©emerbcgerichte, bie für Streitigfeiten
3 mifd)en .J)anblungSgehilfen unb Vrin^ipalen fompetent wären,
©ine anbere Neuerung betrifft bie ©rtheilung beS SBahlrechteS an
bie grauen, vom 21. Sabre angefangett. 2)te Eompeten 3 ber ©c*
werbegerichte foß Streitfäße, bie fich nnt einen Vkrtf) bis 31 t
2000 grancS haitbeln, betreffen. ®ie 3 weitc Snftaii 3 bilbet bas
©ivilgericht.
ßitemrifdje 3ta}etg*tt.
.©ulenburg, Dr. granj. 3 nr grage ber 2 of)nermttteluiig. ©ine
metl)oboIogtfch 5 fntifdje Unterfuchung. 3ena 1899, ©uftau gifdjer.
150 S. SßreiS 3 Jf.
Vericht beS Sdiularstes Dr. !ljaben über feine ^hätigfeit
in ber ftäbtifchen Enaben- unb Viäbcheitfdjule 311
©iefeen vom 1. guli 1898 bis 311 m 1. Äpril 1899. ©iefeen,
W. Eoßer'fche Vudibrucferei ($. EIcbcrt).
Serantraortlt^i für bte KebaUlon: Dr. ttrnft graitde in Battn W., »aqrcuibcrftrafee 29.
.^cranttoorHid) für Die Ameisen: VcUmutli (»eitel, «eipjig. — Verlag uoit 2untfci & $uuil>lot, SciPiig. — Öebrucft bei gultuS eittenietb, »etlin.
VÜL gtaljrgaiig.
SBerlin, beit 31. ?(uguft 1899.
Ilummer 48.
Soziale prajis.
^entrafbratt für ^ogictfpofififi
mit ber SRonatSbetlage:
Das (Bewerbegericht.
©rgan öes Decbanbes beutfdjet (Seroerbegertcfjte.
SJcite gotge bet „Slättcr fiit fojtote Sprayt#" unb be# „Sojialpolitifcfjen (SentralMatt#*.
(Jrfditint a» jrbcm £.natt 9 «|. .flCrnuSljeBer: Urets bierleljUtUA X St. SO Vf.
SRebattton: SBertin W„ Sabreutberftrafee 29 . Dr. Cttlfl «frUttAc. ffiertag tooit ®untfer <fe £>um6[ot, Ceipjtg.
3 tti|Alt
©ie „arbeitSipilligen". RegattDe
unb poftttoe ©ett>et!Detehtflpolüif. IV.
© 01 t ©rofeffor Dr. Sujo ©rentano,
©{finden.1257
tUI**wetee**si«l« trab
frrftttt.1262
©ex einljettlicpeäHtetljSbertrag.
©on Dr. 2. Fulb, 9tetbt«an»alt f
SRainj.
©ie berufSgenoffenfcpaftUc&e
©rganifaiion berSlrbeiter unb
bie Gentrumdpattei.
©ie nationale SBeprfraft unb bie
^eranjiebung auilänbifcper Arbeiter,
internationaler ftongtefc für Äinber*
föufc in ©eft.
3Wafjnabmen gegen bie SlrbeitSlofigfeit
in üieufübtoale«.
ftoaunmtale ©o&ialpaltttl.... 1266
kommunale Anlagen §ut gßrbetung
ber inbuftrie.
WrbeiterDertreter unb ftübtifcpe fJtegie*
arbeit in Sattetfea (Sonbon).
kommunale ©trajjenbapnen in @ng»
lanb.
St|i»Ie Buftösbe. 1267 i
©rtoerbßtpättgfeit ber ßarlStuper
SolfSfcpulfinber.
ÜJtinimallöDne bet ftäbtifdjen Arbeiter
in 3ürict).
©etoinnbetpeiligung ber Arbeiter in
©rofebritannien im Sabre 1898/99.
SUfopolißmuß unb ©erpreßen in
Ftanfteidj.
Arbeitgeber« unb Unternebmerber«
bänbe.1268
©opfott but(b ein ÄarteÜ.
Arbciterbeivetnnfl.1268
8lu8 ber ©eTliner ©emerffdjaftSfom»
miffion. I
Ölblepnung eine» «rbeiterfefretariat«
burcb bie ©emerfjcbaften in &ant«
bürg.
©er elfaB»Iotbtingif(be Textilarbeiter«
©erbanb.
SluSftanb bet öeipjiget gformer.
©etoegung ber Hafenarbeiter ,8lnt*
toerpenß.
Sapteßfoitgrefe ber Trabe Untonß in
©Ipmoutp.
©ie Srbeiterbemegung in Rufftfö»
©ölen.
«tbetterf*«*.1271
©ie iapteßbetid&te ber niebet*
Ifinbifdjen arbeitßinfpeltoren
fftr 1897 unb 1898. ©on Dr. 3- £.
Pan ßanten, SHmfterbam.
©reuBtjcpe ©täfibialbetfügungen jum
©c§u|e ber &inber.
ßur ^Regelung ber Äellnetinneufrage
in Reffen.
Unfafloerbütung in ©elgien.
©cpup ber grauen« unb Äinbetarbelt
in granfreicb.
Slrbeiterfdjupflaufeln bei dffentlicpen
arbeiten in F^nfteicp.
Arbeiterberfiibertmfl. ©tmrtaffe» 1274
©ie ©cplebßgerid&te bet Sir*
beiteroerficperung. ©on £.
Jporn, ©erlin.
©ie Änappfdjaftß»©erufßgenofJenfcpaft
1898.
©ie Drtßfranfenfaffe in ©armen unb
ipre ölerjte.
©erein für ©erfidjerungßwtffenfcpaft.
f8oplfaprt6ei»rid)tungett.... 1177
Ferienaufenthalt für ©tabtfinber auf
bem Sanbe.
IHtacriMi Angetgeu.1277
Slbbrud fümmtlither Strtifel ift Bungen unb 3«tfä*tften geftattet, Jebodj nur
mit Dotter Quellenangabe.
Bit „ÄtbelteroilUgen“.
Regatioe unb pofitioe ©emerloereinSpoIitif Rr. IV.
SDcr Arbeiter, ftcf) felbft überiaffen, ift als Siegel genötigt,
feine Arbeit oorbefjaltloS angubieten. 6r ift aufter Stanb, auf bas
Angebot beS ©utcS, oon beffen Verlauf er lebt, weber iu ber
Gegenwart noch in ber 3ulunft irflenb melden ©influft gu üben.
2)ie 5VoIge ift, Safe, non gemiffen Ausnahmen abgefeljen, ber (Gegner
beS Arbeiters im intereffenfampf, ber Arbeitgeber, es ift, ber bei
'.Abfchluft beS ArbeitSuertrageS einfeittg bie iBebingungen, ju beiten
ber Arbeiter nertaufen ntufe, feftfefct. @rft bie Draanifation
ermöglicht bem Arbeiter baS Angebot gleich anbereu ©erfäufern
fo jn regeln, bafj er ben ^JreiS ber Arbeit auf beren $robuftion£*
loften unb barüber p fteigern unb §u erhalten im Staube ift.
SDie Käufer ber Arbeit baaegen, bie Arbeitgeber, erachten e£ jmar
als felboerftänblich, ba& fte, roo fie oerlaufen, bas Angebot ihrer
2£aare entfpredjenb ber Nachfrage regeln; nach betn SSorbüb ber
Arbeiterfoalitionen hoben fie ju biefem 3 roc ^ bie Kartelle gebilbet,
loelche in ber neueren Seit muchernb überhanbnehmen, unb im
2)eutfchen Reichstage h at ber beseitige preu§ifche ©anbelSininifter
in berebten Porten folche SSerabrebungen ber ©etriebSnnternehmer
als etroaS RorjitglicheS gepriefen. $>ie ^3etriebSunternehmer, ber
preufeifche ©taat mit eingefcfjloffen, fchliefeen folche Skrabrebungen,
eben roeil fie gute ©efchäftsleute finb. Aber eben als gute @e*
f^äftsleute hoben fie baS Sntereffe, bafe folche ©erabrebnngen ber
Verläufer ba nicht entfielen, wo Tie felbft als Käufer auftreten.
2)a bilben fie ein Kartell nicht nur gegenüber bem Abnehmer ihrer
Sßrobufte, fonbern auch gegenüber benen, bie an fie oerfaufen,
gegenüber betn @inen, ihm nicht unter einem gemiffen ißreis gu
oerlaufen, gegenüber ben Anberen, ihnen nicht über einen gemiffen
$reis gu befahlen.
Um beibe 3i e l c S u erreichen, hoben fie ein ©pftem oon
SmangSmaferegeln fchorffinnig auSgellügelt, welches an (Strenge
imb ©Jirffamleit bie analogen SRa&nahmen ber Arbeiterfoalitionen
weit hinter fith läßt. Als Säufer ber Arbeit hoben fie ein begreif®
lid)eS Sntereffe, alle jßerfuche ber Arbeiter, baS Angebot ihrer
Arbeit nach benfelben öfonoutifchen ^ringipien, bie für fie bei bem
Verlauf ihrer Sßaaren mafegebenb finb, gu oereiteln. Sie fie baS
Angebot ihrer Sßrobufte entfprechenb ber Rachfrage regeln, fo
möchten fie aud) baS Angebot ber Sßrobufte, bie fie laufen rnüffen,
maßgebenb beeinfluffen. ®ahcr eine Süße oon 3}ia&nahmen ber
Arbeitgeber, um jenen 2krfud)en ber Arbeiter entgegengutreten; bahcr
neuerbingS bie Anrufung beS Staates gum Schule ber „ArbeitS*
willigen", b. h- ber Dutfiber ber Arbeiterfartelle, mit beren $ülfe fie
bie Regelung beS Arbeitsangebots burch bie organifierten Arbeiter
gu paraltjfjren fuchen. So ift bie gange 3f*oge beS „Schuftes
ber Arbeitswilligen" nichts anbereS als ein .Sampf utn
bie Regelung beS Angebotes ber Arbeit, unb bie 3n*
anfpruchnahme ber ©efeftgebnng gu biefem Schufte nichts anbereS
als bie gorberung, ber Staat möge in biefem Sumpfe gu (fünften
beS einen ber beiben Sntereffenten interoeniren unb bamit baS
Angebot ber Arbeit nicht im Sntereffe oon beren Verläufern,
fonbern oon beren Säufern, ben Arbeitgebern, geftalten.
Seiches finb benn nun jene nühtorganifirten Arbeiter, oon
beren Sntereffen man fpricht, wenn man bie eigenen meint, unb
welches ift baS Verhalten ber organifirten Arbeiter ihnen gegen*
über, um beffentwitten ber Staat neue Strafbeftimmungeu erlaffen
foH? ^)er Ueberfichtlichfeit holber bürfte eS angemeffen fein, bei
Beantwortung biefer S^ogen bie SriebenS* unb SriegSgcit aus*
einanber gu polten.
S£)aS Verhalten ber Arbeiterorganifationen in griebenSgeilen
ift ber forgfältigen Sahrung ber Sntereffen ber Sitglieber im
(iingelnen gewibmet, inSbcfonbere aber — wie beim Staat — ber
Vorforge bafür, baß man, falls man genötigt würbe, für btefe
i2r. 9
©ogiale tßrajt«. ©entralblatt für ©ogtalpolüif. Ar. 4*.
1*260
Sntereffcn gu fämpfen, gerüftet fei. Seiber cr§eifrf>t, baß möglicfjft
alle Arbeiter beg ©croerbeg bcr Drganifation angeboren, bemi nur
bann ßat man bag Angebot augreicßenb in ber §>anb.
Ta finb nun uor Adern bie allerbeften Arbeiter, melcße ben
Arbeitcrorganifationen regelmäßig nießt angeßören. 1 ) Sie ßaben
bie Drganifationen nießt nötßig; bie aiißerorbentiicße Dualität
ihrer Arbeit fept fie auch ifolirt in Stanb, bei SBeftinunung be§
^reifeg ihrer Arbeit ein s Bort, oft fogar bag entfdjeibenbc 28ort
gu fprecfjcit. Taßer fd)enen fie bie JJeffel, melcße bie SRücfficf)tnähme
auf Aubere unb bie Uitterorbmmg unter bag Sntereffe einer ©efamtnt*
heit aufguerlegeit pflegen. 9Jiati fanrt biefeg ifolirte .frorficit bet
Auggegeidjnctften in allen Debengftellungeit beobachten. 2Bo immer
aber eg ftattfiubct, banbeit eg firf), ber Statur ber Sache nach, ftetg
nur um relatio menige 3”^ioibuen. Taßer bringt ißr draußen*
bleiben ben Arbeiterorgaitijationeu feine ©efaßr. Sn^bcfonbere
haben biefe ooit ihnen feinerlei Sdjmupfonfurrettg gu befürchten.
Sin ©egentßeil, eg ift fogar feiten, baß foldje auggcgeicßnete Snbi*
oibuett, fo lange fie feibft Arbeiter finb, in einen ©egenfaß gu
ihren Kamerabcn fid) ftellen. Dft fittben mir fie, obmobl fie eg
nießt nötßig hatten, in ben Drganifationen, unb gmar bann regel*
mäßig alg Führer, ober fie ließen menigfteng alg ©önner gur
Seite. 2£enn Ted auch nicht an bent Äütlifcßrour theilninunt,
fo entgießt er fid) boeß nießt ben Sreittibcn, roenn fie rufen.
Einberg freilich, toenn eg folcßen auggeprägten 3>it&iüifcuQlüäten,
mag md)t feiten ber galt ift, gelingt, fieß gu Arbeitgebern empor*
gufeßtoingen. Tarnt äußert fieß bie einfeitige (Energie folcßer
©mporfönttnlinge mitunter in einem fcßärfereit ©egenfape gu ben
organifirten Arbeitern, alg er feibft bei benen, bie alg Arbeitgeber
autgemaeßfen finb, fieß finbet. Sn Teutfcßlanb ift eg toie in Gntg*
laut) oorgefommen, baß Sperfönücßfeiten, melcße alg Arbeiter eine
ßeroorragenbe SRode in ber Drganifation unb Süßruitg ißrer ©e*
noffen gcfpielt hatten, alg Arbeitgeber ihre erbittertsten geinbe
mürben; inbeß finb bie Söelege für bag ©egentheil gaßlreicßer.
©bcitfo bleiben bie fdjletßteftcu Arbeiter ben Arbeiterorgani*
fationen fern. Tie llrfacße ift eine gmeifaeße. ©inmal tteßnten
bie Drganifationcn alg Siegel feine SDfitglieber auf, melcße nießt im
Stanbe finb, bag ortgiiblicßc Doßnminimum beg ©emerbcg gu ocr*
bienen; fobanrt fömten minbermertßige unb fddeeßter geloßnte
Arbeiter ttid)t bie ^Beiträge beftreiten, roekße bie Drganifation gur
Aufrcdjterßaltuug unb Steigerung ber Debengßaltung erheben muß.
Soldie ntittberroertßigeu Arbeiter finb ben mit TnVd)fd)itittgeigen*
feßaften begabten organifirten Arbeitern meit gcfäßrlid)er alg bie
ben Drganifationcn fernbleibntben oorgüglicß'ftett Arbeiter. 22o
genieinfam gearbeitet mirb, geigt fieß ißre geringere Deiftunggfäßig*
feit md)t feiten alg §emmniß unb Störung ber ßeiftungen unb
bamit beg Skrbienficg aueß ber tücßtigfteu Arbeiter. Sft oieg nur
ein Aacßtßeil für biefe ©ingelncn, fo giebt eg boeß aueß Säde, in
benen bie SRinberleiftintg Untüchtiger gu einer für alle Arbeiter
ungünftigen Söeeinfluffimg bcr öffenilidjen SRcimntg ben Anlaß giebt.
So führt bie ©inftcllmig einer großen Angaßl bemSBergbau bigßer
frember Arbeiter in bie Kohlengruben, mie fie in 3 e ^ ci! ftrigenber
9iad)fragc naeß Koßlen ftattgufmbeu pflegt, regelmäßig gu einer
s U?inberung ber Tnrcßfdjnittsleiftitng ber im Kohlenbergbau be*
fdiäftigten Arbeiter. Teggleidjen fann bie Unerfahrenßeit ber
9)tiubermerthigen fogar gur ©efäßrbuncj oon Deib unb lieben ber
Uebrigen führen; in (Snglanb mirb bie Steigerung ber ©ruhen*
unglücfe bei fteigenber Konjunftur oon SBieleu auf bie eben gu
folcßer 3cit neu eingeftellten Arbeiter gurücfgeführt. 2?or Allem
aber mirb bag Angebot minberroertßiger Arbeiter nießt feiten ber
Anlaß, um ben Doßitfap allgemein gu brüefen. Um nämlicß über*
ßaupt angenommen gu merben, bieten bie IRinbermertßigen ißre
Arbeit billiger an. Ter Arbeitgeber madjt nun gegenüber feinen
bisherigen Arbeitern geltenb, baß er billigere Arbeiter haben fönne.
Tiefe fomtnen in ©efaßr, fid) eine iRinberung ißreg Doßneg ge*
fallen laßen gu müffen. ©elingt es aber einem Arbeitgeber, ben
Dohnfap git brüefen, fo bleibt feinen 'IRitbcmerbcrn feine Söahl; fie
müffen feinem ^Beifpiel folgen ober merben auf bem Diarft unterboten.
Ter geringere Vohu, gu bem minbermertßige Arbeiter gu arbeiten fid)
bereit finben, fann fo gitm Anlaß einer allgemeinen ^oßurebuftion
merben. Taber beim in mand)en ©craerben bie organifirten
Arbeiter fid) mcigeru, mit Arbeitern, mcld)e nicf)t einen gemiffen
minimalen Soßnfaß oerbienen, überhaupt gnfammen gu arbeiten.
l i ^cgiigüd) bcr s 3eftanbtheile, meldic thatfädjlid) btc ©emcrfocrcine
bilbcn, orrglcirijc man, mas ©djmoHer bei ben bcutidicu .Hlcingcmcrbcii
über Anhänger ber freien Monfnrreng, C^enoffeinciirtitsfrenube, Anßänger
ber Innungen unb ^espercibos, bie bloß oon einem llmfturg eine
Neuerung enonrten, beobmhtet hat. riebe Arbeitergilben ber Wegen*
man II. r»i.
©nblicß giebt eg aud) mit Turcßfcßnittgeigenfcßaften begabte
Arbeiter, melcße ben Drganifationen fern bleiben. Sic oerbienen
biefelbcn fiößne mie bie Drganifirten unb neßmeit an jeher 33er*
befferung Tßeil, mcld)e biefe für Alle erringen. Tagegen fueßen
fie ben Dpfern, melcße bie Aufrecßterßaltung unb SSerbefferung ber
Arbeitgbcbingungen ben Drganifirten auferlegt, fern gu bleiben.
Sn früherer 3 e i* erhielten fie baßer bei Arbcitgfämpfen oon ben
Drganifirten feinerlei Unterftüßung; bann fam auf, bei Augftänben
befoitbere Sammlungen für fie gu oeranftalten; neuerbingg fonunt
eg oor, baß aud) fie bei Augftänben oon ber Drganifation, roentt
aueß nießt in gleichem SIRaßc mie bereu SIRitglicber, unterftüßt
merben. Vermöge biefer Klugheit pflegen bei Augftänben bie fließt*
gemcrfocreinler alg Äegel mit ben ©eroerfoereinlern gu geben.
Tagegen hegen biefe gegen fie tiefe SSeracßtung, ja oft grimmigen
§aß. 9Rait madht ißnen gum SBormurf, baß )ie ißrem Cfgoigmug
bie Klaffenintereffen in feßnöbefter SSeife opferten. SDtan meigert
fieß baßer, mit ißnen gufammenguarbeiten. Auf biefe Sbkife fouert
fie gum Beitritt unb bamit gur 33eiftcuer gu ber Drganifation, oon
bereit SfiMrfen fie ÜRußen gießen, gegroungen merben. Tie Sefdßäfti*
gung oon SRicßtgeroerfoereinlern unb bie Weigerung, mit ißnen gn*
fammenguarbeiten, füßrt baßer oft gu Arbeitgeinftellungen, nid)t
feiten aud) gu Augfperruugeu.
AUein, mitunter geßen bie SKitglieber ber Arbeiterorganifationen
noeß meiter. Ta bie ©croerfoereine nießtg anbereg finb alg eben
bie Drganifationen ber Arbeiter ber eingelnen Berufe, fo finb ißre
9Raßnaßmen naturgemäß oerfeßieben je nadh bem ©ßarafter, bcr
fittlicßen unb intellektuellen ©ntmicfelunggftufe ber Arbeiter beg be*
treßenbeu ©emerbcg. Sn maneßen ©eroerben fteefen bie Arbeiter
noeß gang ooH 3 un fl rem ini^ cen 3 cn - ^ un ro ar cg befanntlid)
ein §aupipringip beg alten 3 un ft roe feng, baß bie Arbeit, meldje
oon ben Angehörigen ber oerfeßiebenen 3ünfte oerrießtet merben
bnrfte, ftreng abgegrengt mar; fein ©emerbtreibenber burfte eine
Arbeit oerrießten, melcße bem einem anberen ©emerbe guerfannrcu
Arbeitsgebiete angeßörte; in ber neuen öfterreießifeßen Snnnngg*
gefepgebung ift biefe Abgrengung beg Arbeitggebietg neuerbingg
mieber ftaatlicß fanftionirt morben. Sn ©nglanb finb eg gerabe
eingelne ber älteften unb fonferoatioften ©emerfoereine, in benen
biefer engßergiae 3nnftgeift noeß ßeute fpuft. SDfan ßält hier nod)
ßeute an ber SSorftelliuig feft, baß gemiffe Arbeiten nur oon Ar*
heitern, melcße einem beftimmten ©emerbe angeßören, ocrricßtei
merben feilten; man meigert fieß bann nießt feiten, mit Arbeitern
änberer ©emerbe gufammenguarbeiten, feibft roenn biefe Arbeiter
bie Arbeit, mit ber fie befdjäftigt merben, ebenfogut oerfteßen unb
biefelbcn ßößne oerbienen; ja, eg ift oorgefommen, baß man fieß
gemcigert ßat, mit Arbeitern, melcße folcße ©eroerfoereingfapuiigen
übertreten hatten, gufammen gu arbeiten, aueß roenn fie mieber
lebiglicß in bem ©emerbe tßätig roaren, bag ße regelmäßig erlernt
hatten, big fie jene Ueberiretung gefüßnt ßatten.
Kein 3roeifel, eine äußerft unfpmpatßifcße SRaßregel! ©clcße
$)ärte gegen bie Arbeiter, bie fo oon einer Arbeit auggcfdiloffeii
merben; roehße Störung, ber fo ein ^Betrieb auggefept merben fann!
Aueß bilbet ber ein fteßcnbcg Simentarftiicf unter beti ©rünben,
meld)e für oerftärften Scßup ber ArbeitgroiHigen geltenb gemacht
merben. Hub bod) ßaben gerabe bie Arbeitgeber bag geringste
9fecßt, ben gall im ©efed)t gu oerroenben. 3ft eg bod) feine anbere
Taftif alg bie, oon ber fie feibft bei ißren Kartellen fo oft ®e*
braud) macßeit; ift eg bod) nießtg anbereg, alg roenn Kartelle Straf*
beftimmungen gegen folcße 2öerfe feftfepen, melcße außerhalb bes
ißnen guerfannten Abfapfreifeg oerfaufen; mie bei biefe« ßanbclt
eg fieß bei bem SBorgeßeti jener ©emerfoereine nur um eine 3Äaß«
naßme ooit SBcrfäufertt, um bag Angebot ißrer 2Baarc in ber £)aiib
gu ßabeit uttb eg itad) SBebarf regeln gu fönnen; unb roenn eine folcße
S3ecinträd)tiguna ber Arbeit Aitberer beim erften Urteil alg unfittlicß
empfunbett roiro, fo geigt eine nodjmalige ©rmägung, baß eine
folcße iBefdjränfung ein notßmenbigeg SIRittel fein fann, um ben
Öoßn auf ber §öße gu erßaltert, melcße bie fittlicße ©yifteng aller
in bem betreffenben ©emerbe befcßäftigten Arbeiter erfi möglich
maeßt. Unb eben biefe Thatfacße, baß eg fieß bei biefer (>3emerf*
oereingntaßregel um bie Sicherung beg gu einer fittlicßen ©rifian
Uncittbeßrlid)cn burd) Arbeit, nid)t um Unterneßtnergeroimr ober
©runbrente ßanbelt, läßt fie aud) fittlicß in einem anberen Dichte
erfeßeinen als bie analoge £aftif, meld)e biejenigen, bie fie ba
ißrem Kampf um uttbefeßränfteg Arbeitgangebot gum Sturmbocf
machen, in ißren Kartellen oerfolgen.
©ang anberg freilid) märe eg, toenn bie organiftrteit Arbeiter
oom Staate oerlangten, baß er bureß irgenb eine 5Raßttaßme, ehoa
ähitlid) bem früheren 3unftrecßt ober ber öfterreießifeßen Snnnngg«
gefepgebung, ihnen ein angfdjltcßlicheg SRecßt auf gemiffe Arbeiten
1261
Sogtole $ragt*. ©entralblott für ©ogtalpolttt!. Star. 48.
1262
oerliehe. Aber nirgenb« in Europa £aben bic organifirten Arbeiter
etwa einen ©chufegoß gegen bie ©inroanberung tfd>ec^ifc^cr, ita»
lienifcher, polnifcher Arbeiter oerlangt/ 2 ) ähnlich bem 3ott, mittel«
beffen bie ©etrieb«uuternchmer fich bie auafdjliefeliche Ausbeutung
be« ^cttnifd^cn SRarfte« gu fichern fuc^en. ©ei ihnen allen banbeit
e« ftdb nur um freimillige SRafjnahmen. Haben jene ArbeitSroißige
ba« $Re<ht gu arbeiten, tdo fie Arbeit finben, fo |aben bie Drgant-
ftrten ba« gleite Sted)t, nicht gu arbeiten au&er gu ©ebingungen,
welche ihnen ihre fittlid)e ©gifteng gu gemährleiften oerfpredjen.
Unb fo lange bie Örage auf biefem ©oben ber 8reimillig!eit aua-
getragen wirb, hat ber ©taat, ber über ben Parteien fielen foll,
fein Siecht, fich eingutnifchen, inbem er gu ©unften ber ©inen ben
Anberen mit biefen auch bann gu arbeiten befiehlt, wenn bie« ben fo
©egroungenen al« eine ©efährbung ihrer wichtigften Sntereffen
erf^eint.
Sange 3*ü hat bie englifche Stechtfprechung ben bem fytt oer-
tretenen entgegengefefcten ©tanbpunft eingenommen, ©ie ging
oon bem ©runbfafc au«, bafj nach bem Common law jebe ©erfon
ein Siecht habe, über ihre Arbeit ober ihr Kapital frei gu oerfügen;
baher fei es ftrafbar, fte in ber Ausübung biefe« Stecht« fo gube-
hinbern, bafj iljr barau« ein ©chaben erroadjfe, unb gmar felbft
bann, wenn bte ©ehinberung burch im Uebrigen erlaubte Mittel
ftattfinbe. SJemgemäfg blieb eS auch nach ber ©efeitigung ber
koalitionSoerbote im ßahre 1824 ftrafbar, wenn bie Arbeiter
bie Arbeit gemeinfam nieberlegten, um bie ©ntlaffung eine« Anberen
herbeiguführen; nur Arbeitseinteilungen, welche bireft bie ©rgielung
höherer Söhne ober fürgerer ArbeitSgeit begmeeften, waren auch na<§
1824 erlaubt. 3a fo tief ging bie Abneigung gegen ben Au«-
fchlufj gewiffer ©erfonen auf betn SBege. ber Koalition, bafe e« ben
©egnern ber ©eroerfoereine noch 1869 gelang, in bem SRehrheit«-
bericht ber königlichen ©ewerfoereinSfommiffion, welcher bie ©eroerf-
oereine oon bem gebachten ©runbfafc be« Common law auSgu-
nehmen unb bamit gu Iegalifiren empfahl, bie Steftriftion burchgu»
fefcen, „baff jeboch feinerlei gefefelid^e ©eftimmung erlaffen werben
foßc, bie eine koalition gur SBeigerung, mit einer beftimmten
©erfon gufammenguarbeiteit, um bie ©efebäftigung biefer ©erfon
gu oerhinbem, ober gur Weigerung, einer beftimmten ©erfon Arbeit
gu geben, gu etwa« Erlaubtem machen würbe." $)er SRinberheitS-
bericht bagegen befürwortete, auch f°^ c koalitionen gu geftatten,
fo lange gur ©rgielung be« erftrebten 3 TO ecfS feine an ftch unge-
fefclichen SRittel gur Anwenbung fämen.
„©« ift abfolut unmöglich/" Reifet e« in biefem ©eridjte, „bie oer-
fchiebenen ©rünbe gu flafftfigiren, au« benen bie Arbeiter eine beftimmte
©efchäftigung oemiinftiger SSeife gemeinfam ablehnen fönnen. Ob ihr
©orgeljen oemünftig ift ober nicht, hängt oon ben Umftänben be«
einzelnen gaß« ab. ©S fcheint unmöglich, gu ftatuiren, bah bie Arbeiter
ba« Siecht haben follen, bie Arbeit eingufteflen, um beffere Söhne gu er-
gielen, nicht aber um einen lüibrigen ©orarbeiter ober eine ihnen fd)äb*
lieh erfdheinenbe ©etrieb«beftimmung gu befeitigen. (5« giebt f$äße, in
benen ba« Sejjtere uöflig oernünftig, ba« CSrftere oößig thöricht fein
mürbe, ©S erfcheint un«, ba& jebmebe Untcrfcheibung biefer Art un¬
haltbar unb ungerecht ift. 2>a aße ©ürger ba« ©echt haben, Singebote
gurüefgumeifen unb e« abgulehnen gu oerfaufen, wenn nicht ihre ©e-
bingungen angenommen werben, unb ba aße ©ürger ba« Siedjt haben,
bie« auf ©runb gemeinfamer ©erabrebung gu tfjun, fofltc c« nodj
unferer ©Meinung auch ungmeibeutige« Siecht fein, ba| bie Arbeiter, wie
anoere ©ürger, befugt fein foßen, bie ©efchäftigung au« jebetn beliebigen
©runb gemeinfam gu oermeigern, oorauSgefefet/ ba& fie, inbem fie fo
hanteln, fid) feinerlei ©erlefoung ber Orbnung ober eine« anerfannten
©erbrechen« fchulbig machen."
$)ie englifche ©efefcgebung hat fich biefer Auffaffung be« SRinber-
heitsberichte« angefchloffen unb bie koalitionen gu allen 3 roe ^ eit /
oorauggefefct, bafe feine im Uebrigen unerlaubten SRittel gur Sln-
wenbung fämen, für gefefelich erflärt. 6« hat aber SRühe gefoftet,
bie neue Sluffaffung gegenüber tief eingemurgelten ©orurtheilen in
berSiedhtfprechung gurSlnerfennnng gu bringen. Smmer wieber fanben
fuh ^Richter, welche in biefem ober jenem Jall eine befonbereUrfadhe ent-
bedften, warum gerabe hier bie alte Sluffaffung be« Common law noch
Geltung haben füllte, ©in Satt mit befonber« erfchmerenben Um¬
ftänben hat bie Örage enblid) gur pringipießen ©ntfeheibung burch bie
oberften dichter be« Sanbe«, bte Saw-ßorb« be« Dberhaufe«. gebracht.
3toei ©<hiff«gimmerleute, Öloob unb Saplor, SRitglieoer eine«
*) ®a« h öt bfte/ mogu bie englifthen ©ewerfoereinler oor ber Royal
Commission on Labour ftch aufgefdjwungen haben, war, bajj ber ©efretär
be« ©erein« ber SRatrofen unb feiger wünfehte, bah ein ®efe$ erlaffen
werbe, wonach ^rembe nicht gu niebrigeren Söhnen al« ©nglänber be-
fchäftigt werben bürften. ©gl. ©pger«, The Labour Question, Sonbon
1894 3. 51. 3n 2)eutfchlano haben bie Arbeiter meine« Riffen« nach
niemal« ftaatUche SRahnahmett gegen bie ^erangichung au«länbifcher
Arbeiter oerlangt.
©ewerfoerein« ber ©chiff«gimmerleute, hatten bei einer Ötrma
Arbeit oerrichtet, welche bie keffelfchtniebe al« Slrbeit ber keffel-
fdhmiebe anfahen. darauf waren fie bei einer anberen Öinna mit
©chiff«gimmerarbeit befchäftigt, gleichseitig mit 20 teffelfchmieben,
welche Arbeit in ©ifen oerri^teten. Sfun liefen biefe keffelfchmiebe
ber gweiten Öirma, bei ber fie g. 3- thätig waren, fünbigen, ba
fie mit jenen ©chiff«gimmerleuten, welche gegen ihre Oewerfocrein«-
fahung oerfto&en hätten, nicht gufammen arbeiten wollten. £)ie
Öirma fonnte bie keffelfchmiebe nicht entbehren unb entlieh bie
®thiff«gimmerleute. darauf oerflagten bie ©chiff«gimmerleute ben
©efretär be« ©ewerfoerein« ber keffeifchmiebe, ber in bem Auf¬
träge ber legieren gehanbelt hatte, weil er ihre ©ntlaffung oeratt-
Iaht habe mit ber Abficht, fie gu fdhäbigen. S)er ^rogefc fam nadh
durchlaufuitg aller Snftangen am 14. 5)egember 1897 gur befini*
tioen ©ntfehetbung. 2)ie ®chiff«gimmerleute würben abgewiefen,
unb e« würbe entfdf)ieben: w ©enn eine |)anbiung an fich erlaubt
ift, ift ba« SRotio, au« bem fte gedieht, gleichgültig, ©ßenn
Semaub einen Arbeitgeber oeranlaht, einen Arbeiter gu entlaffen,
oorau«gefeht, bafe bie ©ntlaffung nicht einen kontraftbrujh bebeutet,
ober 3emanben oeranlaht, einen Arbeiter nicht gu befefjäftigen, fo
giebt bie« bem Arbeiter fein klagerecht, auch memi Setter in ber
Abficht, ihm gu [(haben, gehanbelt hat unb ber Arbeiter gefchäbigt
worben ift." 2)ie ®ericht«oerhanblung oor bem Dberhaufe giebt
eine Atte«, wa« oon beiben ©eiten in ber Ö*aae rechtlich oorgebrad)t
werben fann, gerabegu erfchöpfenbe ^arlegung.^) Seiber nöthigt ht cr
SRangel an Staum, bie 3afammenfaffung ber in ber Debatte oor-
geführten Argumente einer juriftifchen 3eitf<hnfi ja übcrlaffen.
£)ie „$)euffchrift, betreffeub bie Au«fchreitungen bei ben
Arbeitafämpfen ber lebten Sah^e," h a ^ au f 21—24 eine
Steihe oon Öäßcn aufgeführt, in benen Arbeiter nur mit^erfonen,
wel^e ihren SDrganifationen angehörten, gufammenarbeiten gu
wotten erflärten. Söurbe ihrer ©ruärung nicht Stechuung getragen,
fo fteHten bie Arbeiter bie Arbeit ein. ®a bie Arbeitgeber, bie fo
künbigenben nicht entbehren fonnten, würben bie nichtorganifirten
Arbeiter entlaffen. Allein in aßen bort angeführten Öäßen haben
bie Arbeiter nur oon einem ihnen ungmeifelhaft gnftehenben SRechte
©ebraudj) gemacht, unb felbft ber §. 4 Abfaj 3 be« ©ntwurfe«
eine« ©efehe« gum ©chuhe be« gewerblichen Arbeiteoerhältniffe«
fagt: „©ine ©erruf«erflärung ober Drohung im ©inne ber §§. 1
bi« 3 liegt nicht oor, wenn ber Später eine ^anbluug oor-
nimmt, gu ber er berechtigt ift, in«befoubere, wenn er befugterweife
ein Arbeit«- ober S)ienftoerbältm& ablehnt, beenbigt ober fünbigt,
bie Arbeit einfteßt, eine Arbeitöeinfteßung ober Auöfperrung fort®
fefet, ober wenn er bie ©ornahmc einer folchen §anblung in Au«-
fiebt fteßt." ©ogar nadp ber fogenannteit 3a(h^ ail)gOü ^ a 0 c f*>H
alfo bie ^)rohnn^ mit einer Arbeit«einfteßung, um bic ©ntlaffung
eine« nicht organifirten Arbeiter« herbeiguführen, nicht ftrafbar fein.
SSarum, fragt man ftaunenb, hat bann aber bie befagte 2)enffchrift
folche Drohungen al« Au«f<hreitungen, welche eine frf>ärfere ©efefe-
aebung über koalitionen nothmenbig machen foßen, aufgeführt?
feohl au« bemfelben ©runbe, au« bem fie auch SRiffethaten oor-
führte, bie auch nach Annahme be« oorgefchlagenen ©efefcc« gar
nicht unter biefe« faßen, fonbern nach wie oor nach bem ©traf-
gefehbuch meit härter beftraft werben würben, — um bie ©efefce«-
unfunbigen für bie ©orlage gu gewinnen.
SRünchen. Sujo ©rentano.
(©c^lufe biefe« Krtifel« in nätfjftet gtummer.)
Mytmtim «ojlnl- trab BittyftafepolttUt.
$>tt einheitliche 3Rieth«öertrag.
2)ie Hoffnungen berjenigen, welche geglaubt hatten, bafc bie
faft einmüthige ©erurtheilung ber im oerfloffenen Sahre oon bem
©erbanb ftäbtifcher ©runb- unb Hauabefitjeroereine geplanten ein¬
heitlichen SRieth^oerträge feiten« oer ©reffe unb ber öffentlichen
SReinung auf bie an ber ©pifee biefe« ©erbanbe« fteheuben ©erfön»
lieh feiten ©inbrudf machen unb ihnen bie llnbißigfeit ihre« ©er¬
gehen« gum ©emufttfein bringen werbe, haben fiel) leibcr nicht erfüllt:
Auf bem in ©Iberfelb abgehaltenen ©erbanbatage hat mau (wie
fdjon furg in ©p. 1227 biefe« ©latte« erwähnt) bie ©iufiihruug eine«
einheitlichen SRiethoertrag« bef^loffen, weiter an ©infeitigfeit unb
ünaerechtigfeit feine« ©leichen fud^i. ©o gicmlicf) alle ©flirten fmb
in biefem „SJtufteroertrag" auf ben SRiether abgewälgt, bie Siechte
au« bem ©ertrage beanfprucht ber ©ermiether für fid). 5Semt ba«
8 ) ©gl. „The Law Times“ ©a»Ö 77 S. 717-773.
1263
eogiale $ra£i*. dentraftlott für 6ojiaIpolitt!. SRr. 48.
1264
bürgerliche ©efefcbud) bem 9Riether gat)Ireicf)e wichtige §Red)te oer*
liehen hat/ burih welche bem ©ebanfen, bag beibe Vertragsparteien
in rechtlicher £infi<ht einanber gleichgeftellt fein ntüffen, Rechnung
getragen wirb, ]'o fefct firf) ber Verbanb ber ^aitSbefifceroereine
furjer §anb bariiber hinweg. $)er Viiether mufc fid) 3 m* Voraus*
gahlung beS 5 Rieth 3 tnfeS oerpflichten, bie bas bürgerliche ©efefc*
buch nicht fenut 1111 b bie auch in ben weiteren ©ebieten beS VkftenS
unb ©übroeftenS unbefannt ift, er barf nicht bie ihm gegen ben
Vermiether 3 uftehenben 3fo*berungen auf bie SRietljsiitSbeträge auf*
rechnen, ja er fann ni$t einmal bann oon bem Vermiether (Int*
fchäbigung forbern, wenn bie Söohnuug unbrauchbar wirb. $er
„Vtufteroertrag" befeitigt bie in bem ©efefcbuch anerfannte Ver*
pflichtung beS VermietperS, bie SBohnung roieberhersufteflen, er
jwingt auch bem Vtiether ben Verzicht auf baS ihm nach bem
»ärgerlichen ©efefcbuche juftehenbe KünbiguttgSred)l für biefen $att
auf. Aber bamit noch nicht genug, erklärt ber Normaloertrag, ba&
bie £auSorbmingen %f)dk beS VtiethoertrageS feien; bamit ift ber
ganse gnhalt biefer oielberufenen Drbnungen unter ben Vertrags*
fchufe gefteüt unb ber Venniethcr hat es in ber öanb, ben SRieth*
oertrag auch wegen ber fleinften Uebertretung Der £>auSorbnung
aufaulöfen — falls eS ihm pajjt unb falls bie ©erichte nid)t ber
AnHd)t finb, bah bie Beftimmungen ber §auSorbnung mit bem
neuen Bürgerlichen Specht im dinuang ftehen.
dS ift unbeftreitbar, bafe bie Sage ber VUether burch biefe
bem einfeitigften Klaffenintereffe angepafjten VertragSbeftimmungen
wefentlirfj uerfrfjlecfjtert wirb, unb wenn bie §auSbefifceroereine fich
bisher barüber befchwert haben, bah ih^ e Veftrebuugen nicht feiten
als bauSagrarifche beseitiget würben, fo werben fie nach biefer
Vtufterleiftung einen Vorwurf gegen biefe Cualififation nicht mehr
erheben fönnen; man fann fich ber dmpfinbung nicht erwehren,
bah in biefen @afcungen ber ©eift beS ^robcntljumS mm Aus*
bruef fornmt, ber ©eift jenes mit Verachtung auf ben Unbemittelten
herabfehenben KlaffenegoiSmuS, unb wenn Der £)auSbefifceroerbanb
für feinen Normaloertrag ein 5Rotto wählen will, fo würbe bieS
am paffenbfien baS 28ort fein: Vae Paoperibus!
dS fragt fich nun, was gefdjehen fann unb gefchehen muh,
um eS 3 U oerhüten, bah bie Veftimmungen beS Bürgerlichen
©efefcbuchS einfach befeitigt werben? 3 n biefer .fnnfidjt ift oor
Slllem 3 U betonen, bah bie SRiether fich 311 VHetheroereinen 3 um
@chuh unb 3 ur Abwehr ber Uebergriffe ber gmusbefiperoereine
organifiren müffen; oerein 3 elt beftehen bereits fold)e Vereine unb
ba unb bort fcheinen fie auch nicht ohne drfolg gearbeitet 311 haben.
Aber bie üerein 3 elte Drganifation aenügt nicht, allenthalben müffen
folche Vereine begrünbet werben, bereu 3wfawmenfaffung in einem
Verbanb fich bann oon felbft ergiebt. treten bieSRiether in biefer
SBeife gefdjloffen auf unb repräfentiren fie ebenfalls eine wirth*
fchaftliche ttRadjt, bann wirb man fich hüten, fie als quantite
negligeable 3 U behanbeln, wie bieS bem einzelnen Vtiether gegen*
über ber gatt ift, bann wirb ber dentraloerbanb ber £auSbefifeer*
oereine oor ber Einführung eines 9RiethoertragS erft mit ber Dr*
ganifation ber SRiether in Unterhanblungen eintreten unb fich mit
oiefer 3 U oerftänbigen fuchen. £)ringenb muh ben SRietljern
empfohlen werben, mit biefer Drganifation balbigft ooqugehen,
benn je eher ber SSiberftanb gegen bie unglaublichen Anfprüdje ber
§auSbefifceroereine ftch thatfräftig geltenb macht, um fo mehr barf
gehofft werben, bah bie dinführung beS VormaloertragS auf
unüberwinblid)e ©djwierigfeiteit ftöfjt.*)
Db bie Nechtfprechung bie Aufeerfraftfebung ber wichtigsten
Vorfchriften beS neuen 9Riethred)iS als rerfjtSwirffatn anerfennett wirb,
bleibt absuwarten; Verfaffer biefer Seilen hat früher fefjon heroor*
gehoben, bah baS Bürgerliche ©efefcbudj bem Vielter bie SRöglich*
feit gewährt, manchen monftröfcit Veftimmungen ber SRiethoerträge
unb §auSorbnungen bie Anerfennung 3 U oerfagen. dine ^ßrajis,
bie auf ber §ölje ber fo 3 ialpolitifd)en $enfuttgSweife beS neuen
Ved)tS fteht, wirb bei ber Anwenbung beS §. 226 nicht alT^u
ängftlich fein bürfen, fie wirb fich oor Ottern bie SDhatfache oer*
*) 3 n dlberfelb hat am 24 . Auguft eine ftarf befudjte Bürger*
uerfammliwg gegen ben Normalmieibuertrag Broteft erhoben, ds
würbe eine Befolution angenommen, worin es? fjeifjt: 9 Ran erlernte in
biefen Veftrebuugen ber .frauSbefifcer „int Allgemeinen eine riicffrfjrittlidic
unb barunt oolfsfcinblirfjc, ooin frfjlimmftcn (igoismus biftirtc 2hätig*
feit", oin bem Vertrage erblirfe mau „eine Ucberbcbuug ber £>aits=
beiiper, eine Beuormunbung ber Vi'ietfjer, bie allen heutigem Aufdjauungcu
über (Gleichberechtigung beiber oertragfrfjlieBeubcn Bartcicn .öolju fpreche".
Tie Verfammlung erwarte oon bem $aus* unb (Grmtbbefiperocreiit in
dlberfelb, bau er firf) beit ,,Normal* 9 Rictljuertrag** nicf)t 311 eigen marfje,
tonbern bie in bem Bürgerlidjcn (Gcfc^budje niebcrgelegteii Beftimmutigen
aU' mangebenb erachte. ®cn Viietheru würbe empfohlen, itt biefein 8iune
311 tüirfeu unb fich bei Slbfdjluh oott SRiethoerträgen barttad) 31t ridjteit.
gegenwärtigen müffen, bah hie mit ben ©runbfähen ber Rechts*
glcichh^it in offenem SBiberfpruch ftehenbe Verthcüung ber Rechte
unb Pflichten eines Vertrags awifchen ben Parteien hart an bie
©rensfphärc beS fittenwibrigen Vertrags ftreift.
Sluf bie $)auer fann felbftoerftänDlich baS Veich eS fich nicht
gefallen laffen, bah e *ne Sntereffentengruppe einen wichtigen
Der oon ihm 30 m 0chuhc ber SRiether gegebenen Vorfchriften aufcer
toft fe^t. 2)aS Vorgehen ber gtauSbefiheruereiue wirb bah’er oor
Stdem bie B3irfung haben, bah «in St heil beS SRicthrechtS, oiel*
leid)t fogar ber bei Leitern gröbere, unter ben @chuh beS öffent*
liehen SHechtS gefteüt unb bamit ber SRöglichfeit einer Slbänberung
im Vertragswege ent 3 ogen wirb. B3ir halten eS für eine Slufgabe
ber V?ietf)eroereine, hierauf hin 3 uarbeiten unb feine ©eleaenheit
unbetmht oorübergehen 3 U laffen, bei welcher bie Sympathie ber
SReichSgefchgebung hierfür erweeft werben fönnte. ®eu 3Riether*
oereinen wirb babei bie Unterftüfcung aller ftreife fither fein, welche
bie Vedjtsgteichheit gwifcheu bem IRicther unb Vermiether für bie
©runblage eines ben mobernen Verhaltniffen ebenfo wie ber ©e=
redhtigfeit entfprechenben SRiethrechteS halten.
ßubwig gulb.
^5ie bernfSgenoffenfchaftliche Drganifation ber Arbeiter nnb bie
dentrnmSpartei.
S)ie Stage ber berufsgenoffenfdjaftlichen Drganifation ber
Slrbeiter ift auf ber ©eneraiDerfammlung beS SluguftinuSoereinS
3 jir Bflege ber fatl^olifcfjen treffe itt $öln in bemerfenSwerther
Söeife behanbelt worben. Namentlich oerbient bas Neferat beS
früheren dentrumSabgeorbneten unb VechtSanwaltS 3uliu3 Bachem
in £öln befonbere Beachtung, dr oerbreitete fich über bie Noth*
wenbigfeit ber berufSgenoffenfehaftlidheu Drganifation, weil ber
prin^ipieüen Slnerfennuttg feiteuS ber Äatholifen ungeachtet auf
biefem ©ebiete noch 3 U wenig gefdjehen fei, unb weil nicht Keine
fatholifche Greife, geiftliche wie weltliche, biefer Drganifation noch
3 weifelnb, 3 urü<fhaltcnb, ja theilweife bireft abgeneigt gegenüber*
ftänben. Von ben ©egnern ber beruflichen Drganifation im
dentrumSlager griff ber Neferent 3 wei Kategorien heraus: manche
©eiftUche unb manche Arbeitgeber, unb führte babei nach einem
Bericht ber Auguft*Nummer beS „AuguftinuS*Blatt" SoIgenbeS au&*.
^te drftcreit (manche (Geiftliche) meinen, bie ©efellenoeretnc unb
bie Strbeiterocreine genügten, ^iefe Vereine oerbienen gcwiB alle» Üob,
Üe finb nach wie oor nothwenbig unb füllen eifrig unteritüpt unb ge=
förbert werben, aber bem berechtigten Veftreben beS Arbeiters, feine
wirjhfdjaftliche Öage 3U h^^n, fönnen ftc nicht ausreidjettb bienen,
tiefes CGcfül)l beljerifdjt auch bie größeren Vereinigungen biefer Art,
bie beshalb baju übergehen, fogeitannte gachabtheilungen 3U bilben.
Auch oon bett Unternehmern ftnb noch mandje ©egtter ber beruflichen
Drganifation aus reiner 0 eI 6 ftfud)t. Sie erfennen bie dleidjberechti*
E bes Arbeiters mit beut Arbeitgeber bei ber gcftfejjmig ber Ar*
bcbiiiguttgen nicht an, obwohl baS baS AVd fojialpolitifdicn
Verftänbniffes ift; fie wollen oon ber Drganifation nid)ts wiffen, weil
fte glauben, bah *h re eigenen ^ntereffen baburch gefährbet unb ge*
)chäbigt würben. ®aS halte id) für Fo^ialen Unoerftanb. Auf bie S:aüer
toerbeu bie oerftänbigen Arbeitgeber mit ben organifirten Arbeitern
beffer 3ure<ht fotnmen als mit ben unorganifirten. $as ^ichterwori:
„Vor bem «flauen, wenn er bie Kette bricht, oor bem freien Vtannc
erbittere nidbt," fönnte jeitgemäf} fo lauten: „^ürdhte ben auf fidj felbfi
geftellten, ftdj felbft übcrlaffenen Arbeiter, nicht aber bie Arbeiter*
organifation." S)ie unorganifirte 3 Raffe wirb ben dinflitffen gewiffeu*
lofer dlemente oiel jugänglidier fein als bie Drganifation, bereu gührcr
ihrer Verantwortlichfeit fich eher bewuf}i bleiben, für bie alles auf bem
Spiele fteht, wenn fie friuol unb imbefonnen 31t SSerfe geljen. Sie
oiele thöridjte ©treifs finb neuerbings auch fo3ialbemofratifchen
Drganifatiouen wiberrathen unb befämpft worben! gür bie dentrums*
partei ift es meines (IrachteuS bie Ijöc^fte 3 eit, es in ber ^örberunq
ber berufSgenoffeufdjaftlichen Drganifation ber 0 O 3 ialbemofratie gleich
311 tljun. 2 )ie Bewegung ift uuaufhaltfam, fte wirb fich ooll3iehen mit
uns ober ohne uns unb gegen uns. Ucbcr biejenigen, weldje bei «eite
flehen 31t fönnen glauben, geht bie dntwicfelung hinweg. 3 $ir wollen
unb müffen babei feilt. An ber görberung ber Organifation»*
beftrebungen unter ben djriftlirfjen Arbeitern ba, wo bie Verhältniffe fie
erheifdjen unb Bobeit bafür oorhanben ift, müffen alle Kreifc ntitwirfen.
(Gewiö müffen bte Arbeiter felbft bie Präger ber Drganifation fein.
Aber man foll ihnen bei ber «djaffung berfelben helfenb 3ur «eite
fte heit. Xi c djriftlidjeii Arbeiter finb metft nod; oiel 311 wenig gefdjult,
311 unbeholfen, um bett fo3ialbemofratifchcu Drganifatiouen glcid)wertbtge
ins Sebeu rufen 31t fönnen. 23 arum fie noch gefonbert organiftn
werben müffen, braudte id) nicht naljer auS3uführeu. Audj bie «o^iaU
bemofratie sieht ja ihrerfeits ben flarett, fdjarfen XrennungSftrtd;. 3Rit
ber 3 f tt wag baS anberS werben, wie eS in ber 0djwei3 fchon anbers
ift, unb fdjon ie(jt mögen bie ociidjicbeneu Drganifationeu in ($111301*
fällen sufaimneitgeheit, wie eS audj fchott gefchieht. Xaft bie djriftlirfjen
Arbeiterorganisationen iiiterfonfefjioneHe fein müffen, wirb jefci wohl
1265
©ogtole ©entralblatt für Sogialpoltttf. Sit. 48.
1266
nirgenbs mehr ernftlid^ angefoäjien. Sin ber görberung ber Drgant»
fationSbeftrebungen ber djrtftlichen Arbeiter muß ber ftleruS befonnen
unb untüchtig mitwtrfen, wie er an ben früheren Dcganifationen fo er¬
folgreich mitgearbeitet hat; bie fatljolifcben Unternehmer füllten opfer¬
willig babei fein unb auch bie treffe muß mit tfeun, unb gwar mehr
als bisher.
$)er Referent oerbreitete fidj auch über bie Bebeutung ber
©etoerffchaftsbewegung unb fpradfj anerfennenb über bie Be¬
mühungen ber Sogialbemofratie um bie geroerffdjaftliche Drgani-
fation. 3roar habe Kölner ©eneraloerfammlung ber ftatholifen
2>eutfd)IanbS im gahre 1894 bie berufSgenoffenfchaftlichc SDrgani-
fation ber djriftlichen Arbeiter lebhaft befürroortet, aber bicfe flehe
ltodh in ben erftcn Anfängen. BBenn nicht ein 9M;rereS gefdfeehe,
bann werbe bie politifdje Stellung ber ©entrumspartei baburcfe
namentlich in ben großen Stäbten auf bie $auer fehr erfchwert,
ba bie Arbeiter leicht geneigt fein mürben, ber Partei bie Sthulb
bcigumeffen, wenn in golge ber ©leichgültigfeit ober beS BBiber-
ftrebcnS eütgelner Greife bie Drganifation feine gortfchritte mache.
Starfe, gut geleitete Drganifatioiten ber Arbeiter mürben leicht bie
Berftänbiguitg mit ben Arbeitgeber-Drganifationen finbeit, auf bie
beibe Tfytxk angemiefen feien. Namentlich mürben Drganifationen
auf (hriftlithent Boben biefcm 3irfe bienen. BBer fje förbere, biene
ber großen Sache beS fogialen gricbens!— 3)ie 46. „©eneral-
oerfammlung ber Äatholifen 2)entfchlanbS" in Neiffe begann am
27. STug. mit einer impofanten Berfammluug oon 150 fatholifchen
Arbeitcroereineu, in ber ebenfalls bie nadjbrücflich bie Noth*
menbigfeit ber Drganifation betont mürbe.
$ie nationale Sßeljrfraft mh bie $eran$iehnng anilünbif^er
Arbeiter. $ie in biefen Blättern (Sp. 1073) bereits megen ihrer
fogialreformerifchen Anfdjaunngen ermähnte Schrift beS ©enerals
o. Blume, „$>ie ©runblagen unferer Sßehrfraft", fagt golgenbeS:
©egen baS in neuerer 3eit immer mehr gur Anroenbung fontmenbe
AuSfunftSmittel, ArbeitSfräfte einer fremben, minbermerthigeit Naffe
ins 2anb gu giehen, finb oom militärifchen unb nationalen Staub*
punfte aus bie ernfteften Bebenfen gu erheben, ©uuberttaufenbe biefer
gremblinge bringen ins beutfdje £aub ein, um bie ber ©cfunbheit gu*
träglichften Arbeitspläne eingunehmen, bie burch ben Abgug ber ein-
heimifthen ßanbbeoölferung in bie gnbuftrieftäbte ober iiberS 3J?eer leer
geworben ftnb. $)aS ift Vergiftung beS Blutes ber Nation!
BBir bringen biefeS ©itat, weil erft in biefen £agen (am
24. Auguft) im preußifchen AbgeorbnetenhauS oon fonferoatioer
unb agrarifcher Seite bie ©ifenbabnoerwaltung aufgeforbert morben
ift, bie Strecfenarbeiter burch gtaliener gu erfefeen unb nur auS-
länbifchen lanbroirthfchaftlidhen Arbeitern ©rmäßigung ber ©ifen-
bahnfahrpreife gu gewähren.
gnternationaler ftongteß für ftinberfchufe ttt Peft. ©in inter¬
nationaler ftongreß für $inberfcf)ufe wirb oom 12 . bis 18. Sep¬
tember in Peft tagen. Bisher finb 454 2^h c ^ n ehmer angemelbet,
barunter 62 oom AuSlanb, unter biefen ftnb befonbcrS frattgöftfehe
unb italienifche Acrgte oertreten, jebod) werben auch bie anbereu
europäifchen ßäuber foroie bie Bereinigten Staaten oon Ainerifa
Xheilnehtner fenben. Nach bem Programm follcn auf bem Monarch
„alle jene fragen befprorf)en, fomic auch alle folche Ncformioeen
geförbert werben, welche bie SNinberjährigen ohne Unterftfjieb ber
Naffe, beS ©efdjlechteS unb ber Neligion betreffen unb bie im
gutereffe ber ©ntwidfelung ber Nienfchheit ben SNinberjährigen
gegenüber maßgebenb fein foHen." SDer 3mecf ber Berauftaltung
ift, ben ftinbern, welche baS 16. ßebenSjahr nodb nicht erreicht
haben, Schüfe gu gewähren unb bas öffentliche ßebeu berart gu
geftalten, baß in ber gamilie unb in ber Schule, fowie in ber
gefammten h e ranmacf)fenben ©eneration bie ßiebe gu ben ftinbern
in richtiger unb angemeffener BBeife entwicfelt werbe, fo baß fie oor
liebergriffen unb NHfthanblungen möglichft gefchiifet bleiben. —
SDie Abreffe beS ^ongrehfomiteS ift Bubapeft VIII, SofefSrittg 43.
N^aguahmeu gegen bie ftrüeitSloftgfeU in NenfübmaleS» Sn
ber Kolonie NeufübwaleS würbe eine parlamentarifche iTommiffion
mit ber llnterfuchung ber grage ber ArbeitSlofigfeit betraut, ’&er
Premier empfahl igr, bie Berljältniffe in ber Kolonie in biefer
Begießung nad) brei Seiten hin }n prüfen unb gmar mit Nücfficfet
auf bie arbeitsfähigen unb -willtgcu BefchäftigungSlofen, bie Ar¬
beitswilligen aber ßeiftungsunfähigen unb fcfeliefelich bie Arbeits-
fcheuen ooer Bagabunben. gür bie beiben erftcn ©ruppeit fönnte
Arbeit nach 2:hunlid)!eit befdjafft werben, währenb bie lefeten in
Anftalten untergubringen wären. ®ie Eotnmiffion empfahl ber
Negierung bie Inangriffnahme oon NothftanbSarbeiten unb gwar
oorgugSmeife bie Urbarmachung bewalbeter unb oerfumpfter
ßänbereien.
ftomttmnaie So^ialpoliHk.
kommunale Anlagen gur gdrbernng ber gfnbnftrie« Mehrfach
haben wir in ber lefeten 3 ß it über Aufwenbunaen unb Besän¬
ftigungen berichtet, bie oon ©etneinben — namentlich in Baben —
aus öffentlichen äßitteln im 3 fttereffe j, er ©rofeinbuftric gemacht
worben ftnb. ©in weiteres Beifpiei wirb jefet aus ber fleinen,
etwa 3500 ©inwohner gählenben Stabt Necfarfulm in Bßürttemberg
aemelbet. ®ort erläfet baS Stabtfchultheifeenamt öffentlich eine
Belanntmachung, wonach bie Stabtgemeinbc, einem BBunfcfee ber
Snbuftriellen entgegenfommenb unb „um günftige (Gelegenheit für
weitere inbuftrieUe Anlagen gu fchaffen", bie Ausführung eines
SnbuftriegeleifeS unternimmt, bas bie Berbinbung ber jefet fchon
oorfeanbenen inbuftrieHen Anlagen mit bem Bahnhöfe h er fi c Ö e n
foH. ^)a bie Stabtgemeinbe ©igenthümerin beS gefammten an-
liegenben ©runb unb BobenS fei, werbe biefer Anfchlufe unb bie
©rünbung weiterer ©tabliffements fehr erleichtert, gumal baS
buftriegeleife nahe bem fefeiffbaren Necfar geführt unb mit bem
giufj burch c i ne 6chiffslänbe oerbunben werben foll. 2)ie Befannt-
machung fchliefet mit folgenben ^Borten:
©3 bürften beShalb ben bereits oorhanbenen bebeutenberen ©e-
werbSanftalten, als Schiffswcrftc unb Äeffelfchmiebe, gahrrabwerfen,
iampffägewerfen unb einer £>olgmerfgeitgfabrl! halb weitere ©tabliffe-
meuts firf) anreiljen unb Necfarfulm ftdj gu einem inbuftriereicheren
Viafee entmicfeln. SNöge bas begonnene SBerf unb bie fich baran an-
fchliefeenbeu Unternehmen fowohl gunt ©eile ihrer ©rünber wie gum
Blühen unb ©ebenen unferer fhönen Sulmftabt auSfaHett.
ArbeiterPertreter mtb ftäbttfdhe NegtearBeit tu Battcrfea (Bonbon).
2Bie in ben ßonboner ©raffcfeaftSrath fürglich als Vertreter aus
ber arbeitenben klaffe SNr. B. feiüett, ber gührer ber ^)ocfarbeiter,
unb 3Nr. £ap!or, ein N?itglieb ber SNaurergenoffenfchaft, berufen
worben ftnb, fo ift in bem ßonboner Si'irchfpicl Batterfea jefet ber
SteinmefegefeUe 9Kr. 3B. SNatthewS burch einftimntige BBabl Bor-
ftfeenber beS ehrenamtlichen ^irchenrathS geworben. 2)ie ArbeitS-
geit in bem ©emerbe beS neuen Borftfeenben beträgt 48 Stunben
bieBBoche, ber Nortnalftunbeitlohn 10 Vaice ober 42 J(. bie BBocf)e.
Batterfea hot ein reges fommttnaleS ßeben. 3h r Bertreter im ©raf-
fchaftSrath unb Unterhaus ift befanntlid) gohn BurnS. 3)aS Sfirdj*
fpiel hat feine „ArbeitSabtheilung" feljr entwicfelt, befonbcrS burch bie
Annahme beS ©ruitbfafees, bie Arbeiten in eigener Negie auSguführen.
Nach einem gnfpeftionSbcrid)t batirt biefer Anffd)wuna aus bem
gahre 1887, wo Batterfea, ingwifdjen auf eine Beoölferung oon
150 000 Seelen angemachfeit, im Parlamente eS burefefefete, bafe es
einen eigenen BermaltungSbegirf bilbeit bnrfte. Anfangs noch mit
Unternehmern arbeitenb, übernahm man allmähli^ bie öffentlichen
Arbeiten in getneiublidjer Negie, unb am 10. Dfober 1895 be-
fcfelofe ber ©emeinbeoorftanb, bafe alle Arbeiten ber ©emeittbe oon
ben eigenen BBcrfen unb bem ArbeitSauSfdhufe ausgeführt werben
fotlten, ein Bcfchlufe, ber für größere Arbeiten erfolgreich erft mit
ber ©röffnung ber neuen ftäbtif^eu BBerfftättcu am 22. ganuar 1898
burchgeftihrt werben fonnte. Seit bem 10. JDftober 1895, ber 3eit,
wo ber ©emeinbeoorftanb praftifch auf bie ©ülfe oon Unternehmern
oergichtete, bis gum 25. Ntärg 1898 hat baS Arbeitsamt burch
birefte Arbeitsregelung Arbeiten im ©efammtwert oon £ 41 593
6s 7 d (runb 830 000,^) ausgeführt unb babei einen Ueberfchufe
oon £ 539 5 s (runb 10 000 <4r) ergielt bei einer Berginfung oon
7V 2 %. ©egenwärtig hat baS Arbeitsamt BBerle im ©efammtbetrage
oon £ 141059 (2 821 180 Jf) in ber ©anb unb gwar: bas neue
Bab 800 000 ,4(, bie eleftrifdfee ©rleudfetungSfiation 840 000 J(,
BegräbniSanftalt unb -Plafe 90 000 </ff, Arbeitshäufer 30 100 t^,
©o^pflafterung, BBafferleituna, Jtanalifation u. f. w 2)agu fommen
Samt bie ©rfparniffe an Neparaturfoften 2 C. im Betrage oon
133 000 J(, bie oon ben BBerfen felbft beforgt werben.
ftomttmnaie Sfraftettbahttett in ©nglanb. gn ©nalanb befinbet
fid) ber Betrieb ber Straßenbahnen tn fünfgehn ©emeinben in
eigener Negie, währenb bie Straßenbahnen in 27 atiberen ©e-
meinben gwar ber ftommunc gehören, jeboefe an ©efeHfchaften oer¬
pachtet finb. Ueber bie ©rfolge ber fommunalen Negie geben
folgenbe Bubgetgiffern AuSfunft:
©inuahmeit
Ausgaben
©efammtprofit
pro SBagenmetle
1897/98
Blacfpool . .
. . 16,43 d
10,97 d
5 409 £
©lasgow . .
. . 11,01 *
8,30 =
100 539 =
©ubberSfielb .
. . 15,94 *
12,94 =
6 911 =
ÖeebS . . .
. . 11,69 -
9,89 =
12 666 =
ßioerpool . .
. . 12,10 =
11,61 =
64 369 =
Nottingham .
. . 12,43 =
10,03 *
3 156 =
Sh e fß e lb • ■
. . 16,05 =
11,31 =
16 944 -
1267
©ogtale $ra$40. Gentralblatt für €o|talpoltttf. Ar. 48.
1268
Jnfföitbc*
' ürwerlitbiitgfeif ber Karlsruher Solfgfc^ttlfiwber. XaS
©tatiftifte Amt ber ©tabt Karlsruhe (Dr. griebr. Schäfer) hat in
$r. 7 ber Beiträge zur ©tatiftif ber ©tabt Karlsruhe (Karlsruhe,
Xrucf unb Verlag ber G. Braun’ft en Hofbutbrutferei, 1899) bie
Grgebniffe einer Grhcbung über bie GrroerbSthätigfeit ber Karls*
ruber BolfSftulfinber oeröffentlitt, äbnlicb wie eS bie ©labte
Xortmunb, XreSben unb Königsberg bereits getban hahen unb
zwar fowopl über bie ©cbiiler ut ber eigentlichen BolfSftuIe n?ie
ber fogenannten erweiterten Bolfsfcpule, bereu etwas häh er
geftccft' finb unb bie beSljalb autb oielfat non Kinbcnt ber mitt*
ieren GefellfdpaftSftaffen befugt wirb, danach mar jebeS fiebente
Bolfsfcpnlfiitb in Karlsruhe erwerbstätig, Knaben hoppelt fooiel
wie 33täbrf)en. Bon ben Kinbern ber etnfadjen BolfSftuIe roaren
wieberum hoppelt fo oiel erroerbstbätig, roie oon benen ber er*
weiterten BolfSftuIe, hier war jebeS zehnte, bort jebeS fünfte Kinb
erwerbstätig unb 5 war jeher oierte be^ieburtgSweife fiebente Knabe
unb jebeS fiebente bejiebungSweife neunzehnte Btäbtcn. Xie Hälfte
ber erwerbstätigen Kinber war 11—14 galjre, ftarl Vs 8—10
3abre unb ruub 8 o / 0 6 unb 7 gahre. Naturgemäß ftnb bie
oberen Klaffen ftärfer oertreten als bie unteren; unter ben 852 er¬
werbstätigen Kinbern befanben fit 100 Baterwaifen unb 4 Ganz*
waifen. Sieben ben Arbeitern waren bie gmitbwerfer unter ben
Tätern her Kinber ftarf oertreten. Am ftärfftcu bie ©tuhmater
unb ©tneiber. Xer Bericht zieht barauS einen ungünftigen ©d)luß
auf bie Bcrhältniffe beS fleinen §>anbwer!s. Aunb 91 biefer
©tulfinbcr waren baS ganze gahr über beftäftigt, ftarf her
oierte Xljeil mußte auch ©onntagSarbeit oerridjten. gür beinahe
Vs Begann bie GrwerbSthätigfeit in ben Niorgcnftunben oor bem
beginn beS ©d)ulunterrid)ts. Bis 11, 12 Uhr Natts hatten be*
fottberS bie Kegeljungen zu tun. 638 ber jahreSerwerbSthätigen
Kinber waren an allen "Botentagen, 209 aut not an Sonntagen
beftäftigt. Gin ftarfeS fünftel hatte neben ber ©tulc täglich
fünf bis fet* ©tunben zu arbeiten unb 3 o / 0 not über biefe 3eit
hinaus. Xer Beritt beretnet, baß minbeftenS 106 Kinber über-
auftrengt werben (oicr bis fed)S unb mehr ©tunben Arbeit) unb
Zwar ©tüier beiher ©tulen. Xie GrroerbSthätigfeit beftanb in
gewerbliten Botenbienften, gewerbliter §ilfsarbcit, qualifizirter
gewcrblidjer unb pansinbuftrieder Arbeit, Berfäufcrbienftcn unb
Xicnften perfönliter Art, wie Badauflefen auf ben ©pielpläßen
unb weiblitem (Gefutbebicnft. fjabrifarbeit würbe nicht geleiftet.
Xrei Viertel ber Kinber war für frentbe Arbeitgeber erwerbstätig.
Xie ©tulfinberarbeit fam in Karlsruhe etwa breimal fo häufig
oor, als in betn inbuftriereiten Xortmunb unb aut not erheblich
häufiger als in ber ^anbclsftabt Königsberg, wenn aut felteuer
als iii Bresben, dagegen ftellt eS fit etwas günftiger in Bezug
auf bie Raiter ber KinbeSarbeit, was oielleitt auch mit ber Klein¬
heit ber ©tabt, es ift bie fleinfte ber genannten ©täbte, zufantmen-
bängt. Xer 9$unft beS Bearbeiters, bie Grhebmtg möge periobift
wieberbolt werben, unb bic Kinberarbeit felbft oaburt geroiffer*
maßen unter öffcntlitc Kontrole unb ben Giitfluß ber öffentlichen
Meinung geftedt werben, erfteint uns burtauS berettigt.
BämaUitue ber ftübtiften Arbeiter in 9?at bem
gapresberitt ber Arbeitsfammer für 1898 beziehen oon inS-
gefammt 1324 ftäbtiften Arbeitern:
Arbeiter einen Sagelohn
oon
4,oo ^rcS.
361
=
**
-
-
4,io
bis
4,50 grcS.
2:u;
S
=
=
=
4,60
»
5,oo -
115
5
s
=
5,io
5,50 =
48
s
=
s
5,60
=
6,oo =
12
=
=
=
=
6,20
=
6,;>u =
7
=
=
=
-
6,80
-
7,oo =
81 Arbeiter, baruuter 32 £cprlinge, beziehen einen Xagelopn
oon weniger als 4 $rcS. Nftuimallopn unb Arbeitszeit finb burt
bie Gemcinbeorbmiug geregelt; fie ftreibt oor, bah ber Nitnimai*
lohn bei zebuftünbiger Arbeitszeit 4,50 grcS. für gelernte unb
1 grc*. für ungelernte Arbeiter betragen unb baß ooruehmlit
©tmeizerbiirgcr eingefteUt werben follen.
(Gewinnbeteiligung ber Arbeiter in Großbritannien int gafire
1898/99. Nadj ber „Labour Gazette“ war in (Großbritannien Die
(Gewinnbeteiligung Gabe 1898 in 93 Geftäften eingeführt. An¬
gaben liegen ailerbittgS nur oon 85 firmen oor. Xauon beftäf-
iigen 79 Unternehmungen in (Großbritannien je nat bei gaprcS-
Zeit 49 220 bis 51487 nnb 5 foloniate Sinnen 1427 bis 1523 Seute.
Unter 75 (Geftäften, bie im gapresbitrdjfdjnitt 24 122 Leuten
Arbeit geben, oon benen im (Ganzen 14 758 au ber (Gewinn-
betbeiügung partizipirten, fonnten aüerbingS 17 tm abgelaufenen
3uhr feine Xioibenbe oertbeilen. Auf bie ßohnbeträge beretnet,
erhielten in 3 Geftäften bie Arbeiter unter 1 °/ 0 Gewinnatitheil,
in 8 bis 3 o/ 0/ in 7 bis 5 °/o, in 15 bis 7 o/ 0/ in 6 bis 9 o/ 0 , in
11 bis 11%, in 2 bis 13%, in 2 bis 15o/ 0/ in je 1 Geftaft
16, 18, 19o/o, unb eine Unternehmung, bie 3257 Arbeiter beftaf*
tigt, jahlte fogar 32 o/ 0 . Qn 9 Unternehmungen warb bie Gewinn¬
beteiligung wieber aufgehoben. Urfache baoon war in 4 Pfaden
Aufgabe beS GeftäftS, in 2 fällen ftletter GeftäftSgang, in
einem 3aH Umwaublung ber Unternehmung in eine Aftiengefell-
ftaft unb in 2 Sötten fchlechte Grfahrungen mit ber Gewinn¬
betheiligung. ©ooiel befannt, h^en im abgelaufenen BerittSjahr
3 girrnen oie Gewinnbetheiligung neu eingeführt.
AlfoßoliSmuS nnb Berbredjen in ^ranfreit* 2)ie IJahl ber
alfoholiften Verbrecher in Sranfreit, bie 1880 bloß 10 o / 0 ber
Gefammtheit ber Beftraften betrug, ift feither, bis 1898, auf nitt
weniger als 50 OL geftiegen. Gine gleite (Steigerung weift aut
bie 3 ö hl & cr ©eloftmorbe auf, bie bireft ober inoireft burt
holiSmuS oerurfatt würben. 3Ran nimmt aut ö«, ^ß bie be*
fannte ftarfe ©elbftinorbfrequenz im Frühling mit bem um biefe
3eit allgemein gefteigerten Konfum oon Alfohol (namentlit
Abfinth) zufam^onhängt._
Ätheitgeber* tutb Unterneljmertiecbänbe.
Bahfoit burt ein Kartell. Sßie bie „Köln. BolfS*3tg." mit¬
theilt, hatte bie girma ©tüller u. KöHe (9Rülheimer Xraht-
inbuftrie) angeblit im Aufträge beS BerbanbcS beutfter Xraht-
ftiftfabrifanten in einem Vunbjtreiben an z^hlreite Gifenhänbler
oor bem Bezug oon Xrahtftiften oon ber Gbrenfelber girma
SRingel gewarnt. GS h an ^l fit um einen anSgefprotenen
BopfothrungSoerfut mit Anbrohung oon „Unannchmiitfeüen",
bie ben Bebrohten „nitt erfpart bleiben bürften," wenn He fit
unterftänben, mit bem oon bem Berbanbe Bopfottirten in Ber*
binbung m bleiben. Xiefe Unannehmlit feiten beftehen bar in, baß
bie 3 li mioerhanbelnben oon feinem bem ©pnbifaie angebörigen
gabrifanten etwas erhalten, ba in biefem galle bas ©pnoifat bem
Bopfottirten ferner z» liefern oerbietet. — ÜDtan ficht aud) an
biefem Bcifpicl wieber, baß bic Unterncbmerorgamfahoiien fit
berfclbcn Kampfmittel bebicueu, wie bie Arbciterfreife, bereu gübrer
inbeffen für Aufforberung z^m Bopfott fton tncbrfat gerittlit
beftraft worben fmb.
Ürbeitetbemegimg.
Au* ber Berliner GewerfftaftSfommiffion. Gfeuerbings ift es
hier wegen eines neuen AbftimmungSmobuS z u fch^rfen Aus-
einanberfeßungen gefommett, bie mit bem oorläufigen AuSfteiben
ber Gewerffcpaften ber Btufifinftrumenten-Arbeiter, ©teinbauer,
gabrif- unb §ülfsarbeiter, §oh- unb Bretterträger, ©tirmmater,
©toefarbeiter, ©(platter, gliefeuleger, 3mfgießer unb ber £ofaI-
organifationen ber Zimmerer uub Bäcfcr aus ber Kommiffiou
enbeten. Xie GKaurer ber lofalen Aittung unb bic BJarmor-
unb Granitarbeiter waren fepon oorper ausgetreten. Xie Kotn*
mifrton beftept aus 100 Xelegirten, weite oon 82 Berliner Ge*
werffdjaften mit 64 799 Biitgliebern gewäplt fmb. Gs paben bem-
nat faft ade Gewerfftaften bie gleite Vertretung. Xer geringe
Unterftieb erflärt fid) baburt, oaß Gewerfftaften bis zu 500
Btitglicbern einen Xelegirten, bis z« 1000 zwei unb, über 1000
SKitglieber brei Xelegirtc ernennen fönnen. gn ber Kommiffiou
paben fowopl bie central- als aut bk lofalorganifirten Gemerf-
ftaften ipre Vertretung, mehrere Gcmerfe paben fogar Xelcgirte
beiber Aicptungen. Aucp geben bie 3 aplcn ber bort burd; reguläre
Xelegirte oertretenen organifirten Arbeiter weit auSeinanber, utbem
Gewerfftaften oon 51 bis zu 13 651 BHtgliebern oorpanben finb.
Au Kämpfen zmift^n ben Gentral- unb 53ofalorganifationcn unb
jwiften ben großen nnb fleinen (Gewerffdjaften pat es nie gefehlt;
peftig plaßteu aber bie (Geiftcr auf einanber, als oor einiger ^cit
bie Grweiteruug beS GewerfftaftSbüreauS zur Xebatte" geftedt
würbe, hierbei matten bic Vertreter großer Gewerfftaften geltenb,
baß, wenn fie ihrer VJitgliebcrzapl entfpretcnb zu beit Koiteit
herangezogen werben würben, fie audj einen ihren tfeiftungen ent*
fpretenben AbftimmungSmobuS oerlangen müßten. Xer größere
GrwcitcrumjSplan (Arbeiterfefretariat) würbe befanntlit aufgegeben;
mau begnügte fit mit ber Aufteilung eines zweiten Beamten, aber
bas Verlangen ber großen Gewerfftbaften würbe bennod), ba eine
ftärfere Heranziehung berfelben zu ben Koften uothwenbig würbe,
1269
©ogtale $ragi*. Eentralblatt für ® ogialp oltttf. &r. 48.
1270
aufrecht erhalten. Unter ©inwet« auf igre artigeren ßeiftungen
oerlangten bie einen größeren Hinflug Bei ben Abfiimmungen,
roägrenb bie anberen barin eine Verlegung beg Sßringip# ber
©leicgberecgtigung aller ©eroerffcgaften ltnb einen „©elbfacfftanb*
punft" erbliaten. Sie Iofalorganifirten ©eroerffcgaften mit f leinen
MUgliebergaglen fagten gugleicg ben neuen Abftimmunggmobug al#
eine Unterbrüdfung igrer Sficgtung auf. 3n ber Berfammlung ber
Äommiffion oorn 24. b. M. fam eg nun gum Bruch, ber inbeffen
fein endgültiger gu fein brauet, ba bie Abftimmung über ben An*
trag ber grogen ©eroerffcgaften, ber ben Slugtritt ber 8ofal*Drga*
nifationen gcrbeifiigrte, fcglieglicg big gur näcgften Sigung oertagt
mürbe. Sie Vertreter ber Bucgbrucfer, $olgarbeiter, Metallarbeiter,
Eentralifirten Maurer, 3inuuerer unb Töpfer beantragten eine
Aenberung beg ^Reglement# bagin, bag eg grögeren ©eroerffcgaften
geftattet fein fott, fi(g nach igrer Stärfe oertreten gu laffen, bodj
mit ber Maggabe, bag feine ©eroerffcgaft megr benn fecgg ®ele*
girte entfenben foH. Sie Unterftügung eineg Streif# fott nur er*
folgen fönnen, roenn *,» ber berechtigten Stimmen ihre 3uftimmung
geben. Stuf Antrag oon acht Selegirten foE bie Abftimmung nach
ber Stärfe ber Drganifation erfolgen. Srei $rogent oon ben
burth bag Bureau oer Äommiffion gehenben ©elbern foHen alg
Beitrag gur Unterhaltung beg Bureau# gurücfbehalten merben. 3n
biefen Borfcglägen erblichen bie auggefcgiebenen ©eroerffcgaften
eine Beeinträchtigung ihrer Rechte. Sa# ©eitere mirb abgu*
märten fein.
Ablehnung eütfg Arbetterfefretariatg Jrnrd| bie ©etoerffcgafteit ht
Hamburg* Ser $lan, in Hamburg ein Arbeiterfefretariat gu errichten,
ift oorläufig gcfcheitert. Sie .ftarteflfonuttiffion oeröffentlicht tag Stefultat
ber Urabftimmung ber ©eroerffcgaften hierüber. Sa# Ergebnig ift
folgenbeg: Bon 24 261 ©eroerfftgaftemiigficbertt betbeiligten fid) nur
6450, b. g. 26,s °/o an ber Abftimmung, unb oon biefen erflärten ftdfj
4361 für unb 1975 gegen bie Errichtung eineg Arbeiterfefretariat#.
Sie feftgefefcte Sreioiertelmajorität ber Abftimmenbeu ift alfo nicht er*
reicht unb fomit bie Errichtung eineg Arbeiterfefretariat# in Hamburg
abgelel)nt morben. Sie grögte 3agl ber gegnerifchen Stimmen haben
bie Maurer geliefert, oon benen 1226 gegen unb 107 für bag Arbeiter*
fefvetariat geftimmt haben. Slidjt abgeftimmt haben BureauangefteHte,
©ärtner, ©lafer, ©etreibearbeiter unb Stabtmafferfunfiarbeiter. Sie
Etfenbahner haben abgeftimmt, inbeffen bie gahl ber Stimmen ber
tfartellfommiffion nicht eingefanbt.
Ser elfag-lotgringifdjc $egtifarbeftei>BerBattb gat fürglich in
Mülgaufen feine erfte, oon 22 Selegirten aug 13 Orten befuchte
©eitcraloerfammlung abgegalten, auf melcher ber alg ©aft an*
mefenbe fogialbemofratifcge Steicggfaggabgeorbnete für Mülgaufen,
Bueb, oor Allem oor leichtfertigen Streif# mamte, ba burch folcge
ber alte Berbanb gu ©runbe gegangen fei. Sie ©eneraloerfamm*
lung proteftirte bagegen, bag bur<g ben Begirfgpräfibenten oon
Oberelfag grauen unb Minberjägdgen ber Beitritt gunt Berbanbe
oerboten morben fei, mag auf eine Befcgränfung beg Äoalitiong*
recgt# auf Männer über 21 Sagte ginauglaufe unb um fo mehr
ing ©eroicgt falle, alg in ber oberelfäffifcgen Sejtilinbuftrie allein
etroa 27 000 Arbeiterinnen ohne bie jugenblitgen Arbeiter befchäftigt
mürben, ©egen bag Berbot beg Begirfgpräfibenten foll beim
Miniftenum für Elfag*ßotgringen Befcgroerbe geführt, bie Sache
augerbem im ttteicggtage gur Sprache gebracht merben.
Ser Atiiflanb ber fieipgtger Former bauert fort, ba ber Ber*
banb ber Metattinbuftrietten bie oon ben Arbeitern angerufene Ber*
mittelung beg ©eroerbegericgt# abgelehnt gat. SDie Unternehmer
erflärten bie Einigunggoerhanblungen für groedflog: Sie hatten
Slrbeitgmaterial, bie BiobeÖe mürben augerhalb gemacht, Slrbeitg*
mittige feien in ©eftalt angelernter $anbmerfer oorhanben unb
eg fei feine Slugficht oorhanben, bag ber grogere £h*rt ^^r Slug*
ftänbigen in ßeipgig in nädhfter 3 e *t mieber Arbeit gnbe. ^)ie Slb*
iehnung ber Unternehmer haben nun bie Eentraloerbänbe ber
Sormer unb Metallarbeiter an bie Berbanbggahlftetten beantmortet
unb legtere angemiefen, bafür gu forgen, bag jeber ©ug, ber für
Seipgiger girmen nach Seipgiger Mobetten gemacht merben foll, alg
„Streifarbeit" oermeigert mirb. ®urdh oiefen Slppett an bie
Solibarität ber übrigen gormer hofft man ben fieipgigern gum
Siege gu oerhelfen. Urfprünglidh befchränfte fich ber fieipgiger
Streif auf eine gabrif, in melier um eine halbe Stunbe Slrbeitg*
geitoerfürguna geftreift mürbe. Sllg bann bie ßeipgiger Metatt-
inbufirietten bef^loffen, bie ftreifenben gormer gmei gahre
oon ben Berbanbgmerffiätten auggufdjliegen, fattg ge
nicht innerhalb einer geroiffen grift bebingungglog gur Slrbeit
gurücffehren, mürbe ber Streif ein allgemeiner.
Bemegnng ber $afeitarBdter 3(titoerpett& Seit einigen
Monaten bereitg ift unter ben Hafenarbeitern Slntroerpeng eine feb*
hafte Beroegung im ©ang, bte bie Unterbrücfung ber Stacht* unb
Sonntaggarbeit begmecft ober hoch menigfteng oiefe Slrbeit auf
gätte augerfter 9iothmepbigfeit einfchränfen mitt, mofür bann
^acbt* unb Sonntaggarbeit mit bem hoppelten ßohnfage begahlt
merben fott. ^>ie 3ahl ^ cr Slntroerpener Hafenarbeiter ift eine
fcfjroanfenbe, ba fie je nad^ ßaae beg Slrbeitgmarfteg burch gelb*
unb Bauarbeiter'ergängt mtrb; ne mirb auf burchfchnittlich 25000
aefchägt. gn legter 3eit hat bie Drganifation ber Hafenarbeiter
in Slntroerpen gang bebeutenbe gortfhritte gemäht. Sieben bet
Slbfcgaffung ber Siadgl* unb Sonntaggarbeit begmecft bie Bemegünjj
noch bag Berbot ber ßohnauggahlung in Scgänfen unb ©irtgg*
häufern, foroie Berbot ber Befchäftigung oon grauen bei Haf ens
arbeiten; bodg treten biefe gorberunaen oorläuga noih gurücf in
in ber Eampagne, bie oon ben fünf föberirten Berbänben, bem
„Jozefkring tt (fatholifch), „Vrede“ (fatholifdg), „Help il zelve 44
(liberal), „Slntmerpener Seftion ber International Dock- and
Riverworkers-Union“ (fogialiftifch) unb „Onpartijdige Dockwerkers¬
bond“ (unabhängig) eingeleitet morben ift. Seit 23. güli bereitg
oermeigern bie Hafenarbeiter Sonntagg* unb Nachtarbeiten trog
erhöhter ßohnangebote; bie gbee eineg allgemeinen Streifg mürbe
halb fallen gelaffen, bo<h nachbem bte Unternehmer nicht bie ge*
forderten 3ugeftänbniffe machen mottten, finb eingelne Seftionen
ber Hafenarbeiter noch mit allgemeinen Sohnforberungeit an bie
Arbeitgeber h^angetreten. S)ie Unterhanblungen gur Beilegung
ber $>ifferengen bauern fort; eg ift faum gu gmeifeln, bag bie
organifirten Arbeiter ihre Anforberungen merben burchfegen fönneu.
Sa|?flfougre| ber Stabe Union# in ^fgmonth« $ag par*
lamentarifche £omite ber Srabe Uniong hat nunmehr bag $ro*
gramm für ben am 4. September beginnenben gagregfongreg in
Blpmouth h^rauggegeben. Aug biefem Programm geht heruor,
bag gd) bie Berganblungen gauptfächlich um bag Arbeitereutfchäbi*
gungggefeg, ben Slchtftunbentag, Altergpenfionen, ßohnminimum
unb gabrifarbeit ber Äinber bregen merben. — Einer ber älteften
unb grögten ©emerfoereine, bie 90 000 Mitgliebcr gäglenben
Mafcginenbauer, rnelcge im gagre 1897/98 ben grogen 5fampf um
bie Berfürgung ber Arbeitggeit unternahmen, merben auf bem Äon*
greg nicht oertreten fein, ba fie oon bem parlameutarifchen Äomit^
auf gmei gagre auggefegioffen fmb — gur Strafe, meil fie fug
einem Sdjiebgfprucg in einem Streite mit ben fooperatioen
Scgmieben niegt untermorfen gaben. S)er gatt gat in ©ernerf*
oereingfreifen grogeg Auffegen erregt, unb bie Meinungen über
bie 3roecfmägigfeit biefeg Borgegeng fmb fegr getgeilt. S)dg par*
IamentarifcgeÄomite gat, roie eg fagt, gar niegt anberg ganbeln fönnen,
ba eg nur bie oom ©emerfoereingfongreg felbft feftgefegten Siegeln
beobachtet gat. Auch bie fonferoatioe ,,©cftm.©ag." meint, bag Äomite
gäbe oöttig forreft geganbelt. Eine Drganifation, bie fieg niegt
ben ©efegen ber Union füge, Babe bag Stecgt oermirft, in ber
grogen Arbeiteroertretung mit^ufpreegen.
Sie Arbeiterbetoegung ia fRttfftfcg maegt neuerbingg
mieber oon fieg reben. Aug ©arfegau mirb oon Maffenftreifg ui
ben Eifett* unb H 0 4rcaarenfabrifett, unb in ben meeganifegen
Etabliffementg berichtet, mägrenb sugleicg > bie jübifdgen Arbeiter in
ben Srucfereien, ©erbereien unb Bäcfereien unb in ben Sdgug»
maeger* unb Sifcglerroerfftätten augftänbig gemorben finb. Sie
Streifenben oerlangen ben 3 c huftunbentag unb gögere ßögne. Sie
Streifberoegung fott fieg bereit# auf grögere Siftrifte oon Sttuffifcg*
^olen auggebegnt gaben. 3ut Sombromo*Sognomiger Äoglen*
reoier ftreifen oon 13 000 Bergleuten über 8000. Sie oerlangen
ben Acgtftunbentag, Steform ber Änappfcgaftgfaffen unb Entlaffung
migliebiger Beamten. Sag ganje Streifgebiet ift mit Militär be*
legt. Sie aug ©aligien unb Dberfcglefien gerbeigegolten Erfag*
arbeiter fotten fieg jumeift mit ben Streifniben folibarifcg erflärt
gaben. Sie Sombroroaer Äoglengruben gegoren gu bem großen
Äoglenterrain, melcgeg fteg auf Defterreicgifcg* unb ^reugifeg-
Scglefien, ©aligien unb Stuffifcg*$olen erftrerft. Eg ganbelt fi ä)
bort um einen Snbuftriebegirf, ber bem ßobger Begirf im Umfange
ber Brobuftion immer megr gleicggufommen fuegt. Sie ßage ber
Arbeiter mirb alg eine fegr gebrüefte gefdjilbert. Sie polnifcg»
fogialiftifcge Partei gat unter ignen eine ©egeimorganifation ge*
fegaffen unb bie fogialiftifcgen, in ©egeimbruefereien geraeftettten,
3eitungen „Bobotnif" unb „©ornif" (Bergarbeiter) merpen oon
©arfegau aug in großen Mengen im Begirf oerbreitet. Sie, Berichte
über bie „Maifeier" hegen fegon oor Monaten erfennen, bag bie
fogialiftifcge Beroegung unter ber Arbeiterfcfjaft niegt nur in Stuffifcg*
$o!en, fonbern auch im ^ßetergburger unb Mogfauer Snbuftriebegirf
groge Sortfcgritte maegt.
1271
Soziale Centralblatt für ©ogialp olittl. Ar. 48.
1272
Ärbeiterfdjufc.
Die S*|?eS§e?i*bic ber ttteberlänbifdjeu ArbeitSinfpeftoren
für 1897 mtb 1898.
Nad) ben fürglicß erfeßienenenSabreSbericbten bcr nieberlänbifcßen
S3[rbcitöinfpeftorcn mären 1897 unb 1898 fedjS Snfpeftoren mit
fecßs HnlfSinfpeftoren tßätig; einen Ober* ober (Eentralinfpeftor
giebt es in £>oIIanb nid^t. ©HrfungSfreiS ift feit 1897 febr
oergrößert, ba ißnen nebft ber Stufficfit über bie grauen* unb $inoer*
arbeit, welche ißnen früher auSfcßließlicß oblag, auch bie ©eauf*
ftdjtigung ber neu eingefübrten ©efttmmungen über ©cßuß*
oornd)tungen gegen ©efaßren unb ©efunbßeitsfcbäbigung unb bie
©eneßmigung ber ©aupläne neuer Anlagen, beren (Errichtung
wegen ©efaßren ober ©eläftigung für bie Nacßbarfcßaft ber ©e*
neßmigung beS ©emeinbeoorftanbeS bebarf, übertragen ift. ®iefe
neue Aufgabe bat bie Snfpeftoren felbft fo oiel 3 eit flefoftet, baß
ber S3efu<5 ber Arbeitsftätten febr barunter gelitten ßot unb giem*
lieb gering mar.
3n ben ©eriebtsjabren waren 30 040 ©etriebe, in benen
grauen uitb ftinber arbeiteten, unb 25 428 ©etriebe, auf welche
bas ©efeß über bie ©cßußoorrichtungen fi<ß begog, ber Sluffiebt ber
Snfpeftoren unterfteßt. Sn ben leßtgenannten ©etrieben arbeiteten
248 773 Sßerfoneit; 17 392 ©etriebe entbehrten ber (Elementarfraft.
©on ben 55 468 ©etrieben mit folcber fiitb in ben beiben Sab«* 1 nur
12 842, alfo 23 °/ 0 ein* ober mehrmals oon ben Snfpeftoren be*
fueßt worben. 3 n biefen ©etrieben waren 18 556 Männer unb
8136 grauen unter 16 Saßren, 21212 unoerbeiratbete unb
3058 oerbeiratbete Arbeiterinnen über 16 Saßre unb im ©angen
179 211 ißerfonen befefjäftigt.
Nur oon 9910 ber befugten ©etriebe haben bie Snfpeftoren
genaue Angaben über bie Arbeitszeit im ©ommer befommen. Sn
1932 ©etrieben würbe oon ben erwaeßfenen Männern wäbrenb
11 ©tunben, in 928 wäbrenb 11V 2 , in 1428 wärenb 12, in 595
©etrieben 12 V 2 , in 786 ©etrieben 13, in 244 wäbrenb 1372 unb
in 908 ©etrieben wäbrenb 14 ober mehr ©tunben gearbeitet. Sn
Zwei ©äcfercien in ber festen Snfpeftion würbe am ©onnabenb
22 ©tunben gearbeitet! 3n ber Ambeimer ©aSfabrif ift jeßt eine
ArbeitSorbnung eingefübrt, ber sufolfte brei ©Richten nur acht
©tunben am Stag arbeiten unb jeben Dritten ©onntag eine Stube*
Zeit oon 24 ©tunben, an ben übrigen ©onntagen eine folcbe oon
12 ©tunben genießen. ©iS jeßt würben 6 % mehr als früher
probuzirt. grauen unb Ä'inber bürfeit befannilidj nur gehn, aus*
nabmSwcife elf ©tunben täglich arbeiten.
Die Durchführung ber ©eftimmungen über grauen* unb
Slinberarbeit bol fuß nach ben ©erichtcn gebeffert. ©ehr wenig
Sftnber unter 12 Saßren würben in ©krfftätten angetroffen; nur
in 3iegeleien unb bei ber ©innenfebifffabrt (beim 3i e ^en ber
©chiffe auf ben Kanälen) fmb oiele Uebertretungen fonftatirt
worben. Die ©eftimmungen über Arbeitsbauer, Stube unb ©onn*
tagSarbeit werben allmählich beffer burchgefübrt, ba fie nach bem
Urtßeil ber Snfpeftoren mehr in bie ©olfsfitte einbringen. SWerf*
würbig ift eS, baß bie 3aßl ber (Erlaubnißbewifligungen für lieber*
arbeit ftets wächft; 1897 betrugen fte 1242, 1898: 1658. Dies
wirb jeboeß nicht einer fcßlaffereu Anwenbuitg beS ©efeßeS bureb
bie ©ebörben, fonbern einer befferen Aufficßt gugefeßrieben, burth
welche mehr Uebertretungen fonftatirt unb bie llebertreter oer*
anlaßt werben, (Srlaubntß für Ueberarbeit nacßziifucßen. Die
meiften Uebertretungen beziehen fid) nicht auf bie materiellen,
fonbern auf bie formellen ©eftimmungen über bie ArbeitSfarten
ber jugeitblicßen Arbeiter unb ben AuSbang ber öifte ber fitgenb*
liehen Arbeiter unb ihrer Arbeitszeit, ©on 3528 eriaffenen ©traf*
urteilen betrafen 1047 bie ArbeitSfarten unb 1329 bie ArbeitS*
liften.
Die Seftfteßung oon Uebertretungen war noch oielfach burch
bie geringe ©Htwirning ber Arbeiter felbft erfchmert. ©ehr oft be*
fchönigen fie, aus gurcht entlaffen zu werben, in ©egenwart beS
Arbeitgebers Uebertretungen, unb feiten feilen fie biefe auS freien
©tiiefen bem 3nfpeftor mit. Die Dßätigfeit ber gacboereine ift
nodj oiel zu gering in biefer ©ache. Nur ein 3nfpeftor bot regel*
mäßige ©preeßftunben eingerichtet, oon weldjer je länger je mehr
©ebrancb gemacht wirb.
Auch über bie ©titwirfung ber ©emeinbebeßörben wirb oiel*
fach Oblagt. 2Bcnn ber ©ürgermeifter ein geinb ber Arbeiter*
feßußgefeßgebung ift, fo bleibt bie ©emeiubepoligei nnwirffam.
Nur m einigen größeren ©emeinben finb fpe^ielle ©eamtc mit ber
Ueberwachung ber ©efeße beauftragt, ©anz anberS oerßält eS fid)
mit ber ©taatSpolizei, bie febr eifrig ift. Alle Snfpeftoren ftimmen
barüber überein, baß eine fortbauernbe, regelmäßige Auffuht bcr
Sßoligei notbwenbig fei.
©on ben ©cßußoorrichtungen gegen ©efaßren unb ©cfunb*
beitSnachtbeile erbeifdjten bie ©laßregeln gegen SeuerSgefaßr, welche
überall, am meiften aber in ©äcfercien gu wünfeben übrig ließen,
bie größte Dßätigfeit ber Snfpeftoren. ©ehr wenig Arbeitgeber,
welche nicht oerpßicßtet waren, bie ©aupläne ihrer neu zu errichten*
ben gabrifen ober Söerfftätten oon bem Snfpeftor genehmigen gu
laffen, hoben oon bcr ©efugniß ßiergu ©ebraud) gemacht, unb
wenn bieS nicht gefdjaß, waren fpäter oft Aenberungen in ber Anlage
im Sntereffe ber ©i<hcrßeit ober ber ©efunbßeit notbwenbig.
3n ben beiben Soweit würben 8639 Unfälle ben Snfpeftoren
angegeigt, oon welchen 235 = 2 8 /4 °/o ben Dob oerurfacht hoben,
©iele Unfäße bleiben jeboeß noch immer unbefannt. 3 e h u ©rogent
ber oon einem Unfaß ©etroffenen befamen gar feine Unterftüßung,
weber Sfranfengelb noch äntliche S)ülfe. Sn mehreren Säßen fam
eS oor, baß ber Arbeitgeber feine Arbeiter oerficbert hotte unb
ihnen nach einem Unfaß nur ein Dßeil ber oon ißm bezogenen
©umrne auSbezablte. ©iele Unfäße gaben bem Snfpeftor ©er*
anlaffung, ben ©ctricb zu unterfuchen unb ©cßußmaßregeln angu*
orbuen.
©chließlich mögen noch einige ©etriebsarten, welche oon ben
Snfpeftoren fpeziefl erwähnt werben, furg befproeben werben.
Sn ber ^onfeftion macht bie Heimarbeit Die Durchführung
ber ©eftimmungen faft unmöglich. Söo, wie namentlich in ber
Damenfonfeftion, Söerfftättenarbeit oorberrfcht, wirb oielfach &oS
©efeß baburch umgangen, baß Arbeit mit nach Haufe gegeben
wirb. (iS wirb feßr barüber geflagt, baß baS Sßublifum, befonberS
bie Damen, burch ibre Äommiffionen bie Durchführung beS ©e*
feßeS fo wenig unterftüßt. Auch wäre es febr wünfchenSroertb,
bie Arbeitszeit ber ßabnerinnen zn bcfchränfen.
Sn ber ^rooinz ßimbnrg befteben 3'ege leien, welche nur
oon April bis Dftober betrieben werben unb in welchen ©Item
ihre $iitber für eine beftimmte Summe oermietbeit pflegen.
Hierbei werben bie ©eftimmungen über bie Arbeitszeit nicht bc*
achtet, unb ber Schulunterricht leibet Slotb. Auch in 3iegeleien
in anberen ^rooingen ift baS ©efeß noch nicht gut bur$gefübrt:
befonberS ©onntagSarbeit fommt noch oiel oor * vielfach arbeiteten
Arbeiterinnen unb jugenblicbe At’faitor mel^e in ben ©reng*
gemeinben wohnen, in beutfd)eu 34cgeleten mehr als 17 ©tunben
pro Dag. Die preußifche Stegicrung bat ftch jeßt zwar bereit erflärt,
nieberlänbifche jugenblicbe Arbeiter, welche ohne ißre dltern an*
getroffen werben, zurüdgufchieben, aber biefe ©eftimmung wirb
umgangen unb bem Unmefen ift noch fein ©nbe gemacht. Denn
bem ©erböte, $’inber unter 16 S^bren z u fehlerer Arbeit angu*
halten, burch bie ©erfnteifter in ben 3^9^^^ ©chnippchen
gefchlagen wirb, inbern fie bie Einber als ^©efinbe" angeben, in
welchem Säße fie feine Sfamen unb ©omamen ber tfiitber mit*
Zutbeilen brauchen. Auch werben jugenblicßen boßänbifcheit Ar*
beitern an ©teße oon Kaffee jeben Sßorgen zwei ©cßnäpfe oer*
abreicht, welche ©ewobnbeit feßr bemoralifirenb wirfe. Aeltere
Arbeiter genießen in oielen Säßen nur eine SRadjtrube oon 3 bis
372 ©tunben. ,,©S bürfte Aufgabe ber guftänbigen beutfehen ©c*
börben fein, folcbe ©tißftänbe gu befeitigen," bemerft bagu bcr
boßänbifche ©eamte feßr richtig.
Daß in ben ©ä cf er ei eit bie ©inrichtungen noch feßr fehlest
fittb, in ben ftäbtifcheit wegen ber ©enußung oon SMerräumeit,
in aßen anbeien befonberS wegen ber SeucrSgefabr, ift feßon be*
rüßrt worben. Nachtarbeit oon jugettblidjcn 3lrbeitcrn fommt tiod)
oiel oor, unb auf bem ßattbe befteßt nirf)t einmal eine regelmäßige
Arbeitszeit wegen bcr großen llnregclmäßiafeit in bcr Art ber ©V*
fdjäftigunq, eine Dbatfache, welche bie Auffid)t feßr erfebwert.
Sn 3»nbbolzfabrifen fcßließlich waren feßon früßer oiele
Säße oon Sß^oSp^orrtcfrofc fonftatirt; bem z u f°^9 c fönig«
ließe ©erorbnung bie Arbeit oon iiinbern unter 16 Saß^e oerboten,
aber biefe ©eftimmung ift tiicßt auSrcicßenb unb bie Snfpeftoren
wünfeßen eine ©erorbnung wie baS beutfeße ©efeß 00 m 13. 9Rai
1884 unb bie beutfeße ©erorbnung 00 m 8. 3»li 1893.
Amfterbam. 3- «H- oan 3anten.
^renßlfcße ©rftfibialPerfügttttgen gura ©ißuße ber Äinber.
Unter 3 u ftinimung beS NegierungSpräftbcnten ßat bie £gl. 9tegie*
rung gu Hilbesbcint fid) an bie ^oligetbircftioneu ber ©täbte
beS Ncgierungsbegirfs gewanbt, „gur (Erwägung gu fteßen, ob ber
(Erlaß einer ähnlichen ©erorbnung (wie in ©tüßlßaufen i. Dß.)
für ben bortigen ©egirf im Sntereffe ber ©efunbßcitSpflege ber
Slinber unb einer gebeiblitßen ©3irfung beS ©cßulunterrid)ts
ratbfam erfeßeint". H^ngewiefen wirb auf ben in ber „Sozialen
1278
©ogtale Prajt*. ©entralblatt für ©ogtalpoltttl. Ar. 48.
1274
Sßrayi^" wieberßolt genannten Pefcßluß beS Kammergericßts, wonacb
bie betreffenben Poligeioerorbnungen recßtsgiltig finb. Auffalleno
ift eS, baß anheim gegeben wirb, „bie betreffenbe Perorbnuttg fo
gu faffen, baß nid)l Die einmalige Ausübung ber in obiger Per«
orbnuttg begeicßneten gewerblichen Stfjätigfeiten burch fcßulpflicßtige
Kinber währenb ber beftintmten 3 e ^unben, fonbem nur bie im
SßieberholungSfalle begangene Ausführung berfelben mit ©träfe
bebrofjt wirb."
©in ©rlaß beS SRegierungSpräbenten gu Pots baut weift bie
Pehörben bringlicß unb übtrgeugenb auf bie ©efahren übermäßiger
Kiitberarbeit ^xn. 3wnäd)ft heißt es ba: ,,©S ift bie innere Pe«
recßtigung unb bie Pebeututtg ber Peftrebungen nicßt gu oerfennen,
bie baßin abgielen, einer gewerblichen AuSnußmtg ber Kinber ent*
gegengutreten, roie eS bereits für bie Öabrifarbeit bureß bie SReitßS*
aewerbeorbnuitg gefcßeßen ift." Unb weiter „ift ba, roo ein
Pebürfniß oorßanben, auf bie Regelung bureß Drtspoligeioerorbnung
nacßbrüdlicß ßingu würfen." Pon bem ©rlaß einer einheitlichen
Poligeioerorbnung für ben gangen Peghrf wirb aHerbingS abge»
feßett, „weil babttreß ben örtlichen Perbältniffen nicßt genügenb
SRecßnung getragen werben fönnte". P$ir glauben, baß btefer
©ntfcßluß bureß baS fetbftänbige Porgeßen eingelner Pororie her«
beigefüßrt worben ift (Äijborf, ©ßarlottenburg). ©S wäre aber
gerabe für bie Pororte ber SRefibeng wie nirgenbs fonft wo im
3nterejfe ber ©acße eine einheitliche Perorbnung wünfcßenSwertß
gewefen. 3n bem ©rlaß werben im Uebrigen alle jene SRacßtßeile
ber gewerblichen Kinberarbeit aufgegäßlt, welche bie SRegierungS»
oerfügung 00 m 15. gebruar 1896 enthielt. 3 ur örientirung wtrb
auf bie „©ogiale Praxis" Jahrgang VII SRr. 12 ©p. 306—308 unb
auf ben Pericßt ber yteußStagSfontmiffion für bie Petitionen oom
15. gebruar 1899 über bie ©ingaben beS „Pertiner Arbeiter*
oereinS" ßingewiefen. „Da ber geftfteßung PebürfniffeS
gwedmäßig bie ©rfahrungen gu ©raube gelegt werben, bie in ber
©chule bet gewerblich befchäfttgten Kinbern gemacht finb," werben
bie KreiSfcßulinfpeftoren erfucht, fuß bxreft an bie ßanbrätße
gu wenben. An einem beigefügten „©ntwurf" einer Perorbnung
wäre auSgufeßen, baß baS Perbot jeglicher ßoßnarbeh nicht nur
für Kinber bis gum neunten ßebenSjaßr auSgefprochen werben barf.
©iefe ©renge ift entfchieben gu niebrig; man hat fie in SRijrborf
bereits auf gehn 3aßre feftgefeßt. Der SRegierungSpräfibent oon
^annooer hatte ftch feiner 3eit für 12 3aßre auSgefprochen. (Pergl.
auch „©ogiate Praxis" 1897 ©. 1055—1058 unb Saßrgaitg 1898
©. 1068—1071.) ©elbftrebenb weift ber ©rlaß auf bie PerufS»
unb ©ewerbegäßlung mit ihren 3 a hteu über Kinberarbeit hin.
©S muß aber baran erinnert werben, baß nach bem AuSfprucß beS
PeicßSfanglerS biefett Eingaben nur bie Pebeutung oon „SRinimal«
gaßlen" gufommt. UnS ift befannt, baß weit über 500 000 Kinber
im Deutfcßen Peicß für Soßn arbeiten. ©cßon biefer bebeutenbe
Umfang fpricht für eine gefeßlicße ^Regelung, wenngleich auch wir
„oon ben Perorbnunaen für bie3n)ifchengeit fegettSreicße SBirfungen
erwarten". SRotßwenbig wirb bie Regelung burch SReicßSgefeß aoer
umfomehr, als neuerbtngS in 3ena bas OberlanbeSaericßt, wie
früher fcßon baS ßanfeatifcße OberlanbeSgericßt in Hamburg, einen
bem Kamntergericßt entgegengefeßten ©prucß fällte. 25er gmuptgwed
ber Poligeioerorbnungen rann wohl ber fein, baß bie Deffentlicßfeit
ftch baran gewöhnt, fogenamtte „©Iternrecßte" bem Pecßt berSHnber
untergeorbnet gu fehen, wenn es ftdß — mie h^r giemlidß flar gu
^age tritt — um baS Ptoht ber ©efeHfchaft hanbelt.
Regelung ber ^eHnertnnenfrage in Reffen. 3m leich
ift grnar nach fechsjähriger 2)auer bte ©nguete über bie SXrbeitS*
oerhältniffe im @aft* unb ©djanfwirthSgewerbe gu ©nbe geführt
worben, aber eS liegen noch fließt einmal bie Porfcßläge ber Äom*
mifftoit gur Pefeitigung ber fcßlirnrnften, aUfeitig anerfannten 2Riß*
ftänbe oor; feit 3Ritte SRooember oorigen SaßreS ift nämlich bie
£ommiffion für Slrbeiterftatiftif gu feiner eingigen ©ißung mehr
einberufen worben! Um fo erfreulicher ift es, baß in einem ber
fleineren PunbeSftaaten bie ^Regierung felbftänbig oorgegangen
ift, um wenigftenS auf einem S^heilgeBiete SSanbel gu feßaffen. $)ie
Regierung oon Reffen hat nämlicf) eine Perorbnung erlaffen, wonach
einem Phrtfj, ber feinen Kellnerinnen feinen ßoßn gaßlt, bie Kon«
geffton entgogen werben foK.
Uttfafloerhütuwg in Pelgien. ©in belgifcßeS ©efeß oom 2. Qflli
l. 3- beftimmt, baß bie Regierung ermächtigt wirb, SRaßnaßmen
ur Unfaüoerhütung unb gum SXrbeiterfcfjuß nach ©utbünfen auch
ür folcße Petriebe anguorbnen, bie nießt auf ber amtlichen ßifte,
oon gefährlichen unb gefunbheitsfcßäblichen Petrieben fteßen, unb
gu forbern, baß UnfaHangeigen auch oott folcßen außerhalb be*
fonberer Porfcßriften fteßenber Petriebe erftattet werben.
&djitß ber grauen- ttnb KinberarbeU in Srraufrdch» 2)aS
©efeß oom 2. SRooember 1892, betr. bie Arbeit ber Kinber,
minberjährigen SRäbcßen unb ßrauen in ben inbuftrieHen Unter«
neßmungen befiintmt, baß bie ©eneralrätße eine ober mehrere
Kommiffionen einfeßen, bie über bie Ausführung beS ©efeßeS unb
eoentuelle Perbcfferungen beffelben Pericßte erftatten follen, bie bem
SRinifter beS §anbelS gu überreichen futb. 2)er §>anbeISminifter
3Riüeranb (©ogialift) füßrt nun in einem ©irfular an bie Präfeften
bie bisherige unbebeutenbe 3öirffamfeit btefer Kommiffionen auf
bie Art ißrer 3ufammenfeßung gurütf, wobei nur gang auSnaßmSf
weife neben tücfjtigcn Unternehmern, Pertreter ber ©pnbifate bei:
Arbeiter berüdfießhat worben feien. 2)a baS ©efeß oom 2. SRo*
oember 1892 ein Arbeiterfcßußgefeß fei unb bie ArbeitSfommiffionen
beS Departements bett 3 roe « hatten, Pericßte über feine ÄuS*
füßruttg gu tnaeßen unb Ph'infcße ßinficßtUdh ber möglichen Per«
befferungen gum AuSbrud gu bringen, fo fei es nur gerecht, baß
Arbeiter unb Unternehmer bort bureß eine gleiche Angaßl Pef
auftragter oertreten feien. Die Annäherung ber oon organifirteit
©ruppett ber Arbeiter unb Unternehmer entfanbten Delegirten im
©cßoße biefer Kommiffionen würbe ftcßerlicß gum AuStaufcß pon
böcßft intereffanten ©eficßtSpunften füßren. Pei folcßer 3flfatmnen*
feßung würben bie Kommiffionen ftatt ein §inberniß eine Unter«
ftüßung für bie Dßätigfeit ber ArbeitSinfpeftoren fein. Diefe ©r«
Wägungen ftnb ber Pegutadjtung ber ©eneralrätße gu unterbreiten
unb bie Präfeften haben über ißre Pefcßlüffe Peri^t gu erftatten.
ftrbeiterfdjttßflaufeltt Bei öffentli^en Arbeiten in Sfraufreicß.
Der frangöftfeße ©taatSratß ßat bureß Defret bie ©infüßrung ber
Arbeiterfcßußflaufeln (ogl. ©p. 1092 ber „©ogiafen Praxis") für
bie oom ©taate gu oergebenben Arbeiten obligatorifcß, für
biejenigen ber Departements unb Kommunen fafultatio oorgefeßen.
Das Defret ftimmt außer ber ©infüßrung beS Obligatoriums für
bie Arbeiten beS ©taateS mit bemjenigen oom 18. SRooember 1882
überein.
2trbeUcn>erßd)ernag. Sipatfeodeö.
Die ©cßiebSgericßte ber ArBeiterberficßernng.
3nt „PeicßS* unb ©taatSangeiger'' würbe unlängft oom
preußifeßen SRinifterium für £anbel unb ©ewerbe eine Öeberficßt
über bie ©efdjäftstßätiafeit ber ©cßiebSgeritßte ber Arbeiteroer«
fteßerung in Preußen für bie 3 e ^ 00111 1- 2luguft 1898 bis gum
31. 5Rärg 1899 oeröffentlicßt. Dattad) beftanben: I. für bie ge«
werblicße UnfaKoerficßerung 242 ©cßiebSgericßte; II. für bie lanb-
unb forftwirtßfcßaftltcße UnfaHoerficßerung 555 ©cßiebSgericßte;
III. für bie ©taatsbetriebe 64 ©cßiebSgericßte unb IV. für bie iSfl-
oalibenoerficßerung bei ben ßanbeSoerftcßerungSanftalten unb ben
gugelaffeiten befonberen Kaffeneinricßtungen 460 ©cßiebSgericßte-
Aus ber Ueberftcbt ergeben fteß folgenoe 3a^ en oon iw
©cßiebSgericßten biefer oier ©ruppen gehaltenen ©ißungen unb
erlebigten Perufungen:
3aßl ber
Saßl ber
3aßl ber erlebigten
©cßiebSgericßte
©ißungen
Perufungeit
I
.... 242
1662
19 064
u
. . . . 5B6
2214
14 612
HI
.... 64
204
1122
IV
.... 460
2479
16 171
Summa 1321
6559
50859
Durcßfcßnittlicß ergiebt fieß alfo für jebeS ©cßiebSgericßt in
ben eingelnen ©ruppen begw. in ber ©efammtßeit:
Säßrlicß 3n jeber ©ißung
©tßungen ©ntfeßeibungen
I. 7 U
H. 4 6,»
III . 8 6,5
IV . 5,4 _ 7
3m ©angen 5 7 , 7 . >
Diefe bureßfcßnittlicbe Dßätigfeit ber ©cßiebSgericßte ift feine
übermäßige. Dte ©cßiebSgericßte für bie Unfattoerftcßerung fom«
munaler Petriebe haben wtr babei außer SRecßnung gclaffen, weil
biefe Petriebe fteß nur auf einen flehten Pegirf erftreden.
SRuit entfteßt aber bie Sfrage, ob troß biefer großen 3aßl oon
©cßiebSgericßten ben Pebürfniffen ber Arbeiter wicflicß genügt ift.
AngeßchtS beS ilmftanbeS, baß bei ber 3fl°alibenoerftcßerung bie
örtlicßen Pentenftellen gruubfäßlicß gugelaffen finb, um bie ©nt«
fdjeibung über bie 3fl°alibenrenten aus bem AnftaltSoorftanbe in
eine lofale 3«ftang gu oerlegen, muß man bie ßrage aufwerfen,
«ogiale ?tast*. «entralblatt für ©ogtalpolittl. Er. 48.
1276
1275
ob benn bie ©cßiebSgericßte überall ben Arbeitern genügenb naße
gerücft fittb, fobaß fie ißre 3ntereffen felbft roaßrnehmen fönnen,
ober ob baS ©cßiebSgericßt ben lofalen SSer^ältniffcn genügen!)
naße faßt, um aus eigener Anfcßauung urtßcilen gu fönnen. ©o*
roeü bie geroerblicßen UnfattbcrufSgen offen fcßaf teu in ©etracßt
fommen, muß biefe Sfrage bei einer großen entfdjieben oer«
neint merben. $>ie ©augeroerfs* unb bie ^olgberufSgenoffen*
fcßaften, aucß bie Eifett* unb ©taßlberufSgenotfenfcßaften,
ferner bie KnappfcßaftSgeiioffenfcßafl fann man oielieidjt aus*
nehmen; bie erfteren beiben erftreden fi<ß mit ißren ©etrieben auf
bas gange ßanb, bie festeren beiben finb ineift fo fongentrirt an
geroiffen ©teilen, baß gang naturgemäß bie ©egirfe ber ©cßie&S*
geriete feinen feßr großen Umfang haben. Aber es giebt eine
gange Steife oon ©erufsgenoffenfcßaften, bie feßr fporabifcß über
baS Canb oertßeilt finb, für beren ©cßiebSgericßte baßer feßr um«
fangreicße ©egirfe abgegrengt mürben. Senn g. ©. ein ©cßiebs*
gericßtSoegirf gang Preußen oon Dftpreußen bis Rßeinlanb, ferner
SRedlenburg, Dlbenburg, ©raunfdjroeig, bie $anfeftäbte umfaßt,
fo fann man nicht gerabe fagen, baß es in einem folcßen ©e*
iirfe bem oerunglüdten Arbeiter befonberS leidet gemacht ift,
feine 3ntereffen felbft gu oertreten, ober baß baS ©cßiebSgericßt
leicht bie ©töglicßfeit hat, nach bem Augenfcßein gu urtheilen. Run
finb aber ©erufSaenoffenfcßaften mit oier ©cßiebSgericßten für gang
2 )eutfcßlanb mehrfach oorhanben unb, abgefeßen oon ©erlin unb
feinen ©ororten, umfaffen bie ©cßiebSgericßtSbegirfe meift eine
gange preußifdbe ißrooing. $>ie ©egirfe finb fo groß gemacht
rnorben, um ben ©cßiebSgericßten roenigftenS einigermaßen ge*
nügenbe ©efchäftigung gu geben; aber auch baS hat man nicht
überall erreicht, manchmal felbft ba nicht, mo man bie 3 a ^ & cr
©ißungen im Sahre möglicßft oerminbert hot, um für jebe ©ißung
eine genügenbe ©efchäftigung gu ergielen. $>urcß bie ©erminberung
ber 3aßl @ißunaen aber mürben bie Sntereffen ber Renten*
nachfucher erheblich beeinträchtigt. $>enn menn ein ©cßiebSgericßt
nur breimal ober groeimal im 3toßre eine ©ißuna abhält, fo fann
ber Arbeiter oier ober fechS Monate auf eine Entfcßeibung märten.
©on ben 242 ©<hiebsgeri<htett ber geroerblicßen ©erufSgenoffen*
fchaften hoben im ©ergangenen 3 oßrc ©ißungen gehalten:
3ahl ber ©ißungen 1 2 8 | 1 bis 3 [ 4 5 6 | 1 bis 6
3af|l ber ©<ßiebSgeri<bte 14 26 39 | 78 | 41 25 23 j 167
3ahl ber ©ißungen 7 8 9 j 1 Bis 9 j 10 11 12 | 1 bis 12
3ahl ber ©djiebSgertchte 10 12 5 | 194 | 6 7 5 | 212
Alfo nur 30 oon 242 ©cßiebSgericßten hoben öfter als ein*
mal im ©tonat eine ©ißung abgehalten, nur 75 öfter als alle
groei ÜRonate!
Unb mie fteßt es nun mit ber 3ohl ^ er crlebigten fjätte?
$>er 2)ur<ßfcßnüt ftellt fich bei ben ©cßiebSgericßten ber geroerb*
lieben ©erufSgenoffenf(haften auf 11 Sätte in einer ©ißung. ES
crlebigten aber 6 ©cßiebSgericßte je einen Satt, 12 je gmei öätte,
10 je brei, 20 je oier, 11 je fünf unb 19 je fed)S gätte, im
©angen alfo 78 ©chiebSgerichte 1 bis 6 Satte; meitere 90 ©d)iebs*
geriete erlebigten 7 bis 12 Sälle, unb menn man bie fechS
©chiebSgerichte ber ©erufSgenoffenfcßaft ber ©chornfteinfeger ab*
rechnet, bie gar feinen Streitfall im abgelaufenen 3&h re S 11 e ^*
Iebigen hotten, bann bleiben nur 58 ©chiebSgerichte in Preußen,
bie in einer ©ißutig mehr als 12 gatte gu er iebigen hotten.
$)ie UnfattoerficßerungSuorlage, bie 1896 bem Reichstage oor»
geleat mar unb beren Sieberciiibriuaung jeßt, naeßbem bie Qn*
oalioenoerficßerimg unter ®acß unb gaeß gebracht ift, roicber in
AuSficßt fteht, hotte auf ©runb biefer tßatfäcßlicßen ©erhältniffe
ben ©orfcßlag gemacht, bie ©chiebSgerichte örtlich, nid^t nach ©erufs*
genoffeufchaften abgugrengon unb gujammcngulegen, einmal um fie ben
Arbeitern recht nahe gu rücfen, bann aber auch, um ben ©cßiebs*
geridjtSüorfißenben bie s D!öglicßfeit einer bauernben ©efchäftigung
in ben fragen ber Arbeiteroerficßerung gu bieten, bie ihnen jeßt
abgeht, roeil fie meift nur nebenamtlich unb in menigen ©ißungen
im Saß« bamit gu tßun hoben. Senn man bie 460 ©chiebs*
gerichte, bie in ©reußen für bie Snoalibenoerficherung befaßen,
mit biefer Arbeit betrauen mollte, fo mürben oon allen ©erufungen
beS leßten 3aßreS auf jebeS ©erießt nur 110 entfallen, bie feßr
leidjt in 12 ©ißungen erlebigt merben fönnten. ©2an fönnte bie
©egirfe, bie jeßt meift nur einen $reis umfaffen, oielleicßt noch
etroas oergrößern, um eine noch etroaS ftärfere ©efchäftigung ßer*
beigufüßren.
2 )ie angeführten 3 a ßlni beroeifen beutlicß, baß bei bem jeßigen
©erfahren eine große ©erfcßmenbnng oon ehrenamtlicher £ßätigfeit
ber ©eiüßcr ftattfinbet, bie man feßr moßl oermeiben fann, menn
man alle ©cßiebSgericßte oereinigt.
©erlin. .£>.
ftuaopfd)aftS*©erufSgrtti^fettf<haft 1898* Racß bem ©er«
maltungSbericßt oer 5?nappfcßaftS*©erufSgenoffenfchaft über baS ©e*
fcßäftsjahr 1898 mären anuäßernb 9KiHion ©ergleutc gegen
Unfall oerfießert. 48 204 ^erfonen ober 9,74 % ber ©erfießerten
mürben oerleßt; hierin fmb auch Qong unbebeutenben Unfätte,
g. ©. £>autabfdjürfungen u. f. m., enthalten. UnfäEe, melcße eine
SrroerbSunfäßigfeit oon meßr als 13 SSocßen ober ben ^ob gur
3folge hatten unb baßer bureß bie ©erufSgenoffenfdßaft entfcßäbigt
meroen mußten, ßaben fid) 6323 ober 12 , 77 auf 1000 ©erfießerte
ereignet; barunter befinben fieß 1254 Unfälle mit töbtlicßem 2luS*
gange. 22% ber entfchäbiaungSpflicßtigen Unfätte mären bureß
bie ©djulb ber ©erleßten felbft oerurfaeßt. ©on ben fämmtlicßen
feit ©efteßen ber ©erufSgenoffenfcßaft, 1. Dftober 1885 bis 1. 3o*
ituar 1897 oorgefommenen 41 977 entfcßäbigten Unfällen ereigneten
ließ 20,3 % über unb 79,7 °/o unter £age. $>ie Jlufmenbungen
für Unfattentfcßäbigungen betrugen im ©erießtsjaßre über 9 ©eil*
Iionen ©torf. 2)ie ©ermaltungSfoften ftettten fieß auf 394 680 1
ober 4 , 5 o / 0 ber SaßreSumlage. $)a ber angefammelte Referoe«
fonbs mit naßegu 27 ©Httionen ©tarf bie im ©efeße oorgefeßriebene
§>öße überfeßritten ßat, fonnten bie 3 i«fcn beffelbcn mit ungefähr
906 000 c /f(., gleicßmie bie 3infcn beS ©etriebsfonbs an ber
3abreSumlage oon naßegu 10 ©Millionen ©tarf gefürgt merben.
Äuf bie ©enoffenfcßaftsmitglieber blieben noeß ungefähr 9 ©Ul»
Iionen ©torf umgulegen. 2ln Unfattfoften entfielen auf einen
Arbeiter 17 dt. 90 4 unb auf 1000 dt Öoßnfumme 17 d(.
84 4 J. 5)ie an bie ©erfießerten gur ?luSgaßlung gefommenen
ßößne betrugen 497 ©Millionen ©tarf; ein ©erfießerter oerbiente im
^ureßfeßnitt 1004 dt gegen 976 dt im Saßre 1897. ©ei ben
©cßiebSgericßten mürben 3237 ©erufungen unb beim Reicßs*©er*
ftcßerungSamte 1014 Refurfe erlebigt. 2)aS ©eiloerfaßren ber ©er*
leßten innerhalb ber erften 13 Söocßen uaeß bem Unfälle gemäß
§. 76 c beS Hranfenoerfid)erungSgefeßeS mürbe in 1357 Raffen
übernommen; ber ©erufSgenoffenfcßaft ift ßierbureß eine Ausgabe
oon 140 717 di 30 4 ermaeßfen.
®ie OttSfranfenfaffe in ©arme» unb ihre Kergte* ^er
©treit, ben bie Allgemeine DrtSfranfenfaffe in ©armen oor groei
Saßren mit ben anfäffigen Aergten ßatte, ßat für fie reeßt unange«
neßme folgen geßabi. damals mürben fünf auSmärtige Acrgte
mit einem garantirten SaßreSeintommen oon je 4000 dt angefiettt.
Racßträglicß fanb aber roieber eine Einigung mit ben Aergten am
$Iaße ftatß unb babureß fmb bie angeftettten Äaffenärgte mit ißrer
Xßätigteit für bie $affe feßr in ben ^intergrunb getreten. 5 £ie
AufficßtSbeßörbe ßat gefunben, baß biefelbcn oon Den ißnen ge*
gaßlten 20 000 dt nur 3852 di an Honorar für ©eßanblung
oon taffenmitgliebern oerbient ßaben, baß alfo aus ftaffennritteln
in einem 3t r ^ 16 148 dt 3 u t u 6 geletftet merben mußte, ^ie
fünf Aergte ßaben fi* auf ©ermittelung ber AufficßtSbeßörbe gum
Rücftritt am 1 . Dftober bereit erflärt. $)ie oereinbarte Abftn*
bungsfumme beläuft fieß auf 22 250 dt 3« biefer AbfinbungSfumme
mitt ber Aergteoerein 8000 dt beitragen, menn bie betreffenben
fünf Aergte ©armen oerlaffen. Außerbem mürbe ber ©efeßluß ge*
faßt, allen ©Utgliebern, bie minbeftenS 26 SSocßen im Saßre Der
5faffe angeßört hohen, freie ärgtlicße ©eßanblung — aber oßne
Argnei — ißrer Samilieuangehörigen bis gu 26 Soeben im Saßre
gu gemäßren. 2)as Aergtcßonorar roirb für bie ©teßrlciftung oon
3 auf 5 dt pro ©titglieb erßößt, maS eine jährliche ©teßranSgabe
oon runb 45—46 000 dt, bebingt. 3 ur $>edung biefer ©teßr*
anSgabe mürbe eine ©rßößung ber ©Utalieberbeiträge oon 4
pro Socße im Durcßfcßnitt befcßloffen, rooburdß eine jäßrlicße ©Jeßr*
eiunaßme oon 48—49 000 dt ergielt merben mirb.
©(rein für ©erftchernngSmiffenfchaft» Unter bem Ratnen
®eutfcßer ©erein für ©erficßerungSroiffenfcßaft fott bemnäcßft ein
©erein ins fieben gerufen merben, ber ben Qmd ßat, bie ©er*
ficßerungSmiffeiifchaft in ©eutfcßlanb gu förbern. (£s fott eine
Korporation gefeßaffen merben, bie es barauf abReßt, bureß ge*
meinfcßaftlicße Erörterungen, bureß Erleichterung perfönlicßer ©e*
gießungen, bureß ©ammlung unb Verausgabe oon roiffeiifcßafHießen
Arbeiten aus bem Gebiete ebenforooßl beS ©erficßerungSrecßts, roie
ber ©erfußerimgS*Abminiftration unb ber mathematifcßen, roie ber
fonftigen (g. ©. mebiginifdjen) ©erficßeruugStecßmf, enblicß ber ©er*
fjcßerungsftatiftif jenes gange meitumfaffenbe SiffenSgebiei gu
förbern. ®ie Korporation mitt in ben ©ereieß ißrer äßätigfeit
1277
Sogiale SßrayiS. Gentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 48.
1278
ade berficherungSarten unb alle biejeitigen SßHffenSgweige gieren,
beren pflege in unmittelbarer 23egief)ung ju bem berficf)erung3*
toefen im roeiteften Sinne be« SBorte« fte^t.
Mol)lfaljrteeinriit)htnjjett.
gemnawfetttljalt für Stnbtfiuber auf beut ßattbe. Jie Wefeßfthaft
für 3SohlfaljrtSeinrid)tuugen in ftranffurt a. SN. bat, um einem in
Wroftftäbten immer fühlbarer werbenben bebiirfnift abgubelfen, für bie
Somntcrsgeit eine bermtttclungSftelle für Ferienaufenthalt non Stabt-
finbern auf bem Sanbc eingerichtet. Sie ift babei, wie uns gefeftrieben
rcirb, oon bem Webattfeu nusgegattgett, baß bas ^siiftitut ber Serien*
foloniett'bent beftehenbeit GrholuugSbebürfnift ber Sdjulfinber nur in
befebränftem SNafte abgufielfen geeignet ift, weil bie gcricnfolonien ihrer
beftimmitng nach nur fd)wäd)lid)en unb mittellofcn ÄUnbcrn eine un*
entgeltlidje Aufnahme gewähren, wäljrenb es hoch eine grobe Nttgahl
oon Schulfinbern giebt, bie gwar nicht fchmädjlich, aber hoch erholungs*
Bebürftig finb unb beren Gltcrn gwar nicht bie Mittel gur Wewährung
eine* SaitbaufenthalteS fehlen, bie aber bnreh bernfSpflicbten unb 05efd)äftö=*
riitflichten oerljinbert finb, mit ihren finbern einen Sommeraufenthalt
mährenb ber Ferien gu nehmen. Siir SHnber biefer Nrt füllte bie ber*
mitteluugsfteHe in Familien auf bem Sanbe gegen eine angenteffene
Vergütung Unterfunft fucheit.
Jie bermtttclungSftelle begann ihre Jhätigfcit furg oor ben
Sommerferien burch Muubgebett ihre® 3wedeS unb ihrer Nbfidjt in ber
sp reffe. Gs mar oon uornherein oorauögufehen, baft bas Spublifunt ber
gänglich neuen Sache gegenüber fidj gunächft abmartenb oerhalten mürbe,
namentlich bas Spublifunt ber Wroftftabt; es mar aber bod), miber Gr*
märten, bie 3al)l ber Nttmelbungen gur Aufnahme oon finbern auf
bem Sanbe eine fo grofte gemorben, baft bei beginn ber Serien mehrere
bunbert Slinbcr hätten uutergebradjt mevben fönnen. Jas ftäbtifchc
Spublifum machte gunächft oon ber neuen Ginrichtung nur fpärlidjen
Webrand), erft als burd) bertljeilung oon entfpredieubeu SNittheilungen
an bie Äinber in ben Schulen biefen lebhafteres ^ntereffe eingeflöftt
mar, mehrten fich bie Nachfragen, unb bei beginn ber Serien mar ber
Nrtbrang nicht unbebeutenb. Jie bermitteluugsftelle nahm, um ooK*
ftänbig ftdjer gu gehen, eine Prüfung aller Angebote an Ort unb Stelle
oor unb betuchte and) fpäter nach Unterbringung ber SHnber biefe in
ihrem Grholungsaufeuthalt unb übte fomit eine beftänbige Äontrole
aus. Sie fonnte aud), inbem fte ben gangen berfehr gmifdjen Nugebot
unb Nachfrage übernahm, ben berechtigten SSünfchen ber Glterit fomohl
als and) ber Cuartiergeber entgegcufomntcu. Jie SNel)rgal)l ber Nttge*
bote erfolgte aus bem Jauiuts, betu bogclsberge, bem Speffart unb
Nhöngebirge aus Crtfchafteu oon burdjmeg rein länblidtent, börflidjem
Gfjarafter, bie SBalb in unmittelbarer SJtäljc Batten. Jie greife maren
burdjwcg mäftige unb fchmanften gmifd)en 1 , 20 — 1,50 M. für Jag unb
ftittb. 23ar oon ben Gltern eine Nustoahl unter ben Angeboten ge*
troffen, fo mürbe mit bem Cuartiergeber oon ber bermitteluugsftelle
ein Vertrag abgefchloffen, worin er fid) gur Aufnahme ber fttnbcr beS
u. f. m. auf bie " Jauer oon founbfooicl Jagen, gegen eine tägltdie ber*
gi'ttung oon x Jt. oerpflichtete unb anbererteits mit ben Gltern ein Nb*
fommen getroffen, nach weldjem fte fid) bereit erflärten, ihre tiuber bem
Herrn N. in N. auf bie Jaucr oon founbfooiel Jagen gu bem oerab*
rebeten greife in pflege gu geben, konnten bie Gltern ihre fttttber
nicht felbft au ihren beftimmuugSort begleiten, fo übernahm bie 93er*
mittelungSfteHe bie Ueberführung in ben Ferienaufenthalt. JaS pflege*
gelb mürbe oon ben (iltern gugitglid) eines Nuffchlag* oon 5 % im
Voraus au bie bermittelungsftefle gegahlt, bie eS ibrerfeits in gmei
Naten abgüglich eines Betrages oon 5 % bes Spflegegclbes an bie pflege*
eitern gur Nusgahlnitg brachte. Jie Nuffdjlägc unb Nbgiige mürben
gur Jedung ber Uufoften oermaubt, meldje ber bermitteluugsftelle
burch Ncifett, SportoauSlagen, ^nferate u. f. m. ermuchfen. Fm erften
Fahre merbett naturgemän gur 93eftreitung biefer Soften nod) 3 u f4niffr
erforberlich fein, meldje aber bei raachfenber Snanfpruchnahme ber Gin*
ridjtung entbehrlid) merbett biirften. J3ei beginn ber Serien mürben
als erfter Schub 60 iiinber aufs Öanb gebracht, meiftens nach £rt*
fchafteu beS Speffart« unb 93ogelSbergeS. Jie ^ittber waren oorher ge*
mögen morben, um fpäter auch einen Grfolg ber Äur feftfteKen gu
fönnen.
Jie gange Ginrichtung unb bie Sührung ber Wefchäftc h^t bei
allen Setheiligten oollcn Nttflang gefunben unb es fteht gu erwarten,
bah in ben nädjften fahren ber Nnbrang ber Stabtbeoölferung ein
immer größerer werben toirb. 9J?andje Gltem, bie aus 93orfidjt $u*
nächft einen fürgerett Üanbaufenthalt oorgefehett hatten, b a & en thn
fpäterhin auf bie gange Jauer ber S e rten oerlängert. Jas Unter*
nehmen, weiches bäs erfte biefer Nrt itt Jeutfdjlanb ift, biirfte, ba
fchließlid) in allen Wrofeftäbtcn bas gleiche Sebürfnib befiehl, halb in
auberen Stäbten Nachahmung finbett.
Citerörtfdje Änjctgeu.
Ü c i ft , in-of. Dr. Nleyanber, 93ercinShcn:fchaft unb NereinSfreiheit
im fünitigett Neidjsrnht. Wnftao SOfher* »4 S.
^reiS l,2o je.
Schriften bes herein« für Sogialpolitif LXXIX, LXXXI,
LXXXIU, LXXXIV. Unterfuchungen über bie Sage beS .ftaufirer*
gemerbcs in Jeutfd)kmb. 3. ^8b. — 5. ©b. baff. 9Kit Sach*
regifter über bie 9?änbe 177—81. — Unterfuchungen über bie
Sage bes .ftauftrergewerbeS itt Schweben, Italien, Wrofjbritannien
unb ber Schweig. — £>aitSinbuftrie unb Heimarbeit in Jeutfch*
lanb unb Defterreich- 1. 33b. Sübbeutfchlanb unb Schlefteu.
Seipgig 1899, Juitrfer <fe Huntblot.
N?it bem gule^t genannten ^anbe fc^t ber herein für Sogialpolitif
bie in ben 33ättbeti XXXIX—XL1I enthaltenen JarfteHungen ber
beutfehen H ai teiubuftrie fort, giir biefe 3Bieberaufttahmc bes frihon ein*
mal bcbanbeltett WegenftattbeS finb brei Wriinbe ntaßgebcttb gemefett.
GrftenS bie gunehmenbe Grfcnntitiß ber ftarfcit NuSbreitutig, meldje bie
Hausiubuftrie namentlich in ihrer ftäbtifdjen, gemöhttlich als H^warbeit
begeidjneten gorm auf faft aßen Webieten ber gemerblidjctt s probuftiott
finbet; gioeiten« ber genauere Ginblid itt bie N?annigfaltigfeit ber 33e*
triebsformen, gu bem bie Grhebungett bc« Vereins über bie Sage bes
HgnbmerfS oerholfen haben, ittbent babttrd) eine reidjc 23crflechtuttg oott
ftäbtifdjer H e twarbeit unb Iänblidjer Haustitbuftric mit hanbmerfs* unb
fabrüittäßigen betrieben auf betnfelben 33robuftionsgebict erfichtlich ge*
macht würbe, welche ^ufammeubäitge fdjärfer herausguarbeiten attber*
orbentlid) werthooÜ crfdjien; britteuS bas Jntcreffe an einer Nus*
behnung bes Nrbeiterfchupes auch auf Hausinbuftrie unb Hrtwarbeü,
baS fowohl burch beren quantitatioe Nusbreitung, wie burch bie
fdjwierige Wrengregulirung gwifdjen HauSinbuftrie, Hanbwerf unb ^abrif
unb bie baburch gefchaffene 9NÖgIid)feit einer Hintergehung ber Nrbeiter*
fchuboorfdjriftcn immer ftärfer angeregt würbe, fstt bent oorliegcnbett
Sanbc tourben bearbeitet: Jie württembergifchc Jrifotinbuftrie itt bett
93cgirfcit Stuttgart unb "iöalinaen, unb bie geinmeebanif im Dberamt
SBalittgett oon £). Neinharb; Sie HauSinbuftrie unb oerwanbte Unter*
ttehmungSformcn au« bem JaunuS oon SBilhelnt gudh«; bie Sfrirtonnage*
inbuftrie gu l^ahr oon Nlbert Naer; bie ^twtmalerinuen in Nürnberg
unb giirtl) oott 33ilhelm Uhlfelber; bie Haus Weberei ittt Glfafe oon
Dr. Nobert Siefmann; bie Uhreninbuftric im babifdjen Schwargwalb
unb bie Nefte fletnerer Hausinbufiricen auf bem Babifchett Sdjwargtoalb
oon Hcwmann Soth; bie Hausinbufirie beS füblidjen SdjwargwalbcS
oon Heinrich 33ernheim; bas NJagaginfpftent in ber SreSlauer SNöbel*
tifcfjlerei oon Nlois Snner; bie Hausmeberci im fchleftfchen Gulcngcbirge
oon Nlfreb Wlüdstttattn.
Jer brittc 33attb über bie Sage beS HaufirgewerbeS in Jeutfdilanb
umfaßt: 1. bie Sajgunger (Sächfifch^ Grggebirge) oon Dr. Shtrt Stunhe;
2 . ben beutfehen Stolportagebucbhanbel oott Dr. jur. 5?arl Heinrici;
3. bie flooafifdicu Jrahtbiuber oon Hermann Ätub; 4. ben 33eercu*
hanbcl oon Stnhengrün unb Nothenfirchen im fädjftfchen Grggebirge
oon Dr. pbil. NIbin Äönig; ber fünfte 33anb: 1. oett Straften* nnb
Sofalhanbel in 33crlin oon Dr. SNartiu Ariele; 2. ben 9?arbowider
Sameithanftrhattbel oon Dr. jur. Oehlfdjläger; 3. Haufirgewcrbe unb
2£irtb«hauSbaufirbanbel in NJünchen; 4. bie Stabt BaCIbürn (Saben)
oon 3ofef Weiftier; 5. ben Nnttsbegirf Gberbach oon SNutfdilcr; 6. ben
Nmtsbegirf iBabcn oott Hennanti Sohr; 7. ben Nnttsbegirf SSotfadj oott
SBilhelm H f bi & ben Nnttsbegirf Gttcnheim oon Siitbetttattn; 9. ben
93ürftcnhauftrhanbel ber Bewohner ber ehemaligen Jhaloogtei Jobtnau
im 33abifd)ett Sdjtoargwalbc oott Ctto Älingclc uttb 10. bie wirthfehaft*
liehe Sage ber loattbernbeu Sdjaufpielertruppen oon G. N. Hänhfdtel.
Jer Sage bes HaufirgewerbeS im NuSlattbe ift ber LXXXIII. Sanb
ber SSereinsjcftriften gewibmet. Gr enthält: 1. bett ÄrciS ber Stabt
33oräS (S dt weben) oott Wuftao oon Weijerftam, 2. Italien oon
t Ugo Nabbcno unb G. N. Gonigliani, 3. Wroftbritamtien oon
Dr. Nlerattbcr JUIe, 4. bie beutfefte Schweig oott Dr. N. NeidjeS*
berg, 5. bie meftliche Schweig oon Lic. jur. Nlpftons Hättenfd)toi6er.
Csu Jeutfchlattb wie im NuSlattbe offenbart fid) für gewiffe Schiften
ber Seoölfentng bie mirthfchaftliche Nothwenbigfeit gu biefent GrwerbS*
gtoeige gu greifen, fowie bas auf bie Jhätigfeit ber Haufircr redtneitbe
!Öcbürfnift ber Sfonfuntenten. Jcitt Jrängen ttad) repreffioer ^ßolitif
gegen bie Hauftrer, bas in recht hohen Spegialfteuem praftifdje Gr*
folge gehabt hat, biirfte biefe Grlentttnift einigermaften Ginftalt gu thun
geeignet fein.
Stephan, Dr. jur. N. unb attl Sdjmib, Jer Schub ber gewerb*
lidjen Urheberrechte bes 3n* unb NuSlanbeS (Hanb* unb Sehr*
buch ber Staatsmiffcitfdjaften in felbflänbigett ^änben, begrünbet
oon $uno ^ranfenftein, fortgefebt oon Ntoy oon $e<tel I. Nb*
theilung; 33oIfswirthfchaftSIehre. 13.3?anb.). Seipgig, G. S. Htrfch 3
fclb. 531 S. 16,50^.
Jie „Labor Statistics“ in ben bereinigten Staaten oon
Nmcrifa. (Sonberabbrud au« ben bierteliabrSfteften gur
Statiftif bes Jeutfdjen NeidjS, ^ah^ßang 1899, Heft III). be*
arbeitet im Äaiferlidj Statiftifdten Nmte oon Otto Nidjter, miffett*
fdhaftlichem Hä^arbeiter. 29 S.
Rangig, HauSl)aItS*Gtat ber Stabtgemeiubc Jangig für 1899.
Jortmunb, beridtt über ben Staub unb bie berwaltung ber Wetueittbe*
angelegenheiten ber Stabt Jortmunb für 1897/98.
GIbing, bericht über bie bertualtnng uttb ben Staub ber Wentciube*
angelegenheiten ber Stabt Glbittg für 1898/99.
Hoch ft a. 9JL, bericht über bie berwaltuug nnb ben Staub ber Wetnetnbc*
angelegenheiten ber Stabt Höchft a. SN. für 1898/99.
BeranttDortti^ für bte »ebaftton: Dr. «rnft Stande tn Berlin W., Ba^reut^erftrafee 29.
1279 »Soziale $raji8. Gentralblatt für ©ojialpolitif. 9fr. 48. 1280
©te Prawt*" erfäetnt an jebem ©onnerltog unb ift bur$ alle »u<$hanblungen unb ^oftämtec ($oitaeitung«nummet 7072) ju begehen. ©ex $rei5
für ba« »ierteljabr ift 2R. 2,50. 3ebe «Rümmer foftet 30 $f. ©er «njetgenprei« ift 60 g5f. für bie breigefpaltene ^etitjeile.
Verlag von Duncker 8c Humblot in Leipzig:
Ungarische Agrarpolitik. Von Stefan von
Tisza. 1897. 1.60 M.
Die Alkoholfrage in Oesterreich. Von Franz
Kral. 1888. 2.40 M.
Zur Arbeiter-Versicherungsfrage in Oester¬
reich. Von R. Klang. IL, verbesserte Aufl.
1884. 1.40 M.
Die Arbeiterversicherung nach österreichi¬
schem Rechte. Von Adolf Menzel. 1893.
10 M.
Ungarns Ausgleich mit Oesterreich vom
Jahre 1867. Von Graf Julius Andrässy.
1897. 9 M.
Bank und Valuta in Oesterreich-Ungarn 1862
bis 1873. Von Joseph Neuwirth. Zwei
Bände. 1873/74. 20 M.
Die Bauernbefreiiing und die Auflösung
des gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisses in
Böhmen, Mähren und Schlesien. Von Karl
Grtinberg. Zwei Teile. 1894 u. 1893. 16 M.
Die Aufhebung des Befähigungsnachweises
in Oesterreich. Von Sigmund Mayer. 1894.
6 M.
Untersuchungen über die socialen Zustände in den
Fabrikbezirken des nordöstlichen Böhmen.
Von J. Singer. 1885. 6 M.
Südostdeutsche Betrachtungen. Fine
nationale Denkschrift. Von A. Freiherrn
von Dumreicher. 1893. 3 M.
Die Einkommensteuer in Oesterreich und ihre
Reform. Von Emil von Fürth. 1892. 6 M.
Die Eisenbahnen Oesterreich-Ungarns 1822 bis
1867. Von P. F. Kupka. 1888. 8.60 M.
Grundriss des Oewerberechts und der Arbeiter¬
versicherung. Von Victor Mataja. 1899.
3.60 M.
Die Handelspolitik Oesterreich-Ungarns 1875
bis 1892. Von Johann von Bazant. 1894. 4M.
Die Handelspolitik Oesterreichs in den letzten
Jahrzehnten (s. Band 49 der Schriften des
Vereins für Socialpolitik. 1892. 13 M.)
Untersuchungen über die Lage des Handwerks
in Oesterreich mit besonderer Rücksicht auf
seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Gross¬
industrie. 1896. 16 M.
Untersuchungen über die Lage des Hausier¬
gewerbes in Oesterreich. 1899. 9.60 M.
Gewerbliche Hilfskassen und Arbeiterversiche-
rung. Von E. Popper. 1880. 2.80 M.
Kleingewerbe und Hausindustrie in Oester¬
reich. Von Eugen Schwiedland. Zwei Teile.
1894. 12 M.
Zur Frage der Organisation des landwirtschaft¬
lichen Kredits in Deutschland und Oester¬
reich. Von Walter Schiff. 1892. 3.60 M.
Das Hanufakturhaus auf dem Tabor in Wien.
Von Hans J. Hatschek. 1886. 2.80 M.
Gewerbliche Hittelstandspolitik. Von
Heinrich Waentig. 1898. 9.60 M.
Das Papiergeld in Oesterreich seit 1848. Von
Karel Kramär 1886. 7.60 M.
Die sociale und wirtschaftliche Lage der galizischen
Schuhmacher. Von C. v. Paygert. 1891.
4.60 M.
Die Unfallversicherung der österreichischen
Seeleute. Von Adalbert von Lanna. 1894.
1.40 M.
Die Vorbildung zum höheren Verwaltungs¬
dienst in den deutschen Staaten, Oesterreich
und Frankreich. Berichte und Gutachten, ver¬
öffentlicht vom Verein für Socialpolitik. 1887.
4.40 M.
Die Währung« frage in Oesterreich-Ungarn und
ihre wirtschaftliche und politische Bedeutung.
Von Walther Lotz. 1889. 1 M.
Währungsstudien mit besonderer Rücksicht
auf Oesterreich-Ungarn. Von Ludwig Felix.
1890. 1 M.
Die Zollpolitik der Oesterreichisch-Ungarischen
Monarchie und des Deutschen Reiches seit 1868
und deren nächste Zukunft. Von Alexander
von Matlekovits. 1891. 21 M.
Verlag der Arbeiter-Versorgung.
A. Troschejjn Berlin W.
Krankengeld • Znschusskassen.
Alle für die Einrichtung und Ver¬
waltung der Krankengeld-Zuschusskassen
erforderlichen Formulare können von dem
oben genannten Verlage bezogen werden.
Den Krankenkassen, welche Kranken-
geld-Zuschusskassen errichtet haben oder
errichten wollen, stehen Musterformulare
gratis zur Verfügung.
Hebeliste, Krankenbuch u. s. w. je
50 Bogen 4 Mk., gebunden G Mk.
Formulare für Anmeldung, Quittung
u. s. w. je 100 Stck. 1,50 Mk.
Deutsche Wirtschaftsgeschichte.
K. TI), von Inama- Sternegg.
I. Deutsche Wirtschaftsgeschichte bis zum Schluss der Karolingerperiode.
1879. Preis 12 Mark.
II. Deutsche Wirtschaftsgeschichte des 10. bis 12. Jahrhunderts. 1891.
Preis 13 Mark.
III. 1. Deutsche Wirtschaftsgeschichte in den letztem Jahrhunderten des
Mittelalters. 1899. Preis 12 Mark.
iJcrantiuortli.l) für ote •.»iiijcgai: vcUuuutj Deibel, L'ciiuiij. — Verlaß oou Zuiicfei «St £nmi,l>lut, L'nrüvj. — We&wuft bet Julius Sittenfelb, öerlin.
VIÜ. In^rjattg.
Serhn, ben 7. September 1899.
Itumnur 49.
Soziale prajte.
(§ettfra£Maft för
mit ber SRonatSbeilage:
Vas (Bewcvbc^cfic^t
©rgan lies Derbanbes beutfcfyer (Benjerbegericfyte.
Reue golge ber „SBtätter für fojiatc sßraytS" unb beS „Sogialpoltttfdjen ©entralblatts*.
Srftitittt Ml jfbtm Xontierfiag. ^)ecauSgeber: $rtts »irrteljfttrllft 2 SR. 60 ff.
Rebaftton: Verltn W., Vapreutherftraße 29. Dr. (Efttß «ftttJtdtt* Verlag Oon Tunrfer & #umbIot, Celpgig.
3 Spalt
Die p8ttbeit8wiIUgen M . Regattoe
unb pofitibe ©ewerföetemöpolittf. IV.
©on $rofeffor Dr. Sujo ©tentano,
SRünc^et!.1281
IUt<Ketae©« 9 tel* ml
*•!««.1288
Die ©ojialpolttif auf ber @e*
neralöer fammlung ber Ra»
tbolifen DeutfcblanbS.
2lboIf ©tödeT über ©treifoorlage
unb ©ojialreform.
grauen in ben ©c$ulfommif|ionen nun
©ein.
©•Stele ßnftiiabe .1290
©ertbeilung ber geföüfcten Arbeiter*
fategorien auf bic Derfdjiebenen gti*
buftrien in ©reufeen.
Die frembfpra(bli<ben Arbeiter im
Stubrfoblenbergbau.
Arbeitslöhne in SKaffacfeufetiS.
Ucteitetbetvecunt.1291
Die amtliche beutfehe ©treifftatifti! für
baS 1. Jpalbjahr 1899.
©in Delegirtentag ber fatljolifcfeen
Arbeitervereine ©übbeutfcfelanbö.
AuS ber ©erliner Arbeiterbewegung,
©eenbigung beS KonfltfieS jmifeben
Arbeitgebern unb Arbeitern in Däne-
inarf.
Die SöofjnungSfrage in Sonbon.
©emegung unter ben englifdjen ©ee« i
leuten. i
Der gabreSfongrefe bet Drabe Union«-
Der 17. Saferefifongrefe ber Parti
ouvrier franf&U.
i ttsftttfevf*»*.1295
Arbeiterfcbuh unb Äontrol*
matfe. ©on Heinrich Abler,
Sßien.
©efeufe ber Arbeiter gegen ÜRiljbranb.
Deutfcbe UnfallDerbütungS*©inri(btun*
gen auf ber ©arifet SöeltauSfteffung
unb bie ©auarbeiter.
AuSfcbreiben beS ©cbweijer ©unbeS«
ratbeS für ßerfteflnng ungefährlicher
ßünbbölaer.
Die Shop hoars Act in Sonbon.
ttr»rft9it«4»cti.1297
gürforge beS württembergifdjem 3Ri«
nifteriumS für ben Arbeitsnachweis.
— ©täbtifdjeS Arbeitsamt in ©tutt»
' gart 1898.
©etpcrbegerii&te. tfinigtutafüatter«
©d>teb9gevtdtU.1299
Der ©treif bet ©erlinet ©tein»
arbeiter unb baS ©inigungS«
amt beS ©e werbegericbtS. ©om
©eroerbertdjter SK. oon ©djula,
©orfifeenbem beS ©ewerbegeridjt«
©erlin.
ttietstifftf Knseteett. 1302
Inhalt beS ©ewerbegeriebts Kr. 12.
AeUagd »Aal Sktoerlegetibi" 9be» 1*.
Abbrud fömmtlicber Artilel tft ßdfimgeu unb ßeitfebriften geftattet , jeboeb nur
mit boüet Duetten aitgabe.
Bie „Atbettswilligen“.
(Scblufe au« Ar. 48.)
Regatioe unb pofitioe ©emerloereinspolitif IV.
Qd) menbe mich 3 um Kampf um bie Regelung be# ^Irbeit^®
angeboteS in KricgSgeiieit.
©ine RteinungSoerfchicbenheit ift, fo nehmen mir au, 3 roifd)en
Arbeitgebern unb Arbeitern über bie Veöingungen entftanben, 3 U
benen bie leptercn ifjre Arbeit ©erlaufen follen. T)ie Arbeiter
haben eben be 0 t)alb gemeint am ifjr Angebot jurücf gezögert; ober
auch bie Arbeitgeber haben, inbem fie ihre Arbeiter entließen, bie
Nachfrage nach beren Arbeit eingeftellt. ©ine jebe ber beiben
Parteien fuc^t fo ben ©egner gur Annahme ber oon iljr gemünfepten
Vebingungen 3 U groingen.
Ta ift nun (Sine# auffallenb. Vei allen anberen Arten oon
Verläufen, bei benen Staatsbürger fiep als Verläufer unb Käufer
gegenüberftehen, gilt eS als felbftoerftänblicp, baß ber Staat fich
jebmeber ©inmifepung in bie Vereinbarung ber greife aufs Strengfte
enthält. ©S folgt bieS aus bem gleichen Staatsbürgerthum unb
bem barauS folgenben Anfprucpe Aller, baß ber Staat baS Recpt
eines Seben, feine Sntßreffen burch alle gefeplichen Mittel ju mähren,
gleichmäßig achte. 2Bo eine Abroeichung ftattfinbet, geliebt bieS
im tarnen beS SdpupeS ber nationalen Arbeit höchftenS ju ©unften
ber Verfäufer, mie burch 3ööe unb anbere ähnliche SWaßuahmen,
roelche biefen geftatten, oom Käufer höhere greife su forbern.
Aber biefe üftaßnahmen einmal gegeben, läßt ber Staat bie Ver*
fäufer unb Käufer oöttig frei, ben beftmöglidjen ^JreiS fich S u
fithern. AnberS beim Verlaufe ber Arbeit. Aicfjt nur baß hier
bem Verläufer jener ©chup ber nationalen Arbeit gegen aus*
Iänbiftpe $onlurrenten oerfagt mirb, als lleberbleibfcl einer üöirtb*
fchaftSorbnung, melcpe bie Rechtsgleichheit nicht lannte, h cr rftht
noch immer bie Vorstellung, als ob ber Staat einfehreiten müffe,
um bem Käufer, bem Arbeitgeber, möglichft günftige Vebingungcn
311 fiebern.
3 mar hot man in ben lepten fahren nichts mehr baoon ge*
hört, baß bei Arbeitseinteilungen Solbaten baju lommanbirt
mürben, bie Arbeit ber Streilenoen 3 U oerrichtcu, — ein ©ingriff
in bie Vlarltoerpältniffe, mie menn ber Staat aus ben Kriegs*
magajinen oerfaufte, um ein Steigen ber SBaarenpreife ju binbern.
früher ift ein folcheS Ablommanbiren beS Cefteren oorgelommen.
So erfreulich es ift, baß biefe birelte Veeinfluffung beS ArbeitS*
angebots $u Ungunften beS ArbeitSoerläuferS aufgehört h^h fo
lebt hoch ber ®eift, oon bem fie ausging, noch fort in ben 9Raß*
nahmen, bie man neuerbingS als „Sdjup ber ArbeitSmiUigen" 311
be 3 eicßnen pflegt.
Run befagt biefer Scßup ber ArbcitSroiHigen allerbingS, eS
folle ber Arbeiter, ber oom Verlauf feiner Arbeit 3 U leben genöthigt
fei, gegen anbere Arbeiter, bie ipn barin behinbern rooüten, ge*
feßüpt roerben. ©r tritt alfo auf gleichfalls als eine ©inmif^ung
beS Staates gu ©unften ber Verläufer. Allein biefe ©inmifchung
ift fehr oerfchieben oon ber oben gebachten burch 3 öÖe. ^)iefe
ßnbet ftatt gegenüber ben Käufern unb lommt allen Verläufern
ber gebüßten ©aare ohne Ausnahme 3 U gut. £)ier bagegen
hanbelt es fuh um eine ©inmifchung beftenfalls 311 (fünften "eines
kbeile# ber Verläufer gegenüber anberen Verläufern; jebenfallS
aber lommt fie ben Käufern ju gut; unb maS jenen &heil ber
Verläufer angeht, beren 3ntereffen bie Käufer im s JÄunbe führen,
fo ift ©ine# 3 U beachten. Söären eS roirflich bie Arbeiter, in beren
Snterejfe bie ©inmifchung ftattfänbe, fo mürben eS bod) roobl
auch bie Arbeiter fein, bie banaep oerlangten. Aber baS ift nicht
ber 5aü. ©S ift oielmepr, als menn bie Öanbmirthe, als fie gegen
baS Kartell in Thomasmehl proteftirten, gefagt hätten, fie tbäten
bieS im Ramen oon SBerlen, bie gu einem niebrigeren als bem
Kartellpreis an fie oertaufen moüten. TaS haben fie felbftoer«
ftänblicp nid)t gethan, fonft hätte man ße anSgelacpt als ben Auch#,
ber ben ©nten prebigt. £>icr aber finb es bie Käufer, bie im au--
gcblid)ett Jntcreffe ber Verläufer bagegett proteftiren, baß anbere
Verläufer biefe abhielten, billiger an fie 31 t ocrfaufeit. T*ie# gilt
felbft oon Voftor oon Vobelfcproingh, beffen Aeußernngeu 311 bem
gangen gefepgeberifchen Anfturm beit Anlaß gegeben haben follen;
1283
Sogiale $raji$. (Eentralblatt für Sogialpolttit. Ar. 49.
12s4
beim aud) er oerlangte erhöhten Schuß ber Arbeitswilligen, weil
in golge eines AuSftanbS ein .^auS, baS er baute, meßt fertig
geworben war. Unb je feßroffer bic Arbeitgeber ben Begebungen
ber Arbeiter, bei geftfeßung beS ^reifes ißrer Arbeit ein ÜBort
mitgureben, entgegenfteßen, befto ungeftümer nerlangen fie ben S<ßuß
<ber Arbeitswidigen. Unb ba glauben wirklich Biele, eS banble
ließ um eine (Einmifcßung bes Staats nid)t im gntereffe ber Käufer
ber Arbeit, fonbern tn bent ißrer SScrfäufer!
Allein nun mirb baS Käuferintereffe fentimental unb oerweift
auf bic Arbeiterfrauen, bie bei einem ArbeitSftidftanb ber Männer
erbittert über bie Arbciterorganifationen flagteit. Unb gewiß, roer
einmal bie großen (Entbehrungen, welche Arbeitseinteilung mie
AuSfperrung für eine Arbeiterfamilie bebeuten, in ber Aäße ge*
feßen f)at, ber hat bas innigfte BHtgefühl für bie Arbeiterfrauen
gang ebeitfo mie bann, raenn ißre Bfänner in ben Ärieg gieren.
Adcin mer biefes s Bef) in erfter fiinie mitempfinbet, finb bic
Bfänner felbft; unb gerabe barin, baß ein jeber ArbeitSftiflftanb
ißnen felbft bie größten (Entbehrungen auferlegt unb gleichzeitig
bie Klagen berjenigen bringt, bie ihrem §ergen am näthften flehen,
liegt eine (Garantie gegen bic leichtfinnige Herbeiführung non Ar*
beitsftinftäuben. darauf ermibert man freilich, es feien lebiglich
bie Rührer, welche bie Arbeiter gum BJiberftano reigten. Airgenbs
aber oermögett bie* güßrer weniger als gerabe bei ber Herbei*
führung non ArbeitSftillftänben. Beoor es gu einer ArbeitS*
eitiftedung fommt, finb fie regelmäßig ber utoberirenbe unb ge*
frfjobene 2:heil; ift ein ArbeitSftidftanb ausgebrochen, fo entwickeln
fie aderbiitgs bie äußerfte (Energie, um ihn gu einem fiegreidjen
(Enbe gu führen, unb es ift bies nur ihre Bflid)t; wie oft aber
geht man fie auch &a gur Annahme oon gricbeitSbebingungen
rathen, welche bie erbitterten AuSftänbigen hartnäefig angunehmen
oerweigern! (Es märe in ber £böl 3eit, bah ftatt ber bequemen
Borfteuung, ArbeitSftiUftänbe feien lebiglich baS Bkrf ftrebernber
ober reoolutionärer gießrer, eine ben £ßatfaißen mehr entfprechenbe
W griffe. 1 )
(Es mürbe inbeß eine Bcrfennung ber SBaßrbeit in ber um*
gelehrten Stiftung fein, wollte man leugnen, baß es allgeit Ar*
beiter giebt, bie bei ArbeitSftillftänben bereit finb, an Stelle ber
geiernben gu treten. (Es finb bicS einmal folche, welche, jeben
©enteingefühls für bie gnterejfen unb (Ehre ihres StanbeS bar,
lebiglich ißren momentanen perfönlichen Bortßeil oerfolgen; cS finb
baS gmeitenS folche, bei benen bie Aotl) bes Augenblicks fo groß
ift, baß fie ihr ihre bauernbeit gntereffen gu opfern genötigt finb;
es finb baS enblicß fretnbe, oon auswärts ßerangegogene Arbeiter,
bie oon beu Arbeitgebern ohne $cnntniß, baß fie AuSftänbige er*
feßen foden, ßerbeigegogen werben. $ein 3weifel, baß fie ben An*
fprud) hoben, baß ber Staat fie feßüßt, wenn fie arbeiten wollen.
Aber nicht geringer ift ber Anfprud) beteiligen, bie ihr gntereffe
nur burd) Borenthaltung ber Arbeit gu wahren oermögen, baß ber
Staat aud) ihrem gntereffe nnparteiifcß gegeiuiberftehe. $cin
3tocifcl alfo, baß ber Staat ftreng cinfcfjretten muß, wo bie
geiernben bie Arbeitswilligen burd) förpcrlicßcn 3wang ober An*
brohung irgenb welcher H an ^ un (5 en / beren Vornahme fie nad)
gemeinem SRed)te nicht berechtigt finb, oon ber Arbeit abgnhalten
fudhen. Seicht geringer aber ift ber Anfprud) ber geiernben, baß
fie alle nad) gemeinem Aecßte oon ben übrigen ©efedfcßaftsflaffen
ftraflos angewandten Mittel, um ben ©ideit Anberer gu be*
einfluffen, gleichfalls anwenben bürfen, unb baß fie, wo fie einer
©efeßesoerleßung fid) fdjulbig machen, nicht harter als bie An*
gehörigen ber übrigen ©efellfcßaftsflafien beitraft werben, gits*
ßefonberc fönnen bie Verläufer ber Arbeit ben Anfprucß erheben,
baß fie bie analogen Mittel gur 3>nrd)feßung ber oon ihnen ge*
ftedten ArbeitSbebutgungen anwenben bürfen, beren fieß gu bem
umgekehrten 3wecf bie Käufer ber Arbeit bebienen. ©erabe biefe
elementarften AecßtSgrunbfäße aber finb es, welche ber „Sd)nß ber
Arbeitswilligen" oerleßt.
£a begegnet uns bie erfte juriftifche Anomalie in bem $. 152
*) 3Ran oerglcidje bagegen bie amtlichen 3eugniffc ber ©enierhe*
räthe über bie SBirfuug ber Arbeitcrorganifatiouen für fricbliche Aus*
tragung oon Arbeitsgmiftigfeitcn. So lange freilid) in beu obevften
poligeificßen gußangen bie Auffaffiutg gepflegt wirb, bie Streifs würben
lebiglid) non fogialbcmofratifdien (»cwcrfoerctncn infeenirt, fönnen Bor*
fonunniffe, wie bas folgenbe, nicht SBunber nehmen: gu einem aus
Anlaß eines AZaurerftreifs in Bcipgig 1897 geführten ißrogrfjc beftätigte
ber als geuge geladene Cberwadjtmeiiter, baß bie Leiter bes Streifs
faß in jeber Brrjammlung oor Ausidjveitungcu unb Vergehen gegen
Arbeitswillige gewarnt haben. (5r, ^euge, habe aber biefe SBaruungcn
nie miß genommen! s l?gl. Regien, bas ttoalitionSredjt ber beutfehen
Arbeiter in 3ljcoric unb S ßraris. Hamburg 1899. 3. 208 .
Abfaß 2 ber ^eutfdjen ©ewerbeorbnung. ©äßreiib fonft Verträge
flagbar finb, wirb h^i' beftimmt, baß jebent Xhcilnehmer an
$reis* unb ßohnoerabrebungeit ber Arbeitgeber unb Arbeiter ber
Stücftritt ooit folchcn Bereinigungen ober Bcrabrebuugen frei fleht
unb aus leßteren weber Silage noch ©iitrcbe ftattfinbet. SSäßrenb
baS SReichSgcricht in einer (Eitifcheibung oom 5. guli 1890 erflärt
hat, baß Kartelle ber ^robugenten im ©egenfaß gu ben SRingen
ber Spefulantcn feiucswegS an fieß redjtswibrig feien, enthält
biefer §. 152 Abfaß 2 nadj wie oor eine Aufforberung gutn Abfall
oon oertragSmäßig übernommenen Berpflicßtungen. ßnb felbft
biefe Ungleichheit erfdjeint Bielen uoeß iticßt genug. SBäßrenb es
ben Berbänbcn ber Arbeitgeber unbenommen bleibt, fid) foiüoßl
gegen ben Berfauf gu niebrigeren greifen an ißre Ruitben als
aud) gegen bie Begaßlung ßöh crer ßößnc an ißre Arbeiter burd)
Äonoentionalftrafcn gu fießern unb biefe Strafen bureß H inters
leguitg oon Söertßpapieren ober Bkcßfelit eingutreiben, werben bie
Arbeiierfoalitionen oon ber ^enffeßrift über AuSfdjreituugen bei
ArbeitSfämpfen als im ßöchftcn ’Qliaße tprannifcß benungirt, wenn
fie ftreifenben Arbeitern Unterftiißungen in ber gönn oon Darlehen
gewähren, bic nur bann gurüefgeforbert werben, wenn jene Arbeiter
gu Streifbrecßern werben.
Aber weiter! Sin bürgerlichen £eben benft man wegwerfenb
oon bem, ber aus egoiftifeßen Biotioen bic gntereffen feiner Äanteraben
opfert. 2öir Imbcn oon oben ß ci:a ^ bureß ©efeß gnnungen ber
anbwerfer ins Seben gerufen, beren befonbere Aufgabe es ift,
tanbcSintereffen unb StanbeSeßre gegenüber ben Sonberintereffen
©ingelner gu wahren, unb ißneit fogar bie Blöglicßfeit gegeben,
eine egoiftifeße BUnberßeit gum Beitritt gu gwittgen. 2Sir machen
©efeße gur befferen SBaßrung ber StanbeSeßre unb Stanbesinter*
effen beftintmter Berufe, wie ber Aergte. gn ber Anitee gilt SRücf*
fteßt auf StanbeSeßre unb StanbeSintereffen als fo oiel ßößer
fteßenb als bie gntereffen beS ©ingclnen, baß fogar ber ben Ab*
feßieb nehmen muß, ber bem fird)licßen unb ftaatlicßen 3)uelloerbot
meßr als ißnen geßoreßt. Aus attem bem geßt ßeroor, baß rotr
in allen übrigen ©efellfcßaftsHaffen baS ©emeingefußl nießt nur
fittlicß ßößer fteHen als bie Berfolgung oon Sonberintereffen,
fonbern baß wir biefem ftttlicßen Urtßetl fogar ftaatlicßen fR ad)*
bruef oerleißen. SBarum benn ein anberer SRaßftab, wenn bxe
Arbeiter eben bem ©rnnbfaß „(Einer für Alle, Alle für ©inen"
ßulbigen?
ilnfer Strafgefeßbucß femtt feine Strafbeftimmungen, wenn
einem Anberen mit einer H an ^^ un 9 °^ cr Untcrlaffung gebroßt
wirb, gu ber ber ®roßeitbe berechtigt ift; wie H e i neinann be*
rießtet, 2 ) würbe aber ber Berfafier eines Streifflugblattes, worin
eS ßeißt: „Bis jeßt ift eS ben Unternehmern nießt gelungen, aus*
wärtige ÄoHegett ßerangugießen; baß es aud) in 3 ll f un ft nießt ge*
feßießt, baS wirb unfere Sorge fein", wegen Bebroßung gu
14 iagen ©efängniß oerurtßcilt; ja, fiinbigt ein Streifer einem
Streikbrecher aueß nur greunbfcßaft unb Umgang, fo kann er naeß
bem geltenben §. 153 wegen ^Droßung beftraft werben.
Unfer Strafgefeßbucß kennt feine Strafen wegen ©ßroerleßung;
als aber ein Streifer einem Streikbrecher Jagte, „eS fei nießt ßübfcß,
alten Bodegen in ben Aücfen gu faden", würbe ber oödig unbe«
fcßoltene Bfaitn wegen ©ßroerleßung gu einem Bfonat ©efängniß oer*
urtßeilt; 8 ) ja, wenn er ißn bloß Streikbrecher genannt ßätte, ßätte er
wegen Beleibigung unb ©hrocrleßung mit ©efängniß bis gu brei
Bfonaten beftraft werben fönnen, 4 ) obwoßl naeß ber Auffaffung
ber Begrünbung gur fogenannten 3treif*
breeßer als ^erfon, „beren perfönlicße gntereffen mit ben Staats*
intereffen gufammenfaden", als etwas ©hrenwertßes gelten müßte.
Unfer Strafgefeßbucß kennt ferner feine Strafe wegen Ber*
rufSerflärung; als bagegen wäßrenb beS Streifs ber Breslauer
Bauarbeiter im gaßre 1896 in ber „BolfSwacßt" folgenbe Be*
fanntmaeßung erfeßien: ,,^)ic Sfommiffion für Bauarbeiter giebt
hiermit befannt, baß folgenbe Arbeiter auf folgenben Bauten in
Befd)äftigung fteßen": (nun folgten bic SRamen ber Bauten unb
Arbeiter), würbe ber Borfißcnbe ber Äommiffion wegen BcrrufS*
erflärung gemäß §. 153 ber ©ewerbeorbnung gu gwei Bfonaten
,J ) „Aation" Ar. 23 oom 4. 9Rärg 1899. (Ein anberer ebenba be*
rid)tcter 5yaH: gn einer 2öcrfftattoerfammlung wirb beratßen, ob man
ftreifen mode. 3mei Arbeiter erklären ficß bagegen unb ocrlafiett ben
Saal. (Ein Streifenber ruft ihnen naeß: „Seßt (Eucß bie Kollegen an! -
Xicfc Drohung mußte er mit einer ©efängnißftrafc ooit einem SWonat
büßen.
3 ) Bgl. „Aation" Ar. 24. oom 11. Aiärg 1899.
4 ) Bgl. .*deincmami a. a. £.: „Xer bloße AuSbrucf „Streifbredier"
wirb regelmäßig mit N ü?od)cn langen ^reiheitSftrafen geahnbet." ligl.
and) 2egieu, a. a. £. 3. 199, 2«»1, 214 u. ff.
1285
Sogt alt ©entralblatt für Sogtalpolitif. 9fr. 49.
1286
unb ber Vebafteur Des Blattes wegen Vergehens gegen baS Vrch*
gefefc gu 14 Sagen ©efängnih oerurtheilt. ®) ßeinemann berichtet
gar folgenben 3aE: 5 6 ) „3n einer StelImather*Verfammlung wirb
mitgetheilt, bah in einer näher begegneten gabrif Streit aus*
gebrochen fei. 3 u 0i c i^ mürben bie tarnen unb fBohnungen oon
fed)S Arbeitern befannt gegeben, welche bei einem früheren Stell*
macherftreif gu Streifbredjern geworben feien. Ser Staatsanwalt
beantragte hierfür brei ÜKonat ©efängnih- 3meifelIoS mühte mit
jener Befanntmachung ber fechs Verfonen, welche im oorigen
Satire trofc beS Streifs weiter gearbeitet hoben, ein 3mecf oerfolgt
worben fein. Siefer fei aber offenbar gewefen, bureb Veröffent*
lid)ung ber tarnen jener früheren fogenannten Streifbrecher ben*
jenigen Arbeitern, bie bei bem jefct ausgebrochenen Streif weiter
arbeiten wollten, gu Drohen, bah auch ihnen baS Schicffal ber Ser*
öffentlichung ihrer Stauten blühen würbe. SaS ©ericht fd)Ioh fufj
biefen Ausfuhrungen an unb erfannte auf eine SSoche ©efängnih."
Allein nicht nur, bah bie geltenbe ©efefcgebung §anblungen,
welche, oon Anberen begangen, ftrafloS ftnb, wenn oon Arbeitern
gelegentlich einer Arbeitseinteilung ober AuSfperrung oerübt, ftrafbar
macht, es finben fich auch Urtheile, bie felbft nach biefen ©efefeen
jnriftifch unoerftänblicf) bleiben. 7 ) Vor AHem aber erfefjeint eS als
eine grofce Ungleichheit, bah wirfliche Vergehen unb Verbrechen,
wenn oon Anberen gelegentlich Der SSahrnehmung berechtigter Snter*
effen begangen, milber beurtheilt werben, bagegen es als ein er*
fchwerenber Umftanb gilt, wenn fte oon Arbeitern im Stampf um
beffere ArbeitSbebingungen oerübt werben. Sftad) §.153 ber ©ewerbe*
orbnung follen, foweit nicht fefjon nach bem allgemeinen Strafgefeb
eine härtere Strafe eintritt, bie Anwenbung förperlichen 3mangS, oon
Srohungen, ©hroerlefcung unb VerrufSerflärungen unter AuSfchluh
ber ©elbftrafe, mit ©efängnih bis gu brei Vtonaten beftraft werben,
wo fie in Verbinbung mit Verabrebungen gur ©rlanaung günftiger
ßohn* unb ArbeitSbeoingungen oorfommen. 2Bie oer Vorfifcenbe
bes ©erichtS in St. §ohann*8aarbrücfen bei einer Urteils*
oerfünbigung äußerte, 8 ) gilt es nämlich als „ungehörig, Semanben
gn bewegen, einem Vereine beigutreten, ber für Streifs :c. wirfe;
auch weil biefe Vereine ben 3mecf hätten, eS jebem Vteiftcr gur
Unmöglichfeit gu machen, Arbeit gu übernehmen. Ser ©efefcgeber
wolle, bah in allen biefen ^fällen ©efängnih ftatt ©elbftrafe ein*
trete". So hot bie Ungleichheit beS Rechtes benn felbft bie weitere
Auslegung ber ©efefce oerfchulbet, ber jene Urteile gu banfen ftnb,
welche ber Abgeorbnete ßieber im Reichstag als „himmelfchreienb"
begeichnet h°t.
Am ungerechteften aber ift bie ungleiche Vehanblung oon
ArbeitSoerfäufer unb ArbeitSfäufer beim Stampf um bie Regelung
bes Arbeitsangebots mit £>ülfe oon an ftch unanfechtbaren
Mitteln. Sch meine bie Haltung oon Vol^ei, 9tedjtfpred)ung unb
ncnerbingS ©efefcgebung gegenüber bem Sßoftenftehen. Bei einer
Arbeitseinteilung ober AuSfperrung fucht bie eine Partei ber
5 ) Vgl. Seaten, a. a. D. 8. 198, ogl. audh ebenbafelbft, S. 200,
ben ftaH beS ©laferS 9ft. in flauen.
6 ) „Aation" oom 4. 3Jtärg 1899, @. 880.
7 ) So berichtet g. V. Regien S. 218: „SBäbrenb ber 1898er Sohn*
Bewegung tu ^otfchappel Bei Bresben, rebete ber ftreifenbe, 22 S«h re
alte VorgeQanmalcr V. auf bie SKutter beS ftch am Streif nicht Be*
tbeiligenben VorgeHanntalerS {>. ein, bah fr ebenfalls „mitmache", unb
Bemerfte bann fcfjliehli<h : fann ruhig arbeiten, er thut uns feinen
Sdjaben; aber wenn wir je^t toieber arbeiten, bie, bie jefct ftfccn,
fliegen bann ’rauS; bie werben ’rauSgefchmiffen. ©Brr fangen wir
nicht an, als bis bie ’rauS ftnb". SaS Schöffengericht in $öl)lett oer*
urtheüte V. gu einem HRonat ©efängnih- Sie UrtbeilSbegrünbung
lautet: „Vei Vemeffung ber Strafe ift ftrafminbernb Die xtogenb unb
bisherige Unbeftraftheit beS Attgeflagten, fowie bie ©rfolglofigfeit feiner
Ventühungen, ftraffchärfenb bagegen berücffichtigt worben, bah fm
gehen, wie baS beS Angeflagten, geeignet ift, bem in grage ftehenben
Arbeitgeber — im oorliegenben §alle alfo bem 3 eu 0 en — fdjwere
gefchäftlidje Aachtheile gngufügen, unb bah e$ weiterhin fehr leidjt bagu
führen fann, bie allgemeinen öffentlichen Snterefien burch Störung oon
Snbufirie, &anbel unb Verfehr gu fdjäbigen. ©S erfchien Daher ein
A?onat ©efängniß als attgemeffene Ahnbung." SaS Canbgeri^t in
SreSben betätigte baS llrtheil. Dber auf S. 215: SSährenb beS
Streifs in ber Dfenfabrif Saxonia in Leihen (1897/98) arbeitete ber
Töpfer 2£., 55 S«hre alt; in ber Sajottia als Aöhrcnntacher unb war
fomit am Streif nicht beteiligt. Sein Vergehen beftanb barin, bah er /
als er eines 2ageS oon Arbeit fam, einem ihm befannten Arbeiter, ber
in ber Saxonia währenb beS Streifs fchtteH bie Töpferei erlernen
wollte, traf unb folgenberntohen anrebete: „2)u wirft Doch nicht in
deinen alten Sagen Me Dummheit begehen unb SÖpfer lernen, guntal
jeM in ber Sajonia, wo geftreift wirb unb £>u nicht ftcher bift, ob fte
Sir eins auSwifchen." Siefer STOantt würbe gu fünf SJfonat ©efängnih
oerurtheilt.
8 ) Vgl. Regien a. a. C. S. 200.
anberen ihre VertragSbebingungen aufgunöthigeit. S)cr ©rfolg
ber ArbeitSoerfäufer hängt baoon ab, bah bie ArbeitSfäufer feine
Arbeit gu anberen als ben Vebittgunaen ber Arbeiter finben; ber ber
ArbeitSfäufer, bah bie ftreifenben Arbeiter baburd), bah fte nir*
genbSmo attberS angenommen werben, gur Unterwerfung genötigt,
eoentucl! bah ihr Angebot burch baS anberer Arbeiter erfefct werbe.
Sie ArbeitSfäufer h fl ben eS leicht, ben erften 3mecf gu erreichen.
3hre tarnen ftnb befannt. ©S ift baher für fie leidet, miteinanber
in Verbinbuttg gu treten. SJJittelS bes SelephonS unb V r O s
ffriptionSliften, welche bie tarnen ber ftreifenben ober auSgefperrten
Arbeiter enthalten, oerhinbern fte, bah biefe anberSwo befdjäftigt
werben. Um ben gweiten 3mecf gu erreichen, fuchen fte ftch Arbeiter
meift oon anberen Drten gu oerfchaffen. Oft wirb bas gange
ßanb nach Arbeitern burchfud)t unb bie burch Veoingungen, beren
©unft ober Ungunft fte nicht ju beurtheilen oermögen, ©ewonnenen
werben auf Soften ber Arbeitgeber h c ^ e i9^f<h Q fft/ um an Stelle
ber geiernben in Arbeit ju treten. @S fommt fogar oor, bah
auSlänbifche Arbeiter gu biefem 3mecfe fjerangegogen werben. Vei
ben ArbeitSoerfäufem bagegen hängt ber ©rfolg lebiglich a & 00n
ber ©üte ihrer SDrganifatton. SSo fte gut organifirt ftnb unb bie
Drganifation bie grofje Vfehrheit ber Arbeiter eines VerufS in
einem ßanbe umfaht, ba ift allen Arbeitern befannt, wo ein ArbeitS*
fampf ftattfinbet unb es ift felbftoerftänblich, bah ba bie ArbeitS*
fäufer feine Arbeiter gum ©rfafc ber Seiernben finben; ber ©rfolg
hängt hier lebiglich ab oon ber ©röfje ber oon ben Arbeitern an*
gefantmelten Vfittel. Saher benn bie beftorganiftrten englifchen
©ewerfoereine baS ^ßoftcnflehcit faum mehr für nötljig erachten.
2Bo bie Drganifation ber Arbeiter noch mangelhaft ift unb nament*
. lieh bei allen ungelernten Verrichtungen, bei Denen jeher Arbeiter
ben anberen erften fann, hoben bie geiernben fein anberes Mittel,
um anbere Arbeiter oon einem ArbeitSfampf gu oerftänbigen, als
baS ^oftenftehen unb bie Vreffe.
Veim Voftenftehen werben Arbeiter in bie 9?ähe ber gefperrten
ArbeitSftcllen ober auch auf Bahnhöfen aufgefteUt, um biejenigeu
angureben, welche bem Sftufe ber Arbeitgeber Solge Ieiftcn, ohne
oon bem ArbeitSfampfe gu wiffen. 3>ie Arbeiter hoben als Siegel
nidjt ben V^unfch, ihre ©enoffen gu unterbieten, hätten fie oon
bem ArbeitSfampfe gemuht, fo wären bie Vteiften gu §auS ge*
blieben. ©S ift nun Aufgabe ber V°ftat, bie 3umanberttben oon
bem ftattfinbenben ArbeitSfampf gu unterrichten, ihnen bie Ve*
fchmerbeit, um bie eS ftch honbelt, mitgutheüen, fie gur Untfehr gu
Überreben unb ihnen baS gur |>eimfehr nötige 9teifegelb gu be-
gahlen. 3n att’ bem fann, fofern feinerlei ©ewalt gur Anmenbung
fommt, etwas Unberechtigtes nicht erblicft werben, ferner er*
möglicht biefeS Voftcnftchen gu fonftatiren, ob fein Arbeiter, ber
Streifunterftüfcung erhält, nicht gleichgeitig auch Sohn oom Arbeit*
geber, inbem er, ber Vereinbarung untreu, für biefen arbeitet,
erhalte. ©nblich werben bie geiernben in Stanb gefefct, fich
baoon ju übergeugen, ob bie Arbeitgeber Arbeiter erhalten, welches
Daher Der oorauSfichtliche ©rfolg fein wirb unb ob es Demnach
angegeigt ift, Sfrieben gu fliehen ober nicht. §anb in §anb mit
biefem ^Softcnfte^en gehen SÄittheilungen in ber ^refie, wie:
Dort unb Dort ftnbet Arbeitseinteilung ftatt, oerbunben mit ber
Aufforberung, 3 u gug abguhalten.
2)ie englifche ©efefcgebung oon 1875 hot bie ooUe Stonfequeng
ber mobernen Auffaffung Des ArbeitSoerhältniffcS gegogen, inbem
fte baS Berechtigte biefeS Vorgehens ber Arbeiter ausbrüeflith an*
erfannt hot. S)er lefete Abfap ber Älaufel 7 Des VerfchmörungS*
gefefeeS oom 13. Auguft 1875 nimmt baS Voftenftehen, lebiglich
gu bem 3medf, Nachricht eingugiehett ober gu geben, oon allen
Strafen aus, mit Denen ©ewaltthaten gegen Arbeitswillige ober
©infdjüchterung berfelben bebroht finb. S)ie h^orraaenbftcn
Arbeiterführer hoben feitbem wieberholt erflärt, bah bit Arbeiter
Damit AKeS erlangt hätten, worum fie fo lange geftritten; unb
bei biefer 3ufriebenheit würbe eS geblieben fein, hätten nicht einige
dichter feitbem bem ©efefce oon 1875 eine Auslegung gegeben,
welche einen £heil 5er alten Befchmerben aufs 9?eue ermeeft hot.
Vor ber Royal Commission on Labour hoben einige ©ewerf-
oereinSoertreter Daher um eine neue gefefcliche Snterpretation Des
SBorteS „©infchüchterung" gebeten, wonach nur folche VJorte als
Drohungen im gefehlichen Sinne gelten follen, bie einem oerniinf*
tigen S3fenf<f)en furcht gu erweaen im Stanbe feien, währenb
Anbere weiter gingen unb folgeube f>anblungcn Der Arbeitgeber
oerboten gu fehen wünfehten: ^ßroffriptionSliflen, AuSweifung ans
ben Arbeiterwohnungen ohne oorgängige Dreimonatliche Äüitbigung,
©ntlaffung ohne Angabe eines auSreid)enbeu ©ruubeS unb beis
Anwerbeit oon Arbeitern währenb eines Streifs, ohne bag biefe
gleichgeitig oon biefem unterrichtet würben.
1287
Soziale $röji*. Ecntralblatt für SogtalpoliiH. Sta. 49.
1288
3n $)eutfcßlanb bagegen haben mir nocf) nießt einmal bag eng*
Iifcf>e ©efeß non 1875 erreießt. Eg erfeßeint noeß alg milbe, wenn in
©örliß ein Maurer, weil er bie ©orte brauste: „College, i<ß
niacße Sie barauf anfmerffam, baß bie ©aurer hier fireifett,"
„Mob" Su eine ©elbftrafe oerurtßeilt tourbe. 9 ) Sricßt nur baß bie
Boligei, felbft ba, wo nur ein Boften auf ber Straße beobaeßtenb
auf« unb abmanbelt ober ein paar Arbeiter fid^ auf einer Banf
nor einem Baßnßof nieberfeßen, biefe megeit Störung beg öffent¬
lichen Berfeßrg wegweift, in Ermangelung anberer Strafpara*
grapsen hat man ben groben Unfuggparagrapßen nußbar gemacht,
um Streifpoften gu empfinblicßen Strafen gu oerurtßeilen. 10 ) 3a,
man hat fogar einfaeße Befanntmacßungen in ber Breffe, „3ugug
abßalten", alg gjoben Unfug beftraft. 11 ) Unb bamit nießt genug.
3)er §. 4 ber Vorlage „gum Scßuß beg gewerblichen Arbeitgoer*
fjältniffeg" bebenft „bie planmäßige Uebertoadjung non Arbeitgebern,
Arbeitnehmern, Arbeitgftätten, ©egen, Straßen, s $läpen, Baßnßöfen,
©afferftraßen, £afen* ober fonftigen Berfeßrganlagen" mit ©e*
fängttiß big gu einem Saßte, milbernbeu Umftänben mit (Mb*
ftrate big gu eintaufenb ©arf. Unb nimmt man bie $!enffcßrift
über bie Augfchreitungen bei Arbeitgfämpfen (S. 49) gur §anb,
fo erfeßeint eg fogar fraglich, ob banaeß bag bloße ©iethen einer
©oßnung gegenüber bem Xßoreingang einer oon einem Streife
betroffenen gabrif, um ben 3ugang S u bcrfelben fontroliren gu
föttnen, troß beg § 4 Abfaß 3, weldjer ^anblungen, gu benen ber
Später berechtigt ift, oon Strafe augniinint, nicht auch mit ©e-
fängniß big gu einem gnßre bebroßt ift.
©ährenb aber bie Begrünbung ber Vorlage gum Scßuß beg
gewerblichen Arbeitgoerßältniffeg (S. 13) bag Streüpoftenfteßen
unb überhaupt eine Uebertoadjung, «auch bann, wenn bie ^often*
ftehenben fieß ber Drohungen, Ehroerleßungen ober Sthätlic^feiten
gegen Arbeitgwillige enthalten," für ein unguläffigeg Kampfmittel,
unb ber §. 4 eg bemgemäß für ftrafbar erflärt, heißt eg auf S. 15
ber Begriinbung, baß eg ben Arbeitgebern nicht oerwehrt werben
föittte, „baß fie fieß über bie Aicßtbefcßäftigung gewiffer Arbeiter
unter einanber oerftänbigen unb fi<h gegenjeitig Bergeicßuiffe ber*
jenigcit ^erfoiten mitttjcilen, bie fie in ihre betriebe nießi aufnehmen
wollen/' ©oßl noch niemalg, feit mit Abfchaffung ber £>örigfeit
alle Staatgbürger als gleich oor bem Rechte erflärt worben ftnb,
ift bie Ungleichheit beg Stecßteg in ähnlicher ©eife als ^ßringip
ßingeftedt worben. 2>en Arbeitgoerfäufern wirb eg unterlagt, gunt
3wecf ber Regelung beg Arbeitgangebotg frieblich mit einanber in
Berbinbuttg gn treten; ihrem ©eguer im Breisfatnpf bagegen, ben
Arbeitsfäufern, wirb bag erlaubt, wag ihnen oerboten wirb: bie
Regelung beg Angebotg ber ©aare, welche bie Arbeiter oerfaufen,
foH fortan nur mehr ben Arbeitgebern überlaffen fein! Unb ad’
bag gar noch nicht etwa im 3ntereffe ber Arbeitgeber, nein, in
betn ber Arbeiter felbft!"
®a läßt fieß beim begreifen, baß bie ©ünfeße ber Arbeitgeber
feitbem noch gewaeßfen fitib. Seit einiger 3 e ^ fittb an ben oer*
feßiebenften £)rteu ^eutfcßlanbs Arbeitgnacßweife entftanben, bie
über ben Parteien fteßenb, Angebot unb Nachfrage auf bem Arbeitg*
marft „paritätifch" in oielfadj oorgüglidjer ©eife oermitteln. Bon
bem allgemeinen £obe, wcltheg biefen Einrichtungen gu 9<>
worben ift, feßließen bie organifirten Arbeitgeber fid) aug. 3h r
3beal finb bie Free Labour Orgaoisations, welche bie organifirten
citglifdjen Arbeitgeber neuerbingg iug £eben gu rufen gefudjt haben,
um bie Siegelung beg Arbeitgangebotg auSfcßließlicß in bie «jpanb
gu befoinmen. Sie follen bagu bienen, im galle oon Arbeitg*
ftreitigfeiten jebergeit „Arbeitgwillige" gur Verfügung gu ftetten.
2>iefe' „freien" Arbeitsorganisationen haben mit ber Freiheit ber
Arbeit fo wenig gu thun wie nnfere 3udjthangoorlage. ©eher
baß ihre Leitung in ben .^änben ber „freien" Arbeiter felbft liegt,
noch audj baß fie im Sntereffe ber Arbeiter beftehen. Sie finb in
jeber Begießung Crganifationen ihrer (Gegner im s ^reigfampf.
Allein nach ben Beftimmungen beg §. 4 ber fog. 3 l, d)tbauSoorlage
wäre es fonfeguent, audj biefen ©unfdj nuferer organifirten Arbeit*
geber gu erfüllen unb, unter Unterbriicfung ber paritätifcßeti Arbeitg*
uachmeife, in 3 l, funft Icbiglidj Arbeitgnachweife in .jpänbeit ber
Arbeitgeber gu bulbeu. Eg wäre bieg eben nur ein weiterer Scßritt
in jener Bolitif ber formalen Aufredjterßaltung beg KoalitionSrecßtg
unter gleichseitiger Unmöglichmachung feiueg ©ebraueßs bureß anbere
(heieße. Eg wäre bie Krönung jener Auslieferung ber Siegelung
bes Arbeitsangebots an bie Scachfrage nach ' Arbeit, welcßc bie
'•') Regien a. a. D. 2. 211.
w ) 3?gl. hegten S. S3 ff.
n j Regien 2. 99 ff.
3ucßthaugoorlage unter bem tarnen beg Scßußeg ber Arbeigwilligcu
tßatfäcßtich bebeutet.
©elcßcm anberen SSerfäufer ßötte man je gugemutßet, bag An*
gebot feiner ©aare oom Käufer regeln gu laffen!
TOncßen. ßujo Brentano.
Mgemdiu Sojlal- ttttli ÄirttjfdJaftspolitib.
Sit Sogialpolitil auf ber E5eneraltierfammlung ber Katßoftfett
2)entfcßlanbg.
Auf ber ©eneraloerfammlung ber Katßolifen ©eutfcßlanbg, bie
Enbe oorigen SJlouatg in Sleiffe abgeßalten würbe, ftanb bie
Sogialpolittf im Borbergrunb. 9Kan beftßäftigtc fteß fowoßl mit
ber Agrarfrage, wie mit ber grauenfrage unb oor Adern mit ber
Arbeiterbewegung. Begüglicß ber leßteren erneuerte man bie
früheren Befcßlüffe, überall fatholifcße Arbeiteroereine gu grünben
unb bie cßriftlicßen ©ewerffeßaften gn förbem, bie wieber eine (5r*
gängung ber fonfeffioneden Arbeiteroereine fein follen. Begeicßnenber
©eife begann bie ©eneraloerfammlung mit einem Steftgug ber Ber*
treter ber fatßolifcßen Arbeiteroereine mit ihren Bannern unb mit
einer Arbeiter*3efioerfammlung, in ber SteicßgtagSabgeorbnctcr
Dr. ®ide*Berlin bem engften 3ufömmenf<hluß ber latholifcßen
Arbeiter bag ©ort rebete. Ueber 300(300 fatholifcße Arbeiter feien
feßon organifirt, aber bag fei noeß wenig gegenüber ben runb
5 700 000 nid)t in Arbeiteroereinen organiftrten fatßolifdjen Arbeitern
unb gegenüber ben fogialbemofratifdjeit ©affen. S)em fogial*
bemofratifeßen ©oliatß müßten bie fatßolifcßen Arbeiteroereine alg
jugenbfräftiger ^)aoib gegenübertreten, ^iefeg Bilb erweiterte ein
anberer Sfebner, P. Auracßer, baßitt: „3h^ follt ber 3)aoib fein
gegen beit fogialbemofratifcßen ©oliatß, unb ber Kiefelftcin, mir
bem ißr ißn nicberfeßmettert, fei euere Drganifation. liefen Kiefel*
fteiit müßt ißr ßeraugneßmen aug bem flaren Bacß ber cßriftlicßen
Dffenbarung."
©ie ein ßeitmotio ging bureß bie gefatnmtcn Berßanblungen
ber Apped an bie Katßolifen, auf fogialem ©ebiete ißre ^fließt gu
betätigen: bureß görberung unb Aufdjluß an bie fogialpoluifdgen
fatßolifcßen Bereine unb Berbänbe, bureß bag Stubiutn ber fogialen
fragen, bureß fogialpolitifcße Kurfe unb S)igfutirflubg, bureß Bor*
träge zc. Ein Bebiter proflamirte bie fogiale ©itarbeit aueß als
eine patriotifeße unb nationale ^fließt, benn nur bann föntte bas
Baterlanb geheißen, wenn ißm nießt nur ber religiöfe, fonbern aud]
ber fogiale griebe erßaltcn bleibe. Unb wer fieß gu ber Erfenntitiß
bureßgerungen ßabe, baß eine praftifeße Sogialpolitif bie Bor*
bebingung ift für jeben nationalen unb inbuftrieden Sortfcßritt,
ber werbe nießt raifonniren über fleine Unbeguemlidjfciteu bei
fogialen ©efeßgebung, über bag ©arfenfleben, über gewiffc Arbeiter*
fcßußoorfcßriften 2 c. ,,©enn ber oierte Stanb fieß nießt mit uns
organifirt, fo wirb er fteß organifiren gegen ung," rief biefer
Bebner aug. Ein anberer Stebner, ber über bte grauenfrage fpraeß,
regte bie Einberufung eineg fatßolifcßen grauentageg an, um bie
fatßolifcßen Srauen über bie ntoberne 3 ra wenbcwegung gu be¬
lehren. Unter |)inweig auf bie in erjjcßrccfenbem ©aße wacßfeitbe
3aßl ber erwerbgtßäiigen grauen befürwortete er im gntereffe ber
©ereeßtigfeit ben gleicßen ßoßn für ©ann unb grau bei gleichen
ßeiftungen.
3m Eingelnen befürwortete bie Berfantmlung: Bauernoereine
unb Iänblicße ©euoffenfcßaften, ingbefonbere Slaiffeifen’fcße $Dar*
leßngfaffen, Bereine für Iänblicße Arbeiter unb SDienftbotcn auf
cßriftlicßer ©runblage, fittlicße unb religiöfe $ebung ber ©itglieber
biefer Bereine unb Belehrung berfelben über bte Borgiigc ber
länblicßen Arbeit oor ber inbuftrieden, gürforge ber länblidßett
Befißer für Seßßaftigfeit unb Bilbutig ber länblicßen Arbeiter,
Iänblicße §augßaltnnggfcßulen, gürforge für jugettblicße Arbeiter
unb ^anbwerfer, görberuitg beg |janowerferfd)ußeg and) bureß
Einführung beg BefäßiguugSnad)weifeg, ©riinbung fatßoUfcßer
Arbeiteroereine unb görberung cßriftlicßer ©ewerffdjaften, bie eitt
wefentlicßeg ©ittel gum fogialen grieben feien, Einfcßräitfung unb
Beseitigung ber Befdjäftiguna oon oerßeiratheten grauen unb oon
Kittbern in gabrifbetrieben, Berbeffcrung ber ©oßnunggoerhältitiffe
ber Arbeiter bureß §°fP*S c / gcmeittnüßtge Baugcnoffenfcßaften >c.
Qie meiften biefer fünfte finb ©ieberßoluttgen früherer Bcfcßliiffe.
Bemerfengwertß war aud) bie mit bem Kongreß oerbuitbene
©eneraloerfamntlung beg Bolfgoercing für bag fatßolifcße ^entfeß*
lanb, einer Scßöpfung ©inbtßorftg, bie jeßt 186 602 ©itglieber
gäßlt, oon benen bie meiften in Bßeittlanb unb ©eflfalctt tmb
Sübtoeftbeutfcßlanb woßneit. liefen ftarf fogialpoütifcß gefärbten
1289
©ojiale fhragti Eentralblatt für ©ojtalpoltttl. Str. 49.
1290
Verein fann man gcwiffermaßeu alg beit Ejefutor berjenigen
3bectt auf foziatem ©ebiete bezeichnen, bie auf ben allgemeinen
©eueraloerfammlungeu ber Katßolifen angeregt roerben.
Abalf Stötfer über Streifoorlage mtb Stjta&eftYiu* 3m „Voll"
($r. 206) o er öff entließt Abolf Stocfer ben üblichen Sebau-Vrief,
ber fi<h biegmal befonberg gegen bie falfchen Anfcßauungen unb bie
falfcßeti Vlaßnaßmen, bie gegenwärtig gegen bie Arbeiterbewegung
in Vegierunggfreifen oorßerrfeßen, roenbet. Stöcferg 28orte treffen
ben SRagel auf ben Stopf, unb eg ift ung eine greube, feine Äug»
füßrungen — mit einigen Kürzungen — unferen liefern mitzutßeilen:
Sie Streifuorlage, eineg ber unglütflid)ften Experimente, bie auf
bem fozialpolitifcßen Voben gemacht ftnb, ift ung ein neuer Veweig ber
falfrficn Aiiffaffung, bie in ben maßgebenden Greifen ßerrfeßt unb ein
neues? ^eugnig ber unrichtigen Veßnnöliing, bie man ^ter ber Arbeiter*
beweguug angebetßeit lägt. Eewiß lommen bei ben Streifg Äug»
fdjreitungen oor, bie unoerantmortlicß finb; aber ganz ebenfo gefcheheit
bei ben Gingen unb Spnbifaten Singe, bie ganz ebenfo oerwerflicß
finb. SBenn ein Ving Vrobuftiougwillige, bie ihm nicht beitreten, mit
Entziehung beg Vohmaterialg, alfo mit Vernichtung ber Ejiftenz be»
broht, fo "ift bag — alle Umftänbe erwogen — fdjlintmer, alg wenn
ein 'Streifbrecher befeßimpft ober im böfeften gafi gefcßlagen wirb.
Sclbftuerftänblicß fmb wir ben ©emalttßätigfeiten ber Arbeiter gerabe
fo abgeneigt wie benen ber Arbeitgeber. Aber will man jene fcßärfer
ftrafeii, fo famt man biefe nicht rußig lüiigeljen laffeit. V$ag bie Streif»
uorlage uon uornßerein ju gaüc brachte, war ber Einbruch baß ftc
einfeitig gegen bie Arbeitnehmer gerichtet fei. Ser Staatgfefretär ber
guftiZ hat Sag fdjließlid) felbft sugeftanben. Vicßtg aber erbittert bie
Arbeiter fo wie parteiifeße Vehaublung. Ser Kaifer ßat fte einmal alg
einen gleicßberedjtigtcn Stanb bezeichnet. SSemt biefer Äugfprudj nach
allen Seiten burdjgefiihrt würbe, würben bie arbeitenben Klaffen halb
ein anbereg Aitgeficßt zeigen- 3unächft aber haben fte wirflich @runb,
fid) über eine uerfdjicbene Veßanblung zu befiagen. 3ßr Koalitiong»
recht wirb burd) bag in ben Einzelftaaten befteßenbe Vereinggefeß be»
feßränft ober oernießtet. Unb, wag bag Uebelfte ift, auf Koalitionen
oon Arbeitgebern wirb bag lefctere nicht angewenbet. Ser Eentral-
oerbanb beutfdjer gnbuftrieder, ber hunberte oott oerfchiebenartigen Ver*
einen umfaßt, mag bei feinen fozialeit Verßattblungen bag politifcße
Ctfcbiet ftreifett, fo oiel er will, man wirb ihm nid)tg in ben 2Beg legen.
SSenn aber Ärbeiteroercinigungen fuh Z u wirtßfdiaftlicßen unb fozialen
^werfen oerbinben wollen unb babei politifche Momente berühren —
wag ganz uHoermeiblid) ift, — fo oerfallen fte leicht bem Verbot unb
ber Äujlöfung. Vci Arbeiterinnenoereinen aber wirb oft fchon bag
©elteiibmacßen politifdjer Eefidjtgpunfte innerhalb beg einzelnen Vereittg
alg Wrntib ber Maßregelung benußt. Eben biefe Verhältniffe geben
ben Arbeitern gerabezu ein Siecht, bie Sicherung unb Stärfung ber
Koalitionsfreiheit zu erftrebett. 3Benn nun ftatt beffcit bie Streifuorlage
ihnen nodi größere .frinberniffc bereiten will, fo begreift man, baß bie
getan:inte Arbeiterweit, fo weit fte benft, in ber Äbmeifmtg biefeg gefeß»
geberifdjen Verfließ# eitig ift. Sarin ift fein Unterfdjieb zwifdjen Sozial*
beutofiaten unb euangclifdjen Arbeiteroereinert, zwifeßen ©ewerfoereinen
unb du* ft lidjett Arbeiteroerbänbcn; fte alle ohne Äugttahnte fehett in ber
Vorlage eine ttngünftigc unb uitoerbiente geffel. Sieg Oiefühl ift ba*
burdt noch oerftärft, baß ber Sieidjgfauzler bie Aufhebung beg Vcrbotcg
ber Verbinbuitg politifdjer Vereine oerfprochen ßat; eine Verheißung,
bie itod) immer nicht in Erfüllung gegangen ift.
Man fragt erftauut, warum eigentlich bie regierenben nnb maß*
gebenben Kreife ber Arbeiterwelt mit folcßcn Vlänen gegettiiBertreten.
Unb matt famt nur antworten, baß fte bie in biefer V*elt oorbanbenen
uub wirffanteu Sriebfräfte nicht fennen. Ein unübertoinblidieg Miß*
trauen ßinbert ben unbefangenen VUcf. Man oerwecßfelt bie Arbeiter¬
bewegung mit ber Sozialbemofratie unb broßt ber leßteren mit Ma߬
regeln, bie atteß bie erfiere treffen. Saburcß eben erweeft man ben An*
fdjein unb ftärft bie gerabezu töbtlicße. Änfdjauutig, alg ob allein bie
fozialbcntofratifcße Partei bie Arbeiterbewegung repräfentire. Sic Ar*
beitgeberfreife haben ftch unt bie cßriftlicßeit Vefirebungen in ber Ar-
beiterwelt fo gut wie nießt gefümmert; bie Vegientug ßat bie cßriftltcß*
foziale Vewegung geßinbert, geftört unb geädjtet. Stirn fteßt man in
ber Arbeiterfcßaft immer nur beullmfturz unb oergißt, baß ber größere
^ heil berfelbett noch außerhalb ber fozialbemofratifdien Partei fteht unb
baß eg bie wießtigfte aller fozialpolitifdjeu Aufgaben ift, biefeit bem
Umfturz noeß ttießt an heimgefallenen Sßeil z» bewaßren unb z« feftigett.
Sazu aber ift unerläßlich, baß bie Regierung uub bie fouferoatioe
Partei ber Arbeiterbewegung uub ber Sozialreform oerftänbnißooH
uub freunblid) gegenüberfteßen.
Aucß bie Sozialbemofratie foüte anberg angefeßen unb beßanbelt
werben, alg cg jeßt in biefen Kreifen gefeßießt. Eg ift eine unbeftreit*
bare Shatfacßc, baß biefe V^idei bie blutige Steoolution, ben Umfturz
allcg Vefteßeuben, ben ^ufunftgftaat, ben großen Klabberabatfcß unb
wie alle biefe Vbantaftercien heißen, bei Seite gelegt hat. Ebenfo ift
ber Marrigiiiug, bie tßeoretifche Öiruttblagc ber im ^crüröcfeln.
V?ic fdjon früher bag eherne ^ohngefeß, wirb jeßt bie Verelenbungg*
tßcorte, ber Äffuntulaiiougprozcß beg Kapitalg, bie materialiftifcßc Eie*
fdiiditgauffaffung innerhalb ber V ar t e * felbft beftritteu. Aber anftatt
fteß biefer 3 crfcßutig unb feineg Verzicßtg auf gewaltfamen Umfturz z u
freuen, will mau bureßaug oott Vefferuitg nießtg ßoren, fonbern ßält
bie gemaltfamc llutcrbrüduttg für bag einzig wirffame Mittel z«r Ve*
fäntpfuitg ber Sozialbemofratie. 2Bag man ftatt beffen zu thun
hätte, ift für ben erleud;teten Sozialpolitifer ltidjt zweifelhaft. Auf
Seiten ber Öefeßgebung nnb ber Verwaltung fotttc mau ben Arbeitern
gegenüber bie unparteiifdite .&attb walten laffen, bag Koalitiongredjt
nießt bloß nidjt antaften, fonbern alg einen eßemen Reifen beg Arbeiter*
reeßteg feftfteHeu. Sie füßrenbett Klaffen — unb id) bertfc hierbei be*
fonberg an bie waßre Ariftofratie — foDten bie politifcße 6 )leicßbered;ti*
gung ber arbeitenben Klaffen willig anerfennen unb z u * Geltung
bringen. ... Sie fogeitanttte „Sitcßthaugoorlage" ßinbert im 3«ucrn
bie Augwirfung ber , foziulbemofi , atifd)en Sifferenzen unb macht aug
Eifen Staßl, iitbent fte bie augeinaitber ftrebenben Settbcnzeit zufammett*
ßämmert uub fefter feßmiebet. 9?adj Außen aber ntadit eine folcße ©c*
feßgebung ben Einbrucf ber Volfgzerrütiung unb ßinbert ung in ber
Kraftentfaltung für bie große europäifdje unb Seltpolitif.
Sag ftnb EJebaitfengänge, bie bem £efer ber „6oz. ^rajtg" eng
oertraut fuib. Wiv fönnen nur münfeßen, baß fte aucß in ben fon*
feroatioen ^arteifreifen, bie eine Qtit lang fi^ mit Eifer unb Ein¬
gebung ber Surcßfüßruna einer gefunben Sozialreform wibmeten,
wieber maßgebenben Einfluß gewinnen!
tfrauen in ben Scßnlfomtnifftoiteit non ISent. Sie Regierung
oon 33erit ßat bem Kantongratß einen Elefeßentwurf oorgelcat,
wouaeß bie grauen unter ben nämlicßen Vebingungen wie Die
Männer zu Viitaliebern ber Scßulfommiffioncn ber primär- unb
Mittelftufe wäßlbar fein follen. Vei ber Erziel;unggbireftion hatten
bie Seftion Vern beg feßweizerifeßen ßeßrerinnenoereing, ber Verein
ber fcßulfreunblicßen ßrauen, bie grauenfonferenzen z um
genöfftfeßen Kreuz, ber Verein ber Öreunbinnen junger 2Räbcßen
unb bie cßriftlicß-foziale ©efeüfdßaft bie VSäßlbarfcit ber grauen in
bie Kommiffionen (Änffiditgbeßörben) ber öffentlichen Scßulen naeß-
gefueßt. Erzicßunggbircftor ©obat bemerft in bem an ben Kantone»
ratß gerichteten Vericßte wörtlich:
w gür bie Einführung ber ftrau in bie Schulfommifftonen fpridjt
AHcg. Sic 3rau, alg geborene Erzieherin, gehört in bie Scßulc unb
in bie Schulleitung; bag ift ein unbeftreitbarer Saß SBir enthalten
ung baßer, äße ©riinbe, bie bafür fpredjen, ßier anzufüßren. Saß bie
j^rau gegenwärtig bei mtg oon beit Schulfommifftonen auggefcßloffeit
ift, läßt fich bloß baburch erflärett, baß ber Mann, ber bag Vriuileg
ber Elefeßgcbung in Anfprud; genommen, nur an fuß gebaeßt unb bir
beffere EÄlfte ber Menfdjßeit einfad) ignorirt ßat."
Sag ©efeß feßreibt oor, Ehemann unb Ehefrau bürfen nießt
gleichzeitig in einer Scßulfommiffion fißen.
$0}lale Jnftän&r.
Vertßeilung ber gefcßüßteit Krbriterfaiegorien auf bie Per*
feßiebeueu Snbuftrien in Preußen. Ser Äntßeil, ben bie einzelnen
3nbuftriegruppen an ber Vefcßäfügung ber gefeßüßten Ärbeiter-
fategorien, b. ß. ber Kinber, jugenbiidjen Arbeiter unb erwacßfeneit
Arbeiterinnen, haben, ift reeßt oerfeßieben. 3u ben preußifdjen
gabrifen würben wäßrenb beg Sußreg 1898 353 629 Arbeiterinnen
befcßäftigt. $aßezu bie ^älfte baoon, nämlicß 146 539, waren in
ber Seytilinbuftrie tßätig, eg folgten bie Glruppe ber SRaßrungg*
unb ©enußmittel mit 53 676, bie ber Vcfleibung nub Steinigung
mit 38 475, bie Subuftrie ber Steine unb Erben mit 25 598,
Vapier- unb £ebirinbufirie mit 24 663, VtetaDoerarbeitung mit
18 795. Sie übrigen 3»buftriegruppen befcßäftigten jebe weniger
alg 10 000 ermaeßfene Arbeiterinnen, bie 3nbuftne ber forftwirth*
fcßaftlicßeit 92ebenprobufte nämlicß 2487, bann ber Vergbau 5246,
bie 3nbuftrie ber Eolz* unb Sdjnißftoffe 5974, bie eßemifeße 3n*
buftrie 9185, bie (Gruppe ber Mafcßinen, SBerfzeuge u. f. w. 9624
unb bie poltmrapßifcßen ©ewerbe 9899. Aucß in ber Vefcßäftigung
ber jugenblicßen Arbeiter fteßt bie £e£tilinbufirie an ber Spiße,
inbem oon beit inggefatnmt befcßäftigten 142 121 etwa ein ^fünftel,
27 799, auf fie entfallen. Sann aber folgen ßier bie Vtetall-
oerarbeitung mit 23 719, bie ©ruppe ber Vtafcßineit, Vkrfzcuge 2 C.
mit 17 718, bie 3nbuftrie ber Steine unb Erben mit 16 657, bie
©ruppe ber Sßaßrungg» unb ©enußmittel mit 14 492, ber Vergbau
mit 9804, Rapier* unb ßeberinbuftrie mit 7669, Vefleibung unb
Steinigung mit 6714, 3nbuftrie ber E 0 I<S 5 Sdjnißftoffe mit
6713, polpgrapßifcße ©ewerbe mit 6508, djemifeße Snbuftrie mit
2671 unb forftmirtßfcßaftlicße Stebenprobuftc mit 663 Sie Kinber=
arbeit ift in 3wlge ber ©ewerbeorbnungguooelle oom 3cißre 189J
in ben gabrifen faft oödig befeitigt. Von ben 1421 im 3aß^'
1898 befcßäftigt gewefenen Kinbern fielen 412 auf bie Sertilinbuftrie,
256 auf bie ber Steine unb Erben, je 151 auf Vtetalloerarbeituug
unb Slaßrungg- unb ©enußmittel, 98 auf Rapier* unb i?eber=
inbuftie, 80 auf bie ber E°4 S »nb Sdjnißftoffe, 75 auf bie ber
1291
Sojiole ArajtS. Centralblatt für Sogtalpoltitf. Nr. 49.
1292
Btofcßinen, ©erzeuge u. f. ro., 57 auf bie polpgrapßifdßen ©eroerbe,
34 auf Sefleibung unb Steinigung, 33 auf Bergbau, 20 auf bie
tßemifcße gnbuftrie unb 4 auf forftroirthfcßaftlicbe Nebenprobufte,
tiefem Minimum non Kinberarbeit in ben gabrifen ftebt leiber
eine roacßfenbe Serroenbung finblicßer ArbeitSfräfte in ber un*
gefcßütjten Heimarbeit unb bie 3 una b me ber Ausbeutung non
Kinbertt gu fleingeroerblicßer Nebenarbeit gegenüber. — Umftänbe,
bie immer briitgenber eine fachgemäße AuSbeßnuttg ber Scßufcgefefc*
gebung forbcrti.
Die fremfefpradjlid)ets Arbeiter im Nuhrfoßlettbergbam Die
bebcutcnbc Nvlle, roelcße bie frembfpracßlichen Elemente beim Stuhr*
foßlertbergbau fpielen, hat feiner 3 e ^ baS Oberbergamt gu einer
befonberen Spradjenverorbnung veranlaßt. (Bergl. „ 603 . $raji$"
0p. 541.) 0tatiftifcße Erhebungen höben nun ergeben, baß bie
3aßl ber frembfpracßlichen Arbeiter feit bem gaßre 1893 non
25 o / 0 ber ©efammtbelegfdjaft im Stuhrgebiet auf 29 o / 0 geftiegen
ift. Sei einer Selegfcßaft von 155 560 Bergleuten im gaßre 1893
mürben 39 000 frembfpradhlicße Arbeiter gegäßlt, roäßrenb bie 3ößl
berfetben bei einer Selegfcßaft von 198 300 Bergleuten im Sabre
1898 bereits auf 57 000 geftiegen mar. 3 U & cr 3 al &I fretnb-
fpradjltcßen Arbeiter fteüt Dberfcßlefien etroa 5000 aus ben Streifen
^ßleß, Stijbui! unb Statibor, bie fid) faft burebmeg ber polnifcßen
Sprache bebienen. gßre 3 a hl ift feit 1893 nicht erheblich ae*
roaeßfen. Aus ber ^roving $ofen, unb groar aus ben Streifen
Stoßen, Bkefcßen, ^lefcßen unb Eßobgtefen, entflammten im Steh«
1893 etma 9800 polnifd)e Arbeiter, jefct aber über 18 000 . Den
^Srooingen Dftpreußeu unb SBeftpreußen entftammten im gaßre 1893
inSgefammt 20 000 Arbeiter, jefct ftnb es beren 27 440. Diefe
Arbeiter gehören ben SJtafuren unb Littauern aus ben Greifen
0enSburg, goßamitSburg, DrtelSburg unb Neibenburg an unb
fpreeben mafurich unb beutfeh- Die meftpreußifchen Arbeiter finb
Staffuben unb Ermlänber. Die 3 a ^ ber öuS bem AuSlanbe
ftammenben Arbeiter ift von 4250 im gaßre 1893 auf 6590 ge»
fliegen. Hieroon finb 3450 Defterreicßer aus Strain unb bem
öftcrreichifcßen Kitftenlanbe, fomie aus bem ungarifeben Streife
Sremtberg. 0ie bebienen fuß ber flovenifcßen Nfunbart. Aus
gtalien mürben 1440 Arbeiter gegäblt, bie aus ben Sßrovingen
Sicenga unb Darin (Alpengebiet) ftammen. Außerbem finb an
nieberlänbifchen unb belgifcßen Arbeitern noch etroa 1700 im Nußr*
gebiet tßätig. 3 U biefer Statiftif bemerft bie „Nßein. s Beftf. 3 * 0 ."’.
„3tveifelloS mirb fid) bas Serßältniß groifeßen ben frembfpracßlichen
Arbeitern unb ben einßeimtfcßen, beutfeh fprechenben Arbeitern nodj
meiter gu ©unften ber erfieren verfcßtebeit. 0 chon jeßt finb bie
Arbeiter frember Nationalitäten in einem folth reichen Stoße ver*
treten, baß es ber größten Energie ber Sergbeßörbe bebarf, um
einen regelrecht fortfdjreitenben Bergbau gu ermöglichen unb Un*
alücfsfäue möglicßft gu oermeiben begro. auf baS mebrigfte Ntoß
ßerabgubrücfen."
Arbeitslöhne in SftaffadjitfettS. Der fürglich veröffentlichte
fünfte Banb beS EenfuS oon NtoffacßufettS im gaßre 1895 befaßt
[ich uiit ber gnbuftrie unb ben ErroerbSverßältniffen ber Arbeiter
im Bergleiche gu 1885. SHr fiitbcu barin bie nachftehenbeit An*
gaben: Die3ößl ber Lohnarbeiter im EenfuSjaßre betrug 518 626,
barunter 71, 12 0/0 Ntänner unb 28,gg °/o Stauen. Die Loßngaßlung
erfolgte für 26,73 o / 0 nach öer Stunbe, für 38, 7 6 % nach ^ em 2tog
unb für 34 ,51 o / 0 nach bem 0tücf; ber größere Dßeil ber grauen
erhielt 0tücflol)u. Die Lohnhöhe erhellt aus folgenber Dabelle:
B^ocßenlößue
Scanner
grauen
Totale
Unter 5 $ . .
. . 25138
39 Oll
64 149
5 bis (j = . .
. . 16 823
27 382
44 205
(5 = 7= . .
. . 26 237
27 989
54 226
7 = 8= . .
. . 29 228
19 907
49 135
8 = 9= . .
. . 28 475
13 999
42 474
9 = 10 = . .
45 342
9 132
54 474
10 = 12 = . .
. . 51 788
7 069
58 857
12 = 15 = . .
. . 71853
3 841
75 694
15 = 20 = . .
. . 57 610
1 250
58 860
20 $ unb mehr .
. . 16 367
185
16 552
368 961
149 765
518 626
^rbtifefbeitiegttitg.
Die amtliche bentfebe 0trei!ftatiftif für baS L Halbjahr 1899
ift im neueften Bierteljahrgößefte ber Statiftif beS Deutfdjen NeicßcS
crfdjienen. lieber bie bei biefer Erhebung maßgebenden ©runbfäße
haben mir uns in Sir. 36 ber „Sozialen 'J>rayis" (8p. 974 ff.) eilt*
eßenb oerbreitet, roeShalb mir uns hier auf bie SBiebergabe ber
auptfäcßlicßften Ergebniffe befeßränfen fönnen
gut 1. Halbjahr 1899 mürben 574 8 treifS begonnen unb 533
beenbet (im 2 . Duartal 357 unb 352). Die 3ößl ber betroffenen
Betriebe betrug 2910 (im 2. Quartal 2476), biejenige ber bei
Ausbruch beS Streifs befcßäftigten Arbeiter 89 048 (im 2. Duartal
69 833), biejenige ber gleichzeitig ftreifenben Arbeiter 43 382 (im
2. Duartal 34 509). Davon roaren gur fofortigen ArbeitSnieber*
legung berechtigt 26 682 (im 2. Duartal 21603), fontraftbrüchig
12 594 (im 2 . Duartal 8888 ). 3 U völligem 0tittftanb fanten
bureß ben 0treif 1093 Betriebe (im 2 . Duartal 948), nicht auf
alle ©efcßäftSgmeige erftreefte fteß ber 0treif in 824 Betrieben (im
2. Duartal 724).
Nach ber 3 a ßl & er ftreifenben Arbeiter georbnet, fanben in
folgenben gnbuftriegmeigen bebeutenbere 0treifS ftatt:
etntabl bet
tm 1 . $alb*
iafjr
begonnenen
6tret»
3atjl ber
be¬
troffenen
öctrtebe
Sobl ber bei
gubbrud)
beb Streits
befdjäfttgtfn
grbeiter
#§c|SpiM ber
gleid)ieitig
ftreifenben
Hrbettec
Baugeroerbe.
207
1462
27 945
17 113
Teftilinbuftric.
Bergbau, Hütten* unb Salinen*
48
66
13 385
6 645
roefeit.
BefleibungS* unb NeinigungS*
15
27
10 013
4 514
geroerbe .
31
579
4 457
3 195
^nbuftrie ber Steine unb (5rben
gnbuftric ber Sftafdjineit, gn*
ftrumente unb Apparate . .
46
112
4 538
2 999
49
79
11986
2 135
gnbuftrie ber Holg s unb Sdjntjj*
ftoffc .
61
824
3 224
1788
Außerbem ftreiften in ber gnbuftrie ber
NaßrungS*
ttnb ©e*
nußmittcl 1413, in ber SNetaHoerarbeitung 1228 unb im BerfeßrS*
geroerbe 1050 Arbeiter. An allen 0treifS in ben übrigen 3nbuftrie*
gmeigen marert meniger als 1000 Arbeiter beteiligt, gm Be*
ßerbergungS unb ErguicfungSgeroerbe fam nur 1 0treif vor, an
bem fieß nur 6 Arbeiter betßeiligten.
Bon ben im 2 . Duartal 1899 vorgefommenen Au£*
fperrungen finb folgenbe ermähnenSmertß:
3abl ber tm
i. Duart.1899
begonnenen
aus*
fperrungen
3af>l ber
be¬
troffenen
Betriebe
3a$l ber bei
Beginn ber
SuSfoeming
befcbdfttgten
arbeitet
ber
glctcbieittg
auSgefperrten
«rbetter
Bauuniemeßmung in ber Stabt
Berlin.
1
214
ca. 4 000
2 483
NegierungShegirf *) fpotsbam,
Bauunternehmung u. SRaurer
10
93
ca. 1 172*)
1 433
Holgtnbuftrie (Berlin) . . .
1
78
ca. 6 000
1 860
Bauunteruehmung(9Kagbehurg)
1
27
ca. 450
330
©ifengießerei unb SKafcßinen*
fabrif (tfeipgig).
1
11
ca. 2 932
305
Ein Delegirtentag ber fatßolifchen Arbeiterberetne Sübbentfiß*
lanbS hat Enbe Auguft in Nürnberg ftattgefunben. Etroa 100
Bertreter, barunter viele ©eiftlidße, roaren aus Sägern, SMirttem*
berg unb Baben erfdjienen. Die 281 Bereine bilben einen Ber*
banb mit runb 50 000 SNitgliebern. Der Deleairtentag erflärte
fieß aegen baS fogenannte 3öcßthöuSgefeß afe einen Berfucß,
ben Arbeitern bie Ausübung beS ÄoalitionSrecßtS praftifcß unmög¬
lich Jö madjen, mäßrenb bie Arbeiter baS Stecßt ber uneingefeßränften
.Koalitionsfreiheit forberten. DeS Weiteren erflärte man fieß für
ArbeitSfammeru fomie für ArbeiterauSftßüifc in allen größeren
gabrifen. Den H au Pt 9 e 9 cn ftönb ber Berßanblungen bilbete bie
ArbeiterrnoßnungSfrage. Es mürbe bie Erbauung von ga*
milienmohnungen, bie ©riinbung von Baugenoffenfd)aften unb
ftrenge Höubßabung ber SöoßnungS* unb 8 ittenpoligei bureß bie
Seßörben empfohlen. Bon ben ©emeinbebeßörben fod rechtzeitig
Borforge getroffen merben, baß billiger Baugrunb gu ßabeit ift
unb biefer nießt ber privat)pefulation überliefert mirb. S)er
0 taat fott bureß ©runb* unb Baubanfen bie Arbeiter*Baugenoffen=
feßaften unterftüßen, ebenfo foHeit bieguvalibenverrtcßerungSanftatten
betreiben ausgiebigen Sfrebit gemäßren.
Aud ber Berliner Arbettrr&euicgitng. Unter ben Arbeitern ber ver*
feßiebenen Branchen ift gur eine lebhafte 2oßn* unb ArbeitSgeit*
Bemcgutig im ©äuge, bic als ein Spiegelbtlb ber günftigen Sfonjunfiur
bctraißtet merben fann. Soll boeß g. B. im Baugeroerbe eine jo rege
D ßätigfeit ßcrvfißen, roic fie feit bert ©riinberjaßren nidßt erlebt roovbcii
ift. Tabei geigt fiel) bie beacßteuSroertßc ©rfdjeinung, baß unbefonnene
Streifs tßunlicßft uermieben merben, unb baß ftatt beffen bie Eßaneeu
ber Bcroegung planmäßig beredmet unb alles rußig vorbereitet mirb.
') (5s ßaubclt fid) bnnßrocg um Borftäbte Berlins.
lJ ) Bei einigen 8labten iß bic 3ößl nicht angegeben.
1293
SSogtale fragil, (Sentraftlatt für Sogtalpolitü. Nr. 49.
1294
iNan erftrebt nid^t AugenbltdSerfolge, fonbern bie bauembc Seftlegung
mögtichft günftiger Sohn* unb Arbettsbebingungen, wenn möglich form*
ltcpe Dartfgemeinfcbaften auf mehrere ^ahre hinaus. So finb
neuerbingS, behufs allgemeiner Durchführung ber neunftiinbigen Arbeit#*
Seit, bejir». beftimmter ^ohnfäfee, bie Gtfeleure, ©lafer, Sftarmor* unb
©ranitarbeitcr, ^sfolirer unb Nobntmpüller, fofamentirev, bie Arbeiter
auf beu &of)lenplüften, bie Noflfutirfjer unb SpebitionSarbeiter 2 C., in
eine Bewegung eingetreten, bie fteUenmeife auch bie Abfdjaffung ber
Ueberftunben* unb Nachtarbeit jur Beseitigung ber in ben Branchen
herrfchenben Arbeitsloftgfeit begroeeft. Die organifirten barbier-,
grifeur* unb periicfenmacpergcbülfen erftreben ben 8 Ubr*2abenf(pluB.
ÜebcraD geigt fich gugleicp ba# Beftreben, bie gewerfphaftlicpen Drgani*
fationen gu ftärfen.
Becubigmig beS ÄoufUfteS plf^cii Arbeitgebern trab Arbeitern
in Dänemarf. Nach einem Kampfe oon 3 l /2 Monaten fepeint nun
ber Jriebe im gewerblichen Sehen DänemarfS burd) einen Ausgleich
mieber hergeftellt gu roerben. Unb es ift fieper fein 3 u fall, bap
gleichseitig mit einer Aenberung im Nttnifterium auch bie griebenS*
oerhanblnngen gwifepen bem Untemepmeroerbanb unb ben Arbeiter*
organifationen begonnen haben. Am 27. Auguft mürbe ber bis*
herige Ntinifter beS Sunern Barbenfletp burch ben VerficperungS*
bireftor Bramfen erfept. Bramfen, ein peroorragenber National*
öfonom, Vertreter DänemarfS auf ber berliner internationalen
Arbeiterfcpupfonfereitg 1890, gilt als eine ber erften Autoritäten
DänemarfS in ber Arbeiterfrage unb hat fich namentlich auch um
GinignngSätnter unb Sd)ieb#gericpte bemüht. Obwohl ber fon*
feroatioeit Partei angehörig, geniest er großer Spmpatpieen auch
in ben Arbeiterfreifen. Dte leitenbe fogialiftifcpe 3 e *tung „Sogial*
bemofraten" begrübt bie Ernennung BramfenS gum Nhnifter beS
Sitnern mit großer Befriebigung unb fnüpft baran bie §offnung
fruchtbarer fogialpoliftifcper ©efepgebung. Sei ben früheren, befannt*
lieh gefepeiterten Vorpanblungen in bem jepigen großen Arbeit#*
fampfc war Bratn|cn eifrig auf ben Ausgleich bebaut. Sept haben
wenige Dage nach feinem Eintritt ins Ntinifterium bie Arbeitgeber
ben erften Schritt gu einer Verftänbigung gethan. Die Arbeiter
haben fich fofort bagu bereit erflärt. Am 30. Auguft begannen
bie VergleicpSoerhanblungen unb fepon am 1. September einigten
fich bie Vertreter beS ArbeitgeberoereinS unb ber gaepoerbänbe über
bie Bebingungeit, unter benen bie Sperre aufgehoben werben foÜ,
unb oerpflicpteten fich, i^ren Oraauifationen bie Bebingungen gur
Annahme 311 empfehlen. Am 4. September haben ©eneraloerfamm*
lungen beiber Verbänbe sur enbgültigen Befcplupfaffung ftattgefunben:
Ginftimmig würbe auf beiben Seiten ber Vergleich angenommen.
Weiter peipt es, bap bie Sperre am Donnerstag fpäteftenS
überall aufgehoben unb bie noch ftreitigen fragen einem Sd)iebs*
gerichte oorgelegt werben füllen. — Wir haben früher (oergl. Sp.1004)
Urfacpen unb Verlauf beS gropen Mampfe# gefcpilbert. Aus
fleinen Urfacpen heraus — junächft hatte es fich um einen gering*
fügigen lofalen 3 n>ift im Difcplergeroerbe gehanbelt — fam es
fcplieplicp 3 U einer oon bem Arbeitgeberoerbanbe oerpängten Aus*
fperrung oon mehr als 50 000 Arbeitern ber oerfepiebenftert ©e*
werbe, fo bap bas gefammte inbuftriette Leben DänemarfS bie
fchmerften Stocfungen erfuhr. Wenn es bie Abficht ber Arbeitgeber
geroefen fein foQte, bie gaepoerbänbe ber Arbeiter 3 U gertrümmern,
fo ift fie feplgefcplagen: bie lange Sperre hat im ©egentpeil bie
Organifation ber Arbeiter fehr geftärft. Sic haben gegeigt, bap
fie ebenfo lange wie bie Arbeitgeber auShalten fönneit, unb fie
haben für Orbnung unb DiSgiplin fo gut Sorge getragen, bap
trop ber in oielen Arbeiterfreifen perrfepenben Notp feine ein*
3 ige Ausschreitung oorgcfallen ift. Von ben Arbeitern im
AuSlanbe finb bebeutenbe Beiträge, über 300 000 fronen (baoon
aus SDeutfd)lanb weit über 100 000 ) eingclaufen, unb bie noch be*
fchäftigten Arbeiter haben bie gröpten Dpfer gebracht, um ihre
Sfameraben 3 U unterftüpen. Siele haben 15—20 o / 0 tpreS Woipen*
lohns abgegeben, nachbem bie Streiffaffen erfepöpft waren. Seben*
falls hat "bie Sperre ben Unternehmern eben fo grope Serlufte wie
ben Arbeitern gebradjt. t?ür bie fosialpolitifdje Dpätigfeit beS neuen
SftinifterS beS Innern aber ift ber Ausgleich ein gliicflicher ^Beginn!
D)te föohunttgSfrage in £onbott+ 3m Auguft haben in Bonbon
wieberpolt grope D)emonftrationen ber Arbeiterbeoölferung ftattge*
funben — Uni 3 Üge burch bie Strapen, Serfammlungen mit Seben
unb SRefolutionen im ^pbeparf — bie auSfdjlieplich bem Glenb
ber Üonboner Arbeiterwohnungen galten. D)ie Sonboner treffe
hat auch bie oorhanbenen Uebelftänbe eingehenb befprocheu unb
barauf hingewiefen, bap ber OiraffdjaftSrath beim beften SöiHen
nicht in utnfaffenber SBeife Abpülfc fehaffen fönne, ba er nur in
ber ßage fei, innerhalb ber Stabtgrensen Neubauten aufsufiihren.
Nun pnbet fich in ßonbon felbft nicht mehr genügenber Oirnnb
unb Soben für bie nothwenbigen Neubauten, beShalb müffe bas
Parlament ben ©raffchaftsrath ermächtigen, auch auperhalb üoit*
bouS Arbeüerhäufer aufsufiihren unb eoentueü an ber Peripherie
ber Stabt mit Ggpropriationen oor^ugehen, ba bort bie OJrunb*
eigenthümer nidpt gewillt finb, gu billigen greifen gu oerfaufen,
fonbern bie AöohnungSnoth in Bonbon benüpen wollen, um Sucher*
preife für ihre Okunbftücfe gu ergielen. GS ift angunehme^ bap
fnh baS Parlament in ber näcpften Seffion eingehenb mit ber
ßonboner Wohnungsfrage unb ben fanitätSwibrigen Serhältniffen
in ben Slums ber Niefenftabt befaffen wirb.
Bewegung unter ben englifcpen Seeleuten. D)aS Committee für
ben Dpne* unb Wearbiftrift ber „National Sailors’, Firemen’s and
Stewards’ Union of Great Britain and Ireland“ hat an alle
Nheber unb Npebergefellfchaften ber Norboftfüfte ein Nunbfchreiben
gerichtet, baS aud) ben Nhebern in allen übrigen £>äfen GnglanbS
gugehen foÜ, in bem barauf oerwiefen wirb, bap trop beS Auf*
fchwungeS, ben baS ScpiffahrtSgewerbe feit brei Sahren erfahren
habe, feine Perbefferung ber £ohn* unb ArbeitSoerhältni(fe ber
Seeleute eingetreten fei; auch bie Verpflegung fei feinebefferegeworben,
obwohl bie Lebensmittel billiger geworben feien. UeberbieS werbe
oft bie Ntannfdjaft ber Schiffe rebugirt. D)ie Seeleute forberu
beShalb bie Schaffung oon GinigungSämtern unb SchiebSaerichten
für bie Nhcberei, welchen bie geftfepung ber Söhne unb Arbeit#»
bebingungen obliegen foHte; hierfür fchlägt baS Nunbfchreiben
eine ^onfereng gwifepen Vertretern ber Seeleute unb ber Nhcber oor.
D)ie Bewegung ber Seeleute in Gnglanb, bie mit biefem Nunb*
fchreiben in ber gweiten §älfte beS Auguft cinfepte, hat trop ber
D)rohung mit bem ©eneralfireif aller organifirten Seeleute noch
feine Beunruhigung in Gnglanb hcroorgerufen, ba man annimmt,
bap biefe Daftif blop begwedt, bie no^ nicht organifirten Seeleute
gum Beitritte gur Union gu bewegen. D)ie Npeber haben bas
Nunbfdpreiben unbeantwortet gelaffen, weil fie bie Union nicht als
Vertreter ber Seeleute im Allgemeinen anerfennen; bie Ntajorität
berfelben feien „free labour a -Seute unb bie Union repräfentire
Blop eine oerfchminbenbe Nlinorität. UeberbieS behaupten bie
Nheber, bap bie Söhne im lepten 3ah*e ohnehin geftiegen feien.
3n Garbiff haben oerfchiebene Meetings ber Seeleute ftattgefunben
unb es ift angunehmen, bap bie Drganifation trachten wirb, einen
auSgebehnteu Streif in Sgcne gu fepeit, gumal aubere Arbeiter*
organifationen, wie jene ber Gifenbahnarbeiter, ben Seeleuten ihre
Unterftüpung gugefagt haben. — D)er AuSftanb hat am 4. September
begonnen.
Der 3®|fei*So»gre| ber Drabe-Uition# hat am 4. September
in pipmouth begonnen. 381 Delegirte ftehen in ben Siften, alle
gropeu ©eroerfoereine finb oertreteu mit Ausnahme ber auf 2 3 a h re
auSgefchloffeuen Vfafchinenbauer. An ber Spipe ftept bie biesmal
auch bie Wallifer umfaffeubc 9JJinerS Öcberation (Bergleute) mit
52 Delegirten für 213 000 Niitglieber, bann fommen bie Spinner
mit 34 Vertreter für 73640 Nßitglieber,_bie 3immerleute mit 56000,
bie Gifenbahner mit 54 000 , bie ^effelmachcr mit 45 250, bie
s IRaurer mit 33000 Nhtgliebern u. f. w. Die ©asarbeiter, ber gröpte
Qachoerein ungelernter Arbeiter, entfenben 13Delegirtc fiir450009Nit*
glieber. 3u yotyn N?ape begcichnenb für bie Stdlung, bie fiep bie
©ewerfoereine errungen haben, unb baS Anfeben, baS fie geniepen,
ift eS, bap bie StabtbchÖrben oon pipmouth ber Verfammlung
baS herrliche NathhauS für ihre Beratungen überlaffen unb bap
Sorb Ntount Gbgcmnbe bie Delegirten am GröffuungStage gu ©aft
qelaben hat. 3n mehreren Sfircijcn würbe ein ©otteSbienft gum
Beginn beS ^ongreffcS abgepalten.
Der 17. 3ahtt3f 0n 9 r cft Parti ouvrier fran^ais fanb 00 m
13.—16. Auguft in Gpernat) ftatt. Aus pariS wirb uns barüber
gefeprieben: Vfan patte biefer Verfammlung mit gröperem 3atereffe
als in früheren Sapren entgegengefepen, ba fie Gntfcpeibungen über
bie wieptigften Probleme bringen mupte, welche gegenwärtig bie
fogialiftifcpe Arbeiterwelt ÖranfreicpS befepäftigen. Der Parti
ouvrier frangais (©ueSbiften) ift bie ftärffte unb am ftraffften
organifirte ber aefcploffenen Parteigruppen, unb ipr Verhalten
fepeint für bie Sojung ber fepmebenben fragen barum oon gröperem
Ginflup als felbft Das ber numerifch ftärferen unabhängigen
Sogialiften. Auperbem war es gerabe ber VerwaltungSausfcpup
biefer ©ruppe, ber ben Anftop gu ber Bewegung gegen ben Gin*
tritt NtilleranbS in baS NHnifterium Walbecf*Nouffeau gegeben
patte, unb es gab immerhin ©runb gu 3 |ÜC UeIn, ob bie .^anb*
lungsweife ber Parteileitung oöllige Billigung in ben Wähler*
maffen finben würbe. Der Ifongrep, baS fouoeräne Drgan ber
Partei, beftätigte inbeffen einftimmig bie Schritte ber Öüprer; er
erfannte im Befonberen an, bap bie Parteileitung niept ipre tfom*
peteng überfepritt, als fie bas Ntanifeft gegen PiUleranb heraus*
1295
Sojtale prajts. ©entralblatt für Sozialpolitik 9tr. 49.
1296
gab, fonbern nur ihre einfache SßfXid^t erfüllte, inbent fte bamit ben
frait^öfifcfjeii Sozialismus roieber zu feinen ureigenften Prinzipien,
auf baS ©ebict beS KlaffenfampfeS, zurütfrief. B3aS bie Betfeeili*
gung ber ©ruppe an bem beoorftehenben aflgemeinen franzöfifteu
äojialiftenfongrefj betrifft, fo fpredjen bie Delegirten ben Bhinft
aus, eine möglichft enge Konzentration ber fozialifüften Kräfte
aus ben Berhanbhtngen beS allgemeinen KongreffcS ^eroorge^en
ju fcl)en. Sic gaben ber eigenen Parteileitung Boßmatt, fid) an
ber Bilbung beS zu fdjaffenben centralen DrgaiteS z u beteiligen,
beffen 3ufammenfefeitng jebot 3alÜ e uftärfe ber oertretenen
©nippen entfpreten miiffe. Smmerhin oerpflicfjtete ber Kongreß
bes Parti ouvrier feine Delegirten für ben allgemeinen Kongreß ju
geftloffcner Abftimmung in aßen ©inzelfragen. Aufeerbem oer*
langte er, bafz, meint eine ©inigunc^ zu Stanbe fänte, bie centrale
Leitung eine flare Definition beS Sozialismus beftliefee unb alle
Publizitäten Craane, roelte biefe Definition anerfenneit, unter
feine Kontrole nehme. — Der übrige Xfjeil ber Kongrefeoerhanb*
Iungett bezog fit auf ©rlebigung ber orbentUd)cu ©eftäfte. 3öir
entnehmen barauS, bafe im ©aitzen 174 Deleairte aitroefenb roaren,
moruittcr 2 ©eroerbegerittäbeififeer, 1 ArronbiffeinentSrat, 27 ©e*
mcinberätbe, 11 Zaires unb Abjunftcn, 7 ©cneralräthe unb 8 De*
putirte. Vertreten roaren bamit 603 ©nippen, baruitter 42 ©e*
roerfftafteit unb 26 Btunizipalräthe; ber Beft befielt itt ben
fpezießen lofalen parteiorganifationen. SuSgefantmt befifet bie
Partei eigene Drgaite in 418 ©emeinbeit.
3Ubftttrfdjti^.
Arfecitcrftufe unb Äoutrolmarfe.
3m Artifcl: „Soziale Kampfmittel roiber bie Heimarbeit"
(Ar. 43 b. 231. ootit 27. 3uli b. 3 ) gab Dr. ©. Stroieblanb*2Bien
einen fehr intereffanten Üeberblitf über bie SRittel, bie oon ben
Arbeitern felbft gegen bie AuSfcfercitungen ber Heimarbeit ange*
roenbet roerben. 3m Laufe feiner Ausführungen berid)tet oer
Autor jenes AuffafeeS aut über bie fogenaunte ©eroerfftaftS*
Btarfe (Union Sabel), bunt) bie ber B3aare, roelte fte trägt, be*
fteinigt roirb, baß fte oon geroerfoereinten Arbeitern bergefteßt
rourbe. 2£enn mir nun heute auf biefe ftäfeenSroerthen TO*
Teilungen zurüdffomnten, geftieht bieS beSbalb, roeil fte uns bot
not uielfater Ergänzung bebürftig erfteinen, unb bas ganz
befonberS f)iufid)tht ber beut ft en unb öfter re i tiften
Arbeiterftaft. Stroieblanb erflärt näntlid) unter Aitberem, bisher
fei „bie einzige beutfte ©eroerfftaftSmarfe jene ber bentften
Sefeer AnterifaS, ber „Deutfd)*amerifaniften Dppographia", unb
in ©uropa befifee nur eine ©croerfftaft eine SJtarfe nat ameri*
faniftetu Borbilbe, bie englifte ©croerfftaft ber gilzhutmater.
Diefe Btittheilungen finb, rote baS Öolgenbe zeigen roirb, in hohem
ißiafte zuniinbeft liicfcnhaft unb fo tooflett mir es bei ber 23ebeittung
biefer Frage für ben Arbciterfcfjufe itt Deutftlanb unb Defterreid)
ititt nnterlaffen, Sdjtuieblanbs Ausführungen not S u ergänzen.
©leit ein Blicf itt baS Parteiorgan ber öfterrettift en
Sozialbeutofratie in beffen Anzeigenthcil läftt erfehen, bafe bie
„©rfte Wiener Probuftiogenoffenftaft ber Hutarbeiter itttb =Ar*
beitcrinnen" feit bem Satire 1892 eine Stufe- nitb Kontrolntarfe
führt. Kontroltnarfcn befafeen aut bie früher eingegangenen pro*
buftiogenoffenftafteu ber Sdiufentater unb ber Bätfereiarbeitcr in
s Biett. 3n Deutftlanb roaren es bie Hutmad)er, bann bie
-Textilarbeiter, unb zwar bie Girier, bie zuerft oon ber Kontrol*
tnarfe ©ebraitt machten. Die ©rzeugniife ber Fabrifeit, bie fit
ben Arbeiterfd)ufebeftimmungeit ber belreffeitben ©eroerfoercine :c.
uitterroorfeit hatten, rourben mit bem Kontroljtempel oerfehett, äf)n*
lief) roic btes oou oicleit Fabrifaitteu zur Kennzeichnung beS
2Baarennrfprungs geftieht, abgefefeeu oon ber nationalen Kontrol*
tnarfe ©nglanbs, toie fic burt beffen Merchandise Morks Acle
oerfiigt rourbe. Später folgten bie Bereinigungen ber Sd)iibmad)cr,
ber Sabafarbciter unb ber Sdjuciber, ferner in geroiffem Sinne
and) bie Angehörigen beS Jyrifeur=, Meßner* unb s JüfufiferftanbeS
in Berlin, Hamburg :c., ittbem fie Arbeiterfd)ufe*LcgitimationS*
fnrteu auSftcßteu. Die Seitung bes SrifeuroerbaubeS forberte bie
Diitglieber auf, nur jene, ©efdiäfte zu befmheit, roo ihre ©eitoffen,
btird) Segitimationsfarteu als foldjc gefeunzcituet feien. Der
Montrolitentpel ber i^aare fittbet alfo ba feine Ausgeftaltung zur
Legitimation beS Arbeiters felbft.
2£ie bie Sadifommiffion ber beutfdjeit Textilarbeiter feiner*
Zeit in ihrem Aufrufe erflärte, füll bie Kontrolntarfe bem llnter-
nehmer praftifd; bartfeun, toeld)c Bebeutiiug bem Arbeiter als
Konfumenten inneroohnt, unb thatfätlit beroirfte es nat
hauptung jenes Flugblattes gerabezu biefe fleiite unfteinbarc
Blarfc, bafe eine grofec Anzahl ber Textilarbeiter Deutfd)lanbS fit
binnen furzer 3eit ben neunftünbigen Arbeitstag erringen fonnte.
Unter ben feitterzeit getroffenen DrganifationSbeftimtnungen fei er*
roäf)nt: ©ine Kontrolfommiffion regelt bie Ausgabe ber Arbeiter*
ftufemarfe. Die Unternehmer, roelte bie 3Dtorfe übernehmen
rooßen, ftliefeeit mit ber Kontrolfommiffion einen förmlichen Per*
trag, in bem fie fit für ben ©ebraud) beS KommiffionSftcmpels
Zu etner Abgabe (meift 1 4 pro Kopf unb Arbeitstag ber bei
ihnen beftäftigten Arbeitskräfte) oerpflidjtett. Dabct roirb aber
an bie Ueberlaffung ber 9Jlarfe (ober beS Stempels) bie Sebingung
gefnüpft, bafe bie täglite Arbeitszeit in ber betreffenden Unter*
nehmung neun Stunben nitt überfteigen barf unb bafc ihre Sohn*
fäfee mit bem Darife ber Arbeiterorganifaüon überciuftimmen.
Aut mufe fit ber Fabrifant oerpflitten, 3Kaferegelungen^ feiner
Arbeiter roegen etroaiger politifter ober geroerfftaftliter Xhntig s
feit berfelbeti zu nnterlaffen.
Die Kontrolmarfe hat übrigens, roie roir not bemerfen
rooßen, burtauS nitt immer ooßen ©rfolg erzielt. So muBtc
feinerzeit bie Kontrolfommiffton bei ber Bereinigung ber Dabaf*
arbeiter ihr Amt niebcrlegen unb in mehreren Fabrifen mürben
bie Sammlungen aßmählid) eingefteßt.
Das fann aber nitt hiubern, bie tiefe Bebeutung biefer ©in*
rittung einzuräumen. Sie erfteint uns als baS SGßiberfpiel bes
23oi)fott. 2Sähreitb biefer gegen Unternehmer oerhängt roirb, bic
©cgner beS ArbeiterftufeeS finb, foß bic Kontrolmarfe ben fon*
fumirenben Arbeiter bemjenigen Unternehmer zuführen, ber fid) als
Anhänger beS ArbeiterftufeeS erroeift. Bopfott unb Kontrolmarfe
oeranlaffeit bie organifirte Arbeiterftaft, ihrer Parteianfd)auung
aut üt ihrer eigenen Lebenshaltung eingebenf zu bleiben. Die
Kontrolmarfe bafirt im Uebrigen auf einem ähnlichen ©ebanfeii
roie ber FnternationaliSmuS ber ©efefeaebung unb ber foziale
Stufezoß bes ©inzelftaateS. 3e gröfeer bie Forberungen bcS Ar*
beiterftufeeS, um fo hoher fteigen in manter Bittung bic Pro*
buftionSfoften. Die internationale Stufegefefegebnng ober
ber foziale Stufezoll beS einzelnen Staates fönneu bann ben
©influfe bcS ArbeiterftufeeS auf bie 23übung beS 23aarenprcifcS
möglitft auSgleid)cn. AefenliteS beroirft nun unfereS ©rachtenS
bie Kontrolmarfe für ben heimiften SKarft. Sie unterrichtet
ben fotifumirenben Arbeiter über bie ArbcitSbebingungen, unter
benen bie SSaare hergefteßt rourbe, unb fic hebt ben ©aarenabfafe
bort, roo burt bie Bcrbefferung ber ArbeitSbebingungen vielleicht
aut bie H cr Ü e ÜuugSfoften ber 2Baare gesteigert roorben finb. llnb
iitfofern bann biefe Abfafefteigeruug bie ©rzengnng oerbißigt,
fönneu fehr häufig bie Btehrfoftcn, bie fid) etroa aus ber Berooü*
fommnuitg bcS ArbeiterftufeeS ergeben, roieber auSgeglid)cn roerben.
Blan gelängt bamit zu einer Konzentration ber Nachfrage
unb zur thetlroeifen Ffolirung ber arbeiterftufefeinbüteu Kon*
furrenteit, benen mit ber Berringerung beS AbfafeeS, alfo ber tir*
Zeugungsmenge aut bie rationeße AuSnufeung ber Arbeitsfräfte
unb ber 9Jlafd)ineit erftroert roirb. Unb baS fann bann mittelbar
roieber zur AuSgleitung ber ProbuftionSfofteu innerhalb beS
ÄeitsgebieteS führen, ähnlit, mic für ben HüteauStauft oon
Staat zu Staat bic Forberung ber internationalen Arbeiterfduife=
gefefegebung unb beS fo^ialen Sd)iifezoßeS erhoben roirb.
BJicit. Heiurit Abi er.
ber Arbeiter gegen 9)Ulzbranb. Arbeiterfefretär Dorn
in Nürnberg, früher Btitgneb ber oom BunbeSrathe einberufeuen
Komtniffion zut Berathung oon Blaferegeln z u ^ Verhütung _ ber
s Mlzbranboergiftungen, erlägt einen Aufruf an aße in ber Bürften*
unb Pinfel*3nbuftne, in ©erbereien unb Bofehaarfpinnereien be=
ftäftigten Arbeiter unb Arbeiterinnen, über bie Haubhabung unb
2Birfuug ber am 1. 3uli b. 3 - in Kraft getretenen BunbeSrathS*
oorftriften für bie genannten 3»buftrien zu beritten. Das ge*
fammelte Btaterial foß bazu bienen, bei bem BunbeSratb jroerf*
entfpretenbe ©rgänzungcit ber beftehenben Borftnften zu oeran*
laffen. Bon Sntereffe ift baS Urteil bcS ArbeiterfefretärS, ba|
bie feit bem 1. 3uli gültigen Borfdjriften „zroar feinen ooflftäubigen
Sdjufe gegen bie Biiizbranb*3ufeftion geroähren, aber bod) zmeifel*
los bie ©efafer roefeutlid) abftroäten".
Deutfte UnfanoerhühmgS*©iurittungeti auf ber Barifer 18elt*
auSftcßung unb bie Bauarbeiter. 3u einem Buubfd)reiben au
bie Berufsgeuoffenftaften mad)t baS Beit^BerfidierungSanit zu
ber beoorftehenbeu parifer 2ßeltauSfteßung 1900 barauf aufmerF«
I fam, bau nach einem Beftlufe beS ArbeitSauSftuffeS ber tetnifteil
1297
Sogtale prajtS. fcentralblatt für ©ogtalpolttil. 9h. 49.
1298
Untergruppe bie Berufsgenoffenfcfjaften unb bie Unternehmer nirf)t,
mie erft geplant, angehalten toerben, ben Arbeiterfdßuß, roie bie
UnfaßoerhütungS*©inri(htungett in ber PrajiS ober in ber 3form oou
hobelten oorguführen, fonbern in Anbetracht beS BefcßränftenSRaumeS,
ber bem SXeid^BerficherungSamt in ber Aufteilung 3 ur Verfügung
fteßt, im SSBefentlicCjen fich auf eine Aufteilung einer großen 3 a |l
oon Photographien S u Befd^ränfen. Die ©entralfommiffion für
Bauarbeiterfcßuß forbert nun bie baugeroerblichen Arbeiter Deutfeh*
lanbS auf, baS 9teicßs*BerficherungSamt in bem Bemühen, wahr*
ßeitSgetreu ben fogialpolitifcßen gortfcßritt gu bo!umentiren, burch
Sammlung geeigneter Photographien gu unterftüßen. ©S hoifet
in bem StfunofTreiben u. A.:
Bei ben Aufnahmen roürbe eS [id) um eine Wiebergabe ber ©prüfte
in erfter Sinie ßanbeln. SStr mürben folgenbe ©intßeüung oor*
fchlagen:
a) ©erüftbau ber Staate unb 9ttonumentalbauten;
b) ©prüfte ber SpefulationS* unb prioatbauten;
c) Sdjußbäcßer unb ganggerüfte; insbefonbere:
1 . ©erüft* unb Baueinftürge, mit entfprecßenber ©rflärung unb
Begriinbung;
2 . bie fanitären Anlagen unb foldje gunt Sdjuß ber Sittlich*
feit: bie Baubube, bie Abortsanlagen.
Hier mürbe es barauf anfomnten, baS Aeußere biefer Anlagen
(bie $orm), mie auch bie innere (Einrichtung gu geigen.
Söetin Schmierigfeiten bei ber Aufnahme oon Seiten an flehten ftdj
ergeben tollten, fo ift nach bem Schreiben beS $ReicßS*Berftd)erungS*
amteS bie Beigabe oon 3 e ich nini Q* n geftattet. ©benfo münfd)t baS
9teid)S=BerficherungSamt, baß bie Photographie oon ben betreffenben
Baubetrieben audi bie betriebstßätigeu Arbeiter in ihrer üblidjen
tfleibung bei ber Beftßäftigung miebei*giebt.
Photographien beS „äußeren Baues" finb oielleicßt fäuflid) gu er*
merben; oerfchiebeue Bilber mögen fich im prioatbeftß unferer Kollegen
befinben. AnberS liegen bie Dinge für ben ^nuenbau. Hier mürben
bie Dfenfeßer, Stuffateure, Sföaler u. f. io. gut tßun, ißre „Bfuftergerüfte",
Irittleitern u. f. m. photographiren gu laffen."
AuSfcßrctben beS SdjtoeUer BnnbeSratßcS für Herftetang ttn-
gefahrlichcr 3ünb(jiHger. Das BunbeSgefeß, betreffenb Die gabritaiton
itnb beit Bertrieb oon 3ünbl)ölgchen, oom 2.Wooember 1898 ermächtigt
ben BunbeSratß, „Sltegepte neuer HerfteUungSoerfabren, roelche für
©cfunbheit unb Sicherheit ber Arbeiter in 3ü ll ^P4^ c,t f a ^ r ^ en
unb beS publifumS befonbere ©ernähr bieten, gu erroerben unb
ben fyabrifanten 3111 * Berfügung 311 ftellen." Das ©efeß fic^t nicht
nur bie ^abrifation ber befannten fdjroebifdjeit 3 üubBöl 3 d^en oor,
fonbern ift namentlich auch beftrebt, ber §erfte(Tung eines unge*
jährlichen, überall entgiinbbaren .J)öl 3 chenS ohne gelben pßoSpßor
Borfchub 3 U leiften. Der BunbeSratß labet baher Befißer oon
^He^eptcn leßterer Art im 3”lonb unb AuSlanb, roelche geneigt
finb, ihre ©rfinbungeti bem Bunb eoentuett gu oeräußern, ein,
hierauf bezügliche ©ingaben bis ©ttbe September biefeS S^ßreS an
bas fehroeigerifeße Snbuftricbcpartement in Bern 31 t rieten. Die
©ingaben muffen enthalten: 1 . bie genaue qnantitatioe 3 u f a ™men*
feßmtg ber 3ünbmaffe; 2. eine genaue Darftellung ber ^abrifationS*
methobe; 8 . ÜJtuftcr ber Hö ließen in ber ober ben bafür beabfieß*
tigten Berpacfungcn; 4. bie Bebinguitgen, unter benen ber Befißer
beS 9tegepteS baffelbe bem feßroeigerifeßen BunbeSrath abtreten
mürbe. Die eingegangenen fRezepte merben unter Wahrung beS
gabrifationSgeheimniffeS ber Prüfung einer ©ypertenfommiffion
unterteilt. (And) bie belgifche Regierung hot oor einiger 3«t eine
ähnliche Aufforberung unter AuSfeßung eines hohen PreifeS er*
laffen.)
Die Shop Hours Act in Bonbon, Der eben erfchienene SahreS*
beridjt beS Public Control Department beS Conboner ©raffcßaftS*
ratheS fünbigt an, baß in 3 u *nnft bie Beftimmungcit ber Shop
Hours Act mit aller Strenge merben burchgefüßrt merben. Bisher
haben bie Snfpeftoren llebertretungen bloß gerügt unb bie Heber*
treter gemarnt, roährenb jeßt fofort gur ftrafrechtlichen Berfolgung
gefd)ritten merben foH. Born 1 . Januar bis 31. 9Kärg infpizirteti
bie .fontrolorgaite 27 550 ßäben unb fonftatirten in 4568 baoou
llebertretungen ber Bill, bie Beftimmt, bafe feine Perfon unter
18 Sohren länger als 74 Stunben bie s 2öo<he in einem Sabctt be*
fdjäftigt merben barf. $ie Sufpeftoren finben, ba§ bie Befcfjäfti*
gung jugenblicher Perfonen in ßäben überhaupt im Abnehmen
begriffen ift. _
^ürforge bei mürttembergifcheii SRinifiteniitnS für ben ArbeitS«
nachtoeiS» — StübtifcfieS Arbeitsamt in Stuttgart 1898. &as
mürttembergifche TOnifterium beS Ämtern h°i 3 ur Sörberung beS
ArBeitSnachroeifeS unb gur Herbeiführung feiner ©entralifirung in
©rroeiterung ber Bereits früher getroffenen (Einrichtungen im Sofjre
1898 ben Aufrufe ber Allgemeinen ArBeitSnachroeiSanftalt Pforg*
heim an ben für bie mürttembergifchen Arbeitsämter eingerichteten
BerbinbungSbienft genehmigt; es hot mit bem baperifdjen 9)ti*
nifterium beS 3onern oereinbart, bafe bie mürttembergifchen fom*
munalen Arbeitsämter mit benen in Btünrf)en, Straubing, £aiferS*
lautern, Bamberg, Nürnberg nnb SBürgburg errichteten ©entralen
in einem unmittelbaren AuStaufch oon ßijten ber erledigten Stellen
überall ba eintreten, mo biefer nach bem ©rmeffen beS eingelnen
Arbeitsamts einem Bebürfnife entfpricht.*) ©ine gleiche Berein*
barung ift mit bem babifchen Blinifterium beS Snnern gur An*
Bahnung eines unmittelbaren BerfehrS gmifd)en ben miirttem*
bergifchen fommunalen Arbeitsämtern unb ben ArBeitSnachroeiS*
anftalten beS babifchen ÖanbeS abgefchloffen. 3n Solgc beffen findet
ein regelmäßiger BafangenauStaufch mit ben Arbeitsämtern in
Btünchen, Bamberg, Nürnberg, Biürgburg unb $aiferslautern, fo*
mie mit ben ArbeitSnadjroeiSanftalten in Mannheim, Karlsruhe,
.f onftang, Sreiburg i. Br. unb geitroeilig auch mit bem Arbeitsamt
Heibelberg ftatt. 2 )amit hot fich ober bas Btinifterium nicht be*
gnügt; cS hot angeorbnet, baß bie ^achroeife über bie bei ben ein*
gelnen Arbeitsämtern nid)t befriebigten $ad)fraaen nach Arbeitern
roährenb ber Btonate Blärg bis 9?ooentber am Aoenb beS ^ienftag,
Donnerstag unb Sonnabenb jeher BBoche burch &ie mit bem
ftäbtifchen Arbeitsamt Stuttgart oerbunbene ©eutralftette an fämmt*
liehe ©emeinben mit mehr als 2000 ©inmohnern unb an Heinere
©emeinben, bie es toünfchen, oerfanbt roirb. Die Arbeitsämter
finb aitgemicfen, bie DrtSoorfteher, Herbergen gur Hcimath, Ber*
pflegungSftationen unb Arbeiterfolonien mit gur ArbeitSoermitteluug
herangugiehen. Die portofoften bafür bürfen ber Staatsfaffe gur
fiaft gefchriebcn merben, bie auch bie 9teifefoften unb Tagegelber
für bie BerroaltungSbeamten ber fommunalen Arbeitsämter trägt,
bie an ber jährlichen 3 u fommenfunft theilnehmen. Da troß biefer
Btaßnahmen eine SReifje oon Arbeitsämtern eine roenig erfolgreiche
Thätigfeit auSiibten, empfahl bas ÜUiinifterium ben Stäbten
bringeub, bie ©efchäftsführung ber fommunalen Arbeitsämter gurn
Hauptamt , ber mit biefer gunftioit betrauten Beamten gu ma^en,
gum minbeften aber diefe T(;ätigfeit auSreicheitb gu honoriren.
Das SDtinifterium läßt fich bk Befanntmachung ber BermittclungS*
einrid^tungen unb bie ©rrichtung neuer Arbeitsämter fehr angelegen
fern. Die ©eneralbireftion ber mürttembergifdjen Staatseifen*
bahnen hot oom 1 . April 1899 ab, mie bereits mitgetheilt, für
Steifen auf Strecfen oon 25 bis 100 km ben oon ben gent^inb*
liehen Arbeitsämtern in auswärtige ArbeitSftellen gefanbten Ar*
beitern bie halbe einfache gahrtaye gugeftanben. Dem Stuttgarter
Amt fmb baniber hinaus oon ber Stabt Stuttgart 200 Jt jähr*
lieh gur Berfügung geftellt. Diefe Btittheilungen mögen geigen,
roie hoch bie Bebeutung einer guten ceutralifirten Arbeitsoermitte*
lung in Württemberg gefchäßt mirb.
Diefe Bebeutung mirb für bas Stuttgarter Arbeitsamt burdj
meitere Maßnahmen erhöht. ©S hat tm Sntereffe ber ©eittraliftruug
beS ArbeitSmarfteS bie AuSgahtung oon freimiHigen Unterftüßungen ber
hiefigeit Brauereien ait arbeitslofe Bierbrauer, Der Budjbinbereibeftßer
an Biidjbinberei- unb Äartomtagenarbeiter, beS beutfeßen BJetaüarbeiler*
oerbanbeS foroie beS BerbanbcS ber Schueiber uub Sdjneibcntincu
DeutfcßlanbS an ihre arbeitstofen Biiigüeber übernommen. Auf Bech*
iiung ber Brauereien föiinen aueß 9teifefoftenbeiträge nach bem ©rnteffeti
beS Arbeitsamtes gemäßrt merben. Die ©rfolge find bei biefer Büßrig*
feit gegen bie Borjaßre geftiegen. Boiit Stuttgarter Arbeitsamt mürben
1898 in ber männlicßen Abtßeilung je 13 602 (runb 75 begrn. 64o/ 0 )
©efudje oon Arbeitnehmern unb Arbeitgebern befriedigt; Arbeits*
anmeifungen mürben im ©angen 23 885 aiiSgcfteÜt, mooon 13 602
(s=: 06,97%) erfolgreich maren. ber roeiblicßen Abtßeilung mürben
je 3209 (b. f. runb 48 unb 79%) ©efueße befriedigt. Arbeitsaumei*
fuugen mürben 5859, barunter 3309 (56,47%) mit ©rfolg, auSgefteHt.
Die Bermittelung oon Seßrftellen mar unerßeblicß; bie StcHengefudje oou
roeiblicßen Dienftboten blieben, mie in ben meiften größeren Stabten neuer*
bingS, gegen bie Stellenangebote erßeblicß guriidf; nad) ber poligeiließen
Statiftif geigt fieß biefelbe ©rfeßeinung in bem 9Utcfgange ber Sßätigfeit
ber prioaten ©efinbeoermittler. Bon 184 9ieferoiften finb 131 in Stellung
gebradjt morben. 9fad) auSmärtS mürben auf 4143 ©efueße oon Arbeit*
gebern 1771 männliche Stellen oermittelt, meiblicße bei 239 ©efueßen
nur 88.
9Rit ziemlicher Sicherheit fann nach Meinung beS Bericht*
erftatterS (Borfißenber ber ^ommiffton: ©emeiitberath Stocftnaper)
gefagt merben, baß bie erhebliche Steigerung ber grequeng ber
mürttembergifchen Arbeitsämter gu einem großen Theil auf bie
ftaatlicßerfeits getroffenen ©inrießtuttgen guniefgufüßren ift. Die
*) Bgl. ©efdjäftsbericßt beS Stäbtifdjen Arbeitsamts Stuttgart für
bas 3aßr 1898.
1299
©ogtale $rajts. dentralblatt für ©oglalpoltttf. Nr. 49.
1800
aefammte Vermittelung bei ben 13 buchenben Arbeitsämtern ((Sann«
ftabt, gingen, ©münb, Göppingen, §aH, £eibenheim, §eilbronn,
SubroigSbttrg, NaoenSburg, Reutlingen, Stuttgart, Tübingen, Ulm)
tft für männliche Arbeiter oon 15 056 im 3öh^ 1896 auf 17 640
1897 unb 21 835 im Sahte 1898 geftiegen, in ber weiblichen Ab»
Teilung oon 5250 auf 5546 unb 6661. 3n Tübingen unb öaH
roerben weibliche fßerfonen nicf»t oermittelt. Um ben unerroünfdjten
guftrom su ben Stabten, roie baS planlofe Bäanbent eingubämmen,
roerben nur bie Nachfragen na<h Arbeitern, roelche an bemfelben
ober am folgenben Sage nid)t innerhalb ber Stabtgemeinbe felbft
gebccft roerben fönnen, in bie gu oeröffentlidjenbe Vafangenlifte
aufgenommen. $>aS befte Mittel gur drreichuna biefeS
fief)t baS Stuttgarter Amt in ber obligatorifcpen Negelung
beS ArbeitSnadjroeifeS.
(fteraerbegeridjte. (Einigungsömtei:. Sdjietegeridjte.
$er Streif ber berliner Stetnarbeiter unb baS dtnigmtgSamt beS
©ttocrbegeridjiS.
Am 8. begro. 13. 3uli b. 3- traten bie Steinbrecher unb Stein»
me&ert im Bunglauer $>iftrift, ungefähr 500 an ber 3al)l, in ben
AuSftanb, roeil, roie fie angeben, ihnen ber Sohn nicht nach beit
geltenden £ariffäben gesagt roerbe. Bergleid)8oerhanblungen fanbcn
Sroar unter ber Seituna beS BürgermeifterS su Bunglau ftatt, führten
aber su feinem drgebnih. 1 ) ®ie berliner Steinmetjen behaupten,
bag man oon ihnen »erlangt habe, fie füllten bie unfertige
Arbeit ihrer ftreifenben Bunglauer Manteraben oollenben. Sie feien
aus bicfem ©runbe genötigt geroefen, am 24. 3uli b. 3- ebenfalls
bie Arbeit niebersulegen unb mit ben Bunglauer Steinarbeitern
gemeinsame Sadje su machen. 2 )
(Es roirb bemerft, bah bie berliner unb Bunglauer Steinmefcen
weift biefelben Arbeitgeber hüben. S)iefe gehören ber berliner
Steinmebinnung an. Von ben Berliner Arbeitern rourben nach*
ftehenbe gorberungen aufgeftellt:
1. Allgemeine (Einführung ber Sohnarbeit mit einem Nfinimal*
lohn oon 70 4 pro Stunbe. gür Ueberftunben ift ein gu*
fdjlag oon 20 4 pro Stunbe, für Sonntags* unb Nachtarbeit
ein |)ufchlag oon 50 % s u sahlen.
2 . Vom 24. ^uli 1899 bis sunt 24. gitli 1901 ift nur im Sage»
lohn unter^wUfaQ jeglicher AlforbarBeit gu arbeiten.
8 . Auf bem söerfplape beträgt bie ArbeitSseit täglich acht
Stunben. Beginn berfelbeit Borgens 7Vs Uhr — Schluß
' 5 Uhr Nadjmittags. (ES ftttb 7a Stunbe grühftücfSpaufe unb
1 Stunbe BUttagöpaufe su geroährlciften.
dagegen foU firf) auf allen Bauten 2 c. Anfang unb
Raiter ber ArbeitSseit nach ber ber SJtaurer richten.
3>ie Arbeiter erflären, bah fd^on oor bem AuSftanbe bei oer*
fchiebenen ber bebeutenbften ginnen ca. 75 % aller befdjäftigten
«) £ie gorberungen ber Bunslauer Steinmehen ftnb folgenbe:
a) yofjnsahlung unter ftrenger gnnehaltung beS für bie geit
bis s um 1* Nfärg 1900 oereiubarten Sohntarifs unb Mlar*
ftetlung einseiner Nationen in bemfelben.
b) Allgemeine (Einführung beS £agelohneS oom 1. SJfärg 1900
ab unb groar für bie Steinmefcen pro Stunbe 55 4> für bie
Steinbrecher 50 4 .
c) Beibehaltung ber jefct bereits üblichen neunftiinbigen ArbeitSseit.
a ) gn Berlin ftreifen etroa 400 Btann. &en Streifenben höben
fich übrigens 80 Steinutehgebülfen in BreSIau, welche bort für einen
Berliner Arbeitgeber tjjätig roarett, atn 29. guli b. g. angefd)loffen.
Sie Breslauer roimjdjen f)öuptfädjltd) ftrifte gunehaltung beS am
1. HJfärg 1899 mit ihnen oerabrebeten Sohntarifs.
gntereffant ift, bah bie Arbeiter, um einen Abfall Streifenber su
oerhüten, oon ihrer Crganifation angehalten finb, einen AeoerS su
nnterfdjrciben. gn bemfelben Reifst es: „(Etwaige Unterjtüfcung, gleich*
uiel ob cs Steife** ober Streifunterftübung ift, roirb nur unter ber Be*
bingitng geroährt, bafj idj mich folauge au bem Slreif betheilige, bis
in einer oom Streifformte berufenen Berfammluug bie Beenbigung beS
Streifs orbnungsmäfjig befd)lofien roirb. geh oerpflidjte mich baher
für ben galt, bah id) oon bem Streif abfalle, bie empfangenen Unter»
ftiibungsbeträqe jebergett auf Auforbern an $errn 3f. gitriicfgugal)len."
£b bie Arbeiter sur (Erfüllung ber burch ihre llnterfchrift über*
nommenen eoentuelicu Berbinblichfeiten geridjtlich gesroungeu roerben
fönnen, foll nnerörtert bleiben.
Ser Arbeiterorganisation roirb an bie (Erftattung ber cinselnen
Beträge and) nur roenig liegen. (Es hanbclt fidi hier roohl mehr um
einen mornlifrficu Srucf auf bie Arbeiter. Sie follen oeranlafjt roerben,
ber Ölenteinfdiaft ber Stcifenben treu su bleiben.
(Ein ähnlid)es Berfahren, roie bie Arbeiter, beobadjten befanntlid)
burrf) Stonoentionalftrafc bie Arbeitgeber, »nenn Stafmahmen ihrer Ber»
bänbe gegen bie Arbeiter in grngc fouunen.
©efellen gegen £agelohtt arbeiteten. &amit fei ber Beweis er*
bracht, bah ber Sagelohn einführbar fei. @3 fönne ferner im
Afforb nur bei lleberanftrengung beS Arbeiters ein eiiügermafeen
auSfömmlicher Verbienft erhielt roerben, gang abgefehen baoon, bafj
trojj beS VeftehenS beS £arife£ beftänbig ßohuftreüigfeiten ftatt*
gefunben hätten.
B3aS ben Stunbenlohn oon 70 4 onfangt, f 0 au § s
geführt, bafe ber Beruf ber Steinmefcen ein burtpauS anftrengenber
unb gefunbheitsfchäblicher fei. 2)ie aufreibenbe £hätigfeit bebinae
eine gute SebenSroeife unb träftige Nahrungsmittel, gefunoe
Wohnung u. f. ro. Bei 70 4 ©tunbenlohn erhalte ber Arbeiter
einen täglichen Verbienft oon 5,60 dt. Auch fei bereits oor bem
AuSftanbe oon einem ^h e ^ c &er SNeifier ein Stunbenlohn oon
70 4 un ^ ^ cn ® e fetfen gegeben roorben.
dnblich hatten bie Steinarbeiter bie Vertürgung ber ArbeitS*
geit oon 8 V 2 uuf 8 Stunben für unumgänglich nothmenbig, bamit
fie an ben gefunbheitsfchäbtichen Arbeitsplan nicht gu lange ge*
buitben ftnb. Sie behaupten, ba^ ihre (DeroerbSgenoffen infolge
ihrer Xhätigfeit gu einem großen Rrogentfahc ber ßungenfdhroinbfudht
anheimfallen, roie bieS Dr. med. Sommerfelb in feiner Schrift:
„$)ie BerufSfranfheit ber Steiumehen" nachgeroiefen höbe.
Auf Anregung beS Borfifjenben bes Berliner ©eroerbegericht#
riefen bie Steinarbeiter am 10. Auguft b. 3- baS dinigungSamt
an. Sie fprachen babei ben fBunfch aus, bafe baS Berliner ©eroerbe*
S gleichgeitig bie Angelegenheit ber Bunglauer unb Breslauer
er regele, gumal in Bunglau, Breslau unb Berlin bie gleichen
Arbeitgeber in Betracht fämen.
2>ie Bunglauer unb Breslauer Steinarbeiter faxten in ihren
Berfammtungen ben Anträgen ber Berliner Arbeiter entfprechenbe
Befdhlüffe unb befteUten gur etroaigen Verhanblung in Berlin Ber*
treter.
2)ie Steinmefcmeifter lehnten cS jeboch gunächft ab, fich ber
Anrufung beS dinigungSamteS angufd^liefeen. Begiiglich ber fdjlc*
fifdjen Arbeiter feien an Ort unb Stelle bie Verhanblungeit, roelche
bereits gepflogen feien, roeil bieS groeefmäftiger fei, roeiterguführen.
gür Berlin beftehe ein oon beiben Parteien auSgearbeireter
unb noch bis V^ärg 1900 gültiger Sohn* unb Afforbtarif, roeldjcr
überbies in ber Sifeung beS SnuungSoorftanbS mit bem ©efellcu*
auSfchufe am 21. 3ult b. 3- oon Icpterem noch ausbrücflich auer*
fannt fei. 2)ie ©efellen hätten baher unter ben £arifbeftiminungen
bis Viärg 1900 roeiterguarbeiten. 2)er Abfchaffung ber Afforb*
arbeit roürben fie nicht beiftimmen.
Aadjträglid) entfchloffcn fich öie SnnnngSmeifter, oeranla^t
burch einen Arbeitgcber*Beifiher beS ©eroerbegerichtS, mit ihren
Arbeitern oor bem ditiigungSamt über bie abgebrochenen Xitferenjen
gu oerhanbeln, unter ber VorauSfehmig, bah barüber, ob ber feit*
berige Xaxi\ für bie Parteien bis gum 1. Viärg 1900 gu 5Rcd)t
beftehe ober nidjt, eine Vorbefprechung abguljalten fei unb bag gu*
nächft baS ©eroerbegericht über biefen ftrittigen fßunft eine ditt=
fcheibung fälle.
$>ie Arbeiter roaren hiermit einoerftanben, gaben aber am
30. Auguft b. 3- uor bem dinigungSamt eine anbere ^arftclluug
bezüglich beS äarifeS: Am 1. Viärg 1896 fei ein £arif in Straft
S etretcn, ber für 2 Söhre, alfo bis dnbe gebruar 1898 ©ultigfcii
aben follte. 3m 3öh*e 1898 feien hi ern ö«h ^i e gorbcruiigcii,
roelche in biefem Augenblicf gegen bie Vteifter erhoben mürben, oon
beit ©efeHen aufgeftellt roorben. ^)ie Vieifter hätten abgelehnt.
(Ein neuer Xarif fei nicht gu Staube gefontmen unb ber frühere
oon beit Vieiftern in oielcit gälten nicht mehr beachtet roorben.
Söenn aufeerbem bie alte Snnuitg fich öufcjclöft höbe unb mit ber
neu gebilbeten Snnung überhöupt fcinerlei Abmachungen getroffen
feien, fönne man oon einem Montraftbruch ber ©efctteit burch ben
Streif nicht fprechen.
2)etn gegenüber rourbe ooit ber gcgttcrifchcn Seite brroor*
gehoben, bah bie Steinmefemcificr ber am 21. Dftober 1897 neu
gcgrüitbeten Snnung in ber Sifcung oom 10. gebruar 1898 bcfdjloffcu
haben, beit bisherigen STarif auf 2 3öh re bis gum 1. Vf arg 1900
neu gu bewilligen, diit foldjeS fei bem Altcjefellen, bem Vertreter
ber ©cfeHenfchaft, am 20. gebruar 1898 |d)riftlich fuitb getban
roorben. £cn Vfeiftcru roäre oom 20. April 1898 burch Brief oom
Altgefcüen erroibert, bah bie Berliner ©efctteitfchaft am 19. April fid)
mit ber unoeränberten Annahme bcS Tarifs auf 2 Sabre ein*
oerftanbeu erflärt höbe. (Es muffe jeboch bie jefct beftehenbe £arif*
fommiffion bei etroaigen Streitigfeiten als Vertreter ber ©cfcüeit*
fd^aft aucrfaitnt uitb innerhalb 14 Xageii eine Sihung mit ben
Vfciftern eiitberufen roerben. 2>ie (Erfüllung biefer beiben Bcbin*
gungen rourbe ben ©efcllen burch Schreiben beS DbermeifterS oom
21. April 1898 gugefagt, babei aber ber SBnnfch geänhert, baft oor
1301
Sogiale $Pra$i8. Gentralblatt für Sogialpolitif. Nr. 49.
130*2
ber Sibuiig bic Arbeiter bic einzelnen Vefchwerbepunfte bei* 2arif»
fomniiffton ben SDieiftcrit begcid)nen möchten. 2 )ies ift nidjt ge*
frf)ef)cn unb ebenfo ift bic geplante gemcinfd)aftliche Sifcung unter*
blieben. Aus ben Grflärungett ber gehörten AuSfunftSperfonen war
entnehmen, bafj bei ben £ohnbered)iiungen biä heute ber alte 2 arif
Stets benufct worben ift. Unter btefen Umftäuben batte baS Ginigungs»
amt gu entfeheiben, ba& ber bemängelte 2 arif al^ gültig angu*
erfennen unb Deswegen bis gum 1. SRärg 1900 gebalten werben
miiffe. 2)aS GinigungSamt b a b ungeachtet beffen, baft bie be¬
antragte gern ein fdjaftliche Sifcung nicht ftattgefunben hat, bic burd)
ben erwähnten Vriefwedjfel 311 Staube gefomntene Abrebe, baft ber
alte 2 arif fernerhin angcroenbet werben folle, für binbenb erachtet,
untfomebr als bie Arbeiter ohne jeben ^ßroteft bis gutn Ausbruch
De* 3treife£ ben ßohn nach bem 2 arif ftd) haben berechnen laffen.
Nach ber Gntfdjeibung Des GinigunaSamteS über ben 2arif
traten bie Parteien in Verf)anblung über Die einzelnen grorberungen
ber Arbeiter. GS würben non ihnen hiergu bie oben erwähnten
Ausführungen gemacht. 2aS GinigungSamt oerfiinbete aisbann,
nachbem bie Veifiper wieberholentlich mit ben Vertretern ber
Varteieu über bie 311 macbenbeu Vergleichsoorfchläge Nütffpradje
gehalten, folgende Vorschläge:
1. 2ie Arbeitgeber oerpflidjten [ich; mit Dein GefeHenauSfchuf)
bereits Anfangs nächster 2Bod)e über ben Jdobntarif, welker
uom 1. Sftärg 1900 gelten foll, 31 t berathen. 2ie Arbeiten
gunt 2arif fiitb Derart 3 U befchleunigen, bafe fpäteftens inner*
halb 14 Sage bie ein 3 elnen 2arif[äpe feftgefteüt ftttb. Vei
ben Sarifberathungen etwa entftehenbe 2 ifferengcn werben
burd) bas GinigungSamt bes Gewerbegerichts, welches inner»
halb 24 Stunden angurufen ift, gefchlidjtet.
2. Sdjon jept wirb beftimmt, bah 00 m l.SNärg 1900 ab pro
Sag 8 Stunden in ben Monaten 00 m 1. Wärj bis 1 . Nooetnber,
7 l /2 Stunden 00 m 1. Nooentber bis l.SNärg gearbeitet wirb.
2ie §öl)e ber Begabung notbwcnbtger Ueberftunbenarbeit,
fowie ber Sonntags* unb Nachtarbeit bleibt ber Verein¬
barung ber gnnungSmeifter mit bem GefetlenauSfdjuf} oor*
behalten. 3 )
3. Soweit gegen ©tnnbenlofjn gearbeitet wirb, ift ein ^oljn oon
minbeftens 70 ?{ pro Stunde 3 U gahlcit. 4 )
4. 2er Vergleid) tritt in Kraft, fobalb bie Arbeitgeber ftd) mit
ben Bunglauer unb VreSlauer Steinmepen refp. Steinbrechern
geeinigt unb biefe bie Arbeit wieber aufgenommen haben.
Auch bie Verliner Steinmepen haben aisbann wieber 31 t
arbeiten. 5 )
5. 2ie Verfammlungen ber Arbeitgeber unb Arbeitnehmer haben
über bie Annahme ber Vergleichsoorfchläge 311 befchlicfjen.
2ie Vertreter ber Arbeitgeber theilten Darauf mit, baft fie mit
ben Arbeitern ben oorgefcblagenen Vergleich eingeben würben. Als
bie Arbeiteroertreter eine ablehnende Grflärung beabsichtigten, würben
fic oon bem Vorfitjenben bewogen, bie Vorschläge bes Ginigungs»
ainteS einer fofort ein 3 uberufenben Steinmepenoerfammlung oor*
gutragen. 2a fich bie Arbeiter hierzu willig 3 eigten, würben bic
Verhandlungen abgebrochen unb befdjloffen, fic am 2. September
fortgufepen.
Leiber hat bie Steinmepenoerfammlung bie Vergleichsoorfchläge
nidjt für annehmbar gehalten, weil bie Afforbarbeit burd) fie nicht
befeitigt würbe.
3n ber 3 weiten Verhandlung lehnten furgweg bic Arbeiter ben
Vergleich ab. 2ie Arbeitgeber bemerften, bajg fie oon bem Afforb*
fpftem nicht abgeheu wollten, Sie gaben noch an, bap ber Streif
Bereits weitere (Gebiete ergriffen h a &e, 3 . V. $irna unb 2reSben;
bort feie» bie Arbeiter anfgeforbert, bis 311 m 4. September bie
3 ) 2ent GinigungSamt hat Die Schrift bes Dr. med. 2h- Sommer*
felb: „2ie Verufsfranfheitcn ber Steinmepen u. f. to.", auf welche bie
Arbeiter fid) begogen haben, oorgelegen. 2er Sianbpunft biefcS Arztes,
welcher bie Gefundheitsoerhältniffe ber Steinmepen eingehend in feiner
33 rofd)üre behanbelt, begüglid) ber Steinmepen, geht bahin, bap er eine
achtftünbige Arbeitsgeit nicht allein für ein erftrebenSwerthes gbeal,
fonbern auch für eine gerechte gorberung erachtet.
4 ) 2ie Grhöhung bes Lohnes oon 65 auf 70 halten felbft
bie ©teinmefemeifter für billig.
8 ) Auf oorheriges Vefragen ber Arbeitgeberbeifijjer waren bie
Steinmehmeifter bereit, ben Vorfchlag gu 4. gu acceptiren, um auch liier
ihren Arbeitern Gntgegcufommen gu beweifen.
Arbeit wieber aufguuehmen, wibrigettfaKs neue Arbeit nicht mehr
ausgegeben werben würbe. 2>ie Unternehmer in $irna unb Bresben
hätten befihloffen, fämmtlichc Arbeiter gu entlaffen, bic aus bCtt
Sheifgebieten Vunglau, Verlin unb VreSlan gefontmen fiitb.
3Jer Verbanb beutfeher Steinmebmeifter habe ferner ben Ve*
f^Iu& gefaxt, 00 m 4. September bis auf SBeitereS * ©efelleit nicht
einguftellen. 6 ) 2)a Vergleid)Socrhanblungen fich 3 ^ 5
fchlitgeu, fällte bas GinigungSamt ben Schiebsfprud), welcher bie
befannt gemachten Vergleichsoorfchläge gur ©runblage h fl t. 3)eit
Parteien würbe gur Ueberlegung, ob ftc fich & ein 3prud) unter*
werfen wollen, eine $rift bis gum 15. September gestellt.
Verlin. Vi. 0 . Sch ul 3 .
2er Atricg. Von 3ol)ann oon Vlod). Ueberfehuitg bes ruffifdjen
SBerfeS beS Autors: 2er gufünftige Äriea in feiner tedjnifdien,
oolfswirthfchaftlicheu unb poütifdjcn Veoeutung. (Verltit 1899,
Vuttfammer <fc SRühlbrecht, Vuchhanblung für Staats* unb
AechtSwiffenfdjaft.)
Von bem umfangrcidien SSerfe ift je^t aud) Vb. 2, 4 unb 5 in
beutfeher Sprache erfdjiencn unb bic Ueberfcfcung bamit gunt Abfdilufe
gelangt. 2er gweite Vanb behanbelt beit „£anb!rieg w , ber oierte „bic
öfonontifchen Grfdjütterungen unb materiellen Vcrlufte bes 3ulunftS*
friegeS" unb ber fünfte „bie Veftrebungen gur Vefeitigung beS Krieges - .
Namentlid) ber oierte Vanb ift werthooll burch feine gahlreidjeit 2ia*
grantme unb Äarten. Von 100 gres. Nettoeinfommen waren Demnach
für ÄtriegSfoften aufguwenben: 0,92 gres. in ben Vereinigten Staaten,
2,31 in Defterreid), 2,44 in Gnglctnb, 2,79 in 2eutfd)lanb, 3,82 in granf*
reidi, 4 ,13 in Italien unb 7 ,71 grcS. in Nu&lanb. gn einer befonberen
Vrofd)iire mit bem 2itel „2ie Unmöglichfeit, ben Verwunbeten auf bem
Schlad)tfelbc -§ülfe gu bringen," ift oer gnljalt beS 29erles, foioeit er
bie gürforge für bie Verwunbeten betrifft, einem größeren ^ublifnm
gugänglich gemacht.
Sonberabbrud aus bem Verwaltungobericht beS SNagiftratS
ber Stabt VreSlau für bie 3eit 00 m 1. April 1895 bis
31. N?ärg 1898. Armenpflege, üranfcnpflegc unb öffentliche
VSohlthäligfeit.
•IpniiShdltSpIäue ber Stabt SNülheim a. b. Nul)r für bas Jahr
1899 unb Bericht über bic Verwaltung unb ben Stanb ber
Gemeiube-Angelegcnheiten für bas 3ah^ 1898/99.
Le Bon. Cb. GillAs de Pelichy, Le regime du travail dans les
principaux ports de mer de l’Europe. Louvain 1899, Polleunis
8c Ceuterick.
gn bem Buche werben bie Bebingungen ber Arbeit unb bie Ver*
hältniffc ber Arbeiter (ber ArbcitSoertrag, bie moralifdic unb materielle
Sage ber Arbeiter),* bie oerfchiebenen BetriebSfpfteme ber einzelnen
^äjeu, bie Arbeiteroereine, bie Arbeiterbewegung gunächft im Allge¬
meinen unb mit genau berielben Gintheilung für bie folgenben eingelneu
.^afenplä^e bargeftellt: Sonbon, ^ioerpool, ^ull, Nottcrbam, Hamburg,
Bremen, Bremerhaoen, Üöln, 2e §aore, SD^arfeiHe, Nantes, Nouen unb
£eS SableS b’Clonne. 2urch biefe rein ntechanifche Stoffglieberung
fteflt fid) ber allgemeine 2heil als eine foutpenbiöfe Söieberholung bes
fpegieüen 2heileS Dar.
Breslau. Sonberabbrud aus bem Verwaltungsbericht beS SÄagiftratS
ber Stabt Breslau für 1. April 1895/98.
Bauten, Beruht über ben Stanb unb bie Verwaltung ber ÖJemeinbe*
angelegenheiten ber ^rooingialhauptftabt Baupen.
6 ) 2er „Vorwärts" berichtete übrigens, baf) bie Arbeiter in
Vunglau gum groben 2hfilc bei ben jejjigen Gmtearbeitcn Vermenbung
gefunben hätten. 2ie Arbeitgeber follen nun bei bem iianbratl) bes
Greifes oorftellig geworben fein, ben Sanbwirthen bie Annahme oon
Steimncben gur Arbeit gu unterfagen. 2er 9anbrath h^be biefen Antrag
guriidgemiefen mit ber Begründung, bab es ben Steinmefcen freiftänbe,
[ich als Grntearbeiter gu oerbingen.
Bei biefer Gelegenheit möchten wir auf einen gaH, ber umgefehrt
liegt, bmbcuten. Gin Berliner 2iefbauuutcrnehmer h«t mehrere Arbeiter
eines Nittergutsbefibers, beiten bie 2anbarbeit nicht mehr pafjte, gu
feinen Bauten engagirt. 2er NittergutSbefiber will bie Befdjäftigung
ber ßcute burch ben 2iefbauunternehmer nidjt bulbenunb hot Befdjwerbe
erhoben. 2as Grgebnib berfelben ift uns no^ nicht befannt.
£>ier wie bort haben bie betreffenben Arbeitgeber auf §. 125 ber
Gewerbeorbnung p<h geftüfct.
®ie gleichgeitig h^nnit ausgegebene Nr. 12 ber 3ÄonatSfchrift |
,,^a$ ©eloerbegmeht" enthält:
Nefultate ber Nechtfprechung eines größeren Gcwerbcgcrid)tS;
^)er Gntmurf eines Gefeh^ betreffeub bie Abänberung ber Gewerbe*
nrhitima. — Verfaffmtg 1111 b Verfahren. GewerbegerichtSwahl. I
Unrichtige fiooSgichuitg. Wahlrecht beS ^ßrofurifteu. — Ned)t-
fprechung. Viittheilungen aus ben Gntfcheibungen ber Gewerbe*
gerichtc Hamburg, 5h*efelb, gfranffurt a. SN. — Verfchiebeites.
Kleine Vtittbeilungcn. — V erb a n b S - A it g eleg e nh e i t e it. 3 111 ’ Nad)*
rieht. — Brieffaften.ü, 2arinftabt; Verfdhiebene Anfragen.
1303
oktale Bra£t$. (£entralblatt für 8ojialpolttif. 9fr. 49.
1304
2>ie Vrart*" erfdjeint an jebem ©onnerStag unb ift burd) alle Sudjhanblungen unb ^Joftämter (Boftjeitungdnuntmcr 7072) gu begehen. ©er ^rei§
für ba« ®iertctjabr ift 2Jt. 2,50. Sebe Kummer foftet 30 Bf- 3)« AnaetgenpreiS ift 60 Bf- für bie brcigcfpaltene Beh’4eile.
Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig:
Der Export
landwirtschaftlicher und landwirtschaftlich-industrieller Artikel
ans i
den Vereinigten Staaten von Nordamerika
and
die deutsche Landwirtschaft.
Von
Carl Simon,
k. rnmän. Consul in Mannheim.
—-— XII, 132 Seiten. Royal 8°. Preis: 2 Mark 80 Pf. --
Die zollpolitischen Verhältnisse zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten gehören t # JtftaUfplIjiljteit hfr
zu den brennendsten Tagesfragen, eine eingehende sachliche und objektive Beleuchtung des ftättifitjen unfc lanMidpn jkatflkfrung.
Exports der Vereinigten Staaten aus der Feder eines Kaufmannes, der fast ein Vierteljahrhuudert Bon <2Dcu?l $aUdb.
mitten ira internationalen Verkehrsleben gestanden hat, darf auf besondere Beachtung zählen. — 1897. ^reh? 2 Bff. 20 Bf- m—mm ■
Verlag von Gustav Fischer in Jena.
Sorben erschien:
Die Spielwaren-Hausindustrie
des Meininger Oberlandes
von
Dr. Oskar Stillich,
Docenten an der Humboldt-Akademie in Berlin.
--— Preis 2 Mark. -
Derlap Von ®untftcv & Jfnmblot in leipiig.
Stadtcttberger, 91., ;jur Innimiirthirijrtitlidjni ,'vagc bei- ('itgoimmrt. \ 9Wiaäfoto$ff, 91. t>on, ;Mgrurpoltttief)c ;{cit« imb Sueitfroacn. i<or-
Ä 3W.
(ftcrbotte, $eitttid), Tic Aothlagc her ^anbuünhirfiau unb hie länb=
lirfjen Bereinigungen. i A't. 4u B’"-
CBrofmsittstt, gtfebrid), lieber bic gutvhcrrlid)=bäuerlirfu'n Aeditv'ücr*
hältniffe in her AKarf Branbcnburg uom 16. bis 1\ oobrhunbert.
3 A't. 60 Bi- i
träge, Befcratc unb OJutadjten. - 6 9$. 40 Bf-
3 n tj a11: SDjiaIpolitifd)f8 aus ben Edjroeijer Alpen — Jic ßage bc« Bauern,
ftaitbcä in ®reu&en. — 2tc gegeuroärttge ßage ber beutfetjen ßanbiolrtfd)aft. —
Sie ffininbeigentamSperteilung unb «rbrcdjtäreMU’in in 2eutfd)laiib. — 2a«
ftnerbeiuedjt unb ba« rünftige Sürgetlidje defefcbud) für ba« 2eutfd>e SHeidj. —
3>ie öutgübergabe* (Altenteil**) Berträgc. — 2ic SÄäfelgreitSbeftrebungeit unb
bie ÖrnmiiiDeiiifteucrreform. — Ueber Wentengüter. — 3ur ©ährunggfrage. —
2a« Idnbüdje OlenoifciifdjaftSrDcfen in ® teuften. — 2ie Ecijotjung ber lanb*
ipirtfdiaftlicftcn Ed)ufc.iöQc. — 2er ©uc^er auf bem ßatibe unb bie Organisation
bee länblidjen ftrebit».
(tfrünberg, Jtarl, Tic Bauernbefreiung unb bic Auflegung bcc- gut**
berrlid)=bäiteriteben Bcrhältniffe* in Böhmen, Bi ähren unb Brfilciicn.
v iu»ei Teile. 1 1 » AV.
tfrfter leil: llcbcrblief ber (Sutioirflung.
3iunici icil: 2ie Slcgultcruug ber guteficrtlidi-^perlidjcn i J crb.attinMe von t.f*o
bt* 1848, uad) bcu Afteu.
Ott, {felis, £ ie Crganifation be* Bobenfrcbits in Tentirfdanb. <;\n
3 Abteilungen.) (£rfte Abteilung. A. u. b. 2.: Tie fiaatlirfien unb
proninjielleu Bobenfrebitinftitutc in Tcutidilanb. 2 Bbe. 24 A><.
I. Suhpideliing*gefd)td)te unb Etntiftif.
U. Organifdjc Stiftungen.
311 ber jnielteu Abteilung be« ©rrfe# feilen bie genoüeip'rtjaftlid) organifierten
^nftitute, in ber brüten Abteilung bie ifobenfrebit Alitcnbanrert tu gieidj um*
faffenber ©eife befjanbelt roerben.
£oh*arb, ^emtantt, B?ie hat ftd) ber Vaiibwivt $ur progrcitimi
(Sinfoinmenfteuer 51 t verhalten? 1 AV.
Simma^tetnegg, fiüti Sfjeobot bon f Tic Au«hilbnng ber grünen
01 runbherrfd)aften in Teutftfjlanb umhrenb ber tinrolingerjeit.
3 A't. 20 Bf.
Unapbr ®rotö ^fricbridie Tic Bauernbefreiung unb ber iln'pnmg
ber Vanbarhciter in ben älteren ^heilen BrnoV"^- ^met iheile.
10 A't.
1 . Ucüerblicf ber öntrotcfelung.
il. 2>ie Stegulirung ber giitel)errlic^*bdueritct)eit Bcrl)allnt''c con i toi; btö 1S57,
nacti ben Afteu.
— ('Inuibherridiait unb Rittergut. Borträge uebit hiographifdieu Bei=
lagen. 3 A't. 20 B T -
Inhalt: Canbarbeiter uitb innere Molonifatiou. — Xic lanblidje ^erfajiuug
»iebcrf^leficn?. — Tie Saucrnbefretung in Ceftcrreld) unb in ^Jreuken. —
lie QJnmbtjerrfdjaft tu DlcrbiDcitbeuifcblanb. — eiebdung unb Agrarrocfcu
midj A. SMelfyctt. — Biogrnpliifdjc Beilagen: (i. Slnffe; vennami unb .nelfcridj;
<i. o'ugcl; ü>. .paniien. — Äumerfiingcn.
— lie Vanbarheiter in Mneditfdiaft unb Freiheit. A't er A'orlidge. 2 AV.
guijalt: Jev Uriprung ber eflnonei in ben ftbiomeeit. — 2)ie l-ancrlicljc 2ctb-
cigenfdjaft im Oftcit. «ie (Jrüiuiieilhanigfclt unb b:e faiutaliuttiic ffltrtli
Ujaft. — 2ie ßanbarbeiter bf. biv ciem-Ct'irbeiit'eigpdicu lr.g. —
'.'innieilungeii.
'Wtia^foluijfi, 31. t>oti f Tat? Broblem ber <'iim:bheüiu j ei;eiiuug in
geidiiehtliduT oumueflmig. Borleiimg, gehalien beim Amnti beo
2ebram:> an ber A s Aieuer llniueriimt am l->. Z t tob er 1 '.A't.
diimplcr, T-omäncnpoIitif unb Olrunbctgeuthum^uertheilung uor»
nefjmlicf) in B rcu 3 cl1 - 5 Al?. 40 Bf-
3£öaJtcr, ;{ur Artige ber Crganiiation bc» laubtiurthicfianUchcn
Mrcbitö tu ^eutfdilaub unb Ccfterreidi. 3 AV. 6u Bf.
8cf)Htte, Bruno, Xie ^üfantmenlegung ber Olnutbfriicfe in ihrer nolf*?-
uiirthi^aftlic^eit Bebeutnng unb ^urd)fnf)nuig. Xrei Abteilungen.
2s AA\
I. AUgemciner ifjcil. tjinielprcid 4 3».
II. epedeüir Sljctl, erfte Cuilfie: %>ai ftönigreid) ^reufeeu. (itnielpretS 16 SB.
HL SpecieDer iroelie Wülfte: »te bemfc^cn SBittel* unb ftleinftaaten. Hnfjang :
Aukerbeutfc^e Eiaaten. Sladjträge. «inielpret« 14 S».
8dinapper 3frtihL Göttlich, günf ^orfgemeinben auf bem hohen
Sauiui*. (Sine fo^ialftatiftifc^e Uuterliidping über Älcinbaucrntfnim,
$>aii0inbuftric unb Bolf^Iehen. 8 Bt.
Gering, SÄflj, ^ic Ianbnnrthfd)aftlid)c tfonfurren^ Aiorbamertfa^ in
(Gegenwart' unb v -fnfunft. Vanbmirthfdiaft, «olcmifatioit unb Ber»
fetotoeien in ben Bereinigten Staaten uitb itt Brttiid)*A?orbamerifa.
Auf (^riutb non Steifen mib 3tubien bargefteüt. AVit einer Marte
in ^arhenbrurf. 15 Bt.
€omhart^rm^tchcn r x fur ,xragc ber inneren Molcmifation. Xie
Beregnung ber Stenten auf Aeuteiigütcr uad) bem preuhifdicu Weicpe
Lunit 7. ^ltli 1891. 1 gjj.
Stumpfe, <?’intl f Ter fleine Olruiibbcfip unb bic (Hctrcibcpreiie.
2 Alt. 60 Bf-
Jnhült: (finleitung: 2)er (Siinluk ber öctrciwprciic auf bie greife bet anbeien
lanbroirlfd)nfiltd)en Grseiigniffc. ®iel)* unb Slcifrfjetnfufjr nac^ CSuglanb. —
2er gegenroärtige Eiaub ber Srage tn ßitieratur unb ®olitif. - Anlagen.
Tfjutt, 3Uphon^, ^anbiuirthfdiaft unb (>)ciuerhc in AltiücIrnfUanb fei 1
Aiifhchung ber Vcibcigcnidjatt. 6 Alt.
Stefan Uugarifdie Agrarpolitif. 2)ie Uriadjrn bc^ B l 'ri‘“' s
failev ber laubnunhidjaitlidjcit Brobuftc unb bic Aifittel ber Abhilfe.
Autorifiertc beuttdic Aluogabe. 1 SJ?. 60 Bf-
3iMttich* 3i*crncr, Xie t^runbherrfdjaft tu Aiorbioeft s £eutidilanb.
13 AV.
oii; alt: Sorioon. — 2ie lanbli^e iLafaifung Btcbetfad^enä unb ber toefu
fdlndjeii (freiiicic xiuijannoDcra im is. ^ahrij. - 2te «ef^idjie ber (» unb*
licniiljafi. — Anlagen, lö^cur* über b; > llrfpiung bev ©roBgruubijerridjaft.)
ßafrr^ctu^ft, Cf. 31., Tie midi tigeren preurd'dien Aieiormcn ber birefteit
IduMithn! rteueru im 1*. oahrhnubert. 2 A^. 4<) Bf.
Wunder \ v i^sWoi ß t.a i w# iMM.uft bei 3uilu« Sitieiifelb, Berlin.
VHL gfttjjrpttg.
Berlin, ben 14. September 1899.
Stummer 50.
Soziale prajis.
^entrafßfctlf för ^ogictfpolifiR
mit ber SRonatdbetlage:
Das <Bewetrbe<$mcht.
©rgatt öes Derbanbcs beutfdjer (Setr>erbegeridjte.
Rette golge bet „Vlätter für fojiale ^tayiS" unb beS „Sozialpolitiken ©entralblattS*.
drffleint an iebtm Sonnerftag. ^)ecau§gcber: RretS PierieliSftrlift 2 JW. 50 $f.
SRebaftion: Vevlin W., Vnpmitberftrafjtf 29. Df** ©erlag Oon ©untfer & £mmblot, Ceipztg.
3nl)ftlt
£ie ^Reform ber fttanfenDet*
ftcherung. SBori Stabtrütf) poii
gTanfenberg, ©taunfdjweifl. 1305
© i e © e w e r b e au f f t cp t in iß reu*
ßen 1898. illuS ben 3»al)reSberid)ten
ber @eroerbe* s )lufj'i(bt$beamten. ©on
©. Saube, ©erlitt.1309
■1« «meist C»|tal* nub CUirtbfftaft«*
Usltttt.1312
©aS Urteil eine« englifcben
©ewerffd&aftSfübrerS über
beutfdbe 3lrbett80erl)ältniffe.
©te ©elaitiinß ber beutfeben Snbufiric
bnrrf) bie 2(rbciter*©erttcf)erung8* unb
Scbufeflefefcflebunfl.
9lfid)öbcrggefeb unb ©eutfeber 3ln»
toaltötag.
Stomsraasle •ogtslRoUtit... 1315
©tabtörjtlidbe llnterfucbung ber 51o[t*
finber in C^b^^lottenburg. ©er*
pflidjtuntt ber ©flegemütter.
Monimimaleö ©Jcrfftättenftatut für
©ubapeft.
Äontmunaleö Selepbon in 9?ortt)egen.
kommunale Sdntlbäbet in (friglanb.
C«)ti(e 8» H'dnb* .1315
©ie Arbeiter ber fran^öfifeben
Sabafinbuftrie. ©on g. Sdjott*
boefer, ©ariö.
Lohn» unb 9trbeit$oerf)altni|fe im
beutfeben äRaurergemecbe 1898.
©ie 'Ärbeiterfroge in ber amerifanifebeu
©aumwoflinbuftrie.
'3f§ett«*tcm«t»nt.1319
Stein ©erToriSmuS?
©erbot eines «Streifs bureb bie ©olijei
in ßwiefau.
©et Streif ber beutfdjen Steinarbeiter.
©in ©entraloerbanb cbriftlicber SOlaurer.
«uS ber ©erliner Strbeiterberoegung.
©ergarbeiterftreif in Satbfen.
Lohnbewegung im böbmifeben Stoblcn«
bergbau.
General Federation of Trades.
f9obna*g0m«fes. 1320 i
SDBobnungSnotb in Stiel. ©on !
Stabtrutb Dr. %. Soetbeer, Stiel,
©lütter für Hamburger SöobnungS*
pflege
@etoerbeflert«te. tffntgmtgSämter.
Mieb«flevt<Dtc.1322
3kitt^ei(ungen Us # merlegeHgU UerCitt.
JRebigitt oon Dr. Sdjalborn, ©e* I
werberiebter, ©etlin.
©ie Stellung beS Kolonnen*
fübterS unb feiner ©ruppe
im ©augewerbe. ©onDr.Stbal»
born, ©ewerberidjter, ©erlin. I
©in furjer Streif, ©out ©ewerbe* i
riebter ©i. o o n S cb u 1j, ©orfifcenbem
beS ©ewerbegeritbts ©erlin.
91ecbtfptecbung.
tttcMftUI« Vngttaen. 1326
Slbbrud fümmtlicber Ärtifel tft ßeitangen unb ßettfebriften geftattet, jeboeb nur
mÜ Poller Quellenangabe.
fite Reform ber firunhemier|tdjerung.
Rad) ber Refolutioit, rocldje ber Reichstag im Rnfd)luß an bie
ettbgültigc Rbftiutmung über baö „gnualibenucrfidjeruugsgcfeb" 1
l)innd)t(id) einer Rudbchnung ber nothroenbigen Mranfcnfaffen* !
fürforge oon 13 auf 26 Bodjen gefaxt fjat, unb nach ben Grfläruitgen, I
bie 001 t Vertretern ber oerbünbeten Regierungen bei (Gelegenheit j
ber (Gefebesberaibnng abgegeben roorben finb, 1 ) ift e<? roahrfdjetn* !
lief), baf> bentnächft, trenn auch oielleie^t uod) uicf)t bereite in ber
Seffton 1800/1900, eine RooeUe 3 um &ranfenoerfid)eriing*gcfebe
ben Reidjötag befdjäftigen rcirb. Unb ba feit ber Iepten 5lbänberung ;
biefcö (Gefetjcö (10. Vlpril 1892) bereite auf oielen ©ebieteu feiner !
Slitroenbimg neue (Srfa^ntngen gefammelt fittb, bie bei ber gefefc* !
©gl. iiiöbefonbcrc beit MoinmiffiouSberidjt, Rr. 270 ber Rcidi** 1
tagSbrucfiadjcn l^os/ou 3. 3s ff. 1
geberifdjen ^l)ätigfeit oermertfiet inerben fönnen, fo barf mau ber
Hoffnung Ru&brucf geben, bafj bie Reform fid) nic^t auf ein paar
©in^el^eiten befdjränfen, foubern überall ba belfenb eingreifeit
toirb, loo fid) s }Rängel oon (i*rf)eblid)feit fühlbar gemad)t fjaben.
(Sin (Gefep, ba^ eine foldjemille imb Jliannigfaltigfeit oon n)irtbfd)öft*
liefen Verbältniffen erfaßt roie liefet, famt unmöglich für 3al)r*
je^nte al§ ein abgefdjloffenee, unantaftbare^ 2 Berf betrautet roerben;
roie bie Reid)§geroerbeorbnung innfe cc> immer roieber oon ‘3t\t .^u
3eit eine llmgcftaltung nad) ben erweiterten Vebürfniffeit be^
53eben§ über fid) ergeben laffen. 'Ser ^ßraftifer, bem ba^ V^obl
bee 5lrbeiterftanbeö am $Ser$en liegt, rotrb jebe roirfüd)e Ver=
befferung mit greuben begrüßen unb ben ©ertb auch ber „gefeß*
geberifdjen gliefarbeit" nid)t unterfd)äben.
Sa§ bie Rooelle eine ^lenberung ber itranfenuntcr*
ftütjungöbauer bringen roirb, beren Riinbeftumfang jefet im $ 6
?lbfab 2 be^ Üranfenoerfic^ernngSgefebeö auf 13 38od)cn nad) Vt*
ginn ber M rauf beit be^iefjungSroeife beg Äranfengclbbeguge*? be*
meffen ift, barf mit 8 id)erbeit angenommen roerben: bie iOicfe, bie
fid) bei ber gegenwärtigen Redjtölage in oielen gäüeit ergiebt,
beoor bie gnoalibenrente ciutritt, fann uid)t länger fortbefteben.
s Bcnn aud) bie Hoffnung auf eine cinbeitlid)e, ^citlid) unbegrenzte
Äranfeitfürforgc troß ber fel)i* bead)ten§roertben Slu^fübrungen
Dr. greunbd in biefett Vlättern 2 ) einftroeilen nbd) nid)t in (Sr*
füllung gegangen ift, fo bringt und bie obige Renberung bod)
einen großen 8 d)ritt oorroärtd. Sebetifafld ift baranf 3 « redeten,
baß bic Vcrfidjeningdanftatten fortan ba^ .?eiloerfal)ren nach §. 12
bed 3 noalibenoerfid)erungdgcfebci? aud) bei oorübergebenb (fr*
roerbsunfäbtgcu zeitiger unb häufiger ald bidljer übernebnten unb
baburd) bie ilranfenfaffcn entlaften roerben.
(Sd läßt fid) freilich nicht oerfenuen, baß bie R^ebraudgaben,
welche ben ^ranfenfaffen in golge ber Slndbebuung ihrer Unter*
ftüpuug bid ju einem halben gahrc entftehen, nid)t ganz unbeträd)t*
lid) finb. lieber ihre £>öbc nnb Serfnng ift |d)on in ber Reid)^*
tagdfomtniffiou (ogl. ?lnmcrfmig 1 ) oerhanbelt. (Sd rourbe oon
einem RUtgliebe berechnet, baß ein Rlchrauftuanb oon über 8 %
befielt erforöerlid) fei, road in ben erfteit 13 Bochen an Mranfeit*
nnterftüpung bezahlt werbe, ober für jebcd Riitglieb jährlid) etwa
1,k; cV/. Betttt man auch Vebenfcn gegen bic Richtigfeit biefer
auf bie 3 a ^l en e i llcr Q^afien § a ntburger ^u’ilfdfaffe aufgebauten
8 d)ätjung haben mag, fo roirb matt bod) ber ftatiftifd) belegten
9lnfid)t beipflichten muffen, baß roeitaud bie meifteu Mrattfbeiten
weniger ald ein Vierteljahr, ja noch nicht einmal brei oolle Bodjcir
bauern. Uebertricbcn hoch barf man fid) bedhalb bie Velafnmg ber
Mafien burd) bic Reiterung nicht oorftcflcn, unb nur bei fehl* fletiteu
Maffen, gegen beren Errichtung nnb gortbeftanb ueuerbingv mit
Red)t gefämpft roirb, famt bae plöplidje Auftreten mehrerer ber*
artiger gälle erljeblidje 8 d)tüierigfeiteit heroorrufen.
2 ) 3p. 373 ff. bov VIII. gabrgang^ ber ,.3ojialen ©variv '.
1307
1808
Sogtale ^rajrtS. Hentralblatt für Sogialpolitif. Ar. 50.
35*a# aber bk 2>ecfung anlangt, fo ift bie oon einem 9tegie*
ruitgSoertretcr in ber Äontmiffion erörterte Örage, ob nicht etroa
in irgeitb einer 2form bie BerfttherungSanftaltcn mit einer Cuote
gu biefen erhöhten haften prangujiepn feien, meine# ©rächten# gu
verneinen. ttRan roirb non einer berartigen s Dta ßregel, bie ben
Aufbau unfercr Arbeiteroerficherung um eine eigenartige SRücfoer*
ftcfjening bereichern unb gu oielen «Streitigfeiten führen mürbe,
genug fo lange abfehen müffen, al# e# möglich ift, auf einem
auberen gangbaren Bkge Hrfaß gu befchaffen.
$a# SlranfenoerfidjcrungSgefeß läßt in §. 31 Abfaß 2 für bie
0rt#franfenfaffen, beiten in bkfer Begiehung bie Betricbs(2fabrif)*,
Bau* unb 3nnung#franfenfaffen gleichgestellt finb, eine Hrhößung
ber Haffenbeiträge, foroeit fie ben Huffenmttgliebern felbft gur Saft
fallen, grunbfäßlich nur bi# gur |)öße oon 3 o/ 0 be#jcnigen Be*
trage# gu, nach welchem bie H'ranfengelbgahlung gu bemeffen ift
(burchfehnittlicher Jage* ober Hlaffenlohn, roirflicher ArbeitSocrbienft
be# Hiitgelnen). Aur mit 3uftimmung ber getrennt gu befragenben
Arbeitgeber unb Haffenmitglieber fann gur ©ecfmtg ber Btinbeft*
leiftungen über bie 3 o/ 0 hinau# eine Beitragserhöhung befchloffen
werben. Ja# roirb wohl in gang feltenen Satten gefchchett, ba
fchon bie Erhöhung bi# gur Aormalgrenge weift auf heftigen
BMberftanb ftöfet. Berfagt bie ©eneraloerfammlung bie ©enehnti*
gung ber an fich nothroenbigen Steigerung über 3°/o, fo tritt
nicht ber behörblidje 3wang ein, fonbern bie Stoffe ift gu fdjließen
(§. 47 Ar. 2).
H# liegt mir fern, Aenberungeit an biefem Aecht#guftanbe gum
Aachtheile ber Haffenmitglieber oorfchlagen gu rootten. (Sin Bei*
trag oon 3 o/ 0 b e # eigenen Lohne# ift eine reichlich hop Ausgabe:
bei einem Söochenoerbienft oon 6 • 2,^ = 15 c 4L fällt e# bem Ar*
beiter nicht leicht, fleh jebe#mal 45 4 wöchentlich abgiehen gu laffen,
gumal baneben noch anbere Abgüge Onoalibenoerftcherung u. a. m.)
in betracht fomtnen. BHe aber bei ber Snoaliben* unb Alter#**
ocrficherung bie Beiträge beiber gleich hodj ftnb unb mit
ber gleichmäßigen Betheiligung oon Arbeitgebern unb Berlinerten
an ber Berroaltung ber gangen Hinrichtung in Hebereinftimmung
ftehen, fo follte man fich aut h entfließen, um benfelbeit Brei#
ben jeßt % betragenben Antheil ber Arbeitgeber an
ben gefammten ,Hr anfenfaffetfbeiträgen auf V> gu er**
höhen. Jk Leiftungsfäßigfeit ber Hranfenfaffen roirb baburch
mit einem Schlage eine anbere. Läßt man ben bem Arbeiter felbft
gur Laft fattenben Beitrag unoerminbert, fo erhöhen fich bie Waffen**
einnahmen burch bie Berboppelung be# Arbeitgeberbeitragc# um
33 V 3 o/ 0 ; e# roirb aber troß ber Hinführung ber 26 wöchentlichen
llitterjtüßung oielfach eine Hrmäßigung ber Beiträge um runb
20 o/o eintreten föniten, ba nach ber obigen Schälung bie Btehr*
auegabe noch nidst auf 10% gu oeranfchlagen ift.
Al# ©egengabe aber räume man ben Arbeitgebern ba# SR echt
ein, in ber ©eneraloerfammlung unb im £affenoorftaitbe bie
£)älfte ber Stimmen für fich in Anfpruch gu nehmen, unb gebe
ber Atörperfchaft roenigften# bei ben 0rt#fran!enfaffen 3 ) unparteiifche
Beamte al# Borfißenbe nach Beftimmung ber Aufficht#behörbe.
Blatt roirb mit biefer „paritätischen 0rganifation," roie Dr. greunb
a. a. 0. burthau# gutreffenb heroorhebt, beffere Hrfahrungen machen
al# mit ber gegenwärtigen Hinrichtung, bei ber e# leicht fo fommt,
baß bie Arbeiter je nad) ihrer Berfönlid)feit entroeber gar nicht#
ober gu oiel gu fagen haben. Bielleicht ift e# bann entbehrlich,
eine anbere gragc au#brücflich gu regeln, bereu Bebeutung neuer**
bmg# immer mehr in ben Borbcrgrunb getreten ift: Ja# Ber«
hältni# groifchen Hranfenfaffen unb Aergten (ogl Sp. 974
be# 8. Jahrgang# ber „Sogialcn 'prajüS"). H# läßt fich annehmen,
baß bei einer nach obigen ©runbfäßen erfolgenben 3ufammcnfeßiing
ber MraufenfafferoBorftäube bie beredjtigtcn Jvorberungcit be# ärgt*
3 i Bei beit ^nnuug#franfrnfaficu ficht §. 90 ber Acid)#*Wc=
werbeorbmtug bie Blögliditeit einer abwenhenben Regelung oor. Soweit
mir befamit, begebt iubeß fehl* wenig Aciguug, oon ber bort gegebenen
Bciugniß Webrand) gu tnadieu. — Bei ben Betrieb#» unb Bau**
f laufcufaifcu finb bie Bcrhältniffr io eigenartig, bar, man bem llnter*-
uchnier, ber eine folche «affe für feine Arbeiter in# Xfebeit ruft unb mit
feinem Bermögeu ba# Aififo ber SWebraufroenbungcii tragt, ba* Aedit
auf ben Maffcuoorfip nidit fd)tndlcru fällte.
lidjen Stanbc# beffere Berücfftd)tiguitg al# bi#her finben werben.
Sür unguläffig würbe ich e # bagegen halten, ben Hranfenfaffen bie
Htnführung ber freien Argtroaßl gefcßlich binbettb oorgufd)reiben,
gumal ba bie BkhrauSgabcn, welche burch bie Hrroeitcrung ber
Ünterftüßungsbaucr bebingt ftitb, gur Borftd)t auf anberen ©ebieten
mahnen, unb ba fich außerbem eine# nicht für alle fehteft. Aur in
einer §)iiiftcht empfehle ich, ben Begebungen ber ärgtlidjen 35er»
tretungen mehr entgegengufommen, al# bie# bi#hcr feiten# ber
meisten ^Regierungen für geboten gehalten ift. Unter „ärgtlidjer
Beßanblung" im Sinne be# HranfenoerficherungSrechtS fann unb
barf fchlechterbing# nicht# anbere# oerftanben roerbeu, al# bie Be»
ßanblung burch einen approbierten Argt. Läßt man Au#nahnien
oon biefem ©runbfaßc gu, fo fann e# nicht SSunber nehmen, wenn
ba# Aitfehen be# ärgtlichen Stanbe# burd) Unterbietung feiten#
eingelner Berfoneit gefährbet roirb, bie e# für unbebenflich halten,
mit Bfufcßern ihre eigenen .Hollegen gu befämpfeit. Selbst»
oerftänblich fchließt ba# ©efagte nicht au#, baß unter ber Auf»
ficht unb Hoittrole approbierter Aergte auch ^eilfuitbige,
SRaffeure u. f. ro. gu geroiffen untergcorbneteit Jienftleiftungen
heratigegogen roerbeu, beren ber Mranfe nach Anficht be# bie Be»
haitblitng leitenben Argte# bebarf.
Hine engere Schranfe für bie Beitrag#erhöhung ift in §. 10
Abf. 1 be# Hranfenoerficherung#gefeße# betreff# ber ©emeinbe»
franfenoerfitherung gegogen. §ier barf gur ^eefung ber ge»
fcßlichen ^ranfenunterftüßungen mit ©enehmigung ber 0berbehörbe
lebiglich eine Steigerung ber Beiträge bi# gu 2 % be# ortsüblichen
Jagelohne# erfolgen, unb groar fchlechthin in Begug auf ben ©e*
fammtbeitrag, nicht bloß riicffichtlich be# Antheil# be# Berfichcrtcn.
H# fann alfo, um bei obigem Beifpiele gu bleiben, unter 3ugnmbc»
leguug eine# ort#iib!ichen Jagcloßne# oon 2 /50 JC, ber beiberfeitige
Socßenbeitrag gufammengcrechnet nicht mehr al# 30 4/ her Arbeiter*
beitrag alfo nicht über 20 4 wöchentlich au#machen. 'Jaß hkroon
.Hranfenunterftüßung auf 26 2Öod)cn nicht wohl begahlt roerbeu
fann, liegt auf ber ,f)anb.
Sollen nun bie BJitglieber ber ©emeinbefranfenoerficherung
bei ber gangen Hrroeiterung braußen ftehen bleiben? J'ie# un»
billige Hrgebniß roirb jeher gern oermeiben rootten. Unb fo fonune
ich gu bem Schluffe, baß mit ber ©emeinbefranfenoerficbe»
rung überhaupt aufguräumen ift. Sh** Beitragsbemessung
ift ungulänglid), noch weniger au#reidjenb finb ihre Leistungen,
unb gang im BMberfprucf) mit ber fonftigen 0rganifation ift ihr
Apparat. Bon SBöchnerinnenunterftüßung, Sterbegelb, gürforge
für Hrroerb#lofe unb ©enefenbe, ©eroährung erhöhten ober flassen*
weife geglieberteu .Hranfengelbe# u. bgl. ift bei ihr feine Siebe,
eine Bhtroirfung ber Berlinerten unb ber Arbeitgeber bei ber
Berroaltung fommt nicht in Betracht. $)arum entfließe man ftd),
fie allgemein burch 0rt#franfentaffen gu erfefcen, nachbem biefe
fich ingroifchen al# Jräger ber Berfidjerung in J'orf unb Stabt
bewährt haben.
Hine weitere Sorberung, bereu Berechtigung hoffentlich halb
aud) regicruug#feitig anerfannt roirb, ift bie reid)#gefeßliche
Au#behnung be# Hranfenoerficherun#groange# nicht nur
auf bie £)auSinbnitricllen, 4 ) fonbern aud) auf bie in ber Laub*
| 4 I Bgl. ben Auifaß oon C. Steigert über btc obligatorifdic .Hranfen»
| oeriidienmg ber ^auvinbuftrieücn in 2d)inolIer# 3abrbnch» April b. o*.
1 nnb 2p. 8 TI be# 8. 'sabrgang# bei* „Sogialcn Brag'k". Tie Biißftdnbe
j in ber Beflribiing#inbuftrie haben fdjon sehr häufig Anlaß gu An»
| reguugen auf biefem Webtete gegeben; erfreulidjerroeifer Steife hat ndi
| and) bie Aeid)vtag#fommif)ion für bie Wcroerbeorbuiing#noucllc mit ber
| Angelegenheit befaßt I Aeid)#tag#brucffad)eu Ar. 393). Betreff# ber ^u>
I oalibeuocrfidirrung ift bi#her nur bie labaf* ittib bie ^ertil*.v>au#-
iitbuftrie in ben Hinang hinein gegogen, hoch fann hier ber Buube#ratb
anbere Weioerbvgioeige bem Bwang uuterfteücn. giir bie .Hranfeuoer»
fidicriuig ift nad) ben bisherigen Hrfahrungen wenig oon ber ort#*
| ftatutarifdirn Himiihntug be# Beitritt#gioange# gu erwarten. Jic ©efep»
I gebung hat aber umfoutehr Anlaß, allgemein nnb burdjgretienb ^lilfe
j gu idiaüen, al# bie S^age ber meiftcu $)au#iiibuftrirUcii nidit beffer,
fonbern meift fd)led)ter al# bic ber uufelbftänbigen Wewerbegehülfeu tü,
unb meil fidi in Aubetradit ber flüffigeu Unterfcheibung groifchen beiben
«'huppen erioerl»#tl)ätigcr 'perfonen eine außerorbentlid) ocrfdjiebeuartigc
I Bvan# innerhalb ber eingeluen behördlichen Auffid)t#begirfc heran#-
1309
6ogtöte BraytS. ©entralblatt für ©ogtalpoltttf. 9lt. 50.
1310
unb Farftwirthf<haft befdfjäftigten ^crfouen unb auf baS
(Gefinbe. Die Berbefferungen, welche bie Fnoalibenoerftcherung
ingwifdjen erfahren ^at, machen bie SKängel hoppelt fühlbar,
bie auf biefem (Gebiete oor ©rlangung ber SRente hefteten. ©S
Iäjgt fich auf bie Dauer nicht oerthcibigen, bah bie genannten
$erfonen in ben erften 26 ©ochen einer ©rfranfung ungünftigcr
als bie gewerblichen Arbeiter geftcHt fein follen. Die Borfcljrift
beS Bürgerlichen (GefefcbuchS, nach ber bie Dienftherrfchaft in ben
erften fechS SSochen bie Fürforge übernehmen foll, ift nur eine
©tappe bis gur ©rreichung bes ©nbgiels. Biit bem £>inmeife auf
bie patriarrf)alifd)en Berhältniffe unb auf bie Ueblichfeit ber
G?aturaloergütung 5 ) ift ber Anfpruch nicht aitS bent gelbe gu
fdjlagen. Die ©rfahrungen in ben BunbeSftaaten, in welchen bie
ianb« unb forftwirthfehaftlidjen Arbeiter unb bie Dienftboten für
franfenDerftd^erungSpflic^tig erflärt finb, ergeben mit ooller Be«
ftimmtheit, bafj bie ©inrid)tung groecfmähig ift unb ftatt ber be»
fürchteten $ad)tbeile wefentlichcn Stuben ftiftet. ©ie bietet bent
Arbeitgeber, ber eS treu mit feinen ßeuten meint, ooHanf (Gelegenheit,
feinen guten SBillen gu begeugen unb ein bcfriebigenbeS Berhältuifj
gu feinem ^erfonal gu erhalten, mag er bie Kranfenfürforge auf
eigene Rechnung übernehmen 6 ) ober bem ©intreten ber gefehlten
Mranfenunterftütjung burch bie 5^affe freien ßauf laffen: immer
wirb er rathenb unb h c bfcttb bie Durchführung ber Berficheruitg
förbern fönnen.
Brauitfdjweig. o. granfenberg.
Bie ©etoerbeauf^djt In Preußen 1898.
Aus ben 3ah*eSberichten ber preufjifdjen (Geroerbe»«
auffichtsbeamten.
Die 3ahreSberid)te finb bieSmal fteüenroeife etroaS bürftig aus«
gefallen. Da man aber aus ben feit fahren laut geworbenen «lagen
weih, ba& bie (GewerbeauffidjtSbeamten überlaftet finb, inbem fie
neben ber eigentlichen gabrifanfficht auch noef) burch bie Keffel«
reoiftonen, (Gutachten, Bernehmung als ©achoerftänbige unb allerlei
©chreibwerf ftarf in Anfpruch genommen werben, wirb man bieS
erflärlich finben. ©S oerbient unter biefen erfchroerenben Umfiänben
fogar Anerfcitnung, bah bie 3<*bl ber auSaeführten Beoifiouen
oon 67 304 im 3ah^e 1897 auf 74 765 im Jahre 1898 geftiegen
ift.*) Durchgreifeitbe, roieberholte SReoiftonen wirb man erft er*
roarten fönnen, wenn bie urfprünglid) als „Berfuch" eingeführte
Berbinbung ber Keffelreoifion mit ber gabrifaufficht roieber be«
feitigt, unb bie 3<*hl ber Beamten, bie jefct in 97 (Gewerbe«Jn»
fpeftionen auf 124 fich beziffert, in einer bem Anroachfen ber in»
buftritllen Anlagen unb ber Vermehrung ber Arbeiterfchaft ent»
gebübet hat. ©in in feiner eigenen Hoffnung für (Gefchäftc arbeitenber
©tütffdjneiöcr wirb g. B. l}ier in ber ©tabt Braun jdjweig regeluiähig
als franfeit- unb tuoalibenocrficberungspfltdjttg bcbanbelt, wäbrenb es
mir befannt ift, bah er in oieien anberen OH-ohftäbten nicht als £>etm«
arbeitcr, fonbern als $ausinbuftricllcr gilt unb feine Beiträge gn
gal)len hat.
5 ) 23gl. o. Beleben Faljrg. 8 6p. 1020 b. ©I. Ar. 38.
6 ) §. 136 bes $?anbw. UnfaHoerftcherungsgefehcs; §. 3 a Ar. 2 bes
At ranfenoerficberungSgefebcS.
*) Bon biefen 74 765 Aeoifionen erfolgten 1169 in ber Aadfjt unb
2203 an ©onn« unb gefttagen. Die 3 a bl ber einmal reoibirten An¬
lagen bezifferte fief) auf 35 096, bie ber grocimal reoibirten auf 7299
unb bie ber brei« ober mehrmal reoibirten auf 4066. $n ben reoibirtin
Anlagen waren 2 135 940 Arbeiter bcfchäftigt, baoon männliche jngenb*
.liehe 90 918 unb erwachsene 1 726 240, weiolidje jugettbliche 33 214 unb
crwadjfene 285 568 . Die 3afjl ber gabrifen, welche im Fahre 1898
in ^reichen Arbeiterinnen über 16 Fahre befdjäftigt hatten, betrug
18 898 (+ 277 gegen 1897) unb bie ber gabrifeu mit jugcnblidjen Ar«
beitem 23 949 (+ 813). Die 3«hl ber in ben g-abrifen bewältigten
Arbeiterinnen hat fidj wieber, unb gwar oon 337 504 int Fahre 1897
auf 353 629 im Jahre 1898, alfo um 16125 oermehrt. 23on ben
Arbeiterinnen im Fahre 1898 waren 139 777 (+ 4497) 16 bis 21 Fahre
alt, 213 852 (+ 11 628) über 21 Fahre- Autfj bie in ben gabrifeu be*
fdjäftigten jugenblidjcit Arbeitcr hatten eine 3unahnie aufguweifen, fie
begifferten fid) 1897 auf 132 352 uub 1898 auf 142 121, ihre 3unahnte
betrug 9769. 23oit ben 1898 befdhäftigten jugcnbUchen Arbeitern waren
98 935 (+ 7142) männlid) unb 43 186 (+ 2627) weiblidj. Die 3af)l
ber in gabrifeu bcfchäftigten «iuber unter 14 fahren hat uuwefcntlich
gugenomnten, fie ift überhaupt nidjt mehr bebeutcub unb belief fich auf
1421 (+ 62), wooon 952 männlich uub 469 weiblidj waren.
fprechenbcn SSeife oermehrt roorben ift. Dah bie jefcigen ©er-
hältniffe unhaltbar finb, geht g. 33. aus bem ©erid)t über ben
AegierungSbegirf ^ßotsbam h^roor. Da fuh bie Berliner Qhtbuftrie
immer mehr nadh ben Bororten hingiehh beginnt ber Bericht mit
ber Silage, bah ft<h ber ©toff gu ben Jahresberichten mit jebem
neuen 3ahre mehr unb mehr häufe, unb bah man nur burd) Auf«
bietung ber äuherften Kräfte aller Beamten roenigftenS alle gröberen
geroerblichen Anlagen einmal habe reoibireit fönnen, bagegen oon
ber Befidjtigung hanbroerfsmähiger Betriebe mit mafchinellen ©in«
richtungen, Bäcfereien, StonfeftionSroerfftätten habe Abftaub nehmen
müffen. (Gerabe biefe flcinett Betriebe aber finb unfcreS ©radjtcnS
meift befonberS ber Auffidjt bebürftig. Unb roie im ^otsbamer
AegierungSbegirf liegt eS augenfcheinlich auch in anberen inbuftrie*
reifen Begirfen.
Audh bieSmal enthalten bie Berichte ©rfreulidheS unb lln»
erfreuliches, ©rfreulid) ift bas Anhalten beS inbuftriellen Auf«
fd)roungeS unb flotten (GefchäftSgangeS im Allgemeinen, baS in
einigen Qnbuftriegroeigen neben höhnen ßöhneit unb oerbefferten
ArbcitSbebingungen fogar einen empfinblichcn Mangel an gelernten
Arbeitern ergeugt hat; erfreulich) ift weiter baS immer mehr plah*
greifenbe gebeihlidie 3afammcnroirfen ber Auffichtsbeamten mit
ben Beauftragten ber UnfaUberufsgenoffenfdhaften, baS allerbiitgS
Iangfame ©inleben ber Arbeiterfdjufcbcftimmungen, baS ©ntgegen«
fommen mancher Unternehmer, bie gunehmenbe Sürbigung ber
ArbeiterroohnungSfrage 2 C. Dagegen ift unerfreulich, was über baS
©inbringen auSlänbifcher Arbeiter unb beren unangenehme ©igen«
fdhaften, über bie 3 un ahme ber Frauenarbeit, bie jefct fchon gum
©ifenbahnbau hcrangegogen roirb, über ben Abfluh breiter Iänb«
lid^er Arbeiterfd)idf)tcn in bie ©täbte, bie geringen ©trafen bei
Berfehlungen gegen bie Arbeiterfchuhoorfchriften, über bie hächft
mangelhaften Beziehungen ber Auffi^tSbeamten gu ben Arbeitern,
über bie trüben BSohnungSoerhältniffe weiter Arbeiterfreife zc. be«
rietet roirb.
35kS ben oielbefprochenen Arbeitermangel in ben länb»
liehen (Gewerbebetrieben unb ben Jortgug nad) ben ©täbten unb
bem Bkften betrifft, fo finben fich in & en Berichten aus Dftpreuhen
unb ^ofen beachtenswerte Angaben. Aus Cftprcuhen roirb über
©tunbenlöhne oon 15, 13 ja oon nur 114 für crwadjfene Arbeiter
bei gleichseitig 13—löftünbiger täglicher ArbeitSgeit berichtet, bie
in gewerblichen Betrieben auf bem ßaitbe häufig oorfämeit unb
baS Fortgehen ber Arbeiter aus foldjen Begirfen erflärlich er«
fcheinen liehen. Ans Bofen roirb beridjtet, ba§ bie ßebenShaltnng
ber Arbeiter fich nicht roefentlith gehoben habe, bah befonberS in
ber ©rnährungStoeife trob ber etwas gefteigerten ßöhne feine
Befferung eingetreten fei. Das roichtigfteAahrungSmittel blcibebieÄar«
toffel, .&ülfcnfrüd)te würben nur feiten gegeffen, F^ift in ber3Boche
gar nicht unb an ©onntagen auch nur feiten. Dagegen fcljle bei
feiner Ataljlseit Branntwein. Der burchfchnittliche ArbeitSroochcnlohn
betrage für ungelernte Arbeiter 7—12^, für gelernte 12—20 M, für
Arbeiterinnen 4,50—9 M Beffer fteljc eS in ber Aiafchinenbau«
iubuftrie unb in ben Difchlereien. Jm Allgemeinen mache bie
©ntroicfelung ber Fnbuftric nur geringe Fortfdjritte. Das erflärt
aöerbingS GKancheS. Die an bie ©teile ber abroanbernben Arbeiter
tretenben ArbeitSfräfte aus Auffifch=BoIcn unb (Galigieit werben
als uuguoerläffig unb unfauber gefdjilbert. AuS iejjtcrem ©ruitbe
fei ben beutfehnt Arbeitern baS 3ufatnmeuarbeiten mit biefen Baien,
auch nur auf furge 3 c ih unmöglich. Sh« Uitguocrlaffigfeit gehe
fo weit, bah fie iljre Arbeitgeber unb fogar alle iljre Bapierc unb
©rfparttiffe im ©tidj liehen, fobalb fie glaubten, an aitberer ©teile
höheren Berbienft ober fonft etwas BeffercS gu finben. Auch aus
bem ßiegniher Begirf wirb über bie llnfauberfeit ber auSlättbifthen
Arbeitcr geilagt. Der orlsangefeffenett Beoölferung erroachfe gubent
burch biefe anfpruchslofeu unb genügfameit AuSlänber eine uner«
freuliche Äonfurreng. Anher über übermähigen ©chnapSgennh
wirb aus bem JDften über elcnbe SBohnuugSoerhältniffe geflagt.
©S roirb fpegiett in Begug auf Mönigsberg unb Dangig h^aor«
gehoben, bah gerabe bie Arbeiter unter ber prioatcu Boben*
fpefulation fchwer gu leiben hätten. Fut oftpreuhifthen Bericht
wirb hingugefügt, bah bie (Gemeiubcit wohl in ber ßagc wären,
burch ^ergäbe billiger (Gruubftücfe auSgleicheub gu roirfcit, bah
aber bie in ber (Gcmeinbeoertrctung fifcenben §aus* unb (Gruub«
befiher jebem berartigen Borgehen grofjc ©djwierigfeiteu bereiteten.
Auf bie Dauer werbe baher eine poligeilidie B^ohnungSinfpeftion
nicht gu umgehen fein, ©owohl in Königsberg wie in Dangig
wirb burch Bcangel an geitügenben Arbeiterwohnnugen unb hal) e
3)tiethSpreifc bie ßebenShaltung ber Arbeiter oerfchledjtert. And)
aus ©örlifc, ©rfurt unb 3)tagbeburg wirb über 3BoljnungSnotl)
berichtet. Auf biefem ©ebiete ift no% oicl gu thmt!
1811
Soziale $rct£i$. Eentralblatt für Sozialpoltttl. SRr. 50.
1312
ES mirb oiet barübcr geflagt^ bafe bie jungen ßeute ftdfj ootn
Hanbmerf immer mehr abmenbcteu. Aus Sommern mirb be*
fonberS über fanget an ßehrlingcn im Haitbrocrf berietet. SDie
ßefirlinge gingen faft nur nod) aus ben aHerärrnften VolfSflaffen
mit ber geringsten Schulbilbung hcnmr, mährcttb Änaben mit
guter ^anbjdjnft meifieitS bic ßaufbahn als Schreiber ober Stauf*
mann oorjögen. 3>aS Vertrauen auf ben golbeneu Voben beS
Hanbroerfs fei in ben Greifen, aus betten früher feine Angehörigen
heruorgcgatigen feien, leiber oerfdjmuttben. 3n einigen Verid;ten
ftnben ftd; Attbeutungen, baj$ es gerabe im Hattbmerf mit bem
Arbeiter* unb befonberS bem ßehrlingSfcfjutj nicht gut ftebe, rnaS
uns bie Erfahrungen ber öfterreichifchen ©emcrbe* 3 nfpeftoren be*
ftätigt. Auch über bie oiclbefprod;ene Väcfereioerorbnung
finben fid^ einige Angaben. 3m Bericht für Dftpreufjen mirb bie
befanttte Verordnung als für Heine betriebe fehr mohl burchfüfjr*
bar bezeichnet. 3m Erfurter Bericht rnerben roirthfc^aftlicfjc
Schäbigungeit aus ber Verorbnung beftritten, unb im Verid)t ooti
0d)leSmig mirb erflärt, bajj bie ^Durchführung ber Verorbnung bei
einigem guten SföiEen ohne S chm i er igf eiten möglich fei.
Ueber bie Sföi&ftänbe in ber MonfeftionSinbuftrie mirb
eiitgchcitber aus betn VreSlauer Vezirf berichtet. Sd)leftenS §aupt*
ftabt h°i zahlreiche MhnfcftionSmerfitätten aufzumeifen, unb bic
Beamten hoben burch häufige Aeuifionen oerfucht, bie Veftimmungett
über bie Vefd;äftigung oon Arbeiterinnen bnrtfjzuführett. SBielfach
mar bie irrige Meinung oerbreitet, bic Maifeilidje Verorbnung ooni
31. 3uli 1897 fittbe nur auf folche Sßerfftättcn Anmenbuttg, in
betten mehr als z*hn ^erfonett befchäftigt merbett. ' SDie Arbeit*
geber fitchten fich ben Veftimtnungen unb ber Verpflichtung ber
Unfall*, Alters* unb SnoalibitätSoerficherungSgefetje burd; Verlegen
ber MonfeftionSarbcitcn in bie ^auSinbuftrie oon 3ahr zu 3uh r
mehr zu entziehen. ES greife auch ber llebelftanb um fich, bafe
bett Arbeiterinnen, itad)betn fie bie zuläffige 3 e ^t in ben Vkrfftätten
carbeitet I; a & en , Arbeit mit nach §aufe gegeben mirb. 3nS*
efottbere gcfchehe bieS an ben Vorabettben ber Soun* unb 3reier*=
tage, fo bcffe Siefen Arbeiterinnen bie Sonntagsruhe entzogen
merbe. Xrofebetn mirb im Veridjt ein allgemeines Verbot, oen
Arbeiterinnen Arbeit mit nad) §aufe zu geben, nicht als rcünfchenS*
merth bezeichnet, fchon metl bie Stontrole eines folchen Verbots
xittbnrchfüOrbar fei. $>aS Verbot mürbe aud) bie perfönliche Srei*
beit ber Arbeiter ftarf beeinträchtigen. 3nt Uebrigett z e iö en fi<h
in Verlitt itttb Stettin auch folche Üebelftänbe roie in VreSlau.
Ein leibigcS Kapitel ift in ben prcufjifchen unb fäd;fifchen
Veristen ber Verfehr ber Auffichtsbeamten mit ben Ar*
beitem. 9öäl;renb in ben fübbeutfchen, öfterreichifchen unb
fd)meizerifchen Verichten gerabe bicfcnt Verfehr befonbere Verücf*
fidjtigung z u ^heil mirb, mobei bie Arbeiterorganifationen unb
bereu Vebeutuncj für bie gabrifaufficht ooE gemürbigt rnerben, mirb
biefeS Kapitel m ben preujjifchen unb fächfifchen Verichten auf*
fallcitb furz unb fühl bef;attbelt. Es mirb mohl ein oermebrter
Verfehr mit ben Unternehmern unb beren Veauftragten fonftatirt,
bagegeu läßt ber Verfehr mit ben Arbeitern, einige Ausnahmen
(Aachen unb Dppeltt) abgerechnet, auqcttfd;einlid; oiel zu münfchen
übrig. 3n Dftprenßen )oH ber Veriehr mit Unternehmern unb
Arbeitern zmar reger gemorben fein, immerhin bleibe es ein
Sfönnfch ber ©emeroe*3nfpeftion, bafj ber Verfehr mit Arbeitern
lebhafter rnerben utöd;te. 3 ngleid; rnerben auch bie fprad;lid;ett
SchmuTigfeiteu beim Verfehr mit polnifchen Arbeitern betont. 3m
Veridjt für ben SiegieruugSbezirf ißotSbam heißt es lafottifd): £)ie
Stellung 511 ben Arbeitgebern beffere fid; oon Sah* Z u 3ahr, ber
Verfehr mit ben Arbeitern bleibe leiber nach mie uor lahm. 3m
Vericfjt für Verliu*Eharlottenburg mirb bcmerft: 3)ie Sprcd;*
ftunbeu in ben ©emerbe=3nfpeftioiten feien oon Unternehmern fehr
ftarf, oon Arbeitern bagegen oerf;ältnißmäßig menig benubt
morben. 'Sie Arbeiter zögen es oor, ihre Vefrf)iocrbcn in 3ad)*
ocrfammlungen unb in ihrer treffe laut rnerben zu laffen, ober fie
fdiriftlid) zur Memituiß ber Auffichtsbeamten zu bringen. Echtere
feien allen M lagen uachgegangcu. Um ber Vcforgnife ber Arbeiter
oor Verrath oorzubeugen, merbe fein Arbeiter ttad; bem Aameu
gefragt.
Aenerbiugs gingen ben ©cmerbeinfpeftioucn oon ber Verliner
(Memeiffdiaftsfommiffion Vefdjmcrben ber Arbeiter auf oorgebnnften
Aormulareu fn. Tiefelben mürben ebenfo forgfältig unterfudit,
mie jebe aubere. lieber geringen Verfehr mit ben Arbeitern mirb
berietet ans bem Vezirf 3 rauffurt a./ö., Schlesmig, Arnsberg,
Tüffctborf, Moblenz, 2rier. 3>u Xiiffelborfer Verhüt mirb ber
Viimid) ausgeiprocheu, bie Arbeiter möd)teu bnrd] bie ^ritungeu
barauf aufmerlfam gcmadjt rnerben, bah in allen 3 ragen bes
Arbeiterfdiupes oon ben l%merbeauffidjtsbeamtcn fofteulos unb in
bereitmiEigfter SBeife AuSfunft unb Vath ertheilt unb etroaigcn
©ünfchen in Vezug auf bie Verfdjmeigung ber tarnen oon Ve*
fd)merbeführern cntfprochen merbe. AuS bem VegierungSbezirf
Möln mirb berichtet, baft bic Spred)ftunben ber AuffidjtSbeamten oon
Arbeitgebern feljr lebhaft, oon Arbeitern faft gar nid)t bemitjt
mürben. S)ie Vefchmerbefommiffionen ber ©emerffchaftsf arte Ile
hätten burch unfritifdje Aufnahme unberechtigter M'lagen unb burd)
Aufbaufchen oon Mleinigfeiten mehr gefchabet als genügt. 3*n
Verid)t aus bem VegieruitgSbezirf "BieSbaben helfet es, bafe bie
Sprechftunben in 3ranffurt a. Vf. oon ben Unternehmern zienilidi
häufig, bagegeu nur in ganz oereinzelten Sailen oon Arbeitern
aufgefucht morben feien. Verfönlidje Vücffprache auf bem 3n*
fpeftionsbüreau fdjeuten bie Arbeiter, meil fie leiber nicht mit lln*
red)t Vlaferegelungcn feitenS ihrer Arbeitgeber befürchten müßten.
2 )ie ßeute brächten ihre Vefdjmerben lieber in Arbeiteroerfainm*
lungen ober in anonpmen 3ufc^riftcn oor. Es bilbe auch
ftäbtifche AuSfunftftette für Arbeiterangelegenheiten in Aranffurt a. Vt.
ein geroiffes .^inberni 6 (?! ^Die Vebaftion) für ben perfönlichen
Verfehr ber Auffichtsbeamten mit ben Arbeitern. 9lad)bem noch
baS oon ber fozialbemofratifchen Partei errichtete Arbeiterfefretariat
hinzugetreten fei, fönne auf eine Verbefferung beS VerhältniffcS
faum mehr geredjnet rnerben.
3m Vericht für ben VegierungSbezirf ^ßotsbam rnerben als
„Heilmittel gegen bie mobernen ^ranfheiten im gemerblichen ßeben"
empfohlen: SDie Einrichtung oon ®emerbegerid)ten, fom*
munalen ober genoffenfchaftlichen ArbeitSnadjmeifen unb
VolfSbureauS. Vfehrfad) rnerben biefe Heilmittel bereits mit
Erfolg angemenbet. ßeiber finb es gerabe geroiffe Unternehmer*
freife, mel^e biefen Heilmitteln miberftreben. ES mirb aber oor*
roärtS gehen trofe allebem. Vfacht hoch Z- S3. bie Verfügung ber
Arbeitszeit in ben großen Snbuftriebezirfen, befonberS in Verlitt
unb Umgebung, erfreuliche Qrortfd)ritte. 3n ben Verliner Vor*
orten ift bie Arbeitsbauer 9 l / 2 bis 10 Stunben, in ben entfernteren
Vezirfen 10 bis 11 Stunben. 3n Verlin felbft mirb ftellenrccife
nur 9, felbft nur 8 Stunben gearbeitet. SDabei z^Qi fid; häufig
eine Verfügung ber Raufen, um einen früheren Arbeitsfdjliijj 311
ermöglichen. — 3)afe noch niel zu thun ifi, geht aus ben Verichten
ber Auffid)tSbeantten flar Ijeroor. Aber bie fozialpolitifd)e Eiu\id)t
mirb roachfen, unb mit ber 3eit mirb man aud; in Vreufoeu bie
Arbeiterorganifationen unb beren Vebeutuitg für ben ganzen
buftionSprozefe mehr miirbigen unb hinter Sübbeutfcfjlanb ttiebt
länger zurücfbleiben. 3tn Ucbrigcn behalten mir uns oor, auf
Einzelheiten in ben preu^if^en Jahresberichten zurücf zu fo turne n,
namentlich auf bic red;t ftiefmütterlid^ behaubeite Sohn*, Arbeiis*
Zeit* uttb 2:arifgetneiufd;aftSbemegung unter beit geroerffchaftlid)en
Arbeitern.
Verlitt. Xaube.
Allgemeine $o|lal* unb IBirtljirdjaftsrpolUik.
^DaS Urthcil eines cngltfcheu <$efterff(f)aftsführer3 über bentfd^e
ArbeitSOerh&ttniffc*
^)cr (Mencralfefrctär ber Amalgamated Engineers’ Soeietv
Tlx. (George A. VantcS, mar oor einigen Vionaten zum Vcfiuü bei
Mongreffes bes Hi^fd ) 5 Duncferfchen VJafd;inenbaner*©emerfoereins
in Augsburg abgeorbuct morben, unb er bemibte bie Aumefeitlieii
in 2 cutfd)lanb, einige größere gabrifeu feiner Vrandjc zu befudieu.
lieber bie Einbrücfe, bie er babei empfangen, berid;tet er in ber
AugufhAitmntcr bes Amalgamated Engineers’ Monthly Journal 2 c.
Seine Vefud;e galten Düffclborf, Augsburg, El;cmuih unb Verlin.
3nr Vefichtignitg ber V^crfftätten uoit Mrupp l;ntte er bie Erlaubnis
nicht erhalten.
AIS gemeiitfamen ©ruttbzug biefer VJerfftätten bezeichnet er
in erfter Siuie bic Sd)uhoorrid)tuugen an ben Vfafdtiuen, bie
gröfzereit allgemeineren Arbciterfdmfc* unb SBohlfahrtSeiitrichtiittgen
uttb bie erheblichere ©eräumigfeit unb Sauberkeit* ber V^erfftäüen
gegenüber beit englifd;eu Verhältniffcu. s Benn biefe Erfdteittiittg
aud) zum 2l;eil mobil eine öolge ber ftrengen Aabrifinfpeftiou
^eutfdilaitbs unb feiner Unfall* unb ArbeitcroerfidjernngSgefcue
fei, fo fei er bod; geneigt 3 » glauben, baft Vieles baoott ber frei*
milbigen 3uitintioe ber Arbeitgeber ent|pred)e. Viele Einrichtumjen
gingen bei Weitem über bie gefe(jlid;eit Erforberniffe hinaus unb
ViamheS finbe in Englanb feiitesgleidjett nid)t. Leiter fällt timt
bie moberne Erfdjeinnng ber meifteit V3erfflätteti uttb ber (^ebraudi
oott erftflaffigeu V3ert'zeiigen auf. lleberaH mürben neue Aabrifen
gebaut unb bie be[tel;enbeu enoeitert. Aeltere Viafd;iucit loiirben
c&ojiale fßrajtg. ©entralBlatt für <&ojtalpotitil. Rr. 50.
1314
1313
angrangirt nnb burd) neue erfefct. ©enteinfntneg Bterlmal ber
Arbciterfdjaft mar ihm bie gemüthlidje Art, in roeldher fic an bie
Arbeit gel)t; obgleich Afforb gcbräud)lid) ift, fo fei bod) nirgenbg
ein haften. 9)ht einer Augnahme hätten auch bie Seutc mährenb
bcr Arbeitftnnben geraucht; in ben nteiften SBerfftätten feien Kantinen
nnb anbere (Einrichtungen oorljanben cjemefeit, mo fid) bie Arbeiter
mäljrenb ber Arbeitgzeh Ratten erfrij^en Jönnen. Sie Arbeiter
ftänben im bireJteit Sofjn ber gabrifleitung. Sie Arbeitszeit nnb
bie Söhne feien groar im Vergleich mit ben englifchen nngiinftig,
inbeffen beflehe hoch nicht ber gro&e llnterfd)ieb, bcr in (Englanb
im Allgemeinen angenommen merbe. 3Bürben bie oorgefdjrieoenen
(Erholunggpaufen auch ndjtig gemährt unb oon ber Arbeitszeit
abgewogen, fo überleitet bie mirflidje Arbeitszeit btejenige nxd)t
fo fehr, bie oon ber englifchen Unternehmer-göberatiou pgcftanbeit
fei. 3n Süffelborf betrage bie Arbeitszeit einfchlicBlid) ber Raufen
60 0tunben bie B$od)e, aogefeljeit oon ber §auptunterbrcd)iing oon
12 big P^illjr täglich. 3n Auggburg feien bie ArbeitSftunben
biefelben mie in Süffelborf, nur fei §kx eine grühftücJg» unb
Befperpaufe oon je einer Biertelftunbe jugeftanben. (Eg gingen
alfo brei 0tunben möchentlich oon ber Arbeitszeit ab. Qn (Ehentnifc
fei bie Arbeitszeit ungefähr biefelbe, oariirte aber oon gabriJ za
gabriJ. 3» ber bebeutenbften Bkrfftatt, bie er bort befneht habe,
fei mitten in ber Bkrfftatt eine $affecfo<heinrichtung gemefen, mo
bie Arbeiter breimal am Sage fi<h Kaffee um 3 a') bie Stoffe taufen
tonnten. Sie ArbeitSftunben feien bort oon 7 big 12 unb oon
V/ 4 big ßi /4 Uhr, mit Augnahme eines Sageg in ber 2Sod)e, roo
um 5 Uhr gcfcf)loffeu merbe. Sie ©efammtzal)l ber ArbeitSftunben
betrage fomit 58 3 /4 0tunben möchentlich, bie fich in einer anberen
gabrtf auf 61 erhöhten. 3« Berlin fei ber Arbeitstag fürder als
aitbergroo, aber er oariire mertroürbigerroeife oon Bkrfftatt p
BkrJftatt beträchtlich, ja, manchmal in ben einzelnen Abteilungen
berfelbeit Firmen. Sag ÜRafimum feien 59, bag Minimum 54
gemefen; bie Arbeitg^eit ginge nämlich oon 6 big 12 unb 2 big
6 llhr (am 8onitabenb merbe um 5 Uhr gefdjloffen) ober oon
7 big 12 unb IV 2 big 572 Uhr. 3» jebem gatte aber feien noch
bie (Erfrifd)unggpaufen abjujiehen mit einer halben 0tunbe täglich-
Sie fürzefte Arbeitszeit fet in ber größten, beftauSgeftatteten, am
meiften miffenfdjafilich organifirten unb beft zablenben gabrif ge¬
mefen, in ber Allgemeinen ©leftrizitätggefellfchaft, melche 14000 Seilte
befdjäftige, unb xn ber ebenfo großen oon 0icmeitg & .folgte. Ser
(Englänber munbert fich über bag ftarfe 0d)manfen ber Söhne in
berfelben BSerfftatt unb bag gehlen ehteg BRarimal» unb Minimal-
lohneg, bcr nur bei ben Srucfern oorhanben fei. Sie 0tücfarbeit
iibermiege allgemein, nur Reinecfer in ©hemnih laffe lebiglich im
Sagelohn arbeiten.
9Jtr. Bartteg teilt bie Angaben über bie Söhne mit, bie er
hat feftftetten tonnen; bie niebrigften habe er in (Ehentnifc beobachtet,
helfen Arbeiterfchaft überhaupt einen ärmlidjen (Einbrucf gemacht
habe. Sort fchieuen aud) bie grauen tiefer zu ftehen; er habe fie
bort alg s Hiörtetträgeriunen, 0trahenfegcrinncn unb fogar mit ber
0pifcajt angetroffen gegen oerhältniftmähig niebrige Bezahlung.
(Einen befonbernt Abftnitt bilbeit bie (Erörterungen ber 0onu*
taggrulje unb fonftigen geiertagc. An bem gabrifetabliffement oon
Daniel unb Sueg fällt ihm auf, bah bie (Eifenbahn bireft auf ben
gabrifbof tommt, ber burch Blumenbeete oergiert ift, eine Rabfahr-
iibunggbaf)n unb einen Aufbemahrunggori für gahrräber enthält.
(Er unterläßt nicht, auf bag Borhanbcnfctn oon Unfaßftationen,
©bräunten unb Kantinen, fomie Bäberu ^inzuttieifen. Bei einer
anberen gabrif h e bt er mieberum bie ©emüthlichfeit ber Arbeiter
heroor; bie gangen hätten bie Rtafchineit mit grünen ©träumen
unb Biaien perziert, eg mar ber Sag oor Bfingftcn. Befonberg
liebeoott bcfjanbelt er bie Blafchinenfabrif Auggburg unb bereu
leiteubeu Sireftor fterrn $ran(j, beffen s Bohifahrtgeinrid)tungen
er rühmt. 3n beffen gabrif fei bag Raudjen oerboten. Auffällig
ift bem (Englänber aber, bah bie Arbeiter bie ÜJtiifce jieheu, menn
ber Sireftor oorbeifontmt unb bie Berooljner fid) überhaupt burch
tiefeg Berbeugen begrüben. Sie fBohlfahrtgeinrid)tungen haben
cg ihm angethan, unb er hebt henmr, bafe eine 9teihe fdjon oor-
hanben roaren, ehe bie neuen Arbeiterfcßußgefeße in straft traten.
Aud) bie Arbeitermohnuuggeinrichtuugen oergifet er nid)t 3 U er¬
mähnen.
Sie Bclafluwg ber beutfehen 3fttbttfirie burch bie Arbeiter-Ber-
ficherungg- unb 0chuhgefehgebuno. 3m lepten «f>efte oon 0dgnotterg
„gahrbuch für ©efepgebuug, Berroaltitng unb Bolfgmirthfchaft"
hat fid) bcr Btünd)cncr gabrifbireftor C3)reißl ber intereffanten
Aufgabe unterzogen, bie Belaftung ber beutfdjen gnbuftrie burch
bie Arbeiteroerficheruugg- unb 0d)ubgefefcgebung ju berechnen.
Safe bie Arbeiter-0chufc unb Berfxcherungggefehgebung feit einiger
3 eit nicht mehr recht oom glecfe fommt, führt Ojreifcl einerfeitg
auf ein gcroiffeg gumarten ber ^Regierungen, um bie 2Bir-
Jungen ber beftehenben ©efepe unb auch beren Biängel beffer be-
urtheilen ju Jönnen, unb anbererfeitg auf bie Abneigung ber
gnbuftriellen gegen eine meitere Augbehnung biefer @)efc(jgebung
gurücf. Siefeg 3umarten fei aber bebenfUch, oa eine Augbehnung
beg Arbeiterfchupeg nur in folgen 3fiten mit Erfolg burdfpführen
fei, in benen ein allgemeiner Auffchmung ber gabuftrie ftattfinbe.
gn einer ©poche folcher inbuftriellen (Entmicfeluna leben mir zur
3 eit, unb eg märe für länger Ijinaug ein für bie beffere ©eftaltung
ber fozialen Berhältniffe oerhäitgnihootter 0 d)lag, menn ber gegen-
märtige inbuftriette Auffchmung nicht benüpt mürbe, um gefeplich
jeneg Btafe oon 0 d)uh feftplegen, melcheg ber Arbeiter, beffen
einzigeg Bennögen feine Arbeit unb ©efunbheit ift, nach ©erechtigfeit
unb Humanität haben mufe.
Bei feinen Rechnungen nimmt (^reißl bie bezahlten Söhne
alg ©runblage unb fefct hierbei, um jebem ©inmanb gu begegnen,
bie jemeilig oorJommenbe hächfte Belaftung ein. Siefe beträgt
im Surchf^nitt für ben Arbeitgeber bei ber Unfattoerficherung 3 o / 0
beg Sohneg, bei ber $ranfenoerficherung 172 %, bei ber Snoali-
bitätg- unb Altergoerfichernng 1 %, znfammett 5 l /2 °/o beg Sohneg
ober 5 V 2 4 auf 1 JL Sohn. Surd) bie 0onntaggruhe ermädhft
ben Arbeitgebern eine meitere Belaftung oon 3 o/ 0 , fo ba§ fid) eine
tfkfammtbelaftung oon 872 % beg gejohlten Arbeitglohneg eraiebt.
Sie Belaftung ber gnbuftrie burch bie fojiale ©efefegebung fpielt
gegenüber ben anberen in Betracht Jommenoen gaJtoren Jaunt eine
&otte. ©reifel führt herüber aug:
„Betrad)ten mir einerfeitg bie ©röfjc ber gefunbenen l)ßchften Be=
laftimgsiziffer, 8 l /a °/ 0 beg Arbeitglohneg, unb anbererfeitg bie (Entmid-
Iung, bie bie aKgenteine ©nterprobuftion, ingbefonbere bie gcmerblid)-
inbuftrielle, xoährenb ber lebten fünfzehn gafjre geuomnten hat, fo
fönnen mir zu feinem anberen 0d)luffe fommen, alg bag bie Belaftung
oon 8 l 3 % beg Arbeitglohneg eine oiel zu geringe mar, um auf ben
lEutmicflungggaug ber belafteten ©emerbe unb gnbuftrien irgenbmic
hemntenb ober feßribigenb eitimirfen z u fönnen. Sieg bemeift fdjon,
bah eg in ber gleichen ^eitperiöbe möglid) mar, trob biefer Belaftung
bie Sohne 51 t fteigern, unb jmar oft um bag doppelte unb dreifache
biefer Belaftung; bieg bemeift ferner bie grofjc Augbehnung beg ^u-
buftrialigmug unb bie grofee quantitatioe ^nuahme bcr gelammten in»
buftriellcn ©üterprobuftion. Aud) bie Zunahme beg (E^portg oon
3256 9J?illionen SRarf auf 3786 HRiflioucu B?arf im ^ahre 1897 ift ein
Beroeig, bah tü e ermähnte Belaftung fein §etnmfd)uh für unfere 3u=
buftrie ift."
Aber felbft in 3^ten mirthfehaftlichen Riebergangeg ift bie
Belaftung unbebenHich: „Bet ber £öhe ber Belaftung, mie mir fic
S efitnben haben," bemerft hinüber ©reifel, „Jann biefe auch * n
eiten ber mirthfehaftlichen Stagnation feinen $emmfchnh ber 3 u-
buftrie bilben, ba für bag Blühen unb Riebergeljen biefer lefeteren
eine Reihe anberer, mächtigerer gaJtoren oon (Einfluh unb Aug-
fchlag finb, gaJtoren, benen gegenüber bie Soften ber Arbeiter»
Berfid)erungg- unb 0chuhgefehgebung ganz S lir üdtreten, nämlid)
bie gafioren, melche bi^ fßreigbilbung unb ©eroinnbilbung be-
ftimmen."
Sem fo häufig oorgebrachten ©intoanb, bah bie ©rportfäl)igfeit
ber beutfehen Sabuftrie eine höhere Belaftung burd) bie foziale
©efehgebung nidjt mehr ertragen förtne, begegnet ©reißl zanäd)ft
babur^, bah er nachmeift, bah oon ben Arbeitern aller 64 Berufg-
genoffenfehaften nur 15 o / 0 für ben (Export arbeiten. 0obartn
feien aber bie Saften ber beutfehen 3nbuftrie burd) bie 0ozial»
gefehgebung fo gering, bah fic nicht oon preigbeftimmenbem (Ein-
fluh auf bie BSaaren feien unb beghalb bie ftonfurrenzfäljigfeit
ber gnbuftrie gegenüber bem Auglanb nicht berühren Jönnen. Sic
3ottgefepgebung gebe in biefer §infxcht oielmehr ben Augfchlag.
Retchg - Berggefffc unb Seutfcher Amoaltgtag» Auf bem
14. Seut|d)en Anmaltgtage in Btainz hat Rechtganmalt 2Scftf)off
(Sortmunb) ein ©utad)ten erstattet, in bem er betonte, bah bk
Einführung eines allgemeinen beutfehen Berggefeßes nnbebingt gc»
forbert merbcit müffc.
^te heutige Beridjiebeuartigfcit bcr berggefeblidicu Befiimmuugcn
itt beit Bunbcgftanteu, fo führte er aug, bag mehr ober iitinber erheb-
lid)e SKafj red)tlid)er ^flidjteu unb gefcplidjer 3id)erlieit beg Bergeigen-
thmng fei geeignet, z iiru Sdjnbctt allgemeiner oolfgioirtbidjaftlidjer
^litcrcffcn bie Äonfurrenzfäbigfeit beg bcutfdicu Bergbaueg unter fid)
uadjtbcilig zu bceiuflnffeii. ^tc foziale Aeidjggrfejjgebiiiig habe materiell
and) für bic Bergarbeiter mefeutlidjc Berbeffcrimgeit ihrer Sage gc-
fdjaffeu, ber formelle Aeditgzuftanb fei aber iit Jvolge ber ^eriplitterung
in bic oerfdjiebcucn Aufgaben ber rcidjggcfetUtdjen, bcrggeieplidjen unb
ftatutarifd)cu Arbeitcrfi'uiorgc fehr unüberfidjtlid) gemorben. ;>n löten
bleibe für ein bcutfdjeg Berggcfcp audj bic gragc, in meldjcr B?eifc bie
1315
Soziale ptojis. Gentralblatt für ©oztalpolittl. Sir. 50.
1816
Bed)te berjenigeit Bergarbeiter gefc^ii^t werben (ollen, bte aus bem
(Gebiete eines tfnappfchaftSueretuS in ben eines anberen übertreten ober
überhaupt bie Bergarbeit oerlaffen. Ein beutfdjeS Bci<hS=Berggefeß
werbe auch bie Oheimen unb ben Umfang ber polizeilichen AitffiditS*
beborben genau fijriren muffen; es werbe firfj baranf ju befdjränfen
haben, bie 3alil unb bie Abgrenzung ber einzelnen ^nftanzen (untere,
obere unb oberfte Bcrgbchörbc) fefljufe^eit, währenb bie Beftimmung
berjenigen Beworben, welche in ben einzelnen bentfrfjeu Bunbcsftaaten
bie gunftioneti biefer unteren, oberen unb oberften Bcrgbehörbe wafjr*
Zunchmen haben, naturgemäß ben betreffenben SanbeSrcgierungcn vor*
behalten bleiben müffe.
Dhue Debatte unb mit Einftimmiqfeit fpradj ftd; ber Anwalts»
tag im Anfdjluß an biefe ^ier furz TFi$ 3 irten Ausführungen für
ben Erlaß eines BeichS*BerggefcßeS aus.
fiomraunale SojialpoUtife.
^tabtärztlidje Usterfwhitttg ber Softftuber in (Styarfottenfarg.
Berpfüdjtttug ber Pflegemütter. 3n Efjarlottcnburg hatten bie
6tabtärztc Die tfoftfiuber in regelmäßigen 3u>if<h c uräumcn aufgu*
fuchen unb ^albjäfirlic^ über jebeS Äinb j u berichten. Bei ber
TOtmirfung ber Aerzte ift, nad^bem fie bie häuslichen unb bie
SSohnungSoerhältiiiffe bei ihrem erften Befudje einer Prüfung
unterzogen hoben, baS Schwergewicht auf bie regelmäßige Beobadj*
tung bes ©efunbheitSzuftanbeS unb ber förperltchen unb geiftigen
Entwicfelung ber £inber zu legen, hierzu ift es aber unerläßlich,
baß ihnen Die Äinber zur Untersuchung oorgefteßt werben. Um
bicS zu erreichen, werben neuerbingS bie Pflegemütter angehalten,
bie über brei gahre alten $ittber, audj wenn biefe nidjt franf finb,
ben Aerzten in ber 0pred)ftunbe oorzufteßen. Dies fdjließt freilid)
für bie Aerzte nicht bie Bcrpflichtung aus, in folgen Säßen bie
iliitber wie bisher in ben SBohuungen aufzufuchen, wo eine folche
regelmäßige Borfteßung aus irgeno welchen ©rünben nidht mög*
lieh ift-
SomttttraaleS Söerfftättenftatiit für Bubapeft. Der DberphpfiFuS
non Bubapeft hat ein neues SSerfftättenftatut ausgearbeitet, baS
bie Bcrbcfferung ber fanitären Berhältniffe unter ben ©emerbe*
treibenben ber Stabt bezweeft unb meldjeS bemnäcßft im Buba«?
peftcr ©enicinberalhe zur Bcrbanbhtna fonimen foß. 3ui ein«
leiteubcit Berichte zuui Entwurf wiro hcroorgehobeu, baß bie
fd)led)te Einrichtung ber Bkrffiätten bie Entwicfelung ber Duber*
fulofe förbere, namentlich bei Sdjloffern, Spänglern, in Eifen*
gießereien u. f. w.; nicht mittber häufig fmb Säße oon Störungen
in ber Blutzirfulation auf ungefunbe ArbeitSoerhältniffe zurücf*
Zuführen, Der phgftfuS beantragt eine fcharfe fanitäre $ontroße
ber Bßerfftätten, nachbem bie geltenben ©efeße in biefer Beziehung
nidjt entfprecheitb gürforge treffen.
ßommimaleS Selephon i» Botttegett. SBaS bte ©emeinbe auf bem
©ebiet beS gernfprcdjwcfeits leiften fann, ift am beutlidjfteu in Norwegen
Zu fehen. Die 5tabt Drontljcim z- B. hat ein fommimalcS Telephon*
ließ unb befißt bei einer (Siuwohucrfchaft oon 30 000 800 gcrnfprech*
fiellcit ober eine auf 34 Einwohner. Der Abonnementspreis beträgt
(>o jU. im gaßr mtb Bidjt*Abonnenteu fönnen für 25 günfuiinuten*
lelephongefprädje führen.
Stotmnuttale @djittt>fiber in Ettglattb. Der Stabtrath oon ÖeebS
hat ben Sdjulftnbern ber Stabt Sd)wimmbäber zur Berfiigung geftcllt;
oon April bis September 1898 bemißten 56 000 pcrfoiien, wooon
36 000 ftinber, bte Bäber unentgeltlich. — Acfjitliche Einridjtungen
freier Schwintmbäber für Scfmlfiuber befteheu in Brighton, Birmingham,
£>nli(ar, H’ioerpool, Biattdiefier unb 9iorf)bale, währenb in einer Beiße
anbercr Stabte minimale (Gebühren für bie Babebenußung oon Schul-
fiubent geforbert werben.
öojiole Jaftönbe.
Die Arbeiter ber frangdftfe^en Dabafitibuftrie.
3» Sranfreid) ift bie Dabafinbuftric fdjott feit Beginn bes
gahrljuuberts in ben Mättben bes Staates monopolifirt. Bur bie
Erzeugung bes Bobmaterials ift bem prioateu Erwerbstriebe offen
gelaffen, aber aud) bloß iit 21 prioilegirten Departements. Bößig
im Staatsbetriebe ftebeit bie Einfuhr frember Dabnfe unb Dabaf*
fabrifate, ber Anlauf ttub bie Berarbeitung ber beimifebeii Bob*
probuftion fowie ber Berfcßleiß aller Sabrifate im gti* unb Aus*
laubc. Der weitaus größte Dheil bes frat^öfifiben Moufums ent*
ftamint ber f)cimifd)cu probuftion. Bei einem Bohcrtragc beS in®
Iänbifdjcu Bcrfaufs oou beinahe 306 Biißioncn SraueS im Saß re
1806 entfielen nur etwa 1 s Diillioueu graues auf bie importirten
Xabafe. Der jährliche Beinertrag beS Monopols belief [ich im
genannten 3al) re au f 323 ßßißioiten Spanes, wobei gegen 35 5KiU
lionen SrancS, welche ben ©efchäftSgewinn ber fonzefftonirten Ber*
faufsläbcit barfteflen, nicht in Anrechnung gebracht fittb. Aus beit
oorftehenben 3iff erit ergiebt fid), baß bie eigentliche Dabaffabrifation
einen jährlichen Auftoanb oou ungefähr 62—63 ÜÄißioneit SrancS
oerurfacht. 3ui 3ah rc entfielen baoon auf bie Arbeitslöhne
13 303 635 SrcS.
Die Sabrifation erfolgt in 21 getrennten Etabliffement«, oon
benen brei im Scine-Departement unb bie anberen in bett übrigen
ßanbeStheilcu gerftreut liegen. Das gefammtc Arbeiterperfoual
umfaßte im 3ah^e 1895 eine Anzahl oon 1399 männlichen unb
oon 13 982 meiblidjen Berfonen. Die größten Sa&nfnt, wie bie
oon Paris, Ehateaurouy, BantcS unb Douloufc befchäftigten je
11—1200 Arbeiter unb Arbeiterinnen, bie fleiitfte (DrleanS) nur 150.
3n ber itadjftchenbeit Dabeße geben wir nach bem Ammaire
Statistique bic AltcrSglieberung, bie Arbeitsbauer unb bie Ein*
fommeuSoerhältniffe beS im 3ohtc 1895 befchäftigten Arbeiter*
perfonals:
Altersfiufe
3ahl
ber Arbeiter
SDHttlere 3 a hl ber
jäfjrl. Arbeitstage
SRittlere SatjreSlöhnr
mänwl.
weibl.
männlttfjc
Arbeiter
weibliche
Arbeiter
männliche
Arbeiter
«rc*.
weibliche
Arbeiter
&IC*.
unter 20gaf)r
12
130
271,6
256,6
621,86
864,60
21—30 *
168
2 221
288,3
238,7
1417,3«
79B,oo
31—40 =
540
5 318
286,i
246,i
1 413,03
800,oo
41 50 =
407
3 970
285,6
254,7
1 524,oo
811,40
51—55 =
110
1 276
290,7
258,8
1 484,oo
783,67
56 - 60 =
90 i
771
285,i i
257,3
1 492,50
751,78
61—65 *
67 |
293
283,7 ,
268,5
1 515,49
830,36
über 65 =
5 |
3
295,3 !
244,7
1 598,76
1 1 019,58
Sufanuneii .
1 399 13 982
286,3 l
249,9
1 492,oo j
| 802,00
Die tägliche Arbeitszeit ift für aße Btamifafturen auf zehn
Stunbeit feftgefeßt.
Bach Afforb* unb Daglohnarbeit unterfchieben, ergaben nd)
bie folgenbett 3iffern für bie befchäftigten Arbeiter, für bie tag*
liehen Einfünfte unb bie jährlichen Arbeitstage:
Äate*
gorien.
Afforbloßn.
Saglofjn.
3a^l ber
Sefdjäfs
tiflten
Xurdjfilmittl.
ßüCju
pro Sag.
Sic«.
$urd)f(tjttitt
ber jäf)rUd)tn
Arbeitstage.
3al)l ber
Sel^äf*
tigten
2)ur(Q)cbnittI.
So^n
pro £ag.
ffrcS
ber jäf)Tii$e:s
aibellSiage.
Bfännlidje
Arbeiter
87S
5,22
281,6
521
5^9
293,9
B?ciblidje
Arbeiter
13 533
3,22
249,o
449
2,82
275,5
Die Bermaltung ber Dabafmanufafturen Ieiftet Beiträge zu
ben freien §>ülfsfaffen beS ArbciterperfonalS, bie jenen ber Biit*
glieber ungefähr gieidjfommen. B3aS bie AlterSoerforgung aii^
betrifft, fo zahlt bie Bermaltung für jebeu Arbeiter 4°/ 0 bes Sohnes
bei ber ftaatlidien AlterSrcuteufaffe ein, unb ergänzt bic aus biefen
Prämien gebilbeten Beuten auf 400 grcS. für bic grauen unb auf
600 grcS. für bie Btänner, faßS ber pcnfionSantritt nach Boll*
enbung oon 30 Dienftjal;ren ober bcS 60. fiebensjahres erfolgt.
Die Arbeiterfchaft hat fid) z ur Nahrung ihrer Sntereffcn ge*
werffdjaftUd) organifirt. ES efiftiren 25 lofale Bereinigungen,
bic fich feit 1891 z u einem fianbeSoerbanbe mit bem ^ißc in
Paris znfammcngefchloffcn haben. 3h^e ßKitglicbcrzahl erhebt fidi
auf über 11000, umfaßt fomit s / 4 bcS in ben iUamifnftnrcn be*
fehäftigten Perfonals. (Eine Paraßelorganifation beftcht für bie
nieberen Augeftclltcn, beren mau gegen 1000 zählt.) Der Bational*
oerbanb ber Arbeiter, bie Federaiion des Ouvriers et Ouvrieres
des Manufactures des Tabacs de France, unter fojialiftifdien Ein*
flüffeu fteheub, entfaltet eine lebhafte Ihätigfeit, um beffere Arbeite*
bebiuguugcu zu erlangen unb ben ÜRißbräudjcn zu fteuern, bie
fid) in ben einzelnen gabrifen eiugefd)lid)en haben, git reizeU
mäßigen gahresfongreffeit oerftänbigen fich bie Delegirteu bei*
l'ofalocreiue mit bem Eentralfomite über bie zu forbernben ^Ke*
formen, unb bas Icßterc übermittelt als offi^ießc Delegation bie
1317
Soziale BrajtS. Gentralblatt für ©ogialpoltttf. Kr. 50.
1318
formulirten Befdßmerben unb gorberungen ben guftänbigett Beworben,
b. i. ber ®ircftioit ber Dabaftnanufafturen unb bem gtnangmütifter.
lieber bie gegenroärtigett 3 uftänbe in ber frangöfifd)en Dabaf*
inbuftrie entnehmen mir ben Berhanblungen beS 8 . gaßreS*
fonareffeS, roefd^e ber Rationaloerbanb ber Arbeiter ootn 4. bis
10. guli in $ari^ abgeßalten §at, bie folgenben Gingelßeiten. GS
erhellt aus allen Sißuttgen, baß Grunb gu uielfadjcn Befcßmerben
oorliegt. gu ber BetricbSoermaltung berr[d)eit bureaufratifc^e
Bebattterien; ber Bfangel eines oollig einheitlichen Reglements lägt
ben Weitem ber eingelnen gabrifen bie Btöglicßfeit, grobe ©illftirlicß*
leiten gu begehen. ®ie Berßanblungen über berartige 3mifcßen*
fälle pflegen ftets einen breiten Raum auf ben Mongreffen ein*
guneßmen.
Die £auptbeftrebungen beS RationaloerbanbeS richten fidh
jeboeß auf bie Iangfame Berbefferung ber materiellen ArbeitS*
bebingungen. Gegenüber ber heute üblichen AltcrSoerforgitng
oerlangt man unter Beibehaltung beS bisherigen Snftems einen
größeren 3 l, f c ^ u 6 beS Staates gu ben oon ben aus Loßnabgügen
fonftituirten Altersrenten. Der Staat foUe biefe Altersrente auf
720 grcS. für bie Blänner unb auf 540 grcS. für bie grauen er*
gängeit. Außerbcm märe bas penftonSfäßige Alter auf 55 begrn.
50 gaßre ßerabgufeßen. ©aS bie aus ben ßoßnabgügen gebildete
Broportionalrente betrifft, fo foHe fie nadf) 15 Dienftjahren min*
beftens 300 grcS. betragen, Lohnerhöhungen forbert man
unter ben gegenwärtigen Berßältniffen nicht ausbrüefiicß, erwartet
aber hoch eine Iangfame Aufbefferung in allen Arbeiterfategorien.
dagegen fprid^t man fich rücfßaltloS für bie (Einführung bcS
AchtftnnbentageS aus. Die im Laufe beS lebten gaßreS oor*
gefottttnenen ©illfürlidjfeiten in einigen Betrieben oeranlaßten, bie
Ausarbeitung eines einheitlichen Betriebsreglements für
alle Blauufaftureit aufs Reue gu beantragen.
Sehr lange befchäftigte man fich mit ben Berathungen über
bie Büttel unb ©ege, ben Arbeiterforberungen Geltung gu oer*
fchaffen. Der Kongreß gab bem Gentralfomitee bie Bollmacht, ben
allgemeinen AuSftanb gu erflären unb gu orgattifiren, falls
bie SDireftion ber Blanufafturett fich ungugänglid) für bie Reformen
geige. GS mürbe meitcr befdfjloffett, bie fich probugirenbeit Lofal*
ausftänbe burch ben LattbeSoerbanb gu unterftüßen. gn folchen
gällcn mirb ben BÜtgliebern ein außerorbentltcßer Beitrag auf*
erlegt, unb gmar oon täglich 10 GtS. ben grauen unb oott 15 GtS.
ben Blättttern. Die aus biefen Bütteln gu geroährenbe Streif*
unterftüßung mirb für weibliche Arbeiter auf 1,50 grcS., für bie
männlichen auf 2, 0 o grcS. pro Dag feftgefeßt. AuS ben Heber*
fd)üffcn, bie fich ergeben fönnen, foü ein fpegieHer Streiffonbs ein*
gerichtet merben.
_ gut Anfdjluß an biefeS Brogram erhob ber Kongreß noch ben
Aufprucß auf oerfcßiebeite Bergünftigungen für bie Arbeiter, mie
auf beit Begug gemiffer SDuantitäten Dabaf gu ermäßigten ^greifen,
auf Gewährung 001 t greitranSport auf ben Staatseifenbahnen.
^ Gtne Delegation beS Kongreffes mürbe oon bem Direftor ber
Dabafmamtfafturett bereits empfangen, ber inbeffett faft alle gorbe*
ruttgett als unerfüllbar begegnete unb bie Arbeiter anmies, fich
bireft an ben ginangmiitifter gu menben.
tycLt iS. _ g. Sdjottßoefer.
Sohn* unb ArbeitSöerhältmffe im beutfehe« Ifattrergewerbe 1898*
Die 0011 t Borftanbe beS GentraloerbanbeS ber Blaurer Deutfcßlanbs
oeranftaltetc Statiftif über bie Loßn* unb ArbeitSuerßältniffe ber
Blaurer erftreefte fich auf 673 Drte, bie in ber 3 u f a wmenftellung
auf 645 rebugirt mürben unb bei 8423 Unternehmern 10698 Blaurer*
parlire, 147 686 GefeHen, 15 898 Leßrlittge unb 60 745 §anblanger,
im Gangen etma70% ber in Dentfcßlanb befcßäftigten Btaurer
ttachmieS. — Giner iteuttftünbigen Arbeitszeit erfreuen fich 10 614
(7,19 %) Blaurer in nur 4 Orten (Berlin, Gharlottenburg, Schöne*
berg, Rfrborf). gn 7 meiteren Orten haben 5323 (3,go %) Biaurer
bie 9'/‘2ftünbige ArbeitSgeit, in 262 Orten arbeiten 65 157 (44, 22 %)
Blattrer 10 Stunben, in 62 Orten 18 152 ( 12 , 30 %) 10% Stunben;
in 286 Orten 45 255 (30,™ %) 11 Stunben, in 24 Orten 3185
(2, u; o/ 0 ) Biaitrer über 11 Stunben.
Abgefeßen oon ber Bimoing Branbenburg, mo Berlin unb
Htngegenb burch bie neunftünbige ArbeitSgeit mit feineu 10 500
Blaurern bas RecßnungScrgebniß mie in feinem anberen Laubes*
tßeil beeinflußt, befteßt in 0chleSmig*£)olftein 2 c. bie oerhältniß*
mäßig fiirgcfte ArbeitSgeit. Dann folgen ^paunooer 2 c., B3ürttem*
berg, Bapcrtt, Brooittg Sad;fcn, Blecflenburg, Reffen, B°atniern,
Thüringen, Königreich Sachfen, Glfaß Lothringen * Baben *
Rheinlaitb, Bkftfalcit, Scßlefien, Oft* unb SSeftpreußen unb Büfett.
Begeichiteitb ift es, baß in ben ßanbeStheilen, in beneit bie Iängfte
ArbeitSgeit oorßerrfchcnb ift, auch in & e n meiften Orten lieber*
ftuttben gemacht merben. So in ber Rßeinprooing in 38 Orten,
Söeftfalen 28, Scßlefien 25 unb in Oft* unb Söeftpreußett uttb
Bofen in 22 Orten. 3» manchen Orten bilbeten bie ileberftuttbeit
bie Regel, mäßrenb fie in ben meiften Orten erfreulichermeife nur
gang oereingelt unb bei äußerft bringenben Arbeiten üblich mären,
giir lleberftunben befonberS leicht gu ha&en ftttb bie fogettanitten
„Sachfengättger im Baugemerbe": Die Schlefier iit Rorbbeutfcß*
lanb, bie Böhmen in Sachfen unb Bapertt, bie SBürttemberger,
^oßengoHern unb ^fälger in Baben unb Glfaß*ßothnngeit, bie
Reffen in Rheinlanb uttb B3eftfalen, bie GicfjSfelber unb last not
least bie gtaliener.
giir bie ßohnftatiftif mürben 46 oerfchiebene Säße für Stunben*
löhne oon unter 20 bis über 60 4 aufgeftellt, bie auf 128 934 Ge*
feilen, mie folgt, gur Anmenbitng fatnen: DurchfchnittSlöhuc
mürben begahlt in
Orten
an Blautet*
biä }ll 26 3"f . .
. . . 44
5 653
25 l /j—30 = . .
. . . 178
20 596
30 1 /»—85 - . .
. . . 194
18 271
36*/»—40 = . .
. . . 130
31 548
40 1 /»—46 . . .
. . . 70
31793
46 l /s - 60 = . .
. . . 16
5 693
52-55 Sf . . .
. . 0
4 701
57—60 ....
. . . 8
11972
Bon 28 Großftäbien oon 100 000 unb mehr Ginmohnent
famen auf 6 Durchfcßnittslöhne oon 50—60 4/ anf 5 foldje oon
45—4972 4, auf 11 folcße oon 4072—447 2 4 unb auf 6 folcße
oon 33 l /2—40 4* ^°n 29 Orten oon 50—100 000 Ginroohuem
entfielen DurdfjfchnittSlöhne oon 52 4 au f 1/ non 45—48 4
auf 3, oon 4072—43 4 auf 5, oon 40 4 unb roeniger auf
20 Drte. Die Angaben ber Drte oon meniger als 5000 Gin*
roohuern, feien unguoerläffig unb gu günfiig, ba fie gu fpärlich ge*
floffen finb. Die Großftäote bis mit 50 000 Gintoohnerit h^ab
rangiren ihrem Durd;fd)iiittSlohn nach mie folgt: §amburg*Altoita
60 4/ Berlin, Gharlottenburg, Sdjötteberg, Rifborf 5972 4/ Leipzig
527-2 4, Kiel 52 4, Bremen 50 4/ SRündßen 4972 4/ Öübecf 48,^,
Stettin 4772 4/ ©pnnbau 46 4/ Bresben, graitffurt a/BI., Düffel*
borf unb Bremerhaoen, ßehe, Geeftemüube 45 c'7 .spaitnooer,
Rürnberg 4472 4, Blagbeburg, Königsberg, Blannheim, Kaffel,
BotSbatn 43 4/ Brauttfchmeig 4272, ©aue, Dortmunb 42 4 ,
Gffen 4172 4 , Köln, Dangig, Duisburg 41 4 , Breslau, Stuttgart
4072 4, ßlberfelb, Barmen, Grfurt, Blaing, SBteSbaben, granf*
furt a/D., Bochum 40 4 , Ghemniß, Ktefelb 39 4, BSürgburg,
St. Sohann, Saarbrücfen, Blalftabt, Burbach, BI.*GIabbach 38 4 ,
Straßburg, Augsburg, greiburg i/B. 37 BIeß 3672 4 / ®örliß,
Blünfter i/S. 36 4 , 2>cmnftabt 3572 4, Karlsruhe, B^ueit i/B.,
3mitfau 35 4 , Aad^ett 3372 4 / SRüUjaufen i/G. 3272 4 / ^iegniß
32 4 unb Bofen 3072 4 *
©eitere gragen über ßoßn ber ßehrlinae, grauettarbeit unb
©ohnftß ber Blaurer (ob entfernt 00 m ArbeitSplaß) mürben gu
Iftcfenhaft beantmortet, um guoerläfftge Refultate gu liefern.
Die Arbeiterfrage itt ber amerifanifdjen Baumtooflinbuftrie.
©ir entnehmen einem beutfcßeit Konfularberichte: Die 3nhc bcz
BautnmoUeufpinbeln in ben Bereinigten Staaten 001 t Atnerifa
mirb auf 19 410 554 uttb bie ber ©ebftüßle auf 453 281 Stiicf
angegeben. Die Bertnehruug ber Spittbelgahl ift ooritehntlich itt
ben Sübftaaten erfolgt, unb bort bürfte auch &ic 3 u futtft ber
atucrifanifchen Baummolleninbuftrie liegen. Das eingige §ittbcrniß,
toelcheS ber Gntmicfelung ber Dejtiliubuftrie in ben Sübftaaten
entgegeufteht, ift bie Arbeiterfrage. Die in oier gabrifen in ben
leßten guh^eit mit garbigen gemachten fdjlechten Grfahruitgeu laßen
barauf fdjließcit, baß es nid)t möglich ift mit biefett ßeuteit, troß
ber Billigfcit ber Arbeit, bauernb mit Bortheil gu arbeiten, ba
ihre ßciftungSfähigfeit außerorbentlid) gering ift, uitb bie Be*
fd)äftiguitg farbiger Arbeiter bie gleidjgettige Bcfcßäftigung rneißer
Arbeiter, uatjegu ausfdjließt. BÜt ber Gitimanberung einer meißelt
gabrifbeoölfcrung miirbe jeboth auch bie „Trade Union“ unb bie
gabrifgefeßgebung ihren Giitgug hultett, unb roentt auch bk Ans*
fiihntng ber leßtereit itidjt critft geitomiitcn merbett mirb, fo finb
bie „Trade Unions“ hoch bereits jeßt feßon am ©erfe, bie Derül*
arbeiter ber Sübftaaten gufammeiigufdjlicßeit, unb ber erftc große
AuSftanb in Georgia unb Rorth^GaroIiita ift nid;t gu Gnnften
ber gabrifanten entfeßieben morben. Die Beftrebungeu, Bannt*
mollenfpinitereieit auf bem ßanbe, ntöglid)ft entfernt oon ben
tfjeucreit Stäbtcn unb inmitten ber Beugungen aitgulegeit, toerbeu
tiacß beut Grfolge, ben bie erfte berartige Anlage aufgumcifeit liat,
fidjer mit größter Beharrlichfeit »erfolgt merbett. ©eun es ge*
iai9
©ojtale ffcajts. Eentralblatt für ©ojiatpolitif. 9fr. 5o.
1320
littgt, bie Arbeiterfrage im Süben iu einem ber gitbnftrie günftigeit
Sinne 3 U löfeit, fo biirfte eine machtooÜe Entfaltung ber Baum*
woüenwebereicn unb Spinnereien in ben Baumwolle baueubeu
Staaten 311 erwarten fein. Tie lebten Veröffentlidjungeu ber
Bureaus Labor of Statistics ooit Eonnccticut unb Vtoine geben
für bie Baumwollenfpinnerei in Eonnccticut folgcnbe
Arbeitsfofteu für bie ©piiibcl im gahre . . Dollar 4,75
gapl ber ©piubdit.für 1 Arbeiter 65
Verarbeitung uon Baumwolle für bie Spiubd ^fuitb 52 ,10
Arbeiterfdjaft:
Viätiitci*. ^rojentfajj 43 ,00
grauen. = 47 /0 o
Miitber. = 10, 0 a
^öt}ue:
SLeber.Tollar per SLodje 5 bis 18
Spinner.* * * 4=12
gu VZaitic mar ba? Verhältnis ber Arbciterfdjaft 41 o/ 0 Männer,
52 % grauen itnb 7 o/ 0 Miitber. £>cruorgehobeu wirb bie 3u-
nabme ber Beifügung uon grauen unb Minbertt unb ba? Be*
ftrebett, männliche ermadjfcne Arbeiter au? 3 ufd)eiben.
^rbtterbemeguttg.
Äeiit Terrorismus? gn Burg bei VZagbeburg liegen bie
Xifdjtergefellen feit SSodjen mit ben VZeiftern in Streit Unter
beut 5. Auguft oerfdjicften, roie jept befanut mirb, bie VZeifter „uer*
trauliche" Eirfulare, roorin fie ihre Mollcgen aufforberit: 1. feinen
ber ausftänbigen XifdjIergefeHen in Arbeit ju nehmen; 2. ben
grauen (!) ber auSftänbtgen EJcfeHeu feitterlei Beschäftigung geben
3 u wollen; 3. falls fie bereite AuSftänbige befd)äftigen füllten, biefe
fofort 3 U ctitlaffeit, unb 4. mit allen ibtten 311 (Gebote ftehenbett
moralischen Mitteln auf bie ihnen in ben ©eg fommenbeit ftreifeit*
ben TifchlergefcIIeu babin gu roirfen, bap fie 3 U ihren 'VZeifterit
unb in ihre früheren B>erfftätten jitrücffehten, wofelbft fie au?*
reidjenbe Beschäftigung unb Verbienft finbeit. betroffen baoon
finb 123 ^erfonen, beren Aamcn einzeln aufgeführt finb.
Verbat eines Streifs burd) bie fpiligä in 3tvi(fan. 8 er im
Erlöftf)en begriffene VZaurerftreif in ^tuiefau ift bel)örblich „be*
enbigt" woroen. gn einer 3 u f^ r ^ft cm ben Streifleiter mürbe
biefem unter Anbrohuitg einer (Mbftrafe uon 100 di uon ber
Drtspolijei uerboten, Streifpofteu auf 3 uftcllen ober irgenb welche
Thätigfeit für ben Streif 3 U entfalten. Turch Verfügung be?
Boli 3 ei*Stabtratf)S ift weiter einem BMrtf), bei bem bie Streifleiter
uerfef)i*en, unter Anbrohung uon 100 t if. Strafe ober .£>aft auf*
gegeben worben, bie gortfcputig ber Streifbewegung in feinem
Lofal nicht gu bulbeu. Auf bie weitere Entwicfelung biefer Sadje
barf man gefpannt fein, namentlich auf bie gefehlte Begriinbuttg
biefer polizeilichen Eingriffe.
8er Streif ber beutfdjeit Steinarbeiter (uergl. „S 03 . Sßrajri?"
Sp. 1299) behnt fid) immer mehr aus. gn Berlin ift er tia^u
allgemein geworben, itad)betit bie Arbeiter leiber ben SchiebSfprttch
beS EiitignugSamtS 3 urücfgewiefen h Q ben. Sie haben bie Unter*
ftüpmtg ber ^Berliner Arbeitcrfdiaft bei ber ©emcrffchaftsfominiffion
uad)gefud)t, unb Icptere bat einen bementfpreebenben Aufruf er*
laffeit. gi^wifdjcn hat ber Streit, ber uor etwa fed)3 SLodjcit 311 *
erft in Biii^laii nnb iöre^lan auSbrad), auch nadj Sadjfeit hinüber*
gegriffen, gu Tre»?beit haben bie Unternehmer 1500 Steinutepeit
ansge sperrt, weil in ^irtia bie Arbeiter eine* BkrfeS (etwa 40)
„gcicrabctib" gemacht haben. Eine TrcSbcncr Steinarbeiteruerfamm*
lang hat in golge beffen ben (sJciteralftrcif bcfchloffeu, uon bem
nun aud) bie Unternehmer betroffen werben, bie ber Vi elfter*
uerciuigung nicht augehören.
Eilt Eentralucrbanb rpriftlirfjer blautet nnb uerwanbter Berufe
Seut'ihlan^y" mit Ucui 2ir> in Vcrlin ift in ber Vilbung begrite.
Tericlbe f 0 II nitv ber feit 3wci galiren beitchciibcn Scftion ber Vau*
arbeiter be^ berliner Vereine „Arbeiterfdmp" heroorgeljeu, bie ihren
Sin im fall)alliiüen Arbeiterheim ,A'eühofpiV‘ hat. Ter Verein „Arbeiter*
Mi in;/' uerfügt bereiia über Schienen ber >5ol3* nnb Vietallarbeiter, ber |
Sdjneiber nnb Sdmcibtrinnen :e. Eine Settion ber dirifiliehen gimmerer j
ift nenerbiug* entfianben.
AuS ber ©erliner Arbeitcrbetuefluitß. Ein Theil ber Verliner
Eitelcure befiubet fid) im Streif bebufv Ervmgiiug bea Aeuuftuubeu* !
tage*?. Tic :V! arm ov? unb <'>ra ui ta r bei t er flehen m/yveu ber neun* 1
inmbigeu Arheitv^eit unb aubermeiter ^ohnregiiltruug in lluterhanbluugen 1
mit ben Vertretern ber Arbeitgeber. Anita ca p einem Vergleid) fouimt,
fall bie Turdiführnug ber Abmadniugen einer \n gleidjai Theilen au»?
Uuteruehmeru 1111b Arbeitern beueheubeu >iümiitiffiau ^uüebeu. gu
Anllcu, 1110 bie .Mommifiiou fidj nidjt einigen fauu, fall ber Vorn turn be
bca <'*ewerOegerid)tv bie Entfdjeibuug treffen. Tie Verliner gfolirer
uub Aohritnthüllcr Bcfiitbcn fid) wegen Ahfdjaffung ber Accorbarhcit
unb Einführung eines Söiinbeftlohnes im Streif. And) bie .O 0 I 3 -
hilbhaitcr finb in eine 2 of)nbemegitng cingctrcten.
öergarbeiter^Stretf iu Sathfett. gm ^laucn'fdien Elrnnbe ift ein
Streif anügcbrodjen, an bem etwa 2500 VZann hefheiligt fein füllen.
Aäperc Angaben fehlen hi§ jept. Ter „Vorwärts" oermutljct, bafj ber
Streif wegen ber Entlaffnncf eines Arbeiter»?, wcldjcr ber Tireftion int
Aufträge feiner Sfamerabcn Vefdiwerben überbrad)t habe, erfolgt fei.
Ei? fei * anperbem ein Arbeiter mit 9 Jt beftraft worben, weil er itt
einer Eingabe an bie Tireftion angeblich falfd)c Angaben gemacht
habe, gertter feien ttod) 130 VZann mit 4 M beftraft worben, weil
fie ohne Urlaub oott ber Arbeit wrggcblieben feien.
BohnBetoegmtg tut Ühwtfdjeit fioh^nherghau. Unter ben
Arbeitern ber böhmifchen Vraunfohlcurcuierc hat eine ftarfc Lohn¬
bewegung begonnen. 8ie Bergarbeiter bcgrüitben ihre gorbernng
mit ber giinftigen ^onfunftur unb oerweifen auch auf bie ttur»?*
fteigerung ber VZontanwerfe. Eine uorige Sochc in Briir ftatt*
gefunbene Bergarbcitcruerfammlmtg befchlof; eine 9lefolutiou, iu
ber bie Arbeiter eine 20 pro 3 entige Lohnerhöhung, bie Einführung
ber Ad)t[tunbenfchid)t, fotuie bie gcftftellung eines Vtinimallohnev
oerlangen, welche gorberungett einer feit»? mit ber I)crrfd)cnbeii
Th^acrung, anbererfeitS ber günftigeit jfonjunftur auf bem ^ol)leu*
rnarfte motioirt werben. 8ie Arbeiter fprachen in ber SRefolutioit
bie Hoffnung aus, bap bie V?erfc bie gorberungen bcwilligeit
werben. 8ie SWefolution tuurbe ben Sfeoierbergämtern übermittelt.
— gn galfeitau hat bie AnSftanbSbewegung tn golge ber Lohn*
biffereitzett bereits begonnen, uub iu 3 wet Schäften würbe bie
Arbeit eingeftcllt.
General-Federation of Trades. ^ach längeren Verhaub*
lungen ift jept bie General-Federation of Trades eine uoÜcnbete
Thatfache. Einige 350 000 8 rabe*Untoniften waren auf ber be*
griinbenbett Verfamntluug oertreten, fchr utel weniger al»? man
nach bem r Amalgamated Engineers’ Journal“ ermailet hatte, gn
ben VerroaltungSaii»?fd)itp finb 15 VZitglieber gewählt worben, auf
ungefähr 20 000 VereinSmitglieber fomtnt fo jept ein Verwaltung»?*
auSfchupmitglicb, iitbeffen fott fein Verein mehr al»? einen Vor*
tretet* im Momitee haben. E? wirb bie Hoffnung ausgefprodjen,
bap biefer Vefchlup auf ber näd)ften ©encraloerfammlung nodi ge*
änbert wirb. 8 ie 15 jept gewählten VHtglieber oertreten bu Ver¬
eine ber Eifeitgieper, ber Sd)iff?bauer, ber Leicefter Strumpfwirfev,
ber Vaummollfpinner, ber Äupferfdpniebe, ber Sd)uhmad)er, ber
uereinigten Viafehtnettarbeitet, ber nationalen ArbeitSuuion, ber
gil 3 huintad)cr, ber VZalcr unb 8 eforatcitrc, ber E)a»?arbeiter, ber
£)orfffjtrer Voeber, ber 8 ocfarbeiter, ber guhrmann?gen 0 ffenfdiaft
unb bei* A. S. E. Lepterer Vertreter, gfaac Vfitcpefl, würbe ein*
ftintmig 311 m Scfretär gewählt.
Molittmtipitiefjeit.
SBohttmtgSnoth tn RieL
Eine Er[d)eimutg, welche wir 3 m ^eit iu ben weiften größeren
beutfd)cn Stäbten beobachten föntieu, ift in einem gan 3 befoiibeicn
Viape in Miel 311 Tage getreten: bie VM)ming?noti). Sie ift eine
TbatfarfjC unb fauu and) nicht burd) Vefolutioneu nnb Vefdiliiüe
ber .'pan?* nnb C*)riinbbefiperoereine hiuweggeleuguet werben. Emen
äf)ulid)cu Aothftanb hat Miel uor jept gerctbc 3 cl)ii gahreu gehabt.
Tantal»? wurbe er oeranlapt burd) ben hebeiitenbctt ^U 3 itg an»?*
märtiger Arbeiterfamilien in Atilap be? Baue? bc»? Aorb=Sftfee*
Manai»?. 3 e itweilig waren 16 gamilint mit 85 Möpfeit wobnung»?*
Io?. Tic ftäbtifchen Mollegieit bcfd)loffeit 3111 * Befäutpfutig bei*
Cbbachlofigfcit ben Bau einer maffiueu Baracfc mit 12 TL oh 11 *
räumen. Bi* Eitbe gititi 1890 war bie Baracfc ftet? befept. Tann
liep bie B3ohnuug»?itoth in golge ber ftarfeu uub rafdjen Be*
bainutg neuer Stabttheile aflmählid) nad).
Ter heutige Vothftanb erweift fid) bem batttaligcn gegenüber
als uiel bebcutenber uub in feinen golgen bebrohlidier. Anfang
Auguft b. g., alfo 31 t einer $dt, in mcldjer au Arbeit fein Bunigd
ift nnb bie TLitterung?uerhältuiffe feine befoitbcren Aiiforbenuigeu
an bie Wohnung ftdlen, waren nid)t weniger als 25 gamiiicn
mit 164 Möpfen, baruntcr 117 Miuber, ohne TLol)itung. git ben
wenigftcu gälten hanbeltc e»? fid) 11 m eine artnenreditlidie >pülf»?
bebiirftigfeit. Tie Tlieiftcn hatten guten ober bod) tuenigften»? au»?-
rcid)eubeu Verbienft, um eine SBohnung be 3 al)len 311 föutieit. 3ie
founten jebod) feine foldje fiubctt, theil»? wegen ihrer Miitba^alil,
theil»? weil ber Ehcmaun ober bie Ehefrau bem £>au?befiper gier*
fönlid) mipliebig war ober als foldje bezeichnet wnrbcii. ATir
gaii^ ucreinzelt fouitte bie Aid)tbc 3 al)limg ber Viiethe al»? Eh'uub
bei* TLohmmgslofigfeit feftgeftdlt werben. Tie $LohnuugSnotl) iü
1321
Sogtale $raji8. dentraCblatt für Sogtalpoltiil. Ar. 50.
1322
aber t^atfäc^Iicf) noch größer, als fte ans oorftefjenben 3iff er tt ers
beHt. SDenn eS ift ermittelt, baß etwa 20 Familien mit burdj*
fdjnittlid) 5 köpfen, alfo 100 ^erfonen, in beit fleinen ©arten«
bau fern ber ^adjtgärten roohneu, mtb ctma bie gleiche Angaßl be*
lüobnt Heller« unb $adjgefdjoßräume, roelcbe ben poligcilidjen An*
forberungen nidjt genügen, nicht Jjeigbar unb tßeilroeife nur auf
(frfudjcu ber ftäbtifdjen ArmenoerroaHung oon ber ^oligeibehörbe
gngelaffen fiub. Ainimt man Alles gufamnten, fo ergiebt fich, baß
in Miel gur 3 e ^ 60 bis 70 Familien mit 300 bis 350 Möpfen
ohne ein angemcffeneS, nur ben nothbürftigften Anforbernngen ge*
nügenbes Hutcrfommen ficb befinben.
fragen mir nach ber llrfadje ber B*ohnungSnoth, fo roirb
biefclbe roieberum bauptfäd)lid) in bem 3ujug frember ArbcitS*
fräfte unb bem bantit im 3 u fammenbange ftebenben, oor Allem in
ber ©ntroidfelung ber Maiferlidjen Marine begrüubeten rapiben
BtodjSthum ber Stabt gu fueben fein. Bei bem großen im Ban
begriffenen Srotfenbocf ber Maiferlichen Bkrft roerben §>unberte
oon Arbeitern befdjäftigt. 2)ie großen ^rioatroerften — W°malbtS
Bkrfe unb bie Mrupp’fche ©ermaniaroerft — ftttb mit Aufträgen
überfüllt, auf lefcterer foHeit mit ber $tii etroa 5000 Arbeiter be*
fdßäftigt roerben. AllerbingS liegen bie Werften nidjt auf Mieler
Oiebiet. Snbeffen rooljnt ber größte £h e il ber Arbeiter in Miel,
tfjcils um bie Annehmlich feiten ber großen Stabt gu genießen,
tbcilS roeil fie itt Miel ftänbig beffer gefteHt fiub, ba bie diufommen
unter 660 J(, oon ber ©emeinbeeinfommenftener frcigelaffen
roerben. £agu fomtneit in Miel felbft umfangreiche llniocrfitäts*
bauten, roelcbe bie W era ngiehung gelernter ArbeitSfräfte notbroenbig
gemadjt haben, ba in Miel felbft nicht genügenb $>ecfung oor*
banbeu roar. Selbftoerftäitblich gebt Waito in £>anb bamit ber
3»gug and) anbercr, nicht bem Arbeitcrftaube angehörigen $er*
fotteit. §n erau 3 erflärt ficb bie ungeheure rafche 3unahmc ber Be*
uölfentng, roeldje fidj aus folgenber Aadjroeifung ergiebt:
?tm 31. Negern ber:
18 ss betrug bie @inrooljncrgabl ohne SWUUärpcrfönen 56 099
lsS9 = = = = 60 522
1S90 = * = 64 036
1S95 s s s = = 79 066
1S9S = = » 86 783
Born 1. 3anuar bis 31. 3uli b. 3S- ift fie geroadjfen auf 90 437.
$ic Militärbcoölferung ift in betn gleichen 3eitraum geftiegen oon
4694 auf 10 532. $ie ©efammtbeoölferung hat fidj alfo in gehn
Saljren um etroa 66% oermebrt. hiermit bot bie 3unaljtne ber
2£otjuftätten feinerlei Sdjritt gehalten. Sdjon ber ftäbtifdje Ber*
roaltuugsbericht fonftatirt für ben 3citraum oom 1. April 1891 bis
bafjin 1*96, baß roäfjrenb bie Bcoölferung um 23 /85 o/ 0 gugenommen
(mt, bie 3aljl ber BJoßnftätten nur um 15<V 0 geroadjfen ift. $)iefeS
Mißoerbältniß Ijat ficb mit ber 3 c *t noch gefteigert. $>ic 3 a hl
ber neuen 3meiftubcnroohnhäufer, roeldje im Sabre 1896/97 50 be*
trug mit 450 Wohnungen, ging im Sohn’ 1897/9* guriief auf 19
mit 145 Wohnungen, roäbreub bie 3 a ßl ber Wäufer mit 2 unb
mehr Stiibenroofjnungen nur oou 65 auf 78 ftieg. SDer ©runb in
biefem Biicfgang ift tfjeils in beit erheblid) Ijö^ercit Material*
preifen, theiis tn ber augcnblicflidjcn ©elbfuappheit gu fuchcn,
tbeilroeifc madjt ficb audj ein Aiicffdjlag gegen eine in ben Bor*
jabreit üppig emporgeroadjfeuc ©cbäubefpefulaiioii geltenb.
So faben fidj alfo bie ftäbtifdjcn Beßörben int Sommer b. St¬
einer empfiublidjen B.'obuuugSuotlj gegenüber, roeldje eilte brittgeitbc
Abfjülfc erljeifdjte. 3 11 bem 3mecfe rourbe gunädjft ber fdjlcuuigc
Bau roeiterer Baracfen befdjloffen. i ? ag hierin gegenüber betn bis*
berigen 3 l, ftonbe infofern eine SSerbefferuug, als in ben neuen
^araefen jcbeSmal ^toei Stuben — Mammcr mit Modjgclecjenbcit
nub Stube — einer Oramilie iiberroiefen roerben roirb, roäbreub
bisher nur eine Stube gur Verfügung ftanb, fo roirb man anbercr*
feits boeb auch nidjt oerfennen fönnen, bab hiermit bie ^obnungS*
frage felber nidjt gelöft roorben ift. Wierübcr hotten fidj audj bie
ftftbtifdjen iBebörben feinerlei Xäufdjungen Ijiogegeben, oielmcbr
neben bem S -Bau oon iBaracfeit, beftimmt bem äu&cr|ten SBobttungS*
elcub fdjleunigft abgubelfen, befdjloffen, einen aus iljrer s 4)?itte ge*
fteüteu Eintrag auf (Srbauung einfacher Satnilienbäufer in oer*
fdjicbcueu ©egeuben ber Stabt ber guftättbigen Mommiffion gur
fdjleunigeit Bearbeitung unb Beridjterftattnng gu iiberroeifeit. Db
ber Eintrag gur Ausführung foittmeu roirb, ftebt itocfj bafjin, grunb*
fäfelidje Bcbenfen roirb man bagegeti nidjt erbeben fönnen.
£>ie Srage, ob bie Stabt als foldje rechtlidj oerpflirijtet ift,
abgefefjen oon bm Öaüc ber armeurcchtlidjen WülfSbebiirftigfeit,
für eine atigemeffene lluterfuuft ber ©emeinbeangebörigen gu forgeit,
ift eine oöllig müßige. 3)fan famt fidj noch fo febr bagegen oer*
loabrett nub eine redjtlidje Bcrpflidjtung entfdjieben oerncinen, man
roirb hoch nicht gulaffen fönnen, bafj auch ltur e ' ne Somilie ohne
Dbbad) bleibt unb immer roirb es am lebten (£nbc bie Stabt fein,
roelcher bie Sorge hierfür obliegt. Heber baS 2Bie fönnen aller*
bingS bie Meinungen auseinaitber geben. 3)en WouSbefibern roirb
man es nicht oerbenfeit fönnen uttb rooHen, roenn fte, eine für fie
günftige Monjunftur benufeenb, bie 3Kietbpreife fteigern ober fidj
ihnen' mißliebiger Sftietber, oon benen fie oft genug Acrger unb
Berbruß unb auch pefuniäre Dpfer gehabt haben roerben, gu eut*
lebigen fuchen. Auch roirb man eS gugeftehen fönnen, baß bie
Stabt bem Wouä* unb ©ritnbbeftb, roelcßer in erfter Üinie bie
Steuerfraft repräfentirt, nicht ohne $otb Monfurreng machen foU.
3öenn es aber baS öffentliche Sntereffe erforbert — unb roo roärc
baffelbe ftärfer intereffirt als in ber SBobnunaSfrage — unb es
nicht auf anbere Seife gelingt, bie Sßrioatbautbcitigfeit gu roeefen,
fo ift fein ©runb erficbtlidj, roeSbalb bie Stabt felbft nicht gum
Bau oon Sobnungen fchreiten foO. $ält man bie Stabt für be*
reeßtigt, Baradfen für Dbbadjlofc gu bauen, fo roirb man ihr auch
nicht oerroebren fönnen, Soljnungen für SoßnungSlofe gu er*
ridjten. 3brer fogialen Aufgabe roirb fte bierburch jebenfalls mehr
gerecht, beim bie Inhaber folcher gegen Btietbe gu überlaffenben
Sobnungen roerben ficb als gleichberedjtigtc ©emeinbeangeijörige
fühlen, röogegen bie ^nfaffen oon Baracfen aHmäblith gu Almofen*
empfängern Ijerabfiitfen unb feljr oft nicht mehr bie fittlidje Mraft
haben roerben, fid) aus iljrer briiefenben Sage, in roeldje fie gum
S£beil ohne ihr Berfcbulbcu geratljen fmb, gu befreien.
Miel. 3f. Soetbeer.
»lütte? für $autbiitger ©ohmntgSpflefle. $>ic Bebörbe für
SBoljmmgSpflegc in Hamburg hat bereits bei gcftfteHmtg ißrer ©efdjäfts*
orbnimg in @rroägung gegogen, für bie attgenteinen BJittbeilungen an
bie amtlichen Crgatte ber SBohnungspflegc eine in xroanglofer Jolge
erfdjeinenbe Rettung berausgugeben. Aumnebr ift bie erfie Kummer
crfdjienen. 5^ie „Blätter für BSoljnungSpßegc" roerben je nad) Bebarf unb
nad) bem oorliegeubeu ®?aterial erfdjeinen. (3u begieljcu oon bem Bureau,
Hamburg, ^oftftraße 19.) ^ic erfte Anmmer enthält einen Bortrag, ben
9J?ebiginalratlj 9r. Acinde in ber gemeinfameit Bcrfammlung ber efjren*
amtlidjen Crgane ber BlohnungSpflcgc — es fiub gur Ausführung bcS
Gleiches 162 Pfleger berufen — am 19. Sftai b. gehalten tjot; ber
Bortrag behanbelt unter befoitberer Begugnahmc auf Hamburg bie un*
günftige (Sinroirfuug imgefunber ober überfüllter Bloljnungen auf Sterb*
lidjfeit, Olefunbljeit, Familienleben. Dr. Aeiucfe fjat auch einen Seit*
faben für SoljuungSpßege oerfaßt.
Änaerhfgeridjte. dinigungsfimt«. Sdjic^gtridjtc.
Aebigirt oon ©eroerberichter Dr. S dj a I b o r n, Berlin.
$ie Steffung beS ^olonuenfübrerS unb feiner ©rnppe im Bangetnerbe*
-E'aS Bcftrebcn ber llnterucbtner, iljr Aififo möglidjft auf
anbere Sdjultcru abguroälgen, 1 ) tritt gur 3«t befoubers im Bau*
geioerbc Ij^^oor.
3m Baugeroerbe ift es mehr unb mehr üblich gcroorben, ge*
roiffc Arbeiten, fo bie $ußcr* unb bie Steinträgerarbeiten im
©ritppenafforb gu oergeben, b. b- im ©äugen gegen eine oou oorn*
herein beftimmte, meift nadj 3 a bt aber Bcaß ber gcleiftcteu Arbeit
gu beredjneube Bcrgütmig au eine BJebrgaljl oon Arbeitern (Molonnc),
roelcbe bie Arbeit auf gemcinfdjaftlidje Aedjnuug übernehmen. Bei
ber Arbeitsoerabrebung pflegt ber Bauuuterueljmer nidjt mit ben
fämmtlidjen Arbeitern ber Molonne perföitlich gu oerbaubeln. Biel*
mehr roirb gur beiberfeiligen Bequemlichkeit mit einem ber
Arbeiter, ber baS befonbere Bertrauen feiner Mollegen genießt, bem
fogenanntcit Borarbeiter ober Molonnenfüfjrer, afforbirt. ©s ge*
fdjietjt bieS noch bäußger berart, baß bem Arbeitgeber gunädjft
überhaupt nur ein gelernter Arbeiter entgegentritt, ber etroa feßon
als Borarbeitcr tljätig geroefen ift. tiefer oerabrebet bie ArbeitS*
bebingungen unb fudjt fid) bann bie erforberlicheAugaljl Mitarbeiter
Ubeils gelernte Arbeiter, tljeils ungelernte gu W ai, blangcrbienfteni
uub roeift biefe bem Unternehmer nadj. 3n ben allermeiften Fällen
arbeitet er felbft in glcidjer SBeife, roie bie übrigen Arbeiter uub
tbcilt mit ihnen ben Bcrbieuft, ofjnc einen Borgug oor ihnen gu
genießen; bädjftens oergüteu iljui feine Mollegeu etroaige 3^'itocr*
fäu um iß.
^>ie Bauunternehmer fudjcu nun foldje Molonuenfüßrcr als
felbftftänbige Unternehmer Ijingnftelleu, roeldjen baßer bie alleinige
J j Bgl. Dr. Acuhaus, lieber bie .^olgbcarbeitiiugsiubuftrie, in btefeu
Blättern, ismj 3p. 1195 ff.
1323
©ojtole SPtoji*. Eentralblatt für ©ogtalpolttt!. SRr. 50.
1324
Verantwortung für ihre SRitarbeiter, befonbers ^infic^tlid) ber
Löhnung unb Entlaffung obliege, demgegenüber |at baS Ver«
liner ©ewerbegeridjt in fonftanter Re<htfpred)ung baran feft*
gehalten, baß nidjt ber Äolomten führet*, fonbern ber Vauunter«
nchnter ber Arbeitgeber ber ganzen Kolonne fei. hierbei ift nicht
nur bic wtribfchaftlidje llnfelbftänbigfeit beS Vorarbeiters, fonbern
oor Allem ber Umftanb berücffidjtigt, bafe bie Vauunternehmer
felbft bic öffeutlid)rcdhtlichen VcrficherungSpflidjten allen Arbeitern
gegenüber erfüllen unb ftd) burd) bie oerfchiebenftcn Viaftnahmen
als Arbeitgeber aller geriren. 2 )
©egenwärtig ift man nun beftrebt, biefe RechtSauffaffung beS
©ewerbcgerichts baburch unmöglich zu machen, bafc man in jebem
einzelnen Stolle fomohl oom Koloitncnführer wie oon ben einzelnen
Molonuenarbeitcrn ein fdjriftlidjeS Anerfenntniß forbern will, wo«
nach fi<h jener als fclbftftänbiger Unternehmer, biefe aber als
Arbeiter lebiglid) bes KolomtenführcrS befennen foKcn. 3u biefem
Vehufe hot ber Arbeitgeberbunb für baS SRaurer« unb
3immcrgemerbe oon Verlin unb ben Vororten ein
„Rinfterbeifpiel" eines ArbeitSoertrageS unb eines RcocrfeS auf«
geftellt, weiche bei ilebertragung oon ^überarbeiten gu ©runbe
gelegt werben follen. darin wirb ber folonnenführeubc ^ufecr
auSbriicflich als „Unternehmer für ^ubarbeiteit" bezeichnet. 3h m
wirb bie auSbriicfliche Verpflichtung auferlegt,
ganz nüetn für bie Vezablung ber oon ihnt angenommenen $ufccr
unb Arbeiter Sorge ju tragen unb z» erflären, baß bie $ufccr :c.
überhaupt feine Anfpriichc au ben betreffenben 9föaurermci|'ter
haben.
3m Reoerfe ferner foll jeher einzelne Arbeitet* erflären, ba&
ihm ber mit bem V u &mmteruehmer gefchloffene ArbeitSoertrag be«
fannt ift, unb ausbrüeflid) atterfennen,
baß, obwohl ber SRaurcrmeifter ... bie Erfüllung ber Ver*
pfli^tungen aus bem Kranfcn* unb ^nualibttätsoerFtdjcrimgSgcfeb
übernommen Ijot, unfer Arbeitgeber lebiglid) ber ^uper . . . |gc=
meint ift ber bisherige Atolonucuführcr], nidjt aber ber Viaurcr*
meifter . . . ift. Rtir gegen beu erfieren, nidjt aber gegen ben
lejjtercn fmb wir bemgentäb bie uns aus bem ArbeitSuerl)ältni&
Zuftchenben Anfpri’nhe gelteub ju machen befugt.
AnbererfeitS wirb im Vertragsentwürfe ber „Vufccrunter«
nehmer" ocrpflichtet, auf Verlangen beS Vauljcrrn bic Arbcitsfräfte
zu oerftärfen, Arbeiter zu entlaßen ober einzuftellen, fid) felbft nebft
feinen VJitarbeitern ben Anordnungen bes Vau Unternehmers zu
fügen, der Vauunternehmer nimmt ferner bem „^ufccr" bie Ver«
pfiidjtungen aus bem Traufen« unb bem SnoalibenocrficherungS«
gefeh ab. 3 ) die einzelnen Arbeiter enblich werben ocrpflichtet, thr
Kranfcnfaffenbiich, fowie bie 3»oalibenfarte bem Vauunternehmer
für bie dauer ber Vcfchäftignng abzuliefern unb bie erlaffcne
Vauorbnnng ftreng inite zu holten.
ds fragt fich, ob bei oertragSmäfjiger Annahme
biefer Veftimmungcn feitcitS beS HolonnenfüIjrcrS unb
feiner (Gruppe bic RedjtSftellung bes Unternehmers zu
ben betreffenben Arbeitern wir flieh eine attbere wirb?
3unäd)ft unterliegt es feinem Vebenfen, bafe Sentanb, fr cv
wirthfchaftlid) nidjt Unternehmer ift, burd) bie blofee Veucmtung als
foldjer nidjt zum Unternehmer wirb. Es fommt hinzu, bafe nach
bem 3nhoIt bes gebadjten VertragSmufterS ber Zither «„Unter«
nehmer" als bitrchauS unfelbftftänbig erfdjeint: er mufj fich ben
Auorbnungen bcS VaunnternefjmerS fügen, bezüglich feiner s l)cit«
arbeiter unterliegt er ben fdjärfften Vcfchränfungen, bie Verfidje«
rung bei* Arbeiter, bic itjiii als Unternehmer ohne VHbcrrcbe ob«
liegen würbe, wirb iljtn abgenommen, baS Material zu feinen
Arbeiten wirb ihm oom Vauunternehmer geliefert, diefe Unfelb»
minbigfeit beim 5ef)len jeglidjen llnteruchmergewinneS ift baS
Kriterium beS „Arbeiters", nicht aber beS „Unternehmers", bzw.
„Arbeitgebers" (ogl. ©emerbeorbnung, dit. VII). — der Umftanb,
baf) ber Vu| 3 er bie Riiftuitg zu ftellen hat, fteljt biefer Auffaffnng
nidjt entgegen, ba bie Riifiuug als ein Vierfgeug beS ^nfjerS an«
gefeljen wirb, VJerfzcug aber regelmäßig oom Arbeiter, nicht oom
Arbeitgeber geftellt wirb.
Allerbings ift nidjt zu oerfcntien, bafj bie (Sntwicfelung im
Vaugewerbe babin gebt, baß aflniäfjlid) einzelne ber bisherigen
Vorarbeiter fich Jhotfädjlidj zu fleinen Unternehmern auSmadjfon,
bie bann einen dIjcil bes ©efammllobueS für fid) oorwegnehmen
unb anbcrerieits and) felbft bie Verfidjerungspflidjten bes Arbeit«
^-) Vgl. llnger, Eutidjcibimgcu bes Wcwerbcgeridiis Verlin, 3. in ff.
— las Vaubgcridjt I Verlin als Veruiimgsgcridit hat letber wicberbolt
einen itreng formalen ©tanbpimft eingcnonniien.
► Vht bic llnrallum'idiernug tragen foll, fagt ber Vertrags«
entwurf nidjt.
g-eberS erfüllen, wohl auch felbft baS Arbeitsmaterial liefern. VMrb
mit foldjen $erfoncn ein angemeffener dntreprifeoertrag abge«
f<hloffen, fo fcheibet aHerbingS ber Vauunternehmer felbft wirth 5
fchaftlich unb rechtlich als Arbeitgeber aus. Auf földje gefiinberen,
oielleicht in ber 3ufunft gur Regel werbenben Verhältniffe bezieht
fich aber bas VcrtragSmufter beS Arbeitgeberbunbes offenbar nidjt;
bann hätte es eben ber oielen Verflaitfulirungen nicht beburft.
AuS bem Sithalt beS Vertragsentwurfes unb beS VeoerfeS ergiebt
fich beutlid), baß man gerabe baS Verhältnis z u beu unfclbfiftän«
bigen Vorarbeitern im Auge h«t. VHrb hoch ber „Unterneljincr
für ^uhorbeiten" felbft in jenem Vertragsentwürfe immer nur als
„Vufcer", nie als „Vufeermeifter" bezei^net. diefe „Unternehmer
für $ufcat*beiten" aber werben, wie oben ansgeführt, trofc bes
neuen VZufteroertrageS nach uu e oor nur als (Mjülfen beS Vau«
Unternehmers anzufehen fein. 6ic werben baher and) fernerhin,
wenn ber fiebere ©ewerbetreibenber ift, iijr Vcdht oor bem (s>c«
werbegeridht zu ueljmen hüben.
Ungünftiger aeftaltct fich bie Rechtslage für bie einzelnen
Kolonncnarbeiter, fofern fie ben befonberen „ReoerS" unterfehl ei ben.
Rach bem Inhalt bcS „VhiftcroertrageS" freilich bleiben fie mirth«
fdjaftlich unb redjtlich Arbeiter beS VauuuternehmerS. denn
beffen Auorbnungen hüben fie fich 3 U fügen, auf beffen Ver«
langen werben fie cingeftcHt ober entlaffen, feine ArbeitSorbnnng
haben fie ftrift innezuhalten, ihm hüben fie ihre Arbeitspapiere
ciuzuljänbigen, er beforgt bie Verfidjerung. demgegenüber ift bie
Auszahlung beS fioIjneS allein an ben Vorarbeiter nur als ein
Aft ber Vequemlidjfcit anzufehen unb fällt nidjt ins ©ewidjt.
2öirb aber ber ReoerS unterfchrieben, wouadj ber Arbeitet
nur gegen ben ^ufccrunternehmcr, alias Kolonnenführer Anfpnidu
gelteub z» machen befugt fein foll, fo biirfte allerbingS bic Vage
beS Arbeiters fich oerfcfjlcdfjtern. 3^ur bleibt ber Vauunternchniei
Arbeitgeber; benn burd) bie blofzen, ben dljatfachen wiberfpredjcn«
beu V3orte, bgh ber betreffenbe Viaurermeifter nicht Arbeitgeber
fei, !ann ein RechtSoerhältnift feine Vebeutnng nicht oerlieren. Aber
bie obige (Srfläruug bcS Arbeiters wirb als eine (Sntfaguiig feines
Rechtes auf Lohnzahlung gegenüber bem Vauunternehmer anfgc«
fa&t werben föuncn (AflgetncineS Lanbrcdjt I, 16 378 ff.. Vor«
gerlicheS ©cfehbndj §. 397) ober als eine bem Koionnenfüljrer er«
thcilte Voümadjt zur aÜeiuigen Einziehung fämmtlidjer Löhne. 4 )
oft biefe Auslegung richtig, fo würbe bem einzelnen Arbeitgeber
ein RücfgriffSrecht gegen ben Vauunternehmer als ben cigentiidjen
Arbeitgeber in ben fcltenftcn fällen guftchen.
Vei ben hiernach obwaltenbcn Vebenfen bürfte im llcbvigen
Zit erwarten fein, baß bie Vufeer bie Ausheilung eines foldjen
Rcoerfes runbweg ablehuen werben. 5 )
Verlin. _ ©djalfjorn.
Ein fnrger (Streif» Am 25. Auguft er. riefen bic ^nbaber ber
Sirma S. ©. (Äifienfabrif) bnS Verliner 6)ewerbcgericht als (iinigiuigs«
amt an, nachbem am 23. Auguft er. 18 Kiftemnadjer bei iljr bic Arheu
eingeftellt hotten, die ©arfilage war nadi ©diilberung ber aiirufcnbcn
Partei folgenbe: Von ber Wölb* unb ^oliturleifteufabrif St. & v \.,
wcldje fdjoit früher bei ber anrufenbeii girma ?v. ©. Vefteßimgen gc=
wad)t hatte, waren ihr wieberum Arbeiten aufgetragen worben, die
Anfertigung ber z« Heiernbeit Äiften würbe jebod) oon beu ls Milieu*
madiern oerweigert, weil fie ber irrigen Vteimmg waren, bafe bie frag*
lidjc Arbeit für bie Miftenfabrif V., bereu Arbeiter fid) iw ©ireif be=
fanbeu unb bereu Kimbiu bie ginna St. & 3- Zitiert gewefeu, hcr=
geftellt werbe, die Arbeiter erflärten, bie Arbeit zimädjft nid)t uicbcr*
legen unb bie tSntfdjcibung ber äliitglicber ber oon ihnen gewählten
^ohnfommiffion abwarten zu wollen, diefe fjuiten mit beu Arbeit*
gebern eine refnltatlofc llnterrebung; fic führten an, ben enbgiiltigcn
Vefd)lnß über bie ArbeitSnieberlcgnhg ber cinzuberufcnben Kiftciiniadicr*
oerfammlnng überlaffen zu miiffcn. Einen dag nadj dagiuig biefer
4 ) Aud) ohne ben Vertragsentwurf bcS Arbeitgeberbunbes
wirb ber Kolonnenführer oielfad) als zur Empfangnahme aller
Zahlungen bcooümädjtigt zu gelten hoben. das Wewcrbcgeridit
Verlin hat wicberholt auerfaunt, baß ber Vauimtcrnchmcr burd) orb=
mmgsmäßigc Lohnzahlung an beu Üülonncnführer feiner Verpflidiiinigcn
gegen bic einzelnen Arbeiter ber (Gruppe entlebigt werbe.
5 ) ES foll nicht uerfdjwicgcn werben, baß einzelne Vefiinummgcu
bes iDfuftcroertrages im allgemeinen outcreffe liegen würben: Einmal
bie bisher oft oermifjte Vorfdjrift, baß bic augefertigte Arbeit gemein^
idjoitlid) auszunieffeu ift. daburd) werben ©trcitigfeitcu unb foftfoicligc
Vrozeffe ocrmicbcu. AnbererfeitS bie Veftiuimung, bafe bic Arbeite-*
papicre währeub ber dauer bes ArbcitSocrhältuiffcs bem Arbeitgeber
Z» übcrlaffen finb. -Ei er burd) wirb ber Anfprud) auf Verausgabe biefer
Rapiere zu einem Anfprud) aus bem Arbeitsoertrage unb unterliegt als-
foldjer zweifellos bem WcwerhcgcridjtSocrfahrni, währeub maugelv
befonberer Vertragsabrebc bie 3uftäubigfeit bcS Wcwerbegcridjts für bie
Anfpriidjc auf Verausgabe oon Arbeitspapieren oielfadj*oerneim wirb.
1325
©ogiale Sßrap«. Eentralblatt für ©ogtalpoHttf. Dir. 50.
1326
Verfammluitg fanben bic 18 ftiftcitmadjer fich gur Arbeit nicht ein —
mogu bemerft wirb, baft ftünbigung auSgefdjloffen mar —, bagegen
erfaßen bie Streiffontmiffion, um bie Arbeitgeber baoon gu unterrichten,
baft bie Arbeit fofort aufgenommen merben mürbe, fobalb bie girnta
ihnen nachmiefe, baß ft. & 3- ih™ Arbeitgeber) ftuubin gemorben
fei unb für ft. & 3- nidjt etma megen bcS Streite bei ber 3inna V.
Giften fabrijirt merben füllten, $em Verlangen fatnen bie Arbeitgeber
naef). Sie Heften am 24. Angnft er. ber Verfammlung ber ftiftenmacher
ein Schreiben ber ftirtna ft. & 3- oorlegen. 3» bemfelben mirb be¬
reinigt, baft es nicht in ber Abftcftt ber girma ft. & 3 . Hege, bie
ftirma* 3 . ©• nur auShülfsmeiie mit Aufträgen gu uerfeften, baft biefe
üictmebr, menn fie gur ^ufriebenfjeit bebiene, bis minbeftens 3 anuar
fontmenben 3 af)r c S 9 fad)befteßungen gu ermarten hätte, $ennodi mürbe
in ber Verfammlung baran ieftgeftalten, baft es fid) bei ber Anfertigung
ber ftiften für bie finita ft. <fc 3- »nt Arbeit ber ftirma V. ftanbcle,
unb baft fomit bas ben ftiftcnmachem befannt gegebene Schreiben ben
mirfHcften $hatbeftanb nur oerfdjleiere.
Xemgufotgc hielten - bie Arbeiter bie ArbeitSnicberlegung aufrecht.
Sie mürben, theilten fie ben Arbeitgebern mit, nur bann mit ber Arbeit
mieber anfangen, menn biefelben fid) verpflichteten, für ft. & 3 - fünftig
überhaupt uid)t ftiften gu liefern, $ie Arbeitgeber fühlten fid) bei ber
oon ihnen oorgetragenen Sachlage gu biefem ^ugeftanbnift nicht be«
mögen unb riefen, mie bemerft, baS Einigungsamt au. £aS ©emerbe*
gericht begann fofort nad) ber Anrufung feine Iftätigfeit. £ie Arbeiter
erlangten bei ber Vermittelung bes ©emerbegerichts bie Uebergeugung
oon ber ©runblofigfeit ihres VHfttrauenS unb nahmen am 26. Auguft er.
— alfo einen £ag nad) ber Anrufung bic Arbeit bebingungsloS auf.
2Bemt bie $ifferengen fd)on mährenb ber Einleitung bcS Verfahrens
fo fdjnell fid) befeitigen Heften, fo ift bies bem Veiteben ber Arbeiter*
organifation, mit ber baS ©emerbegeridjt Fühlung nahm, gu banfen.
$enn anberenfaßs hätte baS ©emerbegerid)t bie fämmtlichen Streifenben
oor fein gorum gur Verbattblung laben müffen. $ie Vorbereitungen
ftiergu hätten allein längere 3eit in Anfprucft genommen, ba bie Abreften
ber Streifenben ben Arbeitgebern bureftmeg nid)t befannt maren unb
bemnad) erft gu ermitteln gemefen mären.
3 m Uebrigen brauchen mir moljl nicht gu bemerfen, baft nach ber
lepten Arbeiteroerfammluug es für bie Arbeitgeber ausgefcftloffen mar,
mit ihren Arbeitern ohne Vermittelung bes unparteiischen ©emerbe*
gerieftte fich in Välbe gu einigen.
SBie bei früheren Streifoerbanblungen beobadjtet ift, fo hat cS fich
auch hier gegeigt, baft prioate Verftanblungen ber Parteien unter«
einanber bas beiberfeitige RHfttraiten unb bie oorljaitbenen 3JHft*
oerftänbniffe nidjt immer befeitigen, unb baft erft burd) bic $agmifdjcu*
funft beS ©emerbrgeridjts biefenige ftlarfteit gefeftaffen mirb, melcfte bem
Vergleiche ben Voben gu ebenen geeignet ift. Rad) aüebem fann nicht
oft genug bie Rothmenbigfeit betont merben, baft bie ©eroerbetreibenben
bei broftenben Ausftänben ober bei ausgebrochenen Streite gur Aus«
fpradje oor bem Einigungsamt fich gufammenfinben. 3» Anbetracht
beffen unb ba feine Partei gern aus freien Stiiden ben erften Schritt
gum (Bemerbegerid)t thut, ja nicht feiten felbft auf Anregung beS
©cmerbegerirfjtSüorfipenben hin bic Verhanblung oor bem ©emerbe*
gericht fepeut, hat bie ftommiffion gur Veratfjung bes Entmurfes einer
Rooeßc gum ©emerbegerichtsgefeft recht gehanbelt, in ihrem Vericftte
bem Reichstage ben Verhanblungsgmang oor bem Einigungsamte gu
empfehlen. X'ie Vortheile eines foldjeu gmangeS mürben nicht ausbleiben.
3 ebenfafls mirb ber ftiftenmacherftreif bas ©ute haben, auch bagu
beigutragen, baft bie ©egner ber ©emerbegerieftte, fomeit fie ehrlich finb,
allgemach gu ber Uebergeugung oon ber Rotljmenbigfeit ber ©emerbe»
gerichtc gebrängt merben.
Verlin. ®?. 0 . Sehnig.
Schlafen mährenb ber Arbeit an fich fein EntlaffungS»
gruub. (Urtheil beS ©emerbegeridjts Verlin, ftammer 3, oom 31. Cf*
tober 1898.)
Aus ben ©rünben:
Schlafen mährenb ber ArbeitSgeit ift nach §. 123 ber ©emerbe»
orbmtng fein EntlaffungSgrunb. Es fönnte fjöd)|ienS unter ben Vegriff
bes „unbefugten VerlaffenS ber Arbeit'" faßen. BefttereS giebt aber
nadj bem 3ufammenhang bev ©efepesfteße (§. 123 Rr. 3 ber ©emerbe»
orbnung: „ober fonft . . . Verpflichtungen . . . beharrlich oermeigern")
nur bann einen ©runb gur fofortigen Entlaffung, loenn es ben Ehnrafter
ber SBiberfpenftigfeü trägt, menn alfo in bem Verlaffeu ber Arbeit —
hier im Sdjlafen — ber SBiße, ben Anorbnuugen unb bem 3ntereffe
beS Arbeitgebers gumiber gu Ijanbeln, gum AuSbrucf fommt. hierfür ift
im oorliegenben ftallc aber nichts oorgebrad)t morben, inSbefonbere ift
bie Veljauptung ber ftläger, baft fie oft mährenb ber üblichen Raufen
unb audj nach ffeierabenb gearbeitet haben, unbeftritten geblieben.
SBenn nun fchon im Aßgemeinen in folgern gnße ber §. 123 Rr. 3 cit.
nicht gur Anmenburtg fommen fann, fo greift er bet einer umfangreichen
Afforbarbeit nodj otel meniger $laft; benn bei biefer bleibt bic Art
unb Steife ber Ausführung mehr ober meniger bem Arbeitnehmer über»
Iaffen, ber nur oerpflichtet ift, bie Arbeit in einer bem Siolme ent»
fprcchenben ©üte unb in ber bebungenen ober einer angemeffenen
hergufteßett.
^aft bie Arbeit in Solge beS Sdjlafens ber ftläger gu lange ge«
bauert hätte, ift nicht behauptet morben. $)aft aber auch bie ©üte ber
Arbeit unter bem Sdjlafen ober fonftiger Saumfeligfeit ber ftläger nicht
gelitten hat, hat ber Augenfehein ergeben.
*
§. 133b ber ©eroerbeorbnuttg: Annahme unocrhaltnift*
mäftig hoher Jrinfgelber feitertS eines SBerfführerS als
mistiger ©runb gu fofortiger Entlaffung. (Urtheil bcS üiaub*
geridhts Verlin I, Eiuilfammcr 8 , oom 2 . ^egember 1898.)
Xcr ftläger hat als Vkrfmciftcr bcS Veflagten gelegentlich bes
Verfaufs oon 67 Eentnem Vfeffmgabfäßen an einen ^)änbler oon biefem
ein Srinfgelb oon 10 ober 20 M. angenommen. Er hatte oorljer bem
|>änbler bie Abfäfle gugeroogcu unb hiebei ein ©emidjt oon nur
57 Eentnem angegeben. 3ttfolgebeffen mürbe er ohne ftünbigung ent*
Iaffen. Seine ftlage auf Etitfdjäbigung mürbe abgemiefen.
AuS ben ©rünben:
$aS bem ftläger htnQCQcbcne $i'ittfgelb ift im Verhältnift gu bem
gangen ftaufpreife oon 57 JC ein auffaflenb hohes unb es ift nach ben
Erfahrungen bes täglichen Gebens nicht auguuehmen, baft ber ©änblcr
bas trinfgclb ohne guten ©runb hingegeben Ijaben foßte. Vielmehr
ift ber Verbad)t naljeliegenb, baft ber ftläger, ber bie oerfauften Abfälle
bem ftäufer gugumiegen hatte, babei in Ermartung eines iriufgelbcs
oerfaftren ift unb ben £änbler gum Radjtheü ber Veflagten begünftigt
tjat, inbem er bie «Quantität ber oerfauften Abfäße nach ©utbünfen auf
meniger berechnete, als fie in SSirflidjfeit betrug.
$er §änbler mürbe bas Srinfgelb in jener ^>öhe nicht aitgeboten
haben, menn er nicht geglaubt hätte, oom ftläger begünftigt morben
gu fein unb anbererfeits mufttc ber ftläger, baft nur biefer ©laufcsn bes
^änblerS bie Urfacfte für Eingabe bes 5rinfgelbeS gemefen ift.
SBenn er unter biefen Umftänbcn bas ^rinfgelb annahm, fo hat er
fich baburch ber Adjtuug unb bes AnfeljcnS uitmürbig gegeigt, beffen er
für feine leitenbe Steßung als V^erfmeifter bcburftc. Schon biefe geft*
fteflung ergiebt einen mistigen, nach §. 133 b ber ©cmerbcorbnung aus*
reichenben ©runb gut Aufhebung bes $)ienftoerhältniffes ohne ooran*
gegangene ftünbigung, unb es fann bahingefteßt bleiben, ob ber Ver*
oaeftt, baft ber ftläger beim Abmiegcn gunt Racfttheilc feiner Arbeit*
geberin abftchtlich gehanbelt hat, ein begrünbeter ift. (§. 133 c 9fr. 2
ber ©eroerbeorbnung.)
ßlterorifdic ^njrigen.
Sreunb, I)r. jur. Ricftarb, SBegmeifer burch baS 3noalibenoerfiche=
rungsgefeft. Zwölfte, auf ©runb bc» 3noalibenoerftcherungs*
gefepes gängHcft umgearbeitete Auflage. Verlin 1899, 3- $•
feines Verlag. 32 S. eingcln 50 4 ^ oon 25 Exemplaren
ab k 38 4/ oon 50 Eremplaren ab a 30 4/ oon 100 Exemplaren
ab a 26 4 .
5)ie neuefte, eben erfchieitene Auflage biefeS bewährten $>anb*
biichleinS mirb gur Verbreitung beS 3nl)alts ber Rooeße gunt 3ooalibitäts*
gefep in ben voeiteften Streifen beitragen.
ftnbelfa, Dr. £habbäus, ®aS lanbmirthfdjaftliche ©enoffenfehafts*
mefen in Sranfreicft. Verlin 1899, ^uttfammer & Vfühlbredjt.
Vll unb 178 S.
Ein üanbrnirtl) unternimmt es hier, bie praftifdjen Erfolge ber
frangöfifchen Spnbifate namentlich beim Vegug ber Roh» unb $iilfs*
ftoffe bargufießen. 2:rop grofter Schmierigfeiten, bie ber Craanifation
bes AbfapeS lanbmirthfchaftlicher Vrobufte entgegenftchen, haben bie
Spnbifate auch ben Abfaft in mavtdjer Vcgieljung mefentlidj unb erfolg¬
reich geförbert, befonbers menn es fich um Vrobufte befonberer Art
hanbelte, bic nicht ©egenftanb beS aßgenteinen ftonfumS unb ber SB It*
fottfurretig finb. S)ie Si)nbifate fteßen fich als bic Schule ber gegen*
feitigen fogialen Ergieftung bar, inbem fte bie ftleinen unb bie ©roften,
bie SBohlljabenben unb bic Armen, bie Veftpenben unb bie Veftplofen,
bie Unternehmer unb bic Arbeiter theilS burch baS Vfli<htgefühl, tljeils
burd) medjfelfeitige Vortheile oerfnüpfen unb bie friebliehe Ausgleichung
ber fogialen ©egenfäpe anbahnen. 9Wag biefe Sluffaffung auch ctmaS git
optimiftifch fein, fo bietet bas Vuch hoch eine ftiillc intereffanter 3;hat*
fachen unb fann 3 ebem, ber fich über biefen ©egenftanb orientieren miß,
empfohlen merben.
2)ie Verljanblungen beS X. Eoangelifd) s iogialcn ftongreffeS,
abgehalten in ftiel am 25. unb 26. Vfai 1899. ©öttingen 1899,
Vanbetthoecf efe Ruprecht. $retS 2 Jt.
©räoell, A., 3am ftampfe gegen bie SBaarevthäufer. Eine 3Ht* unb
Streitfrage. $reSben*Vlaferoift 1899, Steinfopff cfc Springer.
93 S. Vrciö 1 ,50 tAC .
Ueberfichten über bie ©efchäftS* unb Rcchnuitgsergebni ffe
ber 3noalibitäts* unb AlterSoerfichcruugsanfta It
Rheinprooittg pro 1898.
Schmarg, 3ohann, Ehrenoorftanb ber Rfimchcner Väcfer*3 u niuig,
^as ^anbroerf ber Väcfer in Rfünchert. .'perauSgegeben ooit ber
Väcfer*3nnung Rfünd^en.
Varmen. Vericht über bic Vermaltung unb ben Staub ber ©emeiube*
angelegenheiten für 1898.
Cecantisortlt^ für bte »ebaftion: Dr. (Srnft Stande tn 9erUn W., BagreutQerftrafee 29.
j 827 ©ojtale $ra£i$. (SentralbCalt für ©ojialpolitif. 9?r. 50. 132*
Sie ,^«|!iiU $JrarU“ erfdjeint an jebem ©onnerötag unb ift bun& alle ©ucbbanblungen unb ©oftamter (ipoftaeitungenummer 7072) au bejteljen. ©« 4?teiÄ
für ba« ©ierteljabt ift ÜJi. 2,50. 3ebe Kummer foftet 30 $f. ©er «njeigenpretg tft 60 $f. für bte breigefpaltene gJetitaeile.
Pur ttodi nieitige ttoURättbige ©templare.
3 afyrfmd}
©e|ie^jeliung, üfenmtltnttg itttb Jlolksimrtfdjaft
im Seutfchen 23eid),
begrünbet non g. van 9*l1f e ttfrarff,
fort gefegt non g. van §al%enbarff unb gttf* grentano,
berauägegeben non
<$ußat> $4fmollev
fi ub uon beit Diktier neröffcutliditen unb abgefd)Ioffeneit 25 Jahrgängen (I IV unb 9<cue A-olge 1-XXI, 1*71 — 1*97), bereu
Sabcnpreiä .ytfammen
— 581 Ularf 60 pfe- ——
beträgt,
nnv noiir wenige troUftSttfri az (Bxemplaw
uorbanbcu, mchlic, wenn auf einmal bezogen, auf SBiberatf pt beut berabgefepten greife non je
— ^00 mavt ^=CZ^^Z
gegen bare Gablung, lieferbar Veip.^ig, abgegeben werben.
3o lange bev Vorrat reirf)t unb bte norftebeitbe, ^dtttrcitffte non itn«? nidit aufgehoben ift, famt
jebc belfere Sortimeutvbudibaublung pi obigen VHiwnabmebcbinguitgen liefern.
tiiuc ^Infrfiauung bco reidjcit unb mannigfadjeu Jnhalt* ber bisher oovlicgcitben 25 Jahrgänge gemährt bas non
Dr. ?lbolf non 'Bcncfftern bearbeitete C&cnerahrcßifter, bas als Anette .frnlftc non £>eft IV bee« XXI. Jahrganges ber
neuen $olge junt greife non 5 20 ^f. erfdjtcnrn unb fomit in ber norftebenb bcjeidjurten Serie mit enthalten ift. (5 s ift —
audj ,$ur ?lnfid)t — burd) jebc beffere Sortimentsbudjbanblnng \u bepelint. (5in berufener Sleccnieut begrübt biefes Oiegift er tut
Jntcrrffc ber 9iatioualöfouomcu unb Socialpolitifer als „einen vincrläffigeit ^egiueifer burd) bas? Siiefcngcbiet beS „JabrbndtS“.
Seip.tig, int September 1*09.
Duncfer & tjumblot.
vm. mrgang.
Scrlir, bett 21.^©cptcm6cr 1899.
Ülumnur 51.
Soziale prayts.
(lentrafßfatt für
mit ber 2RonatSbetlage:
Vas dkwerbeejertcht.
©rgan bes Derban&es bcutfdjer (Betnerbegericfyte.
Neue golge bet „SMätter für fo^tale $rayi$* unb beS „Soäialpolitlfdjen GeutralblattS*.
drf«leimt «x idem S>*x*er1ta|. ^ecauSgebet: Ute« «piertelfaUrlieU *4 W. 60 Uf.
Nebaftiott: ©erlln W., ©aljreutherftrahe 29. Dl*. (E fit ft ftütukt* ©erlag Pott ©unefer & $umblot, Celp^lg.
SttljaU.
©ie (Segnet bet SfoalitionSftei*
Ijeit. Negatioe unb pofitwe ©e»
toerTüereinSpoIitif. V. ©on ©tofeffot
Dr.Sujo ©rentano, SRünd&en 1329
©ie Arbeiter • ©eTufSgenoffen*
fcfcaften in granfreid). ©on
öctabegeftp, ©eamteit be8 Arbeit««
amt8, ©ari8.1337
fWaeweixf ««fttai» nnb «BtetBfftxftl*
BXltttt.13Z9
Neorganifation beS obexften
Arbeit8rathe8 in graitfreidj.
©on gr. ©cbottbbfer, ©ati8.
©ie NeidjSregientng unb bie £au8*
inbuftrie.
©erfönlic&er ßwmtg 3“* Erfüllung
beS ©efinbeoeittagS.
Umfrage be8 ©unbeS bet Snbuftrietten
wegen bed ArbeitStoiHigenfchufeeS.
Ac&tftunbentag in franjBfifchen (Staats*
betrieben.
«fftlftle 8«*ftn»e .1341
©ie Sage bet beutfdjen #oI$»
atbeitei.
ATbettSöerbältmffe auf©etltncr Stiefel*
felbern.
SlotbftanbSarbeiten in gronfreich.
©erönberungen bet Söljne unb Ar*
beitSjelten 1898 1899 in ©nglanb.
2(r*titerf»c»e«tttta.1344
©ie Streifs in ©eutfchlanb 1898.
©et ©ewerföereinBfongrefe in
©Ipmoutb.
lebhafte Arbeiterbewegung in ©erlin.
©er AuSftanb ber ifohlenbergleute im
©lauen’fdjen ©runbe.
©a8 ©nbe ber SNaffenauBfpertung in
©änematf.
«xtctterfftxft .1350
Au8 ben ©etidbten bet preufetfdjen
©ergbebötben für 1898.
©eftimmungen über bie ©etrtebS* unb
Siubejeit bet ©ifenbahnbetriebS«
beamten in ©eutfdjlanb.
©egen bie Nachtarbeit in graufreich.
Unfälle bet ©ifenbab narbeiter in
©nglanb.
VrfcetfetfctrfldtexxKa. «parfaffex 1351
3nbalibltät8* unb Alter8*©er«
ficberung8anftalt ©erlin 1898.
BlrbettBxxdttofit .1353
©ie Sage be8 beutfeben ArbeitSmarlteS.
Drganifation bet ArbeitSbennittlung
in Ungarn.
staatlicher Arbeitsnachweis in SQtnoiS.
©tftitbnng nnfc ©Übung.1355
gortbilbungSfcbuljwang in ©reu&en.
©a8 ©orlefungSwejen ber ©berfchul*
bebörbe in Hamburg.
«Ofttale fctjgteue.1355
©ie ©cbularjtfrage auf beut 24. Aon*
grefe für öffentlid&e ©efunbheitSpflege.
Neues ffiolfSbab in ©remen.
©ie „Health Visitors“ in ©itntingbant.
«etoerbegeriebte. «intgnngSÖmter.
««tebOgertibte.1356
DbligatorifcbeS ©inigungShetfabren in
granfreich.
9t*cMfftUt* Kxfttigex.1356
A bbrud f&mmtUcbet Artifel tft Settungen unb ßeUfcbtiften geftattet, feboeb nu
mit hottet Quellenangabe.
Bit «tgtttc ber fiooliiUmsfreiijeit.
Negatioe unb pofitioe ©eroerfoereinSpolitif. V.
3m 3ahre 1867 befanb [t<h 9 a ”S @nglanb in Aufregung
roegen Ausbreitungen bet ArbeitSfätnpfen, rodele in 6beffielb unb
s JNandjefter ftattgefuu&eu. Arbeitswillige waren ennorbet unb
Raufer in bie £uft gefprengt worben. 9)?an machte bie (bewert*
oeretue für biefe Verbrechen nerantroörtlich- Sine ftommiffion mürbe
niebergefept, um ben 3 u fttuitnenhang ber ©eroerfoereiite mit biefen
Verbrechen ju unterfuchen, unb man erroartete ooit ihr fräftige
Vorflchäge jur llitterbrücfung ber oerba&ten Arbeiterorganifationen.
£ie ilommiffion 1867 biö 1869 getagt. 2H3 ©rgebniß
ihrer lluterfuchung aber erfolgte baS ©egentl;eil beS ©rroarteten.
3)ie 5ln!lage brad) alö (Standes gufammen unb umgefehrt oerlangteit
bie Slngeflagteu C33erecf)tigfeit.
^ie Sorberungeit, roelche bie englifcfjeit Arbeiter im tarnen
ber ©erechtigfeit bamalö ^u ftellen Ratten, mürben in beut s l)tinberbeit£=
berichte ber föitiglichen ^ontmiffion oertreten. ISfögefeben oon einigen
Vefonberheiten, bie mit digenthümlichfeiten be§ etiglifchen SRechteS
gufammenhänaen, paßt biefer 23erid)t für unfere gegenmärtigen
beutfehen Verpältniffe, als ob er für biefe getrieben märe.
Nian hat, fo bei&t e 8 in bem ©evidjt, 1 ) oerfdjiebene Nathfd;läge
oorgebracht, mclche bas, roa 8 man bie Ausartungen ber ©emevfoereine
nennt, ju unterbrüefen bejroeden. ©arunter befinben firf) folgenbe:
©emiffe Safcungen unb N^abnahmen fotten für unoerbinMid) unb un*
gefeblich erflärt werben, . . ©eeinträd)tigung ber 9ied)te Anberer fott
als ©ergehen gelten, baS AuSfteUen oon ©chilbmachen, ArbeitSeinfteflungeu
oereiuigter ©eioerffchaften, folche, meldjc [ich auf bie ©etriebsführung
besieheu, folche, welche gegen einjelne ^erfonen gerichtet fmb, foldje,
welche einen Arbeitgeber emftlidj ju fchäbigeit oermögen, u. bergl. fotten
für ftrafbar erflärt werben.
Nach unferem ©afürljalten reicht ein ©inwanb aus, um alle biefe
Sßrojefte auSreichenb ju beantworten: fie alle würben wittfürliche ©e*
einträdittgungen ber Koalitionsfreiheit bebeuten. ©ie alten ftoalitiouS*
oerbote fugten auf ber ©h^orie, bafe es bem Staate xuflehe, bem Ar*
beiter bie ©ebingmtgen, unter benen er ju bienen habe, aufjuerlegen.
Nachbent man bem Arbeiter baS Nedjt jugeftanb, mit $ülfe ber Koalition
feine eigenen ©ebingungpn ju ftellen, fcheint es uns, ba {3 feine anbere
Alternatioe geblieben als bie, ihm baS Necht ju oerleihen, feine eigenen
©ebingungen ju ftellen, gleidjoiel was biefe fein würben, oorausgefefct,
bah feine .panblung begangen wirb, bie nad) gemeinem Strafrecht als
üerbredjerifdj gilt. Sobalb man ihn bagegen barauf befchränft, gemiffe
©ebingungen ftellen, währenb anbere ©ebingungen ihm unterfagt
bleiben, ift er nicht frei. ©S giebt feinen logifdjeu §altepunft jwifchen
bem alten 3wangSfpftem unb oottfommener Freiheit. 33enn mau baoou
rebet, bah bie Nedjte Anberer uid)t beeinträchtigt werben bürften, fo ift
biefe Sprache oiel ju unbeftimmt, als bah Ü e wirf (am fein fönnte, unb
birgt einen bebeutunaSootten Jrugfdjlith. Nehmen wir an, eine Anzahl
Arbeiter ftette bie Arbeit ein, um bie ©ntlaffung eines AuffeherS ju be*
wirfen — b. h- ftc lehnten es ab, einen weiteren ArbeitSoertrag ab*
jufchliehen, fo lange er bie Auffidjt übe. SRan hat oorgefchlagen, eine
folcpe ^anblung au einem ©erbrechen ju machen, falls fie noch nicht
unter baS geltenoe Nedjt über ©erfchwörung fatte, ba fie bie Nedite
fowohl beS Arbeitgebers als audi beS AuffeherS beeinträchtige. Ön
einem Sinne ift fie auch eine ©eeinträchtignng. Allein es würbe eine
nodj gröbere ©eeinträdjtigung ber greiheit ber Arbeiter fein, wollte
man fie ftrafen, wenn fie es ablehnen unter gewiffen ©ebingungen, gegen
welche fte ©inroenbungen haben, ju arbeiten, ©er ©orfdjlag, unb alle
©orfchläge berfelben Art, enthalten thatfädjlid) baS, was ben wefent*
liehen 3 ll 8 ber Sflaoerei auSmadjt. ©r oerlangt, bah Arbeiter beftraft
werben, weil fie ftu arbeiten ablehnen, gleichoiel ob fte bie gebotenen
©ebingungen annehmbar finben ober nicht. Arbeiter, weldje fidj einer
©efebeSoerlehnng fchulbig machen, unterliegen ber Strafe entfpredjenb
bem Strafgei'efcburf). Aber wo feinerlei ©efep oerlejjt wirb, famt es
feinen ©runb geben, eine SBeigerung $u arbeiten als ©ergehen 51 t be*
hanbeltt, gleichoiel ob baS 9Notio foldjer Steigerung oemünftig ift ober
nicht, tfciu ©efeh hat es je unternommen, ftapitaliften, toeldje ihr
Kapital 311 oerweuben ftch weigerten, ju beftrafen.
gortwährenb werben ©ehauptungen aufgeftettt unb felbft ©efejjes*
oorfd)iäge gentadjt, welche alle auf bem ^rirt^ip beruhen, bah Arbeiter*
foalitioneu 31 t erlauben feien, auher folcfjen, weldje Anbere beeiltträdjtigen
ober fte unter irgenb welchen ©ruef ftellen. ©iel oon bent, was fo
gerebet wirb, ift gleichseitig unbeftimmt unb unüberlegt. 3 n gewiffem
Eleventh and final report of the Royal (’ommissioners appointed
to iuquire into the Organization and rules of Trade Unions 1869
p. LXI.
1331
Sojlöle $raji«. Gentralblatt für ©ojialpolitil. 9h. 51.
1832
Biiinc finb alle £anblimgcn einzelner unb nodj niepr alle auf Ber«
abrebung berupenben $>anblungen BJeprerer — unb eben io baS Unter*»
laffen oon ftaublungen — Beeinträdjtigungcn unb Bebrütfimgcn Zuberer,
unb gcfcpepcti fortwährenb 311 biefeut ^rneef. Beim ein ftabrtfaitt feine
^abrif plöplidj fdjlteßt, übt er fofort eine Bebrücfung auf bie ©efammt*
beit feiner Arbeiter. Beim mehrere ^abrifanteit in einer abfeitS ge*
tegenen ©egenb bteS gleidjjeitig tfjun mürben, mürbe bie Bcbvücfuiig
Auin unb Bevbuugern bebeuten. ^n einer BJirthfdjaftsorgamfatioii
mie ber gegenwärtigen bebeutet jebiuebes Berpalten, gleidjoiel ob aftio
ober pctffiu, eine (Einmifrfjitng in bie Angelegenheiten Anberer. (ES
giebt 3 apllofe .fpanbliuigeu, meld)e Anbercit beit ernftlicpften Sdjaben
3 itfügen unb bie 311 biefem 3 werfe gefepepen, unb weldje boep non bem
©efeß unb ber öffcntlidjen Meinung gebulbet werben. Sn ber Dpat ift
bie Anhäufung oon .Kapital oft öa* (Ergebniß oon erfolgreidjett Cpera*
tionen, burdi weldje ber Kapitalist Aubere, bie ihm im SBege ftepen,
befeitigt ober Aubere nötpigt, Befragungen, bie er ftcHt, ftch 31 t unter*
werfen. Die (Einführung einer BJafrfjiiic, burep welche Daufenbe plöpltcp
an ben Bettelftab fomnten, gilt oft als fjödjft oerbieiiftltcp; eS ift etwas
häufiges, baß bie 9?otp Anberer auSgcmipt wirb, unt bie Söhne herab*
3 ufepen. Allein, wenn biefem egoiftifche Vorgehen, baS fo oicl tut*
mittelbaren Aadjtpeil für Attberc jur ft-olge" pat, ftatt üün 3£oßl s
tjabenben 001 t einer Bereinigung uon Armen nuSgept, fo nehmen bie
öffentliche Meinung unb baS ©efep, toie eS gegenwärtig ftebt, Anftoß.
Die Jyiirdjt unb Abneigung, mit ber man bem egoiftifdien Borgehen
einer .Koalition oon Arbeitern begegnet, ift bas ©egcuftürf ber furcht
unb Abneigung, mit ber bas egoiftifche Borgehen ber Bfäcptigen häufig
oon ben Armen betrachtet wirb. Bir erlernten aber feinen ©vuiib,
ans bem ber Staat baS egoiftifche Berfolgett ber feitenö
ber Koalitionen beftrafett fönttte, fo lange er bie egoiftifchctt Be*
ftrebungett ber Sftäcptigeit unbeftraft läßt, Dapcr erfettnen mir feine
<%ett 3 e, welche ber Koalitionsfreiheit ge 3 ogen werben tonnte, außer ber
Begehung oon $anblungen, weldje baS allgemeine 0trafgefep als Ber*
brccpeit erachtet, unb alte Berbredjen wüttfepen wir aufs Strengfte unter*
brüeft 31 t fepen.
BÜait fepeint fortwährenb oon ber Annahme auSuigcpeu, baß bie
gewerblichen Saßungen ber Arbeiter bem $rin 3 tp Der greipeit ber
Arbeit wiberfprädjen nnb ein Sdjußfijftem feien. (ES fdjeint uns inbeß,
baß ber größte Unterfchieb beftept swifchen Bcfdjräiifungeit, bie ber
Staat auferlegt, unb freiwilligen Berabrebitngen (Enteilter. (Es giebt
feine Freiheit ber Arbeit, wenn niept bie Arbeiter bie greipeit haben,
genteiufant bie oon ihnen gewüufdjtcn Arbeitsbebiiiguugcu mit bem
Arbeitgeber 31 t oereittbaren. 9J?ögeu biefe Befragungen uitoernünftig
ober bem Arbeitgeber fepr Iäftig fein, fo liegt barin bocp fein 3maitg,
unb es fcheint uitS, baß fein ©runbfaß willfürlidjcr fein föunte als ein
Bcvfudj, irgenb eine Bielpcit oon Arbeitern bafür 31 t ftrafen, baß fic
Sntereffcn, bie fie als ipre eigenen anfepen, eifriger oerfolgen als bie
oittercffen ber ©efammtpeit. Sinb bent Arbeitgeber ipre Bebingungeit
nidjt reept, io hot er bas einfache Mittel, cs aDjulepnen, fie nidjt 31 t be*
fdjäftigen. grnbet er feine Arbeiter, bie an ihre Stelle treten, fo mag
feine Sage eine reept fdjmierige fein; allein eS liegt barin fein ©runb,
00 m Staat 3 u oerlangen, baß er feine Arbeiter 311 Bebingungeit, bie
fie ablepnen, 311 arbeiten 3 ioinge. 9facp unferem Dafürhalten aber ift
eS eine foldje (Eimitifdjung beS Staats, wenn er bas Bcrfolgen ber
eigenen outereffen feiteus ber Arbeiter auf K offen Aitberer 31 t einem
Berbredjen ober einer Öefepwibrigfeit madjt, fo lange fie biefe ipre
gntereffeu unter Bebingungen oerfolgen, unter beiten es für anbere
Staatsbürger fein Berbredjen ift, ipre gntereffen auf Kofteit Aitberer 31 t
oerfolgen.
3um Sdjlup: (Es fcpeittt uns, baß, ba bie Koalitionen eine fepr
grope Ansbepnung in unferem Saitbe erlangt paben unb bennoep opne
gefepUdjen Scpup ftnb, ein cjefeplidjeS Borgcpeit unerläßlich ift; baß bie
,'^iele unb Biaßnahtncn ber ft-adjuereine 311 m größten 2 ;peile foldje ftnb,
weldje ben Attfprnd) auf Anerkennung unb Unterftüpung erheben föitnctt;
baß fic mitunter egoiftifdj uttb fur 3 fidjtig finb, jeboep niept oerbredjerifcp;
unb baß fie nur 31 t einem fepr fleinett Speile einen oerbrecpcnfdjen
(Eparafter haben. B3ir finb ber Bicinung, baß jeber Bcrfudj, bie ©ewerf*
oereiuc nadj einer oon ber ©efepgebutig oftroijirten Schablone 31 t refor*
miren, ebeufo unburdjfüprbar fein würbe wie ber Berfucp, fte 311 unter*
briiefett. BMr finb ber BJeinung, baß eS nidjt bie Aufgabe bes Staats
ift, eine höhere Sittlidjfeit 311 erzwingen ober ein unfo 3 iales Borgepen
311 beftrafen, unb baß eS baper feine gute Bolitif fein würbe, wollte
mau ba, wo bie Koalitionen fidj unfo^ial, nidjt aber uerbreeperifdj oer*
halten, burdj gefeplidje Btaßnaljmen nnb Strafen einfdjrciteit. XaS
(Eigentum ber Bcrufsoereinc füllte nadj unferem Dafürhalten gefeplidj
gefdjiißt fein. Das oerbredjerifdjc (Element wirb nadj nuferer Bteiuung
am fidjerfteu ausgemer.ü werben, wenn man ftreng auf Ceffeutlidjfeit
begeht, ^effrntlidjfeit als BorauSfcpung für ben Sdjup beS (Eigen*
thitms ift bie Summe berjeuigcit gcfepliipeu Bevbeffenutgcn, weldje iiadj
nuferer Bieiuuug mit Biicfficpt auf bie Bcrufsoereinc uothwenbig finb.
Koalitionsfreiheit hiufidjtlidj aller Arbeitsbebinguugen, bie nidjt uad)
gemeinem Aecpt ocrbredjerifdj finb, ift bie Summe ber gcfepliipeu
Berbefferuugen, bie wir für alle Arten oon Arbeitern in Borfdjlag
bringen. Bf ehr fann, wie uns fdjeint, oon feiner Seite oerlangt werben,
weber im ^utereffe ber Arbeiter, noch in bem ber Arbeitgeber, noep in
bem bes BublifumS.
(Es ift ein nidjt genug an^iterfemicubes Berbieuft ber öffent*
lidjett Bfeimtug, bes Parlamentes uttb ber SMegiertuig oon (Suglaub,
baß fic oon iprent burep oeretnscltc oerbretperifepe Borfommuiffe
irregeleiteten llrtpcil gurüeffamen. Statt beut drängen einer ge*
wiffen Klaffe ber Arbeitgeber nadj 3 ngeben, folgten fie ben Anträgen
bes angeführten BfinberpeitSbericpteS ber föitiglitpen (UcmerfoereinS*
fommiftimt. Statt eines ftparffutnig erfunbenen unb fräftig burep*
geführten SpftemS ber llnterbnicfung erfolgte bic gefeplidje An*
erfettnung ber ('«iewcrfoereiiic unb bic Beseitigung ber EHed)tS=
ungleicppeit, unter ber bic Arbeiter bis bapitt gelitten patten.
* *
*
9BaS ift cS nun, was einem gleicp glüdlicpen AuSgang ber
gegenwärtigen KrifiS in “Deutfdjlanb im 9Bege ftept?
3(p rnödptc bic wieptigften ben Arbeiterorganifationen feinb*
Iicpen Aufdpauungcn furj erörtern.
£a finb suuädjft biejenigen, wclcpe fiep überhaupt noep nidjt
bareiit finbeit föitnen, baß bie Arbeiter baS SRcdpt paben, gleich
allen anbern Staatsbürgern naep einem größeren Autpeil an bem
materiellen 5Boplftanb unb ben fonftigen Kulturgütern ber Nation
311 ftreben. Sie paben bie BorfteOung oon befonberen StanbcS*
anfpriiepen nnb Stanbesredjten, wie fie oor Auerfeimung ber
BcdjtSgleicppcit aller Staatsbürger maßgebenb war, nodj niept über*
wunbeit. Sic benrtpeilen bemeutfpredpenb £opnforberimgeit unb
bas Bedangen naep Beffenuig ber fonftigen Arbeitsbebinguugen
niept nadj nationalöfonoinifcpcn ©cficptSpimfen, b. p. niept nadj
bem, was bie Arbeiter als gleicpbcrecptigte Staatsbürger nadj Bf aß*
abe ber 9J?arftlage unb ber fie bebtngenben Bcrpältniffe 3 U forbem
eredptigt finb, fonbern nadj Bfaßgabe beffen, was fie für einen
Angepörigen ber unteren Klaffen für angemeffen cradjten. EBenn
in einem falten BMnter bei fteigenber ERacpfrage nadj Kopien bie
Koplenpreife fteigeu, empfinben fie baS gewiß unangeneßtn, aber
es fällt ipnen nidjt ein, bie Bereeptigung ber ©rubenbefißer,
pöpere greife 3 U forbern, in Örage 3 » {teilen, ©enn fie bei 3 U*
uepmenber 9kdjfrage naep 'Bopnungen in iprer Bfietfje gefteigert
werben, murren fie 3 war, aUciit eS gilt ipnen bas Borgeben bes
§auSbefißerS als felbftoerftänblidjer AuSflufs feines (Eigentpiims*
reepteS. Anbers bagegen, wenn bei gleicher Konjunftur bie Arbeiter
ipre ArbeitSbcbiugiuigeii oerbeffern iooflcn; ba reben fie empört
oon Selbftfudjt, Anmaßung, llnbanfbarfeit, Dprannei. D)et xHtbeiter
pat mit bem Jjerfötnmlidjeii fiep 3 ufricben 311 geben; er pat auf feine
Berbefferuug Anfprudj außer ber, welcpe bic Arbeitgeber ipm frei*
willig bewiüigen; babei geht man oon ber Anfepamutg aus, baß
bie Arbeitgeber ipm oon felbft ftets fo oicl bewilligen, als redjt
ift unb als fie 311 bewilligen oermögen; benn bie Sotereffen 0011
Arbeitgeber unb Arbeiter feien allzeit ibentifep. So pabe ber
Arbeiter baS größte 3ntereffe, baß ber ©emimi be§ Arbeit*
eberS mögliepft poep fei, beim je pöper ber ©eioiitn, befto pöper
ie fiöpne, bie er japlt. D)eSgleicpen pätten bie Arbeiter bas
größte Sntereffe, baß bie Arbeitgeber farteüirt feien, beim bie
Kartelle fieperten pope d)ewinnfte unb Stetigfeit ber $robuftioii;
fei bie B^obuftion ftetig, fo fei auep ipnen eine wenngleicp bc*
fepeibene, fo bodp ipren berechtigten Anfprüepen entfpredjenbe
(%iften 3 fieper.
So liege es beim — argumentirt man — in bem eigenen
Sntereffe beS Arbeiters, in ben 3»tereffen beS Betriebes, in bem er
tpätig fei, 00 U unb gaii 3 aufsugepen, unb ipnen alle feine Soubcr*
intereffen unter 3 uorbnen. 3»^befoubere feien, ba eS feine gcgenfäp*
litpenSntereffen oon Arbeitgebern unb Arbeitern gebe, feine befonberen
Crganifationen ber Arbeiter gur Baprnepmung biefex Sntereiicn
am §ödjfteuS baß man gemeinfanie Drganifationen
oon Arbeitgebern unb Arbeitern ^ulaffen will. 9hcpt als ob
man fiep gegen Koalitionen unb Koalitionsfreiheit erflärte! (Es
ift dparafteriftiftp, baß peute 3eber für Koalitionsfreiheit
fein will; fogar ber Berbatib ber Arbeitgeber bes BaugeroerbeS
für ElKünepen intb Umgebung erflärte im EDtärj biefeS Sapres:
„BaS bie Koalitionsfreiheit ber Arbeiter anlangt, fo erfennt ber
Berbaub ipre Berechtigung unb bie ERotpwenbigfeit iprer Uneiuge*
[epräuftpeit oollauf an." Aber freilicp muß man bei näherem 3u*
fepen 3 weifeln, ob biejenigen, bie baS oerfiepern, unter Koaliticuif*
freiheit baffelbe wie alle übrige Belt oerftepen. (ES fei nämlich,
fo fapreu fie fort, eine an bewußte llmoaprfjeit gren^enbe ^e*
hauptimg, wenn man fage, baß (MeiuerfoercinSorganifationen ^ur
Berwirflitpuug beS KoalitionSrecpteS uothwenbig feien. 3um Be*
leg ocrweifen bann (Einige auf bie ArheitcrauSfcpiiffe. ^urd) fie
fei, was am Koalitionsredjt berechtigt fei, oollauf oenuirflidu.
Bcittelft ber ArbciterauSfdjiiffe fönnten nämlidp bie Arbeiter eines
Betriebs ihre Biiufcfje feftftellcn unb ipren .^erren oortra^eu;
aber es feien bieS Koalitionen 0011 Arbeitern emcS unb beffclbcn
Betriebs, bei benen BetriebSfrembe nidjt mitrebeten. Drganifatioxicu,
1333
Sogtale $ßra£i$. ©entralblatt für Sojtalpolttil. Ar. 51.
1334
bie fid) über bie einzelne SSetrieB^fp^äre hinaus erfirecfen, wtfl
iwm ben Arbeitern beflen graEs bann geftatten, wenn bie Arbeit*
geber gleichseitig an biefcn Drganifaitonen thcilnehmen. Bor
AEem feien oerwerflich Drganifattonen ähnlich ben englifchen ©e*
werfoereinen, bie non einem Sntereffengegenfafc gwifchen Arbeit*
geber unb Arbeiter aiiSgingen. 3 U roelcf)’ großer Schäbtgung beS
AationalwohlftanbeS unb Damit auch ber 3ntereffen ber Arbeiter
eine einfeitige Verfolgung oon Sonberiniereffen burch ©ewerf*
oereine führe, jeige, bah bie cnglifcf)e Snbuftric eben in golge beS
Vorgehens ber ©ewerfoereine einen ^^eit ihres AbfapeS nad)
Auhcit ocrloren habe. B3o man fehr oorgefdjrilten ift, empfiehlt
man Böcf)ftcn^ bie ©ewinnbetheiligung ber Arbeiter; baburd) roerbc
ihr Qutereffe an beut ©ebenen öeS einzelnen Betriebes gewecft;
inbent ihr ©iufommen an ben Sdjwanfnngen feines ©ewinnes
tbeilnebme, werbe ihnen gum Bewuhtfein gebracht, mie ihr
Sntereffe mit bem Sntereffe bes einzelnen Betriebes burdjaus £>anb
in £>anb gehe.
$>aS ift bie fogenannte patriardjalifd)e Anffaffung in ihrer
robufteften bis gu ihrer cioilifirteften Ausgabe. stritt in ber erfteren
ihr SBiberfpruch mit ber hantigen Aed)tSorbming frah gu £age, fo
liegt ber teueren bie BorftcIIung oon einem ibealen Arbeitgeber gu
©runbe, oon bem man als Aorut auSgeht. Aun bin ich ber ßebte,
ber leugnet, bah es eble Arbeitgeber giebt, welche biefem 3beale ooE
entfpre^en. Aber wie wenig biefe oortrefflid)cu Btänner als Aorm
für eine aEgemeiue Drbnuug beS ArbeitSoerhältniffeS bienen fönnen,
geigt bie ^hatfadjc, bah bie grofee Btchrgahl ber Arbeitgeber, welche
oon jenem Qbeale fehr weit entfernt ift, jene eblen Blänner ftetS
oorfchüfct, um Drbnungen abguwehren, bie fte nötigen würben, fich
jenem Sbeale wirflich gu nähern. Drbnungen, welche für bie ©c*
fammtheit befriebigen foEen, müffen fo befchaffen fein, bah fie
betitjenigen, beffen berechtigte Sntereffen oerlefct werben, bie Btög*
Uchfeit geben, biefe ju wahren, ®agu genügt es nicht, oon Qu*
ftänben, wie fie fein foEten, auSgugeljen; ber einzige unanfechtbare
AuSgangSputift ift baS Siecht. Btit unferer h eut tgen BedjtSorb*
nnng aber fteht bie fogenannte patriarchalifcbe Auffaffung in einem
unoerföhnlichen BMberfprucf). $>enn unfere Aed)tSorbnnng hoi ben
Arbeiter in ben Anfprüdjett, bie er an bie gröfctmöglidje ©nt*
wicfelung feiner ^erfönlid)feit gu fteEen berechtigt unb oerpflichtct
ift, wie tn ber Berechtigung ber Mittel, bie er $u biefem 3wecfe
ergreifen barf, aEen übrigen Staatsbürgern pringipieE gleidjgefteEt.
©S giebt Aiemanb, ber ihm baS BJah feiner berechtigten Anfprüdje
eingufchrättfen befugt wäre. Q>u nicht geringerem SSiberfpruch wie
mit ber 9te<ht*orbnung fteht bie patriardjaüfche Auffaffung aber
mit ben SDhcitfach^n. Bknn BicarboS Sehre, bah ©ewinn unb
Sohn in umgefehrtetn Berhältniffe ftänben, fo bah ber ©ewinnfafc
nicht fteigen fötine aufter oermöge eines SinfeitS.beS Sohnes unb
untgefehrt, auch nur unter fehr befchränfteit BoranSfehungcn
richtig ift, fo hriht es hoch ebenfo einfeitig nach ber entgegen*
gefegten Dichtung übertreiben, wenn man oon oöfliger Harmonie
oon Arbeitgeber«* unb Arbeiterintereffen fpricht. ©ewih, baS ©e*
beihen ber Arbeitgeber ift bie BorauSfejjung, bah fie bauernb gute
Söhne jahlen; aber bie Qbentität ber Snkreffen geht nicht weiter
als bie ber Sntereffeit oon ©ruben* unb §üttenbe|ihern ober oon
©rgeugeru oon $albfabrifaten nnb gabrifanten, welche biefe weiter
oerarbeiten. Auch ber ©rubenbeftfcer hat ein Sntereffe, bah baS
BBalgwerf fortbeftehe, baS ihm feine Stöhlen abfauft, auch ber
genger oon §albfabrifaten hoi baS Sntereffe, baft ber gobrifant ge-
beihe, ber ihm feine $albfabrifate abnimmt unb je nach fteigenber
ober fintenber Ä'onjunftur mehr ober weniger bafür befahlt, aber
ber Sntereffengegenfafc beginnt, fo halb es fich barum houbelt, wie
oiel ber ©ine bem Aitberen oon bem Bortheil ber fteigenben Ston*
junftur 31 t ^hcil werben Iäftt ober wie oiel ber ©me auf ben
Anbercn oon bem Sftachtheil ber rüdfgängigen Stonjunftur abmä^t.
©enau fo oerhalten fich Arbeiter unb Arbeitgeber; nur baft ber
Qntereffengegenfafc hi er noch fchärfer fein fanit, inbetn eS Arbeit«*
geber giebt, beren ©ebeiheit gerabe 3 tt auf ben fjungerlöhnen beruht,
bie fie 3 ahleit.
^eSgleidjen ift cS ein faunt 311 qualifi^irenber Brifcbraudj,
wenn man oon ben SlarteEen als Drganifationen fpricht, welche
bireft ben Arbeitern bienten, bie in ben farteEirten Betrieben tl)ätig
feien, ©emift, bie ^arteEe oermögen eine größere Stetigfeit ber
^ßrobuftion h^bei 3 ufithren unb biefe größere Stetigfeit fanit
möglidjerweifc auch ^ cn Arbeitern ber farteEirten Betriebe 31 t aut
fommen. Allein hoch nur bann, wenn Arbeiterorganifationen be=*
fteljen. S)enn hat ber Arbeiter in 0wlge ber MarteEirung eine
ArbeitSentlaffung wegen mattgelnber Befdjäftigung weniger als
früher 3 U fürchten, fo wirb eine ArbcitSentlalfung wegen ^iffe*
rengen mit bem Arbeitgeber für ihn um fo furchtbarer, w’eitn alle
SBerfe, bei benen er Befchäftigung finbeit fann, in einem Ber**
banbe oereinigt finb. 2 ) £>ann fann fich ber fog. freie ArbcitS*
oertrag 3 u einer faum oerhüEtcn ^örigfeit aitSmachien. ©ie bei
folcher ©egeufählichfeit ber Qntereffen gemeinfame Drganifationen
beiber B^kien, wenn ftc fid) nid^t auf Sonberorganifatioiten ber**
felben aufbauen, 3 U etwas Anberem als gur Heberoortheilung ber
Schwächeren burch bie Stärferen führen foE, ift fchwer oerfiänblid),
unb bei bem flaren Berftänbnife, welkes bie Arbeiterflaffe für ihr
Berhältnifc gu ihren Arbeitgebern unb für ihre Stokreffen erlangt
hat, ift es erftaunlich, ba§ eS h*uk nodb ^ßolitifer giebt, bie ernft*
haft glauben, es liefjen fich bie berechtigten Aitfprüche ber Arbeiter
burd) Drganifationen befriebigen, welche fk, wie früher, lebiglich
3 u Räbchen im Birthfchaft^gctricbe ihrer Herren machten!
9öaS fobann bie ArbeiterauSfchüffe angeht, in benen ©iitige
bereits bie Berwirflichung beS SioalitionSrechteS erblicfen, fo ift feilt
Zweifel, bafe fk innerhalb ber befchränfteit Sphäre, bie baS ©efefc
ihnen sugewiefen hat, ©rfpriefelicheS wirfen fönnen. Aber felbft ihre
befchräuften Aufgaben oermögen fk nur 3 U erfiiEen, wenn ber Arbeit**
geber bie Arbeiter, bie fid) ihnen wibmen, nicht entläßt. 3 ) Söollte
man ihre Sphäre über bie 00 m ©efefce bisher ge 3 ogeiten ©rensen
gar erweitern unb auf bie Bkhruehmung beS wtchtigften Arbeiter*
intereffeS, beSjenigen ber Sohnregelung erftreefen, fo liegt auf ber
£>anb, bah fie baju gän 3 lich unfähig wären, aufjer wenn ein ©e*
werfoerein hinter ihnen ftänbe, auf auSreidjenb breiter ©runblage,
bah er bafür forgeti fönnte, bah bie wegen Bohrung ih rcr Suter*
effen ©ntlaffenen fo lange unterftüfct würben, bis fte aitberSwo
Arbeit fänben, unb ba§ fie nicht fofort wieber burch anbere
Arbeiter erfefct würben, ©in moberner Arbeitgeber ift eben, wie
fdjon 1865 $eter SReichenSperger gefagt hat/ in fich fd)on eine
Koalition, unb 3 war ift ein eii^elner Arbeitgeber an ERadjt nicht
feiten taufenb foalirten Arbeitern gleich, ja überlegen. Ilm bie
3 ur Nahrung bes ArbeiterinterefJeS bei Öeftfefcung ber ArbeitS*
bebingungen nöthige Regelung beS Arbeitsangebotes oornchmeii
3 u fönnen, ift eine auf möglichft aEe Arbeiter eines Berufes fich
erftreefenbe bauernbe Koalition unertählid)/ uiag man biefeS ©ewerf*
oerein ober gleichoiel wie nennen.
11 nb wenn man bagegen geltcnb macht, bah bie Regelung beS
Arbeitsangebotes burch bie ArbeitSoerfäufer 3 U Sorberungen ber
Arbeiter führen würbe, welche bie $onfurren 3 fähigfeit ber hrimifchen
Snbuftrie auf bem Bkltmarft gefährbeten, fo beftcht eben in biefem
fünfte, jene Sbentität bes SutereffeS oon Arbeitgeber unb Arbeiter, auf
bie man fonff fo gern fich beruft, um es gu oerhinbern. ©erabe bie
englifchen ©ewerfoereine geigen, wie oiel oerftänbnihooEer für biefe
Sfonfurrengoerhältniffe bie organifirten Arbeiter finb, als bie nid)t
organifirten. 4 ) Ungähliae s 3Ral haben fie mit Biidfficht auf bie ans*
wärtige Eonfurreng auf gorberungen oergichtet, bie ihnen fehr am
§ergen lagen. $)ie Anflage bageaen, bah fie burch ilp* Sorbe*
rungen einen Bücfgang ber englifchen Ausfuhr oeranlaht hätten,
ift fo oft gufammengebrochen als fie oorgebracht worben ift, oon
ben Behauptungen oor ber ©ewerfoereinSfommiffion oon 1867 5 )
an bis gu benen beS greiherrn oon Stumm im .^errenhaufe am
28. Blai 1897. 6 ) Uub wenn in ber lebten 3 c k eingelne englifd)c
*) ^rof. Aeumann (Tübingen) berichtete 1897 in Äöln: „SBelchc
©ejäl)rbungen felbft begüglich beS ©hrgeiüblS oon Seiten ber Kartelle
Blap greifen fönnen, bafür bk* nur bas Seifpiel, bah rin folcher Ber*
banb oor Sturgem bie Bcrbanbtf)eilnebmer oerpflichtet hat, jeben Arbeiter
gu entlaffen, ber fich nicht oorweg oerbinblich madjt, auf Sunfch als
(irfabntann für anbere gu arbeiten, wenn biefe (feine Kollegen) ht bem*
felben ober anberen ©efchäften ftreifen. £>ier wirb alfo nid)t nur bc*
gugltch ber £öhne, fonbern auch begüglich folcher Singe ein £rucf aus*
eiibt, bet benen eS fich, nach Arbeiteranfchauungen, um lllief)reu*
aftcö hanbelt." Sd)riften b. B. f. Sogialpol. LXXVI, 866.
3 ) ©tue ^llnftration! gm Alärg 1898 fam eS in einer hier nicht gu
nenneubcu $abrif in B a fmg baburch gum Ausftanb, bah ^ie S'iema eine
Aeuberuna ber gabriforbnuug gu Ungunften ber Arbeiter burd)fitf)reu
wollte. £er ArbeitcrauSfdjuh ber gabrif oerfuchte gu nnterhanbeln,
würbe aber mit ben SBorten guriidgewiefeit: „3d) anerfennc feinen
ArbetterauSfchuh, Arbeiterausfd)uh bin ich, nnb öantit bafta !' y $)ie neue
gabriforbuuug war weber oorljer befannt gegeben, noch gur ©inficht
nuSgef)äugt, wie baS ©efep oorfchreibt. ®ic Blitglieber bcS Arbeiter*
ausjdjuffeS würben entlaffen. Als baranf ber Streif auSbradj, würbe
fänuntltdjen in ben fogenannten Arbeitert)äufern ber gabrif wohitcnbcu
Arbeitern auf ben folgcnben Abcub bie 2Bol)nuug gefiinbigt. Bgl.
Regien, 2)aS Äoalitionsrecht ber beutfehen Arbeiter S. 166.
4 ) Bgl. Arbcitcrgilbcu ber ©egeuwart II 289. 0 . Sd)ulge*©äoernip,
3unt fogialcn grieben II 453 u. a. a. £>. Geoffrey Drage, The Labour
Problems p. 99 2C.
5 ) Bgl. Eleventh and final report 1869 p. XIX Ar. 55, p. XLV,
p. CXXV.’ Arbeitergilben ber ©egenwart II. 223 ff.
ü ) Bgl. Schriften bes Vereins f. Sogialpol. Bb. 76, 337.
1335
©ogtale $ra£is. ©entralblatt für Sogtalpolttü. Br. 51.
1336
^nbuftriegroeige fidj burdj bic beutfd>e Konfurreng bebroljt gefüllt
haben, fo ftnb bicö nidjt folche, in benen bic Teutfdjen mittelft
fdjledjtercr Arbeitsbebingungen Sdjmufcfonfurreng treiben, fonbern
in benen bie beutfdjen Arbeitsbebingungen ben englifd)en mehr
unb mehr nahe gefommen ftnb. — Tie ©eroinnbetheiliaung gum
Schluß, roeldje bie Koalitionen erfefeen foß, ift unter beftimmten
Berhäliniffen ein üor^iiaIicf)eö £ohnfpftem; außerhalb biefer ift iljre
Anroenbung allezeit fehlgefdjlagen. 7 ) Sie hot fitb gänglid) unfähig
entliefen, bie Koalitionen gu erfeben; im ©egentheil fefet bie fRege=*
lung beS ©eroinnantheils bie ©riftcng ber Arbeiter*Koalitioncn
ooraitS. Bor Aßcrn aber mürbe bic ©eroinnbctheiligung, um aß*
gemein befriebigeitb gu fnnftioniren, eine Betheiligung ber Arbeiter
aud) an ber Betriebsleitung erheifdjen, gegen roclcf)e bie lebbafteften
Bebcnfen aeltenb gemacht merbett.
llttb bieS führt midf) gu ber groeiten Art ber ben Arbeiter*
organifationen feinblidjen Aufhaltungen.
* *
*
Tie groeite Art oon ©egitent, über bie id) fprechen miH, ift
tnoberner. Sie giebt gu, baf; ber Arbeiter nad; ber beftebenbeit
AechtSorbnung ben Anfprudj hot, bei ber t$reftfebuitg j c [ ner
bebingungen mitgurcben. Aud) erfennt fie an, bafe bic tnobernen
BetriebSoerhältniffe es mit fidj bringen, bafj bie Arbeiter bei biefer
geftfebung gemeittfam auftreten, uno ift fogar bereit, mit ©eroerf*
oereinsbeantten an Stelle ber Arbeiter, rocld)e fie oertreten, gu oer*
banbeht. Aßein fie ift nur bereit all bieS begüglich ber Seftfefeung
beräobnböbe nnb ber Tauer ber ArbcitSgeit guguaefteben. Kommen
attbere Arbeitsbebingungen in Srage, fo nimmt fie für ben Arbeit*
geber baS $Red)t, fie einfeüig feftgufteßen, in Anfprudj unb fdjreit
über unberechtigte unb ftörenbe BetriebSeintuifcbnng unb Tpramtei,
roenn bie organifirteu Arbeiter auch bei Beftimmung biefer übrigen
Arbeitsbebingungen tnitreben motten. Taher ift ber Bormurf
megen tprannifchcr Betriebseinmifdjung unb megen StrebcitS, bie
Betriebsleitung fidj angumajjen, entftanben, rocld)er in ber ^reffe
unb auf Tribünen erhoben mirb, fo oft es gilt SroangSmafjregeln
gegen Arbeiterfoalitioneu in Borfdjlag gu bringen.
Aßein gegenüber Borroürfeit, bie fo in Baufdj unb Bogen
oorgebradjt merben, gilt es fritifcf) gu fein.
Tic Aufgaben einer Betriebsleitung finb oon breierlet Art:
1. Befftmmung, mas probugirt merben, b. h- beS ©uts, rocldjeS
bem Konfuntenten geboten merben foH; 2. Beftimmung, mie pro*
bugirt merben foß, b. f). aus melcben Btaterialieu, mit Hülfe melcher
tedjnifchen fßrogeffe unb melcher Arbeitsfräfte baS §er^nftcllenbe
©ut bergeftcllt merben foü; 3. Beftimmung über bie Bebingungen,
unter benen biefe menfcblithen $robuftionSeleinente Bermenbung
finben füllen, mie über Temperatur, Atmosphäre, bpgienifche ©in*
ridjtungen ber Berfftätte, über Qntenfität unb Tauer ber Arbeit,
über ben £obn, ber als ©ntgelt gegeben mirb. Bo Sflaoerei
berrfcht, trifft ber BetriebSunternebmer alle biefe Beftimmnngen
aßein. Bo bagegen ber Arbeiter frei ift unb ber Betriebsunter*
nehmet bic Berfiigung über bie benötbigien Arbeitsfräfte im freien
ArbeitSoertrage mit freien erlangt, müjfeu bie Beftimmungeu, bie
ber Arbeitgeber allein gu treffen Ijat, oon benen, bei melcben bie
Arbeiter berechtigter Beife mitgureben hoben, unterfdjicben merben. j
BaS nun bic erftc Art oon Beftimmungeu angebt, biejenigeu j
über bas ©ut, melcbcS b^gcf^Ei mirb, fo finb fie ausfdjliefjlich
SadEje beS BetriebSunternebmerS. TeSgleidjen bie Beftimmung aus
melcbem Stoff, mittelft melcher tecbnifchen s ^rogeffe, mit Hülfe
melcher Arbeitsfräfte baS ©ut b^geftellt merben füll, ^sitbcfg finbet I
ein nnmerflicher Uebergang oon biefer gmeiten Art oon Beitim*
mungen gu benen ber britten Art ftatt. Ob baS eine ober anbere
Btaterial Bermenbung finbet, ob ber eine ober anbere tcdjnifche
^rogejj gemäblt mirb, ob ber Betrieb fo ober anberS organifirt
mirb, ob biefe ober jene Sßerfoit gufammen mit ben übrigen
Arbeitern befdjäftigt mirb, oerntag bie ©g’iftengbebingungen ber in
A-rage fommeiibeit Arbeiter ebenfo ernftlid) gu beeinflußen mie bie
Tauer ihrer ArbcitSgeit ober bie l'olmböbe. TieS alfo finb Tinge,
bie nidjt fo einfad; ber autofratifefjen Beftimmung beS Arbeitgebers
überlaffen merben, fonbern über meldje bic Arbeiter mojl rnitgit*
rebeit beanfpruchen föuncit, ohne bafj fofort über anmagenbe ©in*
mifibung in bic Betriebsleitung gefprochen merben fann. ©eroijj,
ber Arbeitgeber jat gu eutfeheiben, men er befdjäftigen mill; menn
er aber einen '^äbgornigen befdjäftigt, ber, mie cs oorgefommen, i
einen Beitarbeiter aus geringfügigem Aitlafj in bas Tricorocrf bin*
einmirft, fo ift cS für ben llmgefommeuen bod; nur ein ungc*
7 ) Bgl. 3cfjriften B. f. S. Bb. 45, 2. LII ff. I>r. ©■tiiljaujer in j
ber Tübinger ;*gtfd)V. f. b. OK 2taatvm. lsys. I
nügenber Troft, bafe ber Bliffetbäter beftraft unb ber Arbeitgeber
gu einer ©ntfehäbigung an bie Hinterbliebenen oenirtbeilt toirb;
beSgleidben ift in früheren Auffäfcen fchon bargelegt morben, mie
ber Arbeiter burch feinen BHtarbeiter öfonomifch unb ftttlich ge*
fchäbigt merben !ann. 3BiII ber Arbeitgeber baber einen gefäbr*
lid^en Kerl, einen früheren äud&rticiuSkr, einen unfähigen ober
leicbtfinnigen Blenfchen befdjäftigen, fo b<h er ungmeifelbaft bagu
baS Bedjt; aber ebenfo ift es feine tgrannifdje ©inmifchung in bie
Betriebsleitung, menn ber Arbeiter oon feinem SRedjte ber fBeige*
rung, mit folgern Blenfdjen gufammen gu arbeiten, ©ebraueb ma§t.
0b ferner eine Blaf<|ine oermenbet mirb ober nicht unb
in melcbem Tempo fie fidj bemegen foü, b a * Arbeitgeber, unb
biefer aßein gu entfdjeiben. TaS ift tbenfo febr feine Sadje, mie
baS Anfaufen oon Btaterial. Aber gu meldjen Bebingungen bic
an ber Blafcbine befchäftigten Arbeiter tbätig fein fotten unb
roeldjeS ber Sntenfitätsgrab ber Arbeit ift, bem jeher Arbeiter
untermorfen merben fou, ift unbeftreitbar ebenfofebt eine ^adje,
bie ben Arbeiter angebt, mie bie Höbe &eS üblichen TagelobneS.
s Bo ftarfe ©emerfoereinSorganifationen ben Arbeitgebern gegenüber*
fteben, mie g. B. ber bödjft fonferoatioe ©emerfoerein ber englifcbeu
Keffelfchmiebe unb ©ifen* unb StablfdjiPauer, hoben bie Arbeit*
eher baber mit bem ©emerfoerein genaue Abmachungen auch über
iefe bie ©jifteng ber Arbeiter fo febr berübrenben 3f*ogcn 9* s
troffen. Beit entfernt, ba& bie Betriebe burch biefe Abmachungen
beSorganifirt morben mären, befinben fie fidj oielmebr in mufter*
bafter Drbnung. Bo bie ©eroerfocreine bagegen fdjroädber Hnb
unb ähnliche Abmachungen erft anftreben, fudjen bie Arbeitgeber
bieS begreiflicher Beife ebenfo abgumebren, mie fie bie Beftimmung
über Sohn unb ArbcitSgeit am liebften allein in ber $anb hätten,
©in Btittel gur Abmebr ift, bafe mau bie ©emerfoereinc megen
anmafeenber ©inmifdjung in bie Betriebsleitung in ber Deffentlid)*
feit benungirt. Allein bieS ift fein ©runb, bafe nun auch biejenigen,
bie biefen Sragen nidjt als Sntereffenteu gegenüber fteben, ficj
irrefiibren laffen.
* *
*
©iitc britte Art oon ©egnern ift enblidj bie, roelcbe in ben
©emerfoereinSorganifationen eine ©efabr für baS Staatsroefeu
erbliifen. TaS Si vis pacem para bellum ift ein ©nmbfafc, ben
man groar für baS Berbältnife oon Staaten gu einanber, nieji
aber ber Klaffen eines unb beffelben Staates für ridjtig bäß-
Hier b e ^ c & nicht Aüften unb Kämpfen; in ber Staatsgemalt
habe man eine über ben Parteien ftehenbe Autorität; ihre Aufgabe
fei eS, baS ©erechte audj im mirt^fc^aftlidhen ßeben gur ©eltung
ju bringen. Tie Selbfthülfe burdj Koalitionen oon Arbeitern uni)
Arbeitgebern bagegen führe gur 3 er *üttung im Snnern unb ©e*
fährbung nadj Aufeen.
Aßein biefe gange Borfteßung oon einer über ben Parteien
ftehenben Staatsgemalt ift ein fleifchlofeS unb blutleeres Bhontafic-
gebilbe. ©S bot biefen Staat meber in ber Bergangenheit gegeben
noch mirb es ihn in ber gufunft geben; eS liegt in ber 9?atur ber
Tinge, ba& biejenigen Klaffen, bie jemeilig am einflujgrepften im
Staate finb, biefen ihren ©influfj auch mirthfdjaftlidjen fragen
geltenb machen. So ift es in ber gangen Belt oon jeher gcioeten
unb mie in ber gangen Belt fo audj in fßreufjen. Tamit hängt
eS gufammen, menn bie bauernfreunblichen Begebungen ber
preufjifchen Könige im 18. Sahrhunbert fo roenig erfolgreich mären;
bamit, menn gu Beginn beS 19. Soh^honbertS ber ehrliche Königs*
berger Kraus fdjrieb, ber preufeifdje Staat, meit entfernt eine nn*
um'fchränfte Biouardjie gu fein, fei oielmehr eine obmobl etmaS
oerfdjleierte Ariftofratie; bamit, menn ©. Bi. Arnbt 1854 ^pro
populo germanico“ gegen „bie Sonferei unb ^lunferei" ber
„Hinterpommerfchen ober oielmehr Hmi cr 3 e ^9 cn// bonnertc, bic
„hinter ihrem orientalifdj*patriarchalifchen Königthum ihren Fünfer
oon ©ottcS ©naben oerfteeften"; bamit, roenn bie 1890 mit fo
oiel Aplomb inauguritte Sogialpolitif fo halb ber entgegengefefcten
gemidien ift. Statt bie Selbfthülfe gu ©unfien einer über ben
Parteien ftehenben Staatshülfe herabgufefcen, foßte man biefe bod)
erft einmal fonfret oorführen. Bor Allem aber märe es imerläjg*
lidj, bafe eine bie ibeale ©erechtigfeit oerförpernbe StaatSgeroalt,
menn fie baS „Stuften unb Kämpfen" ber Arbeiter oedjinbert, amt
bas „Aiiften unb Kämpfen" ber Arbeitgeber oerhiubere. Allein
mähreub ber Staat h e »lc alle übrigen Sntereffenorgauifatioiien
nicht nur bulbet, fonbern begiinftigt, förbert, ja oou oben herab
oielfach ins fieben ruft, unb es inSbefonbere bie Arbeitgeber finb,
bereu Drganifationen fich ber größten Freiheit beS TijiinS unb
Raffens erfreuen, merben ben Arbeitern bie größten Schmierig*
I feiten bereitet, menn fie bie gcroöhnlidjfte Drganifation gnr
Sogtale $rajt$. (ScntralBIatt für Sogtal po litt!. SRr. 51.
1388
1337
Safjruitg ihrer befonberen Verufsintereffen ittS Seben rufen; ja
man fjat batnit nod) nid)t genug nub bringt Gefefeeutwürfe wie
beit „gunt Sdpfe bes gewerblichen ArbeitSoerhältniffeS" in Vor*
(age, welche, wie gezeigt worben, bie Regelung beS Angebots ber
Arbeit ftatt in bie .giönbe ber VerFänfer in bie ihrer (Gegner im
VreiSFampf, ber Arbeitgeber, legen mürbe.
9Ud)t bie befonberen VerufSorganifationen ber Arbeiter, fou*
bern biefe ungleiche Vebanblung ift es, was ben 9?ährbobeit jenes
MlaffenfeaffeS bitbet, ber in Xeutfchlanb lange oor bem Entftehen
befonberer VerufSorganifationen ber Arbeiter entftanben ift uttb bie
Arbeiter nun antreibt, nad) ber Staatsgewalt gu trachten, um bie
erlittenen UngeredjtigFeiten mit entgegengefefeten ltngered)tigfeiten gu
oergelten. Xie befonberen VerufSorganifationen bagegen finb, toie
ber\3orn ber ejtremen SogialbemoFratett gegen Vernftein unb Ge*
»offen beute oor aller Augen geigt, baS einzige SJtittel, welches
biefen Staat unb GcfeHfebaft gefäfjrbenben £>afe gu befeitigen ocr*
mag. Sie liefern bem Arbeiter praFtifd) ben VeweiS, bafe er
innerhalb ber beftebenben Drbnung feine £age gu beffern unb
einen größeren Antbeil an ben «Segnungen ber Kultur gu erobern
oermag. Sic fefeen an Stelle beS Kampfe? um ben ilmfturg bes
beftebenben ben um beffere Arbeitsbebingungen, um böseren £ohu
unb geregeltere Arbeitzeit, unb inbem fie biefen &f erfolgreich
bnrd)guFäntpfen ermöglichen, oerföhnen fie bie Arbeiter mit ber
beftebenben Drbnung. (kernig mag es Arbeitgeber geben, melcbe eS
oorgieben, menn ihre Arbeiter um bie Staatsgewalt, ftatt um
s DJarf unb Vfemtige ftreiten. Allein es ift bicS nicht bie Auf*
faffung beS Staatsmanns. Xabin finb glücflicber Steife bie
feiten, ba man glaubte, bafg eine in ber Gewalt befinblid)e
VHnberheit mit Gewaltmitteln eine fte'ts maebfenbe Mehrheit be*
berrfeben unb mit §>ülfe fo llnterbrücfter nach Aufeen bie 3J?ad)t*
ftellung beS VaterlanbeS aufrecht gu galten oerm öd)te. Xie Vtad)t
bes Staates beruht auf ber (Einheit ber Gefinnung beS Golfes
unb ber Sbentität ber ^ntereffen oon Regierung unb Regierten.
Seit entfernt, bafg baS Xeutfdie !Heid) eine Schwächung burd) eine
VolitiF ber Gerecfjtigfeit erleiben tonnte, ift nur fie, itibcnt fie bie
großen Soffen mieber eins macht mit bem Staat, im Stanbe, feine
Sacbtftelluug baueritb gu fiebern. Hub fo hoffen mir, bafe bie,
welchen bie Sabrung ber Sittereffen ber bentfeben Nation im 3»uern
unb nach Aufeen anuertraut ift, inbem fie aud) ben Arbeitern baS
Obre gu £b e if werben laffen, Xcntfcfelanb unüberminblid) m ad) eit
werben gegen Angriffe oon allen Seiten.
Unb nun nod) in einem Artitel einige Sorte über pofitioe
9teformen, bie nottjwcnbig finb gur Verhütung unb Vfilberung
ber mit ArbeitSftreitigfeiten für Arbeiter, Arbeitgeber unb braufeen
Stebenbe oerbunbenen Stacbtbeile.
Suneben. Vujo Brentano.
Die &rbeitetüerufrgeno|]renfrt)aften In <tfronhreid).
Huläitgit erfebien ber erfte Vaitb einer oom „Office du Travail“
(im frangöfifdjen paubelsminifterium) unter bem Xitel „Xie Arbeiter*
berufsgeuoffenfdjaftcn" oeranftalteten Veröffentlichung. XieS Serf
ift baS Ergebnife langer unb febmieriger Ermittelungen, bie baS
Arbeitsamt bei ben Spnbifaten, fnilfsFaffenoereinen, VrobuFtio*
Bereinigungen, Vcrbäitben, Arbeiterbörfen u. f. w. aemiffer £>anb*
werfe gemacht hot. Xer bemerfenSwertbefte Xbeil ber AuSfüfj*
rnitgen betrifft jebod) bie VcrufsfijnbiFate unb Sacboereinigungen.
Xer 3citrauui oon 15 Sollen, feit benen bie Spnbifate in
3 ?ranfreicb bie gefefelitbe Anerfennung erhalten hoben, würbe für
biefe llnterfncbungen gu furg fein, um fiebere Schlußfolgerungen
git geftatten. s Dtan fab fid) baber oeranlafet, über baS Gcfefe oom
*21. Viärg 1884 ^inau3 bis auf bie Iefeten Söhre beS gweiten
5taiferreid)S guriidgugeben, wäbrenb beren biefe Genoffenfdjaften
eine gemiffe Xulbung erfahren hoben. Aber im felbcn 3eitraum
machte fid) eine febr auSgefprodjene fooperatioe Bewegung (im
probuFtioen Sinne) gelfenb, bie bie im Entstehen begriffenen Spit*
bifatc ftarF beeinflußen mufete. Xie fooperatioe Vewegung er*
innerte — mit beträtfetlidjcn Abweichungen natürlich — an bie oon
1848, unb biefe lefeterc hotte ibrerfeitS für einige 3oit ben AuS«
miiebfen in ben berufsmäfeigen Sd)ufebeftrebungen ein 3^1 gefefet,
wie fie fid) g. V. unter ber Regierung Souis Sß^iltpp^ in gewiffen
5)üIfSfaffenoercineu geltcnb madjten.
So faf) fed) bas Arbeitsamt oeranlafet, feine 9tad)forfd)nngen
— wenigftens für gemiffe Verufe — bis auf bie erften Sabre
biefeS 3ai)rbnnbertS auSgiibebnen. Es fonnte wobloerftanben uidjt
bie 9tebe baooit fein, bergeftalt alle föanbmerfe gu burchmuftern:
man bot ficb baranf befd)rän!t, „bie oerfebiebenen genoffenfehaft*
lieben Verfud)e in ben bebeutenbften Stabten granfreidjs, bie gur
ooriibergebenben ober bauernben Vegriinbung Fooperatioer 33er*
bänbe in granFreüb gelangt finb," gefd)id)tlicb barguftetlen.
3Bir befpreebett b ei,te ^ en er f* en ^onb biefer Arbeit. Veoor
wir auf ben 3nhalt eingeben, gwei SBorte über bie 3Rittel unb
3Bege, auf benen baS Arbeitsamt ben Stoff gefamtnelt Ijot!
Es ift bcFannt, bafe fid) ber S^ongofe im Allgemeinen wenig
um Vergangenheit unb ileberlicferung fümtnert; biefe Samte beS
VoIFScbaraftcrS bot bie SRadjforfcbungen itngewöbnlid) erfebwert,
wegen ber Ungulänglid)feit felbft ber älteften unb befteingeriebteten
VereittSarcbioe. Xie s ßroto!oUe oerfdjwinbett bei llmgiigen, werben
oon ben Vlitglieberit oerfdjleppt, als wertblos oerbrannt, gumeift
oon ber Srau beS Schriftführers ober ScbafemeifterS, bie ficb auf
biefe Vkife für bie Dpfer rächen will, weld)e baS Spnbifat ihrem
hatten auferlegt, unb beren 9?ufeen fie in ihrem llno.erftanb oer»
Fennt. EJleicbwobl hoben einige ©enoffenfd)aften ihre Vüdjer auf*
bewahrt, unb im Vefife einiger inoaliber Arbeiter befinben ficb noc h
alte .J>efte, wo gtoifdjen ben 9Bäfd)erecbnungen ber Hausfrau einige
VrocFen ber E3efd)id)te oon baguntal enthalten finb. Xiefe oft rec^t
fparlidjen AnbaltSpunFte warnt inbeffeti wertbooH; mit ben auf
biefe 3Beife ermittelten Angaben war man im Stanbe bie 3*itungeit
gu burebftöbern, fd)on befanttte Xbatfacben nadjguprüfett u. f. to.,
furg, langfam unb oorfiebüg gu einer genauen unb miifettfdjaft*
; td)en Xarftellung gu gelangen.
Öür bie gegenwärtige 3 c tt hotte man mit anberen Schwierig*
Feiten gu fämpfen; mau ntufetc eitt getoiffeS Vtifetrauen oon Seiten
ber Arbeiter ben Vertretern ber Staatsbehörbe gegenüber befürchten.
Vor noch nicht gar gu langer 3 e it hotten bie Arbeiteroerbänbe
ober beren Vorftänbe oft mit ber ^oligei gu thun; fie hoben, ob
mit 9Fecbt ober mit Unrecht, biefe Vegegnungcn in Feinem guten
AnbenFen behalten unb fittb leid)t geneigt, überall ein wenig (M)eim*
beamte ber öffentlichen Sicherheit ober ber $oligeibet)örbe gu wittern.
Vh'irbcn fie uidjt auch bie Vertreter beS Arbeitsamts als foldje
anfeben? 3 n biefein ^ßunft Fonuten nun bie Ergebtiiffe Faum be*
friebigenber auSfallen: bie gang unbefangenen AuSeinaitberfefeungen
gwifeben ben SpubifatSoorftänben unb beit 3-ragern hoben nicht
nur gur Viittljeilung aller münfdjenSmertbeu AuS*Fiiitfte unb Veleg*
ftiiefe geführt, fonbern auch e i n gutes unb bauernbeS Einoeruchmeu
gwifeben bem Arbeitsamt unb ben Arbeiteroerbänben bergeftellt.
Xamit Fommen wir gur Darlegung ber Arbeit felbft. Xiefe
foll brei Xbeile umfaffen: ber erfte enthält eine bebcutfante Ein*
leiluitg; ber gtoeite, ber ben Sdjmerpunft beS Viertes bilbet, um*
fafet bie Eiugelpcfdjicbte ber Eienoffenfcbaften, geliefert oon ben
Arbeitern gewiffer VcrufSarten; ber britte enthält bie @efcbid)te ber
Arbeiterbörfen. Xcr foeben erfefeienene erfte Vanb begreift ben
erften Xheii beS gangen 9SerFS unb bie einleitenben ©ebanFen gum
gweiten.
Xer erfte Xbeil gerfällt wicberum in brei Rapitel. Xas erfte,
bas ficb auf bie Ekfefegcbnng über bie VerufSgenoffenfcbaften oon
1791 bis 1884 begieljt, ift Feine Driginalarbeit; biefer ©egenftanb
ift febon oft bearbeitet worben, es war aber uncriäfelid) eine lieber*
ficht biefer 0rage ber gefcfeicbtlicb.en Entwirfelitng ooranSgiifdjifFen.
XaS gweite Kapitel ift ben ©eheimbünbeu gewibmet. Viele
teilte Fennen bie ©eheimbüubclei nur bem Aamett nad), unb es
ift in ber Xljat nichts, ober bod) faft nichts über biefe fo alte unb ge*
beimnifeoolle Sonn ber ©euoffcnfdjaft gefdjricben worben. ES ift
giemlid) unbcFannt, bafe es an ber Sd)wclle beS 20. 3ahrl)unbcrtS
in ^onFreid), ja mitten in ^ßaris uod) .punberte oon Arbeitern
giebt, bie geheimen Verbinbungen angeboren, wo man feltfainen
©ebräudjen hulbigt unb ficb burd) Fabbaliftifcbe 3Sortc unb Er*
FennungSgeidjen oerftänbigt, wo bie jungen Arbeiter nur nad) einer
Veifee oon groben aufgenommen werben, bie man möglidjft
fdjrecfencrregenb gu gcfialten fucht, bie aber in ben weiften Ö-ällcu
nur Fittbifcb ober fchmufeig finb. Xas Arbeitsamt hot Gelegenheit
gehabt, oon geheimen Scfjriftftücfen Einfidjt gu nehmen, mtb fie
ans laicht gegogen, wenigftens biejenigen, bie nicht ben erwähnten
fcbmnfeigen Eljorafter tragen. Xie Gefcbidjtc ber Gcheimbüubelci
ift bis 1791 guriief oerfolgt worben, fowoljl oom GefidjtSpuuFt
ihrer eigenen Entwicflung aus, wie and) oon bemjenigeu ihrer
Vegicfjungen gu ben fonftigen Vereinigungen ber Arbeiter. Am
Sd)Iufe beS Kapitels hot mau oerfuebt feftgnfteüen, oon weldjer
Vebcutung bie Geheiinbüttbelei gur gegenwärtigen Stuube in
SranFreich ift.
XaS britte Kapitel ift betitelt: „Vom §ülfsFaffenoerein gur
SpnbiFatsFammer". Es legt bie Entftchnngsgefd)id)te ber Vercini*
gütigen bar, bie gur VMiruttg ber Verufsintereffeu gegriinbet
worben, geigt, wie fie fid) nad) unb nad) oon ben pülfsfaffen*
1339
(Sojtale $ra$i$. ©entralblatt für 6ojialpolttil. Rr. 51.
1340
Vereinen loöaelöft, unb tüte fie firf) fpäter bettt ©iuflujj beS Foopcra*
tioen ©ebanFenS (ber ^robitftiügemcitifc^aft) ent 3 ogen fabelt; ferner
rote fie crftarFten, battF ben erften Senbungen uon Rrbeiteroertretern
311 ben ÜhtSftellnngen (Bonbon 1862, VariS 1867). ©nblid) ift
inan in biefettt Mapitel ber rocchfeffeitigcn ©inroirFuitg ber Arbeiter*
Fongreffe unb ber SpnbiFatSFammern nachgegangett. ®icfe grage
ber SlrbeiterFoitgreffe rourbe oor Tunern febr ooüftänbig in einer
Schrift üott £eon be Seithac behanbelt. So hat matt fid) auf
eine Ueberficht befcfjränfcn fönnen mit Ausnahme bcS auf bie brei
erften Mottgreffc (VariS 1876, £pon 1878, VJarfeillc 1879) be^üg®
liehen, bie üout ©efichtSpunFt beS SpitbifatS ans oott gan 3 be*
fonberer SSidjtigfeit finb. ©in allgemeiner UeberblicF über bie
gegenroärtige Sage ber oerfdjiebenen Slrten berufsmäßiger Ver*
einigungen ber Arbeiter fcfjließt biefen erften Stßeil, ber nid)t
roeniger als 280 Seiten umfafet.
$)ie gefd)id)tlid)cn Slbriffe im grocitett $f)cil beS erften VanbeS
haben über'600 Seiten Umfang. V3ir fönnen fym nur eine Stuf*
3 äf)lung baoon geben.
1. ©nippe (Slcferbau, Werften, ^tfeßerei): Vcrbanb ber Vorarbeiter
im ©her, ^arifer (Gärtner.
2. (Gruppe (^örberung uon 91 obfioffen): Bergleute ber Soire, beS
Rorb unb ^ns=be=6alais; nationaler Verbanb, internationaler Verbaitb.
3. (Gruppe (Ralirungsmittel): Dörfer uon ^?artS, 3J?arfeille, Vor*
beaitj; Vcrbanb. .Nlürfie uon ^aris, RJarfcille; Vcrbanb.
4. (Gruppe ((ibemifdic ^nbuftrien): Verfdjiebcnc Spnbifate unb Ver*
Oänbe uon Buloer* uttb Glasarbeitern, foiuie uon Arbeitern ber 2abaf*
nnb Streicbbolsfabrifen.
5. (Gruppe (©rapptldjc 3 n buftrieit): 2ttf)ograpben uon VariS unb
2t)on; frau 3 öfifcber Vcrbanb; internationaler Verbaitb. — Vuchbrucfcr
uon VariS, J^tjoit, Viarjcille, Vorbcaujr; ^ranjöfifrfier Verbanb ber Vuch s
arbeiter, internationale ©cid)äftSfielle ber Vudjbrucfcr.
tiefer lepte 2 b e ü enthält bie iutereffanteften ©efchidjtsbilber,
uatnentlid) be 3 iiglicb ber Vnd)brncfer. Ilm uott bent Verbaitb ber
Vudjarbeiter 311 fpretben, man roeifj, roelcßen ^ßlaß biefe Bereinigung
in ber fran^öfifefjen Urbeiterroelt einnimmt, unb es ift oieüeid)t gut,
bei biefer (Belegenbeit baran 3 U erinnern, bafe ber cj)anbel^ininifler
üRifleranb in bem für^lid) (Sluguft) erfd)ienenen ©rlafj 3 ur Regelung
ber Slrbeitebebiugungen bei öffentlichen Arbeiten nur ben Bericht
3 ur Slusführung brad)fe, ber im $afyvt 1895 auf bem frangöfifeßen
Vud)brucFerFottgrcf; Villiguiig fattb, ein Veritf)t, ber 1897 aueß
uom Cberften BrbeitSrath gebilligt rourbe; Verfaffcr ift ber (General*
fefretär bes Verbautes 21. Meufer, sugleicb 5Ritglieb bcS Dberften
2lrbeitSratl)S unb einer ber bcbentenbften unb unbeftrittenfteu
<$übm* ber frangöfifeßeu Spnbifatsbeioegung.
$>ieS roäre eine Fuqe, aber uollftänbiac 3ufammenftellung ber
im erften ^öanb bebanbeltett Stoffe. V>ir betonen 3 um Sdjlttfe ben
gäit 3 licb unparteiifeben Stanbpunft: baS 2lrbeiiSamt ßat fid) in ber
&h a t uorgenommen, ein rein urFunbIid)eS VkrF ju fRaffen, um
aufrichtige unb genaue 2luSFunft jebertnamt gugänglicß 311 machen,
ber fid) auf biefem (Gebiet eine rooljlüberlegte Meinung bilbeit
unb fid) in feinem Urteil nicht oott 3Sorurtßcilen ober bloßen
©ittbriiefen leiten taffen möchte.
Baris. Cctaue Seftp.
Allgemeine Storni* tmö 99trtpr<paft^poUttk.
Reorgamfatian bc$ oberften 2lrbeitSrathc8 in grattfmd)*
2)er fo3ialiftifd)e Jf>anbel^minifter ^iillerattb, beffen ©intritt in
ein biirgerlidte^ Mabinet uon ben 2>oftrinärcn feiner Partei fo febr
uerurtheilt rourbe, führt gan3 im Stillen eine 9 ieihe oott ^Reformen
burd), bie feit langem auf bem 2lrbeiterprogratnm ftebett unb bie
lief) faimt fcljr rafd; uenuirflicht hatten, roeun fie oott beit ©naben
besc N ^arlantcnt£ allein abhängig gcioefeit toärett. *!l)tifleranbs leßte
Xljat betrifft bie Umgcftaltung beo oberfteu SlrbeitSratijcg. Sie
toar 001t togialiftifdien 2 lbgeorbnetcn fd)on ocrfd)iebenc s Dialc in
ber Maittiner beantragt mürben, ©ährenb ber lepten iBubget*-
bebatte hatte ber bamaÜge Mattbelötnitiifter and) formell oerfprodjeu,
ber Qrage näher 311 treten, ohne inbeffeu fein s ^oort 311 halten,
iliilleranb hat nunmehr ben (Gebauten aufgegriffen unb auf beut
3 >erorbiiungsroegc eine Dieorgauifation beö X^lrbeitsrathes auf
breiteiter beinot'ratifdicr ^afis uoll^ogeu. Sett üerroaltmigöredjt*
lidjcit ©harafter ber onftitution alo einer biogen foufultatiuen Be*
hörbe tonnte er allcrbing# uidjt änbern.
Ser oberfte 2lrbeitvrath befiehl feit 1891: bisher fegte er fid)
au* Gi» tlliitgliebern ^ufammeu. Saoon befaßen lu bie > JÜiitgtieb=
fdiaft traft ihrer amtlidien Aiinftionen; bie übrigen 50 untren
bnrdi freie ©ntidiliegnng be* ManbeU-iuiniftcr* au* ben Mreifeu
bu v Bat!anuntnrirr, Sisiaipolitite;-, ^ollvioirtlifeliaftler, Haler-
nehtner nnb Arbeiter ernannt. Unter biefen Uniftanbcn cntfprach
bie effeftioe 3 l| f ainmen f e fe un 9 ^ 5lrbcitsratE»eS fauttt ber tßat*
fächlid)ett S3ebcututtg ber eingelnen SBerufsintereffen, bie in ihnt
ihren 9lu3brucf finben füllten. Sebeitfallö roar baö Brbeiterelenicnt
fehr mäßig oertreten unb fonnte nie bie gutad)tlid)eu Sfeugeruttgett
be£ SRatljc^ beeinfluffen. S'atnit fod nicht oerfamtt roerben, bag
bie gefatuntte bisherige Shätigfeit beg ?lrbeit§rathe§ oon echten
fo 3 iaipoIitif<hen ©ebanfen getragen roar.
2)ie oon DUlIeraub bureßgefüßrte Umgcftaltung beabfichtigt,
an§ ber (Einrichtung eine roirtliche Vertretung ber praftifchen
Veruföintereffen 311 machen, über beren Verhäitniffe üc fid) 3 U
äufjern hat. S)en Vertretern ber Arbeiter uttb ber Unternehmer
roirb alfo eine rechtlid) fiprte Majorität gefiebert, unb fte roerben
aufeerbem oon ben Snterefj’enten felbft ernannt. 3 n 3 id«nft roirb
ber 5lrbeitdrath oon 66 Blitgliebern gebilbet roerben; baoon ftnb
je 22 Vepräfentanten ber Arbeiter unb ber Unternehmer, 10 be=
fißen bie Vtitgliebfchaft oon rechtSroegen; 8 roerben oom Sßarla*
mente belegirt nnb nur 4 bleiben ber Ernennung bnrdß ben
Vtinifter oorbehaltett. ®ie 3 ehn rcdjtSmä&igcn VHtglieber finb bie
2 >ireFtoren ber Staatörnanufafturen, ber Staatseifenbahnen, höhere
ÜJtineralbeamte, ber Vanbel^fammerpräfibent oon Vcm*, Vi^
präfibent ber BrbeitSbörfc oon ^5ariö 2 c. Von ben 44 Vertretern
ber Arbeiter unb Unternehmer ntüffen 14 ©croerbcgericht*beiftper
fein unb oon ben ©eroerbegerichteit geroäßlt roerben. ^)ie reftirenben
30 roerben 3 U gleichen Välfteit oon ben VernfSoerbänben ber lluter=
ttehmer (§anbeI§Fatnmern 2 c.) unb ben ©eroerffd)afteit geioählt.
Unb 3 toar ift auch hierin oertragSmäfjig beftimmt, bag Fein 3^*
buftriegmeig ohne Vertreter bleibt. 3Jtan h a * 15 ©ruppen oon
©croetbcn unterfchiebeit, bie je einen Unternehmer unb einen
Arbeiter 31 t entfenben haben.
2 >er fo 3 ufaminettgefe(jte Slrbeit^rath roirb fief) jährlich ein*
mal in orbentlicher Sejfion oercittigen. 3 u r Vorbereitung ber
(Enqueten unb Rührung ber ©efchäfte befteßt eine 22glicbertge
ftänbige Äomntiffiott, roooon mieberunt 14 Arbeiter* unb Uiiter^
uehmertnitglicber fein ntüffen.
$ie fRcichdregtermtg unb bie $au$tnbuftrtc. iBie matt fid)
erinnern roirb, hat ber StaatöfeFretär beg Veid) 8 aint£ bc* 3m\ex\t
bet ben ©tatäücrbanbluugeu im Veich^tag bie VZöglichfeit einer
Hbänberuug beS 154 2lbf. 3 ber ©croerbeorbnung angebeutet,
ber jeßt noch hte Slu^behnuitg be£ Slrbeitcrfcßuße^ auf bie nur
3 atnilientnitglieber befchäftigeube Heimarbeit auöfcßließt. Äufeer*
bem hat ©raf Vafaboroäfp in ber ©eroerbeorbnungSFonttniffioii
erflärt, ba 6 ba§ Veid)*amt be§ 3nuern bie Anregung ber VUnbener
Hanbel^fammer (oergl. So 3 iale Vrari3 3al)rg. VlII Sp. 5s 1 ) auf
Vornahme einer Utiterfucßung über bie Hausarbeit in ber ©igarren*
inbuftrie toohlroolleitb prüfen roerbe. SXuf ber ©cneraloerfammlung
beS £>cutf<hcn SabaFoerehi* am 30. VFai b$. 3^- erflärte ferner
ein VegierungSoertreter, ba& roaßrfcheintid) eine ©rhebung über
bie ©igärren=HauSinbu)trie ftattfinben fülle (So 3 . VrariSOahrg. Ml\
Sp. 980). 3m Verfolge biefer 21bfid)ten roerben $ur 3^it amtliche
Stubien an einigen ©etttren biefer 3nbuftrie, fo in Vaben, ferner
bemnäd)ft in Söeftfalen, oorgenontnten. ©S ift aber nid;t ans=
gefchloffett, ba&, falls cS 3 U einer VeichSenquete Fommen füllte,
and) noch anbere ©ebicte ber Heimarbeit erfaßt roerben, roic bics
bereits 1896 für bie VKifdn’fonfeftton gefeßeßen ift. Reichhaltiges
Material für bte 3mia[)tne ber .vSausinbuftrie — abgefel)en oon ben
£crtilgeroerben — hat bie VerufS 3 ählung oom 14. 3ani 1 >H 5
gebracht, mtb bie jeßt eben oeröffentlid)ten 4 Vänbe beS „Vereins
für Sogialpolitif" über bie ^eitnarbeit beroeifen aufs Reue, roic
brtngenb notfjroeubig h^'^ e me Regelung oon StaatSroegcu ift.
©rfreulidjerroeife uerfcßließt fid) augenfcßeinlicß aud) bie Regteruita
biefer Uebeqcngung im ^ßringip nid)t.
Verfönliiher 3 ttm «9 gur ©rfiilluug beS ©eftubeUedTagd» R 11 S
juriftifchen Mreifeu roirb nttS getrieben: Rach S- 888 ber neuen
A-aming ber ©ioilpro3egorbnung, meldße am 1. 3attuar 19c»0 in
Mraft tritt, fiubet bie Verurthcilnug 3ur ©elbftvafe bis 31t 1500 t //
ober 3iir Haft bis gu groei 3aßreu Feine Bnroeubiiug bei einem
Urtbeil, bas auf bie 2eiftung non ^ienften aus einem Tienftoertrag
erfeuut.^ 3« ber bisher über bas neue Red)t entftanbenen ^itteratm
ift bie 3rage nicht ciugebcnb erörtert toorbeu, ob biefe Vorfdiriit
mul) auf bie ©cfinbcoerhältniffe Rnmeubiiug finbet. ‘S'as (^eiinbc*
red)t ift bnrdi Rrtitel 95 bes ©iitfühntngsgefepeS guttt Vürgerltdieu
©efepbud), abgefelien oon getoiffen Vorf^rifteu, aufrecht ‘erhalten
toorbeu; mürbe man ben 2(usbrmf „^ienftoertrag" in ij. 8.ss ber
©ioilpro3ef5ovbitiing in bem Sinne ber $§. 611—630 ber Vanbes-
gefepgelmug oeritehen, fo mürbe jener auf bie ©efinbeoerhärtiiiffe
1341
Sogtale Iprajte. Eentralblatt für Sogialpolittf. 9£r. 51.
1842
feine Amoenbung finben. 3» einer folcßett Auslegung ift inbeffen,
roie ßanbricßter XeliuS in 9lr. 29 bcr „Selbftoerroaltung" ßcroor*
ßebt, fein ©runb oorßanben; bie fcßr Rumäne Borfcßrift beS §. 888
ber Eioilprogeßorbnung roar in bent CSntronrf ber nerbünbeten $Re*
gierungen nicßt enthalten, fie oerbauft ißre Aufnahme in baS Ekfcß
ber Snitiatioe beS SReidjStagS; man roollte aber barnit ein* für affe*
mal bent SRecßtSguftanb ein Enbe maßen, baß git ber Erfüllung
eines XienftoertragS mit ®elb* unb ÖreißcttSftrafeu angeßalten
merben fönne, einem BeßtSguftanb, roclßcr mit bcn heutigen Sin*
ficßten über bie Straflofigfeit bes Xienftoertragsbrußs itt bireftem
Bliberfprud) fte^t unb bcr gu überaus feltfameu, baS SReßtSgefüßl
oerleßenben Ergebniffcn gefüßrt ßatte. Xcr AuSbrucf „Xienft*
oertrag" in §. 888 ber Eioilprogeßorbnung ijt alfo im roeiteften
Sinne aufgufaffen, eS ift barunter forooßl ber geroerbliße ArbeitS*
oertrag als auß ber ©efinbeoertrag als auß ber Vertrag ju oer=
ftcßcn, bcn ber £anblungSgeßülfe mit feinem Bnngipal abjßließt.
daraus folgt, baß bcr SRißter ben oertragSbriißigen Xienftboten
roeber bitrß (Mbftrafen noß bnrß £>aft gu ber Sortierung beS
©cfinbeoerßältmffeS anßalten fann unb baß bie lanbeSgcfeßlißert
Borfßriftcit ber ©cfinbeorbnnngen, roelße bem SRißter biefe Be*
fugitiß ertßeilen, burd) §. 888 ber Eioilprogeßorbnung aufgehoben
finb. AnbcrerfeitS fiub bie burß bie (Definbeorbnungen beit Boligei*
beßörben eingeräumteit Befugniffe, baS oertragSbrüßige Etefinbe
burß 3mangSmittel 5 ur Öortfebnug beS XienftoerßältntffeS augu*
halten, nicht aufgehoben, ba §. 888 fiß nur auf baS gerichtliche
nicht auch auf baS polizeiliche Verfahren begießt. Somit ßat bie
Boligeibeßörbe baS SRcßt, mittelft Anroettbung beS perfönltßeit
3mangS, bie Sortierung beS XienftoerßältniffeS oon bcn Xienft*
boten gu ergroingen, mährenb bem SRißter baS SReßt nißt gnfteßt;
es ift bieS eine jener Abfonbcrlißfeiten beS $Red)tsguftanbeS itt
Xeutfdjlanb, melthe allein burch baS gortbefteßen eines petrefafteu
©efinbered)ts neben bem mobernen bürgerlichen SReßt möglich finb.
Umfrage beS BunbeS ber ^fnbnftrtetten regelt beS ArBeitS*
ttntftgenfßuheS» Xer Buitb ber Qnbuftriellen oeranftaltet in Saßen
beS SchureS ber ArbeitSroilligen eine Enquete, roelße bie folgenden
Sragen umfaßt:
1. Erfennen Sie bie Aotßroenbigfeit eines SßubeS bcr Arbeit**
lüiüigeit an? 2. Welche Jyälk ber Anroenbung oon giuangSmitteln
gegen Arbeitswillige oon Seiten ber AuSftänbigen finb Simen befaitnt?
3. galten Sic eS für möglich, burch freie Bereinigungen ber Arbeit»
geber ben Schub ber Arbeitswilligen herbeigufüßren ober 4. Sinb Sie
ber Meinung, baß nur auf gefcblißem 2Bcgc — burch Erlaß oon Be*
[timntuugeu — biefer Sßuß ßerbeigcfüßrt merbeit fönne?
XaS bnreh biefe Umfrage erlangte Blatcrial foll einer Be*
ratßung über bie SDiittel mtb SSege für ben Sdjuß ber ArbcitS*
milligen bienen unb eoentueü bem SRcißStag unterbreitet merbeit.
Xie Angelegenheit toirb bie am 16. unb 17. Dftobcr b. 3. itt
Berlin gufammentreteube ©eneraloerfamtnlung beS BunbeS be*
fchäftigeit. — Beroollftänbigung beS Materials möd)ten mir
bem Bunbe anrathen, auch Bei ben Arbeitern feiner SRitglieber
bie gleiche Umfrage mie bei ben Arbeitgebern gu oeranftalten. Xa
eS fich um ben Schuß ber ArbeitSroilligen ßanbelt, fotntnt es hoch
in erftcr ßinic baranf an, authentifch bie Aufid)t ber Arbeiter
felbft fettnen gu lernen.
Aßifhittbeittag in frangöftfßen StaatSbetrirBen. 2)er $anbels*
tniitifter TOIleraub h^i angeoronet, oom 15. September an in
ben 9Raterialbepols ber ßentralpoftoermaltung probemeife ben Adht*
ftunbentag einguführen.
Siojiate Jnftitnbr.
5)te Sage ber bentfehen $o(garbeiter.
3)er Borftattb beS beutfeßen ^olgarbeiternerbanbeS nimmt
periobifch eine Statiftif ber ArbeitSoerhältniffe in ben oon ihm
umfaßten BerufSgrocigert (jeßt Bürftenmadßer, Drechsler, Korbmacher,
Stellmacher, Sifcßler unb oerfeßiebene Berufe) auf. SRachbcitt im
gaßre 1895 bie leßtc Statiftif für 1893 erfeßienen mar, ift foebett
bie neueftc Statiftif unter bem Xitel: „Xie ^agc ber beutfeßen
.v)olgarbcitcr. $adj ftatiftifeßen drßebungen für baS 3aßc 1B97
ßerauSgegeben oom Borftanb beS beutfeßen §olgarbeiterocrbanbeS
(Stuttgart, Berlag oon Xß. i?eipart 1899) oeröffentlicßt. Bkgen ber
großen Koften ber Erhebungen mürbe ber Befd)luß, folcße alle
gtoei Saß^e gu oeranftalten, baßin abgeänbert, baß jeber orbentlicße
BerbanbStag gu befdjließctt ßat, mann unb in melcßer s Beife
ftatiftifeße Erhebungen feitenS beS BorftanbeS gu oeranlaffen finb.
(Bgl. „Sog. IV. Bb. 1894/95 $Rr. 24 S. 286.) An ber
1893 er Statiftif maren 4205 Bkrfftätten mit 45 082 befcßäftigten
Berfonen betßciligt, mäßrenb bicSmal attS 7275 ©erffiätten mit
94 365 befcßäftigten Sßerfonen Söerfftatkgragebogen eingegangen finb.
Xer Auffcßroung ber Snbuftrie fommt feßon tn folgenben 3 a ßl e n
gum AuSbrucf: Bon ben beteiligten 3Berfftätten arbeiten jeßt
31,2 % mit unb 68, 8 °/o oßne Btafcßtnenbetrieb, mäßrenb eS im
Saßre 1893 27 /2 % begra. 72, 8 % maren. X)ie Xenbeng ber Ent=
micfelung geigt fieß noeß beutlicßer barin, baß ber Brogetttfaß ber
befcßäftigten B^fouen in ben ©efcßäfteit mit Blafcßinettbetrieb feit
1893 oon 60,9 <y 0 auf 68, 3 o/q geftiegen ift, mäßrenb er in ben
©efcßäften oßne SRafdjinenbetrieb oon 39,1 °/o auf 31 /7 % gefallen
ift. Auf bie eingelne 2öerfftatt berechnet, ift bie 3 a ßt ^er oer*=
menbeten Bferbefräfte oon 13 /2 auf 14,5 geftiegen. Xie 3^^
ber befcßäftigten B cr f° nen flieg in ben Olefcßäften mit SRafcßinenö
betrieb oon 23,9 auf 28, 4 , in ben ©efcßäften oßne Bfafcßinenbetrieb
oon 5,7 auf 5,9 Berfonen.
UeBer ben BSocßenoerbienff ber eingelncn BerufSgmeige giebt
eine XabeÜe Auffcßluß, monaeß ber Berbicnft für lebige Arbeiter
fieß auf bureßfeßnittlid) 17 Jf, 89 int Xageloßn unb 18 JL
78 Ä im Afforb, für ocrßeiratßcte auf 18 Jl 78 4 wnb 21 Jt
66 4 beläuft. Unter biefen Xurcßfcßnittfäßen bleiben bie Bürften*
maeßer, XrecßSler unb Korbtttacßer, ßößere ^ößtte oerbienen bie
SteÖmacßer unb Xifcßler. Arbeiterinnen fotitmen fanm auf bie
,£>ätfte beS XurcßftntttSs2BocßenoerbienfteS ber niebrigft begaßlten
Kategorien ber Ääuner, ber §iilfSarbeitcr; ißre 3«ßl ift allerbingS
gang unerßeblicß. Xie in Koft unb ^ogis fteßenben Arbeiter,
1244 an bcr 3 a hh haben fämmtlicß bie Fragebogen bcantroortet
unb ißre 3Rittßetlungen begeugen, baß ißre Begitge oiel niebriger
finb als bie ber anbertt Arbeiter. Xer Bkrtß oon Koft unb SogiS
mürbe im Xurcßfcßnitt auf 8 Jf angegeben, ber Baarloßn auf
6 c (( 98 4- Sßre Begaßlung ift mitßin um 3 . /Z. 37 4 = ^2,5 %
niebriger, gu melcßem 97acßtßeÜ nod) größere Abßängigfeit, längere
ArbeitSgeit fomie Blängcl ber Ko ft unb bcr 1/ogiSräume ßingu*
fomnten.
Bon gang befonberem Sntereffe ift eine Ueberftcßt über bie
Begießungen oon ArbeitSgeit unb Arbeitslohn. Es roirb ba
ftßlacjenb bie alte B^aßrßeit beftätigt, baß lange ArbeitSgeit unb
niebrtge ßößite §anb in §anb geßen. 2Bir geben bie fleine XabeKe
in Solgenbem ooÖftänbig roieber:
3aßl bcr
Soßen*
Arbeiter
ftunben
69
51
212
52
6 323
53
29
56
3 856
57
5 642
58
2 878
59
8 268
60
2 209
61
1 889
62
1 627
63
1 257
64
464
65
422
66
58
67
54
70
SSodjculoßit Stimbcnlobn
JL ?f
23,2ö 45,c»
24,ui 46,5
24,02 45,3
17,60 31,4
22,57 30,6
21,19 37,0
20,28 34,3
19,05 31,7
17,12 28,i
16,83 27,1
16,08 25,5
16,48 2 5,7
10, ^8 24,3
15,56 2 3,6
18,30 27,3
17,04 24,3
Xa bie Angaben über bie Ausgaben für BaßrungSmittel unb
fonftige ßebenSbebürfniffe beim geßlen genauer Aufgeicßnuitgen auf
Scßäßungen berußen, ift ein Bergleidj mtt ben früheren Ergebniffeit
nießt gut möglicß. SRacß bem ©efammtbur^fd)nitt ber leßtett
Erhebung ftellt fieß baS Bubget beS oerßeiratßeten refpeftioe lebigen
£olgarbeiterS in Ausgaben unb Einnaßmen im 3aßr roie folgt:
Bcrßciratbctc.
ßeöiqc.
J4.
M.
Sol)uuugsmictl)c.
190
9S
Aalivungsmittel .
718
460
Souftigc ßebenSbebürfniffe . .
280
306
ElefammtauSgabc . .
1 188
864
^ahreSoerbicnft . .
1 054
917
Xa ber bureß SRultiplifation beS B^odjcnoerbienfteS mit 50
gemonnene QaßreSoerbienft eßer gu ßoeß als gu niebrig gegriffen
ift, ergiebt fieß auS bem Xefigit beS oerßeiratßeten Arbeiters bie
Aotßmenbigfeit, baß grau unb Kittber ntitoerbienen, um baS Eileid)'
gemießt ßerguftellen. Unb es ermarbnt betm aueß 4969 3rai len
1343
1344
©ojtale $raji3. (SeutralMatt für ©ojialpolitif. Nr. 51.
im ‘Surchfdiuitt 179 ,o 8 c ff jährlich- S-ic 3 af)l bcr erroerbenben
Avaucn t)at fid) beinahe uerboppclt, beim fte betrug 1893 nur
257 . 5 , bagegen ift ihr Berbienft .pruefgegangen, 1893 betrug er
nämltii) 189 , u Bcrf)ältnißmäßig hod) ift bemgegemiber ber Ber*
bicnft ber Minbcr: Es oerbienten Minber über 1-4 3 af)i'cn in 1072
Familien znfammen 426 796 , ff ober 398 < K im EittzelfaU:
Mittber unter 14 3 ahvcn in ‘-15 Tvamilieit pfanuneit 14197 ,//
ober 66 , ff im Einzclfall, wobei bcbauerlicher Bkifc zweifelhaft
bleibt, ob fid) ber Aitsbnicf im Einzclfall auf Samilie ober auf
bas einzelne Minb beliebt. 1019 männliche Arbeiter haben Neben*
erroerb mib oerbiencu bierbunl) jährlich int S 3 ird)fd)nitt 126 < ff.
Als Quelle bes- Nebenerwerbs roirb angegeben Bnoatfunbfdhaft im
eigenen Beruf in 254 , anbere inbuftriellc Sf)ätigfeit in 47 , Mol«
pörtage, Raubet, Agentur ’c. in 126 , BercinSämter in 94 , portier,
Meüner, Anfmärter, Jscncnoebr in 165 , 8 ütufifer, Sanpnterricht,
Sheater :c. tu 117 , Biilifärperfoitcn, Unfall* unb 3 noalibenrenteit
in 25 , 3 in 3 einnabmen in 6 , Lanbroirthfcbaft in 42 , SonftigcS in
37 unb ohne Eingabe in 106 7 yärieu.
SMe Araucit fittben ihren Nebenerwerb in 1587 Fällen bureb
gcroerblidje Sl)ätigfeit unb Tsabrifarbeit, in 1372 A-äflcit burd)
Bktfdjen, Engeln, Buben, Nionatsbienft, Mocben, ttinberroarten,
,£uinbarbciten aller Art in unb außer beut Manfe: 1343 fmfjeu fid)
burd) Mleiberntadjen nub Näharbeiten aller Art etwas 31 t ucr*
bienen, 244 burd) £>anbel, Mommiffionsgcfdjäfte, (SteÜcnoennitte*
litttg, 111 burd) ^citnnötragen, Botenbicnft, 95 in ber Lanbioirtl)*
frfjaft unb ittt ©artenbau, 38 als .gebammen unb Mratifcnpflege*
rinnen, 179 8 onftigcS (barunter 2 llnfaflventcu). 2937 Araiwn
geben ihrem Ncbenuerbienft babeint und), 1161 außer beut §aufe
unb 568 abtoed)felub. Bon beit fiinberu über 11 fahren fittben
Nebenocrbienft 211 als Lehrlinge, 132 als .'oanSbiirfdiett, Lauf*
burfdjen ;c., 476 burd) Tvabrif- uttb geiocrblidje Arbeit, 127 burd)
Näharbeit, 63 burd) Mau bei uttb 3 dtrei b a r bei t unb 63 burd)
Sonftiges. SAe Mittbcr unter 14 fahren befdjäftigen fid) mit
Nustragen 001 t Bacfiuaarcu unb Leitungen, Megelauffetjeu ic. in 95,
mit öabrif* unb gemerblidjer Arbeit in 81, mit Näharbeit itt
13 A-ällett, 12 fiub in ber Laubroirtl)fd)ait unb nur 3 als Lehr*
littge tbätig, roo.p nod) 11 Tvällc fotnttten, in betten bcr Neben*
erroerb nicht näher bejeidjuct ift.
Bon 1691 bis 189 s oer^eidjuet bie Streifftatiftif ber vrolz*
arbeiter itid)t weniger als 302 Streifs, für toeld)e ber Berbanb
ruttb 700 000 c ff 11 uterftnhuttg aufpbringen hatte. 125 0011
biefen Streifs tuarett Abroef)rftrcit's.
S>te (Erhebung ift als eilt, audi ftrengcrcu Anforderungen ge*
niigeuber, millfotittnetter Beitrag auf beut ©ebicte ber itt 'Xeutfrf;*
lanb leiber fo wenig gepflegten Lohuftatiftif ,p begrüßen. S 5 e
griiublidje unb übcrfid)tlid)c Bearbeitung bes umfattgrcid)ett unb
oielfeitigeu Niatcrials uerbieut oofle AuerFeituuug.
SfrbeitS&erfjältttijfe auf berliner Ntefelfclberit. Am 14. September
mürben in bcr Berliner Stabtoerorbneteuocrfammlnug bic Arbeiter-
ocrbältmffc auf ben Ntefelgütern erörtert, bie öffentlich frfjarf fritifirt
loorben mären, lieber bie Volinuerliältiiifie nitb bie Arbeitszeit umreit
bie Erhebungen itodt nidit abgeidiloiieu; bagegen tbeilte ber ?.Vngi*
ftralsoenrcter mit, baß nenerbings eine Beifügung über bie Befihäftigimg
non M'iitbeni erlaßen iei, luelebe ftreng iuiiegebalten merbe, fo lehr and)
gerabe bie 6 Ilern ber Umber lieh oiclmeh bagegen geiträubt hätten.
Sie Arbeirermohuimgeu leien hetriebtgenb, nicht meniger als 5% bes
Buchmerths ber <3iiter iei für ben Bau non Arbeitermohuungeu aus*
gegeben. Bei ben Schnittern minie er bas Borbanbcnfciu non liehet 2
ftäubcu offen unb ehrlich zügelnden. Sicic Bitßnäube hatten haupt*
fädjlid) bavitt beüa«ben, bar, in zwei n»ebciubeu je fünf Ehepaare z» 3
fanimeu tu einem mäßig groben Baume ft;r bie Nacht unt ergeh rächt
umreit. Na di ber Angabe bes .5' agiftratvoertreters itnb nunmehr feite
;',miiihenmänbe znuhiien ben Betten ge;ogeit. Anperbem mirb aber and)
über lange Arbeitszeit unb mehlige Volute getlagt.
NotliftaubSarhciten itt fyranfreic^. Xas Offire du Travnil
ooiötfemliilit eben eine Statiitif ber in 6raufveieh uuibrettb ber
oabre l s 96, IM'T unb 1 zur '.IKilberimg ber Arbeitslofigfeit
linternnmuu'iiett NolliMvuibsatdVtten: es ift bies eine Aortiennng
ber bereits fitr bie 6alue I-MM—1^95 eiugeletteteu ftatiftifdnut (5r-
hebnttgeu, bie bereits früher publizirt mürben. Sie elfte Unter*
fudiititg erftreefte lidi blog auf tue grörerou Stabte, tiämltd) folehe
mit einem oaliresbnbget 00 u meiiigüenv 1«»«> 1 nn» Aianes: biete
haben in 22 Seimttements feineiUt Nhiliftanbsarbetten linier^
iiommm, iimhrenb in 41 Slabten 001 t 21 SeiMiunients belog
Stvageiiriiiiignngsarhnten za beu'idinetein ^»meel'e gemadit mnrben.
Sagegen nnia nahmen 111 Stahle tu 51 'Senat tements eigeutldte
N'nttiftaubsaibeiteu oetfibnheiter Art uith gaben hiei'iir im S.uuO
quettnium 1890—1895 4 903 750 graues aus. e^ie jünc^fte Cfr*
hebung fchlofe bie fleinerett (Stäbte mit einem geringeren ^Bitbget
als 100 000 Francs nicht auS unb ergab, baft itt beit lebten brei
fahren 187 ©emeiubeit pfantmen 3 255 500 Francs für 92oth*
ftanbsarbeitcn aitsgcgebcn h a & eu * ^i e burdjfdjnitttiche Ausgabe
betrug für bie lebten 3 Qahre 1 085 167 grattcS pro 3abr, gegen
jährlich 980 750 5 wmcS im 1890—1895.
Serättbenmgnt ber ßöftne unb 9lrbettSgeiten 1898 in (Snglanb.
^)aS ^sahr 1898 f)dt mit feiner reichlichen Be|d)äfttgung ben eng-
lifd)ett Arbeitern nicht unerhebliche £ohu)leigerungen gebracht.
B^ährettb fd)on 1897 für nahep 600 000 Arbeiter Beräubcritngen
ber ßöhne eintraten, erhielten 1898 nicht toentger als 1 <h >3 290
Erhöhungen unb nur etroa 12 000 mußten fid) Verringerungen
gefallen laffen. ^abei fittb Ianbmirthfchaftliche Arbeiter/(Seeleute
unb Eifeitbahner nicht mit inbegriffen, obmohl and) btefe i*ohn*
oerbeffernngen erlangten. ^)aS Ergebnis ber Beränbcrungeit roai
eine ©efammtfteigerung ber 4 ?ohne um 95 000 £ = 1 90 o OOO < //
in ber Bkirfje (1897 nur 900 000 ,//: wöchentlich). Nnd) bie ente
Mlfte bes laufenben 3 a h reö S e \ 9 t eine anljaltenbe -Tenbenz ber
I Sohufteigerung, bic ruttb 1 Niiüion Ntarf wödjeiitlidj anSumdit.
i S)ie Bergleute, bie B?etad* unb 9 ) 2 afchineninbuftrie*Nrbetter, bie
! Sdjiffbaner unb bie Bauarbeiter haben 1898 am meifieri oou biefen
• Lohnerhöhungen profitirt, 1899 fanten bann bie Spinner unb
Bieber ba^it. SSährenb baS oergangeite ^sabr einen fo erheblichen
i 3 nmad)S an Löhnen aufmeift, ift bie Beränberuttg in ber Nrbeits»
I jeit ocrgleichSweife mibebeutenb. Weniger als 40 000 ^erfonni
I finb baoon berührt morben, bic wöchentliche Berrittgerutig ber
I Arbeitszeit beträgt im ©anzett etma 82 0(X) Stunben gegen 285 00"
I im 3 al)rc 1897 . *£cr amtlidjc Berid)t (C 9434 ), bcr fcd;fte, ber
! ootti Arbeitsamt über biefen ©egenftanb ocröffentlidjt mirb, fteilt
1 f^ft: „ES ift mit ©emtgtbmmg z u begrüßen, baß in bcr über-
| großen Nielnzabl bie Neuorbnitng ber Löhne otjue Etitfttflung ber
Arbeit $laß griff. Bon allen im 3 af)r c 1 S 9 S berührten ^erfoneti
fdjeineti 95 % bic Lohnerhöhung ohne Streif erhalten zu haben."
s Dieh r al^ in % aller Jvälle tam bie Steigerung auf bem BLege
I bireftcr Bereinbarnng p <Stanbe, in ben übrigen burd) g/citeube
! Tarife, Lohnämter EinigungSämtcr, Schiebsfprüchc. Aud) im erfteu
j Malbjahr 1899 finb nur 2 o / 0 fämmtlicher Lohnerhöhungen burd)
j Streifs bemirft morben.
Ärbcitcrbnoegimg.
$ie Streifs in ^Dentfchlanb 1898.
SDie uoit bcr „OletteralFommiffion ber ©emerffdjaften TSemtd-
laubS" feit einer fHcitjc oott 3 ahrcn (feit 1891 ) jährlich oeraufialtcte
Streifftatiftif liegt für 1898 in Nr. 31 unb 35 bes „Eorrefp.*Blatter
ber ©eueralfommiffion oor. Es fittb babei bic Streifs nidit h:*
j rücffidjttgt, an betten orgattifirte Arbeiter bez 10 .lUitglieber gemerffdil#
j lidjer Eentraloereiue md)t betheiligt waren, „^iefe Streifs merki
I aber," meint ber Bericht, „meber fcl)r zahlreich uod) limfangretd
fein." Ausbriicflidj mirb jeßt bic 3 l, oerläffigfeit bcr gewerffchan-
iid)ett Statiftif betont, bie itt beit AnfangSjahreii uod) oielfadn
Niättgel anfmies. 3 c'bettfallS befißeit mir in biefen Angaben bcr
Arbeiterorganifatiouen,_ wie fd)Ott früher aufcfüljrlirf) ' bargelegt
(VII. 3 ahrg. Sp. 1259 f.), werthoolleS Material, bas fiinftiaf zur
Montrole unb Ergänzung ber amtlid)eu Streifftatiftif bienen mivö.
Au ben 9sr> Streifs, über weldjc bie Berbanbsoorftäribe bcriditctei:,
mären uo ir>2 Berfoiten betheiligt. Xie Ausgaben betrugen 1 345 3<>2 .0
unb bie ?auer ber Streifs 4s4s Bio dien. Am BorjaI)r (1897), uuirb::i
57s Streifs, 33 119 Betheiligte, 1921 Bioriicn Sauer uttb 1 527 29 n .i*
Ausgabe angegeben. Sie A,al)l ber Streifs im Aal)re 1898 ift er:
bödn'te, bie feit 1891 (feit Aübruug ber Statiftif feiteus ber ('Huicmü
fommiiiton) zu oerzeidiueu mar. Sie ift faft fo hoch, wie bic ('Kuantum
Zahl ber Streifs, über mcldie in ben Aabreit ls92 bis 1893 benduft
mürbe. An biefem Zeitraum ift ber C'Hmeralfommiifion über H>o7 Streü:-
beriditet morben. Sagegen ift bie Aabl ber betbeiligteu ^erionen um
- s 57 geringer als 1^97, uttb um mehr als bie Mälfre geringer als bic
Aabl ber Streifeubeu im Aahre A 11 biefem Aahrc faitben bic
Streifs ber Hafenarbeiter unb ber Moufettionsarbciter ftatt, an lucldnu
ca. 55no(j 'perfouen betheiligt mareit.
Nidit meniger als 229 Streifs fiub und) bem Beruht in Aolgc bei
Aorberuug ber iluternehnter, baß bie Arbeiter aus ihrer ('Jciuerfülmü
nustreieu tollten nub in Aid ge oou Biafjregehtng im Aahre l*9s her
norgeniten morben. A 11 ben Aahren l s 9o bis 1^97 entftauben aus b-.-u
gleidieu llriadieu 3uo Streifs, baoon mürben 185 burdi Biaßregeltinz
unb 115 burdi bie Aorberuug, baß bie Arbeiter aus ber Crganiiatici:
aiivtreteit ioltien, iH'ibeigefiilut. 1MN erreichte bie aus bieten IMacbe!:
beiLuigeuihne ;’,nbl ber Streits faß biejeuige, welche itt ben oortier
1345
Sojtale $rajt$. Eentralblatt für Sojialpolitif. SRr. 11
1346
gcljcubcn nrfji Jahren 3 « ocrfleidjtten mar. „Es ift oon bcn (Bewerfe
fdjaftslciteru wicberlwlt betont worben," fo bewerft ber Bericht, „baß
es ttttfliig ift, bet einer Blaßreqelintg fofort bic Arbeit ein^nftellen, weil
ber Erfolg joldjcr Arbcitscinftcllungcn äußerft flwcifclhaft ift. Xie Biit*
theilungen, wcldje fiir 1898 über bie in ftolge Btaßrcqeluug geführten
Streife eingegangen finb, bcftäiigett bic Äiciitiqfcit ber Stellungnahme
ber (Bcwerffdjaftsmbrer. Xie Borßättbe beridjtctt über beit AitSgang
oon 56 lucgen iPiaßrcgclung erfolgten Arbeitsciuftcüungen. Bon biefett
hatten Erfolg 13 = 23, 3 %, thcilweifeu Erfolg 18* = 32,9 % itnb
eitbeten erfolglos? 25 =■= 44,6 %. Xcr überwiegenb ungünftige Ausgang
folcher Streifs foütc bie Arbciterfdjaft ueranlaffcit, bei ber Arbeits*
cinftellung wegen Biaßrcgclittig hoppelte Borfidjt 311 üben, wenn wir
auch nidit oerfeitneit wollen, bah in foldjen fällen bie (51)re ber Arbeiter
itnb ber Crganifation oiclfacfj fo engagirt ift, bah bie Arbcitscinftcllung
mtoenneiblid) wirb, befonbers um 3 ufiinftigen SKaßregclungett uor*
3 ubcngeit. ^ebenfalls ift hier aber ruhige Erwägung noch bebeutenb
nothwenbiger, als? bei allen aubereu Streifurfachcu."
And) im uergangenett Jöbrc entfällt wiebentnt bie größte d fl ßl
ber Streife auf bas? Baugewerbe. Es jählten nämlich Streifs
Attflahl
Beteiligte
Ausgabe
ber Streife
^erfonett
Jt
Bauarbeiter . .
16
3 728
51 150
(Blafer . . . .
6
84
1 052
BJaler .
. 10
1 175
20 578
Btaurer . . . .
. 248
19 569
449 826
Stucfateure . . .
7
450
10 000
Xopfcr uttb dicglcr .
. 10
302
7 802
dimntercr . . . .
. 43
4 150
132 339
dufamutcu . .
. 340
29 458
672 747
Xie Ausgaben für bie Streifs biefer (Bewerbe finb ebeitfo groh,
wie biejenigeu aller übrigen flufantmengcnoiuntcu. 1897 waren itt ben*
felbeti (Bewerben 31 t uerflcidjncu 174 Streife mit 21 985 Betheiligten uitb
501 663.// Ausgabe.
Aad) ber da bl ber Streik ftcfjcn 1897 an nädjfter Stelle bie .$olfl*
arbeiter mit 90 Streik, 6779 Betheiligten uitb 181081^ Ausgabe.
Xann folgen bie etallarbeitcr mit 69 Streife, 2764 Betheiligten itnb
62 630 X Ausgabe, bic Bilbhaucr mit 26 Streife, 290 Betheiligten unb
10 465 .U Ausgabe, bie Steiuarbeiter mit 24 Streife, 3244 Betheiligten
unb 6s 905 jt Ausgabe, bie Srfmhmadjer mit 24 Streife, 2218 Be*
theiligteu unb '47 578 .// Ausgabe, bann bic Xabafarbeitcr mit
2o Streife, 446 Betheiligteu unb 23 191 Jt Ausgabe, bic Bonner mit
18 Streife, 294 Betheiligteu uitb 13 378 *// Ausgabe uitb bann bie
Textilarbeiter mit 14 Streife, 3315 Betheiligteu unb 28 392 Jt Ausgabe.
Bei ben Budjbrucfern finb bie angegebenen 220 Streife nur fogenaititte
BJerfflattfrimpic. Xie Betheiligteu reifen in ber Siegel mit (Bewerfe
fdjaffeuittcrjntiwng ab, über bie B>crfftatt wirb bie Sperre für Ber*
battbSmitglicber ucrljängt. Xcsmcgctt läßt fidj bie Xauer beS Streife
unb fein Ausgang in biefem .SMeinfrieg and) nicht genau angeben.
Xie enorme Steigerung biefer Streife gegenüber bem Borjafjr, tu
beut es nur 53 waren, biirfte auf bas befannte gemeinfame, energijdje
Eintreten ber ^rinjipale unb (Behülfen für bic Xarifgemeinfdjaft juritefe
31 tführen fein.
Jtt allen an bereit, afe ben auf geführten (Bewerben, waren 1898
weniger Streife 31 t uerflcidmcu. Ju 11 (Bewerben fauten feine Streife
int Jahre JS9S iwr. (5s? finb bieS folgenbc (Bewerbe: Barbiere, Budj*
bitiber, Budjbrucfhülfsarbeitcr, Bureaimugeftellte, (Börtner, (BaftroirthS*
gehülfett, Hafenarbeiter, Hanbel^angeftelltc, Lagerhalter, Sftafdjiniften
itnb Heiner unb Werftarbeiter.
Jusgcfanunt würbe für 1898 über ben Ausgang oon 763 Streife
beridjtet. Xaoon waren 54,t % erfolgreich, 21,7 u / 0 thcilmeife erfolg*
rcidj unb 22 ,j % erfolglos. Bei 2,1 % ber Streife ift ber Ausgang
uubcfaimt geblieben.
Jn ber deit oon 1890 au waren oon ben Streife, bereit AuSgang
befanut geworben ift:
erfolgreich
1890—1895 . . . 36,c, %
1896 50,5 =
1897 47,:, *
1S98 54,i =
theilweife
erfolgreich
27„ °/ 0
26,:» =
2 0,5 =
21,7 *
erfolglos
36,i ü / 0
23,u *
27, () *
Bisher hatten bic AbwcbrftreifS weniger (5rfoIg
greife. Bon bcn Augriffsftrcifs waren:
erfolgreich
1896 63, ( ,%
1897 . 53,3 *
1898 bagegen . . 50,., =
theilweife
erfolgreich
26,o %
30,6 =
32 /7 *
als bic Eingriffs*
erfolglos
H,o%
I6 ( i =
13,7 =
Bott bat Abmehrftrcifs waren im leptgaiaunteu JalM-'c 57,u % er*
folgreid), 11,4 % theilweife erfolgreich ttub 29,s % erfolglos, wäßreub
in l,s% (beflw. 2,7 °o bei beit Angrtffsftrcifs.) ber <vciüe ber (5rfoIg
iiubcfaitnt blieb.
lieber bie Beibringung ber ^ertönen an ben nadi llrfacfjeit
gruppirte« Streifs würbe in biefem Jahre 311111 elften SKalc Jolgeitbes
ermittelt:
Augriffftreifs.
Aorberung ber Arbeiter
dal)l ber
Streits
Beteiligte
^er fönen
Berfitrflung ber ArbeitSfleit.
32
1 556
Lohnerhöhung.
128
8 462
Berfitrflung ber ArbeitSfleit uttb Lohnerhöhung
278
21 765
Befcitigung mißliebiger ^erfoucti.
Bcfeitigmtg briicfeitber Beftimmutigen ber 5”brtfe
7
38S
orbnung .
Xurdjfithrung ber polifleilidjcit unb gefeßlidjen
2
152
Arbeiterfchuhbeftimmungen.
2
55
Anbcre llrfadjctt.
28
3 556
Ab wc br fr reif s.
llrfadjc
dahl ber
Streife
Betheiligte
Bcrfotten
Austritt aus ber Drganifation.
37
2 156
Btaßreqelung unb AitSfpcrrung.
192
7 520
Lohttrebuflirung.
106
2 950
Berlängermtq ber ArbeitSfleit.
Aid)tinitchaltmtg ber allgemein üblidjctt Lohn*
21
610
uttb Arbcitsbcbingungett.
59
913
Einführung einer ^abriforbnung.
19
1 075
Sdjledjtc Betjanblung ber Arbeiter.
18
471
Aubere llrfadjctt.
50
1 377
9JJit befottberem Jntercffe wirb man bic Ausführungen bes
BeridjteS über bie Streif vergehen lefen. ES h”t fief) ergeben,
baß 1898 non bcn 60162 Streifeuben 300 inSgcfammt mit
27 fuhren 6 Monaten unb 4 Tagen ©efängnife, 16 V 2 Wochen
•Haft itnb 684 , 4 ( (Belbftrafe beftraft toorben finb. (53 fommen
auf 1000 Streifettbc alfo 4,o Beftrafte, unb wenn matt beit Aus*
uahmefall uott Xorgelow mit eiitrechttet, bei beut 21 ^crfoncit
wegen fianbfricbeuSbrudhS oerurtheilt worben fiitb, 5,4 Beftrafte,
„ein ^Srojentfab, ber an unb für fidj), befouberS aber mit Shuffidjt
auf baS nad) jeber 9üd)tmtg hi” nerfdjärftc Borgehen ber Be*
hörben unb ©eridjte, als äufeerft nichtig bezeichnet werben iniift."
Tie Beftrafungen wegen groben Unfugs uitb ber llcbcrtrctuug oon
^olijcioorfchriften finb aÜcrbiugS hier nicht mit eingerechnet. And)
bic Behauptung, bafj bie Bergeheu bei Streifs^ fdjwerer Aatitr
futb, ift falfd), wie fich aus nad)folgenber llcbcrfidjt ergiebt: (5s
würben beftraft auf (Bruub beS §. 153 ber (Bewerbeorbnung
56 ^erfonett, §. 153 ber (Betoerbeorbmtng in Bcrbinbuug mit
Barographen be’s Strafgefehbudjs 19, (5hroerlehuitg 26, Trohuug 55,
Belcibigung mit tf)ätlichem Angriff 17, Scöthigung 44, Berrufs*
erflärung 34, 3)?if}hanblung 13, 5lörperocrlc(juitg 4. Ter Beridjt
bemerft ba.^u:
„Xie oorftehenben 3al)lcn fprcdjen eminent 31 t (Bunften ber [treifen*
ben Arbeiter, wenn man bie Xhatfadjc in Berücffidttigtmg flicht, bafj
nach ber /»Iriminalftatiftif int Xeutfdjat Slcich auf loco ftrnfmünbtgc
$crfoneit 10,« Beftrafte, alfo faft bie breifadte 1)1 ber uottJOOO Streifen*
bett wegen Streiforrgehen beftraften ^erfonett fommett. Ji’tr 1897 weift
bie ftriminalftatiftif gar 12,48 Beftrafte pro 1000 ^ertönen ber [träfe
ntünbigeit Beoolferung aus."
Ter Berid)t ber (^ewerffdjaftsfommifnon ift, obwohl non aus*
gefprochener Barteifeite oerfa&t, ein Bi u ft er oott fachlicher SHube
unb Dbjeftiüität, oerglid)ett mit ber oielbernfenen „Tenffchrift" 311111
ArbeitSwiüigen*©efeb.
Ter ^etnerfoereiniloiigrel in
ilcberblicft man Berathungen unb Befdilüffe ber JahreSoer*
famntlung ber Trabe llitioitS in Btymoitth, fo wirb man biefem
kongrefe feine h c roorragertbe Stellung itt ber langen Sftcihe ber
Tagungen ber Arbciterorganifationen GttglanbS cinrannteit föitnen.
Aeugere llrnftänbe uitb ©rüube, bic itt ben eigenen BcrhÖltniffcit
ber (Bewerfoereine liegen, h”bett baflu mitgetoirft, bie Berfammlnttg
flit einem „lium-drum-Mougrefe“ 311 mad)eu, wie ein arbeiterfreimb*
lid)eS rabifaleS Blatt es oorauSfagte. Schon bic B?al)l oon BIi) s
mouth als BerfammlmtgSort war nicht güitftig; bem großen Mriegs*
bafen fehlt mit Ausnahme beS Sdjiffbaues jebe Jnbnftrie _ unb
batnit ber lofalc Hintcrgrunb für einen Moitgreg ber orgauifirteu
Arbeiter. 9iod) bebentfamer ift, bafe ( 5 itglanb in einer d^'it gewerb*
lieber Bliithe ftel)t, wie fic feit laugen Jahren uid)t bagewefett ift;
bei einer lleberfüllc an Aufträgen herrfcht B.K'angel an Arbeitern.
Tie (BcRterfoerctnc fef)cn ihre ÜJfitglieber bei hohen höhlten in
ftänbigcr Befchäftigung: cs fehlt ihren Bestrebungen im Aitgeit-
1347
Sojiale ?ro 5 iÄ. «entralblatt für Sojtalpolitü. 9U. 51.
134S
blicf baher ber fcfearfe Stadjel ber 9?otl). innere 3toiftig?eiten
3 roifd)en beu einzelnen Verbänben greifen baljer leidster um firf)
unb üben ihren Iäfjmeuben (Einfhtfe. SDer 2ludfchlufe bed bereinigten
Dtofchinenbaueroerbaitbcd oom Eongrefe rourbe groar mit 3 roc i s
brittel*ÜJtehrheit gebilligt, aber er f)interlcifet hoch eine grofee Ver*
ftimtmmg, bie and) 311 persönlichen 3 miftigfeiten geführt hat. $>ie
Dlafehincitbauer tooHcit fid) überhaupt ganj unb für immer 00 m
Eongrefe fernsten. Sehr geftagt mirb aud) über ben Stimm*
hanbel ber grofeen Eorporationen, rooburch bie Heineren oon uorn*
feerem tobt gemacht roerben. llnb enblic| fteht $nr 3 e ^ feine ber
garij grofeen treibenben fragen, bei benen cd fid) um Sebett unb
©ebenen ber berbänbe hanbelt, auf ber Xagedorbnutig. Unter
biefen Umftäubcn mar bie ^heilnahme nicht nur bed grofeen Pnbli*
fumd, fonbern fogar ber 2>elegirten an ben Perathungcn in pit)*
mouth tbeilroeifc redjt flau uno in ber Arbeitern)clt roerben oielfacfe
abfällige Stimmen über bie Eongreffe laut, bie bei oielett Sieben
311 feinen Saaten führten.
3 mttterhin [teilte fech ber £ag in pipiouth äufeerlid) ftattlidj
genug bar. lieber 1 200 000 organifirte Arbeiter maren burch 386
i)elegirte oon 147 Xrabe llitioiid in ber StabtfeaÜe oerlreten. ^er
Piirgcrmeifter oon pipmouth, Herr pethif, ein grofeerPauunternehmer,
begrüfete bie Verfammclten unb erflärte, obmofel er felbft fd) 0 tt heftige
Eämpfe mit ©eroerfocreinett 3 U befielen gehabt, bafe er bie Strabe
Unioud für eine audge 3 eichiiete (Einrichtung halte, ba fee ben
Arbeitern höhere Söhne oerfd)afften, aber bie Arbeiter follteit biefe
Söhne aud) beffer oerroenben, ald jefet oielfadj gefchche. £ad
2lrbcitdamt bed ©eroerbetniniftcriumd mar burch Herrn burnett
oertreten, «Herren unb SDamett ber Slriftofratie unb bed Pürger*
thumd maren unter ben 3nl)örern. Vorfifeenber bed Eongreffed
mar ber Sdjriftfefeer |>err Vernon, ein noch junger Dlaitti, ber 3 U
ber oorgefdjrittenen Dichtung ber ©eroerfoerciite gehört. 3 n feiner
Slnfpradje beflagte er bie ^heilnahmlofegfeit bed Parlamenten für
bie Slrbeiterforberungen. Partim miiffe bcr Eongrefe ernftlid) er*
mögen, mie bie Vertretung bed Slrbeiterftanben im Unterhaufe 311
oermehren fei. $>ie englifdjen Arbeiter hätten genug Stimmred t,
um fed) eine gute bertretung im Unterhaufe 3 U fedjern, aber ed
fehle ihnen feheinbar an SöiHen, um bien 3 U einer ooflenbeten
Xhatfadje 3 U machen. Vöirflid) mürbe biefe Frage auch ber Haupt*
punft ber Pcfd)lü|fe. $)ie älteren ©croerfuercine, namentlich bie
Vergleute unb bie Spinner, bie Slbgeorbnete aud ihrer Dtitte bereite
im Parlamente haben, fteben hier im ©egeufafe 3 U ben rabifaleren
Verbänben, bie reine Hrbeiteroertreter entfenben motten ohne 2ln*
fchlufe au bie beftehenben grofeen Parteien, Dlit fnapper Mehrheit
feegte bie lefeterc bichtung unb ed gelangte mit einer fed) mie 5 3 U 4
oerhaltenbeu Dtehrljeit eine Vefolution 3 ur Annahme, „bad parla*
ntentarifdje Eomite 3 U beauftragen, einen befotiberen Eongrefe oon
fooperatioen ©cnoffeitfchaftcn, fo 3 iaIiftifd)cn bereinen unb £rabe
lluiond einsuberufen, ber Dlittel unb Söcgc bafiir audfittbig machen
foH, mie bie bertretung ber Arbeiter im nächften Parlamente 3 U
oermehren ift." 0b biefer befcfelufe bebeutfatne Folgen haben mirb,
rnufe man abroarten; roabrfdjctulufe ift ed gerabc nid)t.
bon ben fonftigen Verljaublungen feno namentlich bemerfend*
rnerth bie (Erörterungen über bie llnfallentfchäbigung. ®ie Arbeiter
forbent einftimmig folgeube 2 lbänbermtgeu: a) (Einbegiehnng aller
Slrbeiterfatcgorien in bad ©efefe; b) Streichung ber Vorfdjrift über
abfechtlidje unb grobe berftöfee; c) ©itifteflung einer Vorfd)rift, bie
ben ocrlefeteu Arbeitern 50% bed 3 ulefet oerbienten Soljncd oer*
bürgt: d) berbot aller Sonbcrocrlräge. 3 ur ^llterdoerficherung
marb eine befolution befdjloffen, bie forbert, bafe bie penfeoitd-
beredjtignng ooin erreichten 60. ScBendjahr ober eingetretener
"Hrbcitviinfähigfeit eiutreteit unb 001 t feiner prämicujahlung
ober 9?achmeifnng oon Selbftoorforgc abhängig gentadjt merben
füll. 21 in niertcu Xage gelaugte bie 33obuungvfrage 3 ur berfeanb*
Jung. (5e> l>errfd)te (Einftimmigfcit barüber, bafe encrgifdje Reform*
mafercgcln erforberlid) finb. Dean führte aud, bafe an eine (Er*
Siebung unb an ein glücflid)e ‘3 Familienleben nicht 31 t benfen märe,
meun bie Arbeiter in r slums a mobnen uiiiffeu. Folgeube 9tefolu*
tion raub einftiinmige 2 lnnabme: 1
„S^a bie 2 ä>ol)uuugC’frngc biiugeub eine Höfling oerlangt, fo appel= j
lireu bie organifirten tHrbeitcr (Inglaubs? an alle fiäbtiidjeu Pcrmaltungd* ,
beworben unb forberu fic auf, oon ber ihnen burd) ba3 (>)cfe 6 31 t*
gcftnnbeiien 9Wachtbefiignife ('lebrainh , 31 t niadicn. (id füllen 5)iiclbd*
gerirfit^hbfe eingeriditet merben. 6 ine ber Sdjmierigfeiten in ber Höfling !
ber ahnungffingeu ift ba^ briiigenbe Dcbürfnife befferer unb billigerer
Slrbeiter.pige auf allen O'iienbabneu, um ben Arbeitern eine billige unb !
idnieüe Derbinbuug fliuiidieu bem £rt ihrer Sefdjäftigmig unb ihrem i
Wohnort 31 t ermöglidicu." ' I
Dtit grofeer pfehrheit mürbe, aflerbing# unter h e ftio rr 0 ppo* *
fition bcr Xertilarbeiter, ein Defdfeufe gegen bie Einberarbett gefafet: !
w ®ie Sefchäfttgung oon Einbent in gabrtfen unb SBerfftätten, auf
ftlufe* unb Eanalbooteit, unb bie 2ludnufeung ber Einber burch ben
Eapitaliften tft fchäbltch für bie Eiuber, eine llngeredfeigfeit gegen bie
(Eltern, ein Verbrechen gegen bad menfdjliche ©efchledjt; ed ift ferner
eine fdjmählidje Shatfadje, bafe ben Einbern ber Arbeiter nid)t biefelbcn
Schul* unb Spieloerhältniffe geboten merben, mie ben Einbent bcr
Eapitaliften; ed ift $h a tfadie, bafe ISttglanb in biefer Ve 3 iehung hinter
anberen Säubern juriief ift; ed ift ^hntfadje, bafe umglüdlidjc (Eltern,
unter einem unglüeflidjen Spftem, thatfädjlich einmiöigcn, unb fogar
banach ftreben, bafe bie Einber aud ber Schule geriffen unb in Fabrifeu
gefteeft roerben. 3n Grroägung biefer SbatfadfjeH ift bcr Eongreft ber
anfedjt, bafe ed 3 ftt ift, für Snglanb baoon absuftehen, fein Deidi auf
Einberher 3 en auf 3 ubaueit unb fein Vermögen aud bem gerftörtnt Sehend*
glüd ber Einber 3 U prägen, tiefer Eougrefe beauftragt bal)er bad
parlamentarifche Eomite, ald augenblictlidied Vtinimutn oon ber Slegie*
rung 311 forbern: a) bie Slbfd^affung her Einberarbeit für Einber
unter 14 Saljren, b) 2lbfchaffung ber Vadjtarbeit für Unermachfene unter
18 Sehren."
S)ad fenb mohl bie bebeutfamften Sefchlüffe bed Eongrcffed.
Sieben ihnen mürben noch oiele 2 >ufcenbe anbere gefafet, 311 m
lehrten alte SBefannte mieber, mie eine SRefolution für beit adht*
ftünbigen 2lrbeitdtag, bie ooUftänbige Sonntagdruhe, ben früh 5
zeitigen Sabenfdhlufe, 3 um S^hcil aber auch folche, bie mit Arbeiter*
fragen nur lofe 3 ufamiitenhängen, rote protefte gegen ben
metallidmud, gegen ben Erieg mit Xrandoaal 2 c. Dtan begreift bei
bem Sefen biefer Verhanblungen bidioeilen, bafe bem Eongrefe and
feiner DHtte oorgeroorfen roerben Jonnte, bie $)elegirten oergenbeten
3 u Diel 3eit bamit, über £>inge 3 U reben, bie fee nicht genügenb
oerftänben; unb 3 roar rourbe biefer Xabel erhoben oon bem ewigen
roeiblichen ^elegirten, grl. Vonbfeelb ootit ©eroerfoerein ber Sabcn*
gehiilfen. 23emerfettdroerth ift noch, bafe ein Eintrag auf (Einigung«*
ämter mit 3 roan g § öefugnife mit 3 tüc törittel * Dtehrbeit abgelebnt
rourbe. 2 luf bie pflege ber Beziehungen 3 U ben 2 lrbciterorgani*
fationen im Sludlanbe, bie eine SRidjtuitg 3 U ftärfen ioüitfd)te, mürbe
oon ber Mehrheit fehr menig SSertl; gelegt. Sthliefelidj mürbe bad
parlamentarifd)e Eomite mit 3 trei EReubcrufungcn toieber gemählt
unb ald 0rt bed nächften Eongrejfed $>ubberdfielb beftiinmt.
^em Berichte eiued uuferer englifchen Dcttarbeiter entnehmen
mir noch folgeube fritifd)e Demerfuitgen: „^er 32. Xrabc Union*
Eougrefe hot menig (Eütbrncf auf bic öffentliche Dichtung gemacht
mtb mahrfcheinlich mirb er and) ebenfomenig bie ©efepgebung
bed fommenben 3 oh rc ^ bccinfluffen . . . 2 lnftatt bafe bic grofee
Verfamntlung ber Deffentlichfeit mehr ald irgenb ein aubered (Er*
eignife bie Eraft nnb ©inigfeit ber organifirten 2lrbeit oor Singen
führte, mie fee ed bod) oermöd)tc, führt fee häufig nur ba 3 ii,
3miftigfeiten unb Dlangel an Solibarität 3 U enthüllen: Glicht eine
madjtooüe Ennbgebung, fonbern ein Stitmnengeroirr, nicht flare
unb praHifche gorbcruitgen, fonbern allgemeine SSünfche unb uage
Hoffnungen treten 311 Za$c. 3nt eigenen 3ntercffe bed Eongrcffcd
erfd)eiut ed nothmcitbig, bafe roeniger ©egenftäube auf bie ^aged*
orbnung gefefet unb biefe forgfältig burchgebad)t unb oorbereitet
merben. 3or 3 e h hot ber Eongrefe eine ernfte probe burrf^u*
machen unb in biefem 3 oh^ hot er menig 3 U feiner eigenen Eräf*
tigung beigetragen . . . Dlöglidjerroeife führt bie Xhatfadje, bafe
bie audgcfehloffenen Dlafd^inenbauer fed) 31 t ber neuen General
Federation of Trades holten, 3 U ber S3ilbung eined 3 meiten (Ecntruind
für bad ©emerfoereindrcefen, bad in 3 l, f un f* fl n Sebeutung mit
bem Eongrefe metteifert."
ßebhafte Slrbeiterbetofgtmg itt ©erltm Berlin hat 311 t 3 ät
eine redjt lebhafte Slrbciterberocguiig auf 3 umeifen. 3n Folge bei
giittfeigcit ©efdjäftdlage fenb bic Ho^bilbfeauer, pofcnncntirei,
©Iafer, Elempitcr, Dlöbelpolirer, piifeer unb Pufecrträger in eine
Sohnbeiocgung eingetreten, roäljrenb bic Former nnb bic durften*
unb pinfeimad^er bad (Eintreten in eine Sohnbetoegung beabfedjtigeu
mtb bie Partner* unb grifeurgchülfeu gegen bie lange Sonntag«*
arbeit Front mad)eu mollcn. 3 um °M't hoobclt cd fid) um Sohn*
ertröhuug bc^tn. Feftfefenng oott Diinbcftlöhnen, (Erhöhung ber
Sohnfäfee für lleberftunben, Slbfchcxffnug bcr 2l!forbarbeit, fotuie
mit fanitärc Vorfelnungeu in beu V3erfftättcit. So oerlaiigett
3 . P. bie Elempttcr mtb Dlöbelpolircr belfere Ventilation ber SSert*
ftätteu, gcuügenbe 2Safdjoornd)tungcn, bediufe^irte Sappen :e. Fa ft
in allem Vcrfammlmtgcn mürben bie Arbeiter 3 ttr 5Rubc uttb Pe=
foniicubeit ermahnt. 3u beu meiften Fällen fenb bic Slrbeiter
bereit« tbeilmcife erfolgreich gemefett, fo bie Dlarntor* uttb ©rauit*
arbeitet*, bie Eohleitarbeiter nnb Mohleufutfcbcr 2 c. ^a bie Berliner
Steinarbeiter nachträglich ben Sdjicbdfprmh bed (Einigung**
amted angenommen haben, biirftc aud) ber Streit ber Steiuarbetier
in Sdjlefeett unb Sach fett halb 31 t (inbe fein. (Einen gröfeerett Ilm*
fang biirfte ber Vlno(tanb ber pitfeer unb pufeerträger anttebmeit
1849
©ojtöle $taji8. EentralBlatt für ©ojtalpolttif. 9fr. Bl.
1850
ba bie Unternehmer bie gorbernngen berfelben: 8 di Dagclohn
bei 8 1 / 2 ftiinbiger SIrbeitSzeit bezw. 1 Jl Dagelohn bei neun*
ftiinbiger Slrbeitsbauer als „unoerfdjämt" nid)t bewilligen motten.
ViSher bitten bie ^ufcer bei neunftünbiger SIrbeitSzeit 7 dl Dage*
lohn. SBerfrf)tebene in einer gmangSlage befinblidje Unternehmer
foUen bereite bereinigt haben. Dem Vorgehen ber Klempner, bie
allgemeine Durchführung beS SfeunftnnbentageS, einen Sfinbeft*
ftunbenlohn non 50 4, Vefeitigung bezw. f)ö^erc Vergütung ber
Ueberftunben unb früheren Slrbeitsfdjluh an ben Samstagen unb
Vorabenbeit ber .hohen gefte forbern, haben ficb auch bie hem
Hirf<h s Duueferfchea ©ewerfoerein angehörigen Klempner an*
efcfjtoffen. 3mmer mehr jeigt fich baS Veftreben, Lohntarife für
eftimmte Triften frieblicf) zu oereinbaren unb bie aufreibenbe
Slfforbarbeit burch gewöhnliche Lohnarbeit gu erfefcen. gn golge
ber lebhaften Lohnbewegung jeigert nerfchiebene ©ewerffchaften ein
beträd)tlicheS Slnwadhfen ber SRitjIicbergahl. Da aber oielfadf) baS
Vinbemittel ber UnterftüfcungSfaffen fehlt, fpringen biefe neu ge*
roonnenen Vhtglieber nach ßrlebigung ber Lohnbewegung auch
leicht wieber ab.
Der HnOftanb ber Kofjlenfiergleitte int fßlaiteitfffjctt Cirtmbe ift oon
ben Vkrfsuerwaltungett mit einer SluSfperrung ber Arbeiter beantwortet
worben. Sin ?luSbehnung fchemt bie Bewegung nicht gewonnen zu haben.
Dad <$nbe ber 9RafFeitau£fpcrrmtg in Dftnemarf hat fich unter
oottftänbiger 9hihc oollzogen. Slm 9. September ift bie Arbeit
überall wieber aufgenommen worben. Die ftrenge Disziplin unb
bie tnufterhafte Haltung, bie bie Arbeiter in ben 16 SSodhen mäh*
rettben Kampfe bewiefen haben, futb ber befte Vemeis für bie
erziehliche ©irfung ber Drganifation; oon bem $rimaS ber bänifchen
Kirche, Vifcfjof Störbani, werben fie in-warmen SBorten anerfannt;
er hat nämlich nach Veenbigung ber Sperre einen Hirtenbrief
oeröffentlicht, in bem eS u. Sf. hei&t:
„Sch biti überzeugt, bah alle rcd)tfdjaffcnen Vfrnfdjen barü 6 cr einig
fetn werben, bah bie Haltung ber Arbeiter währenb ber langen Sperre
fo mufterhaft gewefen ift, wie eS wol)l SUemaitb enoartet unb wie bie
SWciften es als ltnbcnfbar crflärt hätten, wenn man hätte ooranSfehen
fönnen, bab bie Sperre unb bie barauS folgeitbc SlrbeitSlofigfeit für fo
niele Saufenbe über ein Vierteljahr bauern würbe. Jdj weif} nicht, ob
man irgenbwo etwas SlehnlidjeS gefehen hat, eS ift jebodj befannt, bab
in mehreren auberen Länbern eine uicl fi'trjere Hrbcitslofigfeit grobe
Unruhen heruorgerujeit hat. Hier haben folrfje gar nicht ftattgefnnben,
was fchr für bie bäntfdjcn Arbeiter fpridjt unb allgemeine Sympathie
für biefelbcn hcroorrufen muh-"
Der Vifchof forbert bann Sitte auf, währenb bes beoorftehen*
ben VMitterS bie Familien ber Arbeiter, unter benen oielfacf) noch
grobe Sloth berrfcht, mit ©elbbeiträgen zu ftüfcen. Slnbere ©eift*
liehe fud)en ihre Sympathie für bie Slrbeiter baburch zu zeigen,
bab fie eine 3teibe populärer ^orträge für fie angefünbigt haben.
Sind) in anberen VeoölferungSfreifen hat fich eine merfthätige
Dheilnahme geäubert; fo hatten z- V. greölftanfenb Kinber aus*
gesperrter Slrbeiter in Vauernfamilicn Unterfunft gefunben. 33ie
bie bänifchen Slrbeiter felbft baS Ergebnif} ber Kampfes beurtheilen,
möge aus folgenber Kundgebung beS Vorfibenben ber 80 000 Sir*
beiter umfaffenben centralifirten ©enoffenfchaftSoerbänbc in Däne*
tnarf, 3. Stufen in Kopenhagen, erhellen:
Das Stefultnt für bic Unternehmer ift gleich Shell. Die gorberung,
bab bic ©ewerffchaften bie Slllcinhcrrfchaft ber Unternehmer bei ber
Leitung ber Arbeit anerfemten unb „garantiren" füllten, ift zurücf*
gefdjlagen worben. Der Vergleich behauptet bas 9)htbeftimnumgSre<ht
ber Slrbeiter bei ber geftfejutng beS SlrbeitSoerhältniffeS unb anerfennt
bic ©ewerffchaften als bic natürlichen Vertheibigcr ber Siechte ber Sir*
beiter. Die Unternehmer oerlangteu, bab bie ^reiStarife fäinmtUdjer
Vrandjcn gleichzeitig, nämlid) am 1. Januar, ber für bie Arbeiter
nngünftigften Jahreszeit, ablaufen füllten. Daburch wollten fie alle
totalen unb partiellen Lohnbewegungen oerhinbern unb burch bie
Drohung einer allgemeinen SluSfperrung mitten im Söinter eine jebe
Jorbcrung oon feiten ber Slrbeiter unmöglich machen. Diefe gorberung
haben bic Unternehmer aufgeben müffeit. Sie oerlangten weiter, bab
bic ©ewerffchaften ben Vkrffiibrern unb Vorleuten bie Slufnahnte als
SDiitglieber uermcigern foHten. Diefe gorberung ift ebenfalls aufgegeben
worben. gür alle gewöhnlichen Slrbeiter ift eS als eine natürliche
^flidit feftgefept worben, in ihren ©ewerffchaften 3 U fielen, inbent biefe
als bas einzigftc Drgait anerfannt worben finb, burdj weldje bie Sir*
beitgeber mit ben Slrbciteru oerhanbeln füllen. DaS Siecht zum Streifen
ift offiziell anerfannt worben unb baburch ift fjoffcntlid) bem 3 »chthauS*
fürs, welcher in unferen Sfachbarlänbern in ber lepteren 3 ei t begonnen
hat, in Dänemarf ein Sliegel oorgefchoben worben. ISS foU ein aus
ebenio oiel Slrbeitern wie Slrbeitgebcm beftehenbes Schiebsgericht, ge*
wählt oon ben Crgantfationeu unb mit einem gemeinfchaftlid) erwählten
Vorfibenbcn, crridjtet werben. Die bänifche Slegierung unb bie leitenben
^olitifer im StcidjStag haben oerfprodien, biefeut SdjiebSgerithte gefep*
Udje Slncrfenmmg zu oerfchaffen. Der angenommene Vergleich orbnet
ein Hanb in Haub gehen an bei ber Jeftfetwng einer Vcibe gewerb*
lidjer Verhältniffe, namentlich bei ber SluSarbeitung oon SBerfftatt*
orbnungen unb ähnlichen Veftimmungen. Die Cuintcffenj bes abge*
fchloffenen Vergleiches wirb in feinem lebten fünfte auSgebrücft, weldjer
beftimmt, bah «He beftchenben Verträge unoeränbert aufred)t erhalten
werben füllen. Unb gerabe um biefe Verträge oeränbern zu fönnen, war
eS, baf} bie Unternehmer ben Krieg führten. Der inbuftriette Varianten*
tariSmuS geht alfo ftegreidj aus bem Kampfe hrroor, welchen bie Unter*
nehmer eröffneteit, um beit inbuftrietten Slbfolutismus eiitführen zu fönnen.
Vom 18 September wirb aus Kopenhagen gemclbet: Der
König empfing Vanfbireftor Heibe, ÖolfethingSabgeörbneten Drier
uub Vanquier Ving in befonberer Slubienz nnb jprach feine Sin*
erfennung aus für ihre energifchen, nneigennübigen Veftrebungen
für ben SJbfd)luf} ber großen Slrbeiterfperre.
Arbeiter fjd^
SfttS ben Berichten ber pren^ifchen Vergbehörben für 1898 ift
Zit entnehmen, baf} bie 3°h* & er ©teinfohlen*, Vrauitfohlen*,
ferz*, Da<hf<hiefer* unb Salzbergbau, fowie beim Salincnbetriebe
befchäftigten Slrbeiter 441 558 betrug, barunter 8189 grauen unb
13 239 junge Leute oon 14—16 fahren uub 50 Kinber unter
14 3ahren. ©egen 1897 ift bie 3ahl ber ©efammtbelegfdiaft um
24 487, ber Slrbciterinnen um 219, ber jugenblidhen Slrbeiter um
1034 geftiegen. Von ben 8189 grauen ftanben 3492 im SUter
oon 16—21 Salden, 4697 waren über 21 3ahre. 3989 Slrbeite*
rinnen würben im Steinfohlenbergbau, 761 in Vraunfohlcnberg*
werfen, 3430 in (Srzbergwerfen unb SlufbereitungSanftalten, 9 in
fonftigen Söerfen befd^äftigt. 3 um iiberwiegenben Dheile würben bie
grauen im Dberbergamtsbezirf VreSlau, befonberS in Dberfdhleficn,
befdjäftigt, nämlidh 7029. Sluf ben Vezirf Hatte entfielen 663,
auf ben Vezirf Vonn.441, auf ben Vezirf Dortmunb (Vuhrreoier)
nur 23, auf ben Vezirf Clausthal 33 Slrbeiterinnen. Die Dber*
beraamtsbezirfe Dortmunb unb Vonit (Vuhr* unb Saarreoier)
wiefen bagegen bie meiften jugenblidhen Slrbeiter auf: 6221 unb
3749. Unter ben 13 239 jugenblidhen Slrbeitern waren nur 592
weiblichen ©efd)lecf)ts. $ad) ber amtlichen Lohnftatifüf hat ber
oerbiente reine Lohn im 3«hre 1898 auf eineSdhicfjt im Durd)*
fdhnitt betragen für SJfänner: in Dberfchlefien 2, 73 e f(. t lieberfc^Ieften
2,67 <.'!(, ^uhrreoier 3 ,74 J(, Saarreoier 3 , 40 beim Vraun*
fohlenbergbau (Hatte) 2, 74 Jf , beim Erzbergbau (im VlamtS*
felb’fchen) 3,os <M, beim Salzbergbau (Hatte) 3 ,59 1 4L giir
grauen: in Dberfchlefien 0,97 Srieberfchlefien 1,35 dt, im
Hatte’fdhen Vraunfohlenbezirf 1 , 54 c/ÄI gürjugenbliche Arbeiter:
in Dberfchlefien 0,94 dt, Srieberfdhlefien 1,02 dt, Sluhr* unb Saar*
reoier 1,20 bezw. 1,13 dl. Die Sirbeitszeit ift in ben oerfchie*
benen Vezirfen oerfdjieben. 3n Dberfchlefien erfolgt bie Vefchäf*
tigung ber ermathfetten männlichen Slrbeiter ber Steinfohlengruben
meift in elfftünbigen Dag* unb Siadhtfdhidhten mit einer VhttagS*
paufe oon 12 bis 1 Uhr, in ber bie Sdhadjt* unb auch bie
Strecfenförberung ruht. SSährenb ber Siadhtfchicht wirb nicht ge*
forbert. Die auf SluS* unb Vorrichtungsarbeiten -angelegten Leute
finb in brei adfjtftünbigen Schichten in 24 Stunben thätig. 3m
9luhr* unb Saarreoier ift bie SlrbeitSzeit eine fürzere. Die ©e*
fammtbelegfchaft war am ftärfften im Stuhrreoier: 194 491,
Dberfchlefien 96196, Saarreoier mit Söurmreoier 90317, Dberberg*
amtSbezirfHatte 47363,DberberaamtSbezirf ElauSthal 13191. — gaft
in allen Verichtcn wirb über Slroeitermangel gef lagt. VehufS Ver*
ftärfung berVelcgfdhaften muhte baher ftettenweife mehr als bisljer auf
bie jugenblidhen Slrbeiter unter 16 gähnen zurüdfaegriffen werben.
Die Vabeeinridhtungen fcheinen nodh oielfa^ ungenügenb
zu fein. 3m SUlgememen fmb bie Verichte, was bie Verhältniffe
ber Slrbeiter unb bie Slrbeiterbewegung betrifft, giernlid; bürftig.
SluS bem DberbergamtSbezirfe Hatte wirb über einen weiteren Viicf*
gang ber fozialbemofratifdhen Vewegung berichtet. 3n Vetreff bes
VuhrreoierS hrifjt eS: „SluSftänbe haben nicht ftattgefunben. Ve*
ftrebungen, bie Vergarbeiter ^ux Drganifation z u oeranlaffen,
machten fnh audj im gahre 1898 betnerflid). Es fommen babei
im hefigen Vezirf hauptfäd)lidh ber fogenannte „alte Vergarbeiter*
oerbanb" uub ber „©ewerfoerein <hriftlid)er Vergarbeiter" in Ve*
tradjt. Veibe Vereine bcfdfjränfen fich nicht auf ben SWuhrfohlen*
bezirf, fonbern fudhen aud) i n anberen Vergbaubezirfen s ßreu|enS
unb DeutfchlanbS Vlitglicber z« gewinnen. Veibe haben in biefiger
©egenb fo oiel s HritgIieber, bah ihr Einfluh bei gewiffen ©elegen*
heiten, z* 33* bei ben SBahlen ber KnappfchaftSälteften, beutlich bc*
merfbar ift. Vergarbeiteroerfammlungen würben mehrfad) abge*
halten. Vei benfelben famen Slngelegenbeitcn zur Erörteruncg, oon
benen bie Vergleute näher berührt werben, fo bie grage einer
fd)ärfereu Ueberwad)uug ber Vergwerfe, KuappfchaftSangclegnt*
1351
©ojiale ©ra^i«. SentralBIatt für ©ojialpoltttf. Nr. 51
1352
beiten 2 c. Qm (Großen itnb ^anjcn rcnr bcr Verlauf biefer Vh*
fammluitgeit frei von leibenfdjaftlicfjer (Srrcgmtg. T>ie Theilnehmer*
3 al)l mar meiftend nur gering/' Nieljrfad) mirb riigenb fjeruor*
gehoben, baß bic ^Bergarbeiter gern 0d)id)ten anSfallen ließen unb
namentlich nad) bem Sohntag betn Vikrftag fernblciben. V£te in
beu rbcinifchen (SJcroerbeauffuhtSberichten bie oielen Kinnesfeiern
getabett werben, fo flagt ber Bericht aus bem ©erareviet ßobleu^
iiber bie übermäßige Abhaltung oon Trinfgelagen Der ©teinhauer
unb 8 teinbred)er bes SRarjetter KtetfeS, fomie ber ©djieferbrechcr
unb Spalter bes (Sachemcr KreifeS. SDie 3unahme ber ©erroilbe*
rung unb Verrohung ber Sugenb ftehe hiermit in unmittelbarem
3 ufammenhange. Bericht über baß ©ergrevier DSnabrücf
mirb auch für ,3 be£ Streifs auf 3 e£ h e $i^berg gebacht. T>ie dtn*
fteüung beS Betriebes fei für nothmenbig erachtet worben, meil
3 ur ©efätnpfung ber langjährigen 3SafferSnoth bie ©elegßhaft fich
burch ihren ©Mberftanb gegen ben Arbeitgeber unfähig ge 3 eigt fyaht
unb meil bei ber ifolirten Sage beS ©ieSberg eine geniigenbe ($r*
ueuerung ber ©elegfdjaft unmöglich erfchienen fei.
©efttutmungen über bie Betriebs* itnb Nuhegett ber (Süfenbahn*
betriebsbeamten in $cutfd}fanb. T>ic im Srühjahr b. 3 «- auf An*
regung unb unter Seitung beS §Reid)S*difenbahnamteS jmifchen
Vertretern ber ©unbc®ierungen vereinbarten Veftimmungen über
bie planmäßige T)ienft* itnb SRuh^eit ber @ifenbal)nbetrieb3*
beamten, welche fid) im ©kfentlidjen an bie in einzelnen Staaten
fchon beftehenbeit Anorbituitgen, namentlich an bie in Preußen
geltcnben Vorfdjriften anlehnen, ftnb nunmehr oon allen SBitnbeS*
regierungen angenommen. T)ie ©eftimmungen treten mit bem
1 . Dftober b. 3 $. iu Kraft.
©rgen bie Nachtarbeit in fjranfreidh« 3 n ©ari$ fod bem*
nächft em Kongreß jufammentreten, ber über ein anguftrebcnbeS
Verbot ber Nachtarbeit foroohl für grauen ald für Viänner Vefchluß
faffen foH. Au bcr Veroegung gegen bie Nachtarbeit finb in erfter
Sinie 0>3roßiubuftricüe betheiligt, fo bie Te^tilinbuftrieüen ber
Vogefen, mie aud) Unternehmer im Norben granfreid)S. T>cr be*
tanute ©roßinbuftrielle Vir. Eugene Viotte, ber bereits in ber
Icßten Kammer! effion fich eifrigft für ein allgemeines Verbot ber
Nad;tarbcit auSgefprochen, ift mit ben Vorbereitungen ju biefem
Spe^ialfougreß befd)äftigt.
Unfälle bcr @ifeubnf|narbciter in ©tiglanb. Tie ©ifeiibabnuitfäüe
in (inglaub iu ben beiben Icfeten fahren, bie mit bem Vetricb in ^tt*
fammeubang 31 t bringen finb, oerurfaebten 545 TobcSfäflc unb 12 979
Vermuubnvgcu unter ben (iiienbal)nbebienfieten. Nad) einer Statißif
oon is .95 befdiäftigen bic englifdjcu Valuten 465 112 Arbeiter, fo baß
bic Proportion bef töbtlirfjcu Unfälle 1,09 auf 1000, jene ber Vermun*
bnngeii bei Unfällen 2« auf 1000 im gal)rc 1898 betrug. — (Siegen*
märtig befaßt fid) eine föuiglicbe Mommiffiou in cfttglanb mit ber grage
ber liifeubfllmunfälle unb beS Sdjußcs ber (Sifenbabuarbeiter im Tietifte.
Vefoitbcrs mirb bic grage bcr automatifdjen Kuppelung erwogen.
JtrbeUeroermernng. SpatbaflTett.
gittmlibttätS* itnb AUcr£*Vnfichcruit 0 $attflalt ©erlitt 1898.
Sie Vcnvaltungsberidüc ber großen ©erfidjeriuigSaiiftalieii madjfeu
fiel) allmälig $it ganzen Mompenbicu bes ArbeiteruerfidjerungSmcfcnS
unb einer Ucberfidjt feiner Ve Währung in ber ©raris aus. Ter „Vcr*
maltuugoberiäit ber gnualibitäts* uub Alters=VcrßduTuugsauftalt ©erlitt
für basNednmiigsjahr 1*98" <gr. 4°, 123 S., Trurf bei ©3. <fc S. Poemen*
tbal, ©erlitt 0 .),' bereu uerbieuter Vorfißenber Dr. jur. greuttb ift, möge
als Veleg für nufere ©ehauptmig bienen. Von bem Umfang bcr Wc-
fdiäftotliätigfeit einer foUben Verfidjerungoanftalt giebt bic Viittbcilung
ein Vilb, baß bie Journale Isus inogefauunt 80 583 (täglid) burd)fd)nitt=
lidi 270) Sdniitcingänge uub 9.7 415 (täglid) 318) ^diriftauSgätige
nadimiefen, ^uiammeu aiio 125 . 99 s 2d)riftfad)eu. Tie Steigerung biefes
Verteilte gegen bao Vorjabr um rutib 20 000 Sachen fommt ßaupt*
fädilid) auf Ncdmnug beo ftetigen 2i?ad)fenS ber ^uoalibenrentemAiiträge,
fomie ber Anträge auf llebcruabmc in bie «Uraufenfi’trforge bcr Anftalt.
Tie lmifangreidien Tabellen geben iiber bie .s>erlumt bcr Anträge babin
genauen Aitnddu-ß, ob [ie von bcr Verlincr rA'agiitratoabtbcilung, von
einer 'Vororiobeluube ober einer anomärtigeit Vebbrbe übermittelt mürben,
unb ftellen ’gigleid) feit, mie lauge ber Antrag bei ber unteren Vcr*
maltungobdiörbe verblieb unb une viel /,eit er bis 311 feiner tirlebigimg
benot big :e. öin Alters- nnb Tnua Ubitätsantrag mnrbe barnad) bei ber
unteren 'Termaltniigsbelibrbe im TnrdnVhnitt 15,5 be^tv. 60,4 Tage bis
31 t inner Ueberinitielnng an bie Veriidurnngsanitalt , 311 rücfbcl)alteil; bic
faß boptvlt io lange Vorbcretinngs^cit .ber Tnualibenanträge mirb auf
bte Anbornng ber 2'ertraitenomanner 3 itri'n'tgefiil)rt. Tut (^ati^en be*
aijifprndite ein Alters* Öeyo. oiioaltbcitrcntewaiitrag 2 s ,8 I 1 C 31 V. 51 Tage
bis 311 feiner Orlcbigimg, eine Trift, bie bisweilen genügt, bic Nenten*
anmeifnng 311 ipät tominen 31 t laßen. 3o ftarben lsüs 3. 22 5 mann*
lidie nnb 6 meibltdn' Neutenbereditigte vor /»nfiellnng bes Armen*
befdjeibes; mir tu 2 gällctt Davon mürben beu Hinterbliebenen bie
©eiträge crßattct, tu bett übrigen gälten verfolgten bie Angehörigen
bas Acntcnuerfnhreit nicht.
Von ben 1215 Scannern be^tu. 451 grauen, bie 1898 invnlibem
rentcnberechttgt mürben, finb innerhalb bes VertbeilungSjabrcS 400 brpv.
59 ober 32,9 u /o unb 13,i % geftorben. Ter Hauptproscntfab entfällt
auf bie jüngeren Altersflaffen. Vei ben ^Näitucrn von 20 bis 35 gabren
finb oon 186 Neutnerii über bic Hälfte, 90, innerhalb beS Vertbcilungs*
jahres ber Ncntc geftorben; eS fittb bie gabreSflaffen, bic bie tneifien
^ungenfdjiviubfüchtigeu ftellen. Tic ©elaftung ber Anftalt burd) bie
Acute eines ÜNannrS be^iv. einer grau, b. h- bie Tifferenj jtvifrtjcit beu
Ü’ciftungen ber gnoalibenoerfidjerten utib beit gejafjlteu Nentcn bered)net
bie Anftalt auf 76,89 bc,yv. 64 ,11 M.
Unter ben Altersrenten ftetgen bic Anteile ber böbereu Alters*
gruppen, tvaS befagt, baß bei beiben ©efdjlcdjtcrn ber ^^Iritt von
AltcrSrentnern aus bei* jüngften klaffe nur flein ift. Tem Veruf nad)
fteßen bei ben Vcäunern au erfter Stelle bie in ber giibuitrie befdiäf*
tigten mit 422°/oo, bei ben grauen iibertoiegen bic ©ertönen in 2 obu=
ai’bcit mechfelnber Art mit 531 ü /oo- Vei ben gnvalibeurentneru über*
miegt in allen gaßren bei beiben (^efd)ledhtern bas Alter von 65 bis
70 gaßren, morauf ein ftarfeS Stufen ber Antbcite fmttpnbet. 1892
waren nur 4,9 % ber männlichen gnvalibenrentner über 70 gabre,
1898 bereits 10 , 9 %; tveiblidte Acntner biefe» Alters gab cs 1893 —
1892 waren nod) feine uorbanbeu — 8 , 7 %, 1898: 14%. Tas erbeb*
lid)fte Kontingent bcr guoglibcnreiitner [teilen bie mäniilidjeu inbuftriellen
Arbeiter unb bie weiblichen Ticnftboten mit 551 nnb 450 % 0 . Xie
pro 3 cntitale gunahnte ift bei ben AlterSrentncru febr gering, bic utänu*
liehen bejiv. weiblicbeit gnualibenreiitncr haben fid) um 38 ,1 be$w. 44,v» ü 0
vermehrt. Abfolut fteben 2883 Altcrsrentiiern 5032 gnvalibenrentner unb
1 055 AlterSreiitncriimen 1 790 gnvaltbenrentiterhnien gegenüber. Tie
3al)l bcr gnoahbeurentiicr beiberlci ®cfd)Ied)iS bat betmiad) bic ber
Altersrentner bet 9Bcitent iiberbolt.
Unter ben gnvalibitätsurfadjen fteßen bic Kraufheitcu bcr 2unge
immer itod) obenan. Tie Öutigeiifdjwtnbfndjt ift cs bei 24,59 0 Der
Vfätnter unb 15,67 u / 0 bcr grauen, fonftige 2ungeufraitfl)eiteii finb es in
11,03 unb 6,92% ber gälte. 16, 7 c.% ber grauen werben burd) „Chit*
fräftumj, ©lutarmuth uub Alterjd^wädje" inualibifirt. Tie mcdjanifcbeii
Verlepuugeu (Verluft einzelner Körpertbeile, Afnod^cnbrüdjc, Verrcufuitgeu,
£'itetfd)iiugeu, Sutibcn :c.) fpieleti nur eine geringe Nolle, bei Den
SWännern madjeti fic 1,87 u 0 , bei beit grauen 3,iu "/ 0 aus. Teu größten
pro 3 cntfap von Initgenfd)minbfüd)tigen gttoaliben (32,2 u /, ) weift bie
Holoinbuftric (titcift Tifdiler) auf, nur bie Angehörigen ber gnbmtrie
ber Steine itnb (Srbeii (Steinmcpe, Steinfdilägcr :c.), bic in biefer Auf*
fteüung nid)t beriirf|id)tigt finb, geigen einen höheren ©r 0300 faß mit
42,9%. Tie Sungeiifraufheiteu überhaupt treten tut SKarimum beim
©augewerbe (44,5%) unb bcr Ho 1.3* unb Sdmißftoffinbuftric (44,3 0 o»,
im Vüntmum bei beit Ticnftboten (30,2%) auf.
Tie ©eitragserftattungen in HeiratbS* unb TobeSfälleit begiiiueii
allmälig 31 t ©ttd) 31 t fdjlageu. An weibliche perfoiicn, bie eine ö*be
eittgingen, beoor fie in beu Olemtß ber Ncntc gelangt finb, murbeu lsos
für Nedmung ber VcrfidjerungSanftalt ©erlitt burch bie ©oft 227 294,41
iu ben gabreit 1895 bis 1898 3 iifammeti 520 464,iu .✓/ ge^ablt. V?äbreub
von 10 (X) biefer grauen vor ihrer Verhcirathuug 536 bem Staube ber
Tienftboten angebörten, waren eS nur 77 geborene Berlinerinnen; bie
geborenen Verlitieritmen werben lieber Arbeiterinnen ohne nähere ©c*
3 eidjitung (297 ° /00 ), VefleibiiiigSinbuftriefle (279°%) unb Hanbelsangc--
fteüte (172 % 0 ). An VUttmen unb Kittber verftorbener mämtlid)er ©er*
fonen ober vaterlofe Kirtber verftorbener tveibiidjer Verfidjerter ftnb im
gleichen gaßr 52 506 ,03 .//. erftnttet worben.
Auf bem (Gebiete ber gnvalibitäts*Verbiitung hat bic Anftalt
©erlitt einen ©erfttdj mit bem Sanatorium (Mtergoß getnad)t. (is um*
faßte 74 Vetteu; brei Töcfcrfche ©araefen, bie bas (Seiitralfomite Der
beutfeben Vereine vom Nöthen Kreu 3 foftenfrei geliehen hatte, gemährten
mährenb bes Sommers bett Nautn für weitere 21 Betten. Ter Unter*
haltung unb Anregung ber Kraufen wegen würben biefe im ©Sinter in
ber gefdjußt Iiegeuben Veraitba ber Anftalt mit Kerbjdjuiparbciteit bc*
fdjäftigt. TaS Nohmatevial ba 3 u liefert bic Anftalt imentgeltlid): bie
gefertigten ©cgcitftäitbc werben beu Kranfcn überlaffett. Vier fid) frei*
willig baju melbetc, erhielt Uuterrid)t irt ber beutfdjcu Sprache, im
Ncd)tten, fomie im (Gebrauch ber Scbreibniafdune. OlefaugSübungctt,
populäre Vorträge u. f. tv. foücn bie Heilerfolge burd) bie pfpdjifdic
(Sittmirfuttg erhöben.
Tie Erfolge fittb noch nicht enbgültig fcftjuflelleit, wenn fid) and)
3 toeifelloS eine giinftige Tcubctt 3 3 eigt. Von ben 401 ©erfoucu, weldte
verpflegt unb bebaitbelt würben, würben im Siaufc bes Veridjtsjahres
339 eittlaffen, utib 3 tvar 169 als geheilt, 121 bis 3111 * 15-rwerbsfäbigfeit
gebeffert, 49 uttgehcilt unb erwerbsunfähig; 62 verblieben in Vchattblttitg.
Von ben (intlnffencn waren 24 311111 3 weiten unb 3 toci 311111 brüten SNale
im Sanatorium. Von bett innerhalb bes gabres 1898 als erwerbsfähig
(iittlaffenett haben 11 bis 311 m 1. April 1899 einen netten Antrag auf
Uebcmaljiite in bie .Stranfenfiirforge ber Anftalt uub 25 einen gttoaliben*
rentenantrag gefteüt; eine Neifjc biefer Anträge würbe aber auch itt
höherer gußan 3 wegen nod) befteheuber (irwerbsfäl)igfeit abgelehnt.
Seit (iröffunng bes SanatoriuntS am 14. Anguß 1894 bis Anfang 1S99
verließen bas Sanatorium nad) abgefdjtojfcuem Heilverfahren 1 073 ©er*
fonen, wovon 67 3 iveintal uub 4 Dreimal bort bebaitbelt worben
waren. Von 3t >0 Dieter 1073 I5ntla[fcueu fontite am 1. gauuar 1899
1353
€o&tale fragil« ©entralblatt [ür Sostalpolittf. 9lr. 51.
1354
ermittelt werben, Baß 187 eine 3noalibenrente erhalten haben, 35 oor
93ejug einer 3noalibenrente gcftorBen ftnb unb baß fcbließlid) Bei 78
ein erneuteg £>eifoerfafjren eingeleitet würbe. Bon 133 (SrwerBgunfäfjigen
Hefe fid5 nur Bei 83 ber Job ober ber Bejug einer diente feftfteUcn.
HHeS in Hffem ergieBt ftc^ im Beginn beS 3afjreg 1899 ungefähr ein
drittel (350) aller gaffe, oon benen 133 Bei ber ©ntlaffung oon feinem
Teilerfolge Begleitet waren unb Bei 117 im Saufe ber 3al)i* Ber erhielte
Teilerfolg oerloren ging. Jie lefctere 3abl tft in SBirflid)feit gewiß
nod) größer, fonnte aber nicht feftgefteflt werben.
©rfranfungen ber Taut, Knochen unb HRuSfeln, ingbefonbere ©clenf*
rbeumatigmus ftanben unter ben $ranfl)eiten mit 82 °/ 0 an erfter Stelle.
Jie meiften Pfleglinge [teilte bag oierte unb fünfte SeBengiaBrjefjnt mit
109 unb 101 . Jie burd)fcbnittlicbe BerpfleguttgSbauer für einen gaff
Belief fid) auf 78,s Jage gegen 93,6 Jage im Borjafjre, Me fürjefte
Jurcbfd)nittS 3 eit feit Befielen beg Sanatoriums. Jag längfte Teil*
oerfaBren Beanfprucbten B?agengefcbwüre mit 140 (159 im Borjabre)
Jagen, lieber 100 Jage bauerte bag Tdloerfabren Bei Bleioergiftungen,
^cHgewebcentjünbungen, ©elenf* unb Sfnorfjenentjünbungen, Bei 3ö<bt a@
unb Bei ©eftfywüren. Jie gefammte SfranfbeitSoauer (außerhalb unb
innerhalb beg Sanatoriums) 30 g fid) am längften Bei ©elenf* unb
^no^enentjünbungeu mit 285,2 (1897: 365,7) Jagen l)in, wooon 102,7
gegen 231 Jage im Borjaljr auf bie Behandlung tut Sanatorium ent*
fielen, ©in ©id)tfall Beanfprudjte 284, ein gaff oon Tpfterie 266 Jage.
Hit ber SBieberfierfteHung ber ©efunbbeit ihrer Grnäljrer im Sanatorium
waren 265 grauen unb 477 uimtünbigc Äinber unb fonftige Hngebörtge
intereffirt. Big 3 ur Htifnabme in bie töranfettfürforge ber Hnftalt Be*
jogen 244 tfranfcngclber, 91 waren auggefteuert. 3n 77 gaffen würben
ben nacbweislidj Bebürftigcn gantilien ber auggefteuerten Traufen 3 Big
9 „//. ^odjenunterftiipung gegeben, im ©anjen 4700 M. gegen 5600.//.
im Borjafjr. Jie Berpflegitng ber Sungentuberfulofen erforberte nttt
bett 92ebeitauSgaBen, wie gamilienunterftiibung, Beifegelbern, Hit*
fdjaffuttgen u. f. to. oon ber BerficberungSanftalt pro SRann 8,75 M .,
pro grau 5 M. Unfoften, ber einjelnc BerpffegunggfaE 342,98 M.
bejw. 428,33 M. Berpfleguuggfoften.
Jie ©rgebniffe beg Sanatoriumg ©ütergoß haben bie BerficberungS*
anftalt oeranlaßt, Biefen Berfucb auf Bern ©eBiete ber oorbeugenbeu
ßranfenfürforge 3 U einem bauernbett ju geftalten. Hm Bahnhof Becliß
Bat fte 1140 ha für 400 000 M. angefauft; bort folleit je ein Sanato*
rintn unb je eine Sungenbeilftätte für EWänner unb grauen errietet
werben. 3nSgefanunt [offen 00 m Sommer 1901 an 500 Pfleglinge auf*
genommen werben; bod) ift Bei ber Httlagc eine Hugbepnung auf
1416 Betten oorgefeben.
3[t aucB bie Tcilbebanblung ber BcrftcberungSanftalten, bie gamüien*
unterftüMing ber in BeBaitblung ©enommenen, wie [0 oieleg anbere ©ute,
W 0311 bie Bcrfidjerungganftalten burdj i^re großen drittel Befähigt ftnb,
erft in ben Httfangen begriffen, fo gieBt bod) unfere naefte HufjaBlung
aitg beit ©rgeBntffen einer BerfuberungSanftalt fd)on eine Hnfcbauung
baoon, weifte gewaltige fojiale JBat bie Straffung ber oBligatorifdjeo
Csnoalibettoerftcperung getoefen ift.
3Ubeiteitad)ttiete.
Jie Sage beg beutfdjett HrBeitSmarftcS geigte im Huguft wieber
ein überaus günftigeS (Gepräge, obwohl manche Httjeicbeu auf ein
SSeitben ber wirtbfcf)aftlicben Monjnnftur fließen Iaffen. Huch auf
bem HrbcitSmarfte felbft macht fi<b t^eilroeife ein 9?acblaffcit ber
lebhaften Nachfrage bemerfbar. @0 wirb aug Oberfcfjlefien be*
rietet, baß ber Hrbeitermangel nid^t meßr fo groß fei. Jer Hr*
beiterbebarf in ber fianbwirtbfcbaft b<*t auch in allen J^eilen beg
SReidjcg abgenommen unb in oielen mittelbcutfcben Bejirfen b fl t
bie Sfonferoeninbuftrie gafjlreidje HrbeitSfräfte bireft freigefeßt.
Gegenüber folgen Symptomen, bie auf eine ungünftige Berän*
berung im Bilbe beg HrbeitgmarfteS fdhliefeen Iaffen, fc^lt eg aber,
wie ber „Hrbeitgmarft" betont, namentiirf) im r!jeinifd)*weftfälifcBen
Snbuftriebegirf, nidgt an ©rfrfjcimtngen, bie eine fortgefejjt leb*
Ijaftere Befd)äftigung erwarten Iaffen. Ja^in gehören bie Bor*
bereituitgen oerfdjjiebener ©ifenba^nbireftioneit jnr Bewältigung beg
in biefen Monaten befonberg 311 ermartenbeit ftarfen ©ütergoerfe^rg.
2lud^ ber ilmftanb, bafe bie fortgefefeten Prci^fteigcruiigcn in ber
©ifeninbuftrie ben 9Jlar!t nid)t lärmen, foubern bte 9?ad)fragc nur
itotf) ftürmifd^er geftalten, mad)t eine weitere Jauer oollfter unb
anaefpanntefter J^ätigfeit wal)rfcl)einlic^. J)ie Hrbeitgfräfte in ber
©ifeninbuftrie ftnb in ber benötigten 3 al &I iti^t ju beftaffen,
Ueberftuttben unb Uebcrfticbten ftnb an ber Jagegorbnung. Hug
bem Berfeljre ber Hrbeitgnatweife ergiebt ftd) im Hllgemeinen noch
immer bag ftarfe Borwiegen ber für ben Hrbeitgmarft aünftigen
Blotnente. Huf 100 offene Stellen fommen im Huguft MefeS
nur 92,5 Hrbeitfucbenbe gegen 108 /ö im Huguft oorigeit
Sabreg.
Drgafttfattott Ber HrbeiigBermittelung itt Ungarn. B3ie ein
lebtin an bie Stabt Bubapeft unb an bie bortige T an ^ e ^f a mmer
ergangener ©rla§ beg ungarifeben T an ^Igminifterg erfeben lägt,
fdjtcft man ftcb iefet audb in Ungarn an, bie Hrbeitgoermittelung
auf moberner, neutraler ©runblage 3 U organifiren. 3n Ungarn
regnet man au<b nur bei oberfläcblidfjftcr Scbäbuna mit einem
J)ur<bf<bnitt£ftanbe oon 100000 Hrbeitglofen, wag bet Hnnabme
oon 300 Hrbeitgtaaen einen ßobnentgang oon etwa 24 BliEionen
©ulben mit fid) oringt. 9?atb bem Borftblage beg ungarifeben
TanbelgminifterS foHen bie 3 ntereffenten: ©emeinbe, Tanbelg* unb
©ewerbeforporationen bie Hrbeitgoermittelung leiten unb bie £often
m 3 wei J)ritttbeilen auf ftcb nehmen, wäbrenb ber Staat bag
Dritte drittel übernimmt. J)ocb fofi aue| ben Hrbeüertt ber
„entfpreebenbe" i n ^ er Bermaltung eingeräumt werben, um
bei ihnen bag unerläfeUebe Bertrauen 3 ur neuen Drganifation 3 U
weefen unb 3 U erhalten. @g wirb ftcb barum b^nbeln, wag
man in Ungarn unter einer foMjen „entfpreebenben" Bertretung
ber Hrbeiter oerftebt, refp. auf welebetn B3ege bie Hrbeiterbelegirten
gewählt ober berufen werben. f 0 ^ m it Bubapeft be*
gönnen werben. J)ie Äoften beg bortigen Hrbeitgnacbweifeg werben
auf etwa 15 000 fl. pro 3<*b r oeranfcblagt, ein drittel baoon über*
nimmt bie Staatgoermaltung, 3 wei Jrittel fottett bie Stabt unb
bie T an ^ e l gfainmcr Bubapeft tragen. J)ie ©runbprin 3 ipien beg
in Bubapeft unb bann in anberen Drten 3 U erriebtenben öffent*
lidben Hrbeiignacbweifeg ftnb im golgenben mitgetbeilt:
1 . Jer SBirftmgStreig beg gcwerBUiben HrBeitgoermittelungg*
$nftitutg erftreett f t( b au f Bie bei affen gewerblidjett 3^ e i0en oer*
wenbeten Hrbeiter, baber aueb auf Tanbelgangefteffte unb auf Berg*
unb Tüttenarbeiter ohne Stüdfubt auf Hlter unb ©efdflecbt.
2 . Jie ^nftitute ftnb mit ftaatlicber llnterftüpung oon ben TanbelS*
unb ©ewerBefatnmern mit T^ujicbung ber ©ewerbegenoffenfebaften
unb ber anberen interefftrten gadjtorporationen 31 t erriebten in ber
SBeife, bag bie ©ewerbegenoffenfebaften, ingbefonbere in ber Brooinj,
bie Organe ber ^nftitutc fein werben, ^n ber $rooin 3 werben biefc
3nftitnte oorläufig an bem Sifee ber Tanbelg* unb ©ewerbefammer
errichtet.
3. @g ift notbwenbig, Baf) bei Ben HrbeitgocrmitteIungg*3nftituteu
Aur ©rlebigung ber Hngelegenbeiten ein Hugfcbub mit einer mäßigen
3abl oon Britgliebern, in bem audb Hrbetter oertreten fein [offen,
wirfc unb ift ber HuSfcbufi in ber B$eife 3 ufammeii 3 ufteffen, bah ein
Jrittel aug Hrbeitgebern, ein Jrittel aug HrBeiterit unb ein Jrittel
ang oon beiben Parteien uuabbäitgigeit nnparteiifdjcii B^foncn BefteBe.
Bei Bern in Bubapeft 311 erridjtenben 3nftitute Baben bie T au Pt s unb
9 fteriBen 3 ftabt, bie Bubapcftcr Tanbelg* unb ©ewerbefammer, ber Öanbeg*
3 nBuftrieoercin unb möglid)crweife bie cin 3 elnen ©ewerBegenoffenfebaftcn
je ein SJtitglieb in ben Hugfdjufe 3 U entfenben.
4. Jie HrBeitgocrmittelung ift foftenfrei.
5. Jag DBerauffidjtgredit über affe Hrbeitgüermittelungg*3nftitute
übt ber fönigl. iiugarifdje Tanbelgminifter.
6 . ©g ift wfmfcbengwcrtb, baß bie nadf) biefen ©runbprin 3 ipieit
au errid)tenben 3»ftttute mit affen bereits beftebenben Bereing* ober
Brioat*HrBeitgoermittelungg*3nftituten in Berbinbung treten, ^wtjeben
ben Bubapefter unb $rooiu 3 inftituten ift eine organifdje Berbinbung
3 U freireu unb Bei ber HrBeitgocrmittelung ein ein Beitlid)eg BerfaBren
au beftintmen. 3wifcBen bem in Bubapeft 31 t erricbtenbeit gewerblichen
HrBeitgoermittelungg * 3nftit«t unb bem im Hcferbaumiuifterium Be*
ftebenbeit Bcrmittelunggamt für gelbarBeiter, ferner 3 toifd)eit bett Ber*
mittelungg=3nftituten für gewerbliche nub 3flBarBeiter in ber B*ooiit 3
ift, int Salle ber HcferBaumiuifter bierju feine 3wftfntinung ertbeilt, eine
Berbinbung B^ufteffen.
7. 3nt gaffe eineg Streifg unb HrBeitgauSfcbließung fefeett bie
Snftitute bie HrBeiteroermittelung fort.
StaatUdber in 3ttinoi8. 3)tii bem 1 . 3 uli I. 3*
fiitb im Staate SüinoiS bie ftaatli^en Hrbeitgnadbwcifc in BMrf*
famfeit getreten. Jen gefehlten Beftimmungen Zufolge futb in
Stäbten mit menigftens einer BriEion ©inwobnern brei HrBeitg*
nadBweigämter unb in Stäbten oon wenigfteng 50 000 ©inwobnern
je ein Hrbeitgnacbweig errichtet worben. Jie BermittelungSfteEen
unterfteben bem Slatbe ber ftaatlieben HrBeitgfommiffärc. 3ebe
9iacbweigfteEe b a ^ Labour Commissioners regelmäßig Berid)t
über ben Stanb beg HrBeitSmarfteg 3 U erftatten unb namentlich
bie $ad)frage nach Hrbeitgfräften 3 U prä 3 iftreii. Jie in ber fo
efebaffenen ©entrale einlaufenben Hugweifc foEen aEwöcbentlid)
nrdb bie Poft oertbeilt werben. Huch bie Bergbau* unb Sabrif*
infpeftoren foflen in ben Jienft ber Hrbcitgoennittlung gefteEt
werben, inbem fte auch ber ©eutralfteEe Berichte 311 erftatten Baben.
BemerfenSmertb ift, baß ber ftaatlicbe Hrbeitgnad)weig in SEittotg
bie Streifflaufel acceptirt bat; Sabrifauten, bereu Hrbetter ficb im
Hugftanbe befittben, wirb, folange ber Streif bauert, feine ©infiebt
in bie ßiftett ber S^ad^wei^ftellen geftattet unb werben ihnen feilte
Hrbeitsfräfte naebgetoiefeu.
1355
Soziale SßrajriS. Eentralblatt für Sogtalpolitif. Br. 51.
1356
CEqie^itits tmb fiilämtg.
SrortbilbttagSfihiilgtoang in Preußen. Der Briniffer für ftanbel
unb Gewerbe tritt iit einem Erlaß oorn 31. Auguft energifd) für
bic Einführung be# SortbilbnngsfchuIgwangS burd) Gemcinbcftatut
ein. Durch ben 3wang, führt bcr 3)iinifter au#, werbe bie Schute
FeincSwcgS ßerabgebrücft. Bichtig fei hieran, baß bei Einfchulung
alter gewerblichen Arbeiter unter 18 fahren leicht Elemente in bie
3ortbiIbungSfchuIe fommen, bie fich ber Schulgucht nicht ohne
ScitcreS fügen. DiefeS Bebenfeu laffe fiel) aber burch gweefmäßige
Ginthcilung ber Schüler, inSbefonbere bei ftreitger Durchführung beS
Stufenfijftem* unb burch £>erangiehung geeigneter £ebrfräftc be-
beben, Außerbem werbe fiel) biefem Uebelftanö bei ber erften (rin*
führung ber ortsftatutarifchen Schulpflicht leicht baburch begegnen
laffen, baß nicht junge ßeute bcr Schule gugeführt werben, bie
mehrere 3ab*e hindurch ber 6chulgud)t entwöhnt finb. Das Drts-
ftatut fei oielmebr gunädE)ft nur für bie unterfte SahrcSFlaffe in
Kraft gu feßen unb alljährlich auf einen weiteren Jahrgang auSgu-
behneit. Senn bie (Gegner beS gortbilbuugsfchulgwange# bie
Meinung oerträten, baß bic Schulen mit freiwilligem Befiid) bie
befferen fieiftungen aitfwiefen, fo fei biefe Behauptung in ihrer
Allgemeinheit gweifelloS unrichtig; oon oereingclten Aufnahmen ab-
gefehen, treffe nach bem Ergebniß ber oorliegcnben Beoifioiten oiel-
mehr ba# Gegcntfjeil gu. 3>m Fiebrigen fei auch bie Behauptung
nicht faltbar, baß eine gortbilbungSfchule mit freiwilligem Befud)
allen ftrebfamen jungen Arbeitern ausreidjenbe Gelegenheit biete,
üch weiter gu btlben. Denn ein l?eljrmeifter, ber bem gort»
bilbungSunterricht nicht geneigt fei, werbe ungeachtet ber ihm nach
§. 120 bcr Gcwerbeoronung obliegenben Verpflichtung, feinen
jugenblidjen Arbeitern gum Sd)ulbefuch bie erforbcrlidje 3 c ü g Cs
währen, in feinem Eigenmiß fchou Mittel unb Sege finben, fie
baoon gurücfgubalten. Die SortbilbungSfchule fönne ihrer Auf¬
gabe, bie ber Schule entlaffeneit jungen £eute, bie weber nach ih ren
Scnntniffen noch nach ihrer GharaFterbilbung für bas ßeben reif
feien, fortgubilben, nur bann genügen, fdjließt ber Bfinifter, wenn
ihr nicht nur bie Lehrlinge eingelner beffer gefteHter GewerbSgweige
ober eingelner einftchtigcr Arbeitgeber, fonbern wenn ihr bie gange
breite BJaffe be# gewerblichen BacßwudjfeS gugeführt wirb.
Da# BorlefmtflStoefeit ber £)berff|al&epri« in Hamburg ift roieber-
holt in biefen blättern erwähnt worben, weil es woßl bie umfang*
reichfte Beranftaltung gunt 3wecf uolfStbüntlicber ^odhfdhulfurfe ift unb
— was befonbers gu beadjten — burchau# auf ftaatlicßer Anorbnung
beruht, wäßrenb nnberSwo bie StaatSbeßörben berartigen Unterneh¬
mungen naljegu gleidjgiiltig ober fogar abgeneigt gegenüberftehen. Sie
grob ber Bahnten, ber ba$ Borlejungäwefen Der Cberfdjulbeßörbe in
Hamburg umfpannt, unb wie reich fein Inhalt ift, erfteht man au# bem
Programm für 1399/1900. Die Gefnmnttgahl ber Kurfe, bie nahegu
alle wiffenfdjaftlichen DiSgipltnen umfafjen unb faft alle unentgeltlich
unb öffentlich fmb, ift oon 85 im lebten SBinterfemefter auf 128, bie
8aljl ber Dogenten oon 64 auf 99 gefttegen, barunter auch oiele gang
heroorragenbe Seßrfräfte beutfdjer §ochld>ulen. Befanntlidj plant man
auch ben Sau eines eigenen GcbäubeS für biefe Kurfe au# Staatsmitteln.
Sojiölt §t)giene.
Die Sihnlargtfrage auf bem 24. Kongreß für ifeit!i#e Ge*
fnttbfjeitSpffege. Der 24. Kongreß für öffentliche GcfunbheitSpflege
befchöftigtc ftch aut 14. September gu Biiritberg mit ber 3ragc ber
Schulärgte im Anfdjluß an bie 3orbeniitgen, bte bic beibcit Bericht-
erftatter Geh- Dberfdjulratl) prof. Dr. Schiller, jeßt gu £eipgig,
unb Dr. med. paul Schubert in Nürnberg aufgefteHt hatten.
Darin wirb bie Aufteilung hpgwnifd) oorgebiibeter Schulärgte für
alle llnterrid)tSau)talten als erforberlid) begeidjnet; für bic leiftnng#-
unfähigen Gemeinbeu fall babei ber Staat cinfpringcn. Die Auf¬
gabe ber Sdjulärgte füll umfaffen:
1. £ic UeOmi)ad)img bei geiunblicitlidieu Serhältniffe beS Sdjul-
gebäubcv unb ber 2d)iiiriuridjtuugru. — 2. Die Seauffidjttgung be§
SoIIguges ber über .^ngiene bes Unterrichte unb ber UuterriditSmittel
erlaffeneu Sorfcbriitcn. -- 3. Die Cbforge für bic (^cfunbheit ber Sdjul*
fitiber; imb gwar: o) bie Untcrftüpimg be^ Amtsarztes bei Serljütung
unb Sefämpfung aufterfenber «rauflieiteu; bj bie ^eftflellung Jorperlidter
9Jiäugel ber Minber gunt ^U’ccf fortgefepter Beobachtung ober befouberer
Serürtfiditiguug beim 2d)iilbetrieb; n bie Ucberwadjung ber Förperlidjeu
O'rgieljimg, foiocit biefe oon ber 3dpile geleitet wirb.
Die Schulärgte foHeu ihre Spifee bei grögcrcu Stabten im Schul-
oberargt, irt ben $rooingen unb im Staat in ben oortragenbeu
Käthen für Sdjulgefunbljeitspflege finben. Die Sd)ulhpgiette foll
enblich ein für alle ßehrerfategorien oerbinblidbeS Prüfungsfach
werben. 3u ber Erörterung würbe auf bie erufthaften, gum Df)cil
fchon gelungenen Berfuche mit Sd)ulärgten in BHeSbaben, 3fraitf-
furt a/3Jt., Darmftabt, Königsberg i/Pr., ^eilbronn, Gicfjen unb
Dffenbach htngewiefcn. Der Direftor beS bafteriologifchen 3« s
ftihtts in Dangig, Dr. P etru fch ft) empfahl bie Bermehntng ber
bafteriologifchen UnterfuchungSanftalten, bamit biefe auch ben
3wecfett ber Schulhygiene bienftbar gemacht würben, unb bie
periobifche Unterfuchung ber Lehrer auf Duberfelbagiüen. Be-
beitfen gegen bie Borfchläge ber Beferenten, bie fich in ber §aupt*
fache auf bie Kompetettg ber Schulärgte begogen, äußerten nur
Dberbiirgermeifter Delbrücf in Dangig, wo bie Sdjulfinbcr auf
Augen-, Dhren-, Bafeit- unb ffrophulöfe Kranfheiten oon Spegial-
ärgten unterfucht werben unb gwei Schulärgte gur Schulbcputation
gehören, fowie Dberbürgermeifter 3weigert - Effen unb Stabtrath
Grimm-granffurt a/3R., währettb bie übrigen Bebner, meift Stabt-
räthe, Prof. §aHe-BieSbaben, Dr. Üoth-Erfurt, Dr. o. EStnard)-
Göttingen, Dr. 3. Strafjmann-Berlin, Seminaroberlehrcr Bctfch*
DreSbett, Dr. Deppifcf» aus Dberfranfen zc. bie Beridjterftatter
warm unterftühten. Eine Befchlufefaffuug fanb nicht ftatt.
ftctie# Siüiläi In Sterne«. 9Rit einem Koftenaufwanbe oon
245000 '4L hat bcr Berein für öffentliche Bäber in Bremen eine
neue Babeanfialt erbaut, bereu Benufcung in erfter Sinie bem
fleinen Btonn gugute fommen foH. Das neue BolfSbab oerbanft
feine Entftehung hawptfächlich bem hochh^S'ÖJ 11 ©tune einer Kauf*
mannSwittwe, welche 150 000 Jt für ben Beubau gefpenbet hat.
Die „Health Yisitors“ in Birmingham. Bfig BofeDa E.
Garbiner, eine ber in Birminghaw fürglich angeftellten ^health
visitors tt fchilbert ihre Dhätigfeit als überaus erfolgreich- Sie ift
nicht bie gleiche wie bic ber „lady sanitary inspectors“, bie pch
oorgugStoeife mit ber Kontrole ber ArbeitSbebingungen befchäftigt;
bie healtb visitors fönnen oielmehr als GefunbheitSarmenpflegcrinnen
gelten. 3^be berfelben hat einen Diftrift mit 5000— 6000 Käufern
gu beauffichtigen; ihre Aufgabe befteljt barin, bie Armen in ihren
SBohnungen aufgufudjen, gu beSinfigiren, wo es nöt^ia ift, fowie
Bathfd)läae betreffenb Bcinhaltung unb Lüftung ber Sohnräume,
ber Ernährung imb Klcibung oon Kinbern xu geben, in Kraitf-
heitSfäUcit felbft öülfe gu leiften, fowie barauf gu bringen, bafe bie
Kinber regelmäßig in bie Schule gefchieft werben u. f. w. lieber*
bieS haben fie Erhebungen gu pflegen über bie ^ngtenifd^e Be*
fchaffenheit ber Raufer, bie SebcnSweife ber 3ufa|fen unb bie
Blorbilität. Dem Health office haben fie täglich fdjriftlichcn Bericht
gu erftatten unb erhalten täglich Seifunaen begiiglich Kranfen*
befuchc, DeSinfeftionen u. f. w. Den größten Erfolg ber Health
Visitors üerfprid)t mau fid) hinfichtlich ber Kitiberernähruug unb
-Ergiehung unb man ^offt, benfelben fogar ftatifiifd) in einer
§erabfeßung ber Kinberfterblichfeit nachweifen gu fönnen.
(Bewerbeijeridjte. dittiguapätnter. Si!jUbs«gertd)te.
Oblkatorif^eS (SittigungSherfahtett in grsifrriih. Die frait-
göfifche parlamentSfommiffion, ber bie Borfchläge oon Booier*
Öapierre unb 3crri), betreffenb Einführung beS obligatorifchen
EinignitgSoerfahrenS in Streitigfeiten jwifdjen Arbeitern unb
nnternehmern, gur Berichterftattung gugewiefen worben ift, bat fidj
ben Borfchlägen beS Entwurfes augefchloffen. Die Kommiffion
fonftatirt, baß baS begüglidje Gefeß oon 1892 feinen Erfolg gehabt
hat unb nicht entfernt an bic Sirffamfeit bcr ähnlichen Gcfcpe in
Englanb h^anreicht, weil bcr Einfluß ber Gewerfoerciue in 3i'anf»
reich noch oiel gu jungen Datum# ift. Der Bericht forbert baher
bie Statuirun^i ber gefcpücheu Berpflichtuug für Arbeiter unb
Unternehmer, n<h minbeftcnS bem Bcrfuche einigungSamtlidjer Bei*
legung beS Streitfalles nicht gu miberfeßen. Die StraffaufHon
wirb aQcrbingS in bcu Grcngeit oon 1—12 Spanes gehalten; ihr
oerfaHcn Arbeitgeber unb Arbeiteroertreter ober Bfanbatare, bie
fid) jebem Einigungsocrfud)e entgiehen.
Citerarifilje An}etgett.
I. mtb BrofdjäreK.
ü. ^cncfftcru, Abolf. Ein ^ßrogeut. Die Sd)affitng unb Erhaltung
einer beutferien Sd)Iad)tflotte. Veipgig 1899, Duhder & $untblot.
65 8. ^reiy l,4u JC.
1357
Sojiale $rc*jiS. (Sentralblatt für Sojialpolitif. SRr. 51.
1368
Hauginbuftrie unb Heimarbeit in Deutfdjlanb unb Defter-
reidj. 2. big 4.93b. LXXXV—LXXXVII. Bb. ber Schriften
beg Bereiitg für Sozialpolitik Seipjig 1899, Wunder & Humblot.
LX unb 616, VII unb 550, VIII unb 277 S.
Der jweite 93anb ber oorliegenben Unterfudjungen, mit bem Unter*
titel „Die Hauginbuftrie ber Frauen in Berlin", mitt in feinen
(Einjelfdjilberungen gleichzeitig ein ©efammtbilb geben. Die auf Frauen¬
arbeit beruljenben Hauginbuftrien unferer großen Stäbte, bereu &ug-
bilbung bag lebte drittel unfereg Sa^bunbertg gebraut hat, ermeifeit
fleh thntfachlich überall, mo fie auftreten, alg ein entwideluugggefchicht-
lidjeg ©anje, bag feine gemeinfamen ©efefre bejt&t unb, augeinanber-
geriffen, in feiner 93ebeutung nicht flar mirb. Dag ©emeinfame aug
ben (Einjelfdjilberungen fommt in ber non Dr. Sllfreb ©eber—(Eharlotten*
bürg, ber ftd) auch um bie Stebaftion ber (Enquete gro&e Berbienfte
erworben hat, »erfaßten (Einleitung über bie (Entwidelungggrunblagen
ber grofjftäbtifdjen grauen-§auginbuftrie ju Jage. 3m einzelnen bringt
ber 93anb jür Darfteßung: Die Frauenarbeit in ber Berliner
Jejrtil-Hauginbuftrie unb bie ^8ubinbuftrie non Dr. ©eorg Steuhaug,
Die (Entwidelung ber Berliner Damenmafjfchneiberei non Suife non
Benba, Bie 93etriebgformen ber Berliner Bamenma&fchneiberei non
SRarie Amalie Sipgjtjc, Die Äiirfdjnerei unb äRüfcenmachcrei nnn Gurt
3tofenberg, Die Berliner Rleiberfonfeftion non Hang ©ranbfe, Die Be-
triebgformen unb Slrbeiigoerhältniffe in ber Berliner ©äfdjeiubuftrie
non Dr. 3*>hanneg Feig/ Die Roftürn- unb ©ei&waarenfonfefüon in
Berlin non Dr. ©eorg SReuhaug, Die Fabrifation oon Äranatten,
Schirmen, Hanbfdfjuhen, Hofenträgern unb Äorfettg in Berlin non
Dr. Jheobor SRünfter, Die Hauginbuftrie in ber Berliner Sebergalanterie-
waareninbufirie non Dr. H“0O Stoehl, Dag Stitfereigewerbe in Berlin
non Helene Simon. Hieran fchliefet fich eine furje Unterfuchung über
Die Hauginbuftrie ber Freuen in Danjig non Ärthur Dij, moburch bie
Berliner Berhältniffe in f<härfere Beleuchtung gerüdt werben.
Ber britte Banb behanbelt SRittel- unb ©eftbeutfdjlanb unb
Cefter reidj. (Eg haben unterfudjt ©ilhelrn Hoh n &ie Hauginbuftrie
unb Heimarbeit in ben Stegierunggbejirfen Äoblenj unb Jrier, (E. 3aff4
bie weftbeutfehe Äonfeftionginbuftrie, Dr. (E. Äieferifcft) bie Formen ber
Haugittbuftrie in Röln, Dr. Baul (Ehrenberg bie Spielroaarenhauginbuftrie
beg Äreifeg Sonneberg, bie auch in ber non ung befonberg angejeigten
Brofchüre non Dr. 0. StiHich befonberg behanbelt worben ift, (£. 3affe
Hauginbuftrie unb Fabrifbetrieb in ber beutfehen (Eigarrenfabrifation,
(Elifabetfj n. Stichthofen bie ^erlenftiderei im Äreife Saarburg in
Sotljringen, Dr. ©uftao Scheu bie Heimarbeit im ©iener Hanbfchuh*
madjergewerbe, Dr. Huguft ©ilfling bie Hauginbuftrie unb Heimarbeit
auf bem ©ebiete ber Stamm- unb Fädjrrmadjerei in ©ien, Dr. (Ernft
Seibler Heimarbeit unb Hauginbuftrie in Oberfteiermar! (Hanbelg-
fammerbejirf Seoben), Stöbert ^oHatfchel bag Schuhmachergewerbe in
Jrebitfdj, Dr. Cgfar (Englänber bie Hauginbuftrie in einigen Bejirfen
beg fiiböftlidjen Böhmen, Dr. Stöbert 3 u derfanbl Hauginbuftrie in ber
Haubfchuhnäherei in Bobrifdj unb Umgebung (Böhmen), Rarl Äoftta
bie Heimarbeit in ber Hohlglaginbuftrie SRorbböhmeng.
Ber nierte Banb bringt unter bem Jitel „©efefegebung, Statiftit
unb Ueberfidjten" jufammenfaffenbe Darfteflungen, unb jwar: 2Ra-
tcrialien jur Beurtheilung ber rechtlichen Stellung ber Hauginbuftrie
in Bcutfdjlanb oon Dr. 955. Rähler, bie Hauginbuftrie in ber Schuh*
madjerei Deutfchlanbg oon Dr. (Ernft Frande, bie Hauginbuftrie in ber
beutfehen SRöbelfabrifation oon Dr. Baul Boigt, bie Hauginbuftrie beg
Deufdjen Steidjeg nach ber Berufg- unb ©ewerbejählung oom 14. 3uni
1895 oon Dr. Heinrich 2taud)berg, bie Strbeitgbebingungen in Haug*
iubuftrie unb Heimarbeit nach bex ©efefegebung Gnglanbg oon Slbelaibe
Slnberfon, bie gefe^Iidje ©infdjränfung ber H e imarbeit in ben Ber¬
einigten Staaten oon SRorbamerifa oon Florence ÄeUeq, bie Fabrif-
gefehgebung in SReu-Seelanb oon ©. Jregear, bie Fabrifgefefcgebung
in 5Reu*Sübwaleg unb im Staate Bictoria oon St. Ä. 2ong|nan in
Sibnet).
J)atnit ftnb biefe umfangreichen Unterfudjungen über bie Sage ber
Hauginbuftrie, mit benen fuh ber Berein für Sojialpolitif fchon jum
jweiten Btale befchäftigt, jum SlbfchluJ gelangt. J)ah eine Äugbehnung
beg Slrbeiterfchubeg audj auf bie Hauginbuftrie nothmenbig ift, geigen
bie Unterfudjungen an ber Hanb ber Jhatfachen. SRögen fie bei einer
gefehlten Siegelung biefer fdjwierigen HRaterie, bie hoffentlich recht
halb in bie 255ege geleitet wirb, Berüdjidjtigung finben!
Barolin, 3ol)anneg ©., Jer fojiale Staat im Staate. Seipjig,
9SUhelnt Fnebrich- 2ü S.
Breitfdjeib, Stubolf. J^ie Sanbpoliti! in ben auftralifdjen Äolonien.
äRarburger 3uaugural*Jiffertation. Hamburg 1899. $rud ber
?(.-©. „Sieue Börfen-Halle^. 78 S.
Bübingen, Dr. med. Jheobor, 3«r Befämpfung ber Sungen-
fchwinbfucht. Streifjüge eineg Slrjteg in bag Oiebiet ber Straf-
rechtgpflcgc. Braunf^weig 1899, ^rud unb Berlag oon Friebrich
Bicweg & Sohn. 81 S.
Bollanb, Dr. med. Ä. ; J)ie Sungenfchwiubfud)t, ihre (Sntftehung,
Berhütung, Behanblung unb Heilung. Jübingen 1898,
Dfianbcr’fche Berlaggbuchhanblung (Äarl Äoeljler) 141 S.
Siebe, Dr. med. ©eorg. J)irigirenbcr ?(rjt ber Bolfgljeilftätte Soglau
(Cberfchl.), SUfohol unb Juberfulofc. Btit befonberer Beriid*
ftdjtigung ber Frage: Soll in Bolfghetlftätten SUfohoI gegeben
werben? Jübingen 1899, Dfianberfche Berlaggbuchhanblung
(Äarl Äoehler) 63 S.
®ie hohe 3ahl bei* SchwinbfüdBtigen in ben Strafanftalten giebt
Dr. Bübingen Beranlaffung, bereu 3wanggbchanblung in befonberen
Slnftalten ju befürworten. $)ag Büchlein oon Bollanb gehört ju ben
populär-wtffenfchaftlidjeit 9Serfen. Gg jcidjuct fich burd) Berüdfid^tianng
ber (Eütfliiffe beg Grwerbglebeng auf ben ©efunbheitg^uftanb beg Btenfchen
aug. ^ie Berwenbung oon Sllfohol in Boltgheilftatten hält Dr. Siebe
für entbehrlich unb wegen feiner Schäblidjfeit für uerwerfüd); nament¬
lich aber fei eg Bfli<hl aller ©ebilbeten, im öffentlichen unb prioaten
Seben burch 2Räj}igfeit im Älfoholgemiffc bem Slrbeiterffanbe, ben wir
oon ber Juberfulo|e unb oom Sllfoholigmug befreien woßen, mit gutem
Beifpiele ooranjugehen. Sämmtlichc brei Scbriftdjen bilben einen
wißfommenen Beitrag ju ber gegenwärtig im Borbergrunbe beg
öffentlichen 3ntereffeg ftehenben Frage ber Befämpfung ber Sungen-
fdjwinbfudjt.
„Slrdjio für fojiale ©efefegebung unb Statiftif." J)ag neuefte
Doppelheft, 14. Banb, 3. unb 4. Heft biefer oon Dr. Heinrich
Braun herauggeaebenen 3eitfd)rift (Berlin, (Earl Hetjmaitng Ber*
lag) hat folgenoen 3nhalt: Die Berufg* unb ©ewerbejählung
im Deutfdjen Sieich oom 14. 3uui 1895. Bon $rofeffor Dr.
St. Staudjberg in ^rag. -- Die gewerbliche Arbeit unb ihre Dr*
ganifation. Bon Brofeffor Dr. ©eraer Sombart in Berlin.
III. ©irthfehaft unb Betrieb. IV. Betrieb unb Betriebgformen,
©irthfchaftgftufen, ©irihfchaftgfpfteme, ©irthfehaftgformen. —
Die Hrbeitgtfjcilhaberfcbafi in ber britifchen ©enoffenfehaftg*
beweauug. Bon Gbuarb Bernitein in Sonbon. Die Statiftif ber
Unfau* unb Äranfenoerftcherung ber Arbeiter in Defterreich für
bag 3 a hr 1896. Bon Dr. Gnglänber in Sßrag. ßttcratur.
Stil lieh/ Dr. Dgfar, Die Spielwaaren-Hanginbuftrie beg SDteiuinger
Dberlanbeg. 3ena 1899, ©uftao Fif^er VII unb 100 S.
Breig 2 M.
Sftßid) führt bie babnbrechenben Unterfudjungen oon (Emanuel
Say weiter unb fommt ju oem Stefultat, bafc ftch feitbem bie 3n[tänbc
noch oerfchledjtert haben. Der Slbbrödelunggprojeb oon ber Haug-
inbuftrie werbe, fo meint ber Berfaffer, namentlich burch ihre enge Ber-
binbung mit ber Sanbwirthfchaft gehemmt, aber eg werbe eiueg fchönen
Jageg auf bem Jhürinaer ©albe bie Stunbe fchlagen, in ber man bie
alte Hauginbuftrie ju ©rabe läutet unb bamit jenen Slbgrunb oon
Slnnuth; H»nger unb Äranfl)eit aug ber ©clt fchafft, ber heute am (Eitbe
beg 19. 3ahrf)nnbertg einen bunflen Fled in ber jovialen ©efchichte
Deutfchlanbg bilbet. Die Schrift ift um fo jeitgemäßer, alg fie bie
gegenwärtig erfdjeinenben Unterfudjungen beg Bereing für Sojialpolitif
iiber bie Sage ber Hauginbuftrie auf bem fraglichen ©ebiete ergänjt.
Ob8&ques du Comte de Chambrun, Fondateur du Musee Social.
1821—1899. Paris, A Rousseau, imprimeur-editeur.
Revue Politique et Parlementaire. No. 62. Aoüt 1899. 6 e
Anu4e, Paris, Armand Colin & Cie. Abonnement annuel. France:
25 fres, Colonies et Union Postale: 30 fres.; le No.: 3 fres.
Flugfdhriften ber beutf^en Bolfgpartei. 1. H^ft* Die Ber-
faffunggreoifton in ©ürttemberg. Bon Dr. D. Saul. 37 S. —
2. Hrf t: SDic Beteuerung beg Äleinhanbelg burch Umfafc-,
Branchen-, F^ial-, Brrfonal- k. Steuern, fowie bie Sage beg
Äleinhanbelg unb bie SRittel ju ihrer Befferung. Sfad^ einem
Bortrag oon Stubolf Defer. Franffurt a./SR. 1899, 3. D. Sauer*
länberg Berlag. 39 S. B re ^ H c f* eg 60
Hainifdj, Dr. SRichae'I, Der Äampf untg Dafein unb bie Sojial¬
politif. Seipjig unb ©ien 1899, Franj Deuticfc. 75 S.
Breig 2 Ui.
II« Drudfftdfii oon Betumliitttgett, Beretnett je.
Jrier. Berid)t über bie Berwaltung unb beit Stanb ber ©emciube-
angeleaenheiten ber Stabt Jrier für bag Stedjnnuggjaljr 1898
nebft Haugljaltgetat für 1898. Jrier 1899. 3acob Siup, Budj-
bruderci.
Ätarlgruhe. Stedjenfchaftgbericht über bie Ginnahmcn unb Sluggaben
ber ftäbtifdjen Raffen für bag 3aljr 1899, Buchbruderei oon
SRalfdj & Bogel.
©ecantroortlt^ für bie ftebaftlon: Dr. den ft granefe in Serlin W v Saqreal^erftvage 29.
1359
1360
©ogiale $raji«. Eentralblatt für ©ogtalpoütif. 9fcr. 51.
©ie »>$*ttaU iJrari*" erfc^eint an jebem ©onnezStag unb ift bur# affe »uebbanblungen unb gSoftämter flJoiiaeitunflSnunimer 7072) 311 beaieben. ®«t
für ba« ®iert<Iiaf)t ift 3H. 2,50. $ebe Kummer fofiet 30 $f. ©er Hnaeigenpreifl ift 60 $f. für bie breigefpoitene ^ctitaeile.
flt fltignalfflwmnwtt.
Dr. phll.) 30 Sabre alt, fitest angenteffene
fdjäftigung im Sit* ober MuSlanbe. tfenittniß
ber fraiijöfifrfjcn unb italicnif(^eR @pt*ad)C.
Xiffertatton (3tatiftif) gur Verfügung. Offerten
unter O. P. *70 an Haasenstein & Vogler
A.-Q., Hambur g._
Durch alle Buchhaudlangen zu beziehen:
Der Qrossbetrieb
ein wirtschaftlicher und socialer Fortschritt
Eise Studie auf dem (miete der Baumwolliidustrie.
Von
Gerhart von Schulze-Gävernitz.
1892. Preis 5 M. 60 Pf.
Verlag von Duncker & Hum blot in L eipzig .__
Die Schwindsucht
im Lichte der Statistik und Socialpolitik
mit besonderer Berücksichtigung der staatlichen
und privaten Versicherung.
Von
Wilhelm Kley.
—- 1898. Preis 2 Mk. 40 Pfg. -
Verlag von Duncker Sc JHumblot in Leipzig.
Bei fCrupp.
Eine socialpolitische Reiseskizze
mit besonderer Berücksichtigung der
Arbeiter-W ohnungsfürsorge.
Von
W. Kley.
- 1899. Preis 3 Mk. 60 Pfg.
X)ie Mölnifcbe 23olfägeituug 9fr. 317 fdjreibt:
fßraf. ift febon 1874 in feinem Befannten offenen
0enbf<breiBen an .f). o. Xreitfd)fe al§ eittfdjiebencr SBorfämpfer für
bie fokale Reform aufgetreten. 3 U einer 3 ^it, mo bie öffentliche
Meinung beit fogiakpolitifeben fragen nod) ratljtoS unb gerfabren
gegenüber ftanb, bat er mit unbebingtem greimutbe 3 eugni& ab*
gelegt für baS, maß er als „ba3 ^Berechtigte in ber heutigen 93e^
roegung be§ oierten 0 tanbeS" anfab- 3 « feinen Erörterungen:
Weher einige Gnttthfragett hep ÄeiJjtesi nnh her Wolh?-
toirthfdjaft gelangt er gu bem Ergebniffc: 3ebe uolföroirtf)*
f^aftlidje Drganifation ift be^errfd^t oon groei Reiben relatio oon
einaitber unabhängiger Urfacben. ^luf ber einen 0eite ftebeit bie
uatiirlicb4ed)uifdjen Urfacben, roelcbe bie ältere 5ßationaI*De!onomie
auäfdjließlicf) in’s 9luge gefaßt; auf ber anberen fielen bie au£
bem pft)d)oIogifd)*fittlicben £ebett ber Sölfer ftatnmenben Urfacben,
bie mau bisher roobl ab unb 31 t genannt, aber nid)t fßftematifcb
in ihrer SBebeutung für bie 9$oIf£roirtbfcbaft erforfd)t bat. 2 )ic
Drgauifatiousfragen ber $oIf3roirtbfd)aft finb nicht bloß fragen
ber Xedjuif, nicht bloß bureb natürliche, meebanifd) roirfenbe
^'otengen beberrfdjt, foubern e3 fiitb eben fo febr fragen ber
2itte unb be 0 Stedjteä, Ziagen ber ctbifdien Vebeiieorbitung. Xarum
ift ec* falfd), bie roirtbidjaftlicben .panblungeit in ihren Jolgcit ate
fittlicb inbifferent gu begeidjueu. Xic gange Vebre oom Egoismus
al* ber Xricbfraft ber 9>olforoirtbfcbaft ift nichts al# eine hoben*
lofe £berfläd)lid)feit unb ein roher 3Jerfud), fiel) mit bem 93 ebürfniffe
einer pftjrf)ologifdjen ^cgninbuttg ber 9iationaI«Defouomie abgu*
rinbeit. Xer fogiale Jortfdjritt beftebt im roefentlidjeit bariit, baß
ba$ s 4 >nngip ber ©erectitigfeit VeiT rnirb über bie bloße 0 )emalt,
baß s A>iad)t unb ^erbienft mehr mtb mehr gufammenfalleu, baß bie
uatürlirijeu unb bie rittlidjeu Urfacben ber EiufommeuSucrtbeilung
mehr unb mehr fidi beefeu. Xie oertbeilenbeEJcredjtigfeit ift baSleitenbe
i'eraniiuiutli.l) für Me iMiijcig-ii : viiimuti) yktbd, ireipitj. — Verlag i
^ringip ber fogialcn ^Reformen. Xaß oor nabegu 25 Sab«” folcüc
0äßc, bie biä baljin im mefentlicben nur bie Vertreter ber ebriftlid}*
fogialcn 9iicf)tuug, oor allem !sBifcbof o. Metteier, au$gcfprod)eu
batten, nunmehr oon einem angefebeiten künftigen ^ocbfcbullebrer
ber 9iational*Defonomie gnr roiffcnfcbaftlidjen Erörterung gebracht
mürben, ift bas befonbere SSerbienft 0cbmoUer$, ber bem bamals
bie ^olföroirthfcbaftölebre auafcblicßlicb beberrfebenben liberalen
DefonomiSmuS bett Sebbebanbfcbub btitroarf unb eine halb fiegreicbe
tuiffenfcbaftlicbe ©egenberoegung iit’S £eben rief, roelcbe ber beutfeben
9frtionaI*Defonomic roicber eine fittlicbe ©runblage gab. ^arin
liegt bie grunbfäßlid)e ^ebeutung ber 0d)moHer’fcben 0trettfcbrift.
SSiele«, roaS ihr SBerfaffer bamafe Xreitfd)fe entgegnete, fauit inan
beute allen benen entgegenbalten, roelcbe bie fogiale Reform be*
fämpfen unb gum 0tüIftanb bringen roollen. 0djon au§ biefem
Eiruube ift bie neue Verausgabe ber im iBucbbanbel oergriffenen
0cbrift mit Stuben gu begrüßen. Scigegebeu ift eine febr gut
orientirenbe 5lbbanblung 0d)moller’£ über bie Solf^roirthfcbaft, bie
2klf3roirtbf<baft$lebre unb ihre s l)tetbobe au§ Eonrab’3 Vanb*
roörterbud) ber 0taat§roiffenfd)aften unb bie afabemifebe Siebe, mit
ber 0<bmoHer am 15. £ftober 1897 ba£ SReUorat ber berliner
Unioerfität übernahm, ^er 0ammelbanb führt ben ©cfammt*
Xitel: Weber einige ffiritnbfrageu her Äajlal-)9olitih mtb
herWolk^tnirtlfdiitftplelire. (ßeipgig, Jumfer & Vumblot. 1897.
^reiö 6 'Hc. 40 $f.) Senn 0cbmoller in feiner 9fcftoratörebe mit
©cnugtbituug feftftellen fonitte, baß bie heutige Solf«roirtbfd)aftolel)re
gu einer biftorifdjen unb etbifeben 0taat§s unb Elefcllfd)aft^-'iHuffaffuing
im ©egenfab gntit 9iationaIi§miiö unb Materialismus gefommen
unb aus einer bloßen Marft* unb Xaufdjlebre roieber eine große
moralifd^politifdje SBiffonfdjaft gcroorbeit ift, fo ift feiner uiicrmiib-
lieben Arbeit, bie roi|fenfd)aftlid)en 5lnfd)öuungen über bie 0ogial*
s 4>olitif gu flärcu, ein itidjt geringer Xbcil biefeS Erfolges gugufdjreibeii.
luucfei- ii pimiblot, iiciviif, — (icDrucft bet 3ultuS Sittcnfelb. SJerlin.
vm. gabrgaitg.
©erlitt, ben 28. September 1899.
Hummer 52-
Soziale ptari*.
§entvamati für gjogiarpotifiü
mit ber ÜERonatSbettage:
Vas dtewevbegeviclit.
©rgan lies Oerbartöes beutfcfyer < 5 en>erbegerid?te.
«Reue gotge bet „Stattet für fojtote sprayt«* unb be« „©ojtalboltttfdjen CentralblattS*.
ecf^diu « Kkm SMwnu«». #ecauSgeber: * tciä »»«m wau» * «• w w.
«ebaltton: Sertin W„ Satiteutljetftra&e 29. Dr. «rn|t Brandt*. Serlag bon ®un«et & «mmbtot, Setpgtg.
3 ttljnlt
ßorporatioe Dtganifatiott oon
Arbeitgebern uitb Arbeitern.
Aegatioe unb pofitiöe ©emetfoerein«*
politif VI. (©c&lufe.) ©on$iofeffot
Dr.Sujo ©rentano, SRündjen 1361
lUt ewetef u«b SMct*94*ftf •
pMM .1368
ßiete unb SBege einer Heimarbeit»*
gefefcgebung.
©et bapetiföe Hanbwerfertag unb
bafl ©efefr juin be« Arbeit«*
öerljältniffe».
fReorganifation be» franaöfifäen £an*
belÄmmifterium».
©ngliftbe Arbeitet über amerifamfebe
StrbeitöDerbältnifye.
gfortfibritte ber teeibltdjen §abrif*
infpeftion in ©eutfdjlanb.
91rbeitßbeiratb in Oefterreicb.
ftranmnuae 1371
©er ©ranbenbutgifebe ©tübtetag.
©tübtetag ber mittleren ©täbte
Söaben».
fttanfenberfidjetung bet Haußinbu»
ftrieüen unb tfinbetfäufe für ©erlin
unb spanfotD.
kommunaler SRilc&Ijcinbel.
*»*i*It 8#»ä«be .1373
©ie Sage ber Hanbelßgeljül»
finnen in Selpatg. $on Saum
fttaufe, Seip3ig.
©etgifäe HRinenftatiftif für 1898.
©ie Arbeitßaeit in Hotlanb.
granjbfifcbe Ärbeiterbelegationen auf
bet SÖeltaußfteDung 1900.
ttvbdtgete* unb Unternehmer* er»
bänbe.1378
©et ©eutfdje Atbeitgeberbunb für ba»
©augemerbe.
©om &apetenfabri!antenring.
SCfbeftterbttuftnug.1378
©emerlfdjaftßpolitif.
©treifpoften öor @eri($t in ©eutfö*
lanb unb ©nglanb.
©efferung ber Sage ber Hanblung»«
gebülfen.
©et ©treit im ©teinmefrgemerbe.
©er Außftanb bet Söergatbelter im
©tauen’föen ©nmbe.
©er ©erbanb ber ©(blü^tetgefeßen
©etlin» unb Umgebuug.
©treif bet Arbeitet für bie Sonnen¬
abfuhr in ©remen.
KrbdterberlMiemua- ©P«r taffen 1380
Aerjtlirfje ©enffdjrift jirr Äranfen*
faffenftage.
AltetSpenfion ftatt Armenüetfotgung
in Sonbon.
Urmenpffege .1381
19. 3abre«oetfammIung be» beutfd&en
©etein» für Armenpflege unb SQoIjl»
tb&tigfeit.
Slieradfdc ttnftdgen .1382
Abbrud fömmtlicbet Ärtitel tft Bettungen unb ßettfäriften geftattet, iebo<$ nur
mit ooüer Quellenangabe,
W „©a» ©etoerfiogerUftt“, Organ ba» ©eebanbe» btuiffter mmmht»
aeriibte» toirb beni 1. Ottaber btefe» Sabre« niibt mehr ber „«ojtalen
©ragt»“ betgelegt.
fiorperotioe ©rgauifatiim tum Arbeitgebern nnb
Arbeitern.
SMegatioe unb pofitioe ©eroerfoereinspolttif VI. (©cßlufj.)
Sn ber §errenbauSbebatte über bie 9ieid)«tag8DorIage ginn
<g<buß beS gewerblichen 2lrbeit8üerhältniffe8 f)at nad) ben3eitungen
^Irofeffor ©djmoller gefagt, e8 »erbe eine 3 C 'I fommen, in ber
man gar nid)t mehr oerfteljen merbe, roie man einmal 3lrbeit8«
einfteüungen unb SluSfperrungen afe normale @inri<btungen gum
Slu8trag oon Ülrbeitsftreitigfeiten gebulbet Ijabe. Slber er fcfjlief^e
fidt) ber Sluffaffung be8 Dr. ßieber oodftänbig an: 3unäd)Jt fei
eine Sleuorbnung ber ©trafparagrap^en nur biahitirbar in 3 U *
fammcnbnng mü einer ^Reform be8 9IrBeiteroerein8red)t8 unb be8
gefammten befteljenben Äoalitionered|te8. $ementfpredf)enb roanbte
er fii gegen bie 3 u cfjt^cmSi»orlagc.
Sßrofeffor gdjmoller [)at bamit nur bie ®eöanfen roiebcrfjolt,
bie i^ 1872 be8 Sreiteren unb feitbem oft au8gefübrt Babe. ^ @8
giebt feinen Stengen, ber in 2lrbeit8einfteIIungen unb SluSfper*
rungen etroaS an fub ®» teä erbtiefte. ®8 ift mir noef) fein ®e-
merfoerein8fübrer oorgefommen, ber nid)t roeit metir gejögert hätte,
in einen ©treif einjutreten al8, nad) ben Sleußerungen be8 gürften
SiSmard, 2 ) ®enerale in einen ffrieg. ©elbft bie ©ojialbemofraten
ftehen bem ©treif prinjipieH ablebnenb gegenüber; fie fetten bann
nur bie notfitoenbige Segleiterfdjeinuitg ber beutigoii anardjifdjen
SBirtljfdiaftSorganilation: ja c8 fommt oor, baß fie bei einer eie»
mentar ait8bredf)enben ©treifberoegung nur mitmadien, um ni<f|t
burih Saubeit ober gar ®egnerf<baft gegen Seftrebungen jur Ser»
befferung ber Sage ber Arbeiter in ber ®egenroart bie 3«bl ber
Stnbänger für ihre roeitergebenben Sbeale ju minbern. ©o oer=_
tbeibigen benn atte, au<b bie energif(bften Sertbeibiger ber fioaü=
tion8freibeit, biefe nicht, roeil fte ben ©treif tooHen: SRiemanb, ber
in ifim ttirfjt ein Hebel fäbe, ba8 man möglid)ft oermetben müffe.
SRiemanb, ber ibn nid^t bureb Seffere8 erfeßt ju feben roünfdjte.
aae treten nur für bie SoalitionSfreibeit ein, roeil e8 bie größte
Ungerecbtigfeit ift, roenn ben örbeitern bis biefeS ffleffere ba ift, bie
ffoalitionSfreibeit nerfagt roirb, unb roeil jebe Drbnung, bie nid)!
an bie ©teile oon oergleid)8toeife barmlofen arbeitsfämpfen 9feoo=
lntion8oerfu<be feßen foff, bie Moalition8freibeit gur notbroenbigen
Sorau8feßung bot-
»ie mujj benn aber bie beffere Drbnung befdhaffen fein, roelcbe
arbeitSeinftellungen unb au8fperrungen unnötbig gu macben
DenttciQ ?
3n aller ^oliti! ^at nur bie Drbnung ©eftanb, roeldje ftatt
auf ©runb biofeer SSelleüaten oon Sntereffenten ober oon Vornan*
tifem irgenb roeltfeer SXrt auf gebaut &u fein, ben Xfeatfacfeen ent*
fpridjt.
finb groei Sfeatfad^en, mit benen eine befriebigenbe fjfort*
bilbung beS Slrbeit8oerfeältniffe8 in erfter ßinie gu regnen feat:
1. $>a8©ebürfnife ber flrbeiterflaffe naefe ©Ieidjberedfj*
tigung bei Slbf^lufe be£ Slrbeit^oertrageS. 2)ie ©efefe*
gebung bat biefe ©leidjberecbtigung auggefproefeen, @e. SÄaieftät
ber ^aifer b^t biefe ©leiibberecbttgnng in feinen ©rlaffen oom
4. Sebruar 1890 auf« Seierlicbfte nochmal» anerfannt, aber mir frnb
nod) roeit baoon entfernt, bafe fie in ben Drbnungen beS ßebenS
praftifcb gur Slnerfennung gelangt roare. @S ift bieS ein Uebelftanb,
ben bie Arbeiter mit SBitterfeit empfinben. 5)aS erfte ©rforbernife einer
Drbnung, roeldje biefe $öitter!eit befeitigen fott, ift, bafe fee beim
Slbfcfelufe bes Slrbeitsoertrage» bie Arbeiter in SlUem unb Sebem
ben Arbeitgebern gleicbftelle.
2. ®ie groeite ift, bafe in ben mobernen $robuf=
tionSoerbältniffen bieSlrbeitsbebingungen ber grofeen 3Jtaffe
ber mit SDurdjfcfeiuttSeigenfcbaften begabten Arbeiter
*) Arbeitergilben ber ©egenroart II 263 ff. ©gl. auefe ^reufetfebe
Sabrbücber, XXIX, ©ie @eroer!uereine im ©erbältnife gur Arbeit«*
^ ^ ©e§anTen nnb Erinnerungen II 93, 253.
1363
@ogtale fragte. Gentralblaii füc ©ogialpolitif. SRr. 52.
1364
nicßt rneßr inbioibuelle, foitbcrn gemcinfaute finb, ja baß
bie mciften Arbeitsbebingunaen anbere als gemeiitfante gar nicßt
meßr fein fönnen. 3d) ßaoe fdjon 1872 ausfüßrlicß bar*
gelegt unb meine bamaligen Ausführungen eü"i in biefem Sa^re
in einem Vorträge 3 ) über ben „Scßuß ber ArbeitSroilligen" roieber*
ßolt; ieß braune um fo meniger barauf gurüefgufommen, alö baS
bort Dargelegte einem jebeit mit ben gütigen ^robuftion^ocrtjälts
niffen Vertrauten non felbft fief) aufbrängt. Die Arbeitgeber be*
ßanbeln bei Veftimmung ber roteßtigften Arbeitsbebingmtgen, unb
gmar notßroenbig, i^re Arbeiter regelmäßig als ©efainmtßeit.
Ans biefen beibeit Dßatfatßen, ber Gleichberechtigung ber
Arbeiter beim Abfcßitß beS ArbeitSoertrageS unb ber ©enteinfam*
feit ber in biefem feftgeftellten ArbeitSbcbingungcu für bie große
Vtaffe ber Arbeiter eines ©eroerbcS, ergiebt fieß mit SRotßroenbigfeit
bie golgc, baß bie gemeinfam Sntereffirten baS Vecßt ßaben mü|fen,
ihre Sntereffen gemeinfam 311 beratßen, als ©efatntntßeit mit ihren
Arbeitgebern guoerßanbelit unb ihre ibentifeßen Sntercffen gemein*
fam geltenb gu machen. Dicfe gemeinfamcit Arbcitsbebiugiingeu
biirrf) ©ingelocrtrag groifeßen beut inbioibueden Arbeiter unb feinem
Arbeitgeber feftfeßen taffen, ßeißt nidjts AnbereS, als bie Ve*
bingungeit, roeleße biefer, nermöge feiner Ueberlcgeitßeit, ben
Scßroäcßften unter ben Arbeitern aufnötßigen fann, gu ben Ve*
bingungen Ader maeßen. Das allein i'ogifcße unb allein Sacß*
entfpreeßenbe ift bie fodeftioc Veßanblung oder fragen groifeßen
Arbeiter unb Arbeitgeber. 4 ) .Meine Veuorbnmtg beS Arbeite*
oerßältniffeS fann Vefriebigung febaffen, bie nicht auf bem Sßrittgip
ber fveftfledung ber Arbeitebebingungen mit ber ©efammtßcit ber
Arbeiter, bie fie angeben, beruht.
Veit einer ©efcmimtßeit fann man aber nur oerbanbeln bureb
ißre Vertreter unb baS Vorbanbenfein non Vertretern feßt eine
Crgauifatiou ber ©efammtßeit uorauS. llnb fo gelangen mir gu
ber Votßroenbigfeit einer Drbnung, bei ‘ber bie Arbeitsbebingungen
uon ben Arbeitgebern mit ben Vertretern ber Arbeiter, für roeleße
bie Arbeitsbedingungen gemeinfam finb, oereinbart merben mtb bie
Orgaitifationen ber Arbeiter bie (Garantie für bie Veadjtung ber
oereinbarten Vebingungcn bureß bie Arbeiter übernehmen.
Allein gerabe hiergegen erhebt man VMberfprucß. Vknn bie
Arbeitgeber "ftatt mit bem ©itigelucn mit ber ©efammtßeit oer*
banbeln, ocrlieren fie gerabe baS lleberacroießt beim VertragSfcßluß,
nermöge beffen fie beut Arbeiter bie Vebingungen gn biftiren im
Staube finb. Daßer begegnen mir als erfter Scßroierigfeit ber
Weigerung ber Arbeitgeber, mit einer Vertretung ihrer Arbeiter,
ftatt mit ihren Arbeitern eingeln, gu oerbanbeln, baßer jener
Tarnung ber Arbeiter, ihre Freiheit unter baS ooeß ber Drganifation
gu beugen, bie, ba fie ben Arbeitern feinen ©inbruef gu maeßen
pflegt, ßßließließ in bem uuerbetenen Scßnß ber „ArbeitSioidigen"
fulminirt. Die Weigerung, mit Vertretern ber Arbeiter gu oer*
ßanbeln, pflegt übrigens oerfeßiebeue GntmicfelungSftabicn bureß*
gumaeßen. 3 uer ft ift fie am rabifalften. Vfan meigert fieß, jeglicße
Deputation, felbft roenit fie lebiglicß aus Arbeitern bcS eigenen
VetriebeS befteßt, gu empfangen; bann erflärt man fieß bereit, gmar
mit einer Deputation ber eigenen Arbeiter gu oerßanbcln, nicht
aber mit einer Deputation ber Arbeiter beS gefammten ©eroerbcS;
: baS nädjfte Stabium ift, baß tnan fidj gmar ßiergu bereit erflärt,
aber nur, menn bie Vertreter ber Arbeiter fämmtlicß nod) mirflicße
Arbeiter int ©eroerbe finb, ober man leßnt es ab, Vertreter -gu
.empfangen, menn biefe gleicßgeitig tßätige Vtügüeber geroiffer
Varteien finb. ©tibließ gelangt mau gur (Sinfidjt, baß, ba ntd)t nur
Könige, 5 ) fonbent aueß Arbeitgeber felbft, Verßanblmigcn mit
fremben Agenten nicht oßne gefcßäftlicßen Veiftanb gn füßren
pflegen, aueß bem Arbeiter baS Gleiche gu ißuit geftattet fein muffe;
3 ) 8er ber Arbeitswilligen. '-Berlin istro. Verlag ium
Vconlmrb 2 Union.
4 ) 3d) liabe bie logwlic mib fadilidic Aotbmenbigfeit bei folleftiuen
Vertragcddiliifei bereits 1S72 ansiiiljrlid] bargelegt imb begriinbet unb
iduui banialv bie oben im Irrte bnfiiy gebraudueu Ausbrüde gebraucht.
(Vgl. Arbeitergilbeu II 22 fi.» 'Bie 11 n id) bies gegenüber einer An*
merfung in bem Vudie Industrial Deinocracy by Sidney <!fc Heatrice
Weid» vol. 1 p. 173 beruorbebe, geidiielu bics lebiglid), meil biefe Vc=
merfung geigt, bau bie Vertaiter meber ben 2. Vaub meiner Arbeiter*
gilben, nod) meine Einleitung gum 45. Vaub ber Sdjrifteu bes Vereins
nie 3 0 ginlpolaif geleien Imbeu. B2enn trophein nidjt nur ihre Ans*
Mlirmigeu, »ouberu oielfad) and» ihre Ausbriiefe mit meinen Darlegungen
über fellcEtioei Verliaubelu unb über Ddtiebsgeridite in ber .»Tyaiiptfadte j
iilureinltiiiuncu, fo hart idi bariu, bai; unabhängig uon meinen lluter=
uidimigen jene io fadjoefftäubigen Autoren und) io langer eit unb uadi=
bem io oiel neuer 2log lungugefounueu, mit mir übereiufiimmen, iool)I
einen Bemeiv für bie r){ iditig tr it meiner Darlegungen erb liefen.
■') Vgl. Vismant, «'»ebanfeu mtb oruiitertiugen, II s»i.
ba| biefe Verßanblungen um fo fießerere ©arantieen eines längeren
SricbenS böten, je nteßr bie llnterßänbler baS oolle Vertrauen
beseitigen, bie fie oertreten, befäßen; baß es nießts DßöricßtereS
geben föntte, als fogenannte Agitatoren oott biefen Verbaitblunaen
auSgufcßließen unb nießts MlügereS, als gerabe biejenigen, mefeße
bie ©rgebniffe einer Verßanblung burd) ißre Agitation in fjrage
gu fteflen im Staube mären, ittbern man fie gu Dßeilneßmern an
biefen Verßanblungen macht, an beren ©rgebniffe gu binben. VRatt
gelaugt gu ber ©infießt, baß groifeßen bem ©efcßäftSfüßrer eines
ArbeitgeberoerbanbeS unb bem Scfretär eines ©emerfocreinS boeß
nur ber Untcrfcßieb befteße, baß 3 ener oft ben geßnfadjen ©eßalt
beS leßteren erßält, baß, menn bie eine Partei bie Verrccnbuttg
besohlter Sacßmalter für fieß in Anfprucß nimmt, ber ©egenpartei
baS Gleiche nicht oermcigert merben fann, unb guleßt geftatten fieß
fogar beibe V a ^ c i e n, reguläre Aboofaten beim Abfeßluß ißrerVer*
träge mitgubringen unb für fieß eintreten gu laffen. 3 ^ rafeßer
biefe oerfeßiebenen (^ntmiefclungSftabien bnreßlaufett merben, befto
guträgließer ift es ber balbigen ©rreießung friebließer 3 ufiönbe;
beim bie Weigerung, mit ben mirfließen Vertrauensmännern ber
Arbeiter als mit beren Vertretern gu oerßanbeln, ift eine ber
ßäufigften Urfaeßen erbitterter ArbeitSfämpfe.
Allein, mirb man eititoenben, gerabe baS folleftioe Verßanbeln
ber Arbeiter mit ißren Arbeitgebern führe gu jenen großen ArbeitS*
ftiUftänbeu, bie Alle beflagen. Sie ber ©efcßäftsinßaber gu oer*
faufen fieß meigere, menn ber^imbeben ^reis nicht gaßlen mill, unter
bem jener nicht glaubt, oerfaufen gu fönnen, fo ftedten bie Arbeiter
gemeinfam bie Arbeit ein, menn bie oon ißren Vertretern gefteHten
3 orberungen nicßt angenommen mürben. Unb fein 3 ro cifel, es
liegt bicS in ber Vatur ber Dinge! Da bie ArbeitSbebingungcn
für bie Vtoffc ber Arbeiter gemeinfam finb, ift es bie notßmenbige
Solge, baß ba, mo biefe Vebingungen ungenügenb finb, aueß bie
Seigentng, fie anguneßmen, gleicßgeitig ftattfinbet. AQein eS ift
eine gefeßidhtließe Dßatfaeße, beiß Arbeitseinteilungen meit ßäufiger
finb, roo bie gemeinfamen Arbeitsbebingungeu ftatt mit Crgani*
fationen ber Arbeiter oereinbart gu merben, ben Arbeitern einfeitig auf*
erlegt merben. £)ören mir bariiber bie Royal Commission on Labour 6 )
oon 1894: „V3enn in einem ©emerbe beibe Parteien ftarf organifirt
unb im Vefiße beträeßtließer finaitgieller VUttel finb, fann eine
ArbeitSftreitigfeit, menn eine foleße ftattfinbet, einen febr großen
Umfang erreidien, feßr lange bauern unb feßr oiel fofteu. Allein
mie ein moberner .Mrieg gmijeßen gmei großen europäifd)en Viäcßten,
fo foftfpielig er ift, ein ßößereS Stabium ber (Sioilifation bcbcutet,
als bic fortroäßrenben Iofalen Kämpfe unb ©rengüberfeßreitungen,
roeleße 3 c ü c n »nb Räubern mit meniger ftarfer mtb meniger
eentralifirter Regierung eigentßümließ finb, fo crfcheint im ©angen
ein gelegentlicher großer Arbeitsfampf, ber naeß langer fyriebenS*
bauer anSbrtdht, als miinfeßenSmertßer als fortroäßrenber örtließer
$>aber, fortmäßrenbe ArbeitSftillftänbe unb fleine 3wiftigf«ten."
Vor Adern aber ßat fieß aus biefen Kämpfen groifeßen Crgani*
fation unb Crganifation eine cioilifirtcre Vtetßobe gur ©rlcbiguitg
ber Sntereffenoerfeßiebenßeiten ßerauSgebilbet, bei ber bie VUigließ*
feit eines .MautpfeS nuitmcßr bie Vode fpielt äßnließ ber, roeleße
ber tfrieg bann fpielen mürbe, menn alle 3 n^reffenDerfeßiebenßeiten
groifeßen Völfcrn bureß SeßicbSgerießte begließen mürben, nätnließ
bie 9fode einer ultima ratio, menn mittelft beS ScßiebSfprud)S eine
Vergeroaltigung ber einen Vartei bureß bie anbere oerfueßt mürbe;
eS fittb oieS bie fogenannten StßiebS* unb ©inigungS*
fammern.
3u biefen ScßiebS* unb ©iniguugSfammern ßanbelt cS fieß um
etwas oödig VerfeßiebeneS oon ber Dßätigfeit unferer ©emerbe*
gerießte. Diefe finb in ißrer Spßäre oortrefflid); aber ißre Spßäre
ift eine anbere. llnfere ©eroerbegerießte haben barüber gu be*
fiitben, maS bie Vebingungen eines bereits abgefeßloffenen ArbeitS*
oertragS für einen eingeilten Streitfad bebeitten, unb ob biefe
Vebingungen in einem einzelnen ?}ad erfüdt roorben finb ober
nicßt. Darüber fönnen intelligente Vcrfoneit jebmeben VcrufeS ent*
fdjeibeu, menn fie unparteiifcß finb; eS fontmt baßer nur barauf
an, biefe Unparteilichkeit gu fießern unb beiben Parteien bie lieber*
geugung oon ißr gu oerfeßaffen. AnberS bei bem ScßiebS* unb
©iniguiigSoerfaljrcii. -V)ier gilt es, bie Vebingungen eines erft ab*
gufißließenben Arbeitsoertrages fcftguftellcn. Das ift nicht bloß
eine Sad)e ber llnparteilidjfeit; aud) nidjt bloß eine Sad)e be^
guten Viillen-j; bic fcftguftellcubeu Vebingungen müffeu ber Viarft*
läge, beit ©riftciigbebingiiugeu mtb ber .Mottjunftur ber Arbeit*
*’,) Fifth and final report of the Royal Commission on Labour, 18-14,
C. 7421 p. 36. Vgl. Sdiriiteu b. V. i. Sogialpol. 45. Vaub S, LXXIII
biv LXXVIII.
1365
^ojtalc Prajts. ©entralblatt für ©ojialpolttif. 9h. 62.
1366
acber unb ber Arbeiter entfpred)eu; 311 foldjer geftfteÜung finb
Berfonen affein im ©tanbe, welche als Sntereffenten baS betreffcnbc
©ewerbe in allen feinen ©ingelßeiten, Abfaß* unb ArbeitSoerbältniffen
aufs ©enauefte fennen. daher benn 3 . 33. itnfere beutfd)eu ©e*
Werbegerichte oöüig un 3 ulänalid) finb, als ©d)icbS* unb ©iuigungS*
fammern ju bienen, fobalb fie einmal baju in einem ©ewerbe be*
rufen werben follten, welkes betn auswärtigen Wettbewerb aus*
gefefet ift. 7 )
Sn ©nglanb, wo baS moberne ©chiebS* unb ©iuigungS*
©erfahren ftd) hiftorifd) entwicfelt §at es folgenbe feljr Ie|r*
reiche ©ntwicfelungSftufen burdjlaufen.
Auf ber erften beftanb bic ©chiebS* unb ©ittigungSfammer
aus gleid) oiel Vertretern ber Arbeitgeber unb Arbeiter beS ©e*
werbes, in bem ber ©treit ftattfanb, welche jufammenfamen, um
in freier Beratung auf ©ruitblage oollfommener ©leithberedjtigitng
bie Arbeitsbebingungen für einen beftimmten fommenbeit %t\U
raum für ein ganzes ©ewerbe in oerfchiebener lofaler 33 egren 3 ung
feftsufteUcn. die Vertreter ber Arbeiter würben nicf)t non beren
Drganifationen gewählt; beim noch war bie Abneigung ber Arbeit*
geber gegen folcf)e Crganifationeit nicht gaitj überwunben. ©ie
würben 001 t ber ©efammtheit ber Arbeiter beS in Srage fommenben
©ewerbeS unb SBejirfS gewählt; thatfächtid} waren eS aber ftetS
bie Rührer ber Arbeiterorganifationen, bie fo gewählt würben,
die durchführung einer getroffenen Vereinbarung beruhte auf frei*
williger Unterwerfung.
AIS baS ©d)iebS* unb ©inigungSoerfahren auf bie großen
nationalen Snbuftrien Anwenbung fanb, trat eS in fein ^weites
©ntwicfelnngSftabinm. An bie ©piße beffeiben fteUte man einen
Unparteiifchen unb wählte ba^u mcift einen nid)t jum ©ewerbe
gehörigen h erü orragenben ©taatSmann ober Snriften. Vtit unb
neben ihm bilbeten je jwei ooit beit Arbeitgebern unb Arbeitern
gewählte ©chiebSrichter, bie meift felbft 3 U bem ©ewerbe, unb 3 war
oft fogar 3 U ben ^Betrieben, in beneit ber ©treit ftattfanb, gehörten,
baS ©tf)iebSgerid)t. die Parteien erfdjienen in bem ©<hiebsgerid)t nicht
mehr als Vtitbefdjlicßenbe, fonbern als Kläger unb 33eflagte nnb
führten ihre ©ad)e mit all ben üblichen .^Hilfsmitteln unb in ben
Sormen eines Pro 3 effeS. Von biefem ©d)iebSgerid)tc würben bie
prin 3 ipien für bie Drbituug beS ArbeitSoerhältniffeS für beftimmte
3eit ober bis 3 ur ttiinbigung feitenS einer ber beiben Parteien
feftgefteüt. ©ine weitere Neuerung war, baß nunmehr bie Drgatti*
fationen ber Arbeiter als beren Vertreter oon ben Arbeitgebern
off^ieÜ anerfannt würben. die beiberfeitigen Drganifationcn als
foldje wählten bie ©chiebsricßter unb oertraten ihre Sntereffenten
oor bem ©d)iebSgeri<hte. desgleichen brachten fie ben getroffenen
©ntfdjeib mit ihren HülfSmittcln gegenüber ihren Vtttgltebern 3 ur
Anwenbung.
33ei biefem 3 weiten ©tabium beS ©d)iebs* unb ©inigungS*
ocrfahrenS ftcüte fief) aber baS Solgenbe h er anS. die großen
Arbeitgeber 3 Ögcrten, einen dheil ber daten, bie 3 ur Fällung beS
'©rf)icbSfprud)S unentbehrlich waren, ben oon ben Arbeitern ge*
wählten ©djiebSrichtern oor 3 ulegen; nur ber Unparteiifche erhielt
baoon Menntniß. die Solge mar, baß eS auch unmöglich würbe,
einen ©djiebsfprud) in ber Weife 3 U er 3 ieleu, bah bit oon ben
Parteien felbft 3 U ©cßiebSrichtern gewählten Perfoiten fich einigten;
ber oon biefeit gewählte Unparteiifche mußte in jebein ©in 3 elfaüe
beit ©tichentfdjeib geben, daburch änberte fich auch bie Noüe ber
übrigen ©chiebSrichter: aus ©d)iebsrid)tern würben fie 3 U Partei*
anwälten, welche bic Anfprüche ihrer Sntereffenten oor bem ©d)iebs*
richter oertraten; ber Unparteiifche würbe 311 m einzigen ©cßiebS*
rießter. ©0 führte alfo bie ©utwicfelung 3 U einer ©e|taltung, wie
fie ähnlich ben Anhängern beS fo^ialpolitifchen AffefforiSmuS als
bie miinfcßcnSmertbefte oorfeßwebt, bah nämlich ein Beamter nach
Anhörung beiber Parteien bie Arbeitsbebingungen feftfteKe.
Unb ber ©rfolg? 9)?an muh unterfdjeiben. ©S giebt Ve*
fdjäftigungen, bei benen ber 3 a htnngSfähigfeit ber Arbeitgeber
feineSwegS eine ©rense burch bie greife ge 3 ogen wirb — fei eS,
bah h^r Preiserhöhungen 311 ermöglidjen finb, fei eS, bah fahr
ho|en ©ewinnften baS im ©ewerbe fteefenbe Kapital nicht 3 urücf*
ge 3 ogen werben fann. Sn anberen ©ewerben führt bie Unfähig*
feit, für hohe wob erhöhte £ößne in ben greifen ©rfaß 3 U finben,
31 t fofortiger ©ittfeßränfung beS Betriebs. 3 U öen erfteren ge*
hören oieie 33efchäftigungen für lofale 33ebürfniffe, wie bie ber
Hafenarbeiter, ber dratnbahn* unb ©ifenbahnbebienfteten, ber
Arbeiter in ©asfabrifeit u. bgl. 3 U ^en auberen gehören bie,
welche ber auswärtigen ilonfurren 3 aitSgefeht finb. Sn ben 23e*
7 l 3?gl. meine hierauf bi' 3 iigltche jitriti! in ben ©djrifteu b. 3?. f.
©o 3 iaIpoi. 3?aub -15 3. XLff.
fchäftigungen ber erfteren Art ift baS ©d)iebS* unb ©inigungS*
oerfahren mit einem ©emerbsfremben als Unparteiifchen erfolgreich
gemefen; in ben Snbuftrien ber jweiten Art ift es 3 ufammen*
ebrochen. die Aufgabe beS ©djtebs* unb ©inigungSoerfahrenS
efteht nämlich bariti, auf bem Wege ber Unterfuchung aller ber
Momente, welche ben SJ^arft beeinfluffen, 3 U bemfelben ©rgebniffe
3 U gelangen, 311 bem ohne fein da 3 mifd)entreten bie Parteien nach
langwierigen ArbeitSfämpfen gelangen würben, das AuSfd)lag*
gebeitbe füllten fomit nur bie 9Kachtoerhältniffe ber Parteien fein,
wie fte fich au ^ ber ^onjunftur, bem ©tanb beS ArbeitSmarftS
unb ber ©tärfe ber Drganifationen ber Parteien ergeben, diefe
93erhältniffe richtig 3 u erfennen, ift, wie bie ©rfahrung 3 eigt, ben
auherhalb beS in Srage ftehenben ©ewerbeS ©te$enbcn nicht ge*
geben. Shre ©ntfdjeibungen hoben fich baher nur als hoWmr
geseigt in ©ewerben ber erfteren Art; in benen ber sweiten Art
nur bann, wenn bie Unparteiifchen $u Ungunften ber Arbeiter
irrten. Wo eS 3 U Ungunften ber Arbeitgeber gefchab, haben bie
mit bem ©chiebsfprud) un 3 ufriebenen Arbeitgeber fid> ihm 3 war
unterworfen, aber alsbalb banach geftrebt, burch einen neuen
©chiebsfprud) bie 33efriebigüng ihrer burch bie Sßarftlage beredh*
tigten Anfprüche 3 U erlangen, ober, wenn fie fid) für längere 3 c ü
oerpflichtet hatten, haben fie ben betrieb gan 3 eingeftellt.
dies bie ©rfahrung in ©nglanb. droh berfelben unb trofe ber
einbrucfSootlen Ausführungen beS dürften PiSmarcf über ben
AffefforiSmuS glauben aber noch immer Piele bei uns, bafe eS ber
beutfd)en 33ureaufratie möglich fein würbe, was in ©nglanb Männern
oon aUererfter geiftiger unb praftifd)cr Befähigung wie ©ir SWupert
bettle, äorb derbp, £orb plapfair unb Anberen unmöglich ge*
wefen, nämlich für unfere mobernen Sabuftriebetriebe bie ArbeitS*
bebingungen autoritatio feft^ufefeen.
Sn ©nglanb ift bie Solge ber erwähnten ©rfahruuaen ge*
wefen, bafc heute feine ber beiben Parteien oon biefer Art beS
©chiebS* unb ©inigungSoerfahrenS mehr oiel miffen will. 8 ) die
Arbeitgeber lehnen fie ab, weil fie ©efahr laufen, bafe ArbeitS*
bebingungen feftgefteüt werben, welche fich, als ber Btarftlage nicht
entfprcchenb, unburchführbar erweifen; bie Arbeiter, einft bafür be*
geiftert, betrauten fie mit Argwohn, ba bie ©rfahrung ihnen ge*
3 eigt hat, baft bie ©d)iebsfprüd)e nur beachtet werben, wenn bie
©ntfeheibungen ihnen, ähnlich ben richterlichen ßohnteftfehungen
beS 18. Sahrhunberts, weniger 3 ufpred)en, als He itad) öfonomifchen
©runbfähen beanfpruchen fönnten. Sn ben Snbuftrien, in benen
bie Sohnhöhe oon ben preifen abhängig ift, ift baher eine britte
Art oon ©chiebS* unb ©inignugSoerfahren an bie ©teile beS
©chiebSfprucheS burch Unparteiifche getreten: bie Negotiation.
Hierbei finb es bie Führer ber beiberfeitigen Drganifationeu,
welche auf bie wirthfchaftliche Ntad)t, welche biefen innewohnt, ge*
ftüfct, über bie Ntarftlage mit einanber oerhanbeln unb biefer ent*
fprechenb bie Arbeitsbebingungen feftfteüen. dabei finbet fich mit*
unter eine braunen ftehenbe perfönlichfeit als 33 orfifccnber ber ge*
meinfamen SSerhanblungeu. Allein ihre Sunftion ift weit entfernt
oon ber eines ©chiebSrithterS: fie hat bloft bie Aufgabe, bie par*
teien 3 ur SSerhaublung auf freunbfchaftlidjein gufee 3 ufammeit*
3 ubringen unb bie 33erhanblungen formal 311 leiten, dabei bringt
eS biefe gegenfeitige AuSfprad;e ber Qiihrer ber beiben Parteien
regelmäßig mit fich, baß eine gan 3 e An 3 ahl oon ©treitpunften oon
felbft im Saufe ber Berljanblung ihre ©rlebigung finbet. die ©treit*
punfte, bie bleiben, pflegen bann in ber Weife erörtert 3 U werben,
baß eine jebe ber beiben Parteien in einem befonberen Nauine
beräth, bie Proportionen unb ©egenpropofitionen ber anberen
Partei hi^ entgegennimmt, beräth unb beantwortet, unb nur baS
©nbrefultat ber Berathungen in gemeinfamer ©ißung feftgefteüt
wirb. Wenn biefeS ©nbrefultat erhielt ift, finb bie ©emüther unb
©eifter burch bie oorauSgegangene S3erathung fo weit oorbereitet,
baß es als ber unoermeib!id)e AuSgang oon beiben Parteien hin*
genommen wirb.
daher benn bas neuefte englifdje ©efeß über ©chiebS* unb
©inigungSoerfahren, ber Conciliation Act oon 1896, fich baranf
befchränft, baS HanbelSminifterium 3 U ermäd)tigen, im gaüe einer
ArbeitSftreitigfeit Urfachen unb nähere Umftänbe ber ©treitigfeit
feft 3 ufteÜeu. ©S barf als greunb beS griebenS fo weit intcrocnircn,
baß eS beiben 311 m Srwöen geeignete Nathßhläge ertheilt. SaÜs
ein Unparteiifcher gewünfeht werben fottte, barf eS einen folcßen
ernennen, ©üblich, faüS beibe Parteien es wünfehen foüten, baß
bie ©treitigfeit beS Weiteren in ber Sonn eines ©d)icbSoerfal)rcnS
behanbelt werbe unb baS HanbelSminiftcrium einen ©djiebSrid)ter
ernenne, barf baS HanbelSminifterium biefem Wuitfdße cutfpredjeit.
8 ) 'Bgl. Webb, Industrial Democracy I. 225 ff.
136 *
^ogtale $rajt$. Gentralblatt für 6ogtalpolitif. Ar. 52.
1367
So ift eine gemeinfame Drganifation t>on Arbeitgebern mtb
Arbeitern entftanben, roelrf)e, ftatt ben groiftbeit beiben befteljenben
Sntercffengegcnfaß oerroifd)en 311 roollen, auf ber Ancrfcnnung beS*
felben beruht, aber eben beS^alb biefen weit eher 311 iiberroinben
oermag, als gcroiffe glätte non gemeinfamen Drganifationcn, roeldje,
inbem fie unroirFlid) baS leugnen, roaS unbeftreitbar ift, nur 311
einer Ueberoortljeilung ber 0 cf)amtieren führen mürben. ®iefe
neue gemeinfame Drganifation, meit entfernt, bic befonberen Dr*
ganifationen ber beiben Stdereffenparteien gu ignorireit, ift auf
biefen aufgebaut unb f)at beren %iftenj gerabegu 3 ur VorauSfeßuitg.
Dbne fold)e fönnte fie gar nicht fuuftioniren.
Allein eine Aerf)tSbcftimmung erfdjeint Angefid)tS biefer ge*
meinfamen Drganifation als eine Anomalie. D>ie ^Durchführung
beS ejemeinfam Vefd)loffenen beruht auch in Gnglanb noch ^eute
lebigltcf) auf ber ©eroalt, roeld)e eine jebe ber beiben Sntereffenteu*
organifatiotten tf)atfcicf)lid) über ihre Viitglieber bat. Ao<b immer
ift eS rechtens, baß jebetn £b e ilnebmer an $rcis* unb Dol)n*
oereinbaruugen ber Arbeitgeber unb Arbeiter ber Austritt non
folgen Vereinigungen ober Vcrabrebungen ohne Weiteres frciftel)t
unb aus leßtercn rneber Silage noch Ginrebe ftattfinbet. Aod)
immer alfo fanit jebeS arbeitSroiHige 2öerf ober jeber arbeitSroiHigc
Arbeiter bureb Weigerung, ficb bem groifd)en beiben Drgaitifatio*
rten Vereinbarten 3 U fügen, bic s Birfung ber Vereinbarung in
grage fteHen unb an Stelle beS griebens einen neuen KrtcgS*
3 uftanb benrorriifen. Auch biefe (Gefahr fann nur befeitigt, auch
hier fanit eine befriebigenbe Drbnuitg nur gefcbaffeit merben, roenn
bas SRecbt anerfennt, tnaS tbatfätfjlid) ift, nätnlid) baß es bie Dr*
ganifationen beiber Sntereffenteu finb, roeld)e für ihre Vtitgliebcr
ben ArbeitSoertrag abfcbließen. 23cnn biefeS ber gall ift, erfdjeint
eS auch naturgemäß baß fie bie Haftung für bie Vcadjtung beS
ArbeitSncrtrageS bitrcb ihre Vtitgliebcr gegenüber bem VHtfontra*
benten übernehmen.
-Das ^ringip ber Solibarbaft für bie Durchführung ber
Vebingungen beS ArbeitSnertrageS ift baS Korrelat beS SßringipS
ber follefttnen Vereinbarung ber ArbeitSbebingungeu. Damit bie
Drgaitifationen biefe Haftung übernebmen fönneu, ift eS aber
unerläßlich, baß bie eingelneu Viitglieber ber Drganifationcn and)
restlich gebunben feien, bic Verträge, bureb roeldje fie ficb unter*
einanber oerpflidjtet buben, ficb ben gemeinfatn oereinbarten VreiS*
unb L'obnbcbingungen 3 U unterroerfen, 3 U halten. Das gortbefteben
jener AecbtSauomalie, roelcbe biefen Verträgen bie Aed)tsuerbiitb*
liebfeit abfpriebt, roirb gu einer praftifeben llnmöglid)teit, ja einer
fo 3 ialeu Öefabr. 3tn ©egentbeil: es muß duSbriidlid) aus*
gefprocbcit merben, baß ArbettSbebingungen, melcbe Drgauifatiouen
oon Arbeitgebern ober Arbeitern für ihre SDtitglieber ocreinbart
haben, für Diefe recbtSoerbiublicb finb.
©eroiß mirb auch baitacb biefe getneinfame Drganifation oon
Arbeitgebern unb Arbeitern nod) feine ibeale fein. Aocb immer
bleibt Die Vtöglicbfeit, baß bie beiben Drganifationeu nicht 311 einer
Vereinbarung foinmen, unb noch immer muß bann ben Arbeitern
bas Aedjt 3 uftebcn, bic Arbeit eituuftellen, ben Arbeitgebern bas
Sfecbt, bie Arbeiter aüSgufperren. <so lange bie erfterc Vtöglidjfeit
beftebt, mürbe bas gebleit biefer Rechte Sflaoerei unb Vermögens*
fonfisfatiou bebeuten. Gleroiß baber, baß auch bie 3 ufuitft noch
Gntroirflungen biefer gemeinfamen Drganifation gu größerer Voll*
fominenbeit bringen roirb. V$ie fie enblidj befebaffen fein mirb, ob
äfjnlid) jener oott einem ber größten englifrfjen Arbeitgeber, bem
oerftorbeiten Sir George Glliot^), oorgefdjlageiten Drganifation oon
Kartellen, in bereu VerroaltungSratb neben ben Vertretern bes
orgauifirteit Kapitals bie Vertreter ber Arbeiterorganifationcn unb
Staatsbelegirte als Vertreter beS KonfumenteuiutereffcS fißen, ober
äbnlid) mie bie Birmingham Trade Combination, oon ber
G. S Smith im „Daih) Ghronicle" oom 7. ganuar 1898 berichtet
bat, ober in irgenb einer aitberen V3eife, rocldje burd) eine bc*
febranfte Sbciluabme ber Arbeiteroertretcr an ber Verwaltung
Ointereffenfämpfe gmifd;eu Arbeit nnb Kapital ausfd)ließt, mer oer*
mag es uorbergufagen! GiiteS ift fid)er: Die SuFunftSorganifatioii
mirb ihre Aufgabe um fo beffer erfüllen, je liugefiörter man fie
fid) in Anpaffuitg an bie befonberen Vebiirfuiffe ber einzelnen Ge*
merbe aus bem Vebeu heraus felbft ciitmirfelii laffen mirb.
Aiir uns in Seutfdilaub Ijanbelt es ficb über nod) uid)t um
foldie 3ufunftstnufif. Leiber fteifen mir nod) am Anfang 311
einer and) nur ber englifdjen äbnlid)eu gemeinfamen Drganifation
oon Arbeitgebern nnb Arbeitern, liniere Aufgabe fann nur fein,
\l Vgl. meine hieranr be’.iigliitiiMi Aiiviiihnmgeu in ber >ianell= 1
bebaue De* Wiener Moiigreue^ bev Verein« uir 2opalpö|itif im j
vMibre ls!>4. i
burd) Vefeitigung ber §inberniffe, meid) einer glcid) gebeifjlicfjeit
Gntmicflung im VScge fteben, unb oor Allem bureb Serbin bem 11 g
neuer Grfd)roerniffe ihr beu V.'eg gu ebnen.
Als er ft es VHttcl erfebeint unerläßlich, ba& bas Verfpred)en
beS 9teicbsfanglerS eitblid) erfüllt nnb jene Verbote, rooitad) in
einzelnen oeutfdjcn Staaten Arbeiteroerbänben gnr
Vcffernng ber ArbeitSbebinguitgen als „politifd^en Ver*
einen" bic Verbiitbung unter einanber unterfagt ift, im
gangen bcutfd)cn Reiche befeitigt merben. Aur bann föitnen
fiib bie ©eroerfoereine gu mabreit nationalen Korporationen ber
Arbeiter eines unb beffelben VerufeS entmicfeln.
3meitenS erfd)eiut mir ein GJefeb nötig, roclcbeS bas
geltenbe GJefeß über 03emerbegericbte, fomeit fid) beffen Ve*
ftimmnngen auf GinigungSocrfabren begießen, befeitigt nnb
neue Veftimmungett an beren Stelle fehl, ^abei müßte man fid)
aber hüten, eine beftimmte gönn beS Sdjiebs* unb Gtniguiigs*
oerfabrettS oorguid)reiben. GS mufj bie s Di'öglid)feit befteben, biefe
gorm ben befonberen Verl)ältniffen eines Wcmerbes angupaffen.
GS mürbe oorläufig genügen, roollte man in einem GJefepe dfjnlirfi
bem ehglifeben Couciliation Act oon 1896 beit Vcbörbeu bie Viög*
lid)feit geben, in ArbeitSftreitigfciten gu interoeuiren.
(Sin britteS Vtittei märe, roenn bie ©emerbeorbnung 311 m
AuSbrucf brächte, bafe bic ©efejjgcbunjj bie Regelung ber
ArbeitSbebingungeu burd) bie beiben Sntercffcnten*
organifationen als guläffig unb binbeub anfäf)e. bem
3mecfe müfete ber § 152, Abfaß 2 ber Wcmerbeorbnung befeitigt
merben unb ber § 105 folgenberma&en lauten:
„Xic geftfetumg ber Vcrl)ältniffc gmifd)eu bni felbfiftänbigen (üe*
merbetreibenben unb ben geroerbiidjru Arbeitern ift, oorbehalilid) bn
burd) Acid)*gefcp begri'mbeteu Vefdjräufungen, (iJegenftanb freier lieber
eiufunft.
/f l5ine foldie llebereinfnuft fann nidjt bloß gmifdien einzelnen
merbetreibenben mtb eingellten Arbeitern, fonbern midi gmifdien eingeliien
flficrocrbctrcibcnbeu ober .Horporatiouen oon hJemerbetreibcnben imb
Korporationen oon Arbeitern rediivoerbiublidi abgefdiloffeit merben.
„Vio immer eine Korporation oon Arbeitgebern ober Arbeitern
bie Arbeitvbebiuguugeu für ihre Viitglicbcr oercinbart, haftet bao Kor*
poration*oermögin für bie lirfiillung biefer Arbeitcdiebingungeii feitnis
ihrer einzelnen .W'itglieber."
Gtiblid): ber § 153 ber (^emerbeorbitinig müßte lautcir.
„V 4 er e* unternimmt, burd) Anmenbung förperlidiett oionitgs ober
burdi Drohung mit .{laublungeu, gu bereu Vornahme ber Ihätcr nidit be=
reditigt ift, Arbeitgeber ober Arbeiter gur ^lieilnahme an Vereinigungen
ober Verabrebungen, bie eine (Sinmirfimg auf Arbeit** ober Voim*
ocrliältniffc begmeden, gu beftimmen ober uoit ber ^licilitabme an fohlien
Vereinigungen ober Verbiiibimgen abguljalteu, mirb uad) Viaßgabc ber
Veftimimmgen be* beutfdieu Strafgefeßlmdjs über förpcrlidien ^mang
unb Drohung beftraft."
Xräte au Stelle ber unfeligett Vorlage ginn „Sd)uß bec- ge*
merblid)en ArbeitsoerbältniffeS" ein Oiefeb, rcelcbeS biefe Ve*
ftimmuitgcn eitll)ielte, fo märe batnit bie beute nod) fehfenbe SRcdus*
gleid)beit ber Arbeiterflaffe mit ben übrigen (SJefellfdjaftsflaifen unb
insbefonbere ber ArbcitSoerfäufer mit beu ArbcitsFäiifcru gnr
Wahrheit gemad)t. GS märe batnit ferner eine Drbnuitg bes
ArbcitsoerbältniffeS gefdmffcn, meld)e unferen tt)atfäd)lid)cn heutigen
S ^robuftionsocrl)ältniffeu eutfpräd)e. Gs märe bamit bic h)runb*
läge gelegt für eine Aera mahreit fogialen griebenS unb groß
artigfter Kraft* unb V?ad)tentfaltung itnfereS beutfeben Vatcrlänbes
ttn Simcrn mie uad) Außen.
München. Dujo Vrentano.
Allgemeine Sojlnl- nnb BittyftyafepolttUL
3 iele unb Söege einer ^etmarbeitSgefe^aebnng. Gin 0011
I)r. G. 2d)roieblaub beut öfterreid)ifd)en §aubelSmtnifterium er*
ftattetes Ghitaditcu über „Siele nnb Vkge einer ^eimarbeitsgefoß*
gebung /,:jl ) t'ommt um fo geitgemäßer, als biefe grngc burd) bic
iieucfteu ^liblifatiouen bes Vereins für Sogialpolitif and) in
Deiitfcblaub mieber in ben Vorbergrunb bes Sntcreffcs geriieft loorben
ift. D)er Vcrfaffer ift unfern De fern aus mehreren Äuffäbeit über
bas Dbcma moljl befauut, unb mir begnügen uns baljer jeßt mit
einem fingen ftiuiocifc auf fein Vud). Sn einem etiileitenben
Dheile behanbelt Sdjmieblanb bie Gpodicn ber Verlagsarbeit, bereu
Gutftebeii in ber Wcgcuioart, ihren llrfpriing unb bic Voraus*
fetmiigeu ihrer Gutmüfeluug, beu Vegriff unb bie gönnen ber
Verlagoinbnftrie. Aad)bem ber Autor'fo fein Arbeitsfelb’ abgefteeft
hat, gel)t er bagu über, burd) eine furge ^arftefluug ber (Kefd)idite
) V^ien Vcimi'idie mtb U»iiHTfitei 1 *biidjhaub 1 img.
1339
©ogiale $rajiö. Eentralblatt für ©ogialpoltüf. Rr. 52.
1370
ber Verlagsinbuftric mähreitb bcS 17. unb 18. 3af)rfjiuibertS bie
S^otfjiücnbtgfeit einer Regelung ber mobernen Heimarbeit gu ent*
mitfelit. Auf gefeplide Regelung ber Hanäinbnftrie bringen mit
Radbrucf jene Sabrifanten unb 2$3erfftattmeifter, benen non ©eiten
ber Verleger eine ftonfurreng ermädft, fomie bie burd) beit 2Sett*
beroerb ber ^Berlag^inbuftrie bebrängten Arbeiter biefer gabrifanten
unb Äteingcroerbetreibenben. SDenn ber Verleger geniest im 33er*
gleite mit einem 28erfftattmeifter alten ©dlagcS ober gegenüber
einem gabrifanten manche ber VetriebSform ber VertagSarbeit
inneroohnenbe erheblide Vorteile, als ba ftnb t)ergleid)öit»eife
Riebrigfcit beS gum betriebe erforbcrlidjeti kapitales fomie ber
23etricbSfoften unb bie Abmälgung bes RififoS finfenber Äonjunf*
turen. 3m ^pgicnifdjen Sntereffe ber Ä'onfumenten fomrnt gunächft
aKerbings metjr eine Regelung ber grogftäbtifcfjen Heimarbeit,
beS fogenannten „©dwipfpftemS" ober „©ipgefcllenmefens", als
ber länblidUofalifirten VerlagSinbuftrie gu ©tanbe.
Als Rüttel gur Regelung ber Verlagsarbeit burd Efcfcpgebung
unb ©elbftpülfe unterfingt ber Verfaffer ihre Regiftrirung, bie
AitSbehnung ber Arbeitcroerfiderung auf bie VerlagSarbctt, bie
Aufgaben ber ©anitätSpoligci in 2Bol)nung unb V3erfftätte, bie
öicengirung ber Arbeitsstätten unb bie lorporatioe Drganifation
ber Heimarbeiter. X)ie „Ausheilung beS 5Xrbeit@fd^ufee^ auf bie
HauSinbuftrie", ein ftänbigeS ^oftulat ber Arbeiter unb ©ogial*
polittfer, ift eine gorberitng, melde fid ans betn Vringipe beS
ArbeitcrfdupeS felbft ergiebt — nic^t blofi aus Rücffidt auf bie
Heimarbeiter, nein, auch aus SWücffid^t auf bie bem gefepliden
Arbeiterfdupe unterftettten ^ßerfonen. £)enn folange bie Verlags*
inbuftrie in ben 5Xrbeiterf(f)u(j nicht einbegogen i)t, fönneu 33er*
fif)ärfnngcn beS ©djnpeS ber Arbeiter in 3nbuftrie unb Hanbmerf
gerabegu bie V>eitereutmicfelung ber nngefepüpten Verlagsarbeit —
biefer oon allen organifirten Arbeitern befämpften VetriebSform —
förbern. Rad Erörterung ber entgegenftehenben ©djmierigfeitcn
werben eine Reibe pofitioer Vorfcplägc gemacht unb bereu Jwecf*
nuifiigfeit unb Xurdfüprbarfeit begrüubet. giir bie möglidfie
Eiufdräitfung ber Heimarbeit, bie im 3ntereffe bes fogialen öort*
fdjritts gu miirifden ift, palt Verfaffer bie Rtarfirung paus*
inbuftrieller Ergeugniffe (oergl. Rr. 43 ber „©ogialeu ^rajis"
©p. 1137) für mirffamer als ein generelles Verbot ber Heim*
arbeit, bas für i^n inbisfutirbar, ober ein Verbot ber pauSiubuftrielleu
Herstellung bejtimmter V>aaren. Hiergu konnten öffentliche Körper*
fdaften unb namentlich auch Monfumocreine als haarenbefteller
beitragen. Ein rooplgcorbneter ArbcitSuadrocis fönnte manden
Jfabrifanteit ocranlaffeu, auf bie Arbeit ber Siefenncifter gu uer*
gid)teit : Enblid) mürbe bie H au ^i n ^ l, fi r i fc ' bnrep bie Errichtung
non Eentralmerfftätten ihres EparafterS entflcibct unb in baS
Sabriffpftem übergeführt merben.
3» einem Anhang giebt ber Verfaffer eine lieberficht über bie
ejufdjlagente ©efcpgebimg folgenber ©taaten: £)entfcheS Gleich,
©djueig, Englanb, Rcro Vjorf, RiaffndnfettS, Riarplanb, Vennfpl*
uanieit, 3XIinoi^, Acro*3erfep, 0hm, 3nöiana, Aeufeelattb, Victoria.
^iefeS^ Material ift burd feine Vollftäubigfeit befonberS mertpooll.
^)ie ©djrift ift als eine 3 l M a mmenftellung ber mefentlidjen in
biefer Srage in 33etrarf)t fommeuben ©efichtspuufte, über bie eine
meitoergmeigte unb gerftreute Sittcratur oorliegt, gu begrüben.
^Der bapertfdie H a »^toer!ertag unb baS ©efe^ gum ©ihu^ beS
StTidtSöerhäftmffeS. 3Son günftlerifchen .Streifen tu 'JDh’inchcn mar
in le^tcr 3eit eine ftarfe Agitation für eine ftunbgebung gu (fünften
beS drbcitSmilligengefebeS betrieben roorben, unb obroohl man fid)
in ntandjen 3nnungeu unb ©emerbeoereinen (fo in SBolfenbüttel
unb Bresben) ben 33ebertfen einer bamit oerbunbenen raeiteren
33erfd)ärfung beS EieaenfaheS gmifefien s Dceiftern unb (behülfen nid)t
nerfd)lüfi, h a ^ c ber 3>orftanb bes baperifdjeit H an ^merferbunbeS
bieS £f)ema hoch auf bie SageSorbnuug bes 16. allgemeinen 23er*
banbstages in SLMirgburg gefefet. ^er Referent fdfiug eine 9?e*
folutioit oor, bie ben oerbüitbeten Regierungen ben £anf für bie
23orlage auSfpridjt, bebauerb baft bie SDtehrheit bes ReidjStageS fich
ablehnettb ocrhalten habe, unb forbert alle £mnbmerfer auf, bie im
Umlauf befinblüfie Petition gu uuterftü(}en. 2luS ber 23crfantm*
lang mürbe jebod) bagegeu ber lebhaftefte Siberfpruch laut; ein
Bericht ber „.Stöln. 23olfsgtg." fd)ilbert bie Debatte folgettbermafien:
©djreiitcnuciftcr ?lbert rli'iirgbuvg): Sollen and) mir bie ©egenfäbe
gmi[d)en Arbeitgeber unb *nebmer nodj oerfdtärfen? ^ebenfeu ©te, bafj
bie gegetnuärtige föcfengebnug oöllig genügt, mentt man fte vidjtig an*
menbet, melde 2?eifpieic aber jetu fdjon uorlicgeu, mie mcit ein foldj
aency ©efeb fiibren mürbe Rebticr erflärt fid) als entfdjiebcner (Gegner
aller AuSfabiuegefebe. (lebhaftes 23raoo.) Wehen mir biefeit Scg, fo
entfremben mir uns and) bie guten uns nodj anhängeiibcu Arbeiter unb
merfen fie ber ('H-ofünbiifirie unb ? ogialbcinofratic in bie Arme. (2?vauo!)
Monbitor 'trernharb (Sürgburgi: ^uvrij bie ^lnlulfausoorlage mirb
fein 2d)ub bes Hanbmerfs, fonbertt bas gerabe ©egentbeil bemirft.
Semt mir aber jept bie Hanb gu einem foltfjen unerhörten Wefcpe
bieten, bann merbeit bie Arbeiter, melde jept noch gu uns ftefjen, mit
Wemalt ins 2agcr ber ©ogialbetnofraten getrieben. 3d bitte ben ®c[ep=
eutmurf mit Unmilieu gurürfgumeifen. EBraoo.)
Reidjs* unb ?aubtagsabgeorbneter Naumann (Eentr.) hatte gehofft,
bafi auf einem Hunbmerfertag bie $olitif aus bem Spiele bleibe.
l^Braoo!) Rieht bie fatholifchen Arbeiteroereine haben bas Eentrunt gu
feiner ©tellungnahnte getrieben, fonbern unfere eigene oollfte lieber*
geugung. 3d mte meine gange Partei merben, mie ich hoffe, and) bei
ber gmeiten Öefung ebcitfo eiuftimntig bagegen fttntmen. Xie gred)hcit
bei rutsftänben ift allerbings oft fchr grofi, aber mit AuSnahntegefepeu ift
hier nid)ts gu erreichen. 2Ü$enn in gmetter Scfung etmaS 33 eff eres geliefert
mirb, maS fein Ausuahntegefep ift, bann läfit fich eher bariiber reben. Aber
für eine 3ud)thausoorlage ftnb mir nid)t gu huöen. (SebljafteS 23rauo.)
6d)ilb (Aibling) erflärt, baS Wefep fei fo gmeibeutig, bafi es
morgen gegen bie, meldje es heute gerufen, oermanbt merben fönne.
Es märe beffer gemefeit, menn biefes Wefep nid)t auf ber XageSorbnung
geftanben hätte. Er fteüc baljer ben Antrag, ben $unft nod) freimiüig
guriirfgugiehen. (93raoo!)
23orfipenber Ragler: Es ift bie ^flirijt bes 'öunbesoorftanbeS, alle
brennenben fragen auf bie Xagesorbnung gu fepen. 2i$ir fönneu ber
Regierung banfbar fein, menn fie uns fdjiipen miß. Es ift ja nur ber
Eruubgebaufe, ben mir oerlangeit.
Auf biefeit ,,©runbgebanfen" gog fid) auch ber Referent, nach*
bem, aufier einigen H erreit au ^ München unb Rüruberg, alle
Rebner fich gegen ben EtUrourf auSgefprodjen Ratten, in feinem
©chlufimorte gurücf: Rcan moÜe ja nicht bie „3u<hthauSporlage",
fonbern etmaS SBeffereS. Slein AuSnahmegefep, nur ©dup bes
HanbmerfS. 3n biefetn ©inne ftimmte ihm bie Rlehrheit gu, menn
auch jept noch e i nc 9*°f3 c Dppofition bemerfbar mar. danach ift
alfo mit bent 33efd)Ixtfe beS baperifchen H a nbmer!ertageS feine 23ro*
paganba für baS ArbeitSroilligengefep, mie es beim Reichstag ein*
gebracht ift, gu machen.
Reorgattifattott beS frangöftfdett HattbelSmiittfitertttmS. Xer
Rtinifter Rtillcranb hat eine Reoräanifation beS HanbelSminifteriumS
burdjgcfübrt, melde oerfudt, alle bie gemcrblid)e Arbeit betreffen*
ben Xienftgmeige gu uereinigen unb fo in gemiffem ©inne bie Er*
rid)tung eines felbftänbigeu ArbcitSiniuifteriumS oorgubercitcn. 5Die
23eranlaffung gu biefer Reform lag in ben fd)on feit 3ah^n at^ 5
gefprod)enen 2öünfd)cn ber Arbcitermelt; ber unmittelbare Anftofi
fam aber oon ber nothmenbig gemorbenen Einridtung einer
Eentralbefjörbe für bie neue Uiifaßoerfiderung. bisher mar bas
frangöfifdc H an frelSminifterium in oier X)ireftiotten gegliebert:
1. $crfonal unb tednifdeS llutcrridtSrocfen; 2. Hanbei; 3. Wc*
roerbe unb gemerblide Arbeit; 4. Arbeitsamt. £)aS leptere, bent
aud bie Rührung ber allgemeinen ©tatiftif unb 23olfSgählung 2 c.
oblag, führte ein giemlid unabhängiges iafein. Rad) ber neuen
23erfügung mirb bie brittc Xüreftion in groei neue umgeftaltet, fo
bafi eine felbftänbige X)ireftion für geroerblide Arbeit
entfiept. X)aS Arbeitsamt mirb ifir unterstellt. 2llS fünfte uttb
neue Abthciluug mirb baS EentraloerfidßrungSamt angealicbert,
baS fid gleidgntig mit allen übrigen Anftalten fogialer Sorfidt
gu befdäftigen hat- ®tcfe Umformung bes H an ^ e l § winifteriumS
mürbe ohne Vermehrung beS ^ßerfonals unb ohne Erhöhung beS
VubgetS burdgeführt.
Emglifde Arbeiter über auterüanifde ArbeitSöerhältuiffe* £>ie
amerifanifchen ArbeitSoerhältniffe erfahren im „Amalgamated En¬
gineers Journal“ eine Vcleudtung, bie begeidnenb für ben praftifden
©inn ber englifden Arbeiter ift. Riit Vepagen gitirt es ben AuS=
fprnd eines amerifanifden ©driftftellerS, um gu bemeifen, rcopin
bie amerifanifde Freiheit bes ArbeitSoerhältniffeS (freedom of
employraent) führe. XaS freie fogiale Öeben, morauS in Amerifa
ber öortfdritt entftanbeu ift unb meldeS nod) baS fiebenSelcment
feiner inbuftriellen Entroicfclung bilbet, fdmiebe langfam baS 3n*
ftrumeut feiner eigenen Vernidtung. X)ie 253erfftatt unb bie H°nb*
bebienuitg ber Rlafd)ine mirb ber ©flaue ber automatifd arbeiten*
ben Rlafdine unb ber ©dablone. Äeinc Abmed)felung in feiner
Arbeit, feine Entmicfelung feines EeifteS, fein ^mrtfdritt in feinen
Erfahrungen. H^ er tnüffc Abhülfe gefepaffen merben. X'er Rleitfd)
fei in 2Birflid)feit ber midtigfte Xetl einer Riafdinenmerfftatt unb
bie Ration merbe am beften fahren, melde bas ©tubium, bie
2Bot)lfahrt bes Rlenfden gu förbern, mit ber 23erbefferung iprer
tednifden AuSrüftung oerbinbe. Unb in biefer Vegiepung fepc es
in Amerifa böfe aus. X>eutfdlanb ftepc bariit oiel beffer ba. Xer
amerifanifd)e Arbeiter glaube, feine Serujapre burepmaden gu
brauden, unb roähreub er feinen politifden Sctifd anbete, fei er
inbuftriell an H°nb unb gufi gebnnben. Es fehle ihnen baS ©oli*
baritätSgefül)l unb bal)er bann bie unbefonnenen grofien ©treifs,
bei benen oon ©eite ber Arbeiter mit X)pnamit, uitb oon ber
Sogtale $raji3. ©entralblatt für Sogialpolitif. Ar. 52.
1371
1372
©egenfeite mit Militär gefämpft roerbc. hoffentlich begännen bie
ainerifanifcpen Arbeiter gu begreifen, was eine hohle falfd^e „trium*
ppirenbe Xemofratie" ihnen bringe unb eS fcpwänben hoffend
lid) halb bie SÖnfionen berjenigen, welcpe in ber politifepen ©leicp*
heit bie ^anacee für bie jovialen Hebel erblicften. Xic politifche
©leidjpeit in Atnerifa fei in ber Xpat eine ^qramibe, bie auf ihrer
Spipe ftehe. Alan fönne nur auf bie 3 u ^ ur *ft hoffen. Xie ameri*
fanifdjen Smprer fehienen auch lieber nach Scpottlanb ober Xeutfcp*
lanb übergufiebeln; Xcutfcplanb höbe wcfentlicpe fyodfepritte in ber
Aerbcfferung ber fokalen £age ber Arbeiter gemacht, bie Arbeiter
tnüftten aber noch alte ©ewopnpeiten ablegen. Xie internationale
Aotpwenbigfeit roerbe bie Uebergeuguitg zeitigen, baft bie wirfliepen
Albern ber ©efunbpeit roth finb — unb nicht im Reifen, fonbern
im gleifcp — unb baft bie Summe aller ©efunbpeit eines CanbeS
barin befielt, fooiel roie möglich ooflathtnige, peiläugige unb per*
gcitSfrope Alenfcpen gu fchaffen.
S ortfdjritte ber Weiblichen ftabrifiufpeftton in Xeutfdjlanb.
aben pat Alinifterium beS Innern in ben Staats*
ooranfchlag für bie Sabre 1900 unb 1901 baS ©epalt für eine
Affiftentin ber gnbrifinfpeftion einfteüen Iaffen, unb bie weibliche
Snfpeftion wirb fomit oom 1. April 1900 ab, fpäteftenS oom
1. 3uli ob, eiitgefübrt werben.
So entfcplieftt fiep ein Staat nach bem anbern gur (Einführung
weiblicher ©ewerbebeamten. Aad) kapern, Reffen, Weimar, Aubol*
ftabt, Württemberg, folgt nun 93aben. Aucp in Sachfen ift man
gu biefem Schritt entfepfoffett, unb in Sßreuften ift wenigstens ber
AiHberftanb gegen bie Heranziehung weiblicher HülfSfräfte gur
llnterftiipung ber ©ewerbeaufficht gertnger geworben.
ArBeitSbeiratp in Defterreuh. ®ie nädjfte (fünfte) Sipung
bcS ArbeitSbciratpeS finbet am 30. September ftatt; in ihr wirb
^rofeffor Dr. Alifcplcr ben SBericpt bes gur SBeratpung ber gefcp*
liehen Regelung ber ArbeitSoermittlung eingefepten AuSfcpuffeS
erftatten. (Sn Xeutfcplanb f epeint bie Mommiffion für Arbeiter*
ftatiftif gang gur llntpätigfeit oerurtpeilt worben gu fein: Seit
Aooember oorigen 3<ipi*3 h fl t fie feine Sipung abgchalten, weil
bie AeicpSrcgierung fie nicht einberufen hot.)
ftontttttntale Stojfalpoiitlb.
et gfranbetrimrgifdje Stäbtetag, bem oon ben 136 Stäbten
ber s $rooing 112 angehören, befchäfhgte fiep auf feiner SSerfamm*
lung in $otsbam (18. unb 19. September) u. 91. auch mit fogial*
politifdieu fragen, lieber bie Aerficperung ber ©emeiuben gegen
ihre H a ftpflid]t (wegen Mörperoerlcpung, ©efunbpeitsfdjäbigung,
(EigentpumSfcpäbigung, auch bei Aufrupr) hotte Aürgcrmeifter
Amfer*£anbsberg a. 3B. einen gebrueften Aeridjt erftattet. Xer
Aorftanb würbe ermächtigt, mit einer prioaten ©efcllfchaft einen
Vertrag abgufcplieftcn, woburep bie bem Stäbtetage angepöreitben
©emeiuben gegen alle SdjabenSerfapanfprüdje aus ber gefcplicpen
Haftpflid)t ber" ©emeinbeu oerfiepert werben. Auf baS Aed)t ber
©emcinbcit gur Abwcifung Aeuangicpenber uitb AuSwcifung Unter*
ftüpter machte SBiirgermeifter 2Bolf*Spanbau nadjbrücflid) aufmerf*
(am; baS ©ctneinbewopl oerlange gewiffenpafte Prüfung ber 3n*
güge unb oerftänbige unb gerechte Aeuupung ber AusweifungS*
befugnift. Sn ber längeren (Erörterung würbe biefer ©runbfap im
AJcfentlicpeu gebilligt. — (Eine (Erörterung ber Scpulargtfrage, bie
auf ber XageSorbnung nicht oorgefepen war, führte Aürgenneifter
Sefler*Aranbenbnrg burep bie (Empfehlung perbei, Sd)ulärgte unb
gwar in erfter Aeipe in ben Aolfsfcpnlen ber Sabrifftäbte angu*
ftellen, unb bereu Xpätigfcit nid)t fowopl in ber ärgtlicpeu Aepanb*
luiig ber Miubcr als in ber ^rophplaje gu fuepen. Xie Aebner,
baruuter ber Aorfipeitbe beS StäbtetageS, Cberbürgermeifter
Dr. Abolpp*ofranffurt a. £., fd)loffen fiep im Allgemeinen biefer
(Empfehlung an; bie iloften bes Scpulargtes würben fiep bnrd)
Aerminberung ber Armenpflege begaplt maepen. ©inftimmig würbe
fdilieftlicp folgenbe (Erflärung gut geheimen: Xcr Stäbtetag erfenut
au, baft bie Aufteilung oou Scpulärgten für bie gefunbfteitliihe
©utmicfeliiug unferer Aeoölterung oon großem 2Bcrtpc ift unb
empfiehlt baper ben Stäbten ber Arooing Araubciiburg, mit ber
Aufteilung oou Sdjulärgten oorgugepeu. EUiittpeilungen über bie
Sortfdjritte ber Schulen für fehmaepbegabte Miuber unb bie (Ent*
wicfeluitg ber Miilfsfcpulen mad)te Stabtfd)ulratp Dr. Aeufert*
©harlottenburg. Xanacp gab es im oergangenen Soprc fdjou in
- r )'J (heute in über HO) Stabten foldje Hnlfsfchulen mit 2« »2 Mlaffeu
unb 4300 Miubern. Xie X?eitfäpe bes Aeferenteu empfehlen allen
Stäbten über 20 000 (Einwohnern bie (Einrichtung meprftufiger
Miilfsuhiilen für fdjwacpbegabte Miuber unb oon Aachpülfeflaffeu
für normal befähigte £inber, bie ans irgenb einem ©runbe in ber
klaffe niept mit fortfommen. Alle Minbcr, bie uaep gwei S^P^n
aus ber untersten 9SolfSfcpulflaffc wegen ittangelnber Begabung
nicht oerfept werben fönnen, finb einer Untcrfudjung bepufs Auf*
napme in bie $>ülf^fcf)nle gu unterwerfen. Solche Min ber finb
möglicpft ein ober gwei Sopre über bas fcpulpflidjtige Alter pinauS
in ber HülfSfcpule gu beiaffen; für bie ©ntlaffcnen pnb ^ort*
bilbungsfurfe etnguriepten. Xie Mlaffenfrequeng gepc in einfhtfigen
HülfSjdiulen niept über 12 hinaus, bei brei* unb meprftufigen niept
über 20 begw. 25. Trennung ber Minber naep ©efcpledjt unb
Religion fei nid)t erforberlicp. Xie fieprer folcper Sdpulen be*
bürften befonberer päbagogifdper SorbereitungSfurfc. Xic 35er*
fammlung piep biefe Öeitfäpe gut. — 3^ einem furgen SSortrage
über bie ©efapren ber 35erfcpleppung oon Mratifpeiten für ben
Mranfen wie feinen ÜBerfepr forberte 0ber*93ürgermeifter itölpe*
Spanbau bie Stabtoerwaltungeu auf, bapin gu wirfen, bafe Sie
Mranfenfaffen auep foId)e Mranfen unterftüpen, bie ipre Mranfpciten
(feyuell ober fottftwie) felbft oerfcpulbet paben. 3» Spanbau tpuii
baS oon ftebett Mranfenfaffen bereits fünf.
Stäbtetag ber mittleren Stabte 8abeu$. Xer 35orftanb bes
StäbtetageS ber mittleren Stäbte Habens, bem jept 47 Stäbte an*
gepören, ogl. Soprgang VII, Spalte 1195, erstattete einen feprift*
licpen Xpättgfeitsbencpt für baS Sopr 1898/99. Xanad) pat fiep
baS babifdpe Atinifterium gu ben 9£ünftpen ber Stäbte auf mög*
lidpfte ©ntlaftung iprer Söürgermeiftcr oon ben UnfaHunter*
fuepungen unb auf ftaatlicpe llnfalloerfidjerung ber fteuer*
wepren woplwollenb gefteüt, bagegen eine ben fleinen Stäbten
giinftiaerc Raffung ber Seftitnmungen über bie ©runbbncpfüprung
abgelepnt, beSgleicpen bie llcberweifung eines XpeilcS ber ftaatlidjcii
SiegenfcpaftSoerfcprS*Abgabe (2 l /2 % bei jeber ©runbbefipoeränbe*
rung); ber ginangminifter fagte inbefe bie (Erwägung ber Jyrage
gu, ob niept eine Steuer auf ben fog. M'onjunfturengewinn als
©emeinbefteuer einfüprbar fei. Xcr ©unfep naep einet Xifferen*
girnng ber Angehörigen ber unterften Mlaffe ber lanb* unb forft*
wirtpfdmftlicpen llitfalloerricperung gur (Entlaftnnq ber fleiuften 23e=
triebe pat eine Abweifung bei ber lanbwirtpfdpaftlicpcn Berufs*
genoffenfepaft unb bem entfprecpenb eine nur oertröftenbe Antwort
beim Dlinifterium gefunben. Xie orbentlicpe SoprcsoerfammCuu^
beS StäbtetageS wirb fid) am 2. Dftober gu (Ehcrbacp mit ber
3öciteroerfolgung ber bepanbelten fragen (SBerfaffungSreoifion,
Unfadoerficperung ber geuerwepren, 35oügugSorbnung gum Japr*
nipoerficpcrungScjefep) unb mit ber Unfaßoerfidjcrung ber ©enteinbe*
beamten befcpäftigen. Hier foß wie bei ber §aftppid)tDerfid)erung
gemeinfam oorgegattgen werben. Xen Hauptpeil ber SSerpanblungen
werben orientirenbe SSorträge über bie neue bürgerliche ©efep*
gebung unb beren Honbpabung einneptnen.
^ranfenPerficpermtg ber HauSrabaftneflen nnb Minberfcpup für
^erlitt» 9Bie langfam fiep bie utoberne fogialpolitifcpe Auffalfung
in oieleit norbbeutfepen ©emeinbeoertretungen — mit eingclncn
rühmlichen Ausnahmen — gum 95erftänbmfj burepringt, um au
bie Auerfennung noep gar niept gu benfen, pabeit wir wieberpolt
feftfteßen muffen. Berlin, bie AcicpSpauptitabt, giebt baoon er*
neute SBelege. Am 21. September befpraepen bie Stabtoerorbucten
bie ^ofcp^fl AiagiftrateS, worin biefer bie ©enepmigung beS
oon ber ©ewerbebeputation oorgelegteu DrtSftatutS liber bie
Mranfenoerficpcrung ber HoH^inbuftrieÜen ablepnt, aber naep gwei
Sapren biefe Srage wieber in (Erwägung giepen gu woüeu an*
fünbigt; es ftepe ja bemnäepft eine reid)Sgefeplicpe Regelung ber
3?ragc gu erwarten. 3o ber (Erörterung würbe barauf pingewiefeu,
bap eine Aeipe oon Stäbten, fo Möln unb Xiiffelborf, bas reieps*
gefeplid)e SSorgepeu niept erft abgewartet patten, fonbern oon ber
SBefuguift gu folcpen Drtsftatuten, bie ihnen bie MranfenocrfidjeruitgS*
nooelle gegeben habe, ©ebrauep gemaept hätten. Anbcre warteten bie
(Entfcpeibuug ber Hauptftabt ab, in ber es fiep hierbei um eine 'ü'obl*
tpat für ruub 100000 s Dienfd)en hanbele. Cbwopl bie Arnienbireftion
unb 27 DrtSfraufenfaffen f. 3- bie Sad)e befürwortet,weigere fiep ber
Ai a gilt rat. Xie Angelegenheit wirb einem AiiSfd)u6 iiberwiefen,
hoffentlich bieStnal mit befferetn (Erfolge beim Acagiftrat als bisper
Xiefelbc Sipung brachte eine (Erörterung über bie gewerbltdie
Acfdmftiguug ber Sdinlfinbcr im Aufcplufe an einen fogialbcmofrari*
fepen Antrag, bie 3>crpanbluugen mit bem ^oligeipräfibium über
biefe ßrage git befdjleuuigen unb fofort bie gcwerblidje üBefdnifti»
gung oon Stpulfiiibern oor beginn ber Sdjiiigeit unb nad) 6 11 pr
AbenbS, ferner baS ^eilbicten unb ben 25erfauf oon haaren aller
Art (insbefonbere oou Alumeu unb Strcidjpölgcrn in ßofaleu unb
auf ber Strafte) fowie bie Aerioeubnng oon Scpulfinberu gu
Arbeiten aller Art ober gu Sipauftellungen in Ipeatent unb fonftigeu
1373
Sogtnlr ^rajrtö. Eentralblatt für Sozialpolitik 9?r.
52.
1374
öffentlichen ßofalen, eublich bas Auslagen oon Bitld), Bacfwaaren
mib Rettungen burch Sd)ulfinber zu oerbieten. Ter ^Intraqfteller
Stabtocrorbneter Finger bezeichnet bie Abficht beS BiagiftrateS
als unzulänglich, nur beit Kinbern unter 9 Sauren bie Befdjöfti*
guug außerhalb beS §aufe§ zu unterfagen, bagegen ben neun* bis
oiergehnjährigen nur bie gewerbliche Beifügung AbenbS nach
8 Uhr unb Borgens beS Sommers oor 5 l / 2 unb beS SBinterS
oor 6 l / 2 Uhr. 3n Berlin werben nach ber amtlichen Statiftif mit
Austragen oon grühftücf 4595, oon Biilch 1896, oon 3citungen
3669 Kinber, oon 2^tifd>e 551, als ßaufburfchen, Boten unb AuS«
träger 7490 Kinber befchäftigt. 3« SRprborf, baS bereite in ber
Regelung biefer grage oorangegatigen ift, ift feftgeftellt, baß 58 %
ber gewerblich befchäftigtcn Schnlfinber unter betn Turchfchnitt ber
Schulleitungen ftehen. Schon 1895 hot ^rebiger • Schönberner
feftgeftellt, baß oon Ijunbert bestraften, in Blößenfee inljaftirten
Kinbern 70 gewerblich befchäftigt waren. Tie 3ol)l ber jugenb»
liehen (befangenen refrutirt fid) alfo hauptfächlich aus Kinbern,
welche feinen regelmäßigen Unterricht erhalten, weil fie gewerblich
befchäftigt werben, Ter Stabtfd)ulrat Bertram oertritt ein oor«
fid)tigeS Vorgehen, baS fid) nur gegen bie übermäßige gewerb«
iidje Befchäftigung ber Scfjulfinber richten wolle. Eine mäßige
Berwenbung ber Kinber in biefer 33efdtjäftigung fei in ber Tßat
nicht fchäblidj. Er habe obere Klaffen gefehen, bie gute ßeiftungen
aufwiefen, unb wo bie Hälfte ber Kinber grühftücf austrügen;
unter ben Austrägern einer anbern klaffe habe fich ber BriinuS ber
Mlaffe befnnben. BJan glaube gar nicht, wie energifd) nufere
3ugenb fein fönne, gerabe wie in ber gortbilbungsfchulc. Tiefe
Energie erzeuge eine höchst leistungsfähige Sugenb. Es würbe ein
Sozialer gehler erften Banges fein, mit folcßen riicffidstSlofen 23er*
boten plößlich bie 3»ftönbe ber berliner gamilien zu änbern.
Bach längerer Erörterung, an ber fleh Bcbner aller Parteien im
Sanne beS fogialbemofratifchen Eintrages beteiligen, wirb biefer
faft einhellig an einen SonberauSfdjuß oerwiefen. — Aud) in
Sd)öneberg fdjweben erneute Erwägungen über bie Begrenzung ber
gewerblichen Schulfinberbefchäftigung. Eine foeben für ben Amts«
begirf Bonfow oeröffentlidste Beiordnung beftimmt:
1 . Kinber oor oollenbetcm s. Lebensjahre bürfeit mit gewerblichen
Arbeiten irgenb welcher Art nicht beirfjaftigt werben. §. 2. Schulpflichtige
Min ber bürfen in ber $ctt oon 8 Uhr Abcnbs bis 6 Uhr Bormittags
nidjt zum Austragen oon Bacfwaaren, SEild), Leitungen ober nnberen
itfcgenftänben, jum Kcgelanffcßen ober gu fonftigen Verrichtungen in
2tfjfliifwirtl)trfjnf‘tcn uerwanbt, sowie oon lOlUjr AbenbS bis iUlhrSDiorgcus
mit anberen gewerblidicu Arbeiten irgenb welcher Art nicht bridjäftigt
werben. §. 3. Srfjiilpjlidjtigc Kinber bürten in 2djanfstatten gur Bc«
biennng ber iWijie mit 2peilen unb (Geträufen nidjt oerwenbet werben.
4. Borftcheube Bcfriinmungen 1 3) finben feine Anwcnbung auf bie
Befdiärtigung oon Kinbern im gewerbltdien Betriebe ber Eltern ober bei* 5
jeuigen Bertolten, in bereu Haushalt bie Kinber (eben, soweit bie .Uinber in
bem Haushalt bcfdiäftigt werben. I, 5. B?it ('W'lbftrnfe bis z u 9 ober
ber cntiprerfjcnbcn im ft werben beitraft: l.Bcrfoncn, bie benBoridiriften ber
§§• 1—*4 zuwiber Kinber für ihre gewerblichen Betriebe frcfcßäftigen,
2. Eltern ober Bormiinber, bie ben Borfdsrifteii ber §>i. 1-3 gutuiber
bie Bes'dsrts'tigung ihrer Minber ober Bflrgebefohlcnen gulaffen. 6. Xurdj
biefe BoHzeioerorbnung wirb bie beit gleidien (^egenftaub betreßenbe Ber=
orbnung oont 12. ^luguft lS9t; aufjer Mraft gefeftt.
^te Banfowcr Berorbmutg uuterfdjcibet fidj oon ber itn Sluguft
in Birborf erlaffcKiett hauptfächlich burch zwei Bunfte. ®aS Filter, bis
ZU bem gewcrblidje Arbeit überhaupt oerbotett, ift für 9ii;rborf 10, für
Baufow 8 Snhre, unb ber 3c’itpnuft, oor betn beS Borgens bie Arbeit
nicht beginnen barf, ift für Bijborf im Sommer V 2 6, im hinter
Vj 7 Uljr, für Bßuforo im hinter unb Sommer 6 Uhr.
tßomtmntaler Biildshanbel. 5^ie weit in Etiglanb bas Bestreben
ber Bcrgemciublidsuug aber Untcruchmeu gebt, an betten bie Ceffentlidjfeit
tu irgenb einer Steife intereffirt ift, erhellt aus einem Brojefte, baS
fürUid) bem Stabtrathe ooit Eilnsgom oorgelegen Ijat. Dr. Ersfine,
Biitglicb ber ('Uasgow Morporation, hatte beh Antrag gestellt, ber
Biildihanbel soll mit iNütfmht auf feine hngteuifchc Bcbeiitung unter
Moutiole ber 2tabthcl)örbe gestellt werben. 2ofItc and) nidjt ber gc=
fnmmtc SWildioeridileiß oergemeiublidit werben, fo sollten bod) einige
fommuitale Biüd)OfrnhIeiß*EeiitralfteHeu erridstet werben, was namentlich
mit Biicfiidit auf bie Minberernähntug, bie fortfdnTitenbe Bcrfälfduing
oon Biildj, bie io leidit gnfeftionsträgcr wirb, oon grossem Bortfjeii
wäre.^ Xer 2tabtratl) bisfutirte ben Borfdilag eingehenb, lehnte ihn
Zum 2d)luifc jebodi ah. ^ods ift es nidjt auSgcfdiioifcn, baß mau in
Englaub auf bie gbec uod) zuriiefgreift.
Sojinle 3u|lSnbc.
3)tc Sage ber ^anbelSgehfilftnnen in Seidig*
Tie Anregung zur Bcgrünbitttg eines BerhattbeS faufmäititifdser
(^eljülfiitnett ift in Scipgig aus bem .Streife ber ?lngeftellteu selbst
heroorgegattgen. Später fanben fich einige Tanten unb Herren
anberer Greife bereit, mit SHath unb That für bie Sache ein®
Zutreten, bie £>auptthätigfeit leifteten aber bie SlngefteHten felbft.
s Bie bie gmlfSuereitte für weibliche Slngeftetlte in Berlin, granf-
furt a/2K., München, Augsburg, Gaffel u. f. w. crblicft auj ber
leipziger Berein eine Hauptaufgabe barin, burch e i nc georbnete
unb gut geleitete foftenlofe Stclleuoermittelung ben Sutereffen ber
STugeftenten zu bienen. ?lußerbem gewährt ber Berbanb feinen
SKitgliebern foftenloS $HedßtSfchuh unb ^cchtSfuilfe in Berufs«
angelegenhciten burch einen BechtSanroalt, fowie ärztlichen SRath
burch einen bewährten Slrgt unb eine praftifche SXergtin. Er fließt
ferner burch UnterrichtSfurfe, bie ein Schulbireftor leitet, neben
allgemeiner Bilbitng eine gute gachbilbung für ben faufmännifchen
Beruf z u g e öen unb burch BortragS« unb UnterhaltungSabenbe,
fowie gemeinfchaftliche Ausflüge bem s Bohle ber (Mjüljtnneu z«
bienen. Slls ferneres 3iel fchmebt bem Berein bie Errichtung einer
UnterftüfcungSfaffe unb bie Begrüitbung eines §t\m& oor.
Ter Berbanb würbe am 3. gebruar 1898 begrünbet, z ä h^
gegenwärtig an 400 orbentliche Biitglieber unb h at uach jeber
Sichtung fyn eine gebeifjliche Entwidfclung genommen. Es bleibt
ihm aber noch ein weites gelb ber Tljätigfeit offen, wenn er es
mit ber Hebung beS Staubes ber HunbelSgeljülfinnen ernst meint.
Tie Sage ber HunbelSgctjülßnnen ift in Leipzig ber Befferung bringenb
bebürftig, was aus folgenben Aufstellungen heruorgehen bürfte.
Ter Anbrang ber grauen gu bem nu n öelsftanbe ift außer«
orbentlich groß; bie Berufszählungen ergeben, baß bie grauen«
arbeit im HanbelSftanbe opn 1882 bis 1895 um 70,7% S«'
genommen h<rt, währenb eine 3 una h me ^ er BJännerarbeit im
HanbelSberufe nur um 35 /8 °/o erfolgt ift. AuS ber 3öh^ng oon
1895 entnehmen wir, baß bie 3 a bl ber HflnöelSgeljülßnnen in
ßeipgig 6337 beträat. Ta ber Anbrang gu bem genannten Be«
rufe feit 1895 niept geringer geworben ift, fo gehen wir toohl
faum fehl, wenn wir annehmen, baß fieipgig gegenwärtig un¬
gefähr 7000 (Mjülfimten gäblt. Bon biefeit fmb, wie erwähnt,
400, alfo 5,7 0 / 0 im Berbanb.
gür uitfere ilnterfuchungen über bie i3age ber leipziger
HaubelSgehülfinnen hoben wir bie Angaben oon 224 BerbanbS«
mitgliebern benußt, bie ben Bopieren ber SteHeuoermittelung gu
Erunbe lagen. 124 AuSfunftSperfoncn fucf)ten als toutoriftiunen
ober ^affirerinnen Aufteilung, 100 als Berfäuferinnett ober Sage«
riftinnen, fo baß alfo auch &ie oerfchiebenen Spegialitäten beS
Berufes in ben Angaben gur (Geltung fommen. ES liegt uns
Blaterial über bie Tauer ber oerfchiebenen AnftellnngS«
oerljältniffe, über AuSbilbung unb Oieholt ber jungen
Räbchen oor.
Bon ben 224 64etlenfud)enben melbeten fich*.
mit oorljeriger faufmännifdjer Berusstljäügfeit
oon
unter 1-3 3-5 5—10 Saljr @
1 gaßr ooljr galjr unb mcljr
22 29 14 15 124
19 36 15 19 100
oljne uorljerige
faufmännifche
BcrufSthätigleit
für Kontor .
* Berfa nf .
8«f. •
44
11
55
41
65
29
34
224
3u ben Spalten 4 unb 5 finben fich 63 Angeftellte, bie Stel¬
lungen oon über 3 bis über 10 Sohren inne gehabt unb ben
Beweis oon befonberer Treue unb Tüchtigfeit im Berufe geliefert
haben. Spalte 3, mit 65 Angestellten, bie 1 bis 3 3ah re ™ e i nc r
Stellung tbätig waren, giebt ebenfalls baS 3*ugniß oon guter
Brauchbarfeit ber grauen im faufmännifchen Berufe. Spalte 2,
mit 41 Angeftellten, bie bisher feine Stelle oon SahreSbauer be*
fleibet hoben, geigt manche nngeniigenb auSgebilbete ober für ben
Beruf perfönlich weniger geeignete itraft unb meift fehr junge
Biäbchen, es gehören ipr auch Angeftellte aus ber ilonfeftion unb
bem Boßfodj an, bie oft nur SaifonfteHungen erljalten.
BSenben wir uns Spalte 1 ben 55 Angemelbeten gu, bie noch
nie faufmännifch thätig gewefen finb, fo pnben wir gunächft junge
BJäbchen, bie früher anberen Berufen angeljörteu: es erfdjeiut bie
Lehrerin unb Ergieherin, bie HooShälteriu, baS Ticnfttnäbdjcn
unb bie gabrifarbeiterin, bie Den faufmännifchen Beruf für fo
ocrlocfeub holten, baß fie ihren bisherigen bagegen oertanfdjcn
wollen, bie fich ^oe Thätigfeit in benifelben and) woljl oicl leidster
unb Iohnenber benfeit als fie ift. Einc biefer Bewerberinnen war
einmal 8 unb einmal 9 gahre als Betriebsleitern! in einer Bofo-
mentenfabrif thätia, in ber leßten SteHuug war fie mit anberen
Kolleginnen entlaffen worben, weil ber El)cf jüngere unb billigere
Kräfte anftellen wollte, giir Kontor ausgebilbet, trat fie mit ber
großen Schaar ber jüngeren Biäbdjen in Konfurreng unb es gelang
ihr bisljer nod) nidjt, Aufteilung gu finben. Ein früheres Tienft®
1875
Sojiale ^raji^. ©cntralblatt für ©ojtalpoliltf. 9?r. 52.
1876
mäbchcn mar 10 3 ahre in ^amilieiifteQuiig gemefeit ititb mies ein
CSfjreubipIom über 7 jährige Treue in einer Stellung auf. Sie
batte einen anSFömmlicheii, forgenfreien Xienft angegeben, in bent
fie aufchnlidje (Srfparniffc gemacht batte, mit fid) für Hontor aus*
bilben 31 t Iaffen unb um bort oieIIeid)t ein AnfangSgehalt oon
»0 c 4t, monatlich ju erhalten! Tie meiften mären aber gati 3
junge Biäbd)en, bie bisher noch Feinerlei Stelle befleibet Ratten.
Bon ben 55 9?eupftrömenben ftrebt, mie unfere Tabelle ^eigt, 4 /r,
nadi Montorftellungen, mäbrenb nur J / 5 im BcrFauf thätig fein
mollte. XieS ftellt ein lleberangebot oon jungen Mräften für baS
Kontor bar, bas eine gcfäbrlid)e MonFiirren 3 fchafft, bereu Jolge
ein erheblicher Bothftanb im £>nnbelSbernf fein mufe. Bknn biefe
jungen Kräfte nidjt gan^ leiftüngSunfähig finb, merben fie oft für
ein minimales (M)alt angcftellt unb oerbrängen beffer bezahlte
BerfönIid)Feiten. (Is finb bieS metft junge Bfäbdjcn, bie bei ben
ßltern mohueu unb ficb bereit erflären, für jebe nod) fo geringe
Bezahlung thätig au fein, um bie erfehnte AufaugSfteflung 311 ge*
roinnen. ^ie Stellenoermittelung ift biefer ( 5 rfd)eimtng gegenüber
faft machtlos. Selben fich gän^lid) ungeeignete Kräfte, maS oft
genug oorfommt, bie nicht einmal bie 5 äl)igfeit befifcen, einen ein*
fadicn bcutfdjen Brief ju fchreiben, fo mcift fie bie Beamtin juriief.
Btan oergigt nur 31 t oft, bah ber Faufinännifche S3eruf aud) quali*
fi.sirte ArbeitSfräfte oerlangt.
fragen mir nun nad) ber Borbilbntig gunächft ber 124 Moti*
toriftinnen. (*S mürbe gur Ausbilbuitg in ben M)attbclSfäd)ern
entmeber bie biefige JrortbilbungSfdjule für B?äbd)cn befugt, bie
einen MaubclSfnrS befifet, ober eine $rioatbanbelSfd)ule mit 3 roci*
jähiigen Harfen ober fogenanntc (paubelSpreffen, oon benen bie
ineiften in ihren ^(n^eigen eine oollfotnmene fanfmännifdje Aus*
bilbnng in ber für^eften 3eit 311 geben oerfprechen. Sie locfen
bnrd) biefe 3 u f n 9 e b»e jungen Biäbtben au unb ocrfchulbeti 311 m
Ihcil mit baS lleberangebot oon jungen, f<hled)t auSgebilbctcn
Kräften.
Bon ben 124 Montoriftinnen geben au:
2 IVhrennncnausbtlbung,
20 3meijäbrigen Bcfudj einer ftanbelsfrhulc,
10 etn= Dis jmcijäbrigen Befudi einer A>aitbc(sfrf)itle,
2”) halb* bis einjährigen * *
40 bret* bis fediSmonatigcn Befudi eines .'oaubclsfiirfes,
27 feinen =
BefoubcrS häufig roerbett in ber Steüenüermittluug junge Xanten
für Stenographie imb Sd)reibmafd)iiie oerlangt. 70 geben
Memitniffe in Stenographie, 60 fo!d)e in ber .sjanbljabung ber
Sdmibma r d)ine an. Tiefe 15ertigfeitcn oerlangeit aber beibc eine
längere Hebung, über bie bie meiften Beraerberinncn nicht Derfügteit.
Meuutniffe in frembeu 0prad)en finb nid)t häufig. Selbftftänbige
frembfprad)lid)c Morrefponben 3 geben an 8 , ^Borfenntniffe in frembett
Sprachen 35, bie übrigen 81 maren überhaupt ohne frembfprad)*
lid)e Memitniffe.
Bon ben 100 Berfänferinnen geben 2(5 ben Befud) eines
£>aubeIsfurfeS an. SScuu ber Befud) ber .panbelsfchule audj nidjt
fo notbmeubig für fie erfdjeint, mie für bie Houtoriftinneu, fo ift
ihnen bod) ein gutes Xeiitfch unb fidjereS Bcdjneu nötl)ig, unb
tbeoretifdie Meuutniffe in ben .JSanbelSfädicrn erleichtern ihnen bas !
Aortfomutcu im Beruf mefentlid), ba fdtriftliche Xhätigfeit oft in
bie praftifche eingreift bei Bcfcpuug ber belferen Stellen im 91er« j
lauf mirb baljer oft ber Befud) ber .^anbelsfchule oerlangt. Tic
tbeoretifdie Ausbilbuitg in ben .v>anbelsfäd)cru ift aber oor 91IIcm (
bei ben Montoriftinnen eine oicl 311 geringe. Ta mir bie @rfalj* |
rnng in nuferer Stellenoermittclung machen, bap uns mehr Ba= I
fanjeit gemelbet merben, als fid) Bewerberinnen ciufiuben, fo 1
Idiomen bie Verhält 11 iife für bie Angcftcllteit febr günftige 311 fein. 1
Sag mir aber nur menig mehr als J / :5 ber Stellen befepeu founten, 1
bat feilten (Mruiib in ber uugenügenben Ausbilbiing ber Bewerbe* 1
rinnen. Ter munbefte Bunft ift in oielen Tvällen aber ber Duingcl
einer eigentlidjeu praftiidten Auslulbiing für ben Beruf. Bon ben j
121 Montoriftinnen geben nur i:> eine praftifdje Velir.^eit au,
mäbrenb oon ben K»0 9>crfäuferinueu 07 eine fohlje burdigemadit 1
babeu. Tie elfte Aufteilung tnug bann bie praftifdic „S/ebre"
erfepeu, beim erlernt imiffeit bod) fomobl bie Aertigfeiteu im 9 >er* ,
tauf, als bie einzelnen Aiiuftioucu im Kontor merben. Aber bas
junge Dfäbdieii ift in „Stelle“ unb es madit fid) oft genug nid)t
flar, baf; es uodi oiel lernen mug unb ber'triu^ipal befd)äftigt häufig 1
eine foldie junge Augeftellte gau| eiufeitig unb erfennt feinerlei ,
Aerpflidituug au für bie Ansbilbitng bes 'JJuibdteus Sorge 31 t
tragen. Aiir forbern für bie (Heliülfiiinen eine ndjtige ^ebr.>eit, 1
um für bie gut ausgebilbele Kraft bann ein mefentlid) höheres
Oh halt beaufp 1 udieu vii töuneu, mie es gcgeiimärtig gezahlt mirb.
9£enben mir uns nunmehr ber öchaltsfrnge 311 . Tv^ir haben
bei ben bereits früher angcftellten Tarnen baS lebte 0)ebalt ein«
geftellt, maS fie beaogen h a bcn, bei benen, bie nod) nicht oorltcr
angeftettt maren, bie aber burd) uns Stellung erhielten, bas
Anfangsgehalt in 3frage ge 3 ogen. Auper befracht foimnen
25 Montoriftinnen unb 6 9 krfäuferiutien, bic noch Feine Anftellnug
gefnnbett hatten. 9>on beit Montoriftinnen erhielten:
11 Augeftellte
. 100—140 .//. Wehalt im
Wouat
9
. 80-100 =
-
=
10
. 70- 80 =
14
. 60— 70 =
=
=
12
50 — 00 = e
10
. 40— 50 =
=
11
. OO— 40 =
=
19
Bcrfäiifcrimieit
. 20 - OO *
erhielten:
'
0 Angcftellte .
. 100 - 120 .//. Wehalt
im
BJüiiat
15
. 80-100 =
=
=
9
. 70— 80 =
=
17
. 00 - 70 =
=
14
. 50— 60 =
10
. 40— 50 = i
=
8
. 80 - 40 =
=
4
. 20- 80 =
=
;> =
. unter 20 =
=
93ei ber Berechnung beS Titrchfd)nittSgebalteS 3 ogen mir bic
(S’ii^elgebälter in Betracht ititb geroantteu für bie Montoriftin 50,sr, i(
Turd)fd)uittSge[)alt für ben SÄoitat unb für bie Beiläuferin 52, w . ff
Tiefe merben aber im MunblicF auf bie Wefamintbeit aller
im fauftnännifdien Berufe tbätigen Öraueit in Öeipaig 311 bod) fein.
BJir batten bei nuferen Anfftellungen einige erfte Kräfte mit auger=
gcmöbttlid) hohem Olebalt. Auberbem haben einige Stcllcufiuheiibe,
mie mir fpäter erfuhren, ihr bisheriges (Miait 311 h°ä) ange*
geben. Tiefe beibeti Hmftäitbe Iaffen baS TiinhfchnittSgehalt höher
erfreuten als eS ift, eS biirftc in l'cipgig für bic Faufmännifdje
(^ehülpn Faum mefentlid) über 50 JC monatlich betragen.
(s)ehen mir nun 3 U ber mistigen 5 ^*agc über: 5öie gefralten
fid) bie 2 cbeitsocrhältniffe ber Angcftellten? Können
fie mit bem OJehalt, baS fie beziehen, ein gutes Aus*
foutmen fiufcen? B?ir haben oon 3 mciert unferer iliitglieber
eine ausführliche Aufteilung ihrer Ausgaben erhalten. Sie finb
mit grober ©eroiffcnhaftigFcit bei ber Arbeit oerfahren. Beibe
Angcftellte lobten ausfd)licglid) oon ihrem Bcrbionft. All. A. ift
Berfäufcrin, bie fid) bei befdjoibenen Atifprüchen billige B2iiitfd)c
nid)t 311 oerfagen braucht. Sie hatte eine Bionatseiunahme oon
120 ( /f unb beredjuete ihre monatlichen Ausgaben mit so , /)
All. A. S v sahresauSgabeu: 9(‘»0 M.
Wohnung ... . M. 210
Aiittagejfen. =210
Abcnbcffcii; 2. Ai'üliftiicf
unb Be [per .... = lso
SiMifdjc. = 4 S
Bcreiue. * 0
Klcibmig. = Ä)
Sdjubmcrf. = 25
Aciiaiinhaffiiugcu ... = 2u
üoilcttenlicbarf .... = is
Briefpapier, Biavfcu . . = 1«)
Stenern. = 2t >
Kmiden= imb oiioaliben*
taffe. = 00
Geiging unb l'idit . . = 15
grobe c5rtianusgaDen . •• lo
Heine = . = 00
7 a tuee a ftsga L eit . . .//.UM)
nionatlid) M. IS mit Kaffee,
= • is, täglid) 00 7) für
gutes Gffcit,
nionatlidi . ff. 15, täglid) ?»n^* für
Brot, Butter, Alcifd), (iier, Cbü
urtb Tl)ce,
nionatlid) 4 M. fiir ^eibmäfdie,
Bluicu, Kragen, (für bie Ber*
fäufcriii nöthig),
Jf. 0 Jahresbeitrag für ben Ber*
banb faufiu. Wcl)., :i M. anbere
Bereiite,
2 Kleiber, 2 helle Blonfen, 1 J-:ctet,
Souunerl)iit imb Bsinterhiit,
2 x f>aar neue Sd)iihc imb ucr=
fdiiebcne Acparaturnt,
Striinipic, Safdientiicher, Sdiür^en
(für bic Brrfäuferiu nöihigi,
1,50 .//. nionatlid) für ^aubfdiMtie,
Kragen, Würfel, Seife 11. j. u>.
s:\ fff im Bionat. Tas Aräulein
hat bic Eltern auswärts mib
fonft rege Korrefponben3,
bei einem (Sinfommeu uou jährlidi
1200-1100 jf ,
nionatlid) 2, r ,o Jf.,
.'Oeiaung 8 Jf., Beleuditung 7
Crtefdienle, eine Sonimerreife,
0 .//. nionatlid) für Biidier, Aus¬
flüge, K oii3ert, 2 hea ter, Leitungen,
clcftrifdic Balm, Sd)liti)d)iili-
laufen 11. f. m. _
- so Ji. nionatlid).
um
©ogiale $ra£t#. ßentralblatt für ©ogtalpolüü. Kr. 52.
1378
All. 33 . ijt jüngere Butf)baltcrin, elternlos unb aiißcrorbcittlid)
fparfam. gljre Ru#gaben ftellcit ctroa ba# bar, momit ein junge#
Bfäbcben in ber großen ©tabt noch einigermaßen beftebnt fann.
gtl B. bat eine s l)fonat#eittnabme non 60 t 4( unb gicbt etroa
50 e !(. für ihren Sebcu#untcrbalt au#. Da fie aber iit ißrem
Bubgct feinerlei größere ($£traait#gaben oorgemerft bat, bürften fi<h
bie Ru#gaben bod) inandjmat erhöben.
grl. B.# gal)re#aii#gaben: 606 M.
3i‘obmmg. M . 144 monatlich 12 M. mit M a ff ec,
SOfittageijcu. =144 * 12 M., 40 &f täglich,
^Ibciibeffcii u. f. m. . . s 120 * lö^SB^tägl., Brot,
Butter, ISier, £l)ee,
B?äirf)C. =24 mödjcntlid) 50^,
Vereine . = 9 3 M. gal)re#bcitvag (Berb. faufnt.
©eb), 6 *4C ©teitogr.=B.,
kleibung. = 57 2 kieiber & 18 JC. t 2 ^piitc a 3 .tf,
1 gaefet 15
©djuhmerf. = 25 2 ^aar neue ©ticfeln unb uerfd).
Reparaturen,
Reitanfdjaffimgni ... = 15 monatlich 1,25 für ©trümpfe,
ycibmäfibe, 1 ltnterroef u. j. m.,
loilcttenbcbarf .... =16 monatlid) 1,35 Jt für £>anb[djube,
©rfjleiten, fragen, ©ctfc u. f. in.,
©rtraau#gaben .... =12 monatlid) 1 M für $oft, RuSflüge
im Berbaub, eleftr. Baßn, ein*
mal ein koitgcrt u. f. 10 ,
©teuer». - 6 auf ein (Sinfommcu oou 6(K) bi«?
700 ,//. bereden et,
^eijuug unb Vicf)t . . = io monatlid) S3 %
krauten* unb gnualibeu=
faffc. = 24 2 M. im R?onat._
gahre#au#gabcu . . .//. 606 = etma «50 M. im Bionat.
Werfen mir au bcr .<panb biefer gableit einen Blicf auf nufere
Rngeftelltcn unb fragen mir, roie fid) ihre Sage im Bergleid) 51 t
biefen Rnfftetlungeu geftaltet, fo geigt c# fid), baß:
41 Rngeftelltc 80 M. unb mehr (Sinfommen ballen, alfo uad) Maßgabe
oou Bubgct 31. gut aimfommen formten,
70 Rngeftelltc 5o—so M . CSitinabme unb und) Bubgct B. eilt befdjeibeue#
ober ein leiblid) gute* Ru*fommeit batten,
73 Rngcftcllte aber, meuiger al* .50 M. monatlid) ©infommen, unb
barum nur ein fein* fümmerlidic# ifebeu ermöglicbtcn ober aijf
bie Untcrftüßung Rnbcrer augemieien maren.
B?ait beurteilt bie geringere (Sutlobunng ber graueuarbeit
gegenüber ber Bcäutterarbeit oft babiu, baß bie grau feine Familie
311 ' erhalten habe, bod) trifft bie# bcutgutagc nicht immer gu. BMr
haben eine gefebiebene unb gmei 001 t ben Bcämtcru oerlaffenc
grauen, bie Min ber ernähren müffen. (Sine# unfercr Biitglieber
ift BHttroe unb fid)ert biircb Beruf#tbätigfeit ihren oier Miuberu
bie Ergießung, bie alte Bc'utter mit befd)eibener ^enfioit oerforgt
bie kinber in Rbmcfenßeit ber grau. (Sin aubere# Btitglieb ift
mit feinem guten Weßalt, ba# e# großer Befähigung oerbanft, bie
SSaupterßalterin ber galten gamilic. gu einem meitereu galle finb
e# gmei ©cbmefteru, bie mit ihren gemeinfamett (Sinnaßmcn bie
frätiflicße Btuttcr unb bie jüngere ©ebroefter erbalten müffen.
gebenfall# müßte man menigften# forbern, baß bie grauen unb
Btäbdjen, bie im faufmännifeben Berufe ootn frühen Bforaen bi#
gum fpätett Rbetib ihre gan^e kraft einfeßen, oon ihrem Berbicnft
leben fönnten; nad) uttferen Bered)nungeit aber finb e# 37,*2 %,
bie nicht au#fömmlicb leben fönnen. Unb biefe ernfte ^Ijatfacbe
bemeift, baß e# mit bcr l'age ber §anbel#gehiilßnncn in !'cip$ig
fdjlimm beftellt ift unb baß bie Hebung ihre# ©taube# nad) jeber
Richtung hi n bie Rufgabe einer energifeben Berein#tbätigfeit
fein muß.
£eip ( $ig. ^aura Mraufe.
Belgifd)c 9Wtneuf*aHftif fiir 1898. (Srft jeßt ift bie roährenb be#
leßten großen ©treif# oielfadb oermißte amtliche ©tatifHf über ba#
v ^ahr 1898 sur Beröffcntlicbung gefommen. ^ie $robuftion über=
traf ttod) bie bi#ber höcbfte 3 uf er oorhergehenbeit Sal)^ um
:>95 880 t unb betrug 22 088 335 t, toa# einem Söerthc oon
242 803 000 graue# entfprad). S©)ie 3 a hl ber Arbeiter mar 122 816,
bie Beruu'brung gegen ba# Borjabr 2464. 31 rt Söhnen mürben
in#gefammt 134 708 700 graue# gezahlt. 0hn« Berüefficbtigung
ber großen Berfcbicbeuheiteu bcr Söhne bei ben Arbeitern unter
unb über ber Cberfläd)e betrug ber burd)fcf)uittlid)e ^age#Iol)n
3 ,.18 graue# gegen 3 , 40 grane# iit 1897 unb ba# burfcbuittlid)e
gahreeeinfommen 1080 grane# gegen 1006 grane#. Biait barf
anuebmeu, baß im Iaufenben gaf)re 1800 bie Söhne faft allgemein
um meitere 10 % geftiegeit ftitb.
^ie Mrbtit^iU ttt ^otfanb. "©'ie Berichte ber huflänbifchen
gabrifinfpeftoren für 1897 unb 1898 geben folgcnbe ^atett, bc=
treffenb bie RrbeitSjeit oon 20 333 Rrbeitern in 1966 befuchten
Betrieben; ber geroöljnlicbe Rrbeitötag geftaltete fieß, ohne Rb=
reebnung ber Raufen, folgenberntaßen:
3al)l ber ^erfonen, bereu Rrbeit#tag bauerte
9 ©tb. ober 9-10 10—11 11-12 12—13
Baugemerbe . .
meniger
40
©tb.
8
©tb.
23
©tb.
493
©tb.
304
meijr -total
— 868
Rfetallgemerbc
24
305
543
124
79
9
1 0S4
50t a id) i iicn inb u ft r.
—
6NÖ
366
190
—
—
1241
©d)iifbau . . .
—
4
16
127
64
6
217
^ejtUinbuftuftric.
—
1 919
5 012
7
•j
—
6 940
konfeTtion#*
inbuftrie . .
238
797
428
81
25
15
1 584
Dnirfgemerbe. .
HK)
156
101
9
2
2
370
^apieriubuftric .
5
62
174
27
—
—
286
§olginbuftrie . .
33
178
130
229
53
9
632
keramtfebe gn=
buftrie unb
©tcinfchleiferci
40
886
1 627
44
2
2 509
Rabruug#mittel*
gemeroe. . .
1 023
ko9
1 413
580
298
206
4 329
Rubere ©eiucrbe.
3
107
73
5
13
—
201
1 506
5 916
9 906
1 910
842
247
20 333
Bon biefen 20 333 Rrbcitcrn finb 6089 kiuber ober jugenb=
lid)e Arbeiter unter 16 gahre unb grauen.; 001 t biefen arbeiteten
3535 täglich 10 bi# 11 ©tunben, 2208 9 bi# 10 ©tunbeu unb
346 9 ©tunben unb meniger. ^ic Erhebung ging im ©ommer
oor ruh-
gran^öftfihe Rrbeiterbelcgationen auf ber 2öeltau#fiefluug 1900.
Xer .öanbel#minifter h«l c t» Runbfcbreiben an bie Bi'äfeftcn er*
laffeit, morin er anorbnet, bie Borbereitungen für bie dntfenbuug
oon Rrbeiterbelegationen nad) ber $arifer 3Bcltau#fteHuug oor=
jubereiten. hierbei ift im Biefentlidjen bem Berfahren gn folgen,
meld)e# fdjon bei früheren Ru#flellungen angemenbet mürbe, gur
koftenbecfnng mirb ein ©pcgialfoub# gebilbet, unb gmar au# einer
©taat#fubocntion, au# (Srträgniffen einer Sottcrie unb au# ben
Beiträgen bcr Departement#, ber Rrbeiterforporationen, §anbe(#=
fammeru :c. RHe Drganifationen, bie Beiträge leifteu, fönneu eine
kanbibatur für bie Delegation ftellen.
Arbeitgeber' unb Mnternejjmtruerbäniic.
Der Deutfdjc Rrbcitgcberbunb für ba# Baugewerbe febeiut
nicht bie (Sntmiifelung gu nehmen, bie man erroartet b^llcv
rocnigflen# flagt bie „Baugeroerf#=3tg." barüber, baß ber Buub
nicht bie gortfehritte madjc, bie im gntereffe ber ©elbftänbigfeit
unb ©elbfterhaltuug be# beutfdjeu Baugemerbe# erhofft mürben.
(S# bauert feßr lauge, bi# bie nötigen Sofaloerbänbe gu ©taube
fomtnen, unb ba# Bunbe#organ fiel)! fid) gu folgcnber BJahnung
oeraitlaßt: „Beroeifen bie beutfehen Bauarbeitgeber nun nid)t balb
bureb bie Xhat, baß fie auf h n l^ cm '^ege nicht ftel)en bleiben
roollen, bann märe e# beffer gemefeu, ber Buub märe überhaupt
nicßt in# Seben gerufen roorben." e ba# Blatt gleichseitig h^r=
oorhebt, oerlaufen jeßt feßr oiele Ru#ftänbc gu llngnnften ber Rr*
beitgeber, foroobl in Begug auf Rrbeit#geit mie auf Sohnhöhe.
BomDapcteufabrifautenring. SSie früher mitgctheilt morben, mar
00 m Borftanbe ber Bereinigung beutfeher Dapelenfabrifanten, bereu
©aßungen mir ©p. 1080 befprod)eti haben, gegen eine kölner girnta
|)., bie bem Ring gar nicht angehörte, bie ©perre oerljängt morben,
al# fie ficb roeigerte, eine ihr unter Drohungen angefünbigte „kon=
oentionalftrafe" gu gahlen, weil fie unter ben ftarf erhöhten Ber=
banb#preifett oerfauft hatte. Runmeljr hat ba# kölner t)berlanbe#=
gerieft bem Rntrag ber gefperrten girma ftattgegeben unb oerfügt,
baß gegen ben Borftßenben be# Berbanbe#, S. in (Sbentniß, Rn*
flage megen ©ipreffuug erhoben merbe.
ArbeUtrfaeuieguug.
@eWerlfdjaft#polUif. Der „(Sorrefpoubcnt", ba# Dnjan be#
beftgeleitcteu unb fräftigften beutfd)eu Rrbeitcrberuf#oereiu#, be#
Buchbrmferoerbaubc#, äußert fieß in einem Ruffaße über koufnm=
uereine unb ^lemerffchafteu, in bem er bem engen gufammeumirfeu
beiber guftitutioncu ba# B?ort rebet, and) über 6 )emerffcbaft#politif
im Rllgemeineu. B>ir entnehmen ben bead)teu#mertl)eu Ru#fiib=
ruugen golgettbe#:
1379
1380
©ojtale Praxis. ©entralblatt für ©ogtalpolitif. 9tr. 52.
C^rft mit Leuten, bie miffcn ma$ fic mollcu, fami cruftliaft ein
Programm für bie gemein fame Arbeit aufgcftdlt, Faun unter Äusidjei*
biuig unfriidjtbarer Theorien ittib inc^r ober miitbcr fdjüncr B$al)ii=
uoviteüimgcu eine Arbeit mit ftusfuht auf (Erfolg gclciftet merben.
Tesljalb fiitb bie in Teutirfjlanb bisher errichteten lvirtf)fdjaftlidieu
Crgauiintioneii ber Arbeiter lobiglidj ein Berfudi gur Sammlung ber*
fclbeit für ein bisher gemeinfam nod) nidit in Angriff genommenes
siftionsprogramm. TieieS bat fid) in erfter ^inie gu erftrctfen auf eine
möglidm eiiiljeitlicbe (Gemerfjdiaftspolitif, meldie auger ben geiiteinfaiiteii
©djritteit für ?lnsfiuibid)aftiuig ber uurtbfdiaftlidieu ifage, allgemeiner
propaganba für Berfürguug ber Ärbeitsgett unb Berbefferung ber Soljii*
unb ^Irbeitsuerbältuiffe guiicidift einmal feftftcllt, auf welchem gemein*
ianten Boben bie (Gemerffdiaftcn fidi gu bewegen haben. ©S titug 3 - B.
nidit nur betont, fonbern audi barnad) gehandelt merben, bag religiöfc
unb parteipolitifdie SlngelegeitljeitcH auf ben (Gemerfidjafteu niisgitjdjcibeu
haben. s Riri)t megen ber $urd)t oor ber poligei, fonbern aus 9 iü(Uid)=
fcitsgriiiibeii. Tie Bcipipcliing ber (Geiuerfühaften auf if)re „gute (Ge*
luimitig" ift unoereiubar mit einer felbftftänbigen (Gcmerfichaüsbemegiuig
uub unuereinbar mit ihrer gefuubeit unb unabhängigen ©utmicfrliing.
Tie (Gemerfirfiafteu niüffeii ei fid) energifd) oerbitten, bag bereu 9 Rit*
glieber megen ihrer polttifdieit SNcinnugsfreihcit ber ?lrbeiterfdiaft gegen*
über oerbcidjtigt merben. Tas Beftreben, in ber ©emerfidjaft bei feber
paffenben ober uupaffenbrn (Gelegenheit ben parteigenof(eit hcruor*
gitfehren, ift ebenfo gmecfloS mie fdjäblid). Tamit fmb mir glitcflidi
ba{)iu gefoiitiiteu, bag alle Thatfraft in ben ©emerffdjaftcu mit ber üb*
lidjen Phraie gu Idljmcu oerfudjt mirb: „B?aS molit $h l * mit ©urer
(Gemerfidjaftvbemegung, fie ift nur ein palliatiomittel, uns fanit nur
nod) bie politifriic Bewegung hdfeu" • • • fönmn mir bie nterf*
mürbige Thatiadic beobadjten, bag mau einer jeits ben (Gcmerffdiaftlern
ben engfteu ÜHaunt anmeift unb aubererfetts oou ihnen ocrlaugt, fie müßten
fo^ialbemofratifd) fein ober fie mürben nidit fein! Tas ift gang gweifel*
los eine iiitglücflidic 3 milterftclluiig, in ber fid) bie bnitfdicu (Gciuerf*
idiafteu befinben unb bie in ber .^auptfadie auf ihre ©djuiädie guriief*
Zufuhren ift, moburd) fie gezwungen fiub, ihre Xafeiusbereditiguug fid)
oou ber (Gnabe ber politifdien Partei gu erbetteln. Ginn fiub mir bei
fepevifdieu llcbcr^eugung, bau jebe ber heutigen politifdien Parteien beu
(Gemerffdjafteu nur hiuberlid) fein Faun, fclbft bie Hufriditigfeit uorauS*
gefegt, mit ber irgcnb eine Partei bie (Gcwcrffd)aftcu ,511 unterfingen
bereit ift. 'Beim niau aber als (Gemerffdwftler fid) mit einer bcfiimmteii
politifdien Partei fo innig oerbüubct, bag bie einzelnen 2 }?afmahmen
uub bie Tf)ätigfcü ber ©emerffdiaften im ©piegelbitbc parteipolitifdjer
Nruubfäpe geprüft, gutgeheifien ober oerurtbeilt merben, bamt thut
mau beffer, auf eine i'elbftftänbige (Gemerffdjaftsbemegung z» oeqidjten.
Tie lltopiftereicn, Mlabbcrabatfd)*, Berelenbutigs* uub Fufantiitenbrudis*
tbeorien, bie Prophezeiungen uub ©idjtwediiel auf ben 3ufuuftsftaat,
bie lähntetibe Behauptung, bag innerhalb ber gcgenioärtigen B?irtl}=
fdiaftsorbnuug nidns für bie Arbeiter crrcidit merben foitue, haben bis
heute ihre zericgcnbe 1111b bemoralifirenbe Bürfuug and) auf bie (Gcwerf*
fdjaften geäugert, uub meint berartiger Unfug — fagcu mir einmal oou
„oben" herab — Ijeutc nidit mehr getrieben mirb, befto fefter figeti ber*
artige Theorien bei beu ^um Giadjbenfen nur mettig geneigten SWaffeit
unb merben and) 0011 gemiffen „Sühreru", beuen fclbft mirthfd)aftlid)e
unb politifdje Erziehung itoth thut, immer nod) geprebigt.
T)ie Biidibrucfer hnbett itt ifjrern Berbattbe bitrd) bie T()at be*
miefeit, rnic eruft es ihnen mit biefen 2 lnfcf)aiiungeit ift. Slber auch
in anberett geroerffchaftlid)cn Streifen h^rrfdhen bie gleichen ?lttftd)ten
(ogl. z- S -B- VIII, ©p. 1117 ff.). 9Inftatt öiefe
gefunbe (ititrairfelnng 511 ftärfe'n, giebt fid) inbeffen bie SHcgiernng
— unabfid)tlid), mie mir annehmen — alle ® 2 iil)e, fie zu hemmen;
beim baS Wrbeitsmilligcngefeb mnfz unfehlbar bie geraerfoereinlichc
Bemegung aufs ©chmerfte behinbern unb bie Arbeiter ber poli*
tifd)en Partei tn bie 2lrme treiben.
©trei^iofteit Por $eridjt in ^Dentfdjlanb unb duglanb. (Sin
TredjSler in Berlin I^atte fid) als poften oor einer ^abrif auf*
geftellt, über bie bie ©perre oerl)ättgt mar. ©in ©djubmann mies
ihn fort unb zeigte ihn an, als er trotjbem fid) mieber einfattb.
Born ©chöffengcrid)t 311 einer (Gelbftrafe ocrnrtheilt, legte ber 2lr*
beiter Berufung ein, ittbem er cinmaitbte, bafz ber ©thuhtnaun nid)t
bereditigt gemej'en märe, ihn fortzumeifen, bttreh fein ©tehen auf
ber ©trafte fei meber bie öffentliche Drbnung gefäl)rbct, nod) eine
Berfehrsfiörung 31 t bcfürditen gemefett. c Ter ©taatsanmalt beftritt
biefen ©inmaitb. ^sebermauti miffe, mie Icid)t eS zmifdien ©treif*
poften unb ?(rbeitsmilligen 31 t ©treit fätne, uub meint ber Beamte
in ber Borausfidit biefer N D?ögIid)feit beu ^(itgeflagtcu fortgemiefen
habe, fo fei er hierzu oollauf beredjtigt gemefen unb ber ^lugeflagte
hätte öolge leiften müffen. : Ter (Gerid)tshof trat biefer Slnfdjauttug
bei unb oerroarf bie Berufung.
oit bem gegeumärtigen etiglifdien ©ecmannsftreif (ogl. „© 03 . 1
praris" ©p. 1 'J‘Jl) begab fid) ber ©efretär eines ber 3 ,ül ’igoereine !
ber ©eeleute au Borb eines Kämpfers im Vonbouer .späten, um j
bort bie Biaunfdiaft 31 t bemegett, fid) iiid)t 311 beit augebotenen ,
Vöhueit, fonbern 31 t höheren ©a(jen anhnieru 311 laifeu. Born
2 duff oermiefeu, meigerte er fid) 31 t gehen. (5t mürbe nun am 1
19. ©eptember oor bas poli 3 eigerid)t oou Bocft ,£am oertiuefen,
mo brei Slnflagen gegen ihn oorlagen. T5oeh mitrbe er forool)I
oon ber Befchulbigung beS BerfuchcS, bie teilte oon ihrer Pflicht
abmenbig 311 machen) mie ber Silage roegett ^auSfriebensbnidis
freigefprochen, bagegeit 311 5 £ oerurtheilt nach ber brüten Auflage.
T)cr Stichler erflärte, ber ©cmerfoereinSfeFrctär hätte außerhalb bes
©Riffes baS gute Sted)t gehabt, bie ©eeleute 311 oeranlaffen, fid)
nicht unter ben (GemerFoereinSlöhuen anhenern gn laffen, aber nicht
an Borb bes ©d)iffe§.
Beffentng ber Sage ber ^atiblmtgSgebüIfen. mv 00 Ke © 0111 t*
tagSrnhe im §anbelSgemerbe, gefe(jlidhcn Vlchtul)r*Sabenfchlu {3 unb
gefehlte Stegelung ber SlrbeitSjeit ift ber ©entraloerbanb ber
|)anblungSgehülfeu 3)cutfd)lanbS (©ifc Hamburg) in eine erneute
Vlgitatiou eingetreteu. Borläufig h«t er 31 t fünften ciucS SlntrageS
ber Berliner fo 3 ialbemoFratifcf)en ©tabtoerorbneten in Berlin eine
grofec Berfantmlung oott im .fianbelSgemcrbe thätigeu per fo neu
oeranftaltet. T)er fo 3 ialbemoFratifche Antrag miK bitrd) Drtsftatut
bie ©efd)äftS 3 eit für Sabengefchäftc auf brei ©tunben, mit ©d)Iuß
um 10 Uhr KRorgcttS, befdjränfcn unb bie Befchäftigung aller
hanbelSgeroerblid)en ©ehülfeu unb Arbeiter in beit ©ngroSgefdiäfien
(BanFett, JabriFcn, ©pebitionSgefdjäften 2 c.) au ©ottn* unb Tyeft*
tagen gätt 3 lich oerboteu miffen. T)er Antrag foK in ber näd)ftcn
©tabtoerorbnetcnoerfammlung gur Bcrl)aublmtg Fotnmen.
^er ©treit im ©teinmefcgetoerbe ift nod) immer nid)t gu ©iibe,
broht fogar gu einer allgemeinen SluSfpcrruitg ber Arbeiter
feitenS ber Unternehmer fid) gu erroeitent. BkitigftenS hat eine in
Bresben abgehaltene Berfammluitg bes Bcrbanbcs beutfd)cr ©tein*
me(jgcfd)äfte befd)loffett, guuäd)ft alle SlrbcitSoerhältniffc gum 7.
tober gu Iöfen, morauf ein cubgültiger Befd)luh gefugt merben foll.
©S mirb nun mefeutlid) baraitf anfommen, ob in Berlin eine
©ittiguttg gn ©taube Fornrnt. Jsn v giuifrf)cn erlägt bie ©entralleitung
ber ©teiitarbeiter T^eutfchlaubS einen erneuten SlppcE au bie (5Je=
roerFfchafteit unb (GeraerffchaftSfartcKe T)cutfthlaubs um Unter*
ftüfcung, ba möglidiermeife bie Berliner Tarifuerhanblungen an
betn B^iberftanbc ber Unternehmer feheitern Fönitteit, rnaS bann eine
allgemeine SluSfperrmtg gur golge h n ^ en merbe. 2ie Berliner
©teinarbeiter ha^tt befd)loffeit, oon nun an 50 o pro s Bochc gum
©treiFfonbS gu gahlen.
T)er lludfitaub ber Bergarbeiter im piauett^f^n ©fotttbe hat
mit einer Slieberlage ber Arbeiter geenbet. SDiefelben ftnb frei*
rnillig gur Arbeit guriicFgeFehrt. 50 auSftänbige Bergleute fiub 311 =
nächft bis 1. Dftober auSgefperrt morben.
Born Bcrbanb ber ©^IäthtergefeKen Berlind nnb Umgebung
fiub ©rhebuitgen über SlrbcitSgeit, Söhne, SliinbigungSfriftcn,
Befchaffenheit ber Slrbeits* nttb ©d)lafräume, ©onntagSruhe 2 c.
eingeleitet morben. Tic auSgefüllten Fragebogen foKen ber Reichs*
Fommiffion für SlrbeiterftatiftiF übermittelt merben, um biefe auf
bie Blifeftänbe im ©chläd)tergemerbe aufmerffam gu machen uttb
gefefclidje Biafenahmen aitgub'ahnen.
©trei! ber Arbeiter für bie Tonnenabfuhr in Bremen. Turch
einen Slusftanb fittb nach „Berliner Tageblatt" bie Bemohuer
Bremens in eine fel)r unangenehme Sage oerfefet morben. Tie
Arbeiter beS Unternehmers SUfeS, ettoa 300 SRann, bie bie
Toitnenabfuhr gu beforgen babcit, haben bie Arbeit nicbergelegt.
©ic oerlaitgctt burd)fchuittlid) einen Tagdohn oon 3 M 50 An,
mährenb fie bislang nur 3 JL für ihre gerabe nicht fehr an*
genehme Thätigfeit begogett. 11 m bie allgemeine SRotl) etmas
gu liubern, erlägt bie poligeibireflion eine Befanntmachung, in ber
bie ©inmohner gebeten merben, bie Beringung ber Tonnen
möglid)ft eingufd)ränfett, fo bag fie für längere ;}eit aitSrcidien:
aud) mirb ber MauSuuratf) fo lauge angefammelt merben müffen,
bis bie ?lbful)rmagen mieber erfdjeiuen. Tie Slaioität, mit ber bie
poligei hier, mo es fid) um bie Fntercffen ber öffentlichen ÖJefunb*
heit hanbelt, fid) bem Unteruel)meriutereffe beugt, ift gcrabegu Flaffifd).
^rbeitemerflilienmg. ^pütkttfftn.
SUrgtltifje Tenffrhrift gur ^ranfenfaffeitfragr. Ter Sfiisfdinn
; ber preugifdieu Slcrgtefammer hat in einer umtattgreichen an bas
SUtltUsminifterium gerid)teteu Teuffd)rift gur StrauFeufaffenfrage
! ©tefluug genommen uttb feilten Slnfid)ten in beu folgeitbeu (in ber
1 iienefteu Kummer bes „?lergtlid)eu Bereinsblatt" oeröffentliditen)
1 Befchlüffen uom ' 22 . Bairg b. F. ^uSbruef gegeben.
1. Tie freie 'Hruiontil für alle Mvaiifnifafieii liegt im oiuereffe ber
I MaiieMinitglif-OiT niiO ber ?lerpe.
1381
13S2
Sojiale prafi*. (Eentralblatt für Sojtalpolitif. Rr. 52.
2 . Tic Vebtngungen, imter beiten bte Ausübung faffcnärjttic^er
Tbätigfeit 31 t erfolgen hat, werben burdi einen fdmftlidjen Vertrag
ftuifdjen Ar 3 t unb Äaffenoorftanb fcftgcfcßt.
3 . Ter (Einführung oon Sdiicbsgcrichteit (bcftchcnb 3m* prüfte au*
bei ben ftranlcnfafieit 'befdjäftigten Vierten unb VorftanbSmitglicbern
ber Waffen) mit gefeftlidicn Vefngitiffen bei Streitigfeiten jnrifdjcn
Steiften unb ftrantenfaffen ift im Shatifenfaffcngcfcß AuSbrucf 311 geben.
4 . Tie SÄimmaüetftuitgen ber Staffen an bic Acr3te finb gejeßlitf)
baf)in feftgulegen, baß bic Waffen bie SRinbcftfäfee ber ftaatlid) feftgcfefcten
©cbiihrcnorbnuug beaw. mo berartige Taren nidjt bcftchen, bie orte*
iiblidjen SRtnimalfäßc bejablen. Sebenfaü* bürfen bie Staffen nad) (Er*
retdjung bes gcfcßlicfjcii Rcferocfonbs nicht eher au bie (Erhöhung
ihrer Sciftungen geben, als fie bie Vtinimalfäße ber Tarc ber Artete
befahlen.
5. Ter Vegriff Slrjt unb ältliche §ülfc ift unjmeibeutig im ©efeß
feft^ulegcn. 3 ur ärjtlidjen Vefjanblung (§. 6 beS St.*V.*@.) fiitb aus*
irfdicßlidj in ben beutfd)cn VunbeSftaaten approbirtc Acratc bercdjtigt.
6. perfonen, bic ein jährlidies ©cfammtchifommeu oon über 2000 JL
bnben, bürfen in ber Äraufenfaffc nicht ocrfichert fein.
Au* ber Vermögenslage ber £ranfeitfaffen, beren Vermögen
(alle aufamtnengerechnet) oon 105,2 Millionen Vtarf (Enbe 1895
auf 120,8 Millionen VJarf (Silbe 1896 angeroadjfen ift unb fich fo*
mit in einem Sofa* um 15y 2 Millionen s JJtarf oermehrt ^at, mtrb
ber Schlnfj gezogen, bafc bie Staffen fähig finb, bie Vhnbeftfäfce ber
Vteb^inaltaye gu befahlen unb nicht barauf angetoiefett feien, burch
bie Vereinbarung oon paufcha^ahlung (Erfparniffc auf Stuften ber
^er^te ju machen. Tiefe (Erfparniffe finb mitunter recht erheblich-
So erfparte 3 . V. bie £eip 3 iaer £)rt*fran!enfaffe, bic bie Paufd)Cil*
Zahlung 1886 einführte, gleich im erften Sajhre 37 761, f0 dt .
Tenn bie paufchalfumme betrug bei einem liquibirten Honorar
oon 142 522,n dt nur 104 759 ,21 dt Tiefe (Erfparnih flieg aber
fdjon im närfjften Sahrc (1887) auf mehr als 100 000 ^u, unb
beträgt je^t (1898) 318 150 ,49 Jt. Tem auch in biefer Tenffchrift
geforberten Verbot ber freiwilligen Stranfenoerficherung bürfte
hoch wohl faurn eine toeitergehenbe Vebeutung beijulegen fein, ba
bie VJichtigfcit biefer örage erft an ber §anb ber Statiftif ju ent*
fcheiben wäre. Unferc* (Erachten* bürfte bie 3^ folcher freiwilligen
Verfichentngen eine oerfchwinbenb Heine fein. Tie Hufgaben, bie an
bie Stranfenfaffeit in unferer 3eit h er untreten, werben, wie Stabt*
rath oon 0frgnfenberg in Rr. 50 biefer Vlatten (Sp. 1035 ff.) bar*
gelegt hat, immer umfangreicher. Ten in ber Petition fo nadj*
briicflich betonten Schäbigungen be£ Aeqteftanbe* burch bie Sojial*
gefehgebung gegenüber föitnen wir nicht untcrlaffen, barauf hin*
ntweifen, oafe biefe felbe ©efefcgebung ben Herzten aud) grofje
Vortheile gebracht hat.
AlterSpenfion ftatt Arraenberforgung ist Bottbott. Anfangs
Auguft haben bie Guardians bc* „Workhouse“ oon Vtilc (Enb ben
Vcfdjlug gefaxt, ben Armeithau*infaffen, bie Verwanbte ober Ve*
fannte haben, frei^ufteHcn, aus ber Verforgung 311 gehen unb bei
ihren ^reunben 3 U wohnen, wogegen biefe eine gewiffe Haftung für
ba* Verhalten ber Pfleglinge $u übernehmen haben ; ftatt ber öffent*
liehen Verpflegung erhalten bie Armen 10 sh wöchentlich für ein
(Shepaar ober 7 sh für einen (Sin^elnen. (Eine Vebingung für
biefen pertfionSbejug ift bie, bafr er nur nach fünfjährigem Aufent*
halt in Vtile @nb erhoben werben fann. Tie Reform beabfidjtigt
in erfter Binie, ber öffentlichen llnterftüfcung ben beprimirenben unb
ftigmatifirenben (Sharafter ju nehmen unb bie V$ochcngelber follen
auch nidht als Hrotenunterftüfcung, fonbern als rechtmäßige penfion
betrachtet werben, weshalb fie auch nicht oon ben HrntenhauS*
beamten jur HuSgahlung gelangen follen. Tringt bie Dieform
burch, fo wäre bamit baS englifche Workhouse wohl ganj befeitigt.
T)och fragt es fich noch, wie fief) baS Local Government Board
311 biefer grage oerhalten wirb.
Armenpflege.
19. ^ahreSDeirfaimnlttit0 beS beutfdfeit Vereins für Hrtttettpflege ttttb
ggSohltfütigfeit Unter Tbeilnabmc uou Vertretern ber ftaatlidjeu unb
ber ftäbtifchen Vebörbcn unb unter Vorfip beS Vcigeorbneten Sepffarbt*
(Srcfclb tagte ber Verein für Armenpflege am 21. bS. in VreSlait. 3 ur
3 cit 3 äblt ber Verein 500 SKitgliebcr,’ 30 2anb* unb ÄreiSoerbänbe,
1*2 ftäbtifdic Vebörbcn unb Anhalten, 33 Vereine. 3 l,m 1. puufte ber
SaaeSorbnung „Cyrftattmig iwu Uuterftü(mngen burch bte Uuterftübteu
nub bereu Angehörige" referirte Stabtratb Ur. Vcünfterberg*Verlin. (?r
fafue feine Ausführungen babin jufammeu, bafj bie (irftattung ber im
^ctic ber Armenpflege gewährten UnterftiUwugen uom Unterftütden
Oet l'eb^citen ober aus feinem ? 2 adj(nffe mit ber SKafjgabc 31 t foroern
fei, öaü bierburd) feine über feiner Angehörigen wirtbidjaftliche Selbft*
fränötglftt nidit gefäbrbet werbe, aiegeuiiber ben Angehörigen oon
Unterftüfctcu fei in erfter Sinie bie ftttltche Pflicht ber Familie 311 wecbfel*
fettiger ftiirforge ju betonen, ^alls trofj ber gähtgfett hi^rju biefer
Vcrpfliditung nid)t genügt würbe, jo feten bte Angehörigen 3 ur (Sr*
ftattung gait 3 ober 3 um Tf)cil nad) Maßgabe ihrer familtenrechtlidjen
Stellung 31 t bem Unterftühten, unb unter Bürbigung ihrer Wirtschaft*
liehen 2eiftungsfähtgfeit anjuhalten. gitr baS Verhältnis beS (5*he*
manne* 311 bei (Ehefrau unb ber (Eltern 31 t ihren Stinbern fei bic ©leid)*
ftellmtg ber Anfprüdfje ber Armcnoerwaltung mit benen ber genannten
Angehörigen, foweit bte erftere an ihre Stefie getreten ift, unb bic Vei*
behaltuug ober (Einführung eines bic Turdjfübrbarleit biefer Anipriidjc
fidjerftellenben VerwaltungSoerfahrettS 3 u forbern. V2itbcrid)terftatter
Stabtratb 3 Solf* 2 eip 3 ig fprach über beit SÖeg, welcher bei nicht 311 m
3icle fiihmtbcm 3ied)tswege cinjufdjlagen fei, unb empfiehlt, bas Ver*
fahren preugens 311 acceptiren, welche* ben ©emeinben cm Verwaltnngs*
oerfahren an bte £mitb gebe, beffeit fie fich bebtenen fönneu, um weitigftens
für bte 3ufuitft Arrangement* 31 t treffen. I'te Verfamntluttg fdjloß fid)
tu ihrer Mehrheit biefett $orberungen att.
Tireftor ür. VuehH^antburg fprach über „ArbettSeinridjtimgen für
3wccfc ber offenen Armenpflege". Tie grofje unb fchwerc Aufgabe, bas
burd) bie Avbeitslofigfeit heriorgerufene fo 3 iale (Elenb 31 t Itubem, liege
bis auf Weiteres auf beit Schultern ber Armenpflege, uitb bies fei ein
für bic Arbeitslohn wie für bie Armenuerbäube gleid) unerfreulicher
3uftanb. Tic Arbeit fei ber 3 uoerläffigftc prüfftein für bic i“)ülfs*
bebürftigfeit bes Arbeiters, unb öffentlidie Uitterftüpung bürfe erft ge*
geben werben, weittt feft ftcht, baß ber ^ülfsbebürftige außer Staube
fei, fid) aus eigener .Straft ben 'ftotbbeljclf 31 t oerfdjaffen. Tie 3 wec!*
mäfngfte <voi*nt ber |)ülfc für arbeitsfähige perfonen fei alfo . bie Ver*
fdjaffuug oon Vefchäftigung auf bem freien Arbeitsmarfte unb 3 war auf
ber ©ruublage bev OHeidjbcredjttguitg mit freien Arbeitern. ^ici* 3 u feien
nötigenfalls bte Arbeitsoeraufialtungeu ber ©emeinbe eoent. befottbere
Aothftanbsarbeiten 311 bemtpeit; aud) fei burd)weg bie ftäubige Ver*
binbttitg mit ben (Einriditungen bes Ärbeitsnadjweifc* her 3 ufteüen. So*
weit freie Arbeit rtid)t uerfchafft werben föitue, fei auch arbeitsfähigen
perfotten, foferrt hiergegen nidit armcnpflcgerifdie Vebenfen obwalten,
Unterftüpimg burd) ArbeitS 3 itwetfung in Armenarbeitsanftalten 31 t ge*
währen; bei erwiefener Arbeitsfchcit*feien, natnentlidj falls cS fid) ltnt
Vcrfäumimg ber Aäbrpflidjt haitbelt, bie Vorfchriften bes Straf gef eß*
bttdjes an 3 tiwenben. Tie Verfammlung ftimmt ben Ausführungen bes
Referenten ctitflintmtg bei.
SSatfeuhausbireftor Stalman*^amburg referirt über bas Thema:
„Veauffichtigung ber itt ^antilienpflege uittergebrad)teit .Qtttber". Tie
Familie fei bie ©ntnblagc bes VolfslebenS, unb bantm ift e§ etn Aatur*
red)t, baß in erfter 2 tnie bie (ir 3 ichuug ber SBaifcitfinber in einer
Aantilie erftrebt werben follc. 3n größeren Vcrbättbett fei es aber
uid)t richtig, fid) Icbiglich auf gamilieuei^iehung 31 t bcfd)räitfcn, joitbent
e* muffe eine wof)lorgantfirte (Eriielningsanftalt beftehen, in weldic 31 t*
uächft alle biejcnigeit Äinber hineingeführt werben, für bte eine neue
Samilie gefud)t wirb, bann aber aud) folche .St in ber jurüdjunehmen
finb, bei betten fid) herausgefteflt hat, baß bie ^amilieupflege für fie
nicht geeignet fei. (Es wäre alfo ein gemtfdites Softem ber Anftalts*
uitb gamilieupflegc 31 t empfehlen, unter bem ©efidUspuitfte, baß bic
Vtehrsahl ber .stinber ber gamiltenpflegc als ber naturgemäßen über*
Iaffett bleibt. Röthtg fei, baß fornohl bie Auswahl ber ^attiilte, als
bic fernere llebcrwadjung ber untergebrachten Stinber mit größter Sorg*
falt gefchche, uitb bieS fei in erfter Sittie Aufgabe ber Vtäititer, welaje
Vtitglieber ber Armen* uitb SEßaifenpflege fiitb. Auch hier ftimmtc bic
Verfammlung 311 .
Am 3 weitett Tage ber Verhanblungeit referirte Dr. ^atjfer*V?ormS
über Ratural* unb ©elbunterftüßung. Rad) langer Tebattc einigte fid)
bie Verfammlung auf eine Refolutiou, woitad) eine inbtoibualiftrenbe
Armenpflege unter SBürbiguug bei* örtlidjen Verljältmifc unb bei* l^age be*
einzelnen §alle* 3 U entfdjeibeu habe, ob ©clb* ober Ratiiratunterftü|uug
angemeffeu fei. Tie Olclbunterftüßung oerbiene überall ba ben Vor*
rang, wo fie bie wirthfd)aftlidje Selbftftänbigfeit bes £?ülfefudjcnben 31 t
erhalten ober wiebcr^erguftellen geeignet fei. Raturalunterftüßung em=
pfehle fich i>«/ wo bie unwirthfdjaftlidje Verwenbuttg oon ©elbniitteln
311 befürd)ten ftef)e ober bie mißbräuchliche Anrufung ber Armenpflege
oerhütet werben folle.
Ten Vefddufj ber Verathungen bilbete ein Vortrag be* Regierimgs*
ratl)e* Tuttmaim=01benbnrg über Stran fett pflege unb .^attSpflege auf
bem 2anbe. Tie (Einführung georbneter Stranfeitpflege auf bem ßanbe
würbe als bringcnbeS Vcbürfniß anerfamit, iljre Arten nnb gormcu
müßten ben örtlichen Verljältniffen angepafet werben.
ütterarifidje ^ujeigen.
Sebcrmann, Dr. V5. ©efeß, betreffenb bie Aufteilung uitb Verforgung
ber Stommunalbeauten. Vom 30. 3ntti 1899. V2it (Einleitung,
ausführlichen (Erläuterungen uitb Sachregtftcr. Verliit 1899,
3- ©uttenätg. 135 S.
Statiftifdje Rcouatsfdjrift. .^erausgegebcit oon ber f. f. Statiftifdjeu
(Ecntral*.S(ommiffiott. Reue T^olgc. IV. Jahrgang, ^siili — Auguft —
Septcmbcr*§eft. V$iett 1899. Alfrcb Wölber.
.SSaiitm i. V?. Vcridjt über bie Verwaltung unb ben Staub ber ©emeiitbc,
Angelegenheiten ber Stabt .s5amm i. V?. pro 1 . April 1897/98.
Henuitrooitiid) für bic SHcbaftton: Dr. Grnft Jraucfc in Scriitt W., »anreutiicrftrafec 28 .
1383 ©ogiale $rajiß. Sentralblatt für ©ojialpolitil. 91r. 52. 1384
©ie 8>rart# M erfdjeint an jebem ©onner8tag unb ift bur# alle öudjljanbiungen unb $Poftämter (Sßoftaeitunginummer 7072) ju belieben, ©er ^reis
filr bafl ©ierteljabr ift Ti. 2,50. Jebe Kummer foftet 30 fßf. ©er Änjeigenpret« ift 60 $f. für bie breigefpaltene ^etityeile.
Verlag von Siemenroth & Troschel in Berlin W.
Soeben erschien:
Der Wechselprotest
und seine Reform.
Ein Beitrag zur Revision des
Wechselrechts
von
Br. jur. et phil. Leist.
176 S. gr. 8°. Geb. 3 Mark 50 Pfg.
Verlag von Duncker & Humblot in Leipzig.
Die Schwindsucht
im Lichte der Statistik und Socialpolitik
mit besonderer Berücksichtigung der staatlichen
und privaten Versicherung.
Von
Wilhelm Kley.
—- 1898. Preis 2 Mk. 40 Pfg. —-
It fltiflimlfflmngmtt.
Dr. phil., 30 Jahre alt, fudf)t angemeffenc Sc«
fchäftigung im Jn= ober $fu3(anbe. ftenntnijs
ber fransöpfchen unb italiemftfjen ©pradje.
©iffertation (©tatiftif) jur Verfügung. Offerten
unter O. P. »70 an H&asenstelm & Vogler
A.-€L, Hamburg.
Dom 1. Oktober 1899 ab ging in meinen Derlag über:
Pa« (•kwn'lirgmifjt
Olonatsfdjrift bes Derbanbes Oeutfdjcc (Beraerbecjertdjte.
Herau&gegeben nett beffeit öefd)äft*fül)ret
©tabtrat Dr. ft. gflefdj, ^ranffurt a. Ti.,
mit nnterftüfeung bri; Herren
Hr. tm, ©tabtrat Gimo, ©emeinberat ©toftmaper, Sftechnungßrat Ämeiib,
©barlottenburg-Scrlm. ftimigöberg i.$r. ©tuttgart. SKatng.
Verlag: (Seorg Reimer, Berlin SW., Slnfjaltftr. 12 . (ftettifpreflet VT, ?6n.
S>a« „©eroerbegerldjt" erfdjctnt am l. ieben ‘JWonati. ^Sreti jäljrllct) 2 SRarl. ^Sinjelne Stummem 20 $f. - SOe
©ofianftalten, 3eUung«fpebttiotien, ©udjfianblungen forale bte Berlag&fianblung nehmen SkfteSungen an. —
gttfetate: bte 2gefpaiteue «etitielle 60 ©f. »et UBteberfpIungen {Rabatt. $ufmbungen für bie ffiebaftlon bei
„akroerbegertdjti - fönnen außer an ben Herausgeber aud) an ieben ber oben genannten Herren foraic an bie
»erlagi^anblung gertdjtet roerben.
©iänbtge «ubrifen: ?t raffte rt#tstti s ^erfafKNg unb 3*rf«trrn, fiuifuaaaimter, 'mb jLotO§i f
JUgemetttrs ftier $r»e?f egedgte mb Jtrt«tf$9fftr«g, -Jitter atar, 'ge?§^bs*rafdege*fet1e8i.
Berlin. Verlag Gttv 0 fUiwte*.
Pur ttodt luettige uoURanMge (Efrntplarr.
93 im bem
für
Devwaitun$ uttfc Doltetmvtfcfyaft
im Dcutfi^en Reidj
begrünbet non J. StfHrtstfrtfvff,
fortgefefct non #♦ tritt gollf ettfcorff unb guf*
heraußgegeben oon
05n(lau «IdjOTOller
fmb oon ben bisher veröffentlichten unb abgefdjloffenen 25 Jahrgängen (I—IV unb 9teue golge I—XXI, 1871—1897), beren Saben-
; ,liamme1 ' = 581 marf 60 pfg. =
betragt, nur ttodj wenige v o U ft Sn b 1 0 * Exemplare
oorhanben, roeldjc, roemt auf einmal bezogen, auf SBÖiberttif ju bem herabgefefcten greife oon je
.:-z ^00 matt = :-■■ ■
gegen bare Satzung, lieferbar Öeipjig, abgegeben roerben.
©o lange ber Vorrat reicht unb bie oorftebenbe, gdihilige ^ret^betßbfe^uttg oon uns nicht aufgehoben ift, fami jebe
befferc Sortimentebiidfhanblung &u obigen Sußnahmebcbingungen liefern.
(£iite ?lnf(haiiung beß reichen unb mannigfachen Jnhaltß ber biöffer oorliegenben 25 Jahrgänge geroährt baß oon Dr. Äbolf
oon 23en elftem bearbeitete (Deitctalregifiter, baß alß aroeite Hälfte oon $»eft IV beß XXI. Jahrganges ber neuen golge jum greife
oon 5 9)1. 20 fßf. erfchienen unb fomit in ber oorftehenb bc^eichneten ©erie mit enthalten ift. (5ö ift — auch jur Slnfi3)t — burch jebc
beffere ©ortimeiit^buchhanblung ^u beziehen. @in berufener S^eceufent begrübt biefeS 91egifter im Jntereffe ber 9tationa!öfonomen unb
©o^ialpolitifer al^ „einen juoerldffigen SBegroeifer burch ba^ 9tiefengebiet be@ „Jahrbuch^".
s " n ' , ‘ lm Dutuhnr & Slumblot.
Serantronrtlid) fur ote «iue:gni: pcUiuurtj Oletbcl, Üciyjig. — Verlag dou i)umfer & putnblot, S?eipiig. — (üebrueft bet 3 uliui ©ittenfeib, ©erlin.
^cigelegt ift biefer Kummer ein ^rojpeft ber 33rrlagäbuc()f)nnbluug Hobbing A Bikchle in ©tutlgatt f betr. ©uftau a. ©teffi'n
Gitglanb al» ^cltmadit mio ftulturfiant.
gas (ßfrocrbcgmrljt
Itlttt^eüungen bes Derbanbes beutfcfyer (BetPerbegericfyte,
£ugleid)
getlage jur „gojialen Praxis"
SRebafteur: ©tabtratf) Dr. ^Icfrfj» £5?ranffitrt a. 3Ä.
4. 3nl|rgnng.
Oktober 1898 bis September 1899.
JTltt Sad? = , 0rts = unb 21utoren = Hegijler.
-# H »»
gerlin 1899.
SSerlag oott $untter & §umblot, fieipjig.
(Bie 3^ff c1rn b*getd>nen bie ©palte.)
I. §?ac§regtßer.
(2>te mit * begeidjneten Beitrage finb lettenbe Auffftfce.)
A.
a) Itei^geiaerbeorbnttttg.
£itel VII im Allgemeinen.
BMrffamfeit eines an ber ArbettSftellc aus*
gelangten Tarifs. BerMenft bes Ar¬
beiters Bei Afforbarbett? (©iehe and)
I. A. f.) . ..
3ft ein ©djadjtmeifter als Arbeiter, SBerf*
meifter ober als felbftänbiger Unter*
nehmet angufehen?.
3ft baS ©etoerbegeridjt guftänbig für $er*
fenen, meldje nur mit bem Umfap ae-
werblicher ©rgeugniffe befdjäftigt ftno?
3ft ein 0d)lofferan[d)läger gewerblicher
Arbeiter ober felbftänbigerUnternehmer?
3ft ber Äolonnenfüfjrer ben anberen Mit*
gliebern ber Kolonne gegenüber ©teil*
oertreter bes Bauunternehmers ober ift
er felbft Arbeitgeber ber Kolonne? . .
3ft baS ©ewerbegeridjt für ©treitigfeiten
gwifdjeit einem gelbnteffer unb feinem
Sehrling guftänbig?.
3ft ber ftiidjcndjef eines Rotels Betriebs*
Beamter? Unguftänbigfeit beS ©emerbe-
gerfcBts bei Betriebsbeamten, bie nteBr
als 6 M pro Sag erhalten ....
3ft baS ©ewerbegcridii guftänbig für Klagen
beS Majcbiniften eines ©cf)lepp»
bantpfers? ©cbört ein ftaatlicB ge*
prüfter Mafdjinift, in feiner ©igenfdjjaft
als SWafcbinift eines ©djleppbatupferS,
gu ben Betriebsbeamteit unb Sedjnifcrn
im ©inne beS §. 133 a ber ©ewerbe*
orbnuug? .
3uftänbigfeit beS ©ewerbegerichts für Au*
geftellte in gabriffantinen.
Unfelbftänbiger Arbeiter ober UntemeBmer?
£>at ber Arbeiter Aufprndj auf Ausgasung
beS oofleit Afforblohncs, auch wenn bei
ber geftfepung ber Bergütung ein $>xx*
tBum untergelaufen ift?.
$?ann ber Meifter einem ©ef eilen für
mangelhaft ausgeführte Arbeiten einen
Sohuabgug madien?.
•£>at ber Afforbarbeücr Anfprudj auf ©nt*
fdjäbigung für bie 3 e ü/ roäBrenb ber
er megen Materialmangels nidjt arbeiten
fann?.
galten ©trabenbahneit unter §. 6 ber ©e*
werbeorbnung?.
Untemelmter ober Arbeitnehmer? SiedjtS*
oerBältuifj eines Mannes, ber als
©cBaditmeifter^bejiü.Borarbeiter^arlicr,
angenommen mar unb im Atforb eine
Arbeit übernommen Ba^ c .
3ft ein SDfiltBfutfdjer ^anbluugSgeBülfe ober
©ewerbegehüife? . . .’.
3ft ber 3ufdjueibcr Betriebsbeamter? Ber*
brennen oon ©chmttmufteru ©adjbc*
fdjäbigung? . .
Sitcl VII im Befouberen.
§. 107.
AuSBänbigung beS Arbeitsbuches . . .
aItC §§. H5, 117.
ÖoBneinBaltung gur Secfuug eines bem
Arbeiter gum ©elbftfoftenpreis über*
n laffenen gafjrrabs. Sftedjt beS Arbeiters
jur Bücfforberung biefer Abgüge trog
i feiner ©inwiHigung gu benfelben. Be*
9] ! griff einer „©inridjtung gur Berbefferung
ber Sage beS Arbeiters" .....
§• US.
$>ie Beftimmung beS §. 118 ber ©ewerbe*
9r orbnung, betreffenb bas Strebitiren oon
SBaaren, ift öffentlich *redjtlidjer SRatur
unb baljer oon AmtSroegen gu berücf*
(tätigen, ohne baf* eS einer auSorücflidjen
47 ! ©eltenbmachung feitenS ber Parteien
| bebarf.
48
48
§. 119 a.
Unter roelcBen BorauSfefcungen fann oer*
bienter SoBn als ©idjerBeit beS Arbeit¬
gebers für ©djäbigungen burcB fcBIecBte
©efcBäftSfüBrung feitenS beS Arbeiters
gurüdbeBalten werben?.
§. 120 e.
ArbeitSoenoeigerung. Bebeutung ber
„Bäcfereioerorbnung" ......
49
59
95
108
§. 122 .
Anmenbbarfeit bes §. 122 ber ©ewerbe*
orbnung (BecBt auf Utagigetfünbigung)
©eiten, wenn jemanb nadj feinem Austritt
aus einem Berljältniß als SBerfmeiftcr
wieber in baffelbe eintritt, ohne Weiteres
bie für baS frühere BerfjältniB oerein*
barten Bebingungen?.
Beginn beS ArBeitSoertragS.
109
111
117
120
129
132
§. 123.
9Bie lange fönnen bie (SntlaffungSgrünbc
bcS §. 123 ber ©emcrbeorbmmg geltetib
gemacht werben?.
3nwiemeit ift Sfranfljeit beS Arbeiters
©ntlaffungsgrunb?.
©icBtbare, uufittlidje Sätomirungen ber
Arme finb fein (Sntlaffungsgrunb,
fchliefjcn aber nadj babifcBeut Sanbredjt
einen ©chabencrfajjanfprudj beS ©nt*
laffenen aus (oergl. and) unter f.) . .
Unbefugtes Berlaffen ber Arbeit ....
3ft eS ein ©runb gur fofortigen ©ntlaffung,
wenn ein Arbeiter feinem Mitarbeiter
gurebet, fid) an einer Arbeitseinftellung
gu bet heiligen? Bebeutung bes Buch*
j bruefertarifs.
! Unter welchen Umftänben ift ber BäcfcrgcfeHe
gur Berweigentng ber Arbeit unter
Spalte
83
93
Spalte
Berufung auf bie Berorbnung bes
BunbesSrathS, betr. ben Betrieb oon
Bäcfereien, berechtigt?.
Beharrliche Berweigerung einer oon einem
Arbeiter ocrlangten AuSfunft ift ©runb
gu beffen fofortiaer ©ntlaffung . . .
Begriff ber „groben Beleibigung" im ©inne
beS §. 123, Abf. 1, gifftt 5 ber BeidjS*
gemerbeorbnung.
3ft Borhalt eines förperlichen ©ebredjens
grobe Beleibigung im ©inne oon
§§. 124 3 u. 96? ;.121
&ann ber ohne ©inhalten ber &ünbigung$*
frift austretenbe Arbeiter oor Ablauf ber
grift ein 3 eu önif3 forbem? .... 122
S)ie bem Sehrling allwöchentlich einbe*
Baltenen l'ohntheilbeträge bürfen bei
Auflöfung beS SehroerhältniffeS nicht
oorenthalten werben.122
3ft bie einfeittge Aenberung berSfünbigungS*
frift währenb bcS ArbeitSoerBältniffeS
für beibe 2h c ^ e btnbenb?.146
3fi bie orbnungSmägig erlaffenc ArbeitS»
orbnnng für ben Arbeiter oerbinbtich,
auch wenn \ie ihm nicht befannt ge¬
geben ift?.145
74
97
106
85
25
§. 126 b.
3ft ein Sehroertrag nur oon bem Sehrherrn
unb bem Batet beS Sehrlings fdjriftlid}
abgefdjloffen, fo liegt ein fdjriftHdjer
Sehrocrtrag mit beht Sehrltngc nicht
oor unb ber Sehrherr fann eine @nt*
fchäbigung wegen BerlaffenS ber Sehre
oom Sehrling nicht oerlangen . . .
| §. 128.
! Bücftritt oout Sehroertragc.
| Mangelhafter gleifj unb mangetnbeSgntcreffe
I beS SehrliugS giebt bem Meifter nicht
i baS Be(|t gur fofortigen Auflöfung beS
q9 ! SehroerhältniffeS.. .
§. 133 a.
3ft bei SBerfmeiftern tc. bic Bereiitbanmg
ungleidier Stünbigungsfriften guläfftg?
SBclche grtft gilt, wenn bei ungleicher
ÄHiubigungSfrift beibe ^h e ^ c fünbigen?
72
•>9
82
7
21 §. 133 b.
I 3ft eS als ein wichtiger, gur Aufhebung
bes SienftoerhältniffcS eines 3Serffübreis
i geeigneter ©runb tut ©inne bes §. 133 b
j ber 9ieichsgemerbeorbmutg angufehen,
36 wenn ber SJcrfführer
37 ; 1. anberen ^erfonen, inSbefonbere ben
Ujm unterfteflten Arbeitern ÄeitntniB
oon bem 3nl)ölt geheim gu haftenber
gefchäftlidjcr Mittliciluugen macht,
2. jeiue Arbeiter gu beeinjluffett jud)t,
49 | ihrem ^ringipal AuSfunft über .^er=
fiettung unb Material ber gabrifate
oorguentbalten? ....... 34
IV
§. 134 a.
< 3 inb Vereinbarungen mit einzelnen Au*
Beitern ab weichenb non ben Ve=
ftimmimgen ber ArbeitSorbmutg, fpejtcll
hinfichtlich ber Sli'mbigungSfrift, juläffig? 24
b) <ftefe|, betr. bie (Berocrbegtrichte.
§• 1 .
oft baS ©etoerbegeridjt juftänbtg für
Silagen au* Seproerträgen, bei beiten
ber Vater ober Vorntunb bes SeprlingS
als Partei Auftritt?.»rf
oft bas ©cmcrbegeridit jur ©ntfeheibung
in ber 2 adic eines Maurerpolier* gegen
einen ein Hanbclsgcfchäft Vctreihenben
(gewerblicher Unternehmer, Vauunter*
nehmet*, ©ruubjtücfsfpefulant) juftänbig? 134
Arbeiter im 3inne bes $. 2 beS ©efepeS
über bie ©ewerbcgcrichte.135
baS ©etoerbegeridjt juftänbig für Silagen
oon Mufifern unb Siünftlern nieberer
(Gattung gegen Unternehmer oon fog.
0pejiaiitäten s Vorftellungen? .... 142
§§. 1 unb 29.
oft bas ©etoerbegeridjt 3 uftänbig für geft*
fteKungSftagen gegen ben SlonfurS*
oerroaiter?" Slann ein SttethtSamoalt,
ber StonfurSocrroalter ift, oor betn
©etoerbegcricht Auftreten?.33
§. 2 .
V$ie ift bie 3uftänbigfeit beS ©croerbc*
geridjts bei bett im §. 133 a ber (bewerbe*
orbnung bejeiebueten IjÖljeren Singe*
ftettten 31 t beurtljeilen, wenn es fidj um
Der §öl)c nadj rocd)felube Siebenbejüge
banbeit?. 58
§§. 38 unb 40.
Aidjtoerl)anbeln im ©infprudjötermine.
^Richterliches gragerecht. Verjährung . 19
§• 46.
Jnwicmeit ift ein nadjträgiidjc» ISrBietcn
Juni ©tbc juläfftg? Autoertbung bes
§. 46 ©etoerbcgcrichtS*©cfepeS ... 9
§. 56.
*2te Suläffigfeit ber Berufung gegen Ur*
tljeile ber ©ewerbegeridjte ... . . 113
§■ 06 .
3ufap ber Vollftrccfungsfimifei 31 t getoerbe*
geridjtlidjen Urtbeilen ...... 78
c) firanbenn<rfld|ertmgji0ff(|.
Slbjug oon Jnoalibttäts* «ab Traufen*
faffenbeiträgen.108
d) CinUpra^iorbnnRg.
§§. 162, 264, 260.
3 ufteUuug an ben Vt'^hbeoollmädjtigtcu.
2 djaöenseiiap loegeu Ausfteflung eine*
orbmmgsioibrigeu 3 e ugmffcS . . . 32
e) (Bemeinea jOctuatrecht, fattbred}! etc*
Hat ein ©emerbcgehülfe, ber gemäh §. 124
Abf. 1 3» ff er 4 ber ©eiocrbcorbnung
bie Arbeit oor Ablauf ber oertrags*
inäfiigen 3dt unb ebne Auffüitbiguitg
uerlägt, einen Anfpriidt auf i/oljn*
entfdjäbigung? .
©nrlaffimg oor Vollcuimitg einer Afforb*
arbeit. VMe ift bie bis 3111’ ©titln ffttng
geleiuete Arbeit 311 oergüten? . . .
Sirtfamfcit eines an ber ArbcitSftelle aus*
gebangten Tarifs. Verbienft bes
Arbeiters bei Afforbarbeit? (Vergl.
audi I. A. a.).
staun ber Arbeitgeber feinen Arbeitnehmern
am Oljarfreitag bie Vefdjnftigimq oer*
meigern? belebe Vebcutung haben An*
orbnungen bes Viirgcrmeifier* über ben
Vc trieb unter feiner Auffidjt ftel>enber
SSerfe?.
3ufäffigfcit ber geftfepung felbft hoher
Sionocntionalftrafcn für 2 ienftocr*
lepurtgeit oon Angcftellten einer ^rioat*
poftahftalt.
Verurtljdlimg oon Arbeitern, bie in Streif
getreten mären, jur ^ertigfteUung an*
gefangener Afforbarbeit.
Siidjtocrhanbeln im (SinfpruchStermin.
I AidjtcrlidjcS g-rageredjt. Verjährung .
£ft ber Arbeiter perl m&i, ohne ßut*
.fdjäbigiüiäJ Tui^ujbph^? * ÄetSu|iutj
mihibtidier $cbeuabrcfeeu neben ‘ ber
! Arbeitsordnung.
oft ber Slrbeitcr peppftiädjtetfi betu ^lrbett*
geber auf Vcfrageit 3tt Tagen, unter
tucldjcm VSerfmcifter er arbeitet? . .
: VSirb ein tfeproertrag burdj unorbcntlidje
| Ausfüllung bes V«tragSpir rnuJars
| ungültig 1 ?'" . VV.’C. . - i .
| Slann oon bem Arbeitnehmer noch nadi ber
. Öinftellung ocrlaugt roerben, bag er
. SiünbiguiigSausfchlnh unterfd^reibe? .
‘ Vefteht bie für bie » ac h bem Austritt
! bes Arbeitnehmers aus bem Arbeit**
j oerbältnift oereinbartc $flid)t 3ur Ver*
j fchioiegeiiheit über ?TabrifationS*
I geheirrmiffe auch bann noch fort, loemt
ber Arbeitnehmer ohne ( 4 ntnb entlaffen
ift ober bitrd) gefepioibrtgeS Verhalten
bes Arbeitgebers 3m* Auflofung beS
Arbeitsoerhältniffes gestoungeu morben
ift? Staun er AnS3ahlung ber oep*
tragSntägig eht3ubehaltenbeu Äautipn
forbern?.
Mufj ber Arbeitgeber ben oont polier oer*
fprodjenen Sohn johlen?.
Sirfjtbare, unftttlidje Üätoioirungen ber
Arme fittb fein (SittlaffungSgrunb,
fchließen aber nadj babifdhem Sanbredht
einen 0 thabenSerfafcanfprud) bes (Snt-
laffenen aus.
UBeldjc Vcbeutung hat bie Abrebe, bah ber
Arbeiter bent Arbeitgeber ben Aach*
rociS für oon ihm auStoärts gelieferte
Arbeiten burd) Vcfdjetnigung bes Ve*
ftellerS 311 erbringen hat?.
3 chabenscrfappflidjt bes Arbeitgebers bei
VorenthaTtuug eines orbnungSntähigen
3 eugniffeS.
.^aben geioerbliche Arbeiter Anfprud) auf
93e,3ahlung ber ^eft** tmb TT^toge? •
i Vemeffung ber Vergütung für bie ^robe*
I bienft3cit bei gleichseitiger Verein*
j bannig bes Lohnes für bas fpätere fefte
, Arbeitsocrhältnih.
Öin Arbeitgeber, ber bei ber perfönlidjen
Vorftclliuig bes burd) Vrief ange*
nommenen Arbeiters erfährt, bag ber
Arbeiter fo fdjioerhörig ift, bah er itjn
für fein Hcfdjäft nidit brauchen fann,
ift befugt, oon feiner Annahmccrflärung
Surücfsutrctcn. . .
3 u etneu BchabetiSflagc oon Vauarbcitern
ift, roctm fic für ben ganzen Vau
engagtrt mären unb ber Öohn im
(Deinsen mehr als 150 Mar! betragt, im
Oielnctc beS Allgemeinen Sanbrechts
1 2d)viftform oon Aötljen.
B. SScrfaffnng unb SSetfa^reu.
Vorfipenbe unb Veifther int Oleroerbegertd^t 3
Statut beS 0>nuerbcgcrid)tS Voftocf . . 4
• Stoufcrens ber Arbciterbcifiper ber pfälstfdjert
| OJemerbegcrichtc.16
[ Sturje Aotisen ... .32
* | Vürgcrlidies ^H'feübudi unb O)ctoerbe*
I orbnung. 46, 57, 69
! Auslegung bes §. 29 bes Wcmerbcgertd;tö*
| gcjcpeS. 47
l 3ft iiroportionalioahl „unmittelbare V?al)l"
I im 3inue bes §. 12 bes (»emerbe*
geridjtsgcfepes?.70
VoHftreefung ber feiteus ber oteioerbe*
1 geriditc ocrhäugten .vmftflrafen ... 81
*Xer §. 626 bes Viirgerl. OlcfcpbudjeS unb
baS &ünbiguitgsred)t in ber (^eioerbe*
orbnung . . 89
Ifnoeiterung ber ^uftänbigfeit ber Wetoerbe*
gerid)te.93
*^ie ^ohnsahlung bei oorübergehenber
Arbeitsbehinberuitg nad) § 616 bes
Vürgcrlidieit OiefepbudiS.lui
§. 626 be§ Viirgerlidjen OiefepbudiS unb
§. 123/124 ber Oktoerbeorbnung . . UM
SSahlberedjtigung arbeitSlofer Arbeiter unb
«-allein arlicitenber Unternehmer . . . 129
(wruerbegertchtSioahl. Unrichtige Öoos*
Eichung. Sahirecht ber ^rofuriften . 141
C. @migttttgdämter*
3um Vranbenbitrger 3intmererftreif . .
2 )aS ©emerbegericht granffurt a. M. als
dinigungSamt in einem Maurerftretf .
VerftIbererftreif in Verlin.
©nglifche Verföhnungsafte, $)ie (fr*
gebniffe ber —.
(£nglifdje ^anbelsfammern, ©iuigungS*
ämter bei beri — . . . . . . . .
Conseils de Prud’hommes, Veforin ber
in ^raitfretd) . . ... . .
$hätigfeit bes Vtünchcner OknjerbegeridjtS
als ^inigungsamt. — Vesiehungen
3 totfdjen Öcmcrbegericht unb Arbeitsamt
@utadhteit unb Sttträge*
* 3 »r rechtlichen Stellung ber Heimarbeiter 1
E. &ttgemehsei ÜUt ©etoerbegerii^ie nirb
3(rbcttSbertrag.
^Heimarbeiter, 3 UV rechtlichen ©fellung
ber - (Gutachten bes VegutachtungS*
auSfdjuffeS beS ©etoerbcgeriditS Offen*
bad). 1 . 1
* 2 )ic ^raris bes Stettiner Oktüerbegcridjts,
oerglidien mit ber ^raris beS Oleioerbe*
geridjts Verlin ..." .14
Arbeitgeber unb Arbeiter bei ben Olemcrbe*
gerichtSmahlen. 26
Heimarbeiter, 3nr red)tlid;en Stellung
ber — ......... 45, 29, 79
Jahresbericht, A 11 S bem — bes ©emerbc*
gerichts Mündjen für 1897 .... 38
Vefanntmadjungen ber ©eroerbegerichte über
Arbeitsoerhältniffe ihres VesirfeS. ©e*
ringe Venupung ber ArbcitS 3 ctteI . . 39
*V a rteien, <£ lc un & baS ©emerbcgcricht 41
♦Äaufntäunifchc Sdjiebsgeridjtc .... 53
Sieichstagsocrhaublungen itberVerbefferung
unb (Srmeiterung ber ©emerbegerichtc 56
Verlitter ©croerbegericht, ^erVericht beS —
1 über bas ©cfcf)äftsjahr 1897,98 ... 62
0eefd)offengerid)te.63
; *$ompeteti 3 , 3 ur — ber ©emcrbegerid;te . 65
i Arbcitsnad)iociS, ©emerbegerichte unb — . 74
' JahreShcridite, Aus ben — oon ©emerbc*
! geridjten .... 75, 87, 100, 111, 123
i *2)ic Amoeubbarfcit ber §§. 611—630 beS
Viirgerlicben ©efepbucheS (3)ienftoertrag)
1 auf bie ^ieuftoerträge mit gewerblichen
j Arbeitern.77
Petition bes Verliner Vereins „grauenmohl"
betreffeub Wahlrecht ber grauen 31 t ben
* beruflichen SdjtebSgerichten ....
1 ©eioerbcgeridjt, Arbeiterfefrctariat, Aus*
funftsftcllc. 91
1 J)cr ©efepentmurf 311 m @d)up beS gemerb*
1 liehen Arbeitsoerhältniffes.tu
1 Abänberung bes ©cmerbegerid)tSgefepeS . 127
■ *VefuItatc ber Acdjtfpredjung eines gröberen
©emcrbegeridjts . 137
Eingriffe gegen eine geplante Äompeten 3 *
erioritcrung ber OJemerbegerichte. . . 12 .'
| 2er ©ntmurf eines ©efcpeS betr. bie ?lb*
! äuberung ber ©emerbeorbnung... 14<
V
«palte
F. Sitteratnr,
Dr. 8 . Slocf).52
ö. 8erfcani>Souge!egetif)citcn,
^Beitritt junt Berbanbe beutfcber ©eiuerbc*
geriete. 12
©intritt in ben SfuSfcbufc. 12
Slufforberitng an bic BerbanbSmitglieber . 18
£)ie Befpredjung ber ©eiuerbegerid)tsuor*
©Itona. 64.
©armen. gal)re3berübt 64.
Berlin. 14, 28, 39, 53, 77, 104; gabrcSberidjt
64; Becbtfpredjung 7, 19—20, 22 , 24, 32, 34,
36, 47, 48, 58, 59, 61, 71, 82.
Branbenburg a./H- Bed)tfpi'edjung 121 .
Braunfdjroeig. 101 .
Bremen. 3a^reöberidbt 64; SlrbeitSnadnueiv 74.
Breslau. 9ted)tfprctf}ung 7.
Bromberg. 3al)re$bericbt 64.
Burg. gd^reöberit^t 64.
©affel. ^roportionalroa^l 70.
$effau. 3ab r e3berid)t 64. •
$)ortmunb. 21 ; 9tetf)tfprecbung 00 , 122 .
®re§ben. 12; Stecbtfpredjuug 59; los.
TDuiSburg. SRedjtfprecbung 120 .
©Iberfelb. Sa^reSberid^t 64.
©uglanb. Begleitung uon Slrbcitöftrcitig*
feiten 40.
gfranlent^al. 12 , 122 (9led)tfpred)ung).
«palte
ftfcenben unb Beider 311 Nürnberg,
29. September 1898 . 17
BeitrittSerflärungen.19, 64, 124
9toti$ über eingegangene Beritte ber ©e*
ruerbegeridjte.136
9tacfiri(bt (betreffenb ©ntiuürfe jur funftigen
Raffung ber Statuten unb ©efdjäfts*
orbnung unb bas Material gur funftigen
©cftaltuug be£ BerbartbSorganS) . . 148
H. Srleffaftcu
12, 40, 64, 76, 88 , 136, 148
II. §>rfsregißer.
(S. = Statifttf.)
granffurt; a./9Jt. 39, 41,116; SKaurerftreif 26;
2ftl)* e 3f>eritt 64; Stedjtfprecbung 9, 22, 23,
26, 33, 95, 121, 145.
greif» urg i B. Becbtfpredjung 35.
©era. 64.
Hamburg. Beififcerorgauifation 39; galjreS*
beritt 76; Siettjpretung 21 , 35, 48, 85,
86 , 99, 109, 134, 142.
amm. 9te<btfpre<bung 4, 60.
eibelberg. 9tetf)t}precbung 129.
StarlSrube. 9iecbtfprecbung 136.
Stiel. Beififcerorganifation 39; 9ied)tfprecbuug 49.
St ö ln. 89; 9ted)tfpred)ung 5, 23.
StönigSberg i/$r. 65,113; 9iecbtfpretbung 24.
Strefelb. Stecbtfpredjung 145.
Seipjig. Beififcerorganifatioit 39; 9tctf)i=
fpredjung 73, 83.
gubtuigsburg. 64.
Subiuigbafen a./9tb- gabrcSberitbt 76; 9ied|t=
fpretung 106, 121 .
SWagbebura. Bedjtfpredjitng 93.
SJtainj. Beiftberorganifation 39; 9ied)tfpretf)ung
74.
«palte
J*
Beifibcruereinigung . .. 12 , 64
Beifibcrorganifationcn.39
3 unaf)ntc güttitcrBegleitung uon Slrbeitö*
ftreitigfeiten in ©nglanb.40
gabreSberitte.64
Anträge.64
kleine Bttttbeilungen (betreffenb ben ©nt*
tuurf Juni Schub beS gewerblichen 9lr=
beitSuerbältniffeS).148
Btannbeim. Bedjtfpredjung 129.
Btülfjcim, 9iubr. SRecfctfprecbung 72, 85.
9ft uneben. 47; 3abre3berid)t 38.
9teumünfter. Bedjtfpredjung 83.
Nürnberg. 12.
Offenbat- gabreSberidjt 64; 3 ur redjtlid)cn
Stellung ber Heimarbeiter 1, 79; 9ted)t=
fpretung 97.
91 oft ad. 4; 9ted)tfpred)ung 84.
©djöneberg b./Berlin. 19; Beifiberorgauifation
40.
Solingen. 9tedjtfprecbung 8 , 108.
Spanbau. 19.
Stettin. 12 , 14, 19, 142; 3abreoberid)t 75;
9tettfpred;ung 37, 98, 111 , 132; Beifiber 5
Organisation 39.
Stuttgart. 3abreSberidjt 64; Bedjtfpredjuug
10, 117.
$rier. 89.
SBeintar. gabreSberidjt 64; Ärbeitönadnuci* 74.
3micfau 12 , 19. 9iedjtfpretung 6 .
III. Jlttforertregifler.
(B. = Borpbeuber; 9lg.=B. = 9lrbeitgeber=Beifiber; 2 lu.=B. = 9lrbeitucl)iucr=Beifiber.)
«palte
uon Blume, fßrofeffor in Boftod.... 69
BranbiS, Dr. jur., SSerner, Berlin ... 104
Braftr Dr., .SföagiftratSaffeffor in Berlin
(B.).34, 71
©uno, Stabtratb in Königsberg i. tyv. 65, 113
£>eder, ©. in Köln.57, 89
glefd), Dr., Stabtratl; in granffurt a.SJi. 41, 116
graitde, Dr. ©., ju Berlin.53
uon granlenberg, Stabtratl) in Braun*
fttueig (B.).. 101
gulb, Dr. üubiuig, in Btainj.70
©erift; ©mil, in granfentl)al.17
©ertb/ Dr., ©eiuerberitter in Berlin (B.) 19
«palte
Heilung, ©emerberitter in Berlin (B.) 61
Stierte, Stabtratl) in Breslau (B.). ... 7
Saubitnger, Bfagiftratsaffeffor in Stettin J4, 32
uon Öeefen, Dr., in Hamburg (B.) ... 35
Btagbeburg in Staffel.70
BJantiuS, Dr., in Hamburg (B.) .... 48
Btüblbauer, 91., Sefretcir beS Hrbeiter-
fefretariats in Btüncben.47
$oI)I, Stabtratb in Königsberg i. $r. (B.) 24
Sßoblmann, ©eridjtSaffeffor i. granffurt
am Btain (B.). 22
Sd)äfer in 2Äainj (B.).57
«palte
Scbalborn, Dr., ©nuerberiebter in Berlin
(B.).77
Sd)iuieber, ©eioerberid)tcr in Berlin (B.) 24,36,47
uon Scbulj, 2.1t., ©ciuerberid)ter in Berlin
(B.).29, 45
Stiibing, ©eiuerberid)ter in ©reSben (B.) 12
2edjon), ©eroerberid)ter in Berlin (B.) 22 , 82
^boma, Dr., Bürgermeifter in greiburg i. B.
(B.).35
Simm, 3-/ Sefretdr beS HrbeiterfefretariatS
in Btiincben.47
B&olff, ©mil, Borfibenber bes ©eiuerbcge*
ri^tS Dffenbacb.79
«cbiucft bei Sallu* «ttteufelb tn öerlin W
IT. 3^rflang.
©erlitt uttb (Jranffurt a. SW., beit 8 . Dftober 1898 .
Wtttntntr 1.
Jas ©fmcrbfigfrittit.
ZHittheilungen bes Derbanbes beutfcfyer < 5 emerbegericfyte.
BebaftionSauSfchuß:
@tabtratß Dr. jlrfd) tit Sranffurt a. Bh, Oeroerbcrid^tcr $djmitber in Berlin unb ©emeinberath §tacKmoijer in Stuttgart.
ftf 4 «toi «« n|n MN» 9 «»«U.
?r*U |i|t(l 4 1 Jßnk.
»erlaß fcoit ©untfet & Humblot, Seip|lg.
Sfoftenfreie »etlage jur „Sojialen »rayi8\
«Ke für bie »ebaftlon be« ff @etoeTbegeric&tS ,, beftimmten Senbungen bittet man 311 abreffiren: «n ©emerbertdjtet Sc&mieber, »erlin-Haienfee, Äurffirftenbamm 132 A.
ßut rechtlichen Stellung
Heimarbeiter, ©utachten bc$ 33 e*
ßutad)tunßöauS|cb«tfeö beo ©croerbe*
geric^td Qffenbach. 1
9 *rfnflttna unb §erfahren.3
»orftyenbe unb »etftber im ©ewerbe*
flericbt.
•Statut beb ©eroerbegerichtS Koftocf.
#erijtfareit|img. 4
I Hat ein ©emerbegeljülfe, ber ge*
mäfe §. 124 «bf. 1 ßiffer 4 ber ©e*
»erbeorbuung bie «rbeit bor «blauf
ber bertTagbmäfjigen 3«ü. unb ohne
«uffünbigung berläßt, einen «nfprucb
auf Sobnentfcböbigung?
II. ©ie »eftimmung beb §. 118
ber ©emerbeorbnung, betreffenb bab
Jtrebitiren bon Söaaren, ift öffentlich-
rechtlicher Statur 1111b bahcr bon
«mtsmegen 3U berücffidjtigen, ohne
ba§ eb einer auöbrücflidjen ©eltenb*
madjung feitenb ber ȟTteien bebarf.
(äönigl. QberlanbeSgericht Hamm.)
©ntloffung bor fflollenbung einer
«fforbarbeit. 2Bie ift bie bib 3ur
©ntlaffung geleiftete «rbeit 3U ber»
güten? (©etoetbegeridjt unb Sanb»
geriet &öln.)
SGirffamfeit eineb an ber SrbeitfteHe
aubgebflngten ©arifb? »erbienft beb
«rbeiterb bei «fforbloljn? (©emerbe«
geriet 3nüc!au.)
3ft bei äBerfmeiftern u.f.m. bie »erein*
barung ungleicher tffinbigungbfriften
bulüffig. SBelcb« greift gilt, wenn
bei ungleicher Äünbigungbfrift beibe
Shell* fünbigen? (©ewerbegericht unb
£anbgericht ©reblau, foroie ©emerbe*
geriet unb Öanbgeri^t ©erlin).
Äann ber «rbeitgcber feinen «rbeit»
nehmern am ©tjatfceitag bie ©c»
fchüftigung bermeigem? Sörtche ©c»
beutung haben «norbnungen beb
©ürgermeifterb über ben ©etrieb
unter feiner «ufftcht ftehenöer SSerfe?
(©emerbegericht Solingen.)
Smolemeit ift ein nachträgliches (Sr*
bieten aum (Sibe julaffig? «nmenbung
beb §. 46 beb ©etoetbegerirf tSgefefceS
(©emerbegericht, ßanbgericht unb
DberlanbeSgericbt g-ranffurt a. SK.)
3uläffigfeit ber gfeftfefcung felbft hoher
Gonbentionatftrafen für ©ienftber*
le^ungen bon «ngefteOten einet
»ribatpoftanftalt. (ßanbgericht Stutt¬
gart).
6 iittgMtg*fimter.11
3unt ©ranbenburger 3immererftreif.
ferfdjiebene*.12
»eiftfeerbereinigung.
ferbimiKi jlngrlegm^Uen.... 12
©eitritt aum ©erbanbe beutfeher ©c*
merbegerldhte.
©intritt in ben «uSfäufc.
friefkftßeit.12
S. ©r. ( Koftocf. — H- in 9 K-
3 nbaltbangabe ber „Soaialen »rajib".
Inhalt.
ber
«bbrutf fämmtlicher «rtifel ift S«itungen unb Seitfchriften geftattet, jeboch nur mit
boüet Quellenangabe.
3ut redjtlidjeit Stellung ber Qelmartietter
©utachten beS BegutachtungSauSfchuffeS beS ©emerbe-
gcric|ts Öffenbacf).
©in Bortefeuißearbeiter B. hatte bis $crbft 1895 in ben
$abrifräumen eines portefeuißefabrifanten $. in Dffenbatf) ge¬
arbeitet. 3n Solge einer SSerleftung erhielt er auf auSbrficftitfjen
3öunfch bie ©rlaubnife gu §aufe gu arbeiten, jeboi mit ber Auf¬
lage, nur für gu arbeiten; er t^at bieS unb befdjäftigte, roie
bieS häufig üblich ift, einen fiehtling; auch mürbe er in ber üb¬
lichen Söeife tum ber Öabrif aus beautfuhÜ0t- 33^i Gelegenheit eines
9iechtSftreitS groifchen 91. unb $. mürbe bem SBegutachtunaSauSfchuö
bic ftrage norgelegt, ob Sßerfonen mie 9i. Slnfpruch auf wünbigung
haben unb ob fie gegen ft'ranfheü, Snualibität unb Ölter gu oer-
fithern feien. i)er lluSfchug äufeerte fich folgenbermahen:
^)er ^Begriff „Heimarbeiter" fommt gmar in ber ©efeh-
gebung oor: 2)er §.4 beS ©emerbegeridf)tSgefefceS nom 29. 3uli
1890 beftimmt auSbrücflich, bafe gur 3uftänbigfeit ber ©emerbe-
geriete auch in §. 119 b ©emerbeorbnung näher beftimmten
$erfonen gehören unb fügt in Sflammer bie ©orte „Heim¬
arbeiter" „HauSgemerbtreibenbe" an. H' er ^ a Uo 9^6*
lieh in ber ©iffenfehaft allgemein übliche Unterfcheibung an-
erfannt. H e i mar ^ e ü er ifi ^ er genereße begriff; „HauSgemerb-
treibenber" ift im Slttgemeinen ber felbftänbige Heimarbeiter. —
dagegen fennt bie ©emerbeorbnung „Heimarbeiter" nicht;
ebenforoenig aber fommt bort ber Begriff „HauSgemerbtreibenber"
oor (ogl. 0d)icfer, Sinnt. 1 gu §14; 3. Slufl. @.21). Slufgabe
ber ©emerbeorbnung mar es aber auch nid&t, hierüber ©ntfeheibung
gu treffen; fie behanbelt befonberS bie „felbftftänbigen Betriebe"
(ogl. §. 14 ff.) unb bie „gemerblichen Slrbeiter" (Xit. VII), inbem
fie bie @ubfumirung ber ^ßrayis tiberläfei S)ie Berorbnung 00 m
31.9Rai 1897 (b. BeichS-Slng. 9?r. 129 00 m 3. Suni 1897 SloenbS)
behnt überbieS auch Beftimmungen ber ©emerbeorbnung auf bie
Heimarbeiter einer beftimmten Branche aus, ohne Befchränfung auf
einen ber fraglichen, bereits gefefclich anerkannten Begriffe. (Bgl.
9h:. 16 ber @ogiaIen °°ui 20. Sanuar 1898).
©aS nun bie Shtmenbbarfeit beS §. 122 ©emerbeorbnung auf.
bie Jkrfonen ber in Betracht fomtnenben Slrt betrifft, fo ift bie
@tettung beS §. 119 b ©emerbeorbnung in bem gangen @ 9 ftem
gu beaajten. 2)er §. 119 b finbet fich im £itel VII ber ©emerbe¬
orbnung in ber erften Unterabteilung, melcbe oon ben „Slffgemeincn
Berhältniffen" ber gemerblichen Slrbeiter haubelt. ©r beruht auf
ber Sfooeße oon 1878 unb beftimmt, bafj bie oorhergehenben Be¬
ftimmungen über bie ßohnjahlung 2 c. allgemein auf B^rfonen ber
fraglichen Slrt Slnmenbung finbe, felbft roenn Mefe felbft mit ©e-
hülfen arbeiten (ogl. BeichSger. 00 m 21. Januar 1886 unb
@chidfer Sinnt. 2). — Hi ern ach mufe ber §. 119 b als bebeutungs-
loS für ben Slbfchnitt II „Berhälhtiffe ber ©efetten ttnb ©ehülfen"
§§. 121 ff. betrachtet roerben.
2)ie Booette oon 1891 hat auch & c m §. 125 ©emerbeorbnung,
am @d}lu& beS Slbfchnitts II ben 3ufafe gegeben, bafe im @inne
biefeS Paragraphen ben ©efetten unb ©ehülfen bie in §. 119b be-
geichneten perfonen gleicbfieljen; hiermit mürbe bie meügehenbe
Beftimmung ber Haftpflicht eines SlrbeitgeberS, ber einen Arbeiter
gur Sluflöfuttg beS irbeitSoerhältniffes oor rechtmäßiger Be-
enbigung beffelbett oerleitet, fogar für fog. Heimarbetter unb
HauSgemerbtreibenbe für anroenboar erflärt. daraus folgt aber
unferes ©rachtenS oiel mehr, baß für fämmtliche im unfelbft-
ftänbigen ÖrbeitSoerhältniß ftehenben ^Serfonen (unfelbftftänbige
Heimarbeiter) bie Beftimmungen ber §§. 121 —124 b, befonberS
über bie „rechtmäßige Beenbigung" beS SlrbeitSoerbältniffes
gelten. (SDiefe Slnft^t theilt ßanbmann, Äomm. Slnm. 6 gu
§. 125 @. 882 ber 2. Slufl.)
ferner fommt auch bas ©efen beS gmeifeitigen BertragS in
Betracht (ogl. auch §. 105 ©emerbeorbnung). 5)er gmeifeitige Ber-
trag fann nur burch gmeifeitige Bereinbarung abgeänbert ooer ge-
löft merben (abgefehen felbftoerftänblich oon gefeßlicheit ©rünben).
©S ift gmeifelloS, baß p. B. mit ÄünbigungSfrift enaagirt mar.
tiefer Bertrag ift begüglich ber Slrbeitsftelle im Qapr 1895 mit
groeifeitiger Bereinbarung geänbert morben. ©eitergehenbe Slenbe-
rungen fonnten auSbrücfltch ober auch ftißfchmeigenb erfolgen.
Begüglich ber $ünbigungSfrift ift aber eine Uebereinfunft nicht
getroffen, insbefonbere auch nicht ftißfchmeigenb.
©aS nun abgefehen oon ben fonfreteh (Streitfall bie @teflung
ber fog. H c f mar ^ er & cr Bortefeuilleinbuftrie, ^ofa-
menten- unb @d)uhinbuftrie in Dffenbach betrifft, fo tft an-
guerfennen, baß eine große Slngahl B er f°nen ber fraglichen Slrt gu
Haufe arbeiten mit einer @elbftftänbigfeit, bie berjenigen
fog. „felbftftänbiger HauSgeroerbtreibenber" oollfommen
1 gleichfommt. SDiefetben arbeiten aufs @tücf gu H au f e f« r e 'nen
8
$a$ (Bewerbegcricht. Mitteilungen beS VerbanbeS beutfdjer ©emerbegeridjte. Rr. 1.
4
ober mehrere Sabrifanten, ohne in ihrer Selbftftänbigfeit trgenbmie I
befdjränft gu fein, abgefehen baoon, bafe fie fich etwa oerpflichten,
nur für einen gabnfanten gu arbeiten ober firf) einer geroiffen
Montrole feitenS beS jeweiligen Arbeitgebers unterwerfen.
Sei biefen ift bie (Einhaltung einer ftünbigungSfrift nicht
üblich, foroeit bie Portefeuillebranche in Setrarf)t fontritt. 3n beit
Statuten ber Schuhfabriken ift bieS überbicS auSbrüdlich beftimmt.
Von ber Selbftftänbigfeit ber Arbeiter ift aber auch bie Verfirf)e*
rungSpflicht gegen 3«oalibität unb Alter nach §. 1 beS ©efejjeS
bebingt.
Bir fommen baher gu folgenbem Vefultat:
1. Heimarbeiter (mit (Einfchlufj ber ^auöinbufirieücn) in ber
Portefeuille*, Pofamenticr* unb Srfjuhfabrifation in
Dffettbach haben nach £age bergeitigen Verhältniffe im All*
gemeinen feinen Anfprad) auf bie in ber ftabrif übliche ober bie
burch §■ 122 ©emerbeorbnuitg gegebene 14 tägige £ünbigungSfrift;
cbenforoenig brauchen fie eine folcge einguhalteu;
2. bie ftünbigungSjriit finbet nur Slmoenbung im Salle be*
fonberer Vereinbarung unb ittSbefonbere bann, wenn ein Arbeiter
auf Äünbigung engagirt mar unb bemnächft auf ©raub befonbercr
Vereinbarung gu .paufe arbeitet, ohne bafe auSbriidlid) ober
ftillfchmeigenb mit beiberfeitiger 3uftimmung baS $ün*
bigungSoerhältnifc aufgehoben wirb;
3. bie VerficherungSpflicht gegen Snoalibttät unb Alter richtet
fleh nad) oorftchenben ©runbfäfcen unb finb inSbefonbere bie unter
1 begegneten perfonen im Allgemeinen gur $t\t unb infolange
ein VunbeSrath*bcfrf)lu [3 gemäfj §. 2 beS ©efcfceS nicht erfolgt ift,
nicht oerfichcruugöpflichtig;
4. gegen Sfranfheit finb Die unter 1 unb 2 begcichneten per»
fonen ocrfirf)eriingSpflichtig, unb gmar auf ©ruiib beS DrtSftatutS
oom 28. Sani 1897.
(Vgl. Srfjicfer, ftottnn. Am». 2 Ab). 8 gu §. 121; bie Ausfitb*
rungen ‘Vöhmes tu betu (Gutachten ber Hanbclöfamiiter in (EMfrfjci*
Düngen Des Wr. Mitiift. ber 3 u. b. 3- oont h Märg 1898, abgebrueft
in Vr. 83 ber Offenbarfier 3 fituIl 9 oout 9. April 1898, fotoie 2aitD=
mann, ftoinm. 2. Aitfl. 2. VD. 3. 882 Amu. 8 gu §. 125.)
Uetfafftmg unb Ucrfnljwn.
S»rft^tnbe trab Ötifiöer im @ett>frbcgcri(f)t. 3m „Morrefpoti*
bengblatt ber ©eneralfotnmiffion ber beutftfjen ©eroerffchaften"
oom 28. Märg 1898 finbet firf) ein längerer Artifel oon Martienffen,
Seifiger bes Hamburger ©emerbegerirf)ts, über bie Pflichten unb
Rechte ber ©emerbegerichtsbeifiber.
Mit bent Schluffe biefeö ArtifelS, ber bie ©emerffd)aften ein*
bringlirfj oor jebem Sefchlufe warnt, ber eine (Einwirfuug auf bie
Sefdjlüife ber ©emerbegerid)tsbei[iber begmeden foll, finb mir felbft*
oerftänblich einoerftanben, bagegen giebt ber in einer Reihe getoerf*
fchaftlicher Organe gum Abbrmf gelangte Artifel im Uebrigen gu
manchen Senterfungen Anlafe.
3unäd)ft wegen beS nach unferer Anficht burch bie (Erfahrung
nicht gerechtfertigten Mißtrauens gegen bie Vorfifcenben ber ©e*
werbegerichte, baS unaufhörlich gum AuSbrud fommt unb baS beit
Verfaffer gu gerabegu falfcheti Rathfchlägeit an bie Seifiger oer-
anlaßt.
BoIIte ein Seifiger wörtlich bem Sorftgenben, ber bei ber
Serathung feine Anfidjt bahin äußert, bafe eine ftlagc abgewiefen
werben müffe, erwibern, bah er fleh *ü ne f°td) e Ausführung oer»
bitte: „Ricßt Sic, fonbern wir haöen über bie Sache gu urtheileit,"
wie bieS ber Artifel empfiehlt, fo würbe ihm ber Sorfibettbe gang
einfach erflären, bafg bieS oöllig unrichtig ift. Glicht bie Seifigenbeu,
fonbern bas ©emerbegeridjt, gu bem wefentlich aud) ber Sor=
figenbe gehört, eutfeheibet. SDer Vorfigenbe ift baher felbftoerftänb^
lid) berechtigt wie oerpflidjtet, bei ber Urtheilsberathung aud) feine
Anfidjten fuubgugeben. And) bie weitere Selehrung ift falfdj, bafe
bie in 3uK'r 1 7 beS S- 123 begegneten, gur fofortigen (Ent*
laffung bered)tigenbcu Hanblungen bes Arbeiters unter feinen lim-
ftänben mehr in Setradn fommen fonuteti, wenn feit ber ,s)anbliing
eine S3od)e oerfloffen ift. (Eö fanu feljr mol)l möglid) fein, bag
bei bem llrtbe.il über bie Srage, ob ein Arbeiter fid) eines liiber*
liehen t?ebeu?waubels fdjulbig gemad)t htibc, i§. 123 :5 ,) ob er
feinen Verpflidjtuugen nachgufominen be harr lid) oerweigert habe,
ob er firf) gegen 'Familienangehörige bet? Arbeitgebers in ber in
123 7 angegebenen S?eife oerljaiten habe, and) fold)c Ibatfadjen
beriicffid)tigt werben miiffen, weldje länger als eine s iSod)e ocr=
gangen finb, burrf) weldje aber erft bie innerhalb ber legten fiebeit
läge oor ber (Entlaffung begangenen Hanbliingen ihre rirf)tigc
Seleudjtitng erlangen. (Ebcnfowenig ift ridjtig, ba| jeber Seifiger
| baS 9ted)t habe, eine 9lbfchrift ber Urteile gu oerlangcn, bei beiten
er mitmirfte n. f. ro.
Ades in Allem: $>er S er f aff er ift gu fehr oon ber Jibee aus*
gegangen, baft bie Seifiger ihrer itftehrgahl nach einig fmb in bem
Shmfrf), bem Arbeiter gu helfen, unb oafj ber Sorfigenbe ben Ar*
beitgeber gu fdjiigen fucht. (Er würbe mandje feiner Sehren nicht,
fo wie er eS gethan, auSgebriicft haben (ogl. g. S. auch ben
5"abel über baS drängen ber Sorftgenben gum Serglcirf)), wenn
er nicht nur ben flagenbett Arbeiter, ber ein ungmeifelhaftes ERedjt
auf feiner Seite hat, fonbern auch ben galt berücffid^tigt hatte,
in bem ber Arbeitgeber flogt unb ber Arbeiter im Unrecht ift ober
in welchem baS 9ted)t bcS Arbeiters zweifelhaft ift. lleberbieS be=
fteht aber ber fchroffe ©egenfag, in ben er bie Seifiger gum Sor=
figenben bringt, in ber Söirflirfjfeit faft nirgettbs. 9?adj beu (Er=
fahritngeit aller ©ewerbegerid^tSoorfigenben * erfolgen bic Urtheile
faft ftets mit (EiuftitnmigFeit, faft nie in ber Art, bag ber Vor*
figenbe übernimmt wirb, derartige Artifel finb fehr bagu geeignet,
ben Xeufel an bie 2Sanb gu malen, b. h- ©egeiifäge gwifhen ben
Arbeitern unb ben Sorfigeitben h^^orgunifen, bie an fid) nicht
oorhanben finb.
Statut beS ©etoerbegerichtS Dtoftocf. $eu errichtet warb
ein ©ewerbegericht für Stabt unb Stabtfelbmarf Sloftocf, fowte
für ben Sflerfen fcarnemünbe. $>aS Statut ift charaftcriftifcf) für
bie Sdjwieriafeiten, beiten fleiiterc ©ewerbecjcrichte unterliegen —
weniger um oeswillen, weil bie 3öal)l firf) gientlid) fompligirt ge^
ftaltet (SJarnemüube bilbet einen befonberen s Bal)lbegirf, in roelchnn
ein Arbeitgeber unb ein Arbeiter gu wählen ift, währcub
30 Seifiger in 9toftocf gewählt werben unb gmar berart, bag für
bie Arbeitgeber ein eingtger Bahlbegirf, für bie Arbeiter in Stabt
unb Stabtfelbmarf aber mehrere Segirfe gebilbet werben, bereu
3af)l unb Abgrengung ber Satl; beftimmt), als um beswißen, weil
nach § 23 nur monatlirfj einmal am erften ^Douuerftag jebert
SWonatS ein orbentlidhcr ©cridjtstag ftattfinbet ^ieS mag ber
oorauSfichtlichcn Qttanfprudptahme beS ©erichtS cntfpredjen, imig
aber nothwenbig oielfach bic ©utfd)cibung oerlaitgfamen. (Es ift
erfid)tlid), bafe bie befte .^ülfe hiergegen bie jegt heilid) uidit
mögliche Audbilbung beS ©emerbcgerichts auch für fauf*
männifche unb ^)ienftbotenftrcitigfeiten wäre.
Hcd)trpredjnni]|.
I. pat ein (Heioerbegehülfe, ber gemäß §. 124 Abi. 1
Ziffer 4 Der werbcorbnung bie Arbeit oor Ablauf ber ocv =
tragSutäfeigen 3eit unb ohne Auifünbigung oerlänt, einen
Aufprurf) auf 2obnentfchäbtguug?
II. Tie Seftimmung Des §. 118 Der c^ewerbeorDnung, bc =
trcrfenD Das Ärebttircti oon Baarrn, ift bffentlid) = red)tliduu
Aatur unD Daher oon Amtswegen gu berücffid)tigcn, obin*
Daß es einer ausDrücfliehen fteltcnbmadjung feitens Der
Parteien beDarf. (Urtheü Des ft. DberlanDeSgertdjtS, 3. <5tuilfrnoi,
gu Hamm, oom 2. Tegembcr 1895.)
Ter Vertagte war tu Derzeit oom 1. SWai 1891 bis gum in. ^uili
1894 im ©efchäfte ber rtägerifd)en gtrma als 3 u fd)ociDer thätig gegen
einen jährlichen 2ohn oon 2400 Jt. Tie ftüttbigungSfrifi war air
6 Bodien oereinbart. Aadhbent Dem Vertagten am 9. ^uli l«94 ge-
fünbigt war, hat berfelbe oom 10. ^uli ab nicht mehr gearbeitet. Am
12. Juli fdjrieb er ber Klägerin, bah er ftdj anberweitigen Verbtenn
fuchen müffe, ba ein Mitinhaber ber flägerifchen finita erflärt habe, ihm
Salair nidjt mehr gahlen gu toolleti. Tie Klägerin hat bem Scflagtei;
in ber 3 f it feiner Thätigfeit bei ihr eine Acihe oott Baarcn frebitu:
unb Vaargahlungctt unb Vorfchüffe auf feilte ©ehaltsforberung an ilm
geleiftct. Sic bererfjuet fid) batiad) nodh ein ihr gegen ben Veflagten
guftchenbcS Wuthabett, bas fie flagenb forbert. Ter Vertagte beantragt
Abwertung ber ftlage. @r beftreitet bic Aidhtigfeit ber ftlagcrcd)nmtit
unb ocrlangt unter ber Vcljauptuttg, am 10. ^itli 1894 ohne rechtmäßig:
Wriinbe oon bcrftlägcrin cntlaffett worben gu teilt — eine Vcbauptniig
bie er in gtoeitcr ^uftattg in btefer SBeifc nicht toicberholt —, Anrechnung
oon 300 .//. Olehalt für bic fcchStüödjige ftiitibigungSfrift bts gmr.
22. Auguft 1894. Tas ftöntglid)c 2anbgcrid)t gu TuiSburg, hat au*
Wruitb Der orbnungSrnäßig geführten Viicher ber Klägerin, in meldien
Die fämmtlichen tn Der «lagebered)iutng aufgeführten poftett gebitit:
finb, bic ftlageforbcntng für ertoiefen erachtet unb ben Vertagten buni
Urtheil oont 9. Mai 1895 flagcgemäfi oerurtheilt.
Wegen DiefcS llrtheil hat ber Vertagte Vcrufuttg eingelegt mit Dem
Anträge, bie Ätlagc abguweifett. 3 l,r Rechtfertigung ber Verufung fuhrt
er nantentlirf) au: Sei feinem (iiutritt in baS Wcfchäft ber Mlägenn in
Die Vereinbarung getroffen worben, cs foUten ihm auf feine Weltalls
Tag ©ewerbegeridjt. 9ßitt|eUungen beg Serbanbeg beutfdjer ©ewerbcgerichte. 9h:. 1.
8
forbermtg wöchentlich 40 X haar bezahlt, ber Ueberfdjuf} bagegen auf
bie oo»t ber klägerin ju licfemben Waaren unb ju leiftenben Borfdjüffe
oerrechnet werben. ©leidjwohl habe ihm bte Klägerin nach erfolgter
künbigung erflärt, baf} fte il)nt Sofjn für bie 6 Wochen ber kiinbigungg-
frift nicht mehr auäjahlen, fonbern ben Soljn auf bag ihr juftehenbe
Guthaben oerrechnen werbe. Taburch fei er, ba ihm jegliche ^aar-
mittel für feinen unb feiner gamilie Unterhalt gefehlt hätten, gezwungen
worben, oon bem ihm nach §. 124 9fr. 4 ber Beichggcwerbeorbnung
Zufteljenben Sftedfjte ©ebrauch ju madjen unb fich anberweitigen Berbienft
Zu fudjen. Ta er fomit aug gerechtfertigtem ©runbe bie Arbeit nieber-
gelegt unb Klägerin biefeg felbft oerfchulbet habe, fo fü btefe zur
Bezahlung beg Sohneg für bie 6 Wodjeit nach ber künbigung oerpflichtet.
Tie Klägerin hat bie Behauptung beg Beflagten beftritten unb 3urücf*
weifung ber Berufung beantragt.
Tag königliche Cberlanbeggericht, 8 . ©ioilfenat, ju §amm änberte
burch Urtheil oont 2 . Tejember 1895 bag Urtheil I. ^nftartj bahin ab,
bafj eg ben Beflagien in ber ,§auptfache oerurtheilte, an bie klägerin
9,65 M. ju zahlen, b. h- benjenigen Betrag, auf welchen fich bag ©ut-
haben ber klägerin an ben oon iljr bem Beflagten geleifteten Borfchüffen
beläuft. Tagcgeu würbe bie klägerin mit ihrer bie bem klüger
frebitirten Waaren betreffenben 9Rehr[orberung abgewiefen aug folgenben
©rünben:
Bezüglich ber Sorberung für Waaren fommen bie §§. 115 ff. ber
©ewerbeorbnung jur Anwenbung. 9tad) §. 115 a. a. 0 . bürfen ben
Arbeitern oom Arbeitgeber feine Waaren auf krebit oerabfolgt werben.
3 fl biefeg gleichwohl gefächen, fo fann nach §• 118 bafelbft bie bc-
treffenbe Waarenforberung weber cingcflagt, noch burch Anrechnung ober
fonft geltcnb gemacht werben. Tiefe ©efebbeftimmung ift öffcntlidj-redjt*
lieber 9tatur unb muhte baher oon Amtgwcgcn berücffidjtigt werben,
ohne bah cg einer augbrücflichen ©eltenbmadiung feiteng ber Parteien
beburfte. 3» Abf. 2 beg §. 115 ift oon biefent Berbot aßerbingg eine
Augnahmc ftatuirt, infofem ben Arbeitern „(Stoffe ju ben ihnen über¬
tragenen Arbeiten unter Anrechnung bei ber Soljnzahlung" oerabfolgt
werben bürfen. Tic klägerin hat inbeffen nicht behauptet, bah cg fich
in biefent Säße um folche Waare fjanbele. Auch ift nach Schalt ber
klageredjnung biefe Annahme jcbenfallg bezüglich eineg groben Theilg
ber Waaren auggefchloffen.
Tie oom Beflagten compensando geltcnb gemachte Sohnforbcrung
oon 800 x. für bie fechgwöchentlidjc künbigunggfrift oom 11 . 3 uli bis
22 . Auguft 1894 würbe für unbegrünbet erachtet aug folgenben ©rünben:
Ueber ben 10 . 3uli hinaug ftchen bem Beflagten Sohnanfprüche nicht
$u, benn bah er nach biefem Tage noch für bie klägerin gearbeitet habe,
behauptet er felbft nicht; im ©egentljeil geht aug bem Schreiben oom
12 . Suli hcroor, bah er eg ableljntc, weiter für bie klägerin tljätig ju
fein. ©g fann bahingeftcQt bleiben, ob ber Beflagtc auf ©runb beg
§• ^ 24 9fr. 4 öer Beidjggewerbeorbnung jur Söfung beg Tienftoerhält-
niffeg berechtigt war, weil bie klägerin bem Beflagten angeblich erflärt
hatte, fte werbe ihm weitere Baarzaljlungen nicht mehr leiften, fonbern
ben zu oerbienenben Sohn auf ihr ©uthaben in Anrechnung bringen.
Tenn biefe Berechtigung beg Beflagten unterteilt, folgt baraug feineg-
wegg ber Anfprud) auf weitere Sobuzafjlung. Tiefe hört oielmehr mit
bem Berlaffen ber Arbeit auf. Unerheblich ift babei, ob bie klägerin
berechtigt fein würbe, ben oom Beflagten noch $u oerbienenben Sohn
in Aitredjnung ju bringen. Ter Beflagte muhte, um Sohnanfprudj zu
begriinben, feine Tienfte leiften ober wenigfteng anbieten. ®atte er
bag behauptete Becht auf baare Augjafjlung beg Sohneg, fo ftanben ihm
zur ©rjwingung beffelben bie gefcblichen Büttel zu. ©r fann aber nicht
feine Tienfte oerweigern unb gleichwohl Sohn oerlangen.
Anmerfung ber Siebaftion: Ter lebte Tljeil ber oorfteljenben
©ntfeheibung läht fich allerbingg juriftifch fehr wohl begrünben; benn
gerabeju „unmöglich" im Sinne ber §§. 888 , 889 A. S.9t. I Tit. 11
wirb bem Arbeitnehmer auch in ben gällen beg §. 124 ©ew.D. bag
Weiterarbeiten nicht gemacht, ^raftifdj aber ift bie ©ntfdjeibung höchft
bebenflidj. Wer einen Arbeiter, ju beffen fofortiger ©ntlaffung er fein
9ied)t bat, bequem unb billig logwerben miß, ber braucht ihm nadj ber
im oorftehenben Urtheil enthaltenen Meinung bloh feinen Sohn zu zahlen
(§. 124,4 ©cw.0.). ©r erreicht bann ohne Biftfo fein 3iel — allerbingg
Zum Sdjaben beg Arbeiterg! Bgl. übrigeng Unger, ©ntfdjeibungen
S. 118 ff.
©ntlaffung oor Bollenbuitg einer Afforbarbeit. Wie
ift bie big zur ©ntlaffung geleiftete Arbeit ju oergüten?
(Urtheil beg ©ewerbegeridjtg köln oom 22 . September 1897 unb beg
Sanbgeridjtg bafelbft.)
©in Bfcrfjanifcr würbe oon ber Arbeitgeberin oor ber Boflenbung
beg ihm übertragenen Afforbeg mit 14tägiger kiinbigung entlaffen.
Auf ben Afforb hat er 2717a Stunben gearbeitet unb hierfür 107,45 M.
Sohn erhalten, ©r oerlangt Bezahlung beg ooflen Afforbeg mit noch
155,05 Jl. ©utfehäbigung. Tie Beflagte beruft ft«h auf bie Arbeitg*
orbnung, nach welcher 14tägige künbigung ftattfinbet unb Terjenige,
ber oor Beenbigung eineg Afforbeg entlaffen wirb ober augtritt, nur
„eine entfpredjenbe Bergütung refp. ben Tagelobnfafc" für bie Arbeitgjcit
erhält; ber kläger höbe für bie Qeit, bie er auf ben Afforb oerwenbet
habe, ben feftgefepten Stunbcnlohn oon 40 erhalten. Unftrcitig
hat kläger oorher bei, gleicher Afforbarbeit in ber Stunbe minbefteng
54 ${, oerbient.
Tie Beflagte würbe unter Abweifung ber SMjrforberung j^ur
3ahlung oon 89,ie M. oerurtheilt.
Ta nach ber Arbeitgorbnng bag Tienftoerhältnife burdj 14 tägige
künbigung gelöft werben fönnc, fo fei Beflagte baher berechtigt gewefen
bag Arbeitgocrhältnif} aufjufünbigen unb ber Anfprudj beg klägerg
auf 3ubiüiguug beg ganzen Afforbbetrageg nicht gerechtfertigt. Tagegen
habe ber kläger für bie 3eü, bie er auf ben Afforb oerwenbet habe,
Anfprudj auf eine eittfprechenbe Bergütung. Ter kläger habe an ber
Afforbarbeit 27172 Stunben gearbeitet, bei 3 u flrunbclcgung eineg Ber*
bienfteg oon 54 für bie Stunbe, ergab bieg .... 1 46 , 6 t M.
gejahlt feien. 107, 40 „
eg erfcheinc angemeffen bem kläger bie Tifferenj oon . . 89,si JL.
jujubißigen.
Tie gegen biefeg Urtheil oon ber Beflagten erhobene Berufung
würbe jurüefgewtefen. $n biefem Urtheil h^fe* Beflagte fudjte
augjufiihren, baf} ber kläger, ba burch ben Augtritt immer erhebliche
Betriebgftörungen oerurfadjt würben, auf feinen gaß ben Afforbfafe,
fonbern höd)fteng eine entfpredjenbe Bergütung gu beanfpruchen habe,
bie eben untergebeng im Tagelohn beftehe. Tie Raffung ber frag¬
lichen Bcfümmung ber Arbeitgorbnung: „Wer oor Beenbigung eineg
Afforbeg entlaffen wirb ober augtritt, erhält nur eine entfpredjenbe
Bergütung refpeftioe ben Tagelohnfafc für bie Arbeitgjeit" ift feine
glücflidj gewählte, ba ber Sinn ber Beftimmung burch bag Wort
„refpeftioe" zweifelhaft wirb. Auf feinen ftaß fann ber Sinn ber fein,
bah bie Bergütung im Tagelohnfafc beftehen foße, fonft wäre jebenfaßg
ftatt „refpeftioe ben" gefagt worben „befte|enb in bem". Tie Bergütung
muh alfo etwag oon bem Tagelohn Berfdjiebeneg fein, ©g läge nahe
bie Beftimmung bahin aufjufaffen, bah bem Arbeiter ber Tagelohnfap
auf aßc gäfle alg bag SKinbefte jufomnten fofl, foweit nidjt eine höhere
Bergütung ju jahlen ift. Tie natiirlichfte unb bem Wortlaut fowic bem
Sinne ber Beftimmung jebenfaßg am meiften entfpredjenbe Aitglcgung
geht aber bahin, bah im gaße ber ©ntlaffung eine entfprechcnbe Ber-
gütuug, im ^aße beg Augtrittg ber Tagelohufoh gcjahlt werben foße.
Untergebeng wäre baher bie erftere zu zahlen. Ter Borberridjter hat
biefelbe zutreffenb nach Bfahgabe beg Berbienfteg bei Augfiihrung beg
ganzen Afforbeg berechnet.
Wirffamfeit eineg an ber Arbeitgftelle auggeljängtcu
Tarifg. Berbicnft beg Arbeiterg bei Afforbarbeit? (Urtheil
beg ©ewerbcgerichtg 3midau oom 10 . 9Bai 1898.)
Alg kläger am 13. April 1898 bei bem Beflagten alg ftabrifweber
in Arbeit trat, legte ihm ber Beflagte Sohnbücher aug bem 3ahre 1886
oor, aug benen herowfling, bah Afforbarbeiter in 14 Tagen im Turch=
fdjnitte 45 M. oerbient hätten, unb fügte jefct feien bie Söhne
noch höher. Bei ber Abrechnung am 3. SDfai erhielt kläger nach Abzug
oon 10 X Borfchuh unb 0,#7 X. Berftdjerunggbciträgen nur 14,ae x
afö Afforblohn auggezahlt. kläger h^U biefen Soljn für zu niebrig
unb beanfprucht auf bie 22 Arbcitgtage ben ortgüblichen Tagelohn ooit
l^o X. mit 39,eo X ., alfo nach Abzug ber 10 , 8 ? M. unb ber oom
Beflagten bewifligten 14,ae X. noch 14 / 87 Beflagter wiß nur bie
14,36 X. nach Btahgabe beg im Arbcitgfaal an geflogenen Tarifg, über
ben fi^ kläger hätte informiren müffen, zahlen. Ten Bemeig bafür,
bah bem kläger biefer Tarif befannt gewefen fei, hat Beflagter
nicht angetreten. Ter kläger hat beg Weiteren noch angeführt: ©r
würbe felbftoerftänblich, wenn er gewuht habe, bah bie Söhne fo niebrig
feien, bie Arbeit gar nft angetreten haben, er habe auch bie Arbeit
nicht eher ocrlaffen fönnen, ba ihm erft am 3. SRai 1 . 3 . bag Sohnbuch
uorgelegt worben fei, aug bem er ben fo geringen Berbienft erfeheu
habe; überbieg hat er beftritten, bie Afforbbebingungen z« ©efft be=
fommen z» haben.
Beflagter würbe nach bem klageantrage oerurtheilt aug folgenben
©rünben: ©in Arbeitgoertrag, nach welchem bem kläger ber oom Be¬
sagten jefct beredjnete Afforblohn gezahlt werben fofite, ift nicht zu
Stanbe gefommen. ©ine münblidhe Bereinbarung über bie $ölje beg
Sohneg hat nicht ftattgefunben. ©g fann alfo nur noch in grage fommen,
ob ber kläger baburch, bah er J u arbeiten begann, ftdj ben im Arbettg-
faale aughängenben Bebingungeu über bie Afforbarbeit unterwarf. Bei
ber Afforbarbeit ift baoon augzugehen, bah ber Arbeitgeber bei ben
Arbeitern bie ©rwartung h^uorruft, ba| minbefteng ber im betreffenben
©ewerbe übliche Tagelohn werbe oerbient werben.*) Ter Beflagte hat
*) Anmerfung ber Bebaftiou: ©g läht ficfi oicßeicht fogar
behaupten, baf} bei Afforbarbeit ber Arbeiter erwarten tnüffc, er werbe
7
Das ©ewerbegerießt. SRiitßetlungen be$ BerbanbeS beutfcßer ©ewerbegertcßte. Nr. 1.
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nun in bem Kläger nttfjt nur btefe ©rwartung b^uorgcrufcn, er Bat in
ißm, tnbent er ißm bie oeralteten Soßnbücßer aus bem gaßre 1886 oor*
legte unb Beifügte, jeßt feien bie £ößttc nodj ßößcr, bie Hoffnung
ertoecft, ja ben 3>n:tßum erregt, als würbe er einen erßeblidjcu Bcrbienft
ßaben. SSie ber Beflagte ben Kläger auf bie oeralteten günftigen Soßtt»
oerßältniffe ßinwteS, fo mußte er iBn and) auf bie beseitigen Bcrßältniffe,
bie ficB Bei SBeitem ungiinftiger barfteHen, aufmerffam macBen. Das Bat
er unterlaffen. Die gefeßltdjctt ^orfc^riften über bie Arbeitsordnung
fönnen audj nitBt auf einen Soßntartf analog angewcnbet tocrben. Daß bie
Beftinttnungen ber ArbeitSorbnung burcß oorfcßriftSmäßigen AuSßang
oerbinblifB werben, beruBt auf bem ©efeß, ber NcidjSgcwcrbcorbnung,
bie ber Arbeiter fennen muß. gn welker SBeife ArbeitSoerträge, ins*
bcfonbere Afforbe, ab 3 ufcßließen firtb, barüber enthält aber bie ©ewerbe*
orbnung feine Befthnmungen. ©in Bcrtrag fommt nur bann ju ©tanbe,
wenn bie Parteien über bie wefentlicßen Bebinguttgen einoerftanben ftnb,
über Seiftung unb ©cgenleiftung. Das ift im oorliegenbeu gälte nidjt
anjuneBmen. Der kläger beftreitet, bie Beftimmungen bcS Darifs gefannt
3 u Baben, luib.Bcflagtcr oermag nidjt ju behaupten, baß er ben Kläger
auSbrücflid) auf ben im ArbeitSfaale auSßäugenben Darif oerwiefen
Babe, üumat ber Kläger behauptet, ber Beflagte Babe ihn in ben grrtßum
oerfeßt, baß er einen angemeffenen Berbienft Baben werbe. SBaS bie Aus*
Bänguug beS DarifS aulangt, fo ift leßtcrer nicht als ein oon bem
Arbeitgeber anfgefteltter BcrtragScntwurf ju betrachten, welcher baburch
redfjtsocrbinblicße kraft erlangt, bah ber Arbeitnehmer ftiUfdjmeigcnb
bei feinem ©intritt in bie Bcfcßäftigung mit bemfelben fidj einoerftanben
erflärt Bat, fonbem eben nur ein Darif, — wenn nidjt etwa für einen
gnbuftriejwcig, 3 . SB. baS Bucßbrucfergewerbe, ein gleichmäßiger fefter
Darif beftcht —, auf ©runb beffen ber ArbeitSoertrag befonberS oer*
einbart werben muß. Der Kläger fann ftdj alfo mit Nedjt barauf
ftüßen, baß ein Vertrag unter ben im Tarife aufgefteüten Bebingungett
nicht 311 ©tanbe gefontmen fei.
©0 fragt fich nun, wetdhe ©ittfchäbigung ber kläger für feine Arbeit
forbern fann. Bei ben fdjwanfenben Beträgen, bie als ©tunbenloßn
ge 3 ahtt werben, Bat es bas ©ewerbegerießt als angemeffen eradjtct, ben
ortsüblichen Dageloßn, wie es bctfpeilSweife in §. 124 b ber ©ewerbe*
orbnung geftßießt, in Anfaß 3 U bringen, ber für bie ©tabt 3widau
1 ,80 M . beträgt unb auch ber Berechnung bes Klägers 31 t ©ruttbe liegt.
3ft bei SBerfnteiftern 2 c. bie Bereinbarung ungleicher
künbigungSfriften 3 iiläffig. 23eIcfje griff gilt, wenn bei un =
gleicher kün bigungsfrift beibe Dßeilc fünbigen?
a) Urtßeit bcs ©ewerbegerießts 311 Breslau oont 4. SNäi ’3 1897,
Borfißenber: ©tabtratß klctfe, unb bes königlichen ^anbgcrtcßts
bafclbft, V. ©ioilfammer.
b) Itrtßeil beS ©ewerbegerießts Berlin unb be* königlichen i?anb=
geridjts Berlin, VIII. ©ioilfammer.
a) Der SBcrffüfjrer g. ift bei bem Beflagten, ©igarreufabrifanten
©. oont 2. ©eptember 1896 bis 3. Januar 1897 gegen SBocßenloßn oon
20 Jt. befcßäftigt worben. Am 9. Nooember 1896 ßat ber klüger einen
NcoerS mtterfdjricben, ttadj weldjent er 00 m 1. Januar 1897 ab täglidj
cntlaffen werben föttne. Der klüger ßält biefe Beftimmung als bem
§. 122 ber ©ewerbeorbnung wiberfprecßenb für uitgiltig unb oerlangt
©ntfeßeibung.
Das ©ewerbegerießt oerurtßeilte ben Bcrflagten 31 er 3aßlong ber
auSgcflagtcn Summe, bas Öanbgeridjt Bob biefe ©ntfeßeibung unter
Abiueifung ber klageforberuug auf.
Abgefeßen baooti, baß ber §. 122 cit. in bem bie befoubereu Necßts*
ncvbültniffe ber ©efcHnt unb ©eßülfen bcßanbelnben Abfcßnitt II feinen
Blaß gefunben ßat unb fcßoit biefe ftjftemifdjc Stellung nidjt oennutßen
läßt, baß feine Auwenbbarfeit auf btc Sonberoerbültniffe auberweiter
in befortberen Abfdjnitteu beßanbelter Berfonenffaffeit oont ©efeßgeber
beabfießtigt war, fo Iaffett bie SKotioe 31 t bem bitrdj bie Kooelle oom
1 . gittti 1891 eingefügteu ABfcßnittllla barüber feinen gweifcl, baß bie
Neuregelung ber Berßültniffe ber SBcrfmcifter unb biefer oertoattbten
Berfonettflaffcn, unter bewußter Anlcßnung an bie Artifel 57 bis 64 bcs
bcntfcfjcn .fpaubelsgefeßbudjs, 31 t ben Bcftimimtngen über „©efeUen unb
©elnilfen" bat in ©egettfaß gcftellt werben tollen, .^ierju fonttnt ferner,
baß ber Abfcßnitt lila offenbar be, 3 wecft, bie Berßültniffe ber 23rrf=
bei pflidjtmäßiger regelmäßiger Arbeit etwas mein' als ben „iiblidjeit",
alfo einen „guten" laglobtt oerbieuen. Xer Arbeitgeber crlcidjtert fidi
burcli bas Afforbfoftem feine Seiftuugcu für bie Brobuftion: er braudjt
beit Arbeiter nidjt 311 überwadjeu, nidjt für gcßler bei ber Arbeit eiu=
ntftebeu u. f. tu.; ber Billigfeit rntfpridjt, baß ber Arbeiter, ber bei
Afforbloßn utelir in Aufpritdj genommen wirb, als bei Jaglobu, bicr=
für eine ©ntidiübigung finbe. AnberS liegt es natürlidi, wenn ber Ar=
beiter ben Afforb freiwillig unfertig oerlaßt; er bat ben BiQigfeitS=An=
iyntdi aut lioberen als ben buirfifduiittlidien ober iiblidtcn ^ageloßit
natürlidi nur, wenn er ietuerieits wirflidi ooll geleifiet, b. b. Afforb»
oertrag ausgefallen bat (ogl. bas Urtßcil bcs ©ewcrbcgertdjts Möln, Sp. 6).
1 meifter pp. erfcßöpfenb 3 U regeln unb baß auf btejentgen Borfcßrtften
beS AbfcßnittS über ©efellen unb ©eßülfen beren Anmenbbarfeit bc»
abftdjttgt ift, im §. 133e auSbrücfltcß oerwiefen ift. ©nblidj bilbet
§. 133 a ©ewerbeorbnung baS ©egenftücf 3 U §. 122 cit. £>ier wie bort
werben bie künbigungSfriften, unter attSbrücfltcßem Borbeßalt ber
Bföglidjfeit abweießenber BarteibiSpofitionen feftgefeßt. Aber wüßrenb
ber §. 122 als fttigulare ©infeßrünfung ßinjufügt, baß bie oereinbarten
griften für beibe 2 ßetlc gleidj fein müffen, wibrigenfallS bie Bereinbarung
nießtig fei, — ift eine entfpreeßenbe Borfdjrift in §. 133 a nießt gegeben,
.fpätte nun ber ©efeßgeber baS Necßt ber freien Bereinbarung oon
künbigungSfriften aueß für SBcrfmeifier 2 c. ebenfo einfeßrünfen wollen,
fo ßätte er bieS auSbrüdlicß jagen müffen. $)a bieS aber nießt gefeßeßen
ift, fo barf es als bie Abfidjt beS ©efeßeS angefeßen werben, baß
SBerfmeiftcr — ebenfo wie .£>anblungsgeBiilfen — aueß mit einer für
betbe £ßeile oerfeßiebenert künbigungSfrift angenommen werben fönnen.
Aus bem Allen nur ergiebt fidj, baß eine entfpreeßenbe Aitmenbung
ber befdjrünfenben Borfcßrift beS §. 122 ©ewerbeorbnung ßinficßtlicß ber
Bereinbarung oon künbigungSfriften auf bie Berßältmffe ber Söerf*
meifter weber oom ©efeßgeber auSbrüdflicß angeorbnet ift itodj auf bem
3Bege ber Analogie ficß reeßtfertigen läßt, wie benn aueß fümmtlidje
kommentatoren ber KetdjSgewerbeorbnung, foweit fie 31 t ber oorfteßenben
grage überhaupt SieHuttg neßnten, fteß für bie Bertteinung ber An=
wenbbarfeit entfdjtcbcn ßaben (oon Sanbmann Auflage 2 Note 8 311
§. 133a ©ewerbeorbnung, ©cßenfel Auflage 2 Note 8 a. a. 0., Neufantp
kontmeutar gur ©ewerbeorbnung ©. 238).
b) 3n gleichem ©iitne entfeßieb baS Saubgericßt Berlin in folgenbcm
SaD:
3wifcßen bent gngcnicur unb ber Aftiengefeßfchaft ©dß. &
war oereinbart, baß erfterer an bie gefeßlicße künbigungSfrift gebunben
fei, leßtere bagegen am 1. unb 15. feben StfonatS mit 14 tägiger grift
fünbigen biirfe. Nacßbem ber kläger am 12. gebruar 3 um 1 . April
feine ©teliung gefünbigt ßatte, würbe ißm am Abcnb bcffelbett Jages
oon ber beflagten Aftiengefeßfchaft 3 um 1 . 3 Rär 3 gefünbigt.
^aS ^anbgerießt hielt bie geftfeßung ungleicher künbigungSfrift in
Uebereinftintmung mit bent ©ewerbegeridjt für 3 uläffigunb füßrt ferner ans:
Dagegen ift bie weitere Ausführung bcs Borberricßtcrs, baß bie
nacßträglidjc kiinbigung ber Beflagten für nießt 3 uläffig eraeßteu fei,
un 3 ittrcffcnb. Denn burdj bie erft oom kläger auSgegangcitc küttbi»
grntg ift ber &mtfdjeu ben B«rteint abgefdjloffeuc Bertrag nießt jofort
aufgeßoben worben, bie Auflöfung trat oielntcßr erft nadj Ablauf
ber oertragSmäßigcn grift b. ß. am 1. April ein. Bis 311 biefem
Dermin aber fonnte jebe B nr tci oon bem ißr oertragSmäßtg 311 =
fteßettben Necßt ©ebraueß maeßen, mitßin aitcß bie Beflagte unter Be=
aeßtuug ber für fie im Bcrtragc feftgefeßten 14 tägigen grift bent
kläger fünbigen, ba eine auSbnicflidje Befttmtming beS 3»ßalts, baß
bttreß btc Ausübung beS küubigungsrcdjtS oon einer ©eite bas
künbigungSreeßt ber attberen B fl rtri crlöfcßc, im Bcrtragc nidjt cnt=
halten ift, fo würbe bei AuffünMguttg bes BerßältniffeS oon beibett
©eiten bie für 3 ere, oorltegettb bie 14 tägige künbigungSfrift ber Bc=
flagteu maßgebenb.
Antncrfnng ber Ncbaftiou. Die Be 3 ugttaßme auf Artifel
57—64 beS .£mnbclSge[eßbudjS trifft nidjt tncßr ^u, nacßbem in bem
am 1. ganuar 1898 in kraft getretenen £>anbclsgcjeßbudj oom 10. Btat
1897 §. 67 für .jSanblungsgehülfen, ©Icicßbeit ber künbigungSfrift unb
fogar künbigungSfrift nidjt unter einem Neonat oorgefeßrieben ift. Droß*
bent wirb mangels ausbrücflidjer Borfdjrift' bie ©cßußoorfcßrift bes §. 122
auf Bctriebsbeamte nießt autoetibbar fein. Beabftcßtigt war biefe Ncdjts»
Ungleichheit woßl nießt.
kann ber Arbeitgeber feinen Arbeitnehmern am ©har»
freitag bie Befcßäftiguug oerweigern? B?elcße Bebcutung
ßaben Anorbuungen bes Bi'trgermeifters über beit Betrieb
unter feiner Auf ficht fteß cu ber SScrfc? (Urtßcil bcS ©ewerbe»
gcridjts ©olingcn oom 26. Beat 1898.)
kläger war bet ber beflagten gtrma gegen einen Dagcloßn oon
4 M. befdjäftigt. Am 8 . April 1898. — ©harfreitag — mußte er auf
Bcranlaffiing ber beflagten gimta feiern, ©r oerlangt flageub für
biefett Dag feinen Dagelolut mit 4 M . Die beflagte gimta begehrte
Abwcifuug ber klage, ba fie auf Beranlaffimg bcs Cbcrbürgcrmciftcrs
bas ©aS» unb BSaß’crroerf habe außer Betrieb ftellcii müffen, für ben
kläger fomit feine Befdjäftiguitg au btefeut Dage geßabt habe.
Beflagte würbe antragsgemäß oerurtheilt.
Das ('ias= unb BJafferwerf in ©oliugeu fteßt eilt gewerbliches
Unternehmen bar, geleitet oon einem Direftor unb unterteilt bent Tbcr»
bürgermeifter 0011 ©olingcn. Die oon biefett AufftcßtSperfonen ge=
troffeneu Anorbuungen in Bejug auf Arbeit be 3 W. Nuße im Betriebe
fönnen fomit nur als foldje ber Leiter biefer BSerfc in Betracht fommen.
Die Anorbmutg bes Cberbürgcnncifters, baß bei ber beflagten gimta
am ©harfreitag bie Arbeit allgemein eingeficHt werben follte, fonnte
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Sa« ©ewerbegertdjt. 8&ttihetfongen be$ BerbonbeS beutfdjer ©ewerbegertchte. 9h:. 1.
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bentnadj nidjt bebeuten, bah bcr Dberbürgermetfier in feiner ©igenfdjaft
als Borfteher ber DrtSpoligeibeljörbe bie ©inftellung ber gabriFbetriebe
allgemein für Solingen anorbnete. Soldes ift auch tljatfäcfiltdj nicht
gegeben. Sie weitere grage, ob ftd) ber <5§arfreitag als gefc^Iid^er
^efttag barftellt, ift gu pemeinen. gn $reuhen erfolgt bie Beftimmung
ber gefefclidjen gefttage burd) bie oon ber ^rooingialbeljörbe gum
BoKgug ber ÄabinetSorbre oom 7. gebruar 1837 (©.@. S. 19) unb beS
@efefceS porn 9. äftat 1892 (©.S. ©. 107), bie äußere £>eifighaltung ber
Sonn* unb gefttage betreffenb, gu erlaffenben ^oligeioerorbnungeit. Sie
5tönigl. Regierung gu Süffelborf Bat nun burd) Boligeioerorbnung oom
14. Segember 1853 (HmtSblatt S. 682) in §. 11 bafelbft biefe gefttage
beftimmt, begüglich beS ©BarfreitagS aber in §. 12 angeorbnet, bah es
nicht nur bei bcu befteBenben gefefclichen Borfdjriften über ba$ 9luBen
aller HmtSgefdjäfte fein Bewettben beBalten fofl, fonbem bah nod) be*
fonbere Verfügung barüber ergeben folle, wo unb in welkem Umfange
aucB ber ©Barfreitag als gefefcUcher gefttag angufeBen fei. ©ine be*
fonbere Verfügung barüber ift bisher nid^t ergangen unb baBer ber
©Barfreitag als -gefeblidjer geiertag im Sinne ber ©ewerbe*
orbitung uicBt gu erachten.
hieraus folgt, bah bie beflagte girma weber gefefclid) noch poli*
geilicB gegwungen war, iBre SBerFe für ben ©Barfreitag aujjer betrieb
gu fefcen, bah fic foIcheS oielmeBr eingig auf Hnorbnung ihres Ber*
maltungsorgans tBat.
9hm Bat aber Kläger anerFanntermafeen gu arbeiten perlangt, als
er am Sage porBer auf bas geiern am ©Barfreitag aufmerFfam gemacht
würbe, ©ine Befdjäftigung würbe iBm unterfagt. Sie HrbeitSlofigFeit
beS Klägers ftellt ftdj alfo als ein Berfchulben ber beFlagten ginna bar.
2>n btefent galle fteljt aber bem Arbeiter nach frangoftfehem 9iecBt
(?lrt. 1184 C. c.) Httfpruch auf SdjabenSerfafc gu. Ser SdjabenSerfafc
befteBt porltegeub in bem HuSfalt an 2oBn für einen Sag mit 4 M,
welcher Setrag bem Kläger gugufprecBen war.
Ser ©inwanb ber BeFlagten girma, bah Kläger ftd) gentäh §. 8
2lbf. 2 iBrer Hrbeitsorbnung gunächft an feinen BöB crcn Borgefefjten gu
wenben Batte, um Hrbeit für ben ©Barfreitag gu erlangen, bafj er folcBeS
aber nicht getBan unb fomit feinen Hnfprudj auf Schabenserfab PerwirFt
fei, entbehrt ber genügenben Begrünbung. Senn nach §. 3 Hbf. 2 ber
Hrbeitsorbnung ift ber Arbeiter bei Sifferengen 2 c. gwar berechtigt,
fich an feinen nächftljöberen Borgcfefcteti gu wenben, nicht aber bagu
perpflichtet.
gnwieweit ift ein nachträgliches ©rbieten gum ©ibe gu*
läffig? Hnwenbung beS §. 46 ©.©.©. (Befdjlüffe beS ©ewerbe*
gerichts, beS 2anbgerid)tS unb beS DberlanbeSgeridjtS gu granF*
furt a. 9R.).
Surdj Urtheil bes ©cwerbegeridjts war bie Berurtheiluug bes Be*
Flagten Ät. ober bie Hbweifung beS Klägers in einem SBeilbetrage
oon ber Seiftung ober 9hchtleiftung eines ©ibeS burch ben BeFlagten
abhängig gemacht. Radjbent biefeS Urtheil in ber BerufungSinftang
beftätigt war, würbe Sermin gur ©ibeSleiftung für ben BeFlagten an*
gefebt. gn biefem Sermin erfchieti BeFIagter nicht, thcilte oiclmehr burch
ein bei bem Sermin oortiegenbeS Schreiben mit, bah er in einer anberen
Sache foeben'burch feinen Hnwalt auf bas Sanbgeridjt beftellt fei unb
einen anbereu Sermin anguberaumen bitte. ©entäf) §. 46 ©.©.©. würbe
ber ©ib als perweigert angefehen unb Urtheil gemäfc §. 41 a. a. JD.
erlaffen, ©egen biefeS am 24. gebruar erlaffene Urtheil legte BeFIagter
rechtgeitig burch Schreiben porn 7. 9Rärg ©infprudj ein unb beantragte
bie Hnfefcung eines neuen SerminS. SaS ©efud) würbe burdj Befchluh
Pom 8. 3Mrg abgeleBnt, weil bie BorauSfefcuttgen für ben ©iufpruch
nach §• 42 ©.©.©• nicht gegeben waren. Sagegen bcfdjwerte ftd) ber
BeFlagte. SaS 2anbgerid)t erachtete bie Befchwerbe fachlich für be*
grünbet, weit in bem Schreiben porn 7. 9J?ärg ein nachträgliches ©rbieten
gum ©ibe gu finben fei (§. 46 ©.©.©.), erFlärte fic aber für formal un=
guläfftg, weil fte nicht Port einem Rechtsanwalt untergebne! gewefen
ober gu ^rotoFott beS ©eridjtSfchreiberS erhoben worben fei (§. 66 ©.©.©.
§. 532 Hbf. 2 ©.$.£)•). Sas OberlanbeSgericht B 0 ^ auf weitere Be*
bwerbe beibe Befchlüffe auf unb orbnete bie HbrtaBme bes ©ibes an.
HuS ben ©rünbert fei BeroorgeBoben:
Bei Prüfung ber gomtalien B at Sartbgericht überfeheu, bafe
nach §• 74 HBfafc 2 ©.$.£). auf ^rogehBanbltutgen, welche por bem
©eridjtSfcfjreiber porgenomnten werben Föttnen, ber HnwaltSgwang
Feine Hnwenburtg finbet. Semgemäjg genügte nach §. 65 Hbf. 8 lefctcr
3ah beS ©ewerbegerichtSgcfefceS in Berbinbung mit §. 582 Hbf. 2 ©.$.£)•
bie oon bem BeFlagten unterfchriebene Befchwerbe ber gefefcluhett gorm,
fte war alfo guläffig. 3tt fachlicher §inficht aber erfdjeint bie Befchwerbe
infoweit unbegrünbet, als bem BeFlagten aus ben im Bcfdjluffe beS
©emerbegerichts oom 8. 9Mrg angeführten ©rünben ein ©irtfprud) gegen
bas Urtheil oom 24. gebruar in ber SBat nitfjt gufteBt. 3t« Uebrigen
Wogegen ift bie Befchwerbe gerechtfertigt, aber nicht aus bem oon bem
^cmbgericht angeführten ©runbe. 3 ,öac iftgutreffenb, in bem Hntrag
beS BeFlagten ootn 5. Stärg ein ©rbieten gur nachträglichen ßeiftung
beS ©ibeS gu fehen. SieS ©rbieten ift jebod) oerfpätet, ba eS nach § 46
Hbf. 2 beS ©ewerbegerichtSgefefceS binnen einer Rothfrift oon brei Sagen
nach b e nt Sermine, alfo fpäteftenS am 27. gebruar hätte erfolgen
müffen, unb Faun baBer nicht berütfftchtigt werben; wohl aber muh baS
am 24. gebruar eingelaufene ©efuch bes BeFlagten um Hnberaumung
eines neuen SerminS als ein bem §. 46 Hbf. 2 beS ©emerbegerichts*
gefefceS entfpredjenbeS ©rbieten gelten unb es hätte baraufhin gur nad;*
träglichen Seiftung beS ©ibes Sermin beftimmt werben müffen.
©S war nunmehr nach §. 46 ©.©.©. gu oerfahreu.
HnmerFung: Sas DberlanbeSgeridftt geht bei feiner ©ntfeheibung
baoott aus, bafe oaS Schreiben oom 24. gebruar nach bem Sermin ein*
gelaufen fei, unb gieht biefe golgeruna in bem erften SBeil feiner ©nt*
fdjeibung barauS, bab auf feueS Schreiben oon bem ©ewerbegeridjt
nichts oeraulabt, auch ber ©ingang in bem Urtljeil beS ©emerbegerichts
nidjt erwähnt ift. Siefe Hnnahme beS DberlanbeSgerichtS ift nach bel¬
oben gegebenen Sachbarftellung irrtBümlich- ©benfo gel)t u. ©. bie
Begrünbung für bie Hnnahme fehl- 25enn ba oor bem ©emerbegcricht
ebenfalls ber ©runbfap ber STOünblichFeit gilt, brauchte baS Urtheil oom
24. gebruar bie ©ingabe oom gleichen Sage nicht gu erwähnen unb ba,
wie bas DberlanbeSgerid)t ebenfalls heroorljebt, auf bie ©ingabe nichts
perfügt ift, fo muhte angenommen werben, bah fte oor bem Urtheil
eingegangen war. Sonft hätte baS ©ewerbegericht, wie ihm fd^liehiid;
untergefchoben wirb, gegen §. 46 ©.©.©. Hbf. 2 perftohen, was ohue
SBeitercS nidjt hätte oermuthet werben biirfcn. gm Uebrigen fjattc ber
BeFlagte ftd) gar nidjt bagegen befdjmert, bah au f f e t« e ©ingabe oom
24. gebruar nichts oeranlaht war, fonbem gegen bie SerminSucrweige*
rung auf baS Schreiben oom 7. 3)Färg. Sie Unterlaffung bes ©iitgehens
auf bie ©ingabe oont 24. gebruar wäre beShalb oielleicht im Huffid)ts*
wege gu oerfotgen, aber nicht im SBege ber Befdjwerbe gu berichtigen
gewefen.
3uläffigFeit ber geftfe^ung felbft l)oB cr ftonoentional*
ftrafen für Sienftoerlehungen oon Hngeftellten einer
poftanftalt. (Urtheil bcS SanbgerichtS Stuttgart oom 23. Se*
gentber 1896.
Ser Kläger ift als Briefträger bei ber Sßrioatftabtpoft befchäftigt
gewefen. gn feinem Sienftoertrag ift u. H. beftimmt: „10.ich
(ber Kläger) hafte mit meinem gangen Bermogen für {eben Schaben
unb ftetle noch befonberS eine Kaution im Betrage oon M. 200 —
BtarF gweihunbert - in baar, oerginSlich gu 3% pro anno. 11. SDFeiite
Kaution perfällt gang unb ooü, fobalb meine ©ntlaffung baburth be*
grünbet wirb, bah nachweislich eine Senbuug (Bacfet, Brief, 5Farte,
Srucffache, ©elb ober ©elbwerth 2 c.) gang ober tljeilmeife oernidjtet,
gefälfdji, unterfchlagen ober auf irgettb eine Hrt unb SBcife, auch nur
oorübergeljenb bei Seite gerafft, ober bas Briefgeheimnis inSbefonbere
auch begüglich bes gnhatts ber Bauarten, perlest habe, abgefehen oon
ftrafredjtlidjer Berfolgitng nach ben beftchenbcn ©efe^en. ©ine oorüber*
gehenbe Beifeitefchaffung einer Senbung liegt unbebingt fchon oor, wenn
ich eine Senbung an ben Hbreffatert nidjt beftellen Fonnte unb hieroon
bei meinem nädjften ©intreffen auf bem Bureau nicht fofort meinem
Borgefehten BFelbung erftattete unb bie betreffenbe Senbung fidh nicht
in meiner lebernen Brieftafche befinbet. geh begebe mich feglichen ©in*
wanbS gegen biefe Bereinbarung, inbent ich jagleidj erFIäre, bah i£ B
biefe Strafe für angemeffen unb bie Sdjäbigung fonft uufchähbar halte."
Ser Kläger hatte am 7. guni einen Sheil ber Senbungcn, weldhe er
hätte beftellen foUen, nidjt ausgetragen unb bei feiner RücfFehr oon
feinem BeftcHgang nicht guriicFgebracht. Huf Befragen feines Bor*
gefegten, bes Dberbriefträgcrs $8., hatte er behauptet, alle Senbungen
beftellt gu haben, gn BSirFlidjFeit hatte Kläger bie nidjt befteHten Sen*
bungen geitmeilig einem anberen Briefträger §. gur Hufbewahrung
übergeben, fie fobann oont 7. auf 8. guni über Rächt mit ftd) in feine
SBohnung genommen, einen Sheil ber rücFftänbigen Senbungen am 8.
unb 9. guni nachträglich ausgetragen; wäljrenb noch jroei ®om 7. guni
rücFftänbige ©irFulare fich am 10. guni, bei einer im Huftragc bes Be*
Flagten oorgeuommetten Surchfuchung ber SBoljnung beS Klägers oor*
gefunbeu haben. Kläger perlangt nun mit gegenwärtiger Silage feine
SFaution im Betrage oon 200 M. ootn BeFlagten gurücF.
Sas ©ewerbegericht Stuttgart hat am 15. DFtober 1896 ben Kläger
mit feiner Äflage abgewiefen. ©r hat Berufung eingelegt itub babei
golgettbes ausgefi'thrt:
©r habe am 7. guni (Sonntag) fchr oiel gu thun geljabt, es fei
ihm gang unmöglich gewefen, alle feine Briefe gu beftellen. gn redjtlicher
Begiehung fei geltenb gu machen, bah bie Beftimmungen bes Hnftelluugs*
oertrages, inSbefonbere foweit fte bie §öl)c ber tonoentionalftrafe unb
baS Berfallen berfelbett bei ben geringften Berfeljluttgen, wie es bie hier
in grage Fotitmenbc fei, betreffen, berartig harte feien, bah fie als uu*
fittiidi begeichnet werben müffen. Ser Beflagte habe cs unter ben ob*
waltenben Umftänben gang in ber £>anb geljabt, bie ftonoentioualftrafe
baburdj gum Bcrfall gu bringen, bah er bem Kläger eine übermäßige
HrbeitSFraft aufgebürbet habe, bie er umnöglidj Ijabe bewältigen Fötnteu,
12
®a$ (Seroerfcegertdjt. SKitt^ctlungen fce$ VerfcanbcS beutf%r @kmtt&egfrt<hte: vÄtvX'
11
-J
itnb baf) offenbar biefe Monoenttonalftrafe Vom Veflagteit nicht allein
gur Aufrcdjtcrhnttung ber Orbnnng, foitbern jum 3 wecf be* ©etb*
mverOc* für fich vereinbart morben fei. Aud) ber Staben, ber burch ,
bas Aidüaustragcn ber paar Briefe entftanben fei, ftelje in gar feinem '
Vcrhältnifj 511 ber $öf)e ber Monveniionalftrafe. |
Tie Berufung mürbe gurütfgcmiejeit aus folgeitben ©rüitbeit:
Tas (Wahren bes MlägerS ift jmeifetloS ein foldjes, meines nach ;
ber Veftimntuug ber giffer 11 bes AuftettungSüertrages verein DarnngS* ;
getnäfj beit Verfall ber Maution jur golge hat, ba eine vorübergehenbe |
Veifeitcfdiaffiuig einer ©enbung, bie ben Verfall ber Maution nach fidj !
gief)t, nad) ber gebuchten Vertragsbeftimmung fd)Oit norliegt, menn ber
Angcftettte eine ©enbung an ben Abreffateit nicht befteflen fonnte uub
hiervon bei feinem närfjften Eintreffen auf bem Vureau nicht fofort
feinem Vorgefefcten Reibung erftattet unb bie betreffenbe ©enbung fi<h
nicht in ber Ticnfttafdje beS AngeftcUtcn befinbet. Mläger macht felbft
nicht geltenb, bajj ihm bie betreffenbe Veftimmung bes non ihm unter*
jeid;ncteit Vertrages beim Vcrtragsabfdjlufi nidjt genügenb gum Vemufjt* I
fein gefommen fei, fonbern bringt im VSefentlichen nur vor, bah bie
gebadete ©trafbeftimntung bcS Vertrages unb {ebenfalls bie 3urücFhaI*
tung ber Maution im oorliegenben gatte gegen bie guten ©itten verfto&e.
ES mag nun bahingeftettt fein, ob bie ©trafbeftimmung ber 3 'ff cr
bcS Vertrages unter alten Umftänben uub auch gatte ber geringften
bort oorgefehenen Verfehlungen ttad) ben ©runbfäfceu non Treu unb
(Glauben l;altbar märe; benn {ebenfalls enthält bas tW tu grage Font*
ntettbe ©ebahren bes MlägerS — bas mehrere Tage hinburch fortgefefcte
3uriicfhatten ber rücfftänbigen ©enbungen — ein folch großes Verfaul*
ben uub eine folch fdjmcre ©cfährbung ber Jntereffen unb beS ©e*
beihens ber Sßoftanftatt be§ Veflagten, bah {ebenfalls für einen folgen
galt ber Verfehlung bie Vereinbarung bcS Verfalls ber Maution unb
bie bemuäd)[tige 3 u rücfbchattung berfelbeu ben ©rmtbfäfcen von Treu
unb ©tauben nidjt jumiberläuft. 2Benn man auch beut Mläger ein*
räumt, bafj er um bie 3<üt bcS 7. guni mit Arbeit überbürbet gemefen
fei, fp ift bies fein ©runb, fein ©ebatjren in einem mefentlid) milberen
dichte anjufehen, ba ber Mtäger fich tn biefent galt um fo meniger tjätte
gu fdjeuett brauchen, feinem Vorgefepiett von ber Sachlage atsbalb 9Kit=
theüung gu tnadjen.
Cinignng^ämter.
©ranbettburger Simmererftreif. 3 « Ar. 33 beS „Zimmerer"
finbet fich eine Vefpredjung ber int „©emerbegericht" veröffentlichten
Tarftettung beS Vranbenbnrger ^iwutererftreiFs. Tie MritiF erfennt
an, bajj bas ©emerbegericht „roegen feiner fonftigen ftrencjen
UnparteitichFeit in ArbeiterFreifeu fehr geachtet" merbe unb biefe
geftftetlung — bas einige £ob, bas mir gu verhielten verfugen —
ift für uns von hohem feerth- Werabe beöljalb motten mir an
btefer ©tette barauf auftnerffam machen, bafj bie Vormürfe, meld^e
bie Mntif erhebt, fich nii VSefenttichen barauf surüdführen laffen,
ba§ ber Verfaffer berfetben münfeht, feine Slnfidjt über ben frag*
liehen ©treif be^m. über baS Verhalten ber Arbeitgeber in ber
abfotut neutral gehaltenen Vefpredjung vertreten ju fehen. ©ach*
lid)e Unrichtigfeiten merben bern Vencht nicht vorgemorfen. 2 )er
©tanbpunft beS w ®emerbegen^tö" her Xeiber vielfach h^rnor*
tretenben Abneigung ber Arbeitgeber gegen bas Verhahbeht mit
Arbeiterorganifatiorten ift befanut. 3 m vorliegcnben Satte ift aber
ba 3 ©^arafteriftifd^e nid)t biefe Abneigung ber Arbeitgeber, fonbern
ber Umftanb, ba& fd)Iiebtid) bie Arbeitgeber fich bereit ftnben liefen,
vor bem EinigungSamt 311 unterhanbein uitb ba& atsbann bie Ar*
beiter felbft bem einftimmig gefaxten ©chiebsfpruch beS auf i^re
Qnitiatioe hiu augerufenen EinigungSamtS ihre AnerFennung oer*
fagten, fo ba& bas EintgungSamt refultatloS verlief. ®er „3im*
merer" felbft bebauert biefen ©aug ber ©ad;c aus „taftifc^en
©rünben", entfdjulbigt aber bie Arbeiter bamit, bafj baS ©inigungS*
amt nicht genügenb 311 ©unften berjenigen ßohnfvmmiffiouS* 9 Äit*
glieber eingetreten fei, metdje vor bem ©txeil gemajjregett morben
feien. ®iefe ©utfchulbigung mag an fich begrünbet fein ober nic^t;
{ebenfalls enthält bie Ablehnung beS ©prucheS beS von ben Ar*
beitem felbft angerufenen ©nigungSanites eine ©chmachung beS
AnfehenS ber ohnehin noch f° unentroicfelten Snftitution unb mirb
in anberen gälten gemife au^ Don Arbeitgebern, benen ber ©pruch
eines EinigungSamtS unbequem ober unbillig fdjeint, verwertet
merben!
Ucrfdjieöeiie?.
^eifthervereittignng. Von Veifihervereinigungen ftnb auf bie
Anfrage in lefjter Kummer bei uns angemelbet: bie Beifijjer*
oereiniguitg ©tettin, Vorfthenber Viorth Vauchmih. gerner bie
Vereinigung ber Arbeiter*Veiftber beS ©emerbegeri^ts granfen*
t'hal (Vfalj)/ Vorfihenber ©util ©erifch- 3 « Nürnberg oer*
fammeln fid; bie Arbeitn^hmerbetfiber regelmäßig möchentlich, ohne
einen feften Verein 3U bilben, uito berathen über gemerbegericht*
liehe Angelegenheiten.
@s märe fehr münfehensmerth, menn auch bie übrigen Veifijjcr*
oereinigungen uns $achricf)t sufommen liefeen.
Bnrbatib5i*3Ctigelc0ß!iljciteö.
Veitritt #tw. Verbanbe bentfchw ©emerbegeridjte. Veigetreten
finb bie ©emerbegerichte ©tettin unb ^mtefan.
(Eintritt in ben AuSfdpig ^)er Vorfthenbe beS ©emerbegeri^ts
Bresben, ©eroerberichter ©tübing, bie vom AuSfd^nb
gefprochenc 3 ttn>ahl in ben AuSfdjufj angenommen.
firtefbalten.
©♦ Vr., Oioftorf. g^rc Anfrage mirb feiteiis beS ©efrfiaftsfüfirer«
brieflidj erlebigt.
in SH. gnhaltsver 3 eid)itih für Jahrgang III bcS „©eiucrbc*
gerichts" mirb mit ber Aooembcr*Aummer anSgcgeucu.
SSo^eufchrift VraciS, Gentralblatt für ©o^ialpolitif'.
perauSgeber: Dr. granefe, Verlin; Verlag von Wunder &
4pumblot, Seip3ig. 3u Begieren burch fämmtliche $oftanftalten
mtb Vuchhmtblungeu gum greife oon 2 J(. 50 ^Sf. für baS Viertel*
jaljr einfcfjlie&lid) ber VfonatSbeilage ,,^)aS ©eroerbegericht".)
3»halt von Ar. 1: 3ur s ¥erfonaltarifrefonn auf beit beutfdjen
CSifenbat)neu. Von Dtto bc^erra, ©ifcitbahnbireftor, ©nbett. —
^ohneinhaltuug unb ©pargmaiig. Von Dr. Vnbmig gulb,
Vcdrfsanmalt in Dtaing: Tie augefiiubigte ©treifvortage; ArbeitS*
amt uub Arbeitsbeirath in Ecfteneid). IX. ,V)effifd;er ©täbtetag:
Veuüvcränberungsgcbühr in VJiirgburg; Ablehnung bes Minimal*
loliucs für ftäbtifdje Arbeiter in Veru. Erhebungen über bie
l'aqe ber Arbeiterinnen im graphifchen t^emerbe; Erhebungen bes
Vereins für ©ogialpolitif über bie Verhättuiffc ber Angestellten
ber Verlebrsanftatteti; ©täbtifdje S^erfftätteu für Arbeitsinvalibeu
in $ariä. — 25 on ber Sergarbeiterbemegutig; »ereinbarung jroif^tn
llnternebmern unb Sirbeitern im englifcfjcn Bergbau; Vanbarbeiter.
SBetoegung in Ungarn; ©er ©frei! ber drbarbeiter oon $ari3. —
©er 3abre0beri(f)t ber englifdjen Sabrifinfpeftoren fflr 1897 .
*0" Seltne Simon, Äarterube; Sonntagerube im f)anbel<v
gemerbe: ©ie crite gabrifinfpefforiu in ben Sficberfaitben:
Öabrifinfpefiion in Ungarn; ©crocrbeinfpeftion in WeufiibioalesS. —
*cleibung§grenje ber Serfidjerimgeianfialten fiir $trbeüeriüof)nimgeii
unb Sungenljeilftätlen; Wrbeit^lofen.aJerfuberung uub Siibbeutfcbe
*o[f§partei. — ©ie erfte Scrfammtung beg *erbanbe« beutfdier
Slrbeiiänadpoeiie. *on *aui Siifdjing, aiiiindjen; Stäbtififier
Jirbeitjnadpoeiä in ©bariottcuburg. — Sirbeiterprobuftiogenoffen.
fdtaften in Arantreidj. — ©ie 18 . 3 abreSoerfammlung bes *ereiti-'
fnr Armenpflege unb &*obUbätigfeit. — ®a§ Arbeiterinftihit 5 n
Stoctbolm. — v'inbalt beS ©emerbegeritbiS 3 iv. 1.
„®aS ©ercerbesjetidjt" ctjdicait am elften Sonnetftagc feben SDionat« im Sliinbeftumfange non 7i Sogen jum ffxeife oon 1 SH. jä^tiieb. — SefieEungeB
nehmen fämmtliiie Softanitalien (SoitjeUungSnummet 2877) unb Sud&banblungcn on ; ein biteSet Sejug non bet Set(ag«buibbanblung finbet ni$t ftatt. *
«erlag Mit Xmmttr 4 pnmblot, Jeipjlg. - «eben« bei guliu« «ittenfrib In SSetlln w. - «eeantooctltib Iflt bte «ebaBion: Ctabitaib t>r Sief* itcannurt a m ■
fiir bie Ul^iiUte: Kt4tf*Rd)ung. Setfaifiuig unb Berfabren: «enataütytt S<bmtebet, «erlin. * "
IY. 3 a^pj.
Berlin unb gtanffurt a. 3K., ben 3. SJoüember 1898.
Stummer 2 .
fas ©fttierbcpridjt.
Ulittheilungen bes Derbanbos beutfd?er (ßemerbegerichte.
SJtebaftionSauSfchnh:
Stabtratlj Dr. Ulefri) in Sfranffurt a. M., Ociücrbertc^ter $rtjmteber in ©erlin unb ©emeiuberath $tfldunai)er in Stuttgart.
Srldjeinf am rrflrn ^onneiQa§ jebcn ^Honals.
?reis t«9r(i4 1 ?Harfc.
©erlag oon SJuncfet & umblot, fietpaig.
tfoftenfreie ©eilage jur „Sojtalen ©rajtS".
me für bie SRebaftlon beS „@eroerbegericf)t 8 " beftimmten ©enbutifltn bittet man ju abteffiten: «n ©eraetbetidjtet mieber, Setlin.^alenfce, Jturffirftenbamm 132 a.
3 n I
Aufforberung an bie ©erbanbS*
mitglieber.13
$>te ©rajiS beS (Stettiner ©e*
merbegeri^tS, üetglidjen mit
ber ©rajtS beS ©etoerbege»
riebt 8 ©erlin. ©on 9flcigi[tratS*
affeffor Saub finget in Stettin. 14
JJerfaflung unb gerfnljrett.... 16
ilonferenj ber Slrbeiterbeififoer
ber pfäl 3 ifd)en ©etoerbege*
richte, ©on ©mil ©crifc^, $ran»
fentQal.
|l*rbanbs-&n 0 elfgcnljetUn .... 17
$)ie ©efpreebung ber ©etoerbe»
gericbtöoorjibenbett unb ©ei*
Ober 311 Nürnberg.
©eitrittSeTflärungen.
fledjtfpredjung.:. 19
©erurtbeilung oon Arbeitern, bie in
Streif getreten maren, jur fertig*
fteflung angefangener Afforbarbett.
(©etoerbegerid)t ©erlitt.)
•Micbtberbcinbeln im ©infprucbStermin.
Micbterlicbe« ftragerecfjt. ©erjabTung.
(©emerbegeriebt unb Sanbgericbt I
©erlin.)
3ü ein Sdjadjtmeifter als Arbeiter,
Söerfnieifter ober als felbftünbiaer
Unternebmer anjufeben? (©emerbe*
geriebt unb Sanbgericbt ©ortmunb.)
3 it ber Arbeiter oerpfliebtet, ohne ©nt*
fcbäbiguitg auSaufehen? ©cbeutuug
münblicbet Sltebenabreben neben ber
ArbcitSorbnung. (©emerbegeriebt
Hamburg.)
3 ft ber Arbeiter oerpflicbtet, bem
Arbeitgeber auf ©efragen ju fagen,
unter melcbem Sßerfmeifter er ar*
beitet? (©emerbegeriebt ftranffurt
a. ÜJt.)
Söirb ein £eljrOertrag bureb unorbent*
liebe Ausfüllung beS ©ertragS«
formularS ungültig? (©emerbegeriebt
©erlin.)
Sftüeftritt oom &el)tOertrage. (©emerbe*
geriet in Sübbeutfd)lanb.)
3ft baS ©emerbegeriebt auftänbig für
©erfonen, roelebe nur mit bem Um*
fa|j gemcrblicber ©rjeugniffe be*
fd)5ftigt fiitb? (©emerbegeriebt Jlöln.)
äöi'e lange fönnen bie ©ntlaffungS*
grünbe beS §. 123 ber ©etoerbe*
orbnung gelteitb gemaibt merben?
(©emerbegeriebt ^ranffurt a. 3)?.)
Sinb ©ereinbarungen mit einjelnen
Arbeitern abmeiebenb oon ben ©e*
ftimmunaen ber ArbcitSorbnung,
fpeaiell binficbtlidj ber ftünbigungS*
frift,3ul5ffig? (©emerbegeriebt Königs*
berg i. ©r.)
3nmiemcit ift ßraufljeit beS Arbeiters
ein ©ntlaffungSgrunb? (©emerbe*
geriebt ©erlin).
3ft ein Sdjlofferanfcblaget getoerblieber
Arbeiter ober felbftanbiger Unter¬
nehmer ? (©emerbegeriebt gretnf*
furt a. 2Jt.)
2lrbeitSüeitoeigerung. ©ebeutung ber
„©äefeteiüerorbnung". (SübbeutfdbeS
©emerbegeriebt.)
JUgemelncs Uber ©merbtgeriiht*
unb 3 lrbtttsumrag . 26
Arbeitgeber unb Arbeitet bei
ben ©emerbegericbtSmablen.
(JBtntgungsämter. 26
2)aS ©emerbegeriebt ^ranffurt
a. 3Jt. als ©inigungSamt in
einem SJfaurerftreif.
SnbaltSangabe ber „Soaictlen ©rajis".
£lummrr ift 6as 3ti(i«nsperjfidjiii|j t»rs ^afjrgangs III fees ,,ö>crocr6fflfri<fjts“ 5eigcfc<|t.
Abbruef fümmtlieber Artifel ift Leitungen unb 3eitfcb*iften geftottet, feboeb nur mit
ooHer Quellenangabe.
^.uffurbormiij an i>ie Iferbimiismitglieitet:.
Gö haben nunmehr faft fämmtUdje Mitglieber ifjreu ©eitrag
freimillig erl)öl)t. ©Mr fe^eit barin einen erfreulichen ©emeiö beS
3 ntereffeö, baS au bem ©erbanb uub fpe^iell au ber 3 eitfrf)nfl
genommen mirb, bitten aber, bieö Q;ntercffe nunmehr aud) baburd)
betätigen 311 motlen, bah bie $Hebaftion burd) ©tnpfaug fämmtli^er
3 a()re^berid)te uub fonftiger ®ruc!fad)en ber ©eroerbegeridjte
(Statuten, ©utad^ten, ^rotofolle über SBa^lüer^anblungen u. bgl.;
ferner Eingriffe in 3 c ^ un 9 en / SSerfammlungen, 33erid;te über Üöci*
fiber*)Bereine, 23efd)lüffe oon fo(d)en) in ben Staub gefegt mirb,
ein 5öilb aller für bie ©eroerbcgeridjte midjtigeu Momente 3 U geben.
SRamentlid) erfudjen mir audf), un-3 über bie Sdjritte, bie 3 ur
(Einrichtung oon3n)angöinnuugen,3nnnung§=Sd)iebögerichten u.f. m.
getljan merben, ftet» genau informiren 311 moHeu.
Btt HciialtHD« 5 i' 3 lu?fdju 6 .
B\t nrnri? bcsi Stettiner (ßewcrbcgcrid)ts, ner-
glidjcn mit ber JJrnriö öes (Öcmerbegerid)tj 5 Ocrliit.
©on Magiftratsajfeffor Öaubüngcr in Stettin.
$ad)bem bnrd) Ungern Such bie $rai*i^ eiltet, unb 3mar be^3
bei meitem größten, ®emcrbegcrid)t3 eine fijjftematifd^e 3“fonituen*
fteflung erfahren h^h erfefjeint e§ smedmäöig, mettn anbere OJe*
merbegerid^te an ber §anb biefc^ Suchet ihre eigene Sra^i» burd)=
g ehen unb ihre 3 uftimtnenbe ober abmeicheube ^luficht Öffentlich
efannt geben uitb fo 3 ur Klärung oon Meinuiuj^oerfd^iebenheiten
unb 311 t Herbeiführung einer einheitlichen 9ied)tfprechung beitragen.
2 )ie$ foK hier, ohne erfd;öpfenb fein 311 mollen, hiufiihfii^ ber
Stettiner prajiö gefdjehen.
^a läfet fid) 3 unäd)ft gegen bie ?lufid)t (Unger, ©ntfd). 9), bah
ber Arbeiter im ©ruppeuafforbe ben Arbeitgeber nicht mehr megeu
be§ i?ohne^ belangen fönue, toeitn biefer ben ßohu an ben ^o*
lonncnführer ge 3 aplt h a t einmenben, bah ber le(jtere bod) hiufidjt*
Iid) ber Lohnzahlung lebiglid) alei Seooflmcichtigter be^ Arbeit*
geher3 fungirt. ©Öir höben ben Arbeitgeber mehrfad) ocrurtheilt,
memt ber Arbeiter ben Lohn ooui ftolonuenfiihrer nicht erhalten
founte, weil ber ^olonncufiihrer mangels fdiriftlidjer SoUmad)t
(§.8 I. 13 A.£.$.) al 0 Seooflmächtigter ber Arbeiter 3 ur
fiohnempfangnahme nicht gelten fanti.
teilte ©ntfcheibuitg enthält bie Sammlung über bie Srage ber
Sd)riftfornt bei ©ertragen über 150.// (§. 131 I. 5 A. LM.), fo*
fern e3 fid) um Afforbocrträge haubelt. ©?ir nehmen 3 . ©. an,
bah ©auarbeiter, bie al£ Steinträger für bie &auer be$ ganjen
©aue^ engagirt fiub uub möd)ent(id) 28, 30 unb mehr Marf, für
bie gait 3 e ©ait 3 eit alfo mehr al3 150 JL oerbieuen, bei unrecht*
mähiger (Sntlaffung feine Schabeu^flage höben (§§. 155, 168 I. 5
A. S.&.). 2Bir fiub aud) ber Auficht, bah ber nur burch miiub*
liehen ©ertrag im (Gebiete be^ Laubredjt^ angenommene ©krf*
meifter, foferu bie Annahme fich nid)t als Hü^WönbelSgefdjäft
barfteflt, meber Anfprud) auf oier 3 el)ntägige itüubigung uod) auf
foldje fech^ ©3ocheu oor ©ierteljahrSfdjluh h a h fouberu jebei^eit
entlaffen merben faun. Auch hi^' fdjaffen für bie 3 öfunft bie
§§. 125 ff. beS ^Bürgerlichen ®efetjbuchS Abhülfe.
^Die ßntfdjeibungen, bah bei ©ereinbaruitg ber ©ntlaffuug „311
jeber 3^it /y bei ©ntlaffung im Laufe beö £aaeö ein ooller Jage*
lohn ge 3 af)lt merben müffc (§ 905 I. 11 A. L.©.), erachte ich für
oerfehlt. 3<h vermag meber an 3 uerfenucn, bah biefe Abrebe itnflar
fei, noch, bah fie etmaö llugemöhnlidjeö betreffe, uod), bah ein
Hanbeln gegen Xreu uub Glauben oorliege, menn jemanb im
Laufe beö ^ageö entlaffen mirb. 3 11 „ieber 3cit" heih* ux jcbein
Augenblicfe, uub eö mirb fid) fogar faum ein flarcreö ©ort
finben laffen. 3 <h höltc eö aud) nicht einmal für jmeef*
rnähig, bie ©arteien 3 U 3 roiugen, nach einem 3 cnoiirfnih noch ben
galten ^ag neben einanber auö 3 uhalteu. Auch baö ©iirgerlid)e
©lefehbuch bebicut fid) biefeö AuSbrucfS. ©gl. §.623: „Sft bie
©ergütuug nicht nad) 3 e ^öbfd;nitten bemeffen, fo faun baö Jienft*
oerl)ältnih jeber 3 e il gefiinbigt merben." 2 )er ©egeufaj) befinbet
fid) §.631 Abf. 1 : „3)1 t>ie ©ergiitung nad) ^agen bemeffen, fo
ift bie ftüubiguitg an jebeut Xagc für ben folgenbeu Za g 3 uläffig."
Db ber 'uerjudjte ^iebftahl mit bem oolleubeteu gleid) 3 uftelleu,
erfd)eint mir bod) jmeifclhaft. ©crfudjter (5inbrud)biebftahl
mirb mit 3 u ü)tl)auö beitraft. Sropbem fönute nad) ©erliner Au*
fichten ber Arbeitgeber ben Arbeitnehmer nicht entlaffen. Sollte
bieö nicht bod) bafür fpred)eu, bah öer ©efe(jgeber 3 mifd)eu 00 tl*
16
To« ®ewerBegcrt<ht. JÄttthetlungen bes BetbonbeS beutfdjer ©eroerBegertdjte. Str. 2.
16
eitbetem unb oerfucptem Tiebftapl nic^t bat unterfcpeiben wollen?
AnberenfallS entfprädje eine Abänberung fepr bern Stecptsbewuptfein.
Bor SRücfgabe ber geflogenen Sachen bejw. ©rftattung ber TranS«
portfoften für bie bei ©ericpt lagernben Sachen paben wir Lopn«
flage nid)t gugelaffen (§.271 I. 5 21. £.91).
TaS Bepaftetfein mit Läufen haben wir abweicpenb ooit Ber*
(in nie als abfcprecfenbe Slranfpeit erachtet. 2öir paben nur
©cpabenSanfprücpe beS Arbeitgebers für Steinigung ber Betten
anerfannt. Bon einer Stranfpeit biirfle ^tcr faum im ftreitcj mebi*
Sinifcfjcit ©Urne, jebenfalls aber nicht im ©efepeSfinne, bte Siebe
fein fönnen. ©S bleibt bocb auch 311 erwägen, bajj ber wanbernbe
©efelle auf beit Verbergen ohne Berfcpulben febr leicht Ungeziefer
acquiriren fann unb bap bie Steinigung nicht aH^u fcbwierig ift.
Ter Begriff „abfcprccfenb" ift im ilebrigeu ein äufierft relatioer.
„Ter eine oerträgt Diel, ber anbere weniger", pflegen fiep bie Aer^te
au^julaffen, wenn fie um ein (Gutachten in biefer |)inficht an«
gegangen werben, dagegen wirb man häufig sugleicb Arbeite*
utifäpigfeit attnebmen fönne. ©o hoben wir in einem ÖaHe einen
Barbier, ber au wäffernber ini ©eficpte litt, für in feinem
(bewerbe arbeitsunfähig erflärt, wenngleich bie kranfpeit als ab«
fehreefenbe nicht a^ufepen war. ®enti ber Ar 3 t begutachtete, bap
berfelbe burch feine Singer bie Stranfpeit leicht auf bie Shmben
übertragen fönne.
Tie 'Auslegung bes § 124b ber ©ewerbeorbnung, bap bie
©ittfcpäbiguitg nicht geforbert werben fönne, wenn nachgewiefen
werbe, baß fein ©epaben entftanben fei, erfrfjeint mir irrig. BHr
haben ftete bas ©egentpeil angenommen. Allgemeiner Anficht
nach (oergl. 3oel, Arbeiterfcpupgefep, Lanbtnann, Kommentar
3 ur ©ewerbeorbnung) ift bie bort aufgefteüte AecptSoermuthung
eine fogenannte praesumtio juris et de jure, gegen bie ein ©egen«
beweis un^uläffig ift. Ter Anfpruch aus §. 124 b ber ©ewerbe«
orbnung put, wie 3oel unfercS ©radjtenS mit Stecht annimmt, ben
©parafter ber Bupe. Anbernfalls würbe ber §. 124 b praftifdp
auch nur eine ganj geringe Bebeutung hoben, ©r gilt, nebenbei
bemerft, nicht für Stapnfcpiffer (BinnenfdjifffaprtSgefep), was leicht
überfehen werben fann.
s JDtit ben polnifcpen, bei ©ifenbapnbauten beschäftigten Arbeitern
wirb h^r häufig feitenS ber Unternehmer oereinbart, bap SHinbi«
gung beiberfeits auSgefchloffen fei, bap aber auch in biefem SaHe
ber Lopn erft am Lohntage, ber alle 14 Tage eintritt, gezahlt
werbe. ®iefe Bereinbarung erfepeint gefeplicp ^uläffig; fie enthält
aber eine erhebliche frnrte, ba fiep ber Arbeiter aus biefem ©runbe
oft nuploS an einem Drte aufhalten mup unb nicht in bie Veimatp
reifen fann. ©ie fann ben ©ap: „Tie SiünbigungSfrift mup eine
gleiche fein," praftifd) nicht feiten iäuforifcp machen.
Tap §. 124 b ber ©ewerbeorbnung burch ben §. 152 (St'oalitionS«
freiheit) nicht aufgehoben werbe, ift im Dftober 1896 beim ©treif
ber Lithographen oom ©tettiner ©ewerbegeriept ebenfalls an«
genommen worben.
B3aS bie 3uriicfhaltung beS Arbeitsbuches bei münblichem
Lopnoertrag anlangt, fo holte ich fie im ©ebiete beS ^reufeifd^en
LanbredjtS für unjuläffig, weil hier ber münbliche Bertrag bei
einem Dbjeft über 150 dt jeher 3eit aufgehoben werben fann unb
ein ftlage auf (Erfüllung bei ihm überhaupt niept juläffig ift. SBo
aber ber münbliche Bertrag an fich weitere BHrfungen hot, wie im
©ebiete bes gemeinen StechtS, ba ift meines ©racptenS auch bie
©inbehaltung ^nläffig. Ter 'Arbeitgeber übt hi«-' feine ©pifane,
fonbent er oertritt fein gutes Stecht. Stad) beut Snfrafttreten beS
Bürgerlichen ©efepbud)cS bürfte bie Surücfbepaltung allgemein gu«
läffig fein. Tie Borfcprift ber ©ewerbeorbnungSnooelle oom
26. ouli 1897, nach ber jept bie Beiträge bei ©träfe fcpriftlicp
gefchloffen werben müffen, hot lebiglid) polizeilichen ©harafter.
Vinficptlid) ber ©iiltigfeit ber Arbeitsorbnung ftel)en wir auf
bem ©taubpunft, baß ber Arbeiter STenntnip genommen unb in
Stenntnip berfelbett weiter gearbeitet hoben mup, wenn fie ihn
binben foü.
Ter jweitc Tpeil beS Unger’fcpen Buches mit feinen ©nt«
fdjeibungen über 3 uftänbigfeitefragen geigt flar, nach weld)en
Siid)tuugeu pin bie Siompeten,} ber ©ewerbegerid)te 311 erweitern ift.
Tap Silagen auf Verausgabe oon 'Arbeitspapieren unb Arbeite«
gerätli, ©nt|d)äbiguugsflagen wegen oerweigerter Verausgabe unb
auf 3 nnüf 3 al)lung 311 oiel gezahlten Lohnes oor bie ©ewerbe«
geridjte gehören, füllte flar ausgefproepeu werben. Klagen auf
(iiitjd)äbtgung wegen ber ©inbehaltung ber Snoalibenfarten, wegen
Siäumnug oon Wohnungen, bie B3äd)tern, öaftoren, Vo^wrafern
u. f. w. oielfad) auf ©runb bes SlrbeitsoertrageS eingeräumt finb,
unb Silagen bes 2lrbeiterS gegen ben Bormann, ber ohne fchrift«
lidje BoUtnacht angenommen hot (§. 8 I. 13 A. L.St.), foflten bem
©ewerbegericht 3 ugewiefen werben. Klagen-wegen ber Snoaliben»
farte fönnen burch bie in AuSficbt ftehenbe StooeDe 511 m
SnoalibitätSgefep ben ©ewerbegeri^ten überwiefen werben.
bei SlbfchlagSsahlungen auch 9^4 e ^ ne entfprechenbe Angahl
SJtarfen gefleht werben foU, ift ebenfalls eine äuperft unbequeme
Beftimmung. Taß bie Ab 3 Üge nur auf 3 wei Lohn 3 ahlungs«
perioben fich erftreefen bürfen, auch wenn ber ©efeöe gebeten
hat, bie Abzüge oorläufig 3 U unterlaffen, erregt häufig ben
Aerger ber Betheiligten, wie beim bie Beftimmung beS §. 109
Abf. 3 beS QnoalibitätS« unb AlterSoerficherungSgefepeS ^ier
in ben Streifen ber fleinen Vonbwerfer — biefe finb meift bie
Leibtragenben, weil fie baS Stieben häufig erft bei Löfung bes
ArbeitSoerhältniffes beforgen — überhaupt nod) wenig befannt ift.
©rmäbnen will ich noch, bafe Beamtenocreine feine ©ewerbetreibeitbe
finb. Tas ©ewerbegeri^t ift für berlei Klagen unguftanbig.
Stid^t bei 3 utreten oerntag ich ber Anfidjt bes Berliner ©erichts, bafe
nach bem BinncnfchifffahrtSgefep nur baS ©ericht beS §eintath§ortes
3 uftänbig fei. Sörtfcp in feinem Kommentar äußert ftch ba^in,
bafe ber ©erichtsftanb beS §.6 J. c. nur ein wafilweifer ift. §. 25
beS ©ewerbegerid)tegefepeS ift alfo nicht abgeäubert. Tie Beftim*
mung würbe fonft auch eine äufierft unpraftifche fein. Stehmen
wir einen Sfall aus ber BrayiS: Ter ©Ziffer aus Liebenwalbe
fommt mit bem Stahn oon Hamburg unb überwintert hier in
©tettin. Ter ©chiffsmann geht oon h^r in feine Veimaih, bie
im rufftfehen ©ouoernement ^alifch liegt. SöeShalb foll bie ©aepe
hier nicht entfd)iebeu werben fönnen?
Tafc hinfiä)tlid) ber 3roecfmäßigfeit möglichft einfache Beftim«
mungen getroffen werben, fann nidjt oft genug geforbert werben.
SBie Berlin nehmen auch nü r on, baß bie BäcfermamfeQ Vanblungs«
gehülfin ift. ^euerbingS hat in einem Salle bas Siönigliche Amts*
gerid)t fyiet ebenfo erfannt. Tie BerufunaSfammer bes Lanb*
gerichts hot baS Urthcil bagegen aufgehoben, weil bie Bäcfer»
mamfell ©ewerbegel)iilfin fei. Tafi eine wegen Ungebühr erfannte
©elbftrafe nicht in .v>aft uuigewanbelt werben fann, ift richtig; h^r
liegt aber ein SJtangel beS ©efepes oor. Tenn baß bie Ungebühr
fchlieplich oöllig ungefüpnt bleibt, ift febenfaHs nicht wünfd/ensroerfh-
Uetfaffnng null öcrfaljWB.
iottferen| ber Arbciter&eifiper ber pfä^ifchen ©etoerbegeriihtr.
©S ift ein Sohr h^r, ba& bie Arbeiterbeifiper ber pfälgifc^en ©e*
werbegeridpte 3 um erften Btale 3 U einer Konferenz mfammentraten.
Söurbe über bie Sroedfmäpigfeit unb Stüplicpfeit fofeher 3 ufammen«
fünfte im Allgemeinen eine Uebereinftimmuug erzielt, fo fonnte
man fid) nicht einigen in Be 3 ug auf bie ©rünbung einer feften
Drganifation. 2luch bie am ©onntag ben 2 . üftober in Lambrecht
ftattgepabte 3 weitekonferen 3 fal) oon einer feften Drganifation nod)
ab, tpat aber fepon ben erften ©epritt 3 U einer foldjen, inbem fie fiep
bem Dbmänner*©ßftem 3 Uwanbte unb mit ber Bermittelung ber
notpwenbigen Berbinbung unter ben ein 3 elnen Dbmännern einen
Borort betraute.
Bon ben in ber Bfapt beftepenben neun ©ewerbegeriepten (jroei
weitere in Lanbau unb 3n>eibrücfen finb im SBerben begriffen)
waren 8 burch 85 Tclegirte oertreten unb 3 war: Öfranfentpal,
ÄaiferSlautem, Lambrecht, LubwigSpafen, Steuftabt, DggerSpeim,
BirmafenS unb ©peier; baS neunte ©ewerbegeriebt, ©rfenbaep, be*
tpeiligte fiep niept, fommt aud) niept weiter in Betragt, ba feit
bem mehrjährigen Beftepen biefeS ©eridptS bis jept noch fein
einiger galt anhängig gemacht worben ift.
Tie BeratpungSgegenftänbe umfaßten im Allgemeinen Aenbe*
ruitgen be 3 w. ©rweiterungen beS ©ewcrbegericptegefepeS unb ber
©ewerbeorbnung, fowie baS neue Voubwerfergefep. Tas in An*
lepnuug an einen Artifel tu Str. 6 beS „©ewerbegeriepts" gegebene
Steferat über bie Siompeteitz ber ©ewerbegeriepte gipfelte in
ber öorberung nad) ©dpaffung eines gefeplicpen BobenS für bie
Anpängigmachung ber ©ntfcpäbigungSanfprüche, bie aus ber Bor*
entpaltnng ber DuittungSfarte perguleiten fmb. Solgeube Ste-
folution würbe angenommen:
„Tie am 2 . Dftober 1898 in 2ambred)t tagenbe Äonferenj ber
Arbeiterbeifiper ber pfä^ifepen ©ewerbegerid)te ift 3 U ber Ueberjcugung
gelangt, baß bie Sfompetcnjen ber ©ewerbegerid)te 311 eng ge 3 ogen finb.
iDiit Aücffid)t barauf, bafj bie Aupängigmad)ung ber aus ber Bor*
entbaUung ber ^noalibenfartc cutftepcnben CSutfdjäbigungsanfprücpc bei
bem ©cwerbcgcridjtc $ur 3 ?it einer gefeplicpen ©runblagc entbehren unb
fonad) eine gcwerbegerid)tlid)e (Srlebigung ber barauS entftepenbcu
Strciiigfeiten in ben meiften gäHen auSgefcploffen ift, hält bieSfonfcrenj
I eine ©rw eiterung bes §.3 beS ©eweroegcricptSgefepeS für
17
Sa* EeroerBegericht. SRttthrilungen be* Serbattbe* belüft er ©eroerbegertchte. 9 fr. 2.
18
eine unaBroeisBare StothroenbigFeit. Sie im nächften 3ah* c gu*
fammentretenbe Konteren* ber beutfdfjen ©eroerbegerichte ift gu erfudfjen,
fich ber Siefolution angufchlteßen unb burch SBeitergaBe berfelBen an
oen Stet<h$tag bie für erforberlitfj erachteten ©efefeeSerroetterungen gu
erftreBcn."
©roßen EBerth in fogialpolitifcher $infid)t legte bie Konfereng
bem fünfte „DBligatorifche ElnerFennung ber ©eroerbe*
ertöte al* EinigungSämter Bei ElrbeitSeinftellungen 1 '
ei. Stadt) eingehenber Beratung .rourbe bie ftdj für Einführung
be* DBIigaiorium* auSfpredhenbe SRefoIution ber nächften Konfereng
übermiefen. 3n3wif<hen foH biefe Eingelegenheit ben ©eroerff (haften
gur SÜSFuffton oorgelegt merben, fo baß im nädjften 3nh* e / wenn
nicht unterbeffen auf anberem EBege eine Elenbcrung eingetreten ift,
ber Antrag in geläuterter Sorm bie britte Konfereng Befchäftigen mirb.
$>eS Weiteren marb nachftehenbe Stefolution einftimmig an¬
genommen:
„Sie Konfereng erachtet bie ElufheBung ber Befteljenben ©eftnbe«
orbnung unb bie Unterteilung ber SienftBoten unter bie ©e*
merBeorbnung, forote bie UeBerroeifung ber grotfchen §errfd)aften unb
SienftBoten entftebenben Strcitigfeiten an bie ©eroerbegerichte für
bringenb nothmcnbig unb rietet an bic BolfSuertceter im SteidjStage
ba* Erfudfjen, biefer ftorberung im ^Reichstage ©eltung gu oerfcf)affen."
Schwere Eingriffe in bie Rechte ber ©eroerBegerichtc fielen
mit Einführung ber mit bem neuen $anbroerfergefefc oerBunbenen
SnnungSfchicbSge richte gu erwarten. Sie Stimmung ber Konfe*
reng in biefer Srage faub burch einftimmige Sinnahme folgenber
Stefolution EluSbrucf:
„Sie Konfereng erBIitft in ber Errichtung non 3unung$fdf)iebS*
gerichten eine fchmere Sdfjäbigung ber EBirffamfeit ber Beftehenben ©e*
roerbegeridjte. Sie erblich in ber Drganifation ber 3nnung§fdjiebS*
eridjte gugleich eine ungerechte StärFung be* EinfhiffeS ber ElrbeitgeBer,
ie in ben nteiften ft allen von oorn herein bie Majorität haben toerben
nnb baburch fid) leicht bem Borrourfe ber $aricilid)Fcit ausfcfecu. Sa
ben 3nnung*fchiebegerid)ten alle progeffualen ©arantien unb Siechte
fehlen unb bereu Urteile ohne Siüc!|id)t auf ben EBerth be* Streit*
gegenftanbe* anfedjtbar finb, fo toerben biefclben fdjott oon Anfang an
Bern berechtigten SRißtrauen ber ElrBeiter begegnen. Sie Konfereng Be*
fchlie^t bemgufolge, bie ©eroerBegeridjtobciiiber ber Elrbeititebmer gu
oerpflichten, Elufflärung über bie (gumingsfchiebsgeridjte gu oeratilaffen
unb bafür Sorge nt tragen, bah allerorts auf bie fernere Benad) s
theiligung ber 9tcc§tfud)euben bei ben 3»»uttg3frf)ieb*geri<hten gegenüber
bem Siecht*oerfabren bei bett ©emerbegerichten aufmerFfam gemacht
toirb. Sie Slrbeitnehmerbeift^er foBeit oeranlaßt merben, mit aBen
gefefclicheu Sßitteln im 3nteref|e einer einheitlichen Siecbtfpredjung in bem
au* beut ElrBeitSuertrage fid) ergebenben Streitigfeiten gegen bie Er¬
richtung oon ftnnuitg*id)ieb*gcridjten gu roirfen. Soßte aber trofc aüer
$rotefte bic Erridjtuug folrfjer Schiedsgerichte befchloffen merben, fo
foBen fidh bie ElrBeitnehmer mit aüer SRacht an ber EBaljl betheiligen,
unt baburch bem llebergemicht ber Unternehmer theilmeife entgegen gu
toirFen."
3n Beachtung einer Einregung in Str. 12 be* „©eroerBegeridjtS"
mürbe, roo bie* noch nicht gesehen, bie Bilbung oon örtlichen
Drganifationeit gioecF* öfteren EluStaufche* ber bie Stechtfpredhung
an ben ©emerbegerichten Berührenben Angelegenheiten empfohlen,
ferner fanb rtod) ein Eintrag Annahme, nach meinem bie Konfe*
reng bie Einführung oon SteoifionSgeridhten gur Prüfung oon
Stecht*oerIefcungen an ben ©emerbegerichten für nothroenbig §alt;
bod) mirb ftch mit biefer ftfragc bie nächfte Konfereng noch Be¬
fchäftigen.
3um Schluffe mürbe noch, nachbem eine lofe Drganifation ge*
grünbet mar, granfenthal al* Borort gemählt unb enblidh af*
nächfter Konferengort Steuftabt a. b. £. beftimmt.
3ran!enthal. Emil ©erifd).
üecfaatib^'^ttgei^entjeiteti.
öefprechung ber ©etuerBegerichtöborftyeitbea nnb Seifiger gn
Nürnberg, 29* September 1898.
Sie in ben Vorjahren hatte auch bie*mal ber Eln*fchu6 bie*
jenigeit S3erBanb*mitglieber, melche ben Slrmenpflegertag befuchten,
gu etner freien 33efprechung über geroerBegeridhtliche Eingelegenheiten
eingelaben, bie am Sonnerftag bett 29. September in SUirnBerg
ftattfanb. Vertreten maren bie ©eroerBegeridhtc: E3erlitt, E3ieBrich,
Eaffel, EoBurg, Eöln, Eharlottenburg, Sangig, SreiBurg, granf*
furt a. S)t., §anan, |>annooer, 3ena, $arl*ruhe, Äiel, Königsberg,
München, äftaing, SHtrnBerg (burch ben SSorfifeenben unb gahlreiche
Seifiger), Stuttgart, Sie*baben, Sorm*. Sen SSorfip führte
Siechtsrath ESagner (Nürnberg), ber bie Elnroefettben tarnen* be*
©emerbegerid)ts Nürnberg uno im Sluftrage be* $errn DBerBürger*
meifter* Begrüßte.
Dr. Saftroro referirte über ben Berbanbstag ber Elrbeit*nach*
roeife gu SJtündjen, ber für bie ©eroerbegerichte, abgefehen oon ben
fonftigen SBegiehungen, fchon um be*roiHen oon ESichtigFeit fei,
roeil oie ®eroerBeqericht**Sorfthenben, menn ba* ©emerBegeridht al*
Einigung*amt gufam mentrete, mit Sachfenntnifc über bie ßage be*
ElrBett*mar!t* müßten urtheilen Fönnen. 3^agen, mie bte ber
StreiFFlaufel u. f. ro., gingen bie ©emerbegeridhte eben fo oiel an,
mie bie SlrbeitSnadhroeife. — Eine Si*Fuffton Fnüpfte ftch hi^an nicht.
Kagfer (SBorm*) fprad^ bemnädhft über bie Faufmännifdljen
S<hiebögeridhte, beren Einführung in hah^nt SKafee gu münfehen
fei, bie aber jebenfall* in Fleineren Stäbten nur in Slnlehnung an
bie ©eroerbegerichte gebilbet merben Fönnten. — Ein ber roeiteren
Sebatte betheiligten fidh &i e Herren Slefch (SranFfurt a. SR.), SRatt*
golb (EBie*baben), Euno (Köntg*berg), Saftroro, Schmieber (ÜBerlin),
$ohlmann (granFfurt a. 2R.), fröhlich (©öln), ^o|l (Königsberg).
Sämmtlidhe ^ebner ftnb bafür, bafj bie Elttlehnung an bie ©e*
merbegerid^te richtiger fei al* bie an bie ElmtSgerichte unb bafj in
Fleineren Stäbten fogar bie oöllige ^Bereinigung — eoentuell unter
33ilbung befottberer Faufmännifdher Kammern — angeftrebt merben
müffe, mährenb für größere Stabte bic Srage, ob für bie Fauf*
tnännifdhen StreitigFeiten befonbere Kammern Bei ben ©eroerbe*
gerichten ober Befonbere Faufmännifche SdhiebSgerichte errichtet
mürben, oon mittberer 33ebeutung fei; menngleich bie Häufung all*
gu oieler oerfchiebener ©eridbtSarten gu oermeiben fei. §a^befonbere
macht ^ohlmanit (Srauffurt a. S)t.) barauf aufmerFfam, bafe an
ftch ©eroerbegerichte, infomeit fte ©eridhfe feien, ootn Staat unb
nicht oon ber ©emeittbe unterhalten merben müßten unb baß faft
mistiger al* bie EMIbmtg Fauftnänuifrfjer Schieb*gerichte bie §rage
fei, ob nicht bie geroöhnlichen Eioilgerichte ähnlich mie jefct bte
©eroerbegerichte au*guftatten feien, ©efchehe bie*, fo fei bie grage
ber Erri%tung Befonberer Faufmännifdjer SdjiebSgeridhte oon min*
berer E)ebeutung. Schmieber (ESerlin) macht im gleichen Safatnmen*
hange auf bie unfichere Stellung ber ©eroerbegcrid)t**^orfißenben
aufmerFfam, bie jeber Szit ohne EBeitere* burch 9richt*E£ieberroahI
au* bem Elmte entfernt merben Fönnen. Sßohl (Königsberg) crFlärt
für ebenfo mistig mie bie EluSbehttung auf Fauftnännifdjc Streitig*
Feiten bie ErftrecFung ber Kompeteng ber ©eroerbegerichte auf Sienft*
Boten*StreitigFeiten, bie auf ba* Sringenbfte gu münfeßen fei. Ser
Elugfdjuß möge biefe Srage fpegieHer Serathuttg untergiehen. (EIB*
gemeine 3uftimmung.)
Semnächft bringt $ohl (Königsberg) ben Erlaß be* preuß.
SRinifter* be* 3nnern oom 18. Eluguft 1898 gur Sprache, nad)
melchem bie SRagiftrate aufgeforbert feien, bur^ ftatutarifdfje 33e*
ftimmung auSgufprechen, baß bie EluffichtSbehörbe über bte ©e*
merbegendhte ber S)tinifter be* Snncrtt fei. 2)er Slu*fdhuß
möge bie hierburch angeregte, im ©efeße nicht entfehiebene 3rage,
roer benn bie E(uffid)t*behörbe ber ©eroerbegerichte fei unb melche
öefugniffe biefelbe h«&e, eingehettb prüfen nnb ba* SSerbanbSoraan
gur S3efprecf)ung berfelBen oeranlaffett. Spegiell eine ftatutarifche
33eftimmuitg hierüber fei übrigen* feine* Erachten* roerthloS, ba
eine oerroaitunaSredjttiche grage nicht burch ein DrtSftatut Binbettb
entfdhieben merben Fönne. — An ber Sebatte betheiligen fid) Euno
(Königsberg), ÖinF (§annooer), Saftrom, Shoma (jreiburg), ber
barau} aufmerFfam macht, baß e* allerbittg* ein ungemöhnlicher
Vorgang fei, menn eine SBehörbe aufgeforbert mirb, fieß felbft burch
DrtSftatut ihre SlufficßtSorgane gu beftimmen. S)er ®efd)äftgführer
oerfprießt thunlichft für Erörterung ber oon £>errn $ohl begeich*
neteit hö<hft midjtigen S^age im SSerbanbSorgan roirfen gu rooHen.
§)iernächft berichtet ber ©efchäftsführer Darüber, baß in bem
EluSfchuß bie Örage ber Einberufung einer größeren Kon*
f er eng eingehenb erörtert morben fei. &er SSerBanb ber ©eroerbe*
gerichte fei roertiger auf bie bireFten Begehungen ber ©eroerbe*
geridhte mit einanber angeroiefen, al* g. B. ber neugegriinbete Elr*
beit*nachmei**Berbanb. 3ebe* ©emerbegericht eclebige feine Sluf*
gaben im EBefentlidjen für ftch- S)er fchriftliche EluStaufdj ber
SReinungen unb Erfahrungen, ben bie 3 e üfchrift gemähre, ge*
nüge für bie Stegei. Eine größere Koufereng fei nur notb*
roenbig Bei einem Einlaß mie oor groei Sah^n, gelegentlich be*
Entrourf* ber foaenannten ^anbmerFer-Borlage. Bielleid)t merbc
fnh, menn über oiefen imroifchen ©efeß gemorbeneit ©egenftanb
Erfahrungen oorliegen, roieoerum bie Einberufung einer Konfcreng
empfehlen. biefer müßten bann inSbefonbere aud) alle Bcifijjer*
Bereine Einlabungen erhalten. 3Ran fei im SluSfcßuß ber Eluficht,
baß, fo fchäblich c* fei, menn burch Beifißer*Bereiue gefuefjt miirbc
Einfluß auf bie Stedüfprechung gu erlangen, hoch bie Shätigfeü
ber Beifißer-Bereine, burch welche eine nähere Siihlung gmifdjen
ben Borfißenben unb ben Betheiligten Sntereffenten erreicht merbe,
auch fehr nüßüch roirfen Fönne, unb baß be*l;alb gefucht merben
19
TaS ©eroerbegeridjt. Vtittßeilungen bes VerbanbeS beutfcfjer ©ewerbegeridjte. 3h. 2.
20
rnüffe, mit benfcIBen in naße güßlmtg gu fomtnen. Aud) btefe
Begießungen feien namentlich buteß baS VerbanbSorgan gu pflegen.
Aucß bie gfrage, inwieweit gu ben Vefprecßungen ber Vor*
fißenben bie Veipßer in größerem 9Jtaßftab ßeraitgegogcn werben
fonnten, laffe fidß nur burdj bie §>erangießung ber Vcifißer*Vcr*
einigungen Iöfen. 3»* 3^* nahmen Ieiber faft nur bie Veifißer
beS am Drt felbft befinblic^en ©ewerbegerießts an ben Vefprecßungen
Xßeit.
Tiefen Ausführungen würbe nun feiner Seite wiberfprodßen.
©nblidß bringt Xhoma (greiburg) bie grage gur Anregung,
wie es mit ben „orbentlidjen ©eridßEtagen" (§. 5 ©ewerbegertchtS*
gefeß) gehalten werbe.
Tie Verfammlung wirb hierauf gefdjloffen.
©eittlftlefllänmgett. Tem Verbanbe beutfdjer ©ewerbegerichtc fmb
als VtitgKeber betgetreten bie ©ewerbegeridjte Srfjöucbcrg bei Berlin,
Spanbau, Stettin, 3 ,ü tdau.
Hrdjtfprtdjtwg.
Verurtßeilitng non Arbeitern, bie in Streif getreten
waren, gur gertigftcllung angefangener Alforbarbeit. (Ur*
tbeil beS ©ewerbegeridpS Berlin, Vorpßenbcr ©ewerberidper Dr. ©ertß.)
Am 29. September er. legten 18 Arbeiter einer ©olbleiftenfabrif,
als ihnen eine Lohnerhöhung nicht bewilligt würbe, bie Arbeit fofort
nieber, obwohl pe nach ber gabriforbnung oerppießtet waren, bie an*
gefangene Afforbarbeit erft fertig 31 t ftellen. Ter gabrifant 9B. flagte
barauf gegen fte auf gertigftetlung bes angefangenen AfforbeS uub rief
auch baS ©inigungsamt beS ©cwerbegcricßtS an. Tie Strcifenben
lehnten es ab, ein ©IcidjcS gu thun, beoor bie gegen fte angeftrengte
Klage eutfehieben fei. gut ißrogeß erhoben fte ben ©inwanb, bap ihnen
nach §• 152 ber VeidjSgewerbeorbmmg bas Stecht 3 uftef)e, fich gur ©r*
lattgung giinftigerer Lohnbebingimgen mittelft ©infteflung ber Arbeit
gu oercinigen. ©oentucll fönne Kläger nicht auf ©rfüllung beS Iler»
träges, fonbem ßöcßftenS aus §. 124 b ber ©ewerbeorbnung auf ©nt*
fchäbigung flagen. ©nblicß fei bie Arbeitsorbnnng nur auSgehäugt,
ihnen aber nicht aitSgehäubigt.
Tie Veflagten würben antragsgemäß oernrtheilt.
Aus ben ©rünben: Ter ©inwanb, baß für ben gatt eines
Streifs baS Stecht ber ArbeitSnieberlegung bureß §. 152 ber SteicfjS*
gewerbeorbnung gewäßrleiftet fei, war als unbegriinbet gurüefguroeifen.
Ter §. 152 hat feine weitere Vebeutung, als bie nach eiitgelnen LanbeS*
rechten beftehenben Strafbeftimmungen bcS KontraftbrncßcS aufgußeben,
ohne inbeffeu irgenbwie in bie prioatrecßtlicße Sphäre beS Ver*
tragsreeßtes etugugrctfMi. Sollten baßer bie Veflagten oon iljrer
Koalitionsfreiheit gum ^wetfe ber Vcrbeffentug ihrer Lage ©ebraueß
maeßen, fo mußten fte gunätfjß ben 00 r liegen ben Arbeitsoertrag re*
fpeftireu uub fonnten erft itacß ©rfüllung beffelbeti bei llebertragung
einer neuen Arbeit fieß höheren Loßn ausbebingett. Verließen fte ttotfj
wäßrettb eines befteßenben Vertrages bie Arbeit, fo Baubeiten pe recßtS*
wibrig unb gaben bent Arbeitgeber baS Stecßt, entweber Sdjabcttcrfaß
gemäß §. 124 b ber Stcid)Sgemerbcorbnung gu forbern ober baS aus
beut Allgemeinen Sanbrecßt in bie ©ewerbeorbnung übernommene Stecßt
auf ©rfüllung bes Vertrages geltenb gu tnaeßen.
Mtarf) §. H ber ausgehäugteu ArbeitSorbnung haben Afforbarbeiter
bie attgefaugeue Arbeit orbnungsgentäß fertiggufteflen unb abguliefern.
©itter Aushäubigung ber Arbeitsorbuuug in betrieben, toic bem beS
Klägers, mit miubcftcus 20 Arbeitern bebarf es nicht, nur ber ©rlaß
ber Arbeitsorbnnng begrünbet bereu Vrvbiubltdjfcit. Ter ©rlaß ber
ArbeitSorbtntug erfolgt aber nach §. 144 a ber Stcidjsgcwerbeorbuung
burdj Aushang. Tie Vorßßrift, baß bie Arbeitsorbnnng jebent Arbeiter
ausgußäubigeu ift, hat ebenfo wie bie Strafoorfcßrift bes §. 149 a. a. £).
nur poligcilicßeu ©harafter. Ter ©rlaß einer ArbeitSorbnung wirft
hiernach ebenfo wie ber eines ©efeßes. 2 i?ic bort, fo fann aurfj hier
bie ltnfenntniß ber Veftimnuuigeu nießt baoor fcßttßen, baß fie für bas
Vcrtragsoerhältniß grunblegenb nttb titaßgebeitb fittb.
St ad) bem bie Verurteilung erfolgt war, haben fätnmt*
ließe Arbeiter bie Arbeit wieber aufgenotnuten.
Außtocrljaubclii im ©ittf prueßstermi tt. Aicßtcrlidjcs
gragerecht. Verjährung. (Urtßcil bes ©cwcrbcgcridjts Verl in,
Kammer 7, uom 25. gebruar l*9s.j
Tttrd) Vcrfämmßurtljeil oom 24. guli 1 s; ) 4 war ber Veflagtc beut
Anträge bes Klägers gemäß gur ^aßluug oon 147 t fC oernrtheilt
worben. Ter beflügle ßatte friß* unb formgereeßt gegen bas bcgcidjucte
llrtßeil ©infprnd) eingelegt, gu bem auf ben 15. Anguß 1*44 gur
Verbanblimg über ben ©iufprudj auberaumt gewefeueu Termin ift ber
Seflagte gwar oertreten gewefen, ber Vertreter hat jeboeß Taut StpungS*
protofoll nießt oerßanbelt unb pcß entfernt, oßne Anträge gu ftellen.
3n bem fpäteren Termin am 2 >. gebruar 1898 ßat ^eflagter um
Älageabweifung unb Aufhebung bcS 23erfäumnißurtßeilS oom 23. guli
1894 wegen Unguftänbigfeit bes ©cricßtS gebeten.
Ter gegen baS SSerfäumnißurtßeil oom 23 guü 1894 eingelegte
©infprud^ gilt naeß §. 38 beS ©efcfceS oom 29. guli 1890, betreffenb btc
©ewerbegerießte, als gurüefgenommen, fobalb ber 93eflagte im Termin
gur SSerßanblung über ben ©infprueß nießt erfeßeint. LeßtereS tft in
oorlicgenber Streitfacße ber galt • gewefen, ba nad) Ausweis bes
SißungSprolofottS ber bamalige Vertreter beS Skflagten in bem gur
SSerßanblung über ben ©infprueß angefeßten Termin oom 15. Auguft
1894 nießt gur Sacße oerßanbelt unb pcß oßne Anträge gu ftellen ent*
fernt ßat, bemgemäß als nießterfeßienen attgufeßen ift (§. 24 bes SleicßS*
gefeßes oom 29. guü 1890 unb §. 298 ber ©ioilprogeßorbnung).
©S toar bemgemäß baS SSerfäumnißurtßeil oom 23. guli 1894 als
reeßtsfräftig aufreeßt gu erßalten unb eS beburfte nießt eines wetteren
©ingeßenS auf bie Sacße felbft.
Urtßeil bes ftgl. 2anbgerid)tS I «erltn oom 22. April 1898
in berfeiben Sadje:
Kläger würbe mit ber erhobenen Klage foftenpßidjtig abgemiefen.
Sfadj Ausweis bcS ^rotofoHS oom 15. Slugnft 1894 ßat pcß ber
Vertreter beS Scflagten entfernt, oßne Anträge gu ftellen. ©r ßat alfo
gar feinen, gefdjmeige benn einen facßbicnlicßen Antrag gepeilt. S?acß
§. 40 ©.©.©. aber hätte ber SSorftßenbc beS ©cwerbcgertdjts ben ®er*
treter beS Seflagteu auf bie golgeu, welcße pcß aus ber S2icßtftellung
oon Anträgen für ben Seflagten ergeben, ßinweifen unb auf bie Stellung
eines facßbienlicßeit AutrageS ßimoirfen muffen. Grft wenn troßbem
ber Vertreter bes SBeflagten babei oerbliebeu wäre, Anträge nießt ftellen
gu wollen, ßätte ber ©intritt ber golge beS §. 40 1. c. angenommen
werben bürfen. Taftir, baß ber Siorberricßter bieS getßan unb ber
Vertreter gleidßwoßl Anträge nießt gepellt ßat, ergiebt pcß aus bem
protofoll fein Anßalt. Ter ©infprueß beS 3?eflagteit fann baßer ntdjl
als gurüefgenommen gelten. Aus biefem ©ruribe war bas Urtßeil oom
15. gebruar 1898 aufgußebeu.
Tas am 23. guli 1894 gegen ben Seflagten ergangene Serfäimmiß-
rtßeü ift nießt reeßtsfräftig, ba ber bagegen eingelegte ©infprueß tiicßi
als gurüdgenommen gilt, ©egen bie fomit noeß nid)t reeßtsfräftig feftgcftcüic
gorberung beS Klägers ßat Seflagter ben ©inwanb ber Seriäßriuig
erßoben. Tiefer ift begrünbet. ©emäß §. 1 bes ©efeßeS oom 3l.3Rärg
1888 unterliegt bie gorberung bes Klägers einer Verjährung oon
2Saßrcu unb nadß §. 10 beffelbeu ©efeßeS beginnt uaeß erfolgter Unter*
breeßung eine neue Verjährung, gu bereu VoÜeubung ebenfalls 2 ^aßte
genügen; nur wenn wegen beS AnfpnußS eine reeßtsfräftige Vcrurtßcilung
erfolgt ift, tritt bie orbentlicße VerjäßrungSprift ein. TaS Verfahren im
gaßre 1894 ßat, wie auSgcfußrt, gu einer reeßtsfräftigeu Verurtßcilung
nießt geführt. ©S ift fonaeß nur als eine Klagcanmelbuug im Sinne
ber §§. 551 p. Tßeil I Titel 9 Allgemeinen LanbrccßtS unb fomit als eine
Unterbredjung ber Verjäßnntg aitgufeßen mit ber SBirfung, baß oon
bem Tage an, wo ber Kläger bie Sacße ßätte fortfeßen fönnen unb
foHen — §. 554 1 . c. — b. ß. oom 15. Auguft 1894 ab eine neue Ver*
jäßruug begann. Ta mm feit bem 15. Auguft 1894 bis gum 22 . gebruar
1898, an welcßem Tage ber Kläger guerft wieber ber Sacße gortgang
gab, meßr als 2 gaßre oerftrießen fmb, fo ift bie gorberung bes Klä*
gerS oerjäßrt.
$iemacß war aueß bas Verfäumntßurtßeil oom 23. guli 1894 auf*
gußeben unb Kläger mit ber erhobenen Klage abguweifen.
Anmerfuug ber Aebaftioit: Tiefe ©ittfcßeibuitg aicbt gu oer*
feßiebeuen Vebenfcn Anlaß. 3u n ^^P tft nirgenbs oorgefdjrieoen, baß bas
protofoll Aufgcidjmutgcn bariiber enthalten foll, was ber Vorßßenbe in
Ausübung bes riditerlidieu gragereeßts gu bcu Parteien gefproeßen ßat.
Aad) §. 146 ©4?.0. ift ber „(Mang ber Verßaubluugen nur im Allgemeinen
angugebeu". Tiefer Vorfdirift aber ift genügt, wenn beim Unterlapen
oon Anträgen troß richterlicher ©imuirfnng bas protofoll befagt: „Tic
Partei entfernte fieß ohne Stellung uott Anträgen/' gernerßht aber
muß bod) woßl oon Temjenigen, ber behauptet,’ baß ein Aicßter feine
gefcßUdjen '•ppießten (hier bie bes §.40 © ©.CM.) nid)t erfüllt habe, ein
Veweis bafiir erbrad)t werben. Tas Lanbgeridjt aber nimmt als felbft*
oerpäublid) ~ ba fein Veweis oerlangt wirb, alfo als notorifcß! —
an, baß ber Vorberricßtcr feine Amtspflicht oerleßt ßabe. V?ie tum,
wenn biefer in ber Tßat fid) bemüht ßat, beu Veflagtcn gur Stellung
eines Antrages gu ucrnulaffcn ? Tas protofoll braucht ja nad) §. 140
©.^X. nidjts bariiber gu enthalten. Tantt wäre eben bic ©utfeßeibung
bes Laubgcricßts oollfommcn unrichtig.
Stimmt nun aber ba£ Lanbgericht einmal oßne jebeu Veweis an,
baß ber Vorberricßtcr feine Vfließt aus §. 40 ©.©.CM. oerleßt ßabe, fo
burfte es bie Klage itidit wegen Verjährung abweifen. Tenn bann
wäre ja bie Sache burd) bie edntlb bes Virfjters liegen geblieben, unb
folaiigc bi es geidpeßt, läuft nach §. 555 A.L.A. Tßeil I Tit. 9 feine
Verjährung.
21
BaS ©eroerbegeridpt. MittheUmtgen be« Berbmtbe* beutfcpet ©emerbegericpte. Kr. 2.
22
3ft ein ©dpadptmeifter als Arbeiter, SBerfmeifler ober als
felbftänbiger Unternehmer angufepen? (gmifc^enurt^ctl be$ ©e-
toerbegeridptS su $ortmunb oom 23. ®egember 1896 unb ©ntfdpeibung
bes Königlichen SanbgerichtS bafelbft oom 10. April 1897.)
Kläger oerlangt 1223,37 & für geleiftete Arbeit, Beflagter ergebt
bie ©inrebe ber UnguftänMgfeit beS ©ewerbegeridpts.
©rfte gnftang: Kläger ift als gewerblicher Arbeiter angufepen.
(Sr patte grnar nadp bem Vertrage allein Kiftfo unb ©ewinn, auefj bie
Arbeiter im eignen Kanten anguneptnen, trofcbem ift er nidjt felbftänbiger
Unternehmer gemefeit. $)enn eS ift in einzelnen ©ewerben üblidp, bah
ber Unternehmer etngelne AngefteHte, meldpe eine geioiffe Huffid^t su
führen paben, am Unternehmen in ber SBeife betheiligt, bah er nur für
bie mirflidp geleiftete Arbeit Afforbfummen befahlt, fog. Unterafforbanten.
3m oorliegenben gatte bepfet Kläger auch feine BetriebSftätte, fein
eigenes SBerfgeug, fonbern erhält bieS fotoie Material oon bem Beflagten.
tiefer oerftchert auch bie Arbeiter auf feinen Kamen, sieht bem Kläger
bie BerficheruitgSbeiträge ab unb pat mit ben Arbeitern fd^riftUd^en
KünbigungSauSfcpIuh oereinbart. Auch erhält Kläger oon bem Beflagten
ben jebeSntal fälligen Sohn für bie Arbeiter sur Söpnung. ©in ©enterbe
jur Steuer pat Kläger nicht angemelbet, feine Arbeiten tourben täglidp
oon bem Beflagten reoibirt. Ueberbies burfte Kläger anbere Arbeiten
nicht annehmen.
©r mar hiernach fein felbftänbiger Unternehmer, auch fein SBerf*
meifter, fonbern ein Arbeiter, ba er feine höhere tedpnifdpe Ausbübung
befajj uub neben ber Beaufftdjtigung ber Arbeiter auch biefelben Arbeiten
roie biefe oerricfjtete.
3 weite 3oftong: Kläger ift felbftänbiger Unternehmer, bettn er
hat oertraglidj bie felbftänbige Ausführung ber für bie Kanalifation
erforberlichen ©rbarbeiten, er oerteilt felbftänbig bie Arbeiten, unb ohne
3utpun beS Beflagten engagirt unb entläßt er eigenmächtig bie Arbeiter.
©r, Kläger, trägt bie für ben Arbeitgeber gefefclidp feftgefefcten Bei¬
träge gur Kranfeu* unb 3no.*AlterS=Bcrfidjerung.
$)afj Kläger burch Lieferung oon Söerfgeug unb Materialien oom
Beflagten unterftüpt mürbe, ift ohne Bebeutung, ebenfo bie Keoifion
feitenS bcs Besagten.
$en AuSfdpluh ber Kiinbigung mit ben Arbeitern pot Beflagter
mahrfiheinlich nur beSroegen oereinbart, um Klagen berfdben megen
unreeptmähiger ©nttaffung su entgehen.
3ft ber Arbeiter oerpflichtet, oh»c ©ntfdjäbigung aus*
gufeben? Bebeutung mitnblidper Kebenabreben neben ber
ArbeitSorbnung. (Urtheil beS ©ewerbegeriepts Hamburg oom
9. gebruar 1898.)
Kläger ocrlangt 3opIung eines Arbeitslohnes für gwei Sage, au
bencu er auf Beranlaffung beS beflagten ScrffiiprcrS bie Arbeit pabe
ausfefcen miiffen, obwopl er sunt Arbeiten bereit gemefeit märe.
Ser Beflagte pat biefe Behauptungen gugegcbcu, fidf) aber auf
§. 14 feiner ArbeitSorbnung berufen, welcher lautet: „Urlaub ift per*
fönlicp oon bem Borgefcfcten eingupolcn, bei längerem Urlaub Sags
oorper. Opne genügeube ©ntfdjulbigung barf fein Arbeiter bic Arbeit
oerfäunten. Bei miebcrholtem Ausbleiben mährenb beffelbeu Monats
faun ber AuSbleibenbe fofort unb ohne Kitubigung entlaffen mcrbcu.
33er ohne geniigenbe ©ntfchulbigung länger als brei Sage uerfäuutt,
öerliert bas Kecpt auf 33citerbefdjäftigung unb gilt als miberrerptlicp
aus bem ArbeitSoerpältnih auSgefdpieben." gerner fei ben Arbeitern,
auch bem Kläger, mitgctheilt morben, bah äße biejenigen Arbeiter,
roelrhe ohne pinreidjenbe ©ntfchulbignng an einem Montage bei ber
Arbeit fehlten, ftch gefallen laffen mühten, bis Mittmodj Abcnb berfelben
33od)e sn feiern. Beflagter mürbe nach bem Klageanträge oerurtheilt
ans folgenben ©rünbeit. Auf bic Beftimntungen beS §. 14 ber ArbeitS*
orbnnng fonnte ftch ber SBerfnteifter sur Kechtfertigung feiner bem
Kläger gegenüber getroffenen Anorbnitng nicht berufen. $5er Abfajj 1
bes §. 14 beftimmt nur garts allgemein, bah Urlaub perfoulidp oon
bem Borgefepten cinsuholen ift, bebroljt aber nicht etma bie Unterlaffung
biefer Ginholung mit einer gmeitägigen ArbeitSauSfepung. Abfap 1
unb 3 panbeln oon ber BorauSfepmtg ber fofortigen ©ntlaffung unb
bem Berluft beS Kecpts auf 33eitcrbcfchäftigung, greifen fomit hier
nicht ^lap, weil Kläger meber entlaffen morben ift, nodj ber Beflagte
oon einer SSeiterbcfdjäftiguug Abftanb genommen pat; Beflagter ^at
oielmepr bem Kläger ausbriicflidp mittheilen laffen, er folle bis über¬
morgen sn $aufc bleiben, moraits heroorgeht, bah Kläger oon
Sounerftag ab meiterbefchäftigt merben foHte.
ganb aber bie Mafjnapme bes SBerfmeifterS in ben Beftimmuttgeu
ber ArbeitSorbnung nid)t ifjre Berechtigung, fo fragte es fich meiter, ob
eine miinblidje ©rfläruug, bah berfelbe einen am Montag ohne ge*
niigenbe (Sntfdjulbigung fcplenben Arbeiter bis Mittmodj feiern laffen
föuue, gegenüber ben Beftimmungeit ber ArbeitSorbnung genügte, um
bie fraglidje Anorbnung sn rechtfertigen. $iefe gragc mar su oer*
neinen. Sie redptlidpen Begehungen gmifchen ben Parteien werben
burd) bie Beftimntungen ber ArbeitSorbnung geregelt, unb ba biefelben
bie ©ruhblagen beS ArbeitSocrtrageS bilben, fo ftnb bie Kedjte unb
BfUdpten ber Kontrahenten auch lebtgltch nach Mahgabe berfelben sn
beurtheilen. Kun enthält aber bie ArbeitSorbnung fein SBort über
bie oon ber Beflagten einfeitig ihrem SSerfmeifter oinbicirte Be¬
rechtigung. ©ollte aber eine foldpe als 3ufnp ober Abänberung ber
ArbeitSorbnung hinsugefügt merben, fo hotte bas burch Anfdjlag
tn ber gabrtf befannt gemadpt merben müffen. t)a% biefeS gefdpehen
fei, h a t Beflagter nicht su behaupten oermocht. ©ine blope ©r*
flärung, mie fie Beflagter behauptet, genügte alfo nicht, eine Ab¬
änberung ber ArbeitSorbnung herbeiguführen.
. 3ft ber Arbeiter oerpf lidptet, bem Arbeitgeber auf Befragen
Su fagen, unter welchem Söerfmeifter er arbeitet? (Urtheil bes
©ewerbegericfjtS s u granffurt a./M., oom 15. September 1898. Bor*
ftpenber: ©eridptS-Affeffor ^ohlmann.)
2)er Kläger oerlangt, weil er ohne Kiinbigung entlaffen ift, ©nt*
fdpäbigung. 2)ie Beflagte roenbet ein, bah ber Kläger ftch beharrlich
geweigert höbe, ben ihm nach bem Arbeitsoertrage obliegenben Ber*
Pachtungen naebsufommen. Auf bie gragen beS BctriebS-gngenieurS
M., ber ben Kläger anfdpeinenb fdplafenb an feiner ArbeitSfteDe betroffen
habe, feinen SBerfntcifter s« nennen, höbe ber Kläger trop micberljoltem
Berlangen nicht geantwortet. $)er Kläger hot biefeS sugegeben mit
bem Bemerfen, bah er, burch bie Art unb 28eife, mie er gefragt morben
fei, oerlept, nicht geantwortet höbe. UebrigenS h fl t ber Beflagte sn=
gegeben, bah tu bem betreffenben Kaum nur s*oei SSerfmeifter be*
fdpäftigt fmb.
®er ©treit ber Borteien breht ftch beSljalb barum, ob in bem
Bcrhalten bes Klägers eine beharrliche ArbeitSoermeigerung s u fehen
ift. ®iefe grage ift oerneint morben. $>cntt es fann an fidp fch°n
Sroeifelljaft fein, ob überhaupt bie Kennung bes Borgefepten sn ben*
jenigen BerpfUdjtungen gehört, bie bem Arbeiter auf ©runb bes ArbeitS*
oertrageS obliegen. AuSfunft über bas ArbeitSprobuft gu geben, wirb
ber Arbeiter oerpfli^tet fein. AnberS fteht eS mit bem Kamen bcS
Borgefepten, ber bem Betriebsleiter ober beffen ©teHoertreter an ftdj
befannt fein muh ober leicht befannt merben fann. 3 m oorliegenben
galle fommt bagu, bah in bem Kaum, in bem ber Kläger gearbeitet
hat, nur grnei SBerfmeifter tljätig ftnb. ©S genügte alfo eine einfache
©rfunbigung feitenS bes Befragettben, um ben Kamen beS SBerfnteifterS
feftguftellen. ©omit lag im oorliegenben galle eine BerpfUchtung bes
Klägers gur Kennung beS KamenS feines Borgefepten nicht oor.
SBirb ein Seljroertrag burch unorbentlidfje Ausfüllung
beS BertragSformularS ungültig? (Urtheil bes ©eroerbegeridjts
Berlin, oom 28. April 1898. Borfipettber: ©eWerberichter Mechow.)
Auf ©ntnb beS fchriftlidjen ÖehroertrageS oom 1. Mai 1897 ift ber
Kläger feil biefem $age beim Beflagten in ber Beljre gemefen. Am
1. Märg er. ift Kläger aus ber Sehre getreten, ba er ergeblich oom
Beflagten nicht fadjgemäh im ©djlofferhanbmerf untermiefen morben
ift. Kläger ©erlangt Auflöfung beS SehroerhältttiffeS. Beflagter hot
erflärt, er fei mit berfelben nur bann einoerftanbett, wenn Kläger iptn
bie im §.11 beS SehroertragS ftipulirten 100 M. ©ntfchäbiguttg gaple.
^er Behroertrag oom l.Mai 1897 ift unter Benuputtg eines gormularS
abgefahh aber in golge mangelhafter Xurchftreidjung begm. Ausfüllung
beS Borbrucfs berart unoerftättblich (inSbefoitbere auch §. 11), bah &oS
©ericht ber Meinung ift, bah bie gefeplich erforberliche ©chriftfortn als
nidpt gemaljrt angufehen ift. $a aber beim Mangel ber fdjriftlichen
gorm Kedpte aus einem Scljroertrag beiberfeits nidpt perguleiteu fiub,
mar bem Anträge bes Klägers ftattgugeben.
Kü eftritt oom Sepr oer trage. (Urtpeil eines fübbeutfdjen ©e-
merbegeridpts, mitgetpeilt oon B.)
Beflagter gab bem Kläger gentäh fdpriftlidpcn Bertragcs feine
beiben tninberjährigen ^ödjter auf gmei 3 a hrc in bie Öepre. Kacp §. 1
burfte Kläger innerhalb ber erften oicr SBocpeit „ben Seprling ohne
oorperige Kiinbigung mieber entlaffen, wenn er fiep für bas gu ©r*
leruenbe uiept eignen füllte"; in bem §. 8 ift beftimmt, bap Be*
ffagter, falls bie Seprgcit opne Sofrtwmuug bes Klägers unterbrodjeu
mürbe, eine Konoentioualftrafc oon 20 M . au ben Kläger gu entridjtcu
pabc. Kläger behauptet nun, ber Beflagte pabe feine lödjter aus ber
Sepre pcrausgetiommen; biefelben feien feit bem 25. Sage nach Ab*
fdjluh bcS BertrageS niept mepr bei ipm erfdpteneu. Kläger ocrlangt
behpalb, bah Beflager entmeber feine beiben 'Jörfjter in bie öepre gurücf*
gebe, ober bie Konoentioualftrafc mit je 20 Ji. begabte. Beflagter giebt
bie $patfadpe ber Klage als ridjtig gu, macht aber geltcnb, es mi'tffe
bem BeprUng begm. beffen gefeplicpen Bertreter in ben erften oier SBodjen
ber 2epre freiftepen bie üepre gu oerlaffen. Kläger ermibert, ein ber*
artiges Kedjt ftepe naep bem Bertrag nur bem Sepr Perm gu.
23
$o* Gewerbegertcht. Pttthetlungen be$ fßerbanbeS heutiger Gewerbegerichte. Nr. 2.
24
T)te Klage würbe abgewtefen.
Nad) §. 128 ber Gewerbeorbnung fann bas Sehroerhältntjj währenb
ber erften oier Soeben nach beginn ber fiehrjeit bureb einfettigen Nüd*
tritt aufgelöft werben; tiefe Veftimmung gilt für beibe Tljetle unb
fann bureb Vertrag jwar wobt in ber Seife abgednbert werben, bafj
bie (ßrobejeit auf IjöchftenS brei Sonate oerlängert wirb, niebt aber
etwa in ber Seife, bafj bie ^robejeit abgefitrjt ober ganj aufgehoben
wirb. (Sine Veftimmung aber, bureb welche jwar bem fiebrherrn, niebt
aber jugleidj bem Seljrling baS S^eebt beS NiicftritteS Vorbehalten bliebe,
würbe bem Grutibfajjc ber §§. 122 unb 128 ber Gewcrbeorbmmg, bafc bie
Rechte beiber Tljeile bejiiglid) ber Künbigung bejw. beS einfeitigen Nüdf*
tritteS gleieb fein müffen, totberfprechen unb gefefclieb unjuläfftg fein.
3ft bas Gewerbegerid)t juftänbig für ^erfoneit, welebe
nur mit bem Umfa$ gewerblicher ©rjettgrtiffe befebäftigt
finb? (Urtheil beS GewcrbegeridjtS Köln oom 26. Pat 1898.)
(Sine 2abengef)ülfin flagte gegen einen Sefcgermeifter auf Sofjn*
entfebäbigung. Veflagter rnaebte geltenb, bat bie Klägerin nur als
Verfäiiferin in feinem Stoben tfjätig gewefen unb baber baS Gewerbe*
geriebt lmjuftänbig fei. Tie Klage würbe wegen Unjuftänbigfeit bes
GewcrbegeridjtS abgewtefen. Nach §. 2 bcs GefcfceS, betreffenb bie
Gewcrbcgcridjte oom 29. ^ult 1890, gelten als Arbeiter im Sinne
biefes Gejefces Verfoiten, auf welche ber VII. Titel ber Gewerbeorbnung
Anwenbung finbet. Nur für bie Klagen folcfjer Verfonett ift gemäß
§§. 1 unb 2 a. a. D. baS Gewerbegericht juftänbig. Nad) ber aus*
brücfltcben Veftimmung ber Gewerbeorbnung im §. 154 Abf. 1 finbet
aber ber VI1. Xitel ber Gcmerbcorbmmg auf Geljülfcn unb Sehrlirtge
in £>anbelsgefd)äften feine Anwenbung. ©S fann aber feinem Zweifel
unterliegen, bafc ber Umfaß ber oon bem $aubwerfe b^geftelltcn
Saaren als £>anbelsgcfd)äft im Sinne jener Veftimmung attjufefjen ift.
(SS liegt aber feine Veranlagung oor, ben AuSbrucf „$anbels*
gefebäft" in bem befebränfteren Sinne ber Artifel 271 ff. beS #aitbels*
gefejjbucbeS ju nehmen, namentlich fann man niebt aus bem Abf. 3 beS
Artifcls 273 folgern, bafj ber Gefdjäftsbctricb beS £>anbtoerferS, foweit
er lebiglid; auf ben Umfaß feiner ©rjeugniffc gerichtet ift, nicht als
.£>aitbelSgefdjäft anjufeben fei. TieS ift besljalb uidjt angängig, weil
man bie Vcgriffsbeftimmung beS §attbclSgcfeßbudjeS überhaupt nicht
ohne Sciteres auf bie Gewerbeorbnung übertragen fann, unb weil
bas .ftaubelsgcfcßbnch ÜO n einjclnen NechtSgcfdjäftcn, ber §. 154 ber
Gewerbeorbnung aber oon beut Gefdiäftsbetrieb im Gaitjen fpriebt.
Pangcls einer befonberen VcgriffSbcftimmimg ift alfo ber gewöhnliche
Sortfinn entfc^cibenb. Patt oerfteht aber nach gewöbitlidjem Sprach 3
gebrauche unter „|>anbelsgcfdjäft" benjenigen Gefdjäftsbetrieb, weldjer
im Gegenfaße jur ©rjeugung ben Umfaß oon Saaren jum Gegen*
ftanbe hat.
22ie lange fönneu bie GuttaffungSgrünbc bcs §123 ber
Gewerbeorbnung geltenb gemacht werben? (Urtheil bes Ge*
werbegeriebts ju grau f fit rt a./P., oom 2. 3uni 1898).
Kläger, am 16. Pai ohne Künbigung entlaffen, oerlangt oierjehn*
tägige 2oI)neiitfd)äbigung. Tic Veflagte wenbet ein, ber feit Anfang
2>tat in Simburg oon ißr befrfjäftigtc Kläger fiabe am 4. Pai unbefugt
bas Arbcitsucrhältnifj oerlaffen unb fei erft am 7. Pai Abenbs nad)
grauffnrt juriiefgefommett. Nodj am 4. Pai habe fie oon beut Monteur,
unter bem ber .(Häger gearbeitet habe, bie Pitthcilung oon bem gort*
bleiben bes .(Hägers erhalten. Am 5. SO?ai habe fie aufjerbem eine starte
oon bem Pouteur erhalten, in ber er aitsbritcflidj erflärt habe, baf> ei¬
ben .(Häger uidit entlaffen habe. Ter .(Häger bagegen habe am 7. 50cai
erflärt, ber Pontenr habe ihn an ber Weiterarbeit oerhinbert unb fort*
gcfdmft. Taraufhiu habe fie bem .(Häger erflärt, er [olle vorläufig
weiter arbeiten, wenn fidj aber bas Sadtoerhältitifj fo herausftelle, wie
ber Monteur behaupte, fo fei er fofort entlaffen. Ter .(Häger fei barauf*
hin bie folgenbc Sodje unb nodj am 16. Pai in Tarmftabt befdiäftigt
worben. ?lm 7. Pai 2lbenbs habe fie uoduuals au ben äVontcur ge*
fdjriebeu unb unter bem 9. Pai bie Antwort erhalten, bafj es fidj fo
oerhalte, wie er angegeben habe. Taraufhiu habe fie es bei bem Siber*
fprud) ber Eingaben bes .(Hägers unb bes Poutenrs für nothweubig
gehalten, einen ihrer Jlngcftelltcn felbft an Crt unb Stelle ju fdjicfeu.
vHud) biefes iei innerhalb ber Wodje oom bis 16. Pai gefdieljcu.
21 ui 14. Pai fei ber 21 ugefteüte wieber jurfufgeweien unb habe bie 21 u=
gaben bie Ponteurs beftätigt. Somit fei fie beredjiigt gewefen, beit
.(Häger nod) am 16. Pai ju entlaffen. Ter .(Hager hat erwibert,
bat; ber Pouteur ihn burdj Trohuugeu unb s i?efdjiinpfungeu an ber
AWifepimg ber 2lrbeit oerhinbert habe.
Tie Beweisaufnahme hat ergeben, bat; Mläget' am 4. Pai, ohne
baf; er baju burd) bas Verhalten bes Ponteurs getiothigt war, bie
Arbeit autgegebeu hat. Tie Beflagte war baljcr beredttigt, ben .(Häger
oljne .(Hiubiguug ju entlaffen, unb es fragte firij nur, ob fie oon biefem
(Sntlaffungsgrunb noch rechtzeitig Gebrauch gemalt h®*- Stad) §• 123
2lbf. 2 ber Gewerbeorbnuttg ift bie Gntlaffung nicht mehr juläfftg, wenn
bie ju Grunbe Iiegenben Thatfachen ben Arbeitgebern länger als eine
Sodhe befannt finb. Tag ber Kläger am 4. Pai bie Arbeit oerlaffen
hatte, war ber 23eflagten am 4. Pai bureb Telegramm beS Ponteurs
bereits befannt. Sollte man alfo oon biefem Tage ab bie grift rechnen,
fo wäre bie Gntlaffung am 16. Pai oerfpätet erfolgt. 3*bocb finb ber
Seflagten burd) bie Angaben beS Klägers Srveifel entftanben, ob bie
Angaben bes Ponteurs richtig waren. TeSbalb mufete fie für befugt
erachtet werben, erft ibrerfeitS Grmittelungen anjuftellen, um ftch über
ben ridjtigen Sachoerhalt ju oergewiffern. fiefcereS ift ohne S^itoerluft
innerhalb ber Soche oom 8. bis 16. Pai gefd)ebcn. Grft als bie 93e*
flagte glaubte, geniigenbe Sicherheit für ihr SBorgefjen ju b<röcn, ohne
ftch bei etwaiger unbegrünbeter Gntlaffung beS Klägers einem SchabenS*
erfa^anfpruch aitSjufehen, fonnte fie bie Gntlaffung auSfprethen unb hat
fte fobamt innerhalb ber grift oon einer Soche oolljogen. Teingcwäh
war bie Gntlaffung auch nod) rechtjeitig erfolgt. Kläger war baber
mit feiner Älage abjuweifen.
Sinb Vereinbarungen mit einjelnen Arbeitern ab*
weidjenb oon ben Vcft immun gen ber ArbcitSorbnung, fpejiell
hinfidhtlich ber ^üubignngsfrift, juläffig? (Urtheil bes Gewerbe*
geri^tS, Königsberg i./^r., oom 19. Auguft er. Vorfthenber: Stabt*
rath ^ofjl.)
Kläger, ein Pafd)inenbaucr, ift oon ber bellagten girma am
6. Auguft er. ohne Kündigung entlaffen worben, obwohl in ber Arbeits*
orbnung ber Veflagten eine 14 tägige Künbiguitgsfrift fcftgefejjt ift.
Kläger ocrlangt oon ber Veflagten Sdjabenerfah- Turch bie Veweis*
aufnahme ift fcftgeftcllt, bap mit bem Kläger bei beffen Gintritt in bie
Vefchäftigung am 25. 3uli b. 3- bie burch bie ArbeitSorbnung nomtiric
Künbigungsfrift ausgefdjloffen uub oereinbart worben ift, bap bas
ArbcitSoerhältuifj jeberjett ohne oorfjerige Küitbigung aufgelöft werben
fönne. ©ine foldje Vereinbarung ift juläfftg; wenn im §. 134a Abfafc 3
ber Acidjsgcwcrbeorbuung beftimmt ift, baf) Abänberuitgen bes 3»halts
einer ArbeitSorbnung nur burd) ben ©rtafj o.on Nachträgen ober in
ber Seife erfolgen fönnett, bap an Stelle ber befteljeuben eine neue
ArbeitSorbnung erlaffen wirb, fo h^t biefes nur beit Sinn, bap für
bie Gefammtheit ber Arbeiter gültige Abänberungen ber Arbeite*
orbnung nur in ber oorgefdjriebenen Seife erfolgen bürfen. Tafe Ab*
änberungen ber Veftimmuugen ber ArbeitSorbnung, j. V. über Anfang
unb Gnbe ber täglidjcu ArbeitSjcit, über 3^it unb Art ber Abrechnung
unb Sohnjaljlung, über Künbigungsfrift u. f. w. burch bejonberen Ver*
trag mit einjelnen Arbeitern oereinbart werben fönnen, geht fdjoit aus
ber Veftintmung bes §. 134 c Abfafe 2 Ijrrwor, worin es Reifet: „Anbcre
als bie in ber ArbeitSorbnung ober in beit §§. 123 unb 124 oorge*
feheneu Grünbe ber (vorzeitigen) ©ntlaffung unb beS (oorjeitigen) Aus*
tritts aus ber Arbeit bürfen im ArbeitSocrtrage nicht oereinbart werben",
hieraus folgt, baj) anbere Abänberungen ber ArbeitSorbnung, ins*
befonbere alfo auch Abänberungen ber KünbigungSbebingumgen burch
befonberen ArbeitSoertrag juläffig finb, beim fonft wäre cs nicht
crforbcrlid) gewefen, eilte folche Abänberung für befttminte gälte ju
oerbieten. — Kläger würbe mit feiner SchabenSerfafcforbcrung abge*
gewiefen, ba ber Veflagte ju feiner ©utlaffuitg ohne oorherige Künbigung
beredjtigt gewefen fei.
gnwieweit ift Kranfljeit bes Arbeiters ©ntlaffungs*
grün b. (Urtheil bcs Gewerbegerichts Verl in Kammer 3 -- 1391/973
- oom 12. Nooember 1897. Vorfifeeitbcr: PagiftratS * Affeffor
Sdjtitiebcr).
Kläger, ein Nohrleger, ift oon ber oerflagten §anbeisgefellfd)aft
am 23. Cftobcr 1897 oljuc Künbigung entlaffen unb flagt beShalb aut
^aljlnng einer 2oljncHtfdjäbigung für 14 Tage.
Veflagter beantragt Abweifung mit bettt ©inwattbe, bag fic ben
Kläger enllaffett fjabc, fobatb fie erfahren, bap ber Kläger früher an
©pilepfic gelitten. 2oldjc 2eutc bitrje fie auf Vauteii nicht befdjäftigrn.
Veflagter würbe jur Zahlung oerurthcilt.
t'Hünbe: Ter ©tuwanb ber Vertagten ift uidjt burchgreifettb. 3m
§. 123 Gcwerbeorbnung finb bie Grünbe, aus betten eilt Arbeitnehmer
ohne Künbigung entlaffen werben barf, erfdjöpfettb aufgeführt. Tafclbft
ift eine Mraufbeit nur infoweit als ©ntlaffungsgrimb aufgeführt, als
ber Arbeitnehmer burd] bicfclbc au ber gortfeputig ber Arbeit ocr*
hinbert wirb; jur „gortfepung" ber Arbeit tititfj er unfähig fein, b. h.
alfo er tuuf; infolge ber Kraufheit bas uidjt mehr leiften fönnett, was
er bisher geleiftet hat. Tiefer galt liegt hier nidjt oor, wettigfterts hat
Veflagte uidit bas Piubeftc bafiir oorgebradjt, bap Kläger oom
23. £ ft ober ab weniger arbeitsfähig gewefen fei als iu ben uoran*
gegangenen fünf Pouateit. Senn Veflagte meint, fte fönne ben Kläger
entlaffen, fobalb fic ilju auf Vauteu uidjt befchäftigcu biirfc, jo irrt fte;
25
$>ad öewerbegericht. HRittheilungen bed Serbanbed beutfdjer @emerBegerid|te. 9?r. 2.
26
beim im §. 123 cit. ift nid ©utlaffuugdgrunb bcr gall ttic^t aufgefüBrt,
bah ein ©efeft poligeilichcn ©Ijaraftcrd eine befümmte ?trt bei* Sefchäftiguug
bed Arbeitnehmers «erbietet. SRuh ber Arbeitgeber einem joltfjen ©efeft
Aedjnung tragen fo erlangt er boef) baburch nicht bad Aecht ein anbered
©efeft — Bier bie ©ewerbeorbnung — gu «erleben. Died um fo weniger,
ald bie beibeu ©efefte fich gar nic^t wiberfprcchcn, weil ja bem Arbeit*
geber immer nodj bie SRöglichfeit offen bleibt, Arbeiter, bie er auf
Santen-nidjt befrfjäftigen barf, anbermeitig jn «erwenben.
Jft ein Sdjlofferanfcfjläger gewerblicher Arbeiter ober
felbftänbiger Unternehmer? (UrtBeil bed ©ewerbegerichtd granf*
furt a. 3Jt.)
Die Parteien B^ben übereinftintmenb ertlärt, baß ber Kläger eine
eigene SSerfftätte nic^t Babe, ©r arbeite auf «erf(Biebenen Sauten je
nacB Belieben, audj 31 t gleidjcr 3 c *t für «erfchiebene Arbeitgeber. 3Jta*
terial befomme er geftellt, wenn er auch bad 2 £erfgeug mitbringen miiffe.
Der Kläger B fl be bie Berechtigung, Arbeiten, bie nicBt unmittelbar in
fein gadj fallen, burcB anbere Arbeiter audführeit ju taffen.
@d mar gunächft bie grage ber Unjuftänbigfeit bed ©ewerbegericBtd
311 prüfen. Jnbent bad ©ewerbegeridjt feine 3uftänbig?cit annaBm, ging
cd «on ber ©rwägung aud, bah ber Kläger feiner garten wirtljfdjaft*
Iidjen Stellung nacB Arbeiter ift. ©r arbeitet 3 U benfelben Säften mie
ein gewöhnlidjer Arbeiter, ber im Dienft unb unabBängiger Stellung
bei einem felbftänbigen Unternehmer fidj befinbet. ©r befommt bad ge*
fammte Material geliefert unb Bat feine eigene SSerfftätte. An biefer
feiner Stellung ald unfelbftänbiger ©emerbetreibenber änbert nidjtd, bah
ber Kläger fein eigened S^erfgeug Ijat unb bah er tBeilweife feine Ar*
beiten, fomeit er fie nidjt felbft nudführen fann, burdj anbere Arbeiter
(Sdjreiiter) audführen laffen barf. Dad HJtitbringen «on Sterfgeug ift
in «ielen Setrieben eingefüljrt (lagelöljner miiffen ihre Schuppen mit*
bringen) unb bad Audfiiftren ber übernommenen Arbeit burd) anbere
Arbeiter befteBt ebenfaHd in einselneu Setrieben (bei ben HRaleru). Der
Kläger Batte allerbingd bie Sefugnift, nicBt blofj für einen geioerblidjen
Unternehmer, fonbern für meBrerc gleid) 3 eitig 3 U arbeiten. Doch biefed
Moment fann für feine felbftänbige Stellung nicBt angeführt werben,
ba bad gortf(Breiten berartiger Arbeiten, wie ber Kläger fie übernimmt,
«on bem gortfcBreiten anberer in bem Sau audgufiiljrenben Arbeiten
abBängt (Sdjrcincr, Staurer u. f. w.). Diefe Scfugnifj giebt «ietmeBr,
ba ber Kläger nacB bem Audgcfüftrten unfelbftänbiger Arbeiter ift, iftm
eine äljnlidje Stellung wie bem Heimarbeiter, mit bem Unterfdjiebe, bah
ber Heiniarbeiter im Haufe ftatt in ber SBerfftatt arbeitet, wogegen bie
Arbeiten bed Klägerd ed mit fuB bringen, bah er nicBt 3 U Haufe, fonbern
am brüten Drte tfjätig ift.
Arbeitdoerweigerung. Sebeutung bcr „Säcfereioerorb*
uung". (UrtBeil eined fübbeutfcBen ©cwerbegeridjtd, mitgetheüt «on S.)
Kläger Batte eined Abenbd um 9 Uftr bie Arbeit begonnen unb —
mit einer einftiinbigen UnterbrecBung — gearbeitet bid borgend etwad
nacB 10 */» Uljr. Seflagter «erlangte nun «on bem Kläger, er fülle H 0 I 3
flein madjen, worauf biefer ermiberte, „er ljabc jeftt über 13 Stunben
gearbeitet unb mache fein H 0 I 3 meljr flein"; hierauf würbe Kläger ent*
laffen. ©r forbert jeftt 13, 8 o M. ScBabenerfaft wegen «ermeintlicB un*
berechtigter ©utlaffung. Unftreitig beginnt beim Seflagten bie Arbeit
Abenbd um 9 Uljr unb bauert mit einer Stunbe Unterbrechung halb
bid Vj 10 Uftr, halb bid 10 UBr, auch bid Vs ober*/ 4 11 Uljr Bormittagd.
9?acB Sollenbung ber Arbeit wirb in ber Siegel noch H 0 I 3 flein gemacht;
fobann beginnt bie Arbeitdrufte, welche mit einer furgen Unterbredjung
3 wifchen 6 unb 7 UBr bid Abenbd 9 Uhr bauert.
©d würbe nach bem Klageanträge erfamtt aud folgenben ©riinben:
3weifelIod entfpricht bad Serlangen bed Seflagten ber «on berljiefigen
Sädergenoffenfdjaft unterm 2 . Juli 1895 «ereinbarten ©efchäftd* unb
Haudorbnung; beim biefe ©cfd)äftdorbnung, weldje bid Beute noch nicht
audbrüeflid) wieber aufgehoben würbe, beftimmt in §. 6 : „bah bie Ar*
beitd 3 eit an SSerftagen 3 U bauern Bat «on Abenbd 6 bid 7 UBr unb
«on Abenbd 9 Uftr bid 3 um anberen SRittag gegen 12 Uljr".
©d fann ferner nicht be 3 weifelt werben, bah bie Arbeiter bed Se*
ftagten unb indbefonbere ber Kläger felbft nichtd bagegcit ein 3 uwenben
Batten, baß ab unb 311 bie Arbeit länger ald bid 10 UBr bauerte unb
fpe 3 ieli bid gegen 11 UBr H 0 I 3 flein gemadjt würbe. Allein biefen beiben
©rwägungen fleht bie Seftimmnng bed §. 120 e ber ©ewerbeorbnung
unb bie auf ©runb biefer Seftimmung erlaffeue Sefanntmadjuug bed
Sunbedratl)d «out 4. SRärg 1896, betreffenb ben Setrieb «on Säcfereien
unb Konbitoreien, unbebingt entgegen; biefe Sefanntmadjuug beftimmt,
baft bie Arbeitdfdjidjt jebed ©e^üfen bie Dauer «on 3 wölf Sdjid)t*
[tunben ober falls? bie Arbeit «on einer Saufe «on minbc[tend einer
Stunbe unterbrochen wirb, eiiifdjlichlich biefer Saufe, bie Dauer «on
brei 3 ehn Stunben nicht überleiten barf; auherhalb biefer 3 uläfftgen
Arbeitdfchicht bürfen bie ©ehülfen nur 3 U g ei eg en 11 i dj en Dienftleiftungen
unb Bödjftend eine halbe Stunbe lang bei ber HerfteQung bed Sorteigd,
im Uebrigeu aber nidjt bei ber H er fi c Ö l|U 9 ^on SBaaren «erwenbet
werben, ©d ift unsweifelhaft, bafe bie bem Kläger am 20 . «origen Slo*
natd angefonnene Arbeit biefer Seftimmung ber fogenannteu Säcferei*
«erorbnung wiberfpricht; benn bie Arbeitdfdjicht, welche ber Kläger 31 t
leiften Tratte, Batte gebauert « 01 t Abenbd 9 UBr bid nach 10 UBr, fomit
über bre^eftn Stunben, unb bie bem Kläger angefonnene Arbeit bed
Kleinmachend «on H^S ift feine gelegentliche Arbeit, fonbern eine
Arbeit, welche ber regelmäßige ©efehäftdbetrieb mit fid) bringt, ©d
folgt Bieraud, bafc, wenn ber Kläger bie Somahme biefer Arbeit «er*
weigerte, er lebiglid) «on einem ihm bitrdj bie ©ewerbeorbnung be 3 iehungd*
weife burdj bie auf ©runb berfelbeit «on bem Sunbedrath erlaffene Se*
fannttnachung «om 4. S?är 3 1896 eingeräumten Siechte ©ebraudj madjte
unb baft hiprwegen eine ©utlaffung berfelben uidjt erfolgen fonute;
gegen biefe golgerung fönnen aber weber aud ber ©cfdjäftdorbnung uont
Jaftre 1895, nodj and bem feitljerigen Serljaltcn ber Arbeiter bed Se*
flagten unb indbefonbere bed Klägerd felbft Sebenfert erhoben werben:
1. $ie ©efchäftdorbuung «om Jaljrc 1895 war 3 war feiner 3cit
gültig erlaffeu unb würbe bio Ijeute nodj uidjt burdj eine anbere ©e*
fchäftdorbnung erfeftt; allein fie Bat infoweit iljre ©ültigfeit «erloren,
ald fie ber mit bem 1 . Juli 1896 in'Kraft getretenen Sefanntmachung
bed Sunbedratfjd «om 4. Siät 3 1896 wiberfpricht.
2 . Jn bem feitherigen Serljaltcn ber Arbeiter bed Seflagten fönnte
man einen Scrsidjt bed Klägerd auf eine ftrenge ©inBaltung ber Se*
ftimmung ber Säcfereioerorbnung ober eine ftillfdjweigenb abgefchloffene
Sereinbarnng baljin erblicfen, bah ber Kläger [ich eine fur 3 c lieber*
fdjreitung ber «orgefdjriebenen Arbeitdfdjidjt gefallen laffen miiffe; allein
auch biefer ©inrnanb ift Ijiiifätlig: bie Säcfereioerorbnung ift in
redjtdgültiger Steife im öffentlichen Jntereffe aud ©rüuben bcr öffent*
lidjen 3Boljlfaljrt crlaffen worben; fie fann bedhalb weber burdj ein
audbriicflidj ober ftiDfchweigenb 3 U Stanbe gefomnteued Sertragducr*
Bältnife, noch öudj bnrdj eine etwaige Uebuitg aufgehoben ober in ihrer
SBirffamfeit eingefchränft werben, fie ift «ielntehr für alle Setljeiligtcn
abfolnt binbenb.
Mgemeines übet (ßewetbegeridjte unb
^rbeit^wertrag.
Arbeitgeber nnb Arbeiter bei ben ^ewerbegerichtdwahlem
8 n ben Kreifen ber Arbeitgeber wirb bar über gef lagt, bah
bie be^üglidj ber Schiliften geltenben Seftitnntungen feine genügenbe
Sicherheit bafür gewähren, bah niir niirHid^e Arbeitgeber — wirtfj*
fdjaftlidf) felbftftänbige, mit frember Hülfe arbeitenbe Unternehmer
— ald s Bäl;ler ber Arbeitgeber*Seififter auftreten.
Am SRheiit, wo oielfach bie flerifalen unb bie fosialbemofra*
tifchen Arbeiter fich an faf* gleich ftnb, fonnen biejenigen
Schneiber, Schuhmacher u. f. w., bie felbft ©efellen befchäftigen,
aber nur ober überwiegenb für grohe ©efdjäfte arbeiten, fich c ^en*
fowohl ald Arbeiter wie ald Arbeitgeber eintragen laffen ober gur
Sßahl melben. ®ie ©efahr, welche aud ber ilnbeftimmtheit bed Se*
griffd bed „Arbeiterd" unb „Arbeitgeber" ftch ergiebt, ift eben für
bie SChlen beiber wirthfchaftlidjen Parteien gleichntähtg oorhanben.
Sie fann nicht burd) fchärfere Definition jener Begriffe befeitigt
werben, weit eben bie Unbeftimmtheü in ben wirthfehaftlichen Ser*
hältniffen felbft begrünbet liegt; fte fann aber gemilbert unb
rebugirt werben, wenn Sßroportionalmahl eingeführt, alfo ben
SRinoritäten unter aücn limftänben eine angemeffene Sertretung
gefiebert wirb.
dlnigungstautttr.
Dad Qlewerbegericht gfranffurt a./ 9 K. ald ^intgnagdamt in einem
SKanrerftreif.
Am 6. Anguft höUe bad ©ewerbegericht gum erften Stal bie
Gelegenheit, ald ©inigungdamt bei einem "gröberen Streif tljätig
gu werben, ©d war gur Beilegung bed Audftanbed im Staurer*
gewerbe. Diefer h«Üc bereitd fedjd Sdodjeit gebauert, ©c war
augenfcheinlid) gut «orbereitet unb bradj uidjt plöftlich aud, fo baß
au^ nur wenige gälte befannt geworben finb, in benen bie Künbi*
gungdfrift nicht eingehalten worben ift. Die gorberungen, bie
27
da« ©eroerbegericßt. Mitteilungen be« Verbanbe« beutfcßer (Hewerbegericßte. Nr. 2.
28
aufgeftedt würben unb beren fchließlicße Ablehnung fettend bcr
Arbeitgeber $um AuSftanb führte, wären folgeitbe:
1. Art @teUe ber bisher üblidjeu llftünbigcn Arbeitszeit eilte foldje
uon 1U Stunben, uon 6 Uhr früh bis 6 Uf)r Abctibs, incl. */* Stunbe
Aiiihftücf, i Stunbe Mittag uttb V* Stunbe Vefperpauje.
2. ©tu Minbeftftunbenloßn mm 45 ff für Maurer mwt 19. Gebens*
faßre au unb 4ü ff für fold^e unter 19 gahren.
3. Abfdjaffung jeglicher lleberftunben, Nacht» unb Sountagsarbeit
mit Ausnahme ganj bringettber gälle.
4. giir Ueberftutiben in briugenbett gäflen eilt Lobnauffdjlag uon
10 ff, für Nacht* unb Sountagsarbeit nach Ueberettifunft.
5. Abjdjaffung ber Affurbarbcit.
6. Abfcßaffung ber Lieferung beS SpeiSzuberS feitettS ber GJefellcn.
7. Au Stelle ber bisherigen 14tägigen, bic wöchentliche Lohnzahlung
unb Auszahlung beS Lohnes auf ber Vauftelle uor geicrabenb.
8. An Samstagen um 5 11 hr Aachmittags unb au bett dageit uor
Cftertt, ^fingften unb Weihnachten um 12 Uhr Mittags geterabenb.
(Vollftänbige* Ausschließung ber Äi'mbigung.)
9. Meine Maßregelung wegen Sugeljörigfeit zur Crganifation.
10. (Sinführuug eines gemeittfamen ArbeitSnachweifeS.
die großen ©efdjäfte fonnten biefe gorberung leichter bewilligen,
bemt bie ^auptforberung, bie (Erhöhung beS Lohnes, war für fte
relatio oott geringer Vebeutung. da jeboeß bie Nteßrzaßl ber
©efcßäfte [ich nid)i ohne Weiteres entfcßließen fonnte, fo beftanb
auf «Seiten ber Arbeitgeber oott Anfang an nur äußerliche ©inig*
feit, demgegenüber zeigte fief) bie Drganifation ber Arbeitnehmer
feßr oortßetlßaft. Sie erflärten auch 0011 oortthereiit, über bie
©rlebigung beS Streifs oor betn ©ewerbegerießt oerßanbelu zu
wollen, wäßrenb bie Arbeitgeber ftch auch gegen biefe 3unmtßung
Zuerft oöllia ablehnettb oerhielten, ©ine Anrufung auSzufprecßen,
lehnten beioe dßeilc ab, weil bieS nad) ben Verßältniffcn in
granffurt als Nacßgiebigfeit auSgeleat wirb, ©ine Huuptfdjwterig*
feit für eine ©iitiguug war bie, baß bie Arbeitnehmer oerlangten,
ber einzelne, bewilligenbe Arbeitgeber folle ber Streiffommi[fion
gegenüber feine 3uftimmung zu fämmtlicßen VeMugungen erflären,
unb oerfpreeßen, nur foüße Arbeiter zu befchäftigen, welche ihnen
feitenS ber Streiffommiffion zugefanbt würben, hierauf wollten
bie Arbeitgeber unter feinen Umftänben eingehen.
Als aber bie Arbeitgeber einfahen, baß gerabe bei Aufhören
beS AuSftanbeS biefeS §tttberniß wegfalleu würbe, fo erflärten fie
ftch fdjließlich bereit, zu einer oon beut ©ewerbegerießt als ©inigungS*
amt anzuberaumenben Sißung zu erfcheinen. hierbei muß betont
werben, baß zur 3d* baS granffurter ©ewerbegericht lebiglich mit
Anhängern ber fozialbemofratifdjen Partei befeßt ift.
die Verßanblung oerlief baburd), baß bie perfönliehen ©nt*
fcßließungen beiber Parteien feßon oorher oöllig geflärt waren, im
Allgemeinen ohne größere Schwierigfeiten. VebcnFcn erregten
eigeittlid) nur bie Loßnforberung, bie gorberuttg ber 8tägigen ,
LoßnzaßlungSperiobe unb ber Abfcßaffung jeglicher JÜünbigungS* |
frift. Wenn bei biefen .pauptforberungen bie Arbeitnehmer nach*
gegeben unb eine Verftänbigitncj gcfudjt haben, fo ift bieS wefent*
ließ auch ber NHtwirfung ber Vetfißer zu banfen, weldje inSbefonbere
bie Arbeitnehmer barauf ßiitwiefen, baß bie geftfeßuna eines Sohnes
nach AlterSflaffen (über ober unter 19 gaßren) ben AuSfcßluß einer
großen Anzahl mit 40 ff ober 45 ff zu ßod) bezahlter Arbeit**
fräfte, inSbefonbere ber ganz jungen Arbeiter, oon jeglicher Arbeit
Zur golge hüben müßte, die ©tniguttg, bie fcßließlicß zu Staube
farn, war folgettbe:
1. die Arbeitszeit ift eine lOftünbige, oon 6 llßr früh bis 6 Uhr
AbenbS, eittfdtließlich l h Stunbe grüßftücf*, 1 Stunbe Mittag* unb
Vs Stunbe Vefpcrpaufe. ©S wirb feitettS ber Arbeitgeber zugefagt, baß
iljrerfeits möglich)! bie Vermeibuug oott Ueberftunben aitgeftrebt toerbeti
foüe. die Arbeitnehmer oerpflichten ftch, aud) il)rcrfcits bafür zu forgen,
baß bas Verlangen ttad) Ueberftunben tnöglichft wenig geftellt wirb.
2. ©S finbet eine Lohnerhöhung um 12Vs°/o für alle Loßnfäße
ftatt, baburd) wirb ber bisherige Lohnfaß oon 40 ff bie Stunbe auf
45 erhöht.
8. Nadji* unb Sonntagsarbeit finben nur in ganz bringenben
gäfleit ftatt.
4. gür Ueberftunben auf Verlangen ber Arbeitgeber wirb eilt Lolin*
Zttfdhlag oott 10 ff gezahlt, für Nacßt= unb SonntagSarbcitcu nndi
Uebereinfunft. Verlangen bic Arbeitnehmer Ueberftunben, fo toirb ein
Lohnznfdjlag uid)t gezahlt.
5. Afforbarbeit finbet nur auf Wuujdj ber Arbeitnehmer ftatt.
6. Speiszuber bezw. ©efäße zum Subringen beS Mörtels werben
oon ben Arbeitgebern geftellt.
7. die Lohuzahlmtgsperiobc bleibt eine 14tägige, jebod) werben
auf Wunfd) wöchentliche Abzahlungen gewährt, 35ie Auszahlung bes
Lohnes erfolgt auf ber Vauftelle oor geterabenb. die uerfraglidic ©in*
fiißrung ber wöchentlichen ^ahluttgSperiobeu bleibt fpäterer herein bannig
oorbeljalten.
8. Schluß ber Arbeit am SantStag um 5 Uhr Nachmittags mit»
an ben dagcit oor Cftern, ^fitigften unb Weihnachten um 12 Uhr
Mittags.
9. die MünbigungSfrift ift eine zweitägige, ©efünbigt faim um¬
werben an jebem donnerftag oor 6 Uhr AbenbS mit ©ültigfeit auf ben
barauffolgeubcu SauiStag.
lü. Maßregelungen folleit bciberfeitS nicht ftattfinben.
11. ©s wirb in Ausficht genommen, über bic ©infiibnmg eine s
genteinfdjaftlichen ArbeitSnachweifeS in Serhanblung zu treten.
9 J2it ber ©iuigung war zmar bie SDtöglichfeit oorhanbett, baß
ungefähr 2000 s Maurer, welche fich im AuSftaub befinben, wkber
arbeiten fönnen. ©S fehlte aber nicht an ^wiftigfeifen barüber,
ob im einzelnen gatte richtig gehanbelt worben fei ober Hießt.
3um AuSgleid) fold)er differenzen h^t fieß einer ber $3euoümäd)*
tigten ber Arbeitnehmer unb Arbeitgeber bereit erfläri unb foU
außerbem oom 3?orfißenbeit beS ©etoerbegericßtS mit ben Vertretern
beiber dßeile über ben Ausbau beS gemeinfthaftlicßcn ArbcitSnadj*
weifeS, ber zunädjft prooiforifcß errietet wirb, oerßanbelt werben,
die ©rrießtung eines folcßcn gemeinfchaftlicßen ArbeitSuadjweifei:'
wäre ein Vortheil, ben bie Allgemeinheit aus betn AnSftanb
Ziehen würbe.
Verfllbercrftrei! in Vcrltit. Vergl. bie ©ntfd)eibuug unter
„Acd^tfprecßung", 6p. 19 biefer Nummer.
$3o<hettfchrift „Soziale frap$, ©cntralblatt für Sozialpolttü'V
(Herausgeber: Dr. ©. granefe, Verlin; Verlag oon dunefer &
Humblot, Leipzig. 3u beziehen bureß fämmtlicße ^oftanftalten
unb Vucßßanblungen zum greife oon 2 o ff 50 $f. für baS Viertel*
jaßr einfcßließltch ber VlonatSbeilage w daS ©ewerbegeritßt".)
Nr. 5 enthält: Arbciterfcßuß unb Heimarbeit. I. Von Dr. ©ugen
©cßmieblanb, ^rioatbozent, VHen. — die preußifeßen LanbtagS*
wählen; das beutfeße Streifgefeß; ©efeßentwurf betreffend ben
6 d)uß ber Angefteüten int HuubelSgemerbe; Antrag auf Negcluug
ber Heimarbeit in Defterrcid). — die ftäbtifdjen ©igenbetnebe:
gorterßebung ber Verbrauchssteuern in Heselberg; StäbtifcßeS
^LohnnngSiiachweiSamt in iNiilhaufen i. ©. — der Streif ber
Verfilbcrer zu Verlin. Von s l)i. o. Sd)ttlz, Vorfißcnbetn beS ©e*
wcrbegerid)ts Verlin; Vucßbiucfertanf*Vewegung; das Niitiicßener
Arbeiterfefretariat; Streifs unb Atisfperrung in dänemarf. —
die Lage ber jugenblicßen unb weiblicßen 3i e 9eleiarbeiter unb ber
VunbeSratß. Von VHlßelm Swientp, Verlin; die NeicßS*
fommiffion für Arbeiterftatiftif; Verhütung oon VUlzbranboergiftung
in ber dhierhaarinbiiftrie; Verbot ber Venußiiitg oott offenem Ließt
in ben prettßifd)cn Vergtoerfen. — V° n ^ er NuueUc zur Alters*
unb gnoalibitätsoerfidicrung; AlterSoerforgung für weibliche dienft*
boten in Eefterrcidj; die ftaatUcße AUerSocrficßerungsfaffe in granf*
rcid); gortfüßritug ber Veratßungen über Mrattfett* ttttb Unfall*
oerfidjerung in ber Scßtociz. — Vetßetliauttg oon Arbeitgebern unb
Arbeitnehmern an ber Verwaltung beS ©eittraloercinS fiir Arbeit**
uaeßweis in Verlin; Stäbtifdjer Arbeitsnachweis in Spattbau:
ArbeitSnacßweiSbureaur unb ©arteräume für Sdjauerleute in Hain*
Burg; ©eutralauftalt für ArbcitS* unb s 2LohnitngSttachiucis in
daruiftabt 1897/98; ArbcitSoermittelung in Steierutarf; Arbeit**
nadjtocis in Verbinbuttg mit ben NaturaloerpflegiingSftationcn in
bcr Sd^wetz-— 3urNeform ber Vatiorbnitngcn; Arbeiterwolmungen
in ber ^rooittz Haunooer; die ArbeiterwoßnuitgSfrage in Niint*
Berg; Verein „Arbcitcrßcini" itt Victcfelb. — Litterarifcße An*
Zeigen. — gußalt beS ©ewerbegeridjts Nr. 2.
„iDafi @e»etbegerl(ßt ,^ etfeheint am elften ©ornieiftage jeben Monat« Im Minbeftumfange Oon V> Sogen sum greife bon 1 M. iaßtllcß. — ©efteHungen
nehmen färnrntliche ©oftanftalten (^JoftzeltungönummeT 2877) unb ©uchhanbhmgen an; ein birefter ©ejug bon bet ©etlagSbutbßanblung finbet nldßt ftatt.
•erlag oon ftuntfer * Oumblot, Peipitg. — «ebnitft bet Sultui etttenfclb tn Berlin w. — BerantioortlUb für bte ftebattton: Ctabtratb Dr. $lef$, ^ranlfutt a. M ;
fAr bU »fchn tu«: Ke^tforechung, Serfaffung unb «erfahren: «czoerbertfQter 6<hmteber, Berltn.
IY. 3o$tg«ttg.
Berlin uttb gronlfurt a. SW., ben 1. S)ejem6er 1898.
Mtunmcr 3.
fas (BmttbtßtttyL
MUtttieilungen bes DerBanbes beutfcfyer ( 8 emetbegerid}te.
RebaftionSauSfcßuß:
Stabtratß Dr. Ulefcß in Sranffurt a. Rt., ©emerBeridßter §d|inirt£r in Berlin imb ©etneinberath Siojfemupi: in Stuttgart.
#sf«%#Uit tm ertni 9«m«rftaf itfcr« £H»n«t*.
©etlöfl oon ©untfet & Jpumblot, Seidig.
frri* Üirfi 4 1 9 »l.
Äoftenfreie Beilage jur „©oaialen Braji8".
AHe föt bie Rebaftion be« „©ewerbeßericffts 1 ' beflimmten ©enbungen bittet man 311 abtcffiren: An ©ewetbeticbtet ©cbmleber, ©eilin»Halenfee, Äurfürftenbamm 132 a.
3nbalt
3 u r recht lieben Stellung ber
Heimarbeiter. I. Bon $R. bon
©cßula, Borf. beö ©ewerbegericfctS
Berlin .29
tferfaljfaitg unb gtrfa^vtn.... 32
Äurje Rotten Bon HJtagiftratS*
affeffor 8 a ub fing er in Stettin
ftedjtlprettiung. 32
ßufteöung an ben Pr 03 eBbebolI»
lmWigten. ©djabenSetfaö wegen
Aufteilung eines orbnnngömibrigen
ßeugniffeö. (Sanbgericfat I Berlin.)
3 )"t ba 8 ©emerbegeriebt 3 iiftünbig für •
8 fettfte[(ung$flijgen gegen beit Äon»
furSOerroaiter? Äann ein Red ; t$»
anwalt, ber ÄonfurSOerwalter ift,
bor bem ©ctoerbegeridjt ourtreten?
(©ewerbegeriebt ^ranffurt a. 3J?.) 1
3»t eö al« ein widriger, jur Auf« j
bebung befi ©ienjiDctliäUniffeS eines j
2 öer!fül)rerS geeigneter ©rttnb im |
Sinne beS §. J33b ber Rcidj 8 »©e*
merbeorbnung an^ufeben, wenn bet
2 Ö er fr fi b rer 1 . aitberen Brfonen,
inSbefonbcTe ben iljm linteriteflten
Arbeitern Äenntnifj bon bem 3 n balt
geheim 311 haltcnber gefchüTtiidjer
SRittßeilungen macht, 2 . feine Arbeiter
3 U beeinflußen fucht, ihrem jipal
AuSfunft über Herftcllung unb äfla»
terial ber fynbrifate borjuenthallen?
(©ewerbegeridjt Berlin, ÄammcrlV). i
Äann bon bem Arbeitnehmer nod)
nach ber ©inftcQung berlnngt werben, 1
baß « ÄiinbigungSauSjchluB unter» I
fdjreibe? (©ewcrbcgericht Homburg.) j
Befteht bic für bie 3<ut nadj bem Au 6 «
tritt beS Arbeitnehmer* au« bem
Arbeitöberßaltnifc bereinbarte Pflicßt
3Ut Berfdjwiegenheit übet frabri»
fatlonSgeheimniffe auch bann noch
fort, wenn ber Arbeitnehmer ohne
©runb cntlaffen ift ober furch gefefc«
wibrigeS Bemalten beö Arbeitgebers
3ur Auflöfung beS ArbeitSberb&It*
niffeS gezwungen worben ift? Äann
er AuSjatjIung bet bertragSmÄuig
ein3ubehaltenben Äaut on forbern?
(©ewerbegeriebt greibutg i. B.)
9 Ru§ ber Arbeitgeber ben bom polier
berfprOih«nen Cohn aabien ? (©ewerbe¬
geriebt Berlin, Äammer in.)
©icbtbare unfittlidje iätowirungen ber
Arme finb fein ©utlnffingSgmnb,
fdjliefjcn aber nacb babijdjent 8anb»
reebt einen ©dKibenSerj'aßanfprud)
beS ©ntlaffenen aus. (©ewerbegeriebt
in ©übbentfcbianx
Unbefugtes Berlaffen ber Arbeit. (@e*
Werbegericbt unb Sanbgcricbt ©tettin.)
JLUgrntf tue* filier ®nae rb*gert$tf
unb Jrbfttöocrtrng. 38
AuS bem ^abreSbeticfift beS ©eweibe*
geriebts SRüncßen für 1897.
Befanntmadung ber ©ewerbegeTicbte
über ArbeitSöerbültniffe ibreS Be*
3 irf S. ©eringe Benußung ber
Arbeit33cttel.
flcrfdjicbrncs. 39
Beiüberorganifationen.
ßunabme gütlidjer Begleichung bon
ArbeitSftreitigfeiten in ©nglanb.
§ rtefkoßen. 40
©reia. — (Sonnftatt. — ©tettin.
Inhaltsangabe ber „©oaialen prajiS",
Abbrucf fümmtlidjer Artifel ift Settungen unb Seitfcßriften geftottet, ieboeß nur mit j
notier Onellenangabe.
3 «t rcdjtlidjen Stellung bet Heimarbeiter. ') j
Bon ©noerbericfjtcrB?. n. © cf) u lg, Borfifcenbem bcs ©etucrbegericbtS Berlin. J
I. i
3h $r. 1 biefer ÜOm 6 - CftoBer 1898 ift ein (^ut^
achten beS 23egutad)tung§au^fc^uffcö be§ ©eroerbegerirfftö Dffenbad)
über bie redjtlidje (Stellung ber Heimarbeiter ceröffeutlidjt. ($$
tüirb bort behauptet, baf$ burch 1 be§ (^eroerbegend)t0gefebe3,
in meinem bie BSorte „Heimarbeiter, H aug Ö etüer ^ ctrc ^ e . n ^ c// c .* Us
geflammert fith norfiitben, bie in ber SBiffenfdjaft allgemein übliche j
Ünterfd)eibung anerfannt werbe. „Heimarbeiter" fei ber generelle 1
^Begriff, „HanSgemerbetreibenber" fei im Hflgemeinen ber felbft* I
ftäubige Heimarbeiter. 2öir fönneu bem nicht bestimmen, ba mir I
regelmäßig unter bem attgemeinen Begriff „n^titbnftrieller" ben ;
„HauSgemerbetreibenben" non bem „Heimarbeiter" gefdjieben finbe.n ;
x ) Siebe bi er nt: SW. 0. Sdjulj, ©te Stellung ber Heimarbeiter im |
öfutfdjen.WniH-rh-iCd)^ in ..Bramu? Arrfiiu für fojiale Wefcfege&ung*
Bb. X S. 721 ff.
©iefe dintheilung beobachtet auch, u>ie wir na^roeifen roerben, baö
©emerbegericht^gefeh. dbenfo unterfcheibet bie ©eroerbeorbnung.
Beibe ©efeße bezeichnen jeboch nicht ben in feiner Behaufung
thätigen Arbeiter alö „Heimarbeiter." 2 )
Sn ber Begrünbung be^ Gsntrourfä be^ ©emerbegericht^gefehe^
Zum §. 2 9lbf. 2 (jefet §. 4) wirb erflärt, baß einer befonberen
Prüfung bie 5 ^ 0 e bebarf, inwieweit bie in ber H au ^i n bnftrie be*
fchäfligten $erfonen unter ba§ ©efeß fallen. ©)ie Stellung biefer
^ßerfonen fei in ben oerfchiebenen Snbuftrien unb ©ebictcn eine
fehr mannigfaltige, berart, baß fie halb übermiegenb aU felbftftänbige
©ewerbetreibenbe, halb als bloße Arbeiter erfcheinen. ^llöbann
werben in bem Bericht ber VI. äommiffion be 8 Reichstages über
ben §.2 Slbf. 2 oerfchiebentlich bie „HauSgewcrbetreibenben"
als Rfeifter ber H au ^iubuftrie gcfenn^eidjnct. ds wirb babei
ausgeführt, baß §. 2 5lbf. 2 ber Borlage bie Streitig feiten ber
9)ielfter ber H fl uSinbuftrie behanbele. ©nblich betonte man in
ber zweiten ßefung ber genannten Stommiffion, baß bie H anS#
gewerbetreibenben in Sübbcutfdjlanb „Heimarbeiter" ge*
nannt werben. Bei ber Rebaftion beS Paragraphen würbe beS*
wegen bem Sorte „Hau^gemerbetreibenber" bas Sort „Heimo
arbeitet" oorgefeßt. ©er Reichstag befchloß ben Paragraphen in
ber ihm oon ber Äommiffion oorgelegten Raffung, ©affelbe ge*
fchah fcitenS beS BunbeSrathS. 3 ) H lcr 3 u führen wir an, baß, wenn
bas Sort „Heimarbeiter" im §. 4 ben generellen Begriff barftellcn
würbe, ber SluSbrucf „HciuSgewcrbetreibenber" beS Paragraphen als
unuöthig hütte gclöfcfjt werben fönnen. GS würben „Heimarbeiter"
beS §. 4 nad) bem ©utad)ten bann fowohl bic felbftftänbigen wie
bie uufelbftftänbigen Perfonen ber n au ^ n ^ u fi r i c fein, ©auadi
hatte eS aber ben 8 tnfci)cin, als wenn bie uufelbftftänbigen „Heim*
arbeitet" uid)t zu ben gewerblichen Arbeitern beS §. 2 8 lbf. 1 bes
©ewerbegerichtSgefeßeS züh^en, fo baß fie bem ©itel VII ber ©C*
werbeorbnung nidjt unterftänben. Sir fommen auf biefeit Punft
unten bei Befpred)ung beS §. 119 b ber ©ewerbeorbnung zunief.
^ebenfalls muß eS nach ben oon uns mitgetheilten ©efeßeSmaterialien
als ein fehler betrachtet werben, wenn man baS Sort „H^iui s
arbeitet" beS §. 4 als genereEen Begriff hiuftellt. ©aran änbert
nidjtS ber §. 14 9lbf. 2 oeS ©ewerbcgerichtSgefeßeS:
„Csnwieweit bie nach §. 4 ber 3nßänbigfeit ber ©emerbegeridjte unter*
[teilten HnuSgcwerbetreibcnben als Arbeitgeber ober als Arbeiter
wahlberechtigt itttb wählbar futb, wirb burdj bas Statut beftimmt."
©iefe Borfd)rift regelt nur bie Sahlberechügung unb
Sählbarfeit ber nach §. 4 ber 3 u ftänbigfeit beS ©cwerbegeridit*?
unterftellten ©emerbetreibenben. 4 )
3 ) Bgl. bieÄommcntarc oon u. 8 aubmann unb Sd)enfel. Sir
muffen freilich gleich hier benterfeu, baß bie angeführten Begriffe Hießt
immer ftreug auSeitianber gehalten werben. So werben felbft oon ben
iWotiocn zur ©ewerbeorbnung einmal bie HauSgewcrbctrcibctibeu im
©egenfaß 31 t bcu Heimarbeitern HuuSinbuftrielle genannt, ©ic itt bem
©utaditeu citirtc Berorbmutg ift bie Äaiferlidje 'Bcrorbnung, betr. bie
AuSbeßnung ber §§. 135 bis 139 unb beS §. 139 b ber ©ewerbeorbnung
auf bic Scrfffätteu ber Äleiber* imb Säfdjefonfcftiou oom 31. Beat
1897 (ReicßSgefcßblatt Rr. 25 S. 459). ©iefe Berorbmutg ift burdj beit
großen Streif ber ÄonfeftiouSarbciter veranlaßt unb trifft bie Serf*
ftätten ber Hausgejoerbetrcibenben (Suiiffhenmeifter) unb ber Äonfcftioi
näre. Sie finbet feine Anwcnbung auf 'i^erfftätten, in wfld)cn_ber Ar*
Zeitgeber ausfdjließlidj ju feiner Familie geßörige Perfonen befcßäftigt,
uttb auf bie Serfftätteu ber .^eimarbeitex*.
8 ) 3R. u. Sdjulj a. a. 0. S. 740 unb bie Roten bafclbft.
4 ) Rad) uitfereu vlusfüßruugcu toürbe es beffer gewefcit fein, wenn
im >j. 1 beS CrtvftatutS für bie Stabt Berlin oom 26. Cftobcr 189*2
©ewerbegertcßt. SJHtiheilungen bes VerbanbcS beutfcßer ©eroerbegerießte. SRr. 3.
IH
32
23aS bic ©ewerbeorbnung anlangt, fo ift öfters in ben 9Jto*
tiuen gur Aooelle non 1891 non „ben etngelnen 3roeigen ber $auS*
inbuftrie" bie 9tebe. 5 ) 3n bem ©ntwurf beS genannten Arbeiter*
fcßußgcfeßeS ßat §. 115 Abf. 2 ber ©ewerbeorbnung ferner einen
3 nfaß erhalten, um bem in ber ^anSinbuftrie etngefcßlicßenen
unlauteren Verfahren entgegengutreten, „baß bie nom Arbeitgeber
gelieferten VkrFgeuge unb Stoffe ben Arbeitern unb H au§s
iubuftrielleit gu einem übertriebenen greife angerechnet werben."
Schließlich mag noch auf bie Vegrünbuug bes ©ntwurfS gum
3ufaß beS §. 125 ©ewerbeorbnung ßingeroiefen tnerben. ©S roirb
dort berichtet, baß bie Verleitung gunt Vertragsbrüche unb bie
Annabme oon Arbeitern, roelthe aus einem Befteßenben ArbeitS-
oertrage anberen Arbeitgebern noch oerpflichtet finb, auch »in ber
HauSinbuftrie" oorfomme. VMr fehen alfo, baß ber Vegriff
„HauSinbuftrie" in ben SAotioen gur ©ewerbeorbnung toie gum
©ewerbegericßtSgefeß übereinftimmenb als ber generelle aufgefaßt
mirb.
$>er Xejt ber ©etoerbeorbituitg Fennt bis gum SnFrafttreten ber
v>anbwerFernooelle nicht ben Vegriff „HauSgewerbetreibenber".
'&ir ftnben gum erften Vialc in ber Aooelle biefen AuSbrucf (§. lOOf).
3n ber Vegrünbuug beS Paragraphen ift unter Anbercm gefagt:
„©in großer ^T^eil ber gmuSgeroerbetreibenben befteht anS felb
ftänbigeu SÜieiftern, welche in ber Qforrn beS ßanbroerFSmäßigen
VetricbeS arbeiten, ein anberer roirb hingegen fchon wegen ber eine
hanbroerFSmäßige AuSbilbung nicht oerlattgenben einfachen Art ber
oorFommenbeu Arbeiten als gum HanbwerF gehörig nicht erachtet
werben Fönnen. Unter biefen Umftänben wirb eS fich, gumal im
Hinblttf auf bie Verfcßiebenßeit ber Verhöltniffe in ben eingelnen
VegirFen, empfehlen, bie Regelung ber Srage, inwieweit HaitS*
gewerbetreibende ber 3^angSinnung angugeßören haben, ber ftatu*
iarifchen Aeaelutig gu liberlaffen." 6 ) 3>te ^auSgewerbetreibenben
beS §. lOOf finb bemgemäß bie felbftänbigen 9Aeifter ber HauS*
inbuftrie. hieraus erhellt, baß bie öanbwerFernorclle Fonfequent
bei ber bisherigen Auffaffung ber Stellung ber 5>auSgewerbetreiben*
beit bnreh bie ©ewerbeorbnung oerbleibt unb bie «jauSgewerbetreiben*
ben ihrer Selbftänbigfeit FcineSwegS entfleiben will. 3 ur Annahme
beS ©egentheils wirb man nnwiOFürlicß gebracht, fobalb man Ab*
faß 1 §. lOOf bem Abfaß 2 beffelben Paragraphen gegenüberhält, 7 )
mäßreub ber einzige 3wecf ber befonberert ©rwäßtutug ber ^auS*
gewerbetreibenben — ber felbftänbigen SReifter ber JmuSinbuftrie —
im §. 100 f barin beftanb, bie VtöglicßFeit gu gewähren, bureß
Statut nur bie ^auSgcroerbetreibenbcn mit ßanbwerfSmäßigem Ve*
triebe in bie 3roangSinnung aufgttneßmen.
Aus bem 3nßalt ber Vegrünbuug gum §. 100f Abfaß 2, nach
welcher bie SSauSgemerbetreibenben ben felbftänbigen ©ewerbetreiben*
ben gleich geachtet werben, ift nach alledem mit SJug unb Vecßt
ber Schluß gu gießen, baß auch nach ber jüngflen Aooeüe bie
.'oausinbuftrieflen in bic beiben ©nippen ber .fmuSgeroerbetrcibenben
unb ber nufelbftänbigen Lohnarbeiter (Heimarbeiter) getheilt werben
muffen. 8 ) Sßemt aber bie Heimarbeiter nießt gu ben felbftänbigen
©ewerbetreibenben gehören, fo bleibt nießts weiter übrig, als fie
ber ©emeinfehaft ber gewerblichen Arbeiter beS Titels Vll ber ©e*
wcrbcorbnung gugnreeßnen. 3Ran Fäutc fonft gu bem eiaentßütn*
ließen ©rgebniß, g. V. ScfjiißmachergefelieH, welcße in ißrer Ve*
haufung 3al)r aus $al)v ein für ißre Vteifter Lohnarbeit oerrießten,
den felbftänbigen ©ewerbetreibenben ber §§. 87 unb lOOf ber Hanb*
werFernooelle cingugliebern. ^ementfprecßcnb wäre es nießt aus*
geßhloffen, baß biefe ©ef eilen 9Aitglieber unb VJeifter ber3roangS*
innung würben. ©s liegt auf ber Hanb, baß berartigeS bureß bie
Aooclle nießt beabficfjtigt ift. 0 )
cec^Iufe folgt.)
ba# uutcr Ha. unb b lun'fonuueiibe 3i>ort „Heimarbeiter" als für norb=
beiitiilic Verbältuiffc nicht paffenb weggelafjeu worben wäre.
'’) 4 Aeidjstag K. IVgwlaturpcriobc I. Scjfioit 1 S9u S. 55.
(i l Ar. 713, Aeidivtag, 9. Lcgislaturperiobc, IV. Scffion 1895/97
S. <>7.
7 ) Achmer, Xic Hanbmerfcmooellc. STOiuirfien 1398. Aotc 8b,
2. 1 19.
H J 2iebe hierzu 2 Ar. 4 unb 5 bcs tiraufenueriicßcrungsgefcßcS
ooui 15. /siili i8s:{, Mc Aonelle gum .9raufenorrßdjcrungdgefcß oom
1 <». April 1892 unb 3A. o. Schulg, a. a. £. 2. 745ff.
'■') Als Kuriofitm mag liier erwähnt werben, baß oor nidjt gu
lmigrr A f it ber Altgefelle einer Verlincr Innung fein 25jähriqeS
'AVnftoriululänm gefeiert bat.
Öetföfjnng nnb Bttfalftm,
Sttr^e Zotigen. Vei einer ausführlichen 9Feoifion ber Progeß=
gefeße bürften aueß einige 3roeifdfäf™gen, bie in ber PrariS ber
©eroerbegerießte ßeroorgetreten ftnb, erlebigt werben Föniten/
1. ©S feßlt eine Veftimmung, baß VeicßStagSabgeorbnete, bie
Veifißer finb, roäßrenb ber Seffton als Veifißer nießt ßerangegogen
werben fönnen. 3u* tnüffen fie fieß entfcßulbigen (§. 21 beS
©eroerbegericßtSgefeßeS). $iex war in ber oergangenen ©effton
ein 9FeicßstagSabgeorbneter Veifißer.
2 . können bie Vorftßenben ber ©eroerbegerießte gum ©e*
feßworeneubienft einberufen werben? VFeineS ©rad^tenS ift bie
grage gu befaßen, ba fie gur 3«it nießt ricßterlirfje Veamte finb
unb eine analoge Veftimmung wie für bie HuubelSricßter feßlt.
Vgl. §§. 34, 116 beS ©ericßtSoerfaffungSgefeßes.
3. SRüffen ©ewerbegerießtsfaeßen, wenn oom orbentlicßen
©erießte wäßreub ber Serien 3*ugen oernommen werben fotten,
gu gerienfacßen erFlärt werben? (§. 202 beS ©ericßtSDerföffmigS-
gefeßeS). ©ine Abtßeiluug beS königlichen AmtSgerid^tS I Verliit
oerlangt baS.
4. 3m orbentlicßen Verfahren muß bei öffentlicher 3ufteßung
eines VerfäumnißurtßeilS eine befonbere ©infprueßsfrift beftimnu
werben (§. 304 Abf. 2 ber ©ioilprogeßorbnung). ©ilt bieS autß
für bas geroerbegericßtlicße Verfahren? VFan wirb bie Sracje nach
§. 24 beS ©eroerbegericßtSgefeßeS gu befaßen haben, ^er QfaÜ
war ßier unlängft praFtifcß.
Stettin. Lanbünger.
Aufteilung au ben progeßbeoollmäcßtigteu. Scßabcu?*
erfaß wegen AuSftcllutig eines orbnuugSwtbrtgcti Aeugutffes.
(Urtheil beS Lanbgericßts I Verltu oom 28. $)egember 1897.)
2)aS Urtßeil beS ©ewerbegerießts oom lö.September 1897, welche*
bie Vcflagten gum Sd^abeuSerfaß feit bem Sage ber ©utlafjung ber
Kläger oerurtßeilte/ ift ben Parteien gugeftettt worben, oßite baß e*
Angaben über bie Progeßbeoonmäcßttgten enthielt. $tc Vcflagten legten
erfolglos Verufung ein. ®aS VerufungSgericßt fitßrtc unter Anbfrem
SolgenbeS aus:
S)as Urtheil bcs ©cwerbegericßtS ßatte ben progeßbeuoflmädmgteu
nießt begeießnet, obwoßl biefe Vegeicßnung aus AmecfmäßigFeitSgrünben,
wie fie burd) bas ftig«=3J?iutfterial*9leffript oom 13. $0?ai 1382 ( v umig=
3Aiuifterial=Vlatt S. 135) anerfannt finb, titsbefonbere midi tm gewcrb=
ließen Verfahren geboten erfeßeiut. S'enn wenn in biefent Verfahren
bie 3iiflcHnitg beS Urtßeils, bie oon Amtswegen erfolgt, orbnuug#^
mäßig au ben Progeßbcootlmäcßtigten gefd)icßt, ber Anwalt aber, ber
oon bent VoDmacßtSoerhältniß Feine ftemituiß ßat, bie Vcmfunge-
fcßrtft an bie Partei felbft gufteflt, fo Faun, ba biefe leßterc guftcUiiug
an bie Partei, ftatt an ben progeßbeooümäcßten, wtrfuugslo* ift t ^ 192
ber ©ioilprogeßorbnung) leicßt ber S^H eiutreten, baß bie Vcrufunge*
friß oerßrießen ift, noeß beoor bem Anwalt bas Vollmaditürrhältnin
befanut wirb.
^aS ©ewerbegerießt hat ben ©ntfcßäbigungSanfprucß ber .«Häger
in .^ößc bes behaupteten wcrftäglicßen 2oßneS für bic A p it feit bem
27. Auguft 1897, bem Sage nach bem Austritt aus bem Arbeitsort
ßältntß bei ben VeFlagten mit ber Vegrünbuug feftgeftellt, es fei uotori|Mi f
baß bie Kläger mit bem beanßanbeteit 3eugniß („entlaßen wegen äugt
broßten Streifs") uidjt im Staube gewefcit feien, Arbeit gu ßnbeu.
£te ©ntfdiäbtgungSoerpßicßtung ift oom ©ewerbegerießt bis gu bcui=
jenigen geitpunFt anerfannt, wo bie VeFlagten bas ordnungsmäßige
Aeugniß ausgeßeüt haben würben.
£iefe Vcrpfricßtitng ift ohne Weiteres als begriinbet augucrFeinicn,
foweit fie fid) auf bie ©ntfehäbigung pir bic llö£ ß ©Tlaß bes Unheil*
bcs ©ewerbegeridits, alfo für bie A c ü lia( ß bem 16. September Js 97
begießt, fie wirb baburdf gcreißtfertigt, baß bie VeFlagten gentäfg £ 51
be* ©efeße* betreffeub bie ©ewcrbcgeridjte für ben ^all, baß ftc bei
Verpßidftung ber ihnen burd) baS ltrthcil abgegebenen .^anblimg,
fofort bas A^fiiüß auSguftettcn, uidjt genügten, gu oentrtßcilen luarcii,
eine nach freiem ©rmeffen bcs ©eridjt* feßgufeßenbe ©ntfcßäbigiuig gii
gaßlen.
Vegiiglidj bcs ©utftßäbigiiugaufprudjeS für bic Aeit oor bem ©rlaß
be* gemcibegertchüidjcu Unheils Farn es bagegen barauf an, nadigit
weifen, baß ben Klägern ein Sdjabcu baburd) cntßanben iß, baß ihnen
ein Acuguiß mit bem oom ©ewerbegerid)t’ als unguläjßg brgridmcicn
VermerF ertheilt war. Xer urfädilidie A u fammenfjang gwifdjen bei
$)as ©eroerbegertiBt. SJKttljetlungen beg Berbanbeg beutfdjer ©eroerbegericBte. 9h:. 3.
38
H
Arbeitglofigfeit bei* Kläger imb betit Bcfiße beg frf)led)ten 3eugitif[c^
roar oott ihnen gu erroeifen. Saß, wie bag ©eroerbegeritht meint, bie
@ntftet)ung beg < 2 cBaben§ unter ben obroaltenben Umftänben offettfuttbig
fei uttb eg baßer ehteg Bcroeifeg niefjt bebürfe (§ 264 ber 9ieicBg*©ioiIprogeß*
orbttung), mar gtoar nicht anguerfertnen (ngl. ©ntfdteibungen beg ^leicf»^*»
geridjtg Battb 17 0. 271), bagegen genügten bie non ben 3 cu Q en
Befuitbeten Sßatfathen, um bent Berufungggericht ben Betoeig für bie
©ntfteljung eineg folthett Schabettg, ber mit bem erttjeüten 3 eu 0 lt iff e im
3 ufammenfjange ftanb, gu erbringen (§ 260 bafelBft), benn eg fteßt feft,
baß oom 27. Auguft 1897 ab für bie Kläger, roeldje fitß Bei ber Arbeitg*
nadjmeigftette um Befähigung Bemüht Bitten, ArbeitggelegenBeit oor*
Banben mar, baß bie Benußttttg aber für fte, menn fie bag in iBrem
Beftße BefinbtieBe 3eugniß oorroiefen, megen biefeg 3 eu Ö n ^ff e ^ augge-
fcBIoffeu mar.
3ft bag ©eroerbegeritht guftänbig für ^eftftellunggflagen
gegen ben Äonfurgoerroalter? Kann ein Btethtganroalt, ber
Äonfurgoerroalter ift, oor bem ©eroerbegeritht auftreten?
(UrtBeit beg ©eroerbegerithtg gu granffurt a/3R. oom 16. guli 1898.)
Kläger ftanb bei bem Bäcfertueifter 3- feit Stfärg biefeg 3ahi*e3 in
Arbeit. Am 14. 3ftärg ift 3- flüchtig gemorben unb am 80. SJtärg ift
über fein Vermögen ber Konfurg eröffnet morben.
$er Kläger Bat gu bem Konfurg ben Betrag uon 68,99 JC. a(g oer*
bienten Soßn für bie 3eit oom 14. Hßärg big 6 . April angentelbet. Siefe
gorberung Bat ber Beflagte beftritten. Ser Kläger begrünbet feine
gorberung bantit, baß er oom 14. 9ftärg big gum 6 . April nocB für bag
®efd)äft beg Bäcfernteifterg 3* t^ätig gemefen fei. SBenn audj in bem
©efthäft nicBt uteBr gebaefett unb er aflein in bem ©eftßäft tBätig gemefen
fei, fo Babe er boefj bie für bie Kuitben erforberlicßen Badroaareit non
aitbermärtg gefauft unb fo bag ©efdjäft meiter betrieben. Am 30.9ttärg
Babe ber Beflagte (ein Bethtganroalt) iBm in feiner ©igenftßaft alg
Kottfurgoerro alter gefüitbigt. Am 6 . April Babe er jeboth eine neue
Stellung gefunbeit unb er ftage begßalb nur big gu biefent Sage auf
feinen Soßn.
Ser Kläger oerlangt geftfteßung feiner gorberung gegen bie Äon*
furgutaffe auf 68, 23 M.
Ser Beflagte beantragt, bie Klage abgumeifeu. (Sr macht gmtäcBft
bie Unguftänbigfeit beg ©eroerbegerießtg geltenb unter Berufung auf
§. 134 Abf. 2 ber Konfnrgorbttnng, nacB melier Beftimmung für geft»
fteßunggflagen im Äonfurfe bie orbentlid^eit ©erießte, bie Arntg* unb
SanbgericBte, augfcBIießlicB guftänbig feien. 953ag bie gorberung felbft
anbetreffe, fo fei ber Kläger oom 14. Bfärg im Sienfie eineg Sritten
gemefen. Sicfer ©inroanb mürbe burd) bie BcroeigaufnaBote miberlegt.
Ser ©ittroanb ber Unguftänbigfeit beg ©eroerbegerithtg erfd)ienun*
begrimbet. Aad; §. 134 Abf. 5 ber Konfurgorbnung finben bie Be*
ftimuiungen beg 1 ., 3. unb 4. Abfaßeg auf gorberungen, für bereit geft*
fteßuug ein befonbereg ©erießt guftänbig ift, entfpredjenb Anroenbuug.
.'Dieraug folgt, baß nidjt burtß bie Eröffnung beg Konfurfcg für eine
gorberung, bie gmeifellog ber 3 uftänbigfeit beg ©eroerbegeritßtg unter*
liegen mürbe, itunmeßr bag ?tmtggeri(Bt ober SanbgeritBt guftänbig mirb.
S'ielmeBr bleibt bie 3 u ftäubigFeit ber befonberen ©erid^te burtB bie (Sr*
Öffnung beg Äonfitrfeg unberiiBrt. Senn baß gu befonberen ©ersten
bag ©emerbegcrid^t gentäfe bem ©efefc oom 21 . guli 1890, §. 13 ©ericBtg*
SScrfaffungggefep geBört, fann einen 3meifel nidjt uuterliegeu.. (i*gl.
9teicBggericBt 93b. 32 @. 349, Söilmomgfp, Äonfnrgorbnung gu §. 184
9?r. 7.) ©in gmeiteg 93ebenfen, meltBcg oon bem Scflagten nid)t ein*
gemenbet morben ift, meldjeg aber bennocB gu berüdfitBtigen mar, ift,
ob, meit ber 93eflagte nicBt Arbeitgeber ift, bag ©emerbegeridjt für bie
an fid) feiner 3 uftänbigfeit unterliegenbe gorberung guftänbig geblieben
ift. 3u biefer üöcgicBung mag baBin gefteüt bleiben, roie bie Stellung
beg Äonfurgoermalterg aufgufaffeu ift. 9la<B ber übermiegenben SKei*
nung ift er Vertreter beg ©emeinfcBuIbuerg, unb menn biefeg ridjtigift,
fo richtet fuB ber $rogeß in SSirflidjfeit gegen ben ©emeinfcBnlbner, ber
im Sinne ber ©emerbeorbnung Arbeitgeber gemefen ift. ©g fann beb*
Balb aug biefen ^ebenfert ein 3meifel an bie 3uftänbigfeit beg ©emerbe*
geridjtg nid;t ^ergefettet merben. (93gl. 9lei(Bggeri(Bt 93b. 29 S. 29,
93b. 31 S. 43, 'ißeterfeu unb Äleinfefier, Äonfurgorbuung 2 . Anfl.
S. 28 ff.)
.)?icraug folgt audj, baß eg nitBt barauf aufomntt, melcBen 93cruf
ber 93eflagte Bat. 9s3enn aucB au fid) SRecBtganmälte oor bem ©emerbe*
gcridit nitBt auftreten biirfen, fo erfdfeint bod) eine Augnabme im oor*
liegenben gatle infofern begrünbet, alg ber 9?eflagte nitBt ^rogebbeooll*
mätBtigter, fonberu Partei auf ©ritnb feiner ©rnennung gum Äonfurg*
oermaltcr ift. 9tfag bie gorbenmg begÄIägerg anbetrifft, fo roar baoon
auggugeBcn, bafc ber Ätäger am 14. Hftärg feine ©ntlaffung, menn autB
nitBt angbrüiflidj, fo bod) ftiüfdjioeigenb baburdü erBalten Bat, baß ber
93ä(fenneifter 3 . bag WeftBäft aufgab. Samit mar bie ©ntlaffung beg
Älägerg aug feinem Sienftc alg ©emerbeBülfc oBue 9Seitereg aug*
gefprocBen. Ser Äläger Bat fi«B in golge beffen aucB nadj einem eigenen
©rroerb umgefeBen unb hierbei gu bem SJfittel gegriffen, bag frühere
©eftBäft burtB eigenen Anfauf oon 93atfroaaren meiter gu betreiben, ©r
fann beßBalb nur für bie 3ett oom 14. SÄärg ab für gmei 9BotBen eine
©ntfdiäbigung gemäft §. 122 ber ©emerbeorbnung oerlangen. Siefe
©ntfd)äbigung beretBnet fid) nacB bent SoBu beg ÄlägerS auf 41,ss M.
Auf biefen betrag mufe fttB ber Äläger bag abretBneit laffen, mag er
burtB eigene SBätigfeit ingroijdjen oerbient Bat. .§ierna<B mürbe bie
HägeriftBe gorberung auf 82,79 M. feftgeftellt.
3Ü eg alg ein roidjtiger, gur AufBebung beg Sienftoer*
Bältni ffeg eineg SBerffüljrerg geeigneter ©ruitb int Sinne beg
§. 133b ber 9teitBg*©emerbcorbnung angufeBen, menn ber
3SerffüBrer 1 . auberen ^erfonen, ingbefonbere ben i0nt
unterteilten Arbeitern Äenntnifj oon bem SnBalt geBcint gu
Baltenber geftBäftUtBer SlHttBcilnngen matBt, 2 . feine Ar*
beiter gu beeinflußen futßt, ihrem ^ringipal Augfunft über
§erfteflung unb ®taterial ber gabrifate oorguenthalten?
(UrtBeil beg ©emerbegeritBtg Berlin, Äammer JV, 93orfißcnber:
SDfagiftratgaffeffor Dr. SraftB^ oom 7. gebruar 1896.)
Äläger, oom 15. 9Rai 1894 ab auf ein 3aB* alg SKerffüBrer
für bie gabrif beg 93eflagten engagirt, mürbe am 4. Auguft 1894
ohne Äünbigung entlaffen. ©r oerlangt bag ooüe ©eBalt big gum
15. 3Äai 1895, eoentueü alg ©ntftBäbigung. ^eflagter menbet ein,
1 . Äläger Babe einmal B^ntlitB fein ÄopirbntB, meltBeg fonft ftetg unter
93erftBluß gemefen fei, burtBgefehen, barin einen 93rief beg 93eflagten
gelefen, meltBer ben Anfauf einer ©olbleiftenfabrif in Branbenburg
betraf, unb ben Inhalt biefeg 93riefeg ben ihm unterftellten Arbeitern
roieberergählt, 2 . Äläger Babe bie Arbeiter aufgeforbert, bem Beflagten
auf 93efragen falftBe Angaben über bie ©ingelBeiten ber gabrifation gu
matBen. SBeflagter behauptet ferner, baß Äläger oom Sage feiner ©nt*
laffung big gum 15. SJFai 1895 burtB anberroeite ©rmerbgthätigfeit einen
93erbienft oon einer bem Bier geltenb gematBten 93etrage entfpredjenben
§öhe gehabt Babe. Äläger Bat bie gegen ihn erhobenen 23egicBtigungen
beftritten. ©r giebt groar gu, bag ÄopirbutB burtBgefehen, ben frag*
üdjen 'Brief gelefen unb über beffen Inhalt mit ber Arbeitern gefprotBeu
gu Baben, ©r behauptet aber, baß biefeg SutB ftetg frei bagclegen Babe,
unb baß Beflagter ißm mieberholt erlaubt Babe, fid) aug ben frei um*
Berliegenben 93ütBern gu informiren. Sie BefpretBung biefer Angelegen*
Beit mit ben Arbeitern fönnc alg ein 93rutB ber bienftlitBen $flitht gur
BcrftBmiegeuBeit nitBt cratBtet merben, ba 93eflagter ftBon früher ein*
mal in ©egenmart ber näutlid^en Arbeiter felbft barüber gefprotBeu
Babe. 23eflagter beftreitet, baß er jentalg bem Äläger bie ©infnBt in bag
Äopirbutfi geftattet Babe, über ben Anfauf ber gabrif Ijabe er erft nad)
jenen Vorgängen mit ben Arbeitern gefprotBeu. gut Uebrigett giebt Be*
flagter gu, baß it)m ein materieller <S<Babeu aug biefent 93 erljalten beg
Älägerg nidjt etoatBfett ift. Äläger miß in ber fritifdjen 3^1 nur ctuia
gmei Srittel beg iBm beim Beflagtett gufteBenbett ©el)altg oerbient Baben,
meint aber aud), baß bieg auf bie ©ölje feincg AnfprutBg ohne ©influß
fei. Aadi ftattgeBabterBemciganfnahme, toeltBe im 9BefentlitBcn bie beibeu
©inmcttbnngen beg Beflagteu betätigte, mürbe biefer gur 3 aBl ul1 9 11011
415 M. ocrurtheilt, ittt Uebrigett aber auf Älageabmeifung erfaunt.
©riittbe: Auf ©ritttb ber 3 ^ u 0 foaugfage ift alg ermiefett aitgc*
nommett, baß Äläger bag ÄopirbutB eingefehen unb feinen Schalt
anbereit Arbeitern mitgctBeüt Ijat/ beoor ber 93eflagte felbft ihm oott
feinen planen, eine außerhalb gelegene gabrif gu ermerben, etmag ge*
fagt Batte, ©etoiß ift biefeg Verhalten beg Älägerg gu mißbilligen,
aber eine biettftlidje Untreue ober ein Bertraucngbrud) ober ein fonftiger
gur Aufhebung beg Sienftoertrageö geeigneter mitBttger ©runb fatut in
bemfelbeti ttad) ben befonberen Umftänben beg gaßg nitBt gefuttbett
merben, ba ein materießer Schaben bem 93eflagtett baraug geftänblidi
nidjt erroathfett ift, Äläger autB nicht in ber AbfirBt, bem Beflagteu
StBabett gttgufügen, fonbern erftthtlid) nur aug ScBmaßBaftigfeit B lcl **
über gefprodBen Bat unb feine 3KittBeiluitgcn fid) an ^erfonen gerithtet
Baben, oon beiten er attnehnten btnrftc, baß biefelben fte ttidjt gitnt
9tad)tBcil beg Beflagten meiter oerbreiten mürben. Sag Vcfen beg
Briefeg an ftd) erfthiett nnoerfänglith/ ba bem Äläger geglaubt merben
fatttt, baß er fid) Bi°r$u für befugt erachtet Bat, gittnal bag Äopirbitd)
frei Bcruntlag. ©rmiefen ift ferner, baß Kläger gmei ihm unterfteßte Arbeiter
beg Beflagten erfueßt Bat, fie inörfjten biefent ntöglid)ft mcitig Auffdilitß
über bie Btaterialien unb bag bei ben Arbeiten in ber gabrif gur Au*
toenbung fomntenbe Berfaltrett geben. Aug beut BScfen beg Sienftoer*
tragcg ift aber eine BerpfHd)tung beg 953erfttteifterg, feinen SiettftBerru
über bag gabrifatiottgoerfabreit gu belehren unb bemfelbett feine bieg*
begüglithen tcdniifdieu Äenntniffe unb ©rfahruttgen fd)led)tBiit mitgu*
theilcn, nidjt gu entnehmen, eg fei bentt, baß bieg im Sienftoertrage
angbrücflicB augbebungen morben fei. Settt 'Berfmeifter liegt oielmehr
lebiglicB bie AuffttB* unb Leitung beg Betriebeg, b. B. bie 93ertBPtluitg
35
ber Arbeit, bie Prüfung unb Hbnabnte berfelbeu, jomic bie lieber*
roadjung ber Arbeiter, äRaterialien unb Hnlageit :c. mäbreub ber Hu*
fertigung ber Arbeit ob; bie Menntniß bc« gabrifation«verfahren§ unb
ber bindet 31 m Vcrtvenbung gelangcnbeu Materialien ift bei bem $abrif*
berrn, al« beßen Vertreter im betriebe ber Bcrfmcifter fungirt, gemöb ,ls
ließ oorauS 3 ufeßcn; ju einem Huffdiluß hierüber ift ber Berfmeiftcr nur
infomeit verpßidjtet, al« bie« 311111 Vertriebe ber in ber gabrif ersengten
'Banrett, alfo namentlidb sur HufftcHung einer fachgemäßen Malfulation
ber gabrifatioH«fofien, non beren #öl)c ber feßsufeßenbe VerfaufSpreis
abhängig ift, erforberlid) ift. Daß Kläger aber in biefen Olrcngcn feinen
Obliegenheiten 3 ur Offenlegung feiner Menntnißc mtb gertigfeiten nicht
nachgefommctt ift, ift nicht enoiefen. Veflagter behauptet überbieö nicht
einmal, baß Kläger perfönlich irgenb inte fidj gemeigert habe, ihm Huf*
fdjluß über ba« Verfahren unb bie SRatertalen 3 U geben. 9tur 3 inei
ihm unterftellte Arbeiter hat er 311 befiimnten verfudjt, bem Veflagten
bie oon biefem erbetenen Hufflärungeu oor 3 uentbalten. Die £eßteren
nrnrett aber un 3 toeifeIhaft nach tb^wi HrbcitSoertrage 311 ben in Siebe
fteheitben 9RitifjeiIungen in feiner Beifc oerbunben. ©« ift baber auch
nicht erßcßtlid), imviemeit Kläger fidj burch bie mehrgebadjte Huf*
forberung einer Verleßung feiner Dienftpßicht fchulbig gemadjt bat.
demnach erfdjien bie ©ntlaßung be« Mläger« ungerechtfertigt.
8 eine forberung fteQt fich febodj lebiglicb al« SdjabeHserfaßforberung
bar. Denn bie Veftintmung ber §§. 133 b unb c ber ©emerbcorbnung,
bah bie Hufbebung be« Dienftverbältnißc« oor Hblauf ber vertrag«*
mäßigen Seit in geroiffen gällcit „verlangt" merben fann, ift nach ber
berrfcheuben Huficßt baljirt 3 U verfaßen, baß ba« Verlangen bei bem
anbereu Sb«* 1 / meßt bei bem Stifter 3 U fteflett ift, baß fomit bie Huf*
löfung au« loichtigen ©rünben oon einer oorgängigen richterlichen
©ntfdjeibmtg nicht abhängig ift (ogl. Scßenfel a. a. 0. Siote 6 311 §. 124 a
Siote 4 ju §. 133 b). Der Dienftvertrag ift baber mit bem burch bie
©ntlaßung be« Mläger« erflärten Stücftritt be« Veflagtcn al« aufgehoben
au 3 ufebett, Kläger fann baber nun nicht mehr auf ©emäßrung be«
©eßalt* für bie $eit nach frtner ©ntlaßung, fotibem nur auf HuS*
gleichuug be« ihm burch bie unrechtmäßige ©ntlaßung ermadjfcnen
Schaben«, b. ß. in .$öße be« ihm ßicrburdj entgebenben Dienfteinfommen«
flagen (ogl. Staub, Kommentar gum §anbel«gefeßbudj, Huflage II §. 4
311 Hrt. 62). Huf biefen Schaben muß fidj Kläger aber allen bi« 3 um
vertragsmäßigen HMauf ber Dienfaeit burch Vermenbmtg feiner Hr*
beitsfraft ersielten ©rmerb abrechnen laffen. (Staub a. a. D. §. 7.).
Mann von bem Hrbeitneljmer nodj nach ber ©inftellung
ocrlangtmerbcn, baßeritünbiguugSauSfchlußunterfchreibe?
(llrtbeil be« ©emerbegerießt« Hamburg vom 29. Huguft 1898. Vor*
ßßenber Dr. 0 . öeefen.)
Kläger trat am 9. Huguft bei beu Veflagten ohne Miinbigung«*
abrebc in Hrbeit unb iveigerte fich/ al« ißm am 10 . Huguft er. eine bie
Münbigung aufbebeitbe Vereinbarung 3111 * Unterfdjrift oorgelegt mürbe,
fie 3 U unterfdjreiben. hierauf erflärte ber polier ber Veflagten ihm,
baß er unter biefen Umftänbeu, bevor er ihn iveiter arbeiten laffen
fönne, erft mit ben Veflagten Vütffpracße nehmen ntüffe. Hl« ber Mläger
fich ant nächfteu 2Rorgert roieberum 3 ur Hrbeit melbete, ivar biefe 9iücf*
fprache angeblidj noch nicht erfolgt. Kläger ßeßt hierin eine ©ntlaßung
unb forbert Scßabenerfaß. SRocß länger 3 U märten ^atte Kläger feine
Veraitlaßung, fonbern er fonnte fich mit gng unb Stecht als eutlaffen
betrachten. Da er aber mangels anbermeitiger Hbrcbc Hnfpruch auf
©iiißaltung ber gefeßlidjcn Münbigitng«frift fjatte unb fich auf eine nadj*
träglidjc Hufbebung biefer grift nidjt einjulaffen braudfa, fo ift fein
Sdjnbcurrfnßanfpnuh begrfmbet.
Vcftebt bie für bie 3eit nad) bem HuStritt be« Hrbeit*
neljmer« au« bem Hrbeitsverbältniß vereinbarte Pflicht 3 iir
Verfchmicgenßeit über gabrifationSgeheimniffc auch bann
uod) fort, menn ber Hrbettnehmer ohne (Srunb eutlaffen ift
ober burch gefeßmibrtge« Verhalten be« Hrbeitgcber« jur
Huflöfitng bcs Hrbeitsverbältniffes ge 3 ivuugeu roorbcti ift?
Mann er Hu« 3 ah(ung ber vertragsmäßig cingubebaltenbeu
Maution forbern? (llrtbeil bcs ©emerbegeridjt« greiburg r. V.
vom 9. Stovember l^nc». Vorfißcnber Viirgermeifter Dr. Jboma.)
Hm 19. rftober 1S96 trat ber Wäger in golge eine« BortmedifelS
mit bem Veflagten aus bem Hrbeitsverbältniß bei biefem aus. Crr
iorbert mm Hufbebung be« 3 mifd)en Parteien beftehenben Vertrage«
imb außer riiefftänbigem behalt Hus^ablung ber Ujin einbebaltenen
Mautiou. Xer Vcflagte ivill ben Olebalt jebodi mir bi« 311 m J9. £ f=
tober geiväbren, ba er ein Verfdiulbett an ber Vertragsauflösung
ieinerfeitö uid)t anerfeimt. Xie Husjahlung ber Mautiou lehnt er
ab, meil'Mlägrr verpflichtet fei, ttadj 4 bis s be« Vertrag« eine
Mautiou von snoo M. 31 t ftelleu, tveldie nadt unb nad) (10% be« je*
ivfiligeu Verbieuftes) an ben Vobu^abluugru al^ii^icben feien. Xcr
Pertrag r iveldier eine Uufüubbnrfeit von 12 fahren feftfetit, (egt bem
36
Mläger bie Verpflichtung 3 ur Verfchmicgenhcit über ba« gabrifationS*
gebeimttiß unb ba« Verbot auf, fpäter nadj Huflöfuttg be« Vertrag« in
fein Monfiirrci^geßhäft cin 3 utreteu. gm 0 an 3 en fofl bie ©ebunbenheit
be« Mläger« 27 gafjre bauern, lväljrenb tvelcher 3eit bie Maution, tvelche
bisher erft 31 t eiu:m geringen XfyeiU einge 3 afjlt ift, unfütibbar ftehett
31 t bleibett §ätte.
2)nrd) bie VeioeiSaufuabme ift feftgefießt, baß Veflagter ben Mläger
„Sausbube", „§unb«fott" gefchimpft unb ihm mit gesücftent SReffer ge*
broht Ijttt, er rnerbe ihn tobtftechen. hiernach mar Mläger gemäß
§. 124 ber ©cmerbeorbnmtg 311 m fofortigen Hu«trttt au« ber Hrbeit,
fomie gur Erhebung eine« S^abeuScrfaßanfpruch« berechtigt. ®ilt aber
burch ba« Verfchulbett be« Veflagtcn ber Vertrag als aufgeloft, fo
fommen audj bie bariit enthaltenen meitcren Verechtiguitgen, inSDefonbere
bie Verpßidjtiing 3 ur Verfchmiegeuh‘it unb bie Vefugniß, bie gemachten
2 ohttab 3 Üge al« Maution 3 urücf 3 ubehatten, in SBegfaH. ^ahingefteHt
famt bei biefer Sachlage bleiben, ob ber Vertrag vom 6 . guni 1893,
melcher, obroohl nur von 5 >ienftleiftungcu eine« gemöhnlichen gemerb*
liehen Hrbeiter« hanbelnb, eine uufüubbare Vittbuttg von 12 begtu.
27 gahreit vorftefjt, überhaupt Hnfpruch auf (Sültigfeit machen fann,
ferner ob ber Soljnabsug oon 10 % nidjt gegen bie 3 tvingenbe ©orßhriit
bc« §. 119 a ber ©etverbeorbmtng oerftößt.
55ie gegen biefe« Urteil eingelegte Ventfung mürbe vom £anfc
gericht greiburg i. V. jitrüefgemiefen.
Vfuß ber Hrbeiigebcr ben vom polier verfprüdjeiicii
Vüljn 3 a h len? (llrtbeil be« OHetverhegeridjt« Verl in, Mautmer 3, vom
25. gttli J898. Vorftßettber: ©etoerberichter Schtttieber.)
Mläger mürbe für Veflagte, burdb beren mit ber Hmtaljme von
Hrbeiter« betrauten Vdü*r angenommen, itadjbem er fich im Vurenu
ber Vertagten gemelbet mtb bort bie Beifung erhalten ^atie, er follc
fid) an ben Vvlicr meitben; mie bettn audj ein Hnfchlag im Viireau ber
Veflagtcn befagt, baß ©efellen mtb Hrbeiter nur auf bem Vau aitgefteHt
tverbett. 2Rit bem b^l Mläger 50 Stuubenlohu verabrebet.
Hl« er fpäter an anberer Stelle unter einem anbereti polier arbeitete,
hat er mit biefem über bie Soljuhöhe nicht gefprodjett. tbm mm
aber nur 45 Sf. pro Stunbe gc^a^It mürben, verlangt er ttagcnb bic
$Hfferen 3 von 5 ff. pro Stunbe. Veflagter beftreitet bent polier bie
Vefugttiß, bie ^öhe be« Sohne« 3 U vereinbaren.
Unftreitig b at i c ^ cr V°^ cr Huftrag unb Voümadjt, Seute a« 3 u*
uebmett, b. b- HrBeitSverträge, eine befonbere Hrt ber Verträge über
^anblungett (§. 895 H. £.9t. I, Zit. 11) ab 3 ufdjließctt. ©in mefcntlicber
Vcftatibtljeil biefer Verträge ift aber bie Hbrcbc über bie Vergütung ber
.£>anblungen (§. 869 a. a. £>.), fo mefentUdj, baß ohne eine foldje Hb=
rebc ber gan 3 e Vertrag oljne rechtliche Birfung ift. (§. 872 baf.)
§atte baljer ber Votier ben audj bem Mläger mitgetheilten Huftrag,
Hrbeiter a^uttefjmen, fo fjotte er bantit 3 ugleich ben Huftrag, mit ihnen
bie Soljttböbc 31 t vereinbaren; bettn bie Billen«erfläruttg, burch btc er
beauftragt mürbe, mürbe attberenfall« oljne jebe Birfuttg geblieben
fein. So barf aber nach §. 74 H. Ö.91. I 2it. 4 eine Billcnserflärmig
nidjt gebeutet merben. .JSierttadj verpflichtete bie Veflagte bie £obnab'
rebe iljre« ißolierö ebettfo tvic bie von biefem erfolgte Hmtaljme bes
Mläger«. ^£a ettblidj Veränbermtgeit nicht vermutet merben, eine ttetteii
ltdje l'ofjitabrcbe aber nicht ertviefeit ift, fo ift Mläger berechtigt, ftati
45 3f. { für bie gattsc^atter bc« Hrbcitsoerhältniffe« hOSf. pro Stunbe
31 t forbern.
Sichtbare, nnfittlidje lätomirungeii ber Hrtnc fiitb
fein ©ntlaffung«grunb, fdjiießen aber nach babifchem l*anb =
redjt einen Schaben«erfaßattfpruch be« ©utlaffeueu aus.
(Urtheil eine« fübbeutfdjcu ©emerbegericht«, mitgethcilt von V.)
Mläger, vom Veflagtcn ohne Miiitbigung entlaßen, forbert 14 tägige
£ohrientfdjäbigung. Veflagter erflärt, er h°& c ©ntlnßung bcs
Mläger« bcßbulb au«gefprochen, meil berfelbc auf feinen heibett Vorbei
armett uuftttlidie Xarftellimgen, mcldje eintätomiert feien, trage unb in
golge ber Hrt feiner Vefchäftigung ftet« mit entblößten Hrmen gearbeitet
habe, fo baß bie Jätomirungcn audi für feine jitgenblichen SRitarbeiter
fid)tbar maren.
Mläger giebt bies 31 t; er habe fidj biefe lmfittlidjen SarftcUungen
vor etma 3 ebn gahren fertigen laffen. Mläger rniffe jeßt, baß bie« eine
itnredjtc .^anblung gemefeu fei, allein ba« laffc fidj nicht mehr änbern.
©in ©runb 3 m* ©utlaffung liege aber und) §• l‘^3 ©emerbeorbmtug
ntcf>t vor.
Mläger, als gemöbulirher Hrbeiter, formte nur aus einem ber in
§. 123 ©emerbeorbnmtg aufgefübrieu ©riinbe eutlaffen merben. Ve=
flagter meint aKerbing«, ba?ß bie lätomirungen eine Veruuftaltung ber
menfdilidjeu Hrutc unb bnrum eine abfdjrecfcnbe Mrauffjcit (§. 123,
pß. 8 ©emerbeorbnung) feien, unb baß bie Hrtbringung berartiger
3ctfhuimgru auf ben Hrmen unb bereu Sichtbarmachung für brittc
Verfoucu einen „liebcrlichcu h?ebeusmaubel" (§. 123, 3 iß. 2, ©emerbe*
Da« ©cmerbegericht. SWittbeiluugen be« Verbanbe« beutfeher ©emerbegeridbte. Hr. 3.
37
2)o« ©ewerbegeriegt. SRiitgeilungcit bes VerbanbeS beutfdger ©ewerbegeriegte. Rr. 3.
38
orbnung) barftetten; allein bieje ©efepeSfteUen fönnen feine Anweubung
finben; benn folcge Sätowirungen pellen niegt eine ftranfgeit, b. g. eine
Störung ber förderlichen ober geiftigen’ igätigfeit beS 2 ätowirten
bar. ©benfo wtrb bie Anbringung begw. bas Anbringenlaften berartiger
Sätowirungeu nnb bas Segenlaffen berfelben 31001 als unpttlxcgc
$anblung, nicht aber als „lieberltcger ÖebcnSwanber betrachtet werben
fönnen.
2 )a oon ben in §. 128 ©ewerbeorbnung erwähnten anbern gatten
oftenpcgtltcg feine Siebe fein fann, fo war bie ©ntlaffung nicht gerecht¬
fertigt unb fein Scgabenerfapanfprueg an pcg begrünbet. ©letcgwogl
aber mup bie Abweifung beS ©ntfcgäbigintgsanfprueges auf ©runb att-
gemeiner ReegtSgrunbfäpe erfolgen. @8 finben gier bie Veftimmungen
ber S.R.S. 1882 ff. unb 1146 ff. fowie bie ju beren ©rgängung
beftinmtten Vorschriften bes ©efejjeS 00 m 6 . Rtärg 1845 über bie
prioatrechtiichen golgen oon Verbrechen Anwenbung. Viernacg mup
insbefonbere geprüft werben, ob (§. 15 beS genannten ©efepeS) bie 2 gat
— gier bie ©ntlaffung — bureg eine unrecgte Vanbluug beS Verlegten
felbft oeranlagt war unb ob im ooriiegenben gatt gemäg §.15 Abfag 2
be$ genannten ©efepeS (oergl. §. 254 beS beutfdgen bürgerlichen ©efep-
buegeS) eoentuefl ber Veflagte gang oon ber ©ntfegäbigungSoerbtublicg»
feit freigufpreegen ift.
2)a« (Bericht ift gur Itebergeugung gelangt, bag in oorliegenbent
gatt ber AuSfprueg ber ©ntlaffung burch eine Unrechte §anblung bes
Kläger« oeranragt unb ber Veflagte bepgalb oon jeher ©ntfdgäbigungS-
oerbtnbliegfeit freigufprecheit war. 2 >er Kläger, weither fleh bewugt
war, bag er ungültige ^arftettungen auf feinen Armen trägt, mugte
gleichfalls wiffen, bag bas ©rbliefen berarttger 2 )arftettungen auf
pttlicg normal entmicfelte SRenfegen ©fei erregenb wirfe; er mugte
aber auch weiter wiffen, bag bei anberen Seuten gierbureg unreine
pnnliege ©mppnbungen erweeft werben unb bag insbefonbere bei jungen
Leuten einebirefte entpttlicgenbe ©irfung gu befürchten ift. ©enn bager
Äläger gemeinfam mit Anbern, insbefonbere mit jugenblicgen Verfonen
arbeiten mugte, fo war e$ feine Vfficgt, bafür gu forgen, bag bie un¬
gültigen 2 )arftettungen nicht gefegen werben fönnen. 2 )ag er biefer
Verpflichtung nicht naeggefommen ift, bag er bie ungültigen 2 )ar-
ftettungen uiegt entweber bureg weitere 2 ätowirungen unfenntlicg ge¬
macht ober aber in anberer SBeife oerbeeft gat, ift eine unreegte
§anblung, welcge einerfeits pttlidg oerwrrflicg, anberfeits wenigftenS
nage oerwanbt mit berjenigen SBittenSricgtung ift, welcge ben 2gat»
beftanb ber Verbreitung ungücgtiger 2>arftettimgen im Sinne bes §. 184
Retcgs-Strafsgefepbucg geroorruft.
Anmerfung. VorpegenbeS Urtgeil giebt gu fegweren Vebeufen
An lag. Sein praftifeber ©ffeft ift, bag es ben ooriiegenben Sgatbeftanb
als einen neuen ©ntlaffiutgSgrunb neben benen beS §. 128 ©ewerbe»
orbnung einfiigrt. Sfjeoretifcg ift eS atterbingS etwas anbereS,
wenn bie tflage auf ©runb beS ^5rtt>atrcrf)ts, als wenn fte auf ©runb
ber ©ewerbeorbnung abgewiefen wirb. aftifcg> aber ftettt pcg bie
Sacge fo: Racg §.123 ©ewerbeorbnung burfte Kläger nicht eutlaffen
werben, ber Arbeitgeber, ber ign beunoeg entlieg, oerlepte ein Reicg-
©efep, baS fefiabet ignt aber nicfjts, feine Rechtslage ift genau biefelbe,
wie wenn er bas ©efep niegt oerlegt gälte.
Viergu fontmt noeg, bag bie ©ewerbeorbnung nur eine gang be¬
rechtigte ober eine gang unberechtigte ©ntlaffung lerntt, bag pe auf ein
VJitoerfcgnlben beS ©ntlaffenen ober auf bie SRotioe beS ©ntlaffenben
(abgelegen oon §. 123) überhaupt feine Rüdpcgt nimmt, unb bag
man bemgegenüber niegt auf ©runb ooti SanbeSgefepen oerfegiebene
Arten unb ©erabe beS in ber ©ntlaffung liegenben VerfcgulbenS ein-
fitgren barf.
Scgliegltcg würbe man bureg £ebuftionen wie bie beS oorpegenben
UrtgeilS ben begnbaren Vegriff ber „wichtigen ©rünbe" aus §. 188 b
©ewerbeorbnung entgegen bem ©efepe aueg auf bie gcwögnlicgen Ar¬
beiter übertragen. Sdfjmieber.
Unbefugtes Verlaffen ber Arbeit. (Urtgeil beS ©ewerbe-
gericgtS Stettin 00 m 24. SRai 1898 unb beS ftöniglicgen Sanbgericgts
Stettin 00 m 13. Dftober 1898.)
Äläger, 00 m Veflagten als Äfettner gum 1 . SRai engagirt, trat auf
©unfeg fegon am 29. April ein, erllärte aber, am 30. April fönne er
ber Äontroloerfammlung wegen niegt fomtnen. 2)er Aufforderung, bann
wenigsten« am Abenb gu fommen, folgte Kläger niegt. 2)eSgalb ent-
laffen, forbert Kläger Scgabenerfag. 2)as ©ewerbegeriegt oerurtgeilte
ben Veflagten. 2)aS Sanbgericgt ftimmte bem gu.
Aus ben ©rünbeu: 2)a Kläger unpreitig erft gum 1. SWai enga¬
girt war, fo war er gu frügerent 2 >icnftantritt niegt oerbunben. ftam
er gleidgwogl fdgon früger, fo war es fein freier ©itte. VHeb er aber
banaeg wieber aus, fo gatte Veflagter fein Redgt, fein 3wrüdffommen gu
oerlangen, ba Kläger fontraftlicg erp 00 m 1 . Rtat ab gu 2 >ifnpleipungen
oerpPicgtet war. Sein oorfontraftlicges Vergalten formte bem Veflagten
| bager niegt baS Recgt geben, ben Kläger oor ber oertragSmäpigen 3eit
ogne Auffünbigung gu entlaffen. UeberbieS fegt §. 123 Rr. 3 ber ©e»
werbeorbnung eine begarrlicge ©eigerung beS 2)ienfteS ooraus („wenn
pe bie Arbeit unbefugt oerlapen, ober fonft ben Verpflichtungen naeg-
gufotnmen begarrlicg oerweigem"). Aus biefem ©runbe wirb fogar
in bem fogenannten „blauen Sftontag maegen" ber Xgatbepanb beS
§. 123 Rr. 3 niegt erbHcft (oergl. Sanbmann, ©ewerbeorbnung Vb. 2
S. 212 Rr. 6 ). Von einer begarrlicgen Verweigerung ber Arbeit
fann aber gier niegt bie Rebe fein.
Mgetneinegi über tteraerbegeridjte nnb
^rbeitenerhrag.
Xtt« bem 3agreSberi<gt beS (BemerBegericgtS SRSne^ett für
1897* 2)er fegr eingegenbe SagreSbericgt ©ewerbegeriegts
Vlündgen entgalt aufjer ben übliegen ftatiftifegen Rotigen eine inter-
effante ©efegidgte ber ©ntftegung ber neuerbing — burdg 33efcgluf£berS
©emeinbebegörben oout 20. 0ftober/5. Rooember 1896 bewirften —
Abänberunqen beS Statuts unb ber biSgerijen ©irffamfeit ber
©ewerbegerugte. Aus bem Statut geben wir befonbers geroor,
bap bie ©agl in groei für bie Arbeiter unb Arbeitgeber getrennten
©aglganblungen, unb gwar an gmei aufeinanberfolgenben Sonn¬
tagen, oon Vormittags 11 bis Racgmittags 5 ilgr ftattftnbet;
— eins ber in $)eutf<glanb fegr wenigen Veifpiele ber in ber
Scgweig faft regelmäpigen Venugung beS Sonntags für ©agl-
ganblungen. ©aglliften qiftiren uidgt; bie ©infugrung berfelben
war, ebenfo wie bie ber $roportionalroagl inRüdfftd)t auf bie ba-
mals notg fegwebenbe §anbwerfernooette unb auf bie Veftrebungen,
bie Äaufleitte bem ©efeg gu unterteilen, abgelegnt.
2)er Vericgt befpriegt weiter bie allen ©ewerbegeridgten ae-
tneinfamen Silagen: bie mangelnbe Vetgetligung ber Arbeitgeber
an ben ©aglen unb im 3 u fßinmengang bamit baS unbegrünbete,
jebodg allmäglicg im Scgwinbett begriffene ttßiptrauen ber Arbeit¬
geber gegen bie Qnftitution; bie (^orglofigfeit, welcge bureg baS
Unterlagen flarer, beftimmter Abmacgungen über bie Arbeits-
bebingungen bewiefen wirb unb bie allein bie in Rtündgeit, im
©ecjenfag gu oielen anberen Stabten beobaegtete fortwägrenbe
Stetgerung ber 3<*gl Klagen oerftgulbe. ©enn gier attmäglidg
eine Heine Vefferung gu fonftatiren fei, fo !omme bas f>aupt-
oerbienft unferem Verbanbsorgan gu, baS burdg feine auSfübr-
liegen, aueg ben Seifigem gugänglidgen RJittgeilungen über ote
©ntfdgeibunaen anberer ©emerbegeridgte bie Aufteilung ausfiegts-
(ofer ^rogeffe immer megr oermtnbere.
2)er Vericgt gebt enblidg in fegr gutreffeitber ©eife geroor,
bap bie ©ewerbegeriegte bei Veurtgeiluna igrer Äompeteng niegt
allgu ängftlieg oerfagren bürften. InSbefonbere wäre gu wünfegen,
bap fie fttg bet Snterpretation bes §. 3 beS ©ewerbegeridgtSgefegeS
niegt auf ben enagergigen Stanbpunft einzelner ©ewerbegeriegte
teilen würben, welcge g. V. bei Streitigfeiten über ©ntfegäbigungs-
anfprüege wegen oergögerter AuSgänbtgung beS 3euQniffeS ober
wegen oerweigerter, bejw. niegt redgtgeitiger AuSgänbigung bes
ArbeitSbuegeS tgre 3 u tönbiafeit oemeinen. 2)tefe, fowie rnandge
anbere analoge Sötte, g. V. ©ntfegäbiguna wegen Verweigerung
ber Verausgabe beS 2)ienftbucgeS 2 c., pno atterbingS nur eine
mittelbare Solge beS ArbeitSoergältniffeS; allein pe gaben itnmer-
gtn igre Veranlaffung in bem legteren, unb eS mup bager oon
ben Vetgeiligten als V^rte entpfunben werben, wenn pe berartige
Anfpriicge auf bem foftfpieligen unb geitraubenben ©ege ber
orbeutlicgen $Iage geltenb maegen muffen, ©ine Subfumtion
folcger Sötte unter §. 3 bes ©ewerbegeridgtSgefegeS wäre bager
fegr wünfcgenSwertg.
Aber aueg für bie ©rweiterung bes bem ©eroerbegeridbt
unterteilten $erfonenfreifes fpridgt fieg baS ©ewerbegeriegt
aus. $ie ungemeine Vefcgleunigung beS VerfagrenS oor bem
©ewerbegeriegte gegenüber bem Verfagren oor ben orbentlidben
©eriegteu gereiegen ben V ar *eien iibergaupt unb gauptfädglieg ben
ArBeitnegmern gum eminenten Vortgeil. ,,^)ieS ergettt, wenn man
bebenft, bap bie Rtöglicgfeit weiter Arbeit gu ergalieit oft baoott
abgängig gemaegt ift, bap bie bereits angängig gemaegte Streitfadge
guoor noeg erft igre ©rlebiguitg gefunben gat, unb im Allgemeinen
gum Rtinbeften ben Arbeitern maneger Verbrup unb Verluft an
3 eit unb ©elb erfpart bleibt, wenn ttoeg oor ©intritt berfelben
tn ein neues ArbeitSoergältnip bie oon ihnen bei ©eriegt geltenb
gemaegte fllage gur ©ntf^eibung gelangt.
39
$)a$ Gewcrbegeridjt. SWttfheilungen beS BerbanbeS bcutfdjer Gewerbegeridjte. Wr. 3.
40
„Es totirbe bafier mir wünfcßenSwerth erfcßeinen, wenn bic
burd) bas ©ewerbegericßt gemährte 9tecßtswohlthat bcr raffen ©r*
lebigung ber Streitfälle betn gefammten Arbeiterftanbc 311 ©ute
fame 1111 b ber Wirfu 11 gsfrctS ber ©ewcrbcgericßte nod) auf weitere
SFlaffeu ber arbeitctibeit Beoölferung auSgebeßnt würbe. ©erabe*
gu bebauerltcß wäre es jebod), wenn bnrd^ io eitere ©tnfiibrung
neuer Scßtcbsgeriete bie 3 ll ftänbigfeit ber ©ewerbcgericßte
befcßränft mürbe, ba eS erfahrungsgemäß weitaus gtoccfutäßiger
erfcßeiiit, wenn bie ©rlebiguitg aller gewerblidjen Streitig feiten
nad) einheitlichen formen erfolgt unb wenigftenS für benfelben
Begirf centralifirt ift unb bleibt."
BMr fönnen uns allen biefen, liier nur auSgugStoeife wieber*
gegebenen Acußeruitgen nur anfdßließen. lieber bie Sßätigfeit beS
©ewerbegericßts München als ©inigmigSamt wirb nod) befonberS
oon uns berichtet werben.
Befanntmarfjttttgeit ber ©etoerbegertdjte über Arbettsoerßältmffe
tßre$ BegtrfeS. ©erlüge Bcmtfcung ber ArbettögctteL $as
©ewerbegericßt Girier hat an fämmtltdje Arbeitgeber ein ©icfular
oerfanbt, in welchem es bdnaenb um Abfcßluß orbmingSmäßtger
ArbeitSoerträge erfueßt unb Darüber flagt, baß bic Arbeitgeber
bie unentgeltlich oerauSgabten ArbeitSgettel faft nicht benußen.
3ugleid) rügt es bie in Arbeiterfreifen immer mehr um fid)
gretfenbe Itnfitte beS „blauen BJontag*ina(ßens", fowie bee über*
mäßigen ©eituffcS geiftiger ©etränfe, fowoßl auf als außerhalb
ber ArbeitSftette, unb empfiehlt baS 3 . B. in ttßünd)en*©labbach
eingeführte Berfaßren, wonach bort an folibe unb nüchterne
Arbeiter oon Qz'it gu 3dt feitenS ber Arbeitgeber Prämien ge*
währt werben. ©nblicß wieberholt es ein bereits 1892 unb 1895
ergangenes ©rfudjen, bie ßoßn* unb AbfcßlagSgaßlungen womöglich
an einem mittleren Wochentage, nicht an einem Samstag, oor*
gunehmen. $>ie SamStag*AuSgaßlungen führten häufig gur 33er*
geubuitg beS ©elbeS unb gum wirthfdjaftltcßen Sfluin ber Qamilie.
Wir fönnen natürlich nicht beurteilen, inwieweit bic Berßält*
uiffc in £rier biefe Warnungen angegeigt erfcheinen taffen, glauben
aber, baß es an fief; burdjauS nadjaßmeuSwertß ift, wenn bie
©ewerbcgericßte wichtige Beobachtungen über bie Arbeitsoerßältniffc
in ihrem Sprengel allgemein befanntgeben.
£ic Silage über bie geringe Benußung ber ArbeitSgettel
wirb übrigens oon feßr oielen ©ewerbegerießten erhoben, unb um*
gelehrt haben bie Klagen, welche gelegentlich oon Arbeitgebern über
bie Arbciterfrcunblid)feit ber ©cwerbegeridjte erhoben werben, gum
guten Jfjctl ihren ©ritub barin, baß bie Arbeitgeber, troß beS
§. 122 ber ©ewerbcorbnung, unterlaffen, ben AuSfchluß ober bie
Äbfiirgnng ber ÄünbigungSfrift gu oereinbaren, unb fich bann ent*
rüften, wenn fie, ber Haren unb gwingenben ©efcßeSoorfcßrift gu*
folge, gu SdjabenSerfaß oerurtheilt werben, ©ine inSbefonbere
hierauf ßinweifenbe Befanntmadjitng ßal neitcrbingS bas ©ewerbe*
geridjt Qranffurt a. Bi. erlaffen.
Qu Berlin höben fich bie oon ben 33orfißenben beS ©eroerbe*
gerichts aufgeftettten ArbeitSgettel anfeheinenb recht gut bewährt.
Sie werben ftarf benußt, fommen aber gleichwohl nur feiten in
3 ?rogcffcn gum Borfcßcin.
SerfdjiciirnE?.
BeißhemgamfatioHen. Qu Stettin befteht ein Berbanb ber
Arbeitgeber* unb Arbeitneßmer=Beifißer unter bem 33orfiß eines
Arbeitgebers. Außerbem fiub uns nur Aacßridjtcn über Arbeit*
nehmer*5Drganifationen gugegangen, unb gwar aus Siiel, Biaing,
Hamburg, i'eipgig unb Schöneberg b. Berlin. An feinem
biefer Drte bilben bte Arbeitneßmerbeiftßer fefte Bereine, überall
aber oereinigen fie fich gmangSloS einmal im Bfonat (in S>dßöne =
berg alle 14 £age) gur Befprechuttg gewerbegeridjtltcßer, in
s 3J?ain g auch fommunaler unb gewerffdjaftlidjcr Angelegenheiten.
$>ie Arbeitnehmcrbeirtßer in SHel unb ßeipgig ertßctlen auch in
gewerblichen Angelegenheiten an beftiminten Stetten unentgeltliche
AuSfunft, in ßeipgig täglich in ben ABenbftnnben, in Äiel ein*
mal wöchentlich.
3mtahme gütlicher Begleichung umt ArbeitSftrcüigfeitat ist (fcwglmrt
I)aS &anbelSamt hat ein Blaubuch über bie Streifs beS QaßreS 1897 oer=
öffentlicht. Wäßreub biefeS QafjreS würben 230 267 Arbeiter bireft un?
inbireft oon beit ArbeitSj'trcitigfeiten berührt, gegen 198 687 im Qabrr
1896, 263 758 im Qahrc 1895, 324 245 hn Qaßre 1894 unb 636 396 im
Qaßre 1893. Qm Qaßre 1897 gingen burdj 3luSftänbe 10 345 523 Ar*
beitstage oerloren, gegen 3 748 525 im Qaßre 1896, 5 542 652 int Qafut
1895, 9 322 096 im Qaßrc 1894 unb 31265 062 im Qaßrc 1893. oin
leßten Qaßre litten unter ben AuSftänben 3,8% ber Arbeiterfdßaft, gegen
5,6% oon 1893 bis 1897. Ser Bericht beS ^aubelSantteS — unb bcr*
wegen erwähnen wir ißn hier — weift barauf ßin, baß eine gütliche
Begleichung ber ArbcitSftreitigfeitcn in ber 3 l *n a h mc gu fein
feßeiue unb bie Arbeiter jeßt bei bete gntfeßeibungen größere Erfolge
baoontragen. ^iefe Schlüffe glaubt bas .’oanbclsamt aus folgeuber
Jabelle gteheit gu föititett:
Art ber Erlebigung.
Betheiliate Arbeiter
1895
1896
1897
Xnrdt SdjiebSgcricßte.
13 215
10 28n
9 756
= Berfößnung uttb Bermitte*
luna ..
65 700
9 941
9 544
* bireftc Berljattblungcu gwifdjctt ben
Betljeiligten.
119 282
120 936
187 048
= Aüdfeßr att bie Arbeit gu ben Bc=
bingungett ber Arbeitgeber . .
56 719
46 780
15 207
* ©infteUuug anberer Arbeiter . .
4 852
7 450
4 307
* Schließung ber Werfftätten . . .
2 397
3161
1673
* Bcrtagung
1757
139
*2 732
^ufamnteu . . .
263 758
198 687
230 267
fittefhöflcn.
©reig. ^te §öße ber ©eßalte ber Borfißenben ber ©ewerbegeridne
ift »nS nidjt befamtt unb aueß besßalb fdjwer angugeben, weil in brn
weiften Stäbten ber Borftß oon A?itgltebcrit beS STOagiftrats ober in
bereu Bertretung oon anberen ftäbtifchen Beamten geführt wirb, bic
ihren ©efjalt unabhängig ooit ihrer Stellung als «ewcrbegericht*-
Borfißenbe begtehen.
©ötmftntt. $er eingige ©ntwurf eines DrtSftatutS über bie
führung ber B^oportionalwahl ift ber oon ben ftäbtifchen Beßörben nt
gremffurt a. iW. beidiloffene, ber gur 3eit ber Genehmigung bcs ^ro*
oingialratheS tn ©affel unterliegt, tiefer Entwurf entspricht im
Allgemeinen bem Borfcßlag, beit <Ätabtratl) Dr. glefd; in ber „Soziale::
$rajiS" 1895 3p. 507/508 madhte; enthält aber nidjt bie bort uorgefrbrne
3Köglicß!eit, baß bem oon mehreren Parteien oorgefdjlageuen ttavibtbatm
j innerhalb ber BorfcßlagSliftc [einer Bartei bie Simnten gugcrcdmci
werben, bie er auf beit übrigen Borfdjlagsliften erhalten hat, fo bah
ihm burdj bte Stimmen bcr fremben Bartei bcr Borrang unter [einen
Barteigenoffen gefiebert werben fömtfe.
Stettin. $as Gefchäftsjahr ift bas ^alettberjahr.
Wo^eufißnft „Sogialc Cesttatlfclfttt für Sogialpoliti!^.
(.^erauSgeher: Dr. ©. Qrancfe, Berlin; 35erlag oou Wunder &
.Jtumblot, Öetpgig. 3 U begießen bureß fämmtlicße ^Joftanftalten
unb Bucßhatiblungeit gum greife oon 2 JL 50 Bf. für baS Biertel*
jaßr einfcßließlidj ber BZonatSbeilage „$aS ©ewerbegerießt".)
A 110 bem Qnhalt ber Ar. 9: Gebauten uttb Erinnerungen
be# Q-ürften Bicmanf. Bott Btef. Dr. G. Sdnttoller, Berlin.
Unternehmer* unb Arbeiteroerbätibe in Englattb. Bon G. AoeS, Bonbon.
1 — Xie Jarijbcwegung im beutfdjcn Bucßbrucfgcwerbe. — tf omiim
1 uale Sogialpolitif. — Sogiale ^uftänbe. — Arbcitgeberoerbänbe. -
1 Arbeiterbewegung. — Arbeitcrfdjuß. — J?aS ßmttfcße nnfaffnerftdie*
rungSgefeß. Bon Dr. A. SH. af Urfin, Abo. — ArbeitSnachtuciS.
I WohlfabrtScinridjtuuflen. — Woljnnngswc[en - Sogiale ^pgiettc u. [. n»,
- Literatur.
w ®a« ©etoetbegeticht - etfeheint am erften Donnetftage Jebett SRonat* im äKinbeftumfangc oon V* Bogen gum Breife oon 1 SW. jähAich. — BefWInngen
nehmen fämmtliche Boftanftalten (Boftjeitung«nummer 2877) unb Buchhanblungen an; ein biteltet Bejug oon bet »etlaglbuc&hönblung fiubet nicht ftait
«erlag ton ®:mtfer * ©umblot, »eipiig. — «ebrudt bei 3ultui 6Utettfclb tn »erltn w. - eecantraorüiifi für bte ÄebattUm: etabtratb Dr. Sttefcb. fttanffittt a. n 1
für bte «ranittet Reitfi»re<Oung, Berfaffung unb Berfa$ten: BemerbericOter 6«0mleber, BerlS. ^ Bwrorwi «. w.J
IY. 3afjrg<njg,
Serlin unb granffurl a. 2Ä., ben 5. Csanuar 1899.
Kummer 4.
fas ©fnwrbfgjridjt
ZTltttfyeüurtgen bes Derbartbes beutfd?er <f 5 ett>erbegend)te.
WebaftionSauSfdjug:
Stabtratlj Dr. glefih in Sranffnrt a. »J., Wemerbcrid)ter g^mteter in Berlin mib ©omeinberatlj JStüdtmager in Stuttgart.
frMftftt t* «ri<K |««Mt|l«c frt« __ ^ Nl5 Will# 1 |B«rl.
- «NT--'-'-"-V8
Äoftcnfteie »eilage jut „Sozialen »rariö".
»erlag t>on ©undet & £umblot, Öetpjtg.
3nlj
©ie Parteien unb bafl ©e tu erbe*
g e r i d) t. »on 'Stabtvatl) Dr. % I e f cb,
yyranffiiYt n. .41
3 n r v e et) 11 irf) e n «Stellung ber
.Heimarbeiter. II. »on »?. boit
’Sdjulj, »orf. beö ©eioerbegeiicbtö j
Berlin . 45 j
gerfuflTung nnb gerfatjrf n .... 46 |
»firgerlirfieö ©efefcbud) unb ;
© e »e r b e o r b n u u g.
■Auslegung beö §. *20 b>ö Gleiuerbc*
geririjtc'geietjeö.
#erijl|pmt)un 0 . 47
3ft ber ftolontteufiiljrcr ben anberen
»Mitglieberu ber Kolonne gegenüber
SteHucrtreter beö »lUiimterneljnierö
ober ift er fehlt Arbeitgeber ber
MolonneV (©eiuerbcgericlit »erlin,
.Uaunucr III.)
3ft b.io Weiturbegericbt für 'Streitig*
feiten puifeben einem fvelbnteffer unb
feinem Velirlittg piftünbig? (Vanb*
geridjt »erlitt I.)
3ft ber ilüdiendjer ciueö ,£>otelö »e«
trieböbeamter? Un.viftdiibigfeii beö
©eiuerbegcriditö bei »etvieböbeiimten,
bie mehr nlö (> .*/. pro lag erbalt.tr.
(Keiuerbegcricl-t .Hamburg.)
alt
1. 3ft bnö ©ctuerbcgerirfjt juftftnbig
für Klagen beö »Mafd)iniftcn eine«
Srideppbaittpferö?
2 ©eljört ein ft aut lieb geprüfter
»Zafdjinift, in feiner ©igcnfdjaft alö
»Mafdiinift einer ©dileppbaiupferö,
ju bnt »ctricböbcmiiten utib ied)«
niferu im Sinne beö §. 133a ber
WemerbeorbnungV (©» »oerbegerid)t
.Stiel. — .SUmigt. Vaubgericfct .Stiel.)
3ft es ein OSruitb jur fo : ortigen CS*iit=
laffung, unmit ein Arbeiter feinem
»Mitarbeiter jurebet, fid) an einer
Arbeitöeinftclluitg |U betljciligeu?
»ebeutung beö »udibrurfertarifö.
((ftemerbegerid)t in Siibbeutfd)lanb4
©tntgungaamter. - : o
©ie ©Tgebitiffc ber cnglifdjcn »er*
fölimingöafte.
I||rtigungöamter bei euglifdten .Han*
bclöfamntern.
fWeforili bet Conseils de Pmd’liomtnes
in $ranfreid).
gitteratur .52
Dr. A. 231 o cf;, ©a§ ©ctuerbegeridjt.
^nbaltöattgabe ber „Sojialcn »rariö".
Abbrud fämmtlid)er Artifel ift ßeituitgeit unb 3«tf(briften geftattet, iebodj nur mit
DoHet DueUenangabe.
Bie Parteien unb baa (Öewerbegerid)t.
»on Stnbtrnrr) Dr. Jvlefrfj, Ainnffuit a/9K.
Vefanntlid) batte bet A-rauffurter »Jagiftrat eine Aeuberiiug
bes bortigen hlemerbegeridjtsftatuts benbfidjtigt, roeldje insbefoubere
folgenbc fünfte enthielt:
1 . (iinfübning jtueijäbtiget ^abtperioben anstatt bet einjälj*
rtgert, luclcfje bas bisherige Statut im Wegeufap 31 t alten anbeten
Srtsftatnten uorficht.
2. (Sinfiiljrung uoit »iSatjllifteii, meldjc im ^efeiitlid)en nad)
bem uom berliner Statut gegebenen »iujtet geftattet fein foltten.
3 . (Siufiibrung bet ^topottionalmaftl für bie "Bableit ber
Arbeitgeber unb ber Arbeitnehmer.
Xer »e^irf^au^fdjiig ,yi ©iesfbaben hatte bie beibeit eilten
Aenbetnngen genehmigt, Die tc^tere abgelehut. Xer uom s Dcagi|trat
hiergegen angerufeue ^roüiu^iataiH3fd)u& 511 Gaffel bat fid) biefer
(intfdjcibuug angefdjloffeu. Xie ©riiube be^ ^roDin^ialauSfdjuffe^
liegen nod) nidit nor, fie merbeit aber f)offentltrf) an biefer Stelle
^ur »eröffcutüd)ung gefangen, immerhin ftet)t bereite jept feft,
bag ber »erfud), bie ^ufamineufebung bee Wemerbegeridjte in einer
Art ,}it geftalten, iuetd)e auch ^ cn in ber 'Mnbcr^ahl befiubtidjen
Parteien unb ontereffengruppen eine Vertretung im ^eroerbegeridjt
ermögtidjh ,ynnid)ft gefebeitert ift. Xiee fdjeint um fo bebenftidier,
ale gerabe in lebtet ^,eit bie ittagen bariiber atlgemeiu geworben
finb, bag für bie V>at)l ^um ^emcrbegerid)t politifdjc Siücffidjten
mehr ober weniger maggebenb feien. So h«t -v 5 «brifant
»ieigerfeVerlin neuerbiiigs (im Aiibuftrie= unb VMinbetebtati) »e=
1 fchwerbe barüber erhoben, bag bie Vertincr s BahlIiften c$ ben
So^ialbemofrateu ermöglidicn, eine Weihe non Leuten, bie tbat=
fädjtid) nidjt Arbeitgeber feien, bei ben (^erocrbegetidjtöiuahlcn abö
Arbeitgeber auftreteu 311 taffen, eo fei alfo bie (Gefahr nid)t aus*
gcfdjloffeu, bag bie So^ialbemofratcu and) bei ben Arbeitgebern
im (^ewerbcgcrid)t Vliige erhielten, fo baft fie bann, ba ohnehin
fämmtlidje Arbeiterbeifiper biefer Partei angehörten, bie Wiehrbeit
im (s)ewcrbegerid)t befägen. Xic „A a t i 0 n a 11 i b e ra t e Ä 0 r r c f p 0 u =
ben 3 " nimmt ben Wemfd)eiber Mraufciifaffeiifireif ,gun Anlag, um
feft^nftelten, bag fidi bie fo^ialbemofratifdic Partei wie ber Mraufeiu
fallen, fo aud) ber 6 )ewcrbcgerid)te 311 bemächtigen fliehe; eine Xt)at-
fad)c, bie ja and) faum beftrittcu werben faun, wenn nictfadi, fo
! 3 . V. in Sranffurt a/Di. bie ^nflfhöi’igfcit 311 m fojialbemofratifchen
’^ahtnereiu ab Vorbebingimg ber Auffteltnug ab Maubibat für
bas (ö)ewerbegerid)t oerlaugt wirb. Xie „berliner politifdjeu
Wadjrichteii" madicn, inban fie bie gleichen «tagen erheben, beu
! Arbeitgebern beu Vorwurf, baft fie fid) nidit gemigenb au ben We*
wcrbcgerid)tswat)Ien betheiligten: ein Vorwulf, ber fidjer begrünbet
ift. llmgcfelirt glaubt eine, uns aus (icntrumsblätteru befauntc
«orrefpoubeu^ l«. (i.i bag bie nid)t fo 3 ialbc 1 n 0 fmtifd)c 11 Arbeiter
fid) ba, wo Äahllijten beftäuben, 311 wenig an beu ^cwerbegeridits*
I wählen betbeiligteii, unb empfiehlt ben fathotifchen Arbeitcroereiuen,
! fiir Abfdjaffung ber ^abUiftcn etit 3 utreteu, bamit fie für bie
fommetibcu (>)ewerbegerid)tswahlen bejfer gerüftet feien,
i 3 u biefeit, tebiglich ber (imtwicfehuig bes (Mewerbcgerid)ts ge=
wibmeten, feiner politifdicn ober wirthfd)aftlid)en Partei bienftbareit
Vtättcru fauit nun natiirtid) bie Jyragc nidjt fo geftctlt werben,
wie es in beu ncrjcidmeteii i'regftimmen gefcheben ift. Sirb ein
I (s)erid)t einer politifdicn Vartei bieitftbar, fo ift bieS 0011 uitfercm
: Stanbpnuft aus bas benfbar größte Hebel. Xas Voranftcllen ber
! politifdicn Varteiangeböngfeit bei ber Auswahl ber Widjter mag
s aber weuigftens ben Verbadit beroorrufen, als ob biefes llcbcl bc*
ftelje ober im Atting fei. Anfofcrn fchäbigt jenes Vorgehen ber
So^ialbemofratie bas Wewerbegeridit mehr, als alle bie oon uns
1 ftets regiftrirten im neuefteu Veridjt bes Verliner ('Jeiucrbegeridjts
fo nadjbrniflidi wieberbolten (frfläritngeu ber VorMpenbcu: baf) bis*
her bei ber Wcdjtiprcdjnng fid) nod) feinerlei fd)öMid)c (Sinwirfnngen
gezeigt haben, wieber gut machen Fönnen. Anbcrfcits ift aber aud)
I nicht bie A-rage bal;in 311 ftellcn: „Sie hält mau bie So^ialbemofraten
I oon ben Vlätsni als Arbeitgeberbeifiper fern?" Xie A-rage lautet
iuelmef)r: „V?ie erreicht mau, bag ein (sfemerbegeridjt wirflid) bie
! Wceinung aller widitigeu (Gruppen ber Arbeitgeber wie ber Arbeit*
! uebmer 311 m Ausbrmf bringt?" VJenn 3 . V. int Wheiiilanb eine fleiue
! fo 3 ialbemofrati[die Wiajorität bie fleiifaleit Arbeiter jebeu Giiiflnffcs
; auf bas Wewcrbegeridit beraubt, wenn aubcrSwo inellcidjt bie .^anb=
i werferpartei bei ber (^ewerbegerichtswal)t eine «anbibateutifte purdj*
| fept, wcld)c bie (sJrogiubuftrie ober bie ^snmmgsgegner nidit bc*
rücffichtigt, fo liegt prinzipiell ber glcidjc Hebelftanb oor. Jsiu ^)e=
werbegericht folleit nidjt mir perfönlicf) ehrenhafte Vuimicr fipeit,
weld)e 31 t einer Wed)tsbcuguug in $artei*Antcreffe 311 oornebm
finb - - foldje 31 t fittben, oermag jebe Partei, audj bie fozialbenu^
fratifdje! — fonbern bie Vcifiper bcS IMewcrbegertdits foffen, ab«
gefehen 001 t ber perföulichen ( 5 'bi‘euliaftigfeit and) im Staube fein,
in fid) alle Wichtungen im bewerbe 31 t repräfeutiren, alle Aittcreneu
aus eigener Sahntehutung 311 beurtheilcit, — unb biefent C 5 r=
forbentig oentiag naturgemäg feine einzelne Partei geredit 311
werben.
Gs fommt alfo baraitf au, fämmtlidieu Parteien eilte Von
tretnug im htewerbegevidjt 311 fd)affen. Sb mau hierbei an bie
I politifchen ober ati bie mirtbuhaftlidieu Parteien beuft, ift faft
; uebeu!äd)lid), weil beibe fid) wenigfteus bis 311 einem gewiffen
43
©cmcrbcgcridji. Sföitthcilungcn bc$ SSer&anbeS bcuffd^cr ©eroer&egerichte. $r. 4.
44
Oirabe becfeit. Die flehten viaubioerfer finbcn, iiifofcm fie 3 ünftler
fiub, oielfach Anlehnung au bie fonfcroatiuc Partei, infofern fie
es nidit finb, refnitiren fie fid) aus ber fo^ialbcmofratifdjeu nnb
bemofratifd)en. Manflciite nnb ©rophibitftrielle vertreten mehr bie
politifdjen VJittelparteicu, 5 ortfd)ritt, AatioitallibctalismuS u. f. to.
Die Ginriditung ber S£af)lliftcn faitn zur Grrcichutig beS
3 ieles natürlich nid)ts beitragen: fie fann im heften Jallc bie Via*
jorität oerfdiicbett, alfo einer Partei bie Alleinherrfdjaft im ©e*
toerbcgerid)t fdiaffcn ober fidjern, bie fie ohne Vkhllifteit nicht 311
erlangen ober 311 behaupten oermödjte; aber fie fann nid)t bc*
mirfett, bap bic VfinoritätSparteien 311t Vertretung gelangen. Vkmt
3. V. in Jyranffnrt a/Vf. bie .fiaubmerferpartei bie Ginrid)tung oon
&at)IIifteu geforbert bat, meil ohne V?ahllifteit £cntc, bie an fid)
nur Arbeiter feien, als Arbeitgeber mahlen fönneu, nnb menn §>crr
Weigert in bem oben ermähnten Attffap aus bem glcid)cn ©ruubc
eine oöllig oeräuberte Art ber Aufstellung ber Vkhllifteit für bas
berliner ©emerbegeridit forbert, fo mag es ja uielleid)t richtig feilt,
bap burd) beibe Sorbernngen einzelne teilte oont s 3£äl)Icn als
Arbeitgeber abgebalteu mürben: aber es ift gang fieser, bap hier*
burd) bic oorbanbenen llebelftänbe nid)t beseitigt mürben. 9 lic^t
bas ift bas llebcl, bap einzelne Verfetten wählen, bic nad) einer j
ftrengeren Auffaffung bcS oont ©efep nicht befinirten VegriffS
„Arbeitgeber", nid)t Arbeitgeber fiub, fonbern oielmehv, bap unter
Umftänben bie Abftimmnug biefer menigen ^erfoneu
über bie 3 ufauimenfepuug ber Arbeitgeberlifte nnb bamit über bie
Majorität im gait3en ©emerbegeridjt eittfd)eiben fann.
Amt ift 3itnäd)ft flar, bap biefeut Hebel nid)t entgegen ge* j
arbeitet merben fann, fo lange bie zufällige Majorität ber Ab* j
ftimmeuben mit einem Schlage über fämuitlidjc Vfaubatc cntfdieibct.
Sn allen Stäbteu, in beueit nur ein Vhiltlbezirf beftcl)t uub fämtnt* 1
Iid)e Vfanbate glcid)3eitig burd) einen iÖahlaft befept merben, ge* '
uiigt ein Vfcpr oon einer Stimme für eine Partei, um ihren ooll* !
ftänbigen Sieg zu fiebern. Die Schaffung räumlid) abgegrenzter j
iBahlbezirfe, bic freilich in anberer Art oiel Hu3uträglicf)fciten haben, |
mag hieran fcfioit ctioas belfern. Gs fann fein, bap in einem Stabt* ,
beeide bie ©ropitibnftrie, in einem anbereu bas flcine Jpattbmcrf 1
au 3^61 iibermiegt, bann mirb in bem einen Vezirf bic ^anbmerfer* \
Partei, in bem anberen oielleid)t ein bie ©ropinbuftne bciücffid)ti* j
gettber Rottel liegen. GS fann and) fein, bap in einem Stabt* |
bejirfe bie uirf)torgauifirten ober mit ber fojialbemofratifehen Crga* I
nifation nid)t überciuftimmenbeu Arbeiter bie Vfebrl)cit erlangen, j
Sie merben alsbaun im Staube fein, mcnigfteuS einige Vfanbate |
burd)3ufepeu, mähreub jept alle Arbeiterbeifiper ber fojialbemofra* j
tippen Partei angeboren. GtmaS Acl)ulid)cs mag erreicht merben, !
menn bie Arbeiter ober Arbeitgeber nad) Verufsgrnppen mäl)Icn, j
mie es 3. V. in Möltt ber £yall ift. bereits im Saprc 1Ö0T mar i
in biefeu Vlättern (v>aprg. Ill Ar. 2 Sp. 19 ) über bie bantaligcn j
Wahlen 311m .Stölner ©emerbegeriept eine fepr intcreffante Tabelle
ocröffcntlidjt, bic ausmies, mie bort in einzelnen ('»Jemerfen bie j
flcrifaleu Arbeiter bas Hebergemid)t über bie fo^ialbciuofratifd;en j
erlangten, fo bap bie eiufeitige Vefepung bes ©ciuerbcgericpts burd) 1
Vfanbate nur einer Partei ocrtnicbcn mar. Gtmas Aehitlidjes fann i
enblid) bemirft merben burd) bie oon oielen Statuten oorgefepene |
Vermeibmtg ber Dotalcrncuermig bes Wemerbegeridits, fo bag 3. V. I
Iui breijähriger V>apl jebes Saht* ein drittel ber Vfitgliebcr aus* |
feheibet. Giue VPipl, bie oielleidjt in einem Sahr unter bem Gin* ;
brurf ber Grbitternng über ein Attentat ober eine beftimmte ©efeges* :
oorlage oorgeuoutmeu mirb, ergiebt ein anberes Aefnltat, als bie ,
|Ü ruhigerer ;>eit oorgenommene 2heileruenernng. j
Aber alle biefe Ansfunftsmittcl treffen bod) beit Ment ber Sad)C |
nidit. Sie überlaneu es jufälligen ober millfüriidien Hmftäubeu, ber ,
augenblirflidien 3 a hl ber Arbeiter in einzelnen Sabnftrie^meigen, ber ,
väiimlidjen Abgrenzung eines einzelnen SÖahlbiftrifts, bem äugen*
Miiflidjen Ginbrurf irgenb einer Ihatfachc, ob biefe ober jene Partei >
zum Sieg gelangt, liub fie fiebern nidit basjenige, morauf cs an* 1
fommt, bie Venuffiriitigiiug amb ber Aiinbcrl)eit, ber au 3ahl '
febmächereu ^huppen. Siefe ift jent rein bem guten Viilleu ber [
uumcrifdi Härteren Vanci überladen: nnb auf beu ibealeu 3uitanb, i
bei fofort allen Vefdimerbcu ein Gnbe machen mürbe, bag bie ,
Ttärfereu Vai'teieu bei Aiifftelluug ihrer Maubibaleu freimillig
bie Heinaeu, ihnen feinbliibeu Gruppen berüdfiditigcii, ift nun
einmal nidit 311 rcdmcii, io lange bas Gicbot ber Sciubesliebc and)
außerhalb bes 10 ir 11 )fd)af 11 idie 11 Mampfes fo allfeitig unbefolgt ge*
Kaiicu wirb!
Vis zum Gintritt biefes ibealeu ^biitaubes bleibt alfo ber jent
tuu'haubcne Aehler in ber ^{iifaimneiifepiiug ber (^emcrbegcriditc
beftehen, ber bariu liegt, bag in einem VSahlbezirf ober in einer
VSnblperiobe ganze <Hemerbegnippeu uuocrtreteu bleiben, meil fie nur
500 Vertreter hohen, mähreub eine anbere ©ruppc 501 Wähler
fanb. Unb biefer fehler mirb nid)t baburd) mieber gut gemacht,
bah anbersmo ober ein aubercS i)?al ctroas AchnlidheS 31t Ungunften
einer anberen Sutercffentcngruppe gefd)ief)t. Am aUcrmeitigften fann
es oerföhnetib mirfeit, menn bie Anhänger einer gemerhli^en SRictj**
tung ober einer politifd)en Partei glauben, mir baburd) oon ber
^heilnahme am ©emerbegerid)t auSgefchloffen 311 fein, bag ein
ftinftlicheS Vorgehen hei Aiifftelluug ber Söahlliften ober
eine millfürlid)e Qnterpretation bcS VegriffS „Arbeit*
ge ber" fie baran oerbinbert höbe, bie Viclirheit, ber fie gan 3 nahe
mareit, mirflid) 311 erlangen.
S^aS i?eptere ift ber 3-all, menn bie tf orreftur baburch ge*
fchaffen mirb, bap in bem Statut irgenb eine Definition bes
VegriffS „Arbeitgeber" ober „Arbeiter" aufgeuommcu mirb, roelche
einzelne Matcgorien oon ^erfoiten, bie juriftifd) borfhin gehören,
ausfd)liegt: mobei bie örage gan3 bei Seite gefept ift, oh
baS Statut eine folche Hnterfd)eibnng oornchtneit fann, ba bodi
baS G)cfep mohlüberlegt nur bie allgemeinen Vcgriffe cinführte.
Vtan fann fieser oorfchreiben: „Als Arbeitgeber * ift mir mahl*
berechtigt (ober: „ 3 n bie SSahllifteu ber Arbeitgeber barf mir auf*
genommen merben"), mer in feinem Giemcrf 3101'i ©cl)ülfen bauernb
mit gemerblidjen Arbeiten (im ©egenfap 31t häuslichen Dicuftcn,
AeinigungSarbeiten, AuSläuferftellcn u.f.m.) beschäftigtober: „Als
Arbeiter fann mir föälilen, mer 3111* 3^1 her 2 Bahl bei einem
mablbcrcd)tigtcn Arbeitgeber in Arbeit ftef)t, fo bap bic fleinen
Arbeitgeber aus .fmnbmerf ober .vianbel ebenfo anSgcfchloffeit finb,
mie bie rjan^c 3 ahl ber ArbeitSlofen. Aber felbft menn bies ge*
feheheu i)t, bleibt immer bie Vefepung bes ganzen ©cmerbegerichts
oou bem 3ufäIIigen Hmftanbc abhängig, ob bie eine Partei ober
bie aubere einen Viamt mehr 3äl)lt, be^iehungSmcife ob fie einen
Via 1111 mehr 3iir Eintragung in bie Säf)Icrlifte nub zur Abftim*
mung gebracht hot.
©erabe hier greift aber bic Weiterung ein, bie ber SRagiürai
oon Jronffurt am Viatn auf Antrag beS bortigen ©cmerbegeridjts
einjufühven beabfichtigt. Die Vrop’ortionalmal)l, b. h. bie Vcr*
tl)eilitng ber (Pemäl)Iten auf bie ciii^clucn bei ber V?aljl bnrdi
Aiifftelluug befonberer Vorfdjlagslifteu heroorgetreteueu Csutcr*
cffeuteugriippcn, oermag feine ber Hnflarl)eiteu 311 hinbeni, mcldie
jept burd) bie Hnbcftimmtheit ber Vegriffe Arbeiter uub Arbeitgeber
gcfd)affcn finb, unb feine ber gärten uub Hubegiiemlidifeitcu, 311 bc*
fettigen, bie mit Aufftcfluitg oou V$al)Üiften ober mit 3 ei 'iht'iiuug
ber Wähler nad) Verufsgruppeu ober Stabtbc3irfcu oerbunben finb.
Aber fie fdimäd)t bereu Gffeft: fie. oerl)inbert, bap ber Unfall
über bic Vefepung bcS G 3 emerbegcrid)tS cntfdieibct. ©eben heute
— mit V>al)lliften ober opue VJaplliiten — 501 3unungslcntc,
300 ©ropinbuftriclle mtb 200 inmtitgSgegnerifd)e flehte .s 5 aiibmcrfer
ihre Stimme ah, fo fomtnen lebiglicp bic itaubibaten ins ©emerbe*
geridjt, meldie oou jenen 501 aufgeftellt fiub. Dies mag als
meniger fdjlimm crfdieiuen, fo lauge man mir baran benft, bap
bie Sitmingert bic Giropiubuftric nid)t gait3 uuocrtreteu lajicn
merben, uub bap mentgftcns bic So3ialbemofraten unter beit 3 n*
mtugSgegnern ihre Veoamhe bariu fiitbeti, bap ja aud) bic fo^ial*
bcmofratifdien Arbeiter bie nid)tfo3ialbemofratifd)en crbarmmigslos
ans bem G)emerbegerid)t oerbrängeit. ©crcd)t ift es aber nidit:
geredit märe lebigitdi, bap in biefeut ivall bic CsmiuitgSlcute bie
Öälftc, bic ©ropiubuftrie a /io unb bic ^ummgsgeguer -, to ber
Manbibaten erhielten, mie fic 5 m, fu'310. 3 /i 0 uub 2 / t0 ber Stimmen
erhalten hohen. Das erfte SHefuItat ift bie Aolgc bcS Vfajoritäis*
priipzipS bei 3 öhlung ber abgegebenen Stimmen, bas lepterc bas
bes V r 0 p 0 r t i 011 a I p r i n 3 i p S.
Vollfoimnen ift allcrbiugs and) bas Vroportionalpvinzip
nicht: bie 300 GJropiitbuftrielleu, bic oiele taufeube. Arbeiter he-
fdiäfhgen, mögen in ber oiibufirie ber Stabt unb für bas cu*
mcrblidic i'ebeit eine ganz anbere Volle fpiclen, als bie 501 3*u--
unugsinäituer. Aber biefer Giuflup läpt fid) mm einmal nidit mit
3iffcnt, and) nidit mit Manbibateuzitferit barftellen. Gs foitum
barattf an, bap jebc Vidituug burd) oou ihr gemählte Vertrauens¬
leute im GK’merbegeridit oertreteu ift, bap feine Partei baS bchaiv
liehe Glcfiihl hat, bap fie bic (Gutachten mtb Anträge, bic fic bitrcii*
fepett mifl, gemiffermapeit auperhalh bcS ('»lemerhegcridits znredit»
tttadieu fann, meil ja bod) fein (Gegner ittt ©cmcrbegcridit in
Viiiieu 3 . V. bie Sozialbentofratcn, bap fic int (^emcrbegerid)t nicht
[ozialbemofratifdien Arbeitern begegnen iniifjen, mcldie unter lim-
ftäubeit fid) als ©egiter oou Varteianträgen befenncu, ober meldie
an beu außerhalb bes ('»lemerbegeridits gepflogenen Verathuinzen
fidi nid)t betheiligen, fo mirb biefe uiditfozialbcmofvatifdic Vitnber*
heit fofort oon mefeutlidinn Giuflup auf bie Haltung ber foziaH
bemofintifdieu Vtajorität merben: ebenfo mie ber Giuflup bn
47
da§ ©crocrbcgeridfjt. Mittljcilimgcn be3 SBcrbanbcS bcutfdjer ©erocrbcgcrichte. $Rr. 4
4C,
roeitigen fo^ialbemofratifdyen Arbeitgeber gar mancher allju ein«
Zeitigen Gcltcnbmachnng De* 3nnungS)tanbpitttfteS entgcgenroirfen
mürbe. Mer alfo bie Minoritäten im Geroerffegerid)t munbtobt
machen roitt, meil biefe Minoritäten bei ben Arbeitgebern oorauS-
ficbtlid) fo3ialbemofratifd)e fein mürben, ber muh freilich fiir bc-
fdiränfenbc Snierpretation beS Arbeitgeberbegriffes unb genaue
Prüfung ber ©inträge in bie Mal)Uiften cintreten. i l er bagegen
gerabe umgefebrt allen Minoritäten, auch — bet ben Arbeitern —
ben nid)tfogialbemofratifd)en, Gelegenheit 3»r Gelteubmachung
fd)affen mill, ber muh bie Ablehnung beS proportionalroahlfpftemS
bnrd) ben Maifeier propi^ialauSfdmh bebanern!
3«t redjtlldjeu Stellung ber Heimarbeiter.
bouGerocrberichterM.o. SdjuI 3 ,borftfccnbcmbeSGcrocrbcgcrichtSSÖerÜn.
II.
(Vgl. Ar. 53 bes „Mciocrbcgcrtdils".)
Aach bem (Gutachten bes Geroerbegerichts 311 Dffenbad) arbeiten
bort bie Heimarbeiter in ber Portefeuille-, Pofamenten- nnb
Sdnihinbuftrie „auf Stiicf" für einen ober mehrere $abrifantcn.
8ic uerpfliditen fid), gegebenenfalls nur für einen Öabrifanten 311
arbeiten ober fief) einer geroiffen Montrole feitenS ber jeroeÜigeit
Arbeitgeber 3U untermerfen. diefe pcrfoneit arbeiten nach bent
(Gutachten mit einer Sclbfiäiibigfcit, meltfjc beteiligen ber HouS*
gemerbetreibenben völlig glcichfotnmt. Mir finb anberer Anfidjt
nnb berufen uns für biefelbe auf eine Entfdjeibung bcS Geroerbe-
gerid)ts Verliit. ©s beifit bafelbft: Menn es gilt feft^uftellen, ob
ein Arbeiter felbftänbig ober unfelbftänbig ift, fo mirb nid)t bie
perföitlicbe VeroeguitgStreihcit ols Mafeftab angelegt merben fönneu,
foubent eS mirb lebiglid) auf bie roirtl)fd)aftli<he Stellung au*
fotnmen, bie ein foldjcr Arbeiter einuimutt, insbefonberc mirb 3U
prüfen fein, ob er einen eigenen Setrieb h°t ober nur als
Xb^il eines gröberen Gefd)äftSorgaitiSmuS an3ufeben ift, ob alfo
ber Verbicnft 2ol)n ober Utiternehmergcroiitn barftellt . l ) Aäljer
hier auf bie Merfmale ber uufelb|täubigen .^ait^inbuftriclfeii ein*
3ugeben, unb beren &age 3U unterfueben, memt fie für mehrere
Aabrifaitten arbeiten ober felbft Gefetten unb Lehrlinge halten,
mürbe 311 meit führen. 2 ) Mir glauben, aber fd)on tiad) ben bis¬
herigen Erörterungen mirb man babin entfd)ciben, bah bie gegen
8 t lief lohn tbätigeu 0ffeitbad)er Heimarbeiter, fobalb fie, mie ge-
fd)ilbert, einem Arbeitgeber fid) binben, als uitfelbfiäitbige gemerblicbe
Arbeiter beirad)tet merben müffen. Mangels befouberer Vereinbarung
ftebt ihnen bal)cr bie 14 tägige MüubigiitigSfrift aus $. 122 ber
Gciucrbeorbttitng 311. die, mie bcridjtet, in ber ^ortcfeuillcbraiiche
gepflegte Hebung, trofc ber Scftimmung beS $. 122 a. a. 0. unb
ohne Abrebe beS MüiibigungSauSfd)lu)fes eine Müubiguiig nicht
inuejuhfllteu, barf oott bem dichter nicht berü<ffid)tigt merben, meil
bie Gcrocrbeorbmtng als 9icid)Sred)t niemals bnrd) L'aubeSgeroohu*
lieitsrecht refp. 0bferuan3en berogirt merben faiut. 3 )
Mir hoben nunmehr noch fiirj bic oon bem Cffenbacher Gut¬
achten in S0311g genommenen $$. 119b unb 125 a. a. 0. 3U berühren.
diejenigen, melche bic Heimarbeiter ber «Silage ber «HauS-
gemerbetreibenben jumeifeu, folgern aus bem 3ul)alt bes 119 b, bah ;
bic in biefetn Paragraphen genanntenPcrfonen nidjtunterbü\Stategorie |
ber im Vif. Xitel bebaubeltcit Arbeiter fallen, ba fonft bie 115
bis 119a ohne MeüereS auf fie Anmeitbung fittben müßten,
nnb bamit bie Veftimmmtg bes 119b iiberflüffig märe. 6ie
berufen fich 3ur lluterftübung ihrer Meinung ferner auf §. 4 bes
Ekroerbegerid)t*gcfefccS unb auf bas bort )id) oorfinbeitbe Mort
„Heimarbeiter''. Eine folche debuftion aus $.4 a. a. 0. ift nach
nuferer am Anfang biefeS AuffajjeS getroffenen yveftftelluug unhalt¬
bar. Aber auch bie EntitebuugSge|d)id)tc beS §. 119 b miberlegt
biefe Gegner, melche bcn Heimarbeitern ihreUufelbftänbigfcit beftreiten.
die Cuette unteres 119b ift bie königliche Votfdjaft 00m
2t. 0ftober 1848 au bic 3111* Vereinbarung ber Verfaffuug berufene
Aationaluerfammlung. die Votfd;aft enthält bai Elefehentmurf
3um 8d)upc ber Sabrifarbeiter gegen bie bei ^Berechnung ihres
Arbeitslohnes in mehreren öabrifbiftriften h err f l h en beit unter ber
b 3ielie and) Eutidicibuug bcc* ©rohh^oglidi Vabtfdjen Vor*
maltimgv'gcrid)t«if)ofes 0011 t 27. April 1^07 in ber „Arbciirr-Vcrforgnug"
oout 11. 3?(är3 isiis XV. Jahrgang 8. 1^"> ff. (Arbeiter ober ielbfiänbigcr
('ieioerbetretbenber?)
*l 3tebe hierüber M. 0 . 9di 11 1 3 a. a. C. 8 . 72« ff.
3 » Recife, Vergleidienbe darftcllung be^ Vitrgerlidteii Mcfcplmrijes
für bas deutidie Acidi unb bes preufüidicn Allgemeinen Vfanbredits.
Einleitung 9. *J4 unter II 2.
Benennung Xrucffpftem befannten Migbräuche. Man hotte allein
im Auge, neben beit Aabrifarbettern bie Heimarbeiter unb HanS*
gemerbetreibenben, melche für ^obrifherren Arbeiten leiflett, oor ben
Unterbrücfungen berfelbett 3U beroahren, unb lieg bie Heimarbeiter
ber HoubmerfSmeifter 2c., meil für biefe fein Vebürfnifc oorlag, bei
8cüe. Als jeboch 1878 bie Aooelle gefchaffen mürbe unb bie Ve*
ftimmungen gegen ben Xntcf in ben allgemeinen Xheil bes
Xitel Vll oerfcht unb hiccburd) auf fämmtliche geroerbliche Arbeiter,
alfo auch attf bie Heimarbeiter ber HanbmerfSmeifter, auSgebchnt
mürben, überlegte man nicht, ba& ber 3nl;alt beS 119 Ab). 2
(jefet §. 119 b) cigentlid) nur noch für bie HouSgemerbetreibeitbeit
beftanb, 1111b oergab, biefeS fcharf 3um AuSbrucf 3U bringen. 4 )
Airgenbs ift inbefe eine Anbeutung oorl)anben, baft ber Paragraph
bie fonftige geroerbliche Stellung ber Heimarbeiter geänbert hätte,
nnb bafe biefe ber SHeihe ber H aug 9emerbetreibenben unb Unter¬
nehmer angeboren follteu. der §. 119b entbehrt fomit jeben ©in-
fluffeS auf bie Vert)ältniffe ber Heimarbeiter.
UebrigenS ift ber Snhalt beS Paragraphen in bem ©utad)ten
nicht richtig miebergegeben. der Sehter beruht, nach ben Eitaten
3u urtheilen, auf einem offenbaren Vorfeben. Mir fönnen fobamt bem
©utadjten, na^ melchem aus bem 125 Abf. 3 a. a. 0. fich bie
EHiltigfeit beS AbfchnittS II beS XitelS VII ber (^emerbeorbnung
für bie Heimarbeiter ergeben folle, nicht beipflichten, dafe oon
0anbmanit 5 ) biefe Anficht beS VegutathtiuigSanSfd)uffeS bes
0ffenbarf)er ©cmerbcgerichts thcilt, ift unrichtig.
§. 125 Abf. 3 a. a. 0. ift eine Vorfd)rift, melche fich gegen
ben ben How^öemerbetreibenben oerleitcnben Arbeitgeber 3U EJunjten
bes gefdjäbigten Arbeitgebers richtet, die Heimarbeiter fomrnen
hier garnicht in Vetracht, cbenforoeuig mie ber Paragraph eine
Haftpflicht beS H au§ 9 c merbetreibcnbeu ftatuirt h fl t- ®ei biefer
Gelegenheit motten mir jebod) ermähnen, bafe Iciber bie Motioe 3um
125 Abf. 3 oon „Arbeitern, meld)e aus einem beftehenben
ArbeitSoertrage anberen Arbeitgebern noch verpflichtet fiitb u.f.ro "
fprechen. Sie mürfelu bemnad) bie Hov^gemerbetreibenbeu mit beu
Heimarbeitern anfd)einenb ^ufamuten.
Aus bem oon uns Vorgctragenen unb aus ber oorhanbenen
^itbifatur biirftc nicht 311 verfemten fein, bah bie rechtlichen
ftänbe ber Heimarbeiter unb HauSgeroerbetreibenben 3«r ^oit
immerhin nod) red)t unflare finb. Mir möchten hier nufere Vor¬
schläge 311 r Abhülfe, melche mir an anberer ©teile gemacht hoben,
miebcrholcn: Es ift ein befouberer Abfdjnitt „Heimarbeiter" beut
Xitel VII ber Elemerbeorbnung ein3ufügen nnb fomol)l im $. 1191)
als im i?. 125 Abf. 3 atyugeben, bah beibe Veftimmungeit iebiglid)
für bie Housgeroerbetreibenben gelten, die Ausführung biefer
Vorfdjläge mirb faiiut auf 8d)roierigfeiten flohen, nachoem bic
Hanbmerfernooelle mit ber Aufnahme beS Vegriffs „HouSgemcrbe*
treibenber" ben erften 8d)ritt gethan hot. ©elbftoerftänblich muh
es ber 0pru<hpra£iS iiberlaffen bleiben, oon ^att 3U ?yall bic
Eigenfdjaft ber HouSiubnftrietteu 30 beftimtneu.
3mn Schluh möd)ten mir nnfer Vebettfen äuhern, baf? ein
Gcmerbegericht oon feinem VegutachtungSauSfchuh itt Pr030)5 =
fachen fid) ein Gutachten erftatten Iaht. (§. 70 beS Gemerbegerid)ts-
gcfeheS.)
VecfaDung unli Serfal)«n.
bürgerliches Gcfe^buch mtb GetvetBeotbuung. Aadi §. <>2*;
bcS Vürgcrlichcu Eicicgbitd)cs fanti bas dieitftocrliäIliiti;
von j ob ein 21) eil 0 f) 11 c ©in baltung einer künbtgungvftiü
geFiinbigt merben, meun ein midjtiger Ehttitb oorliegt.
Aaci) ber Wemcrbcorbniing fanu eine Veeubigitng bes
ArbeitSoerbältniffev obitc ©inhaltuug einer küubiguug nur
aus beu Griinbeit ftatthabcu, bic in ben 12‘2 unb 1253 fatn =
logifivt finb.
das Einfnlirungsgcjcp 311111 bürgerliche 11 Weiepbud)
läj)t biefe beftimmungen itnermäl)nt.
Es fragt itd) nun: kann audi nad) Eintreten bes bärger-
lidieu ('ieicpbndjcs nur bei bent borljanbenfetu ber tu ber
Weioerbeorbnuug aufgc3ä l) Iten Griinbe ein gemerblidics
ArbcitsoerbäItnifj gefiinbigt merben? tber ift fiiu ftig bic»
jcber3eitigc Auflöfung überhaupt beim borbaubenieiu
10 i d) ti g e r Wrii it b e ft a 111) a ft?
Mir erfitcf>cn um Aeuhcriingeu über biefe prattiidj unb
tlieorctifdi gleich midiiige R-rage, bic von nerf diiebnien
9 citen bei uns angeregt marb.
der Aebalti ousaiisidiii!',.
■’i 9d]cnfcl, koinmentar 3111' Gemcrbeorbnuiig, Aotc 2 311111
11 Dl), bb. 2 8. 5517 , 2. Auilnge.
5 ) 0. üaubmaun, kontmemar 3iir Gemerbeorbnung, Aotc n 311111
sj. 125 3. 22 . 7 , o. Auflage.
48
$a$ ®etüer&egericf)t. SRittljetlungen be§ VerfmnbcS bcutfdjcr ®froerbegertdjte. Ar. 4.
Auslegung beo §. 29 be$ ©ettjer&egeridjtögefetjefif. Seitens? bet
Arbeitcricfrcrariar» -IV i'i n ific n geht uns? folgenbe Anfrage ;u:
Viiindien, beu 2<i. Aooember IW.
Ju Aarhfteheubem geftatreu mir uu», Jhucu einige Anregungen
tu’tioffriiir» Auslegung be» §. 29 bes (Gcicflcs über bic (Gcmcrbcgeridiic
uum 29. Juli 1H9U \w unterbreiten nub obrer gefälligen Vcrücffidttiguug
jü empfehlen.
Tie Jaffuug bes? be^iiglidjeit Varagraptieu: .uub ^eriunen,
meldie bas? Verhaubclu nur’ (Gericht gefchäftsmäßig betreiben, merben
alf iHm;,cßbeoollmäd)tigte ober Veiftäubc nur beut (Gcmerbegeridit nidit
Vigelaüen," mirb in ber Vrari» fein* uertdiieben gelmnbbabt. - ^ln^
beut Vcrirfjt ber Tsrauffttrter Au»funfts?ftclle für Arbeiteraugelogeubcitru
ootit Aooember Istvir» bis? TVär$ 1897 - erleben mir (3. 2* 1 u. 21),
bar, bie Thätigfcit firii nidit bloß auf bie O'rtlieiltiitg non Atmfuuft nub
eonituellc Vermittlung ^miidieu beit [treitenbeu Parteien er [t reifte, fottbertt
cs? mürbe in einzelnen füllen auch bie Vrojeßuertrctnug einer gartet
nor beut (Gnoerbcgcriditc übernommen, bie* aber immer nur bann,
meint bie belrerfeitbc Partei ielbft an ber VMhruchmwug be* Termin*
biirdi M rauf heit ober Abmcfcuheit oerbinbert mar.
Aus? bieicut Rendite fdieint beroorjugebru, bau bas? (Gcmerbegeridit
Jrauffurt a. Vf. in biefer Vertretung ieiteu* ber Au*fuuititcllc Jeinen
fernen gegen §.29 be*(Gemerbcgeriditsgcfctve*erb lieft. Cfiucn gleidien Staub-
puuft nebttten and) nubere (Gcmerbegcricbtc, [o bcifpiel»mciic Berlin,
ein. Unteres? Crrnditen^ ftebt biefer Stanbpuuft and) oollftäubig im
otnflattg mit beut Stinte be* (Geiene# tomobl als? andi mit beut Billett
bis? (Gcfepgebcr*. (5r entipridit aber and) beu totalen Jinorbertiugen
bes? prnftiidieit Gebens?. So fein* es uothmeubig unb crmüufdd ift, baß
bie Arbeiter immer, mo es? ibueu nur möglich ift, ihre 3adie fclbft oor
beut (Gcmerbegeridit uerireten, ebeut'o uothmeubig ift es? and), baß bie
Arbeiter, meldie bitrd) .SJ rauf beit ober Abmcicubeit uerbinbert fittb, fidi
oott bett ngeftcllteu ber Arbciter-Au»fuuititclleu, Arbeitcrfefrctariatcn :c.
oertreten laffeu föuncit. Tiefe Jnftitutr fbitueu ihre* befauuteu huma¬
nitären (ibaraftcr* megeu red)ilidi nidit als? ^uftitute, tueldje bas? Ver=
baubeht oor (Geridit gefdiäitsmäßig betreiben, betraditet merben.
Tic iepterc XMitffaffuug mirb nun aber bodi oott einzelnen (Getoerbe-
gerirbteit, baruittcr and) Viiindieu, uenretcu. 0*iu Arbeiter, ber oon
V<imd)cn ttadi ^toqbcint oer^og, beauftragte ba» "Mrbeiterfefretariat mit
feiner Vertretung, bie aber uadi f:. 29 bes (Gernerbegerid)ts?geieue* braimaubet
mürbe, Veanftaubct merben hier and) foldie Vertreter, bie in ihrer
3telluttg als (Gcmerffdiaftsleiter mehrfad) mit Vertretungen betraut
merben. ÄVan hält firii babei au beu ftarvett Wortlaut bes? (belebe«,
ber in biefem engen 3iuue fidierlid) nicht aufgefaßt merben füllte.
Ta bie 'Angelegenheit im Allgemeinen oon miditiger Vcbemuug
iit, io geht nufere Anregung bahiu, ob Sie nicht oielleidit (Gelegenheit
ui l. men möchten, fie in beut „(Gemcrbegerid) t" |u bebaubelu.
A>odiachtung*ooU
A r beit e r fe fret a ri a t :V1 ii tt rij e u.
A. ÜViihlbaüer, 3efrctdr. J* Tiiititt, 3efrcidr.
* *
Vöir erfudien um Arußeruugcu über bie Trage!
v. 29 üh liegt Verfüllen, meldie bie Vertretung „ gef diä f tsiuäßig^
betreiben, ans?. (Grid)äftsmäßig ift nidit „gemerbsntäßig" (§. ohn,
>. n:;b u. §. Uh b. <G.=£.). legreres? tdiließt bie Abfiriit ber ^ryclttttg
eines? (Geminues? bitrd) bie mieberboltc Ausübung einer Tbätiglcit in
fidt; entere* biirfte bie burdi bie Vfliditcu bes? übernommenen Vcritfs
gebotene Thätigleit an fidi bebenten, meint bie betreffenbe Thätigfeit fo
ot| nub fo regelmäßig geidtieht, bat; fie bie Stellung eines .Wann es in
feinem Vertu diarafteriiirt nub ihm ’gt auberer Tln'uigtcit bie v ';eit be¬
nimmt.
T't ber M olouneuflhrer beit anbereu ilVitglieberu ber
Mo Ion ne gegenüber 3 teil oer tretet’ bes? Vauunteruehmcrc'
o b e r i ft e r i e l b ft A r beit g e b e r b e r M o l o u u e ? (Uri heil bes? (Ge=
u cib'geruhts? Verlitt, Hammer d, uont 7. A'o nein ber lsns, V orfi nett ber:
<' > c i o 11 b e r i d \ t e r 3 a 11111 e b e v.»
Vetlagter hatte beut 3tcinträger M. bao Tragen ber Steine für
feinen Vau gegen Atforblolm burdi fdiriftlidieu Vertrag oom 29. Auguft
|sns übertragen. Tie oon M. ;gt beu gleidien Afforbiänett angenommen
neu Mlager nehmen beu Vellagteu auf ^»ahluug ihre'» VolutCs? tu Au=
fpruib. Veflagter beüreitet feilte Vaffiolegitimatiou uub meift bie Sl läger
au M.
Aus? beu (Grüubcn: Als? ber Veflagte beut M., einem eiufadieu
Steumager, bie gefammle Stciuträgcrarbeit auf einem gangen A’euban
ubennig, mußte er genau, baß M. biefe Arbeit uumöglidi allein au»-
in breit tonnte, ja es? märe bem Veflagten gar nicht bäum gebient gc=
lftuiu meint M. bic Arbeit mirflidi hatte allein auvüilueu mollcu; beim
bann mate fein Van ci't ugd; Aahreu tenig lumorbeu. Vutauv eraiebt
»’.dt oer *miiiatubc 3(Muß, bei; VMlagtu g..molli hat, Miug.tr feile au
| ber Arbeit nodj attbere Steinträger betheiligen. v Tu bem Stointrag«
! uertrage lag hoher eingefdiloffeu ein Vollmaditvauftrag gut* Aimahme
1 Der erforberlidieu ;ffthl dVitarbeiter. AÜr men biefe TVitarbetter aiigu»
i nehmen mären, fautt feinem ^meifel unterliegen, ba ja Veflagter ber
i (Geber ber Arbeit mar, M. nur O'itier ber Vebmer berfelben feilt follte.
| Amt fagt allerbing^ §. s bei? Allgemeinen ^aubrciijl«? Theil 1 Titel lu,
| baß nur Terjeuige gegen bett Auftraggeber Giedite gelteub mad)ett faitit,
i ber mit einem fdjriftliä) beuollmäditigteu Vertreter beifelbett ocrhrtitbeli
i hat. Tiefe Veftimmung bleibt aber im uorliegeubett Jolle ohne cyitifluß
auf bic VrtMiulcgitimatiou bes? Veflagten, mcil, fclbft toettn man bett
Vertrag uont 29. Auguft is 9 s, ber allerbittgs? bie Vollmadtt tiiiig au»^
briicflid) aits?fprid)t, nidit als? fdiriftlirfje Vollmacht gelten loffcn uüll,
bod) jebeiifalis? ber Veflagte babttrd), baß er bie Hläger auf feinem Vau
arbeiten ließ, ihnen beit Volju nad) Vfaßgahe _ beo mit M. gefdiloffenen
Vertrages? gahlte unb fie als? feine Arbeiter gttr Mraitfettfaffe atunelbete,
bas? bitrd) M. erfolgte lingagement ber Hläger für ihn uadjträglid] ge¬
nehmigt hat i§. 142 a. a. £., Cb.Trib. XL\ 3.29, Veidic-ger. (intfdi. X
3. 2.77). Omeiitnell hätte itfjlicßlicb ber Veflagte and) beim Acbleti jebe#
Vollniaif)ls?auftrage» iit oorftehettb bnrgoftcllter Vociie bie neuotioi um
ifVstio be» Ai. ratihabirt uub firii babttrd) and) beu Klägern gcgciiü!»”
uerpfliditet tfiehe V.C..v>.(G. Vb. II S.:tol, Cb. Trib. Vb. ho 3. 44, Vi. -■
3. 22 *;
v>ieruadi uebmcit bie Ai läger bett Veflagten mit Siedit in Anfprudi.
A ft bas? (Gemcrbegerid) t für Streitigfei teu ^uiifdieit
einem Je l bin eff er uub feinem £elirlhtg yiftäubig? t Unheil
bes? ^anbgcridjt* I, Verliu, uont lü. Juli 1897.)
(vin Jelbmeffcr mürbe oon feinem Lehrling megeu A'idjterfüllung
bes? ^ehroertrages? itt Anfprnd) genommen. A'adjbem fid) bat? (Gemerbe-
geridit Verliu für ytftäubig erflärt hatte, oermarf and) bas? Vernfuugvgeridu
beu (äiumattb ber Hiijuftänbigfeit, iubem au »führte; Ter Veflagte
ift als? Jelbmeffer (Gcmerbetreihenber (§. -ü; ber (Gemerbeorbnung.i; bas?
i'eliroerhältuiß heiraf bie Aus?bilbung tu ber .s>erftellitug ber tfrsriigiipie
feines? (Gctuerbcs? (ogl. bie Aiilfcheibuug bc» Vetcl)s?gerid)tv Vb. 17,
3. 92). Ter Ai läger mar als? Lehrling gemerblidier Arheiter, uub r»
haubelte fiel), ba bie Ai läge an? bem Arheit»oerhältuiß gegen beu'Arhert
ge her erhöhen ift, foiiad) um eine gemerhlidie Streitigfeit i A 1 bc»
(GefcßeC’, hetreffeub bie (Gemerhegerid)te).
oft ber Ai iicheit d)ef eines? -Votels? V etriehc’heamter? Uu =
511 ftäubig feit bes? (Gernerhegeri ri) l» hei Vctriebs?beam ten, bic
mehr al*? »; M. pro Tag erhalten. (Urtheil be» (Gemerhcgeridir?
A?amburg. Vorfipeuber I)r. Viaiitim?.)
Aach >. 2 Abf. 2 be» (Gemerbegerid)ts?geielu’# gelten al» Arbeiter
im Sinne be* (Gefeue* Vetrieb*beamte, V?erfitteifter unb mit höhnen
technifcheu Tieuftleiftuugeu betraute AugefteHte, bereu A(threvarbeit*oci-
1 bienft au ?fol)it ober (Gehalt noeitaufenb V?arf nidit überyeigt. v ' 1!
I engem ;;ufammeuhang mit biefem Varagrapheu fteht ber burdi bie Ae-
I Delle oom 1. Juni 1891 in bie (Gemerbeorbmmg eitigefiigte §. Iüom, nach
1 meldiem berartige Vöerfmeifter :e. ohne Giüdfidjt auf ihr liinfotitmen,
: im llebrigen jeboch nur bann, menn fie uirijt lebiglid) ooriibergeheub
I mit ber Leitung ober Veauffiditiguug bes.? Vetriehes? ober einer Ab*-
thciluug beifelbett beauftragt fittb, eitlen Anfprudi auf eilte fctlivioödiigc
Aiüubiguttg haben. (Gemeinfant ift beibeit V fl t’ ll ll ra plien ber Vegrtff bei
Vetriebs?beatuteu ?c. uub nur auf biefen bei beu Veftimmuttgeu heran*
ift biefer Vegriff firireu. Vetriebs?beamte fittb banadi gemerblidic
; Arbeiter, meldie oertttöge ihres? Alter», ihrer größeren (Geübtheit, ihrer
be»oubereu Jäbigfeit eine leiteube Stellung unter ihrem Arbeitgeber über
| einen Vetrieb in feiner (Gcfammtheit ober über einen fflbftftänbigeu Theil
; beffelheu erhalten hohen. Ter Atläger ift nun oerantmortlidier Leiter eines?
| Theils? be» beflagtifdieu .^otelmeieu*, eine* gemerblidien Velrtebes?, er m
I (5hef ber M ii die, bie ,^mcifello» einen miditigen felbftfläubigeit Theil be*
1 Motelhetriehe» hübet, er beftimmt bie $u befchaffeuben (ö-infättfe, bie Arbeiten
i be» ihm unterfiellteu umfaugreidjeu AliidieitperfonaU?, er leitet bie Au»-
bilbuug ber ihm ytgemiefetten Lehrlinge, er trifft felbftftänbig feilte An*
orbuuugcn für Aufrediterhaltuug oon Auhe uub Crbnuitg im .Hiidnut-
betriebe, uub er ift allein feinem (5lief für bic (Giilc ber Speifeit, für
bie Vromptheit in ber Jertigftellung oerautmortlid), er ift mithin
leitenber Vetriebs?beamter im Sinuc ber citirtcn (Geiebeöbeftimmmigen. —
Unbeftritteucrmaßen belief fid) nun ba» (Gebalt bes? Al läget» auf «; .//.
pro Tag uebft freier Al oft, VTohuitng unb (Geträufe, io baß fidi fein
Aahre»gebalt auf erhebüd) mehr als? 2 oon .//. beläuft. Aarii §. 2 Abf. 2
bes? (Gefepes?, hetreffeub bie (Gemcrbegerid)te, iit baund) bas? (Geuunbc-
geridit nicht >uftäubig.
I Aunterf 11 ug ber Aebaftion. (ä* fei hier uod) ergäu^eub be-
titerft, baß ber Mhiger, mcil er im Tagelohu ftaub, alfo feine ..ieitcii
Vc'Aige" hatte, nid)t beu im 1 :>:*»n ber (Gemerbeorbmtng auige-
Milirtcn Vcnoueu gehörte. T lotkt ber (Gemerbeorbmtng uub §. 22 be#
(G.uon bcnc’icliKoMT. 1 » »prubut :mar bnbe oon Vetriebs?beamten, heben
49
Sa* ©emerBegertdjt. Mütbeilungen be« VerBattbei beutfdger ©emerBegerichte. Str. 8.
60
aber gang ücrfc^icbene Kategorien au« ber ©efautmtgruope b era uS.
§. 133 a meint folcfje mit feften 93ejügen unb bauernber Öeitung, §.2
fold)e mit einer gemiffen £öbe be« ©tnfommen«. ©« Brauchen baber
liiert auf jeben Vetriebßbeamten beibe gefe^Ii^e Veftimmungen Sin*
menbung gu finben.
1. 3ft Ba« ©emerbegeriebt guftänbig für Klagen be«
Mafdjiniften eine« ©cbleppbantpfer«?
2. ©cbört ein ftaatlicb geprüfter Mafcbinift, in feiner
©igenfdjaft al« Mafcbinift eine« ©cbleppbampfer«, ju ben
Vetriebßbeamten unb 2edjnifern im «Sinne be« §. 188a ber
©emerbeorbnung? ©emerbegeriebt Kiel — Königliche« Sanbgericbt
KieL
$>a« ©emerbegeriebt 3 U Kiel bat beibe Stagen bejaht.
©rünbe: $>er Kämpfer „Kiautfcbou" ift lein jum ©rroerb bureb
bie Seefahrt beftimmte« ©d)iff (Kauffabrteifcbtff), jebenfall« ift e« jur
3ett lebiglicb für bie Vinncnfcbifffalirt tbätig; Kläger ift auef) nidjt an»*
gemuftert. £ic Veftimmungen ber ©cemannßorbnung oom 27. $e 3 ember
1872 finben baber auf baß gegemuärtige Slrbeitßüerfjältnifj leine Sin*
menbung, oielmeljr unterliegt baffclbe, ba Kläger geroerblicber Arbeiter
im Sinne be« 2itel VII ber ©emerbeorbnung ift unb für ben ©eroerbe*
betrieb ber bellagten girrna gearbeitet bot, ben Veftimmungen ber @e*
luerbeorbnung. $)ie 3 «ftönbigfeit be« ©emerbegeriebt« unterliegt baber
feinem Smeifel. $ie Klage ift auch begrünbet. Kläger gebärt nicht gu
ben gemöbnlicben Arbeitern im Sinne be« §. 121 ber ©emerbeorbnung,
fonbern 311 ben Vetriebßbeamten unb 2e<bnifern be« §. 183 a bafelbft.
hierfür fpridjt, bajj unter ibui noch gmei feiger arbeiteten, beren £bätig*
leit er 3 U beaufftebtigen unb 3 U leiten batte, gerner b°t er eine
Mafdjinifienprüfung beftanben unb unterm 8 . Märg 1898 ba« 3 eu 8 ni fe
für bie Befähigung 3 um Mafcbintften 4. Klaffe auf beutfeben ©eebampf*
febiffen erbalten. ©nblicb ift er auch gegen ben feften Vegug oon gulefct
160 JC. ben Monat befdjäjtigt morben, einen Sohn, ber ben Sohn ge-
möbnlitf)er Arbeiter weit überfteigt. Sille biefe Merfmale — bie mit*
beauffiebtigenbe ^bätigleit, bie Ablegung einer Prüfung über feine tecb*
niftbett gertigfeiten unb ber fefte Monatßbegug — meifen im 3ufamnten*
bange mit einanber barauf b^ n / Baf} Kläger 3 U ber Kategorie ber im
§. 133 a ber ©emerbeorbnung be 3 ei<bneten B^fonen 3 U rechnen ift.
$a« Königltdje Sanbgeridjt bat bie grage ber 3 u ftänbigleit
be« ©eroerbcgerirfjt« nidjt meiter geprüft, bie 3 meite gragc aber ab*
meicbenb Beurteilt au« folgenben ©rünben: $)ie ©rünbe, au« benen
ba« ©emerbegeriebt ben Kläger 3 U ben Vetriebßbeamten unb Sedjnitem
im ©innc be« §. 133a ber ©emerbeorbnung gcredjnet bat, finb nicht
für außreidjenb 3 U erachten, ©rforberticb ift ba 3 u entmeber bie Sluß*
Übung einer ^öt^ereii teebnifeben 2l)ätigfeit ober einer Stellung, bie
mefcntlidj burd) bie Veauffidjtigung unb Leitung ber Arbeiten Stnberer
au«gefiillt mirb. — gn erftcrer Vegiebung ift bem ©utaebten ber ©ach*
oerftänbigen bei 3 utreten. $te Vebienung einer ©cbiff«mafcbine oon ber
offenba- hier oorliegeitben einfachen Slrt erforbert leinen böb c ^ en ©rab
ber Slußbilbung, al« ihn bie im Mafcbinenmefeu befebäftigten Arbeiter
3 U erlangen pflegen, gerner ift in betrieben Heiner Slrt, mie b^r einer
in grage ftebt, baoon au« 3 ugeben, bafe, menn auch bie gröbere Strbeit,
namentlich bie £eranfcbaffung be« £>eigmaterial« ober bie Steinigung ber
Mafdjine, burdj §ütf«perfonen bemirlt mirb, bodj ber Mafcbinift nicht
nur beren Sljätigfeit 31 t leiten unb 3 U beaufftebtigen, oielmebr perfönlicb
einen erheblichen Ibril ber erforberlicben medjanifeben Arbeit 3 U leiften
bat. — £er Kläger ift hiernach nur ein, allerbing« in einem beftimmten
3 mcige befonber« au«gebilbeter, Arbeiter im ©imte be« §. 121 ber
©emerbeorbnung unb bat al« folcber, ba er ohne Künbigung entlaffen
ift, nur auf 14 tägigen Sohn Slnfprud).
3 ft e« ein ©runb 31 U fofortigen ©ntlaffung, menn ein
Slrbeiter feinem Mitarbeiter 3 urebet, fich an einer Arbeit«*
einftellung 3 U Betbetligen? Vebeutung be« Vucbbrudertarifß.
(Urtbeil eine« fübbeutfcbeit ©emerbegeriebt«, mitgetbeilt oon 23.)
Stach §• 31 be« noch biß 3 um 1. gitli 1901 gültigen „^eutfdjen
Vu<bbritdertarif«", melcbem unftreitig auch bie Veflagte beitrat, Beträgt
bie tägige Slrbeitßgeit neun ©tunben. ©ntgegen biefer Veftimntung
hat bie bellagte gabril eine Slrbeitßorbnung crlaffen, roelcbe be 3 iiglicb
ber Slrbeitßgeit folgenbe Veftimmungen trifft:
„2)ie regelmäßige tägliche Sftbeitßgeit beginnt.für ben
Sommer Morgen« um 67 a Uljr unb enbet Slbenb« 67s Uhr, für ben
hinter 7 Uhr Morgen« bi« 7 Uhr Slbenb«. . . . Raufen finben ftatt:
Vormittag« 1 /i ©tttnbe, Mittag« 12—17s Uhr, Stacbmittag« 7* ©tunbe."
2)ie Arbeiter ber 23ellagten — unter ?lnberen auch ber Kläger unb
cinMafdjinenmetfterS-— erlannten am 13. September b. 3- fcbriftlidfj „bie
außgebängte gabrilorbnung al« oerbinblicb für un«" au. entgegen
ber Slrbeitßorbnuug mürbe tbatfäcblicb 3 unacbft nur neun ©tunben ge*
arbeitet; erft fpäter mürbe bie Verlängerung ber Slrbeit« 3 eit auf 3 ebn
©tunben angeorbnet. $5er bem SSucbbrudcroerBanbe angeb orige Kläger
erflärte für ficb foroic Stauten« be« bem SSerBanbe nicht ungehörigen
Mafdjinenmeifter« 3., meldjen er — Kläger — baau oeranlafet batte,
ftch ihm ansufcblieben, ber 23ellagten, baß biefe Verlängerung ber 2 lr*
beit« 3 eit bem Vucbbrucfertarif miberfpreebe unb baß fte alßbalb bie
Slrbeit nieberlegen mürben. Vellagter entließ b* er auf ben Kläger,
meldher jefet beSbalb Sobnentfchäbigung forbert.
Kläger mürbe abgetoiefen unb 3 toar au« folgenben ©rünben:
$>er „S)eutfcbe Vucbbrudertarif" ift eine Vereinbarung, bureb melcbe
ftcb bie bem Verbanbe angebörigen ^rtnjipale unb ©ebülfen ben in
bem 2arif enthaltenen Veftimmungen untermerfen, berart, bafj Slbänbe*
rungen beffelbeit lebiglicb auf bem in bem iarif felbft oorgefebenen
SS^ge bureb ba« Sarifamt be 3 m. ben ilarifauSfcbuB b er Bei 3 ufübren ftnb.
gür jeben (SinjelfaH bat aber ber £arif lebiglicb bie Vebeutung eine«
Ärbeitßoertrage«, fo ba§ er 3 toar nidjt einfeitig, mobl aber bureb gegen*
feitige« Uebereinlontmen aufgehoben merben fann, unb e« ftebt bett
Slrbeitern, melcbett etma eine Slenberuttg be« Sarif« angefonnett mirb,
frei, entmeber ftcb mit biefer Henberung einoerftanben 3 U erflären ober
aber biefelbe ab 3 Ulebnen unb entmeber felbft ba« Sfrbeitßoerbältniß
3 u lüubigen ober bie meiteren ©djritte be« Vriit 3 ipal« ab 3 umarteu.
3 tn oorliegettben gaffe bat nun bie Vellagtc mit ihren Arbeit*
nebmern eine neue, tbeilmeife oon bem Tarife abmeidjenbe Slrbeitßorb*
nung oereinbart; für bie Verbältniffe biefer Arbeiter ift baber in erfter
Sinie bie Slrbeitßorbnung ntafegebenb. 2HIerbing« mar bie in ber
Slrbeitßorbnung oorgefebene jehnftiinbige Sfrbeitöjeit einftmeilen nod)
nicht burebgefübrt. Söenn nun Veflagte bte« je^t itadjbolen min, fo
fragt e« ficb, ob fte nunmehr noch ba^u berechtigt ift. $ier muß nun
baoon außgegangen merben, ba^ bie Arbeiter, naebbem breioiertel gabt'
feit ©rlaffung ber Slrbeitßorbnung ohne roirllicbe ©infübrung ber 3 cbn*
ftünbigeit Slrbeiis^ett oergangen mären, annehmen lomtten unb mußten,
baß für fte eine neunftünbige Slrbeit« 3 eit oertrag«mäßig gelten folle. ®ie
©röffuung,ba& oon nun an eine 3 ebnftüubigc?lrbeit« 3 eit gelten foHe, enthielt
baber ben Vorfcblag einer Slbättberung be« beftebettbeit Vertrag«oer-
bäitniffe«, ben jeber eu^elne Arbeiter attnebmen ober ablebnen lonnte.
©ine Berechtigung aber, megen eine« berartigen Slnfinnert« alßbalb bie
Arbeit nieber 3 ulegett, ftanb ben Arbeitern nicht 3 U, ba leiner ber in
§. 124 ber ©emerbeorbnung hierfür oorgefebenen ©rünbe oorliegt.
$>ie Vellagte behauptet nun, fte habe ben Kläger be«balb entlaffen,
toeil er ben Mafdjinenmeifter 3- S u ^ oertragßmibrigcn Stieberlegung ber
Arbeit 3 U oerleiten gefudjt Ijabe unb er bejiebt ftcb hiermegen auf
§. 123 3iff- 7 Ber ©emerbeorbnung, mona<b ein Arbeiter bann fofort
entlaffen merben fann, mettn er ..Mitarbeiter ju gtanblungett
. . . 3 U oerleiten oerfuebt., melcbe toiber bie ©efefce .... oer*
ftoßen''. 5)ie Vorau«febungen biefer ©efefceßbeftimmungen ntüffen auch
itt ber $bat al« oorbanben erachtet merben. 3. batte nach ben oor*
fteljenbett ©rörterungen ba« Stecht, bie Verlängerung ber Slrbeit« 3 eit
3 urüd 3 itmeifen unb er batte ebenfo felbftoerftänblid) ba« Stecht, feiner*
feit« ba« Slrbeitßoerbältnife 3 U füttbigen, unb menn Kläger bemfelbett
nur angeratben hätte, oon biefem Sterte ©ebrauch 3 u machen, fo ließe
ftdj hiergegen nicht« einmenbett. Kläger Ijat aber bem 3- angeratben,
alßbalb bie Slrbeit nieber 3 utegen. SBemt nun 3 - nach ben ©efc^eit
nicht berechtigt mar, megen ber ihm angefomtenen Verlängerung ber
Sirbeitßscit bie Arbeit alßbalb nieberjulegen, fo mar auch ber Kläger
nicht berechtigt, 3 ur Vornahme einer folgen gefebmibrigen $anblung
3 U oerleiten; bie« bat aber Kläger 3 meifello« getban unb baburch bem
Veflagten gemä^ §. 123 3iff- 7 Ber ©emerbeorbnung ba« Stecht gegeben,
bie foforttge ©ntlaffuug außjufprecben.
dtoigtmgsttntter.
^te drgeBttiffe ber englifihett Verföhmtugßafte oom 7. Sluguft
1896 merben in ber Siooemoer * Kummer oer amtlichen ßabour*
©ajette befprodjen. Vefanntlich meift biefe« ©efefc bem §anbel«*
amte bie Vefugnifc ju, unter gemiffen Vebingungen ben $lu«gtei<b
in Sfrbeitßftreitigfciten in bie panb au nehmen. SDa« §anbel«amt
hat ba« Stecht, ©rljebungen über Urfadben unb 0tanb be« Streite«
ju oeranftalten, geeignete Schritte $u unternehmen, um bie beiben
Streitparteien bireft ober burch Vertreter unb unter einem itnpar*
teiifchen Vorfifcer ju einem gütlichen 2lit«gleich sufammenauführen,
auf Anrufung oon Unternehmern ober Arbeitern eine ober mehrere
^erfonen mit ber Slufgabe ber ©inigung ber Streitenben 3 U be*
trauen, auf Anrufung beiber Parteien einen Scbiebßrichter ju er*
nennen. Sluf ©runb biefer Veftimmungen hdt Ba« §anbel«amt
in ben gmei Qahren feit Vefteljen be« ©efefee« in 59 gräKen ein*
gegriffen. $n ber gro&en ÜJteljrgahl biefer gälle mürbe ba« Slntt
oon einer ober oon beiben Parteien angerufen (in 12 oon beiben
Seiten, in 14 oon ben Unternehmern, in 27 oon ben Arbeitern),
51
©eroerbegeridjt. 3Ritt$eiluitgen bei VerbonbeS beutfdjer ©eroerBegcrtchte. Ar. 4.
52
nur in 6 gatten fdjritt baS Amt aus eigenem Antrieb ein. gebod^
mürben 11 Anrufungen oont Amte abgelebt, ein galt fdjroebte
nod) bei Abfa[fung beS Berichts. ES bleiben baljer 47 Arbeite*
ftreitigfeiten, in benen baS Amt einfehritt. .fneroon mürben 34
beglichen nach SRaßgabe beS ©efeßeS, 6 farnen roäßrenb ber 33er*
hanbluttgen ju einer bireften Begleichung unter ben Parteien, unb
in ben übrigen 7 gatten blieb baS Eingreifen erfolglos. 20a« bie
nach Maßgabe beS ©efeßeS gefdjlidjteten 34 (Streitigfeiten betrifft,
fo mürben 24 burch Einigung unb 10 burch Schiebsfprud) bei*
gelegt, leßtereS traf ineiftetiS bei Anrufung beS Amtes burd) beibe
Parteien ein. 3n 6 gatten fc^ritt baS HanbelSaint ohne Anrufung
ber Parteien aus eigener Qnitiatioe ein, um eine gemeinfame Be*
ratljung ber Streitenbeu 311 oeranlaffen. Ein gatt mürbe beigelegt,
nodj ehe eS 3 U ber Befprechung fam, in 3 roei anberen mar eine
Einigung baS Ergebttiß, in ben übrigen fd^citerte ber Verfuch beS
Amtes. ©er roicf)tigfte Streit, in beu baS .jpanbelSamt ohne An*
rnfuttg eingriff, mar ber gewaltige $ampf im 2 Rafd)inenbau*
geroerbe, h^* ift aber bie lebte Entfdjeibung ohne Beteiligung
beS Amtes erfolgt, ©ättjlich erfolglos blieben befanntlid) bie Be*
mühuitgen beS HanbelSnttitifterS, in bem Äohlcnbergmerfftreif oon
Siibroales einen AuSgleidj h^beijuführen; es mürbe ein SdjiebSrichter
ernannt, aber bie Arbeitgeber oermeigerten runbmeg jebeS Eingehen
auf 33erhanblungen mit ipm. ©ieS negatioe Ergebnis hat in Euglanb
oielfad) 3 U ber gorberung einer Reform ber Conciliation Act itt ber
Aidjtuug geführt, baß bas §anbelSamt erweiterte unb oerftärfte
Vottmadjtett erhält. — Bon ben 34 nach ttRaßgabe beS ©efeßeS
gefd)li(hteteu Streitfällen betrafen 20 bereits erfolgte Arbeitsein*
ftettmtgen, bie attberit 14 hätten ba 3 u geführt, menn nicht oorher
ein Ausgleich erhielt roorben märe. Außer ber Beilegung oon
ArbeitSftreitigfeiten ift baS HanbelSamt noch bemüht gemefen, frei*
millige Einigungsämter uitb Sd)iebSgerichte 31 t finben, 18 folche
Aemter fiitb feit ©eltuttg beS ©efeßeS neu eingetragen morben.
SDie ©ßätigfeit biefer freiwilligen Einigungsämter mirb in bem
ebenfalls rü^lid) erfchieitenen amtlid)en Bericht über Streifs unb
AuSfperrungen 1897 beleuchtet. SDie ©efammt 3 ahl non Streit*
fällen, bie in biefem Sahre oon 53 ftänbigen Aemtern in Betracht
genommen mürben, mar 1465. Hieroott mürben 603 3 urücfge*
3 ogen ober beigelegt ohne SRitroirfüng ber Aemter, 53 fchmebten
noch am Enbe bes SafjreS, 809 gätte mürben gefdjüdjtet, unb
3 roar 623 oon ben Einigungsämtern unb 186 oott Sdjiebsridjterit
ober Unparteiifdjen. ©ie 3ahl ber Aemter, bie 1897 Arbeite*
ftreitigfeiten geflüchtet haben, betrug 51, baoon maren 49 Qn*
fütutionen ber ©emerbe felbft, 2 folche beS Be^irfS. Ad)t neue
Einigungsämter mürben im ßaufe bes BeridjtSjahreS eingefeßt.
Es mirb oon amtlicher Seite betont, baß troß mancher geßlfcßlägc
bodj im Allgemeinen bie Neigung ber Unternehmer unb ber
Arbeiter, oor bem Einigungsamt ober bem SchiebSgericßt ihre
©ifferen 3 en auS 3 utragen, im 2$adjfett begriffen fei.
EmigungSümter bei ettglifdjen HanbelSfummerii. Auf Anregung
beS „London Labour Conciliation and Arbitration Board“ ber
flonboner HanbelSfatnmer fanb füglich in biefer Hanbelsfammer
eine Berfantmluna oon ©eroerfoereinS* unb Unternehmerbelegirten
ftatt, um über oie SRittel 3 ur AuSbchnung beS EinigungSroefenS
burd) bie ^anbelsfammern 3 U berathen. ©er Borfißettbe Boultott
roieS auf bie namhaften Erfolge beS Einigungsamtes ber Sonboner
HanbelSfammer hin, baS feit acht Saßren befiehl, unb ff^irte bie
einfehlägige ©efeßgebuttg, namentlich bie in Aeufeelanb. ©ie 23er*
fammlung nahm eine Aefolution an, burch welche foroohl ©eroerf*
oereine als §anbelsfammern aufgeforbert merben, nach Kräften für
bie Errichtung freiwilliger Einigungsämter unb SdjiebSgeridjte ein*
3 utreten; beSgleichen mirb bie Sonboiter Kammer aufgeforbert, auf
einen roeiteren Ausbau ber bezüglichen ©efeßgebung hi n 3 UIÜ irfen.
Ein Antrag, bem gufolge bie oinbenbe UrtheilSfraft ber Scßiebs*
gerichte gefeßlicß ftatuirt merben möge, mürbe mit großer ttRajorität
abgelehnt.
Reform ber Conseils de Prad’hommes in gmüfreteß. ©en
frangöfifchen Kammern liegt ein Antrag auf Reform ber Conseils
de Prud’hoinmes oor, ber einer 0 pe 3 ialfommiffion gur Beratung
unb Bcridjterftattung 3 ugemiefen mürbe, ©er Angelpunft ber be*
antragteu Aeforut liegt m ber Sicherung einer einheitlichen Aecßt*
fpredjuitg, ba bie Erfahrung gelehrt hat, baß in ben 50 000
Streitfällen, bie alljährlich zur Entfcßeibung oor bie Prud’hommes
gelangen, an oerfchiebenen Orten überaus oerfchiebene Enburtljeile
gefällt merben.
Uitteratur.
©aS ©etoerBcgeridjt. ©efeß oont 27. Aooember 1896 in hiftorifd)*
bogmatifeßer unb e£egeitfdjer ©arftettung, fomie in Vergleichung
mit bem beutfdjen Eeroerbegertdjtgefeß. 2Rit einem Anfang,
enthaltenb bic einfcfjXägigen ©efefce unb Verorbnungeu, oon
Dr. A. VIoch, f. f. SanbgeridjtSratt). 23ien unb 2eip3tg, 1899
(2S. Vrettenftein).
©er lange ©Hel giebt genau an, roaS baS Büchlein enthält, fritgen
mir hmsu, bab eS 140 Seiten ftarf ift, mooon 56 Seiten auf einen
Ijiftorifdjen Aiicfblid auf bie Entftehung ber geroerbegeridjtlidjeu guris*
prubenj, eine ©arlcgung ber Eigenthümlidjfeiten bes ArbeitSoertragc»
unb auf bic ©efdjidjte unb ben gnljalt bcS öftcrretdjifdjen ©efepcS ent*
fallen, roährenb ber Aeft beu ^ert bes ©efepeS unb minifteriettc Aus*
fübrungsbeftimmungcu enthält, ^ehr ausführlich fönneu bie bogma*
tifdjen unb ereaetifdjen Darlegungen bet biefem engen Aaum nidjt fein;
immerhin machen fte otelletiht auf manchen ^unft, in rocldjcnt baS
öfterreid)ifche ©efeh [ich oont beutfdjen, baS i|m als Vorbilb gebient
hat, unterfdjeibet, beffer aufmerffam, als eS ber blofje iejrt-Abbrucf thun
mürbe, ©crabc jeßt, 100 bic AuSbehnimg unb Umanberuttg beS
beutfdjen ©efeheS fo oielfach erörtert mtrb, ift aber ber Vergleich mit
bettt öfterretchiidjeit, bas auf ben Sdjitltern bes beutfdjen ftcht, boppelt
intereffant.
2Bo«heitfihrift „Soziale ^rajiS, Eentralblatt für Sogialpolitif^»
(Herausgeber: Dr. E. grande, Berlin; Verlag oon ©unefer &
Humblot, ßeip 3 ig. 3 u begießen burch fämmtliche ißoftanftalten
unb Budjhanblungen 3 um greife oon 2 dl 50 ^3f. für baS 23iertel*
jahr einfchliehlich ber Sftonatsbeilage ,,©aS ©emerbegericht".)
guhalt oon Ar. 14: SnoalibitätS* unb Üranfeuoerficherung.
Von Dr. jur. Aidjarb greunb, Vorfibeubem ber gnoaübitäts*
unb AlterSoerftdjerungSanftalt Berlin. — ©ie bcutfdje «Sogialbemo*
fratie im galjre 1898. — ©er Bertragsbrud) beS ©efittbeS. Von
Dr. 2. gulb, Vfaiit 3 ; ©er gcfjnte eoattgeIifd)*fo 3 iale ilongreß; gntcr*
nationaler fogialiftifchcr ©iettft; StaatSuuterftübung für bie
Vrobuftiogenoffenfdjaft ber HohlglaSperlettei^euger in Aorbböhmen;
richterliche Entfcheibiuigen über Arbeiterfragen in Englattb;
Befchränfung bes .SfoalitionSrcdjteS uttb Streifpoften — ©aS ftäb*
tifdje Arbeiterfefretariat in lllm; ©emeinblid;e Sogialpolitif in
granffurt a. 2Ä.; Venfion für ftäbtifche Arbeiter itt Karlsruhe;
Eiuflufe ber Arbeiteroerftcherung auf bie öffentliche Armenpflege in
OSnabrüd. — Eine ©eroerffdjaftegrünbung in Hamburg; ftonfum*,
Bau* unb Sparoerein „^robuftion"; ©ie ßohnbemegung Unterbett
SBebern in ilrefelb; Bon ber Bergarbeiter*Bemegung; ©eutfeher
Vietattarbeiteroerbanb; Eentraloerbanb ber ©ransport*
unb VerfehrS*Arbeiter ©eutfchlanbS; Bäderberoegung in Berlin;
©er AuSftattb ber ^ßarifee HanbetSgefjtlfen. — Eine authentifche
Suterpretation ber iüttgfiett 3 t€geleioerorbnung; Äonferen 3 bei* ©e*
merbeauffidjtsbeamten in Breslau; Ein gleichmäßiger unb früherer
Schluß ber öabengefdjäfte; ^chuß ber Arbeiterinnen; 3 e hu
BcfchmerbebureauS für Arbeiterinnen; ©er Achtftunbentag für bie
ftäbtifdjen Üanalarbeiter in V«riS. — VoÜ 3 eioerorbmtng über
AfiethSroohnungen uitb Sdjlafftettemoefen; Bau oon Arbeiter*
Wohnungen mit £ilfe ber 3noalibitäts*BerrtchenmgSanftatten; Ein
©ang burch gamtiter uttb Aoth in Alünchett; ©egett baS 2Bof)nungS*
elettb in Straßburg i. E.; Betriebsunfälle im ^leingeroerbe. — gn*
halt bes ©ewerbegerichte Ar. 4.
„2>a8 ©cmerbegetlchP erfchelnt am erften ©onnerftgge jeben SWonat« im SRinbeftumfange bon Vj Vogen jum greife ÖO n 1 ER. — Veftelümgen
nehmen fÖmmtUdje Voftanftalten (Voftjettunganummei 2877) unb Vuchhanblmtgen an; ein bireftet Vejug üonberVetlagÄbuchhanblung flnbet nicht ftatt.
Oetlag non »unCfet A Ownblot, ffetwtg. - •ebrutfi bet 3ultu* 6tttenfelb in »erltn W. - Berant®örtlich für bie «ebaftton: Btabtrath Dr. 8fkf<h, ßranffurt a. K.
IV. 3fo^tgang.
9Iumnter 5.
$$«!,. |*n&..SvoptWflt,(J 5 ,^.y..^en_ 2. 0e£>ruai 180!». ^ j ...
fas (ßftwrbfcjmdit.
ZHittpeilungen bes Derbanbes beutfcper (ßemerbegencpte.
5Webaftiouöaus|rf;itfi : $tabtintlj Dr. fltfrij in Jrnnffurt a. 3!)?. utib ©eiueinbcvatl) $todumujer in Stuttgart.
frtytinf am er|e« £oittt<rflög ftten ^Bon«(s. __ ^«U jaijrfidj 1 3l«rl.
- - - -—-
»erlag bon ©undet & Jp umblot, Selpjig. floftenfreie »eilage jur „©ojialeit »rajt$\
3n
ßaufmannif(&e ©djiebSöeridjte.
»on Dr. ©rnft Stande, »erlin.
53
9teic58tagS*»erI)anbIungenüber
»etbefferung unb ©rtueite»
rung ber ©etoerbegericbte. 56
JJerfnffung unb JJerfaljren .... 57
»ürgerlidje$ ©efe&budj unb
©etoerbeorbnuitg.
#edjtft*red)un0. 58
2öie ift bie 3 u,t5n bigTeit beS @e»
werbegerid)t*3 bet ben im §. 133» ber
©emerbeorbnung bejeidmeten Ijöljeren
Angcfteflten $u beurteilen, trenn eö
fidj um ber £öl)e nach tuecbfelnbe
SRebenbejügc bnnbelt? (AintSgeridjt
»erltn)
Buftanbiafeit beS ©emerbegerid)t8 für
Angeftellte in Sabriffantinen. (©e«
merbegericbt unb Öanbgerid)t »erlitt.)
Söelcbe »ebeutung bat bie Abrebe,
bajj ber Arbeiter bem Arbeitgeber
ben JtadjtoeiS für bon ibm auSroörlS
gelieferte Arbeiten burd) »efd)einigung
beS »efietlerS au erbringen bat?
(©eroerbegeridjt unb Sanbgerkbt
©reSben.)
Scbabenerfatjpflidjt beS Arbeitgebers
bei »orentbattung eines orbnungS*
madigen 3 eu üniffeS. (§ 84 beS AH»
gemeinen »erggcfefeeS für bie preu&i»
ali
fdjen Staaten bom 24. 3unt 1865 —■
! 24.3uni 1892). (Sanbgeridjt ©ort»
munb unb OberlanbeSgeridjt Jpamm.)
3ft baS ©etoetbegeTi d)t juftftnbiß für
Klagen auS Öebrberträaen, bei benen
ber »ater ober »orinunb beS ßebr»
lingS als »artet auf tritt? (©ctnerbe*
gericbt »erlin.)
JUlgtnutatB über (SerotrbegertipU
unb ^rbettöuertrag. 62
©er »eridjt beS »erliner ©ctuerbe«
geridjtS übet baS ©efcböftSjabt
1897/98.
Seefd)öffengerid)te.
®tni0un0Bnmter.63
©tjütigfeit beS 9J?ündjener ©enterbe»
geridjtS als ©inigungSamt. »c»
jielmngen beS ©eroerbcgcricbtS jum
Arbeitsamt.
JlerfdjUbrncB.64
»eifiber«»ereinigungett.
$terbanbs-&ngelf0enljetten .... 64
»eitritt aum »erbanbe.
©ingänge bon 3 Q ^ reö bericbten.
Anträge.
§ rtefhnpen.64
.SReidjenbadj i. ».
Inhaltsangabe bet „Sojialcn »rajiä".
Abbtud fäntmtlicber Artifel ift 3citungen unb 3eitfcbriften geftattet, jebod) nur mit
boHer Quellenangabe.
Uaufntänttifdje Bdjiciisgetidjtr.
“2}er ©ebanfe, für bie Angeftellten im .gmnbelSgeroerbe zum
3trecfe einer rafdjeit, billigen, fadjoerftänbigen Recptfprecpung Eonber»
geriete unter 3 uziepung non ermäplten Vertretern ber Vrin^ipale
unb ber ©epülfeit 311 errichten, pat in ben lepten Sapren immer
meitere Greife erfaßt. Vet Veratmung beS ©efepeS über bie ©eroerbe»
gericpte i. S.1890 §atte ztuar ber ReicpStag einen fo^ialbemofratifdjen
Antrag, bie faufmännifcpen Angeftellten in baS ©efep einzubeziepen,
abgelepnt. Aber er pob bieS Votum felbft mieber auf, inbent er
am 7. §lpril 1897 bei ber einftimmigen eubgiiltigen 2lnna()tne beS
neuen ^)eutfcpen $anbelögefepbud)e 0 in einer Vefolutiou bie ner-
biinbeten Regierungen erfudjte, „balbtljunlicpft bie Vorlegung eines
©efepentrourfeS W oeranlaffeu, roonacp gur ©ntfdjcibung oon
6 treitigfeiten 3 toi|d)en Prinzipalen eiuerfeits unb §anblungSgepülfen
unb fieprlingen anbererfeits faufmännifdje 0 d)iebSgerid)te errichtet
roerben." ?lm 31. Sanuar 1898 bradjte ^Ibgeorbneter Dr. Vaffer*
mann toieberuin im Reichstage bei Verätzung beS Reid^Sjuftiz*
©tat§ biefe Sorberung zur <Sprad)e, namentlich mit Rücffi(t)t auf
bie am 1. Januar 1898 in Äraft getretenen Veftimmungen beS
§anbelSge[epbud)eS über bie Verljältniffe ber .ftanblungSgepülfen
unb fiehrlinge. ßr betonte inSbefonbere, mie roicfjtig es für bie
fchmierigen S^gen, bie mit ber Slonfurrenzflaufel zufammenhingen,
nunmehr bod) fei, bap hierüber „uid)t lebiglich 0011 Prinzipalen
bei ben $anbelSgerichten geurtpeilt toirb ober oon einem Slmts«
richter, fonbern bap bann bie 5(burtl)eilung erfolgt burcp ein ©e*
rid)t, bei bem aud) bie ©epülfen zu Söorte fomnten." Qn feiner
ßrioibernng erflärte ber «EtaatSfefretär beS ReiihSjufti^amteS, bie
Vorarbeiten in biefer „teiuesmegS fo einfachen" Angelegenheit feien
feit längerer 3 e ^ iui öange. 2)aS Reich^juftizcunt fei bisher fo
mit anbern Arbeiten iiberlaftet geioefeu, bap es fiep mit ben fauf*
männifchen 8 d)iebSgerid)ten nidjt hübe befaifen fönnen. 3ur 3 e ü
fcpioebten Erörterungen im Reid)Samt beS Smtern; mie rneit biefe
gebiehen feien, fonne er nicht fagen. Er oeifprecpe aber, bap fo-
balb toie thuulichft bie Örage auch int ReidjSjuftizamt einer näheren
Prüfung unterzogen merben folle. Riit Rüiffid)t auf biefe Er»
Jlärung begnügte (ich bie petitionSfommiffion, bie Eingaben mehrerer
EJehülfcnoerbänbe, unter Vetonung ber Epmpathie für bie tauf»
männifeben EchiebSgeridjte, bem Reidjsfanzler zut* Ermägung zu
überroeifen, unb bas Plenum trat bie(em cinftimmig gefapten Vc=
fcpluffe am 30. April 1898 ohne ©isfnffion bei.
Vor unb neben biefen parlameutarifd)en Vorgängen machte
fid) eine ftarfe Vetoegung in ben Greifen ber faufmännifdjen An»
gefteüten nach bem gleichen 3^ e geltenb. Shrf Vereine unb ihre
preffe traten eintniitbig für faufmännifche EchiebSgerichte ein,
meint fic fiep aud) über bie Öornt, in ber fie errichtet merben follten,
nicht einig mnrbett. Rod) am 6 . 3uni 1898 pat bie in Hamburg
tageube |>auptoevfammlung beS ©eutfepen VerbanbcS fanfmännifcpcV
Vereine bie Erridjtung oon Ed)iebSgerid)ten zur Echlicptung oon
Etreitigteiten aus bem faufntännifcpeu AnftetlungSoerpältnip befür»
roortet unb oerlangt, „bap bei ber Recptlprecpung berfelben min»
beftenS ein Veifiper aus ber prinzipalfcpaft unb ein Veifiper aus
bem Etepülfenftanbe mitmirfen miiffen, bie aus freien getrennten
Vkplen peroorgeaangen finb unb bap burd) entfpreepenbe prozep»
oorfepriften ein tpuniiepft bcfcplcunigtes unb foftenfreieS ober bod)
möglicpft billiges Verfahren gemäprleiftet merben tnup." 2)ic guten
Erfahrungen mit ben ©eroerbegeriepten, bie fiep balb bas allge»
meine Vertrauen erroarben, unterftüpten bie Argumente ber £).aub*
lungSgepülfett aufs Vefte. Von mehreren Arbeitcrbcifiper»Ver«
cinigungctt ber Etemerbegericpte mürbe überbieS bie Sorberung
Faufmännifdjer EcpiebSgerid)te ausbrücflicp befürmortet, unb bie
gemerbegeriiptlid)e gaeppreffe oertrat ben gleichen Etaubpunft.
Aud) auf Eeiten ber Prinzipale faitb ber Elcbaufe utepr unb rnepr
Aitflang. 3u einem Erlap oont 1 . April 1896 patte ber prenpifepe
§anbclsntiui}ter bie fmnbelSfammern zu ©utaipten hierüber auf»
geforbert. Rad) ben Sup^sbericpten für 1896 pabett fiih bantals
allerbingS oon 73 beutfd)cit .‘panbelSfammern (eine Anzahl oon
Vericpteit äupertc fid) niept) 17 gegen ben Vorfd)Iag auSgefprocpen
unb nur 26 bafiir, aber baS ©emiept ber ©rünbe mar bei beit
Sreunbett beS Planes, unter benen namentlich bie §anbelSfatnmerit
oon S^anffurt a. S JÜJ. unb ilöln fiep burd) bie 'Bärme ber Vefür»
mortung auSzeicpueten, erpeblicp gröper. Eeitbem aber ift auep bie
3apl ber Anhänger in ben ilnternepmeroertretungen gemad)feit,
Zumal bie praftifepen Erfahrungen, bie ein 001 t ber £mnbclsfamutcr
Zu Vrauufcpmeig auf freimilliger ©runblage zur Veuupung naep
§§. 851 ff. ber Eioilprozeporbnuttg eingerid)teteS faufmannifd)eS
Einigungsamt ergab, beit Berti) oon Ecpiebsgerid)tcn, in benen
beibe Parteien oertreten finb, nadjbriicflid) betonten, ^ie ^panbcls»
Fatnmer oott §aitnooer pat am 14. April 1898 fid) für fold)e
EcpiebSgerupte auSgefprod)eu, „bie bis zuut 3ufrafttreten beS
etmaigeu ReicpSgefepeS eine fegenSreicpe Xpätigfeit entfalten unb
Zugleich als ^robebeifpiele für bie gefeplicpe Regelung ber Soage
bienen fönnten." Eepr beuierfenSmcrtp finb bie (Srüube, mit benen
baS Vorfteperamt ber ^aufmannfepaft oon Tanzig bie Errichtung
$)a3 Gewerbegericßt. SRittljeiiiingen beS VerbanbeS beuifd&er Gewerbegericßte. Rr. 5 .
50
oon faufmännifcßen ScßiebSgericßten befürwortet; es weift bar*
auf ßtn,
„baß bei ben orbentlicßen ©ertöten, inSbefortberc bei ber Kammer für
.f>anbeI3fad)en, atferbmgS nur wenige Streitig feiten gwiftfjen $rtngtpalen
unb Gelmlfen gur SSerfjaublung fommcu, baß baS aber unferer Meinung
nad) nirfjt [owol)l an ber Seltenheit foldjer Streitigfeiten, namentlich
begüglicf) beS VerhältniffcS groifcßcit Gehülfen unb Heineren ^riitgipaleu
in i’abengefcßäften, liege, fonbern baran, baß bte Sd)wierigfeit unb bie
Koftfpietigfeit beS Verfahrens, fowie bie llnberetfjenbarfeit gerichtlicher
Gntjchcibiuigcu bic Vetheüigten in fehr oielcn ^äüctt abljieüen, recht*
Hebe Aufpriitfje bei beit orbentlicßen Gerichten geltenb gu machen. Xiefe
Rüfiftätibe würben bei einem nach Art ber Gcwerbegerichte eingerichteten
SdjicbSgericßte gum größten $beil Wegfällen. 3BaS tnsbefonbere ben
lebten $unft, bie Unberecßenbarfeit ber Gntfcßeibungen ber orbentlichen
Geriete, betrifft, fo fefjeint ftch oor einem foldjeu eine gewiffe Klaffe
oott Vringipalen wenig gu fcheuen, geredjte Anfprücße ihrer Gel)ülfeit gu
beftreiten; oicl eher werben fie Vebenfen tragen, ben Verfucb gu machen,
[ich nor einem gum $beil mit ihren Verufsgenoffen belebten (Bericht
ihren Verpflichtungen gu entgief)en."
Aucß in ber laufenben Seffton beS Reichstages ift bie Sorbe*
rung faufmännifeßer ScßiebSgericßte aufs Rene erhoben worben.
Am 12. &egember 1898 ßat Abgeorbneter Vaffertnann unb Genoffeu
(b. ß. bie gefatnmte graftion ber Rationalliberalen) feinen oben mit*
geteilten Antrag wieberholt. tiefer Antrag würbe am 18. unb
25. Sanuar b. 3- beraten, nachbem auch bas Gentrum ftch onge*
fcßloffen hatte. 5tuf eine Anfrage beS Abgeorbneten Srimborn
gab ber Staatsfefretär beS Reid)Sju)tigamteS eine Grflärung ab,
bie im Vkfentlicßen feine Rttttheilungen oont Vorjahre wieberholte.
Gr betonte nochmals bie GefcßäftSüberbürbuna beS Amtes mit
Aufgaben, bie nach feiner Meinung wichtiger uno bringlicher feien.
$)ie Verßattblungen gwifchen ben Regierungen feßwebten noch- GS
hätten fieß babei erßeblicße RietnungSoerfcßiebenßetten über bie ein*
fcßlageuben Verßältniffe ergeben, bic gunäcßft gum AuStrag ge*
bracht werben müßten. 2)ie preußtfd)e Regierung unb bie Reichs*
oerwaltung hätten baher noch nicht gu einer prinzipiellen Stellung*
nähme fomnten föitnen. 3m Ramen ber Koitferoatioen erklärte
Abgeorbneter 3a?obSfötter, ben faufmännifcßen ScßtebSgcriißten
ftänbe feine Partei fpmpatßifcß gegenüber. Ritt großer ©ärme
trat Abgeorbneter Vaffermann für feinen Antrag ein. Sür bie
faufmännifdjeit Sd)iebSgericßte fei überall ein bringenbcS Vebürfniß
oorhanben, theils fönnten fie gur Gntlaftung ber Amtsgerichte
bienen, theils ihnen angegliebert weroen. SDie Draanifation werbe
nicht fo fchwierig fein, wie fie oott mancher Seite ßingeftellt werbe.
3n ben meiften JäHeit werbe es fich um bie grage ßanbelit, ob
gu Recht gefünbigt refp. baS ArbeitSoerßältniß geloft worben fei.
^)aS jehige gerichtliche Verfahren fei für ben §attblungsgehülfen
u umftänblid) unb geitraubenb. Streitfragen über bie Sprganifation
eien oorhanben, aoer bie Regierungen müßten enblich gu ihnen
Stellung nehmen. An größeren Drten fei gewiß bie obligatorifcße
Ginticßtung bie befte. — Schließlich nahm bas §auS ben
Antrag einftimtnig an.
GS fteht bemnach jeßt fo, baß ber Reichstag, bie organijirten
(behülfen unb ein £ßeil ber Vringipalc für bie Grrichtung fauf*
mämtifdjer ScßiebSgericßte nad) Art ber Gewerbegericßte eintreten.
3m Vnngip barf bie grage als fprudjreif gelten, unb man muß
erwarten, baß auch bie ueroünbetett Regierungen fich in nicht allgu
ferner entfcßließen, beut RekßStage eine entfpreeßenbe Vorlage
gu machen. RkinungSoerfdjiebcnheitcn befteßen aflcrbingS auch
unter ben Anhängern beS ^rojeftes noch über bie Sortn, in ber
biefe fäufmäitnifcßen Sonbergerichte errichtet werben unb auttiren
füllen, ^ie Gittctt oerlattgen bic Grrichtung felbftäubiger Scßiebs*
gerießte, bie Anbertt ißre Anglieberttng an bie AintSgeridjte, bie
ifcritten bie Giufiigung in bie Gtewerbegericßte. 3n biej’en Vlättern,
(ogl. „2;aS©cwerbegcrid)t", 3abrg. I Sp.21—27, Soh^g-lll Sp.70)
ift mit guten ©rünbett oorneßmlich ber leßte R?obuS oertreten
worben. TaS 3nterefie ber faufmännifchen Anaeftellten an einer
prompten, fofteulofeit, facßoeiftänbigeu Rccßlfprecßung, bie ißr Ver*
trauen genießt, ift nicht miuber groß als bas ber gewerblichen
Arbeiter. Gbettfo ßabett bie ans betn ArbeitSoertrage fieß ergebenben
Sälle oott Differenzen in beiben Kategorien große Aeßnlicßfeit, wie
auch bk fogialeit Vcrhältitiffe hier wie bort in neuerer Seit eine
engere Verwanbtfcßaft anfweifen. Aucß wirb manchen (bewerbe*
geridjtei! burd) bie Ginglicbernng faufmännifeßer SdjiebSgeritßte
eine erwünfeßte Grweiterung unb Kräftigung gu £ßeil. Gin aQgu*
Heines (^ewerbegerießt fattn feßou aus Riaugel an Vefdjäftigung
uidjt fd)itell genug arbeiten, ba bod) nid)t für jebe Streitfndje fofort
ein befoubercr ©eridjtStag angefeßt werben fattn; es ift berfelben
(Mefaßr ber Vcrlangfantung ber Rechtsprechung auSgefeßt, wie etwa
ein onnungSfdiiebSgericßt. tiefer Gefaßt föntitc gcrabe burdi bie
Verbinbung ber beiben (Berichte, begw. burdß Uebertragung ber
Gntfcßeibungen aus bem faufmännifchen ArbeitSoertrag an bte ©e*
werbegerießte aufs Vefte begegnet werben, wäßrenb in großen
Stäbten allerbingS bie Grricßtung befonberer Kammern für bic
beiben Streitigfeiten, ober aucß oollig getrennter faufmännifeßer
unb gewerblicher Gerießte woßl erwogen werben mag. £>ie .'paupt*
fache aber ift, baß aucß bie oerbünbeten Regierungen baS Vringtp
acceptiren, über bie Ausführung wirb fteß bann gwifeßen Vunbeö*
ratß unb ReidjStag unftßwer eine Ginigung ergielen laffen.*)
Verlin. Dr. G. Qfrancfe.
Uetd)?tag 9 tierl)atibtmtgeii über öerbcflctung unb
(Ttrociterung ber ©Etoerbcgtrittjtc.
3« gwei Sißuttgeu, am 18. unb am 25. Sonuar, ßat ber
Reichstag über oerfeßiebene Anträge bebattirt, bie Abänbentngen
beS GcfeßeS über Gewerbegericßte gum Gegenftanb hatten. R?it
biefen Verßanblungen warb gleichzeitig bie Veratßung über bie
Grricßtung faufmännifeßer SißiebSgericßte oerbunben; über biefett
Vunft fiepe ben befonberen Artifel in biefer Rümmer.
3wei Anträge, betreffenb bie Gewerbegericßte, waren eingebraeßi,
einer oon ber fogialbemofratifdjen, ber anbere oon ber
GentrumSpartei. 5)er erftere will, baß
1. bie Grrtcßhutg oon ®ewerbegerid)ten obligatorifcß gemaeßt
unb beren guftänbigfeit auf oic Gutfcßeibung oon Streitig*
feiten ausgebeßnt wirb, bie aus bem 2ol)tt*, ArbettS* unl>
^icnftucrbältniß aller im (bewerbe unb Vergbau, in ber
2anb* unb gorftwirthfeßaft unb gifdjerct, im «t>aubcl mtb
Verfeßr ober als Gefmbe befdjäftigten $erfottcn entfteßeit;
2. bie Sßetlnaßmc an ben 23aßlen unb bie Verufung gu 3Kii*
gliebern eines GewerbegeridjtS auf bic in ben genannten Vc*
rufen befcßäfligten weiblichen $erfoncn ausgebeßnt wirb;
3. bie Verleihung beS SSaßlrechtS unb ber SBäßlbarfett auf ba*
ooflenbete 20. tfebenSjaßr ßerabgefeßt wirb.
2)ie Abgeorbneten ,£>tße unb ^rimborn beantragten, bie Rc*
gieruug möge eine Rooelle oorlegen gu bem 3 roe( ^ e
a) eine georbuete AuffteUung ber SSäßlcrlifteu wirffamer gu
ficheru;
b) bie Grricßtung oon Gewerbegericßten obligatorifcß gu machen,
foweit Hießt bie ÖanbeSregierung wegen mangclnben Vebürt*
niffeS AuSnaßmen geftattet;
c) bie Kompeteng ber Gewerbegericßte als GiniguugSämtcr (§. 60
beS GefeßeS, betreffenb bte Gewerbegeridjte) baßm gu er*
wettern, baß btefelben aucß oßtte Anrufen ber ftreiteuben
Parteien für bie Veilegung ber Streitigfeiten wirfen foitncn.
Außerbem ift noeß eine ausführlich begrünbete Petition ber
Gewerfoereine (^urfd^uticfer) eingegangen, wonad)
1. Gewerbegericßte für alle Gemeinheit begto. Vegirfe mit ent*
wicfeltem Gewerbebetrieb obligatorifcß eiiigefößrt werben;
2. baS SBaßlrecßt unb bie SBäßlbarfeit gu ben Gewcrbegericßtcu
auf bie weibltdjert Arbeitgeber unb Arbeiter erftreeft werben;
3. bie Gewerbegericßte oerpflid)tct werben, auf Anrufung audi
nur eines Sßeiles als Giuiguugsamt tßätig gu fein, unb ba*
Redjt erhalten, aucß oßtie Anrufung Scßritte gur Verhütung
ober Veilegung oon Arbeitsftrcitigfeiten gu Ißim.
GS unterliegt nad) bem Gang ber Verßanblutig feinem
3meifel, baß im ReicßStaa eine feßr große Rießrßeit für
ben Ausbau ber Gewerbegericßte oorßanben ift. Rur Kon*
feroatioe unb ReicßSpartei fm& bagegen, alle anberen Vartcien
bafür, wenn aucß über baS Ri aß unb baS Xentpo Rieiitun^S*
oerfeßiebeußetten befteßen. So würbe oon ben bürgerlichen Parteien
ber fogialbemofratifcße als guweitgeßenb eraeßtet. &ic Regierung
ßat fid) wäßrenb ber Debatte jeber RieinunaSäußerung enthalten.
Schließlich würbe ber Gen trunt San trag allein einer Komtitiffion
oon 14 Riitglieberu gu weiterer Veratßung überwiefen.
: ) Gtnc finge Vefpred)ung bes Sßcmas, als Anßang gu einer
eiitgeßcnben, tnsbefonbere bureß bte hiftori|che Gntwtcfelung ber Gewerbe-
gertd)te bcßanbclubeu Darlegung über bas SBefeit unb bic Vefonberßeitcu
bev gciorrbcgcrtcßtlicßcn Redjtfpredjung, finbet fid) in bem Vortrag
.s>anS Rcid)cls (XaS Gcwcrbcgericßt; Anhang: Kaufntännifcßc Sdiicbv-
geridjtf. dorren hat, bei Gnftao 1 V?intcr. r»2 Seiten).
$08 ©emerbegericbf. SRittbeilungen b‘e$ BerBanbe« beutfdfjer ©ewerbegericbte. SRr. 5.
'58
OtrfafTmtg nttb Oetfaljrtn.
©etocrBwrbntmg ttnb ©ürgerliibeg (Befefcbn<$.
2luf bie in bcr vorigen Kummer (9h:. 4 vom 5. 3anuar) ge*
ftellte Anfrage über ba£ feerbältnifc ber §§. 123, 124 ber ©e*
roerbeorbnung ru §.625 beg Bürgerlichen ®efefcBud)S ftnb eine
SReibe oon ©infenoungen eingelaufeit. Str bringen oon biefen
gunäcbft groet, beten eine oont Borftfcenben beg ©eroerBegericbtg
$öln, $Re<btganroalt XJecfer, bie anbere oom fteßoertretenben Bor-
ftfcenben beg ©etoerBegericbtg Btotng, 8cf)aefer ^errii^rt. S3eibe
argmnenitren mit ber tn ber grage nic^t angegogenen ©pegialoor*
fdbrift beg §. 124 ber ©etoerBeorbmmg, fommen ober gu oer-
fd^tebenen SRefuUaten.
£>err 2)ede r fdbreiBt:
gm erften SlugenBlicf crfdjetut bic Beantwortung ber in 9?r. 4
btefeg Blatteg geteilten gragen fcbtoieriger ol8 fie ift, well bei ber
gragefieflung ber §. 124 a ber ©ewerüeorbttung ooßftänbig aujjer ?Wjt
gelaffen ift. Xer SBortlaut bc8 §. 626 beg bürgerlichen ©efefeBudjg bat
aber mit bent beg §. 124 a ber ©ewerbeorbnung eine grobe ?lcljnlicf)feii,
wenn man oon bem Scblitßfabe beg letztgenannten §. 124 a aBfiebt-
Xicfer Schluhfafc: „wenn baffcIBe nttnbefieng auf 4 Socfjen, ober
wenn längere a!8 tüerjebntägige tfünbigunggfrift oereinbart ift," tritt
nach meiner Uebergeitgung am 1. gattuar 1900 anfjer AHraft, weil biefeg
ftd) aug bem §. 626 beg bürgerlichen ©efefcBucbg ergiebt. Sm Uebrigen
bringt ber §. 626 bann nickte, roa8 ben Bcftimmungen ber §§. 128, 124 unb
124 a ber ©ewerbeorbnung entgegenftebt. Xic jebergeitige ftuflöfung beg
SlrBettgoertrageg ohne Stuf tünbignnggfrift mar bigber bciBorbanbenfetn ber
in ben §§. 123 nnb 124 aufgegäljltcn ©rünbe, bie boeb jebenfaflg gu ben
„wichtigen" gehören, ftattfjaft, bei ferneren widjtigen ©rünben aber nur
unter ben in §. 124 a oorbcbaltcncn ©tnfdjränfungcu. Xa biefc (Sin*
febränfungen nun bei ^nfrafitreten beg Bürgerlichen ©cfejjbuchcg weg*
faßen, fo halte idfj für richtig, bafj bann bie je ber zeitige Stuflofung
bei Borljanbenfein wichtiger ©rünbe erfolgen tanu unb muh-
0o lange e8 ft<h um Aufhebung oon Xienftoerhältuiffcn oon ©e*
feßen, ©ebülfen nttb gabrifarbeitem banbeit, werben bie wichtigen
©rünbe be8 §. 626 beg Bürgerlidjen ©efebbudbg nur biejeitigen fein,
oon welchen bie §§. 128, 124 unb 124a ber ©ewerbeorbnung fprechen.
Aloin.. ©. ?l. Xedfcr.
3m ©egeitfafc bi^ u äußert fidf) $err Scbaefer:
©g famt angenommen werben, baß ba8 bürgerliche ©ejefcbucb
unter „wichtigen ©rünben" -- ohne anbere aug$nfdjlichen — in erfter
Sinic an btejentgen gebacht bat, bie in ben §§. 123 unb 124 ber©cwerbc*
orbttung befonberg aufgefiibrt finb; benn bah bic hier genannten ©rünbe
alg „wichtige" ju gelten haben, fann nicht in grage gefteflt werben,
©g gibt jebod) uod) anbere „wichtige" ©rünbe, bie einen Bertraggtbeil
beftimmen tonnen, bic gortfepung beg Slrbcüguerbältniffcg abgubredjen.
gnfofent ift mithin bie ?(uf^äf)Iuug in ben vj§. 123 unb 124 ber ©e*
werbeorbnuug nidjt crfdjöpfcnb, unb jweifellog würbe ber §. 626 beö
93ürgerlidjcn ©cfefcbutfjs? ergäujenb cin^utrctcu haben, wenn }t<b bie
©ewerbeorbnung auf biefc Hufjäljlung befchränft hätte. 0ie bat bieg
aber nicht gethan, vielmehr bic Slufheoung be8 ?lrbeitgoerbältniffe8 auch
au* anbent ©rünben jugelaffen unb gwar burch ben auf ber SRooeße
oom 1. 3nni 1891 beruheitbeu §. 124 a. 9iad) biefem ^araarapben
fann außer ben itt beit §§. 123 unb 124 bcjeidjneteu gäßett feoer ber
beiben 2heile aug wichtigen ©rünben (füllte richtiger heißen: an beren
wichtigen ©rünben) oor ?lblauf ber oertraggntäf 3 igeu %it unb ohne
gnnehaltung einer Äünbigunagfrift bie Aufhebung beg rlrbeitgoerhält*
niffeg oerlangen, wenn baffeloe minbefteng auf 4 Wochen ober wenn
eine längere alg 14 tägige Äünbigunggfrift oereinbart ift.
giir bic 9(nwenbuug beg §. 626 beg bürgerlichen ©efehbuchö auf
bag gewerbliche ftrbcitgocrhältuih fehlt eg fomit an ber nothwettbigett
borangfefcung, bafe in ber ©ewerbeorbnung augnehmeitb beftimntungett
nicht getroffen feien, .»pieran änbert tneineö ©rachteng auch ber Um*
ftaub nid)tg, baß ber 124 a ber Olewerbeorbnung nur bann anwenbbar
ift, wenn bag Slrbeitgoerhältniß fich über einen Zeitraum oon 4 Wochen
erftredt ober bie oereinbartc beiberfeitige Münbigunggfrift mehr alg
14 2age beträgt, wäfjrcitb eg beim §. 626 beg bürgcrlidjeu ©efehbudjg
auf bic $auer beg 9frbeit8oerbältni(feg ober ber Uüubigunggfrtft ni^t
attfomntt. $enu wenn bag bürgerliche ©efehbudj auch für bic
rechtliche beurtheilung bc§ 9lrbeitgoerhäItniffeg im 8tnue ber ©ewerbe*
orbttung bie ©ruublage giebt (©nbentattn, bb. I 0. 784), fo ift hoch
nicht $ii uergeffett, bah bie auf ben 2lrbeitgoertrag be^ug fjabenben be*
ftiutmungeu ber ©ewerbeorbnung uad) t } lrt. 36 beg ©inführuttgggefeheg
junt bürgerlichen ©efe^buch in Alraft bleiben unb fidj aug feiner ©c*
lehegftellc eine nugbrücflidfc ?lenberung ober ©rgänjung ergiebt.
Xie geftcUtc grage ift uad) bem ©efagten baljin ju beantworten, baß
für bie ^liiflüfung beg gewerblichen 2lrbeitgoerhältniffeg nad) wie oor
aitgfd;Iießlid) bic bcftimmuugeu ber ©ewerbeorbnung ent*
fcheibeub fiitb. 9Boßte man ba§ ©egetttheil annehmen, fo gelänge
man logifch ,pt bem 0chluffe, bafj ber §. 626 beg bürgerlichen ©efeh=
buchß bie §§. 123, 124 uitb 124 a ber ©ewerbeorbnung ooßftänbig be-
feitige ttnb bie gäße ber §§. 123, 124 nur noch alg »eifpiele wiqtiger
©rünbe in betracht fomnten tonnten.
Scbaefer,
fteßoertretenber SSorftbenber beg ©cioerbegerid^tg Sftatnj.
Sir enthalten ung junaAft ber Äeufjerung über bie 8?idhtigfeit
ber einen ober anberen ^nftdbt, unb bitten um grortfefcung ber
$>ig!uffton über biefe roidjtige gfrage.
Sie ift bie 3aftänbigfett beg ©ewerbcgeridjtg bei beit
im §. 133a ber ©ewerbeorbnung bejeidjneteit ^öderen 8(n*
geteilten ju beurtheilen, wenn eg ftch um ber ©öbe nadh
wecbfelnbe Äebettbejüge baubelt? (Urtbeil beg Bmtggericbtg
Berlin I oom 16. Oftober 1896.)
©in gelbmeffer iu ^Berlin ^attc einen ©ebülfen mit ber 3tbfidbt
engagirt, ihn bet augioärtigen S3abnoermeffunggarbeiten gu oerwenbett.
©g würbe ein ©ebalt oon 125 M. pro Sltonat unb aufeerbem für jeben
lag, an welchem ber ©ebülfe auberbalb Serlittg tbätig toar, eine gelb*
gulage oon 3 M. oerabrebet. $er ©ebülfe war tbatfädfjlicb nur auö*
wärtg unb gwar int Orte S. tbätig unb ift oom ^rinjipal fpater ohne
Äünbigung entlaffen worben. $er ©ebülfe fiebt ftcb alg einen ber
höheren 33ebienfteten beg §. 138 a ber ©ewerbeorbnung an unb bat beg*
halb beim 9(nttggertcbt auf gortgablung feiner ©ebübrniffe gunächft für
einen SNonat geflagt. $er ^etlagte bat ben ©inwanb gemacht, AH.
müffe beim ©ewerbegeriebt flogen, ba nur ber fefte Sohn oon 125 JL
ber ©ehaltgberecbuung gu ©rünbe gu legen fei. $urcb Urtbeil beg ftmtg*
geridhtg ift biefer ©inwanb oertoorfen worben.
©rünbe: Stach §.2 &bf. 2 beg ©ewerbegericbtggefebeg gelten alg
Arbeiter, beren Slnfprüche oor bie ©ewerbegeriebte gehören, bie höheren
Hngcfteflten nur bann, wenn bereu „gabregarbeitgoerbienft an Sohn
ober ©ebalt 2000 M. nit^t überfteigt." 2egt man im oorliegenbeit
gaße bag SRonatggebalt oon 125 JL gu ©ritttbe, fo ergiebt ftch ein
3 abregoerbienft oon nur 1500 M. Slcdjnet man bagegen noch bie
gelbgulagc mit 3 Ji pro Xag unb 1080 Jf. im 3abte bt n J u / fa crgicÖt
fich ein Sab^eiufommen oon 2580 M. ©g fragt (ich alfo, wie bie
Berechnung attgulegen ift. Xem Bellagten ift h icr bei, wenn er bic
©^empltfifation auf Sletfefpefen ber §aublnnggreifenben gemacht bat, fo*
oiel gugitgebcn, bafe wirflicbe 9teifefoften bei Beredjnung beg ©tn-
fomnteng eine« Stugefteßten nicht in Setrad^t gegogeti werben fönnen.
Xemt 9leifefoflen finb ber ©rfafc für im gutereffe beg ^rittgipalg ge*
machte ?luggaben, bie neben bem Bevbtenfte gu gab len finb. Um fol<bc
banbelt eg ftdh b^r aber nicht, ©g ift oielutebr unter ben Parteien
unftreitig, ba& Sleifefoften bem Atläger noch aufeer ber gelbgulage gu
gewähren ftnb. $ie gelbgulage wirb, wie Besagter auggefiibrt bat
unb wie auch aug ber Sache felbfi ftch ergiebt, bafür begabt, baß bag
geben am augwärtigen Orte bem Arbeiter theurer gu fielen fonunt.
SCber mit Unrecht legt Beflagter auf biefe« Moment ein entfeheibenbeg
©ewicht. $er gefammte ?lrbettgoerbienft eineg ?lngcfteßten bient im
Sefeutlidjen ber Beftreituug fetueg Sebengunterbalteg. $ie[er Unterhalt
ift in ben oerfchiebeneu Orten beg Sletcheg gu fe^r oerfdjiebeneu greifen
gu befchaffett unb banach richten ftch auch bie 2öljne, fo bah F te bort,
wo man theurer leben muß, höher finb. Xag ©efefe bat aber feinen
Unterfdjieb gentad)t. ©g fe^t bie ©renge oon 2000 M . feft gang ohne
9iüc2ftd)t barauf, ob bie Summe an einem tbeuren ober bißigeren Orte
gu oergebrett ift. Xaraug ergiebt ftch, baft eg feinen Unterfcbieb machen
fann, wenn einem 9lngefteßten begbalb ein böbeter Sohn bewißtgt wirb,
weil feine Jlrbeitgoerbältntffe aug aßgemeinen ober auch aug befonberett
©rünben eine Bertbcuerung beg Sebengnnterbalteg mit ftch Bringen.
®ie gortn, in welcher biefe ©rböbnng bewifligt wirb, ob fte in ben
Sohn etngefchloffen ober alg befonbere 3 u ^age oerabrebet wirb, ift ba*
bei gleichgültig.
Säre bentnach ber Kläger fo engagirt worben, baß er nur in S.
gu arbeiten hätte ttnb alfo einen feften Hnfprudfj auch auf bie gelbgulagc
oott 3 M. hätte, fo ftänbe eg auger jebetn Zweifel, bafj fein ’gab^ 3
arbeitgoerbienft auf 2580 M. anguttehmen ift. Xtc 9techK-lagc wirb iu*
beffett baburch fompligirt, bah bcr AHäger einen ?Tnfpruch auf Befchäfti*
guttg gerabe ittt Orte S. nidjt h at te, bah Betlagtcr oicltuebr befugt
war, il)n itt Berlin gu befchäftigen unb bah er bann bie gelbgulagc
nicht erhielt.
Um bie Söfitng für btefeu gaü gu finben, muß man ftch an Bett
Sortlaut beg ©efeheg halten. Xer 2 ?lbf. 2 beg ©cwerbcgeriditv*
I gefefeeg fdtreibt oor:
59
60
Xa$ f geggbeggjiL ^ittheitungen beS VgrBggbEg beutJ<her48eroerBe&erid)te. SRr. 5.
« 3 ufllei($cu gelten als Arbeiter tut 3iunc bes (^efefeeö
Vetrie 6 £B*amte, ©erfmeifter unb mit böseren ted^itifd^en
Xienftleiftungen Betraute AngefteÜte, beren JafjreSarBeitS*
oerbienft au £ohn ober Gehalt jiuettaufenb V?arf uic^t
überfteigt."
Um banach einen biefer AngefteHteu bei* 3uftänbigfeit beS Gewerbe«
geridjts S u über weifen, Bebarf es na dt bem ©ortlaut bes Gcfefces bei*
bt*efien ge ftfteflung:
bafj ber JahreSarbeitsoerbicnft biefes AngefteHteu 2000 3Karf
nicht überfteigt.
©o biefe negatioe geftftellung nicht getroffen werben fann, ba fatttt
auch bie 3 u ftänbigFeit bes Gewcrbegeridjts nicht eintreten. öine geft*
fteüung biefer Art fann aber in allen benienigen gälten nicht getroffen
werben, in betten ber Verbienft für ocrfchiebene gälle in oerfebiebener
.'pöbc oerfproeben worben ift, falls auch nur in einem ber oertragS*
mäftig gefefeten gälle ein §inau$gehen bes VerbienfteS über 2000 Jl
etntritt. Jn füldjen gafle Iäfet ftdj — abftraft Betrachtet — nicht Be*
banpteu, baft ber Verbienft 2000 JC nicht überfteigt. XaS örgebnifj ift
Wonach, baft, wer einen Sohn erhält, beffen ,$öhe oon Vebiitgungett ab»
hängig ift, nach berjenigen Vebingung }u beurteilen ift, bie bett Ijödjften
$*bn ermöglicht.
£)6 matt biefe VerechnungSroetfe auch bei fehr entfernt liegenben
Ütiebingungett auguwenbeu hätte, 3 . V. wenn ber Kläger für eine Shätig*
feit in Berlin felbft mit 125 Jt. ntonatlidj ettgagirt worben wäre unb
mir für bett — gar nicht in Ausfidjt genommenen unb gar nicht ein*
getretenen — galt einer auswärtigen Vefdjäftiguug ihm eine gelbjulage
oerfproeben worben wäre, fann hier bahingefteflt bleiben. Xettn oor*
liegenb war biefe Vebingung fofort in Ausftd)t genommen nnb ift that*
fädiUdt eingetretcu: Xer Kläger hat in ©. gearbeitet. ÖS ift beSljalB
fein Gruitb erftchtlich, weshalb man bie Vebingung bei ber Veurtbeilung
bes Verbältniffes ber Parteien ausfdjeiben fofltc. Cb ber Kläger wegen
feiner inseitigen öntlaffung bie gclbjulage weiter forbern Fann ober ob
er ftcb mit bem Ansprüche oott 125 jc ntonatlid) beshalb begnügen
muß, weil Vcflagter jebenfaUs bas 9ted)t gehabt hätte, ihn nach Berlin
311 febiden nnb bort für biefett £afc ju befebäftigen, bas ift eine grage,
bie ben Anfpruch felbft, nicht bie Gcrid^uftänbigfcit betrifft; bie Iefctere
hängt nicht baoott ab, ob bie GcBührniffc, bie jefct eingcflagt ftttb, nadj
einem ArBeitSoerbicnfte non meljr als 2000 M . beanfpruebt werben ober
jujuerfeunen fittb, fonbern nur uoti ber Kategorie, unter ber mau ben
flagenbeu Angestellten an ft<h ju oerweifett hat.
Aus Vorftchenbcm ergiebt fi<b, baf* nicht bas (Gemerbegericht,
fonbern bas orbentliche (Bericht juftänbig ift.
3uftänbig!eit beS GewerBegeridjts für AngefteÜte in
gaBriffantineu.
©egen Unguftünbigfeit bes GcwerBegendjts würbe 001 * einigen
Vtowaten bie Ködfjin Schouwalb, bie bis gurn 14. April ht ber Kantine
ber Brauerei griebridjSBöhe befdjäftigt war, mit einer Klage gegen bie
Vrcmercigefellidjaft abgewiefett. Xas GeroerBegerid)t Berlin ging baoott
«uS, baft bie Klägerin feine Oie wer begeh ülftn gewefen fei, weil bie
Kantine fernen Gewinn bringen, fonbern nur ber VequentUchfeit uttb
©oblfabrt ber VranereiarBeiter bienen foHe. Xhatfächlidj erforbert bie
Kantine ^lifc^üffc. Auf Vernfuug ber Klägerin hob bas ^anbgericht
öntfehetbung bes GewerBegerichts auf unb wies bie Sache mit folgenber
Vegrüitbung itt bie Vorinftan 3 gurücf: §aBe bie Xhätigfeit ber Klägerin
andh nicht ju ben tethnifthen Verridjtungen bes gewerblichen Brauerei»
betriebes gehört, fo ftelje fie bodj im engen ^ufamntenhange mit biefent
betriebe. Xer 3*wd bei* Kantine fei, ben Vrauereiarbeitern eine billige
nnb gute Koft, fowie eine gewiffe ’iBequentlichFett ju bieten; bas'^nftitnt
habe alfo mittelbar ben Sroed * 11 bes ?3rauereibetriebes gebient, es fei
beShalb attch bem (Gewerbebetriebe ber ¥rauereigefeHfd)aft griebrichs*
höhe 3 ti 3 ured>nen.
©eldte löebeutnttg hat bie Slbrebe, bafe ber Slrbeiter
bem Arbeitgeber ben Nachweis für oon ihm auswärts ge*
lieferte Arbeiten burdj 33efcheiniguttg bes 2 ?eftcllfrs 51 t er=
bringen hat?
(llrthcil bes (Gewerbcgeridtts 31 t Xrcsben, betätigt burdj Urtheil
bes ^anbgeridjts bafelbft.)
Xer Kläger hat für bie 3?cflagtc ilUontagearbeitcn ausgeführt unb
forbert nodj Vergütung für Verarbeitung oott altem Kupfer. iMad) bem
^wifdicn ben Parteien abgcfdtloffcucm Xienftoertrage hatte ber Kläger
bei Arbeiten ber erwähnten Art Vergütung 311 benufprudjen, wenn unb
fobalb er bei Veflagtcu eine Veidjeiuignng, wcldje folgcnbermaficu
lautet: „Anderen A. Vt.iu Xresbcit. gbr Monteur g. hat bei mir . . .
.Kilogramm altes Kupfer bearbeitet. 3«h bezahle für jebcs Kilogranint
. . . Vieuttig unb bie Vctfcfpcfen unb oei* 3 id)te auf bie Veanftanbuug
bei Arbeit wegen Mängel. Crt ber Örfüllung ift gbre gabrif in X. . . ."
mit ber Untfrfchriit bes Veftellers oorlrge. Xrr Kläger hat für bic hier
fragliche Arbeit eilte foldje Vefdjeinigung mit ber Unterschrift bes Ve=
fteßerS, beS ©utsbeftbers X., nidjt oorgelegt, fonbern nur eine folchc,
bie bie Unterfdjrift „K für grau 3" trägt. Cefctcre ift feit bem Cftober
1896 Vefiberin ber Xomätte $., K. bafelbft Verwalter. Xie ^eFlagte
weigert bie 3ahluug bes geforbertett VetrageS mit ber Vehauptung,
bie oon bem Kläger beigebradjtc Vcfrfjeiuigung fei nicht geniigenb.
Xurch bie ^Beweisaufnahme ift feftgeftellt, bah Bie Vefcheinigung uon K.
mit Genehmigung % . .S auSgefteHt würbe nnb bafe K. bas ootu Kläger
oerarbeitete Kupferrohr im Aufträge beS X. abgenommen uub hierbei
baS behauptete Gewi^t als oorhauben ermittelt hat. VeFlagtc hat
jebod) geltcnb gemacht, bas geljlen ber Vefdjeiuigung lönne burrf) bie
3 eugenausfagen nicht erfept werben, ba burd) bie AuSfage ihm gegen=
über X. nidjt oerpflidjiet fei, ben Beanfprudjtcu ^reiS für bas Kilo*
gramnt alten Kupfers 3 U befahlen uub auf bic Vtangelrüge 31 t ocr$id)teti.
XaS Gcwcrbegcridjt 31 t XrcSben hat bie Veflagte in GemäBh e it bes
Klageantrags oernrthcilt. Xie gegen biefeS Urtheil eingelegte Berufung
würbe 00 m Königlichen £anbgerid)tc 3 n XreSben jurücFgemtefen aus
folgenben, ftch au bie Vcgrünbung beS Urtheils erfter ^uftans an*
fchliehenben Grünten:
Xurch bie auf bie Veibriitgung ber Vefchciuiguug 9ir. 2 bezügliche
Vertragsbeftimmnng wirb nicht eine abfolut nothwenbige formale Vor=
aitsfebung ftatuirt, oon bereu Öi*ifteu 3 bie Vejahlung beS STOontcurS ab
hängig fein foll, fonbern bie Veibringuttg be 3 wec!t in erfter Sinie, bem
gabrifanten in feinem Verhältnis git feinem Vcftellcr eine Vewris=
crleichterung 3 U oerfdjaffeu. Von biefent Gcfidjtspuufte aus ift bic Vci=
bringung ber Vefcheiitigung nicht als Vertragsbcbingung in beut oon
ber Veflagten ausgefühlten Sinne auzufehen, nnb ftc ift im Verbältnif,
3 wifchen ben Parteien fehr wohl burd) anbere VeweiSmittel erfebbar.
hiermit entfallen alle biefenigeu Konfegnen 3 eu, welche bie Veflagte aus
ber Vefdjaffung ber Vereinigung als ber örfüllung einer Vertrags*
bebinguug ableitet. 3 u 3 u 9 e bett ift ber Veflagteu, bafj fie an bfr Vc-
fdjaffuug ber Vefdjeiniguug ein wefeutlidjes Satcreffc habe. Xicfes gn-
tereffc berechtigt fie aber nicht, ihrem Vionteur bic Ujm gebiiljrenbc
Vergütung, für bic 001 t itjui nachgewiefenennahen geleiftcte Arbeit oor=
3 uentl)altcn, ebenfowenig fann fie ftd) in biefer Vc 3 iehung mit (frfolg
barauf ftübcu, bab ein Veftellcr bie ihm jufommenbe Gegeii/fiftiing
nicht entrichten wiQ.
Sdjabencrfabpflidjt bes Arbeitgebers bei Vorcnt*
haltung eines orbnungstnäbigeu 3 cu 9 ni ff e ^- (§• s<i bes All»
gemeinen VerggefefceS für bic preitbifdien Staaten oont ^!’y 1
(Urtheil bes Sanbgeridjts, 8 . (Sioilfamntcr 31 t Xortntunb unb bes
OberlanbeSgeridjtS 3 U §amm.)
Xic bcflagtc Vergwertsgefcflfdjaft, oon weldjer Kläger als Verg^
mann feit bem 20. 3uni 1887 befchäftigt unb am 7. Dftober 1891
wegen angeblichen Ungehorfauts cutlaffeu worben war, hatte bem Kläger
einen Abfehrfdjeitt baljiu auSgeftcHt „berfelbe wirb hiermit ttnfererieits
fofort enttaffeu". Auf Klage bes Klägers war Vertagter burd) Urtheil
bes Amtsgcridjts 311 Xortiuunb oont 18. 3Kai 1892 (ergatigen oor ör*
richtung eines Verggewerbegeridjts) oerurtheilt worben, bem Kläger einen
orbnungsntäbigen Abfehrfchein ohne einen ihm bei anberwcitcin Arbeite^
bewerbe hiaberlidjen 3 u fabr insbefonbere ohne ben 3 »tfab «fofort lmferer^
feits entlaffen" febod) mit beut 3 u fafe «glctb unb githrung gut" 3 U er-
theilcn. Xtc Veflagte fam biefem Urteile erft am 9. Juni 1892, noch.
Kläger bcaufprudjtc nunmehr oon ber VcFlagten öriab bes ihm nns
ber gefebwtbrigeu Voreuthaltuug eines orbnungsmäbigeu Abfeljrfrf)emv
erwachienett 3chabcttS uub Hagle bentgemäb beim Üanbgericht in Xort-
munb mit folgenber Vcgrünbung: Seit bem Xagc feiner Öutlaffung habe
er fich bei einer 9ieihc oon 3rdjen uut anberweite Arbeit bemüht, überaD
aber habe feine Annahme ber 3Mangel eines oorfchriftsmäfngen Abfebr-
fcheines entgegengeftanben. Jm ©efentlidjen fei er wäljrenb ber ganjeu
3 eit feiner Gntlaffung ohne Örwrrb gewefen; cs fomme ihm bahn
00 m 1. Aooember 1891 btS 311 m 9. Jttnt 1892 fooiel gu, als er ooraus
fidttlich au 2ohn oerbteut haben würbe, wenn er auf irgenb einer Grube
Arbeit gefituben hätte. Xitrdtfdjnittlid) habe er 8,90 Jf. täglidi prn
@d)idjt ocrbicut; er würbe fo in bem genannten 3 f itrauut 188 3dmiuen
oerfahren, alfo 188x8,90=718 M 50 4 oerbient haben. Xic Veflagte
beftritt ihre Verpflidjtung, einen anberen Abfehrfchein ausguftellen, uub
ntadite gelteitb: l.) Kläger hätte ftdj 3111 * örlanguug bes oerwetgerten
Abfehrfdieincs gcutäfi §. 84 beS Allgemeinen Verggefebes an bie guftänbige
Xrtspoli 3 eibehörbe wenbrn füllen; ber angenblicflidt erlittene 3djabru
fei baher felbft ocrfdmlbet. 2 .) ber behauptete 0 djabeit fei nicht rut-
fiaubeu, and) fei ber bafür angegebene Grunb mi^ittrcffenb. Xnni ein¬
mal gebe es geuügeubc (Gelegenheit 3 m* lohnenben Vergwcrfsarbeit,
ohne bafi es ber Vorlegung eines AbfchrfcbetncS Bebürfe. Anbererfeits
habe .Kläger, weldjer gelernter Schuhmacher fei, burdj Sdjufterit für
britte ^erfouen minbefteus 2 .U täglich feit feiner öntlaffung oerbteut.
fit
Tod ©ewerbegeridfjt. SRUthetlungen be« VerBanbeS beutfdger ©ewerbegeridfjte. Sir. 5.
62
TaS (>>crirf)t oerurtheilte bie Vertagte — unter Abgug bes uont
Kläger burdj Sdjufterarbeit mit 50 4 täglich burdjfdfjnittlidj oerbienten .
VetrageS. - Vegügltdfj be$ au$ §. 84 Abfap 2 unb 3 bes VerggefebeS
hergeleiteten ©inroanbeS wirb ausgeführt: Tie in beut §. 84 Abfap -
unb 3 enthaltene Vorfdfjrift, bah bet Verweigerung ober nidjt orbnungS*
mäßiger Anstellung bes 3 c ug«iffeS btc guftänbigc OrtSpoligäbebörbe
baffelbc auf ftoften bes Verpflichteten ausguftellen, begw. git berichtigen
bat, faitit beu Bergmann nidjt an ber Vefdjrcitung beS AecfjtSwegeS
Ijinbern. ^cite Verpflichtung bcr £rtSpoIigeibcl)örbe fall beut Bergmann
nur eine .fjaitbljabc gur Erlangung beS ihm gufomntenbcu orbnungS*
ntäBigen AbfehrfdjeineS bieten, ob er fidj berfelben bebtenen wolle, ftelje
in feinem ©roteffen. Ter bicSbegüglidje ©inroanb ber Vertagten ift ba*
ber §infdHtg. — Auf Berufung ber Vertagten beftätigt baS DbertanbeS*
gerecht bte erfte ©ntfdjeibung.
©riinbe: Turdj baS frühere Urtheil ift nidjt bloh ber Vertagten
bie oont Kläger mit $ülfe bcr Staatsgewalt ergwingbare Verpflichtung gur
Ausheilung eines anberweiten AbfeljrfdheineS auferlegt, oiclmeljr ift and)
bie unter bcn Parteien im Vorprogch ocrhanbelte (Streitfrage über bie
orbnungSmähigc Vefchaffenheit beS bem Kläger bei ber ©ntlaffung er*
theilten AbfeljrfchäneS für bie ^arteten eubgtlüg, unb gwar burdj beu
entfcheibenben Tijeil Best ©rfenntnijieS gum AuSbrucf gebracht roorben.
Ter Kläger oerlnngtc in bem Vorprogeffe bie ©ntfdhcibung beS AidjterS
über bie fragen, ob bie Vertagte gur ©rtheilung eines AbfefjrfdjeineS
rechtlich oerpflichtet fei unb ob ber oon ihr auSgefteflte Abfeljrfchein beu
gcfehlidjen (Srforberniffen cntfpredie. Tic in bem Urtheile auSgefprochene
Vcrurtbeilung gut* Ausheilung bes AbfebrfdhäneS bejahet bie gefe^Ud^e
Vcrpflidjtung ber Vertagten mtb oerneint bie CrbnuugSmafeigfeit bcr
erteilten Vefcbeiutguitg. TaS Urteil felbft entfcheibet bemnach bie
Streitfragen, ihre ^Beantwortung ift nidjt etwa ein blogeS Element ber
(Sutfcheibung. ($. 293 ©.$•£•). Tie fragen, ob ber Kläger gur Au*
rufung beS ©eridhtS berechtigt geroefen, ob er nicht oielmehr behufs
Erlangung eines AbfeljrfdjciueS bie ^oligeibefjörbc habe angehen müffen,
ob bie Vertagte auf ©runb beS Verhaltens bes Klägers gur Aufnahme
beS VcrmerfS über bie fofortigc ©utlaffung unb gut* Weigerung ber
Vereinigung über bie gute Rührung befugt gemcfett fei, fönne fonach,
ba fie burch bas Urtfjeil bes VorprojeffeS in einer für bie Parteien
unangreifbaren Steife entfdjieben roorben finb, nicht nochmals ©egcnftanb
eines geridfjtlidjen AedjtSftrettS fein.
.fpat bie Vertagte bcr ihr obliegenbert gefehlten Vcrpflidjtung
nidjt genügt, fo ift ftc bem Kläger gunt ©rfap bes ihm burch bie un*
berechtigte Vorenthaltuug eines orbnungSmäjjigen AbfetjrfcheinS er*
wadfjfenen SdjabenS oerpflidjtet.
Turdj bie Veweisaufuahmc ift feftgeftellt, bah ber Kläger in ber
h-itifchen 3 e it bei oerfdjtcbeueu SSerfen um Vefdjäftigung nachgefudht,
bah er fidj bie erbenrtidjfte 2Äiihc ttm Erlangung einer Arbeitsgelegenheit
gegeben hat. öbertfo ift nachgeioiefeu, bah fein Anfuchert oort beit
Arbeitgebern in allen fallen juriicfgeiotcfeu roorben ift. ®er Sachoer*
ftäubige, ©rubenbircftor §. fafjt fein öutad^ten bal)in jufammen, bah
ein Abfchrfdfjeht, roie er bem Kläger erthcilt roorben, für feinen 3nh a ber
ein überaus grofreS §inbernih bei ber (Erlangung oon Arbeit auf 3edf)en
ober gröhercu inbitftrirllen SBerfen geiocfen fein mürbe, danach mufj
als feftgeftellt angenommen werben, bah bte ftetige Abwertung beS
Klägers in bem Vfangel eines gehörigen AbfebrfcheineS ihre llrfadje
hatte.
3 ft bas ©ewerbegericht juftanbig für ftlagen aus ^el)r*
oerträgen, bei benen ber Vater oberVormunb beSßeljrlingS
als Partei auftritt? (Urtheil beS ©ewerbegeridhtS ju Verlin —
Vorfihettber ©ewerberichter §ettwig — Sir. 1186/97 St. 1.)
®er Sehrling St. war auf ©runb eines fdjrifilithen, jwifchen
feinem Vormunbe Ä.unb bem Verflagten gefdjloffeneu üehroertrageS ju bem
Vcrflagten am 1. April 1895 als Schneibcrieljrling in bie Sehre gefommen.
2)er Vonnutib oerlaugt nurt wegen angeblicher SJtthhanbtung bes Sehr*
Itugs, fdhled)teu Sd^lafraumS unb Verweigerung beS VefudjS ber gort*
bilbungSfchuIe Aufhebung beS SehroerhältniffeS.
Sas ©ewerbegeridjt crflärte pch für unjuftänbtg.
©rütrbe: 2>aS ©ewerbcgericht ift getnäh §. 1 beS ©efefceS, bc*
treffeub bie ©emerbegeridjte, oont 29. Juli 1891, ausfdjliehlid) juftänbig
für (Sntfd)cibung oon VechtSftreittgfetten jwifdjen Arbeitgebern unb
Arbeitnehmern. (Sin foldjer Sied^tSftreit liegt aber hier nidjt oor, benn
bie ©ritnblage ber Älage bilbet ein fdfjriftlidfjer Vertrag jwifchen bem
Vormitnb bes Arbeitnehmers — Sehrling — unb bent Arbeitgeber.
^er Vertrag betrifft gwar ben Schrltng, am Abfcfjluh bes Ver*
tragcS ift er aber, wie unbeftritten ift, nidjt betfjciligt gewefen, obwohl
er ljm’Ä u ltadj bem ©efefje, betreffenb bie ©efdjäftsfähigfeit Vtinber*
jähriger, toohl tut Staube gcioefen wäre. Vei ber cngbegrcn$teu 3u c
ftänbigfett unb befonbcreit Stellung bcr ©ewerbegerichte muh w biefem
galle bte 3 ll ftänbigfcit oerneint werben. Kläger, ber aus eigenem
Siecht Aufhebung beS SehroertrageS, ber lebiglid^ jwifchen ihm unb bem
I Vertagten gefdjloffen worben ift, oertangt, mag fich an bas AmtSgerichl
wenben.
Artmerfung ber Siebaftion: $)ie ©ntfdjeibung erfcheint uns
nicht ganj eintoanbfret. Ter Vormitnb b a * lebiglich als gcfehlidjev
Vertreter beS Selrrlings beu Vertrag gefdjloffen unb nunmehr bie Auf*
hebung AamettS bes Sehrlings oerlangt. Vrojehparteien ftrtb baher
ber Sehrling unb bcr Sehrherr. And) bie Ve 3 itgnahmc auf bas ©efeh,
betreffenb bie ©efehäftsfähigfeit Vrtnberjähriger, ift nicht wohl angängig,
weil biefeS ©efefc ben SKinberjährigen ni^t gunt ABfchluh eines Sehr*
oertrageS ermächtigt.
3Ulgemdnc5 übet CBrwerbcgeridjte unb
Ärbdfeoertrag.
2>er Seridjt beS berliner über ba£
jn^r 1897/98 liegt wieber in 16 Setten beS befannten groben
Sormats beS Verliner VerroaltunaSberichtS oor unb enthält, ber
artSgebehnten ^hätigfeit beS größten beutfehen ©ewerbegerichts
entfprechenb, auch bieSmal wieber Viaterial aus faft allen (Gebieten
ber gewerbegerichtlichen &bätigfeit. 3lm intereffanteften erfdjeinen
uns aufs 9leue bie ausführlidjen Viittheilungen über bie Stjätigfeit
beS ©inigungSatntcS, bie getoifferntahen eine Art $afuiftif für
bie fiehre oon benjenigen Streitigfeiten bieten, bei benen alle
Arbeiter eines ©efdhäfteS ober eines ©efdf)äftSgweigeS bie gleichen
Anfprüdhe gegen ben ober bie Arbeitgeber, wegen ber fiinftigen
©eftaltung beS ArbeitSoerhältniffeS erheben, ^ie Viittheilungen
beziehen ftch auf bie 8 Streifs, bei benen baS ©ewerbegericht Ver*
banblungett gepflogen hat, ohne oon einem Steile angerufen grt
fein unb auf 4 Streifs, bei benen eine Anrufung oorlaa. Sie
werben ergänzt burch ben Abbrucf ber beiben unferen Sefern be*
fannten, xm „©ewerbegeridht" erfchieneneit Verichte beS §errn
Steigert oom 14. jDftober 1897 unb oom 3. Vfärg 1898,
über bie ^hätigfeit beS Verliner ©ewerbegerichts bä ben Streifs
ber gformer unb ber Schuhmacher.
Alts bem übrigen Vericht heben wir insbefoitbere heroor, bah
auch in Verlin, wie in anberen fleineren Stabten (granffurt a. 2Ä.,
Seipgig, Äiel, Karlsruhe u. f. w.) bie 3afü ber ^lagert trofe ber
3unahnte ber Veoölferung etwas abgenommen hat. Sie beträgt
12 827 gegen 12 872 im Vorjahre, ©er Vericht bemerft, bah
hierbei 2734 ^rogeffe waren, bie gurücfgenommeit würben, weit ba*
©ewerbegericht gur ©ntfeheibung nidht befugt war unb wieberholt
beShalb auch in biefem Qahre ausführlich 6 VHttheilungen über bie
$?ompeteng beS ©erichts. 3 u 9^fh fl ber auch Sdjlttffe bes
Vertdjts mit 9lachbru(f betont, bah bie ©reitgett biefer &ontpetcug
oiel gu enge gegogen feien unb auf baS öfterreidbifche ©efefc oom
27. ^ooember 1896 bingetmefen, baS bie ©hätigreit ber (bewerbe*
geridhte fo wefentlich gegen baS beutfehe ©efe<j auSgebehnt hat.
Auherbem bürfte aus bem inttern ßeben bes ©ewerbegerichts ttod)
intereffiren, bah oerfudfjSweife auf Anregung ber Stabtoerorbneteu
neben bem ©agesbienft aud^ ein Abenbbieitft gur Annahme oon
Etagen (6 bis V 2 8 Uhr) eröffnet würbe, ber jeboch halb wieber
auf einen ©ag, ben Vtontag, befchränft würbe.
©er Vericht nimmt auch bieSmal — unb Ieiber fann man
nicht fägen, bah bies überflüffig wäre — baS ©ericht gegen ben
Vorwurf ungerechter Vegünfügung ber Arbeiter in Sdju& (Seite 3
Wr. 1). ©r fagt hitfgu:
Von ben oon Arbeitgebern angeftrengten 568 ^rogeffen gelangte)!
53 guttt fontrabiftorifchen Urtheil unb würben hierooit 41 = 77 °/o ge*
wonnen, oon ben oon Arbeitnehmern angeftrengten 12 837 Ißrogeffcu
gelangten 1732 gunt fontrabiftorifdjen Urtheil unb würben hteroon
686 *= runb 40% oon ben Klägern gewonnen.
Tiefe 3 a ht e,t möchten wir gang befonbers Ijeroorheben; fie bofn*
mentiren ben oöllig neutralen Stanbpnnft nuferer Vcifiper Beiber
Kategorien, Arbeitgeber fotoohl wie Arbeitnehmer, unb werben in 3n=
funft biejeitigen ein für alle. Vtal oerftunnnen ntadheit, bie mit ber aus
bcr 2uft gegriffenen Vehauptung fidj heroorwagten, bah auf beu
©ewerbegcrichteit bie Arbeitnehmer „mehr Aecht" befämen luic Arbeit*
aeber. Ter Uutftanb, bah hü'r uadhgewiefeu worben, bah tu biefem
fünfte bie Arbeiter ben Arbeitgebern fogar um 37% guriiefftehen, lägt
beutlidh erfemten, bah oorgebadhtc unb ähnliche Vehauptungen nur ber
AuSfluh unlauterer Veftrebungcn finb.
Vßir haben biefen fräftigen SBortett nichts hiasa^afügen als
eben bas Vebauern, bah gu ihnen Aniah war, unb bie Vefiirdjtung,
bah bte unbegrünbeten Veberetett gegen bie, auf bem ©runbe ber
©leichberechtigung ber Arbeiter unb Arbeitgeber aufge*
führte Snftttution ber ©ewerbegerichte baburch noch nicht gunt
Schweigen fontmen werben.
03
$)aS (Seroerbegeridjt. SRtttheilungcn beS BerbanbeS beutfdjer ©ewerbegertdjte. Br. &
©utadjten fiitb oom ©ewerbegeridjt nid;t crftatiet lüorbcn, ineil |
feine oerlangt würben, ein ^emeio, wie wenig (Geneigtheit bi^f^er j
bet beit Behörbeit befielt, bas (Geiücrbcgendjt aud) nad) biefer !
©eite hi« an^nbilben. ©ewiffermaßen als ©rfafc bringt ber Be* |
rieht ben Auffafc 311 m Abbnicf, in welchem ber fteftoertretenbe Vor* i
fipenbe, Herr ©djniicber, beu ©utwurf bes VcidjSgefeßeS, betreffenb
bie Sicherung ber Vauforbernngen, in biefen Blättern (uom 7. 3uli
uub t Auguft) befprodjeu hat unb ber hierburrf) zum AuSbrucf
ber Aufi d)t bes berliner ©eroerbegerichts, gewiffennaßen zu einem
freiwillig erstatteten ©utaeßten gemadjt wirb. Auch Anträge finb
bei beut ©ewerbegeridjt nur in einem Salle geftellt worben unb
zwar zum 3wecfe "bcS AblaffenS einer Petition, betreffenb baS 95er*
bot non 3uuungS*©d)iebSgeridhten att Orten, au welchen (Gewerbe* i
gcridjte bereite errichtet finb. Außerbeut hat aber ber AuSfcßuß
bes ©emerbegerid)ts fiel) noch mit einer Angelegenheit bcfd)äftigt,
weldje nidit zu beu ihm gefeplid) nberwiefenen JuuFtionen gehört.
(iS batte nämlich ber ©entralocrein für Arbeitsnachweife be* !
fdjloffen, ein .Kuratorium zur Viifroirfung unb Verwaltung beS j
ArbeitsnadjweifeS für ungelernte Arbeiter zu ervidjteit unb ben
AuSfdjnß crfudjt, bie Wahl ber betreffeitben Arbeitgeber unb Arbeit* |
nehmer oorzmtehmen. Ter AuSfcßuß fam biefent ©rfudjen auch \
nach uub ooüjog bic Wahl, inbent er fo einen praftifdjeu Vernein j
für bie engen Beziehungen zwifdjen Arbeitsnachweis unb ©ewerbe*
gericht feinerfeits gab.
©eefrfjöffeugertihtc, nad) Art ber ©cwerbegcnchte, hat ber 2. beutfehe
SeemamtsFougrcß, ber ooui 0. bis Jl. Januar in Hamburg tagte, für j
bie aus bem Arbeitserträge zwtfdjcu Seeleuten unb A hebern refp. ;
bereu Vertretern herrühreuben Streitfälle oerlaugt.
dtnigungsämtrr.
Thätigfeit beS ViüudjfHfr ©emerbefleriihts als ©imgirngSamt. — Be* '
Ziehungen znnfd)en ©etuerbegeridjt unb Arbeitsamt. 1
(Aus bem Vertd)t bcS ©ewerbegerichts SRüitdjeu.) |
Als (5-iuigitngsatnt würbe bas ©ewerbegeridjt VJirndjen int ab* ■
gelaufenen Wcjrfiäjtsjafjrc zweimal aitgerufen.
Tic erfte Anrufung gefdjah unterm 8. o«li oon Seiten ftreifeitber
l'eberfärber ber gabriFen „'s. A." uub „•£>• u. (iic." Am 12. ^sitli fattb
eine Vorbeiprcdjimg iwr bem (Gemerbegerid)te ftatt, z« ber fid) Vertreter
beiber Parteien eiugcfunbcu hatten, liine giitlidte (Srlebigung ber Sadie
würbe zwar angebahnt, eine Einigung fam jebod) nidjt 311 Staube,
weil bic Streifcubeu au ber Aorbcrung fefthielten, baß bie fämmtlid)cu
oor bem Streife Vefdjäitigtcu wicber in Arbeit genommen werben tollten,
was bie Arbeitgeber ablebntcu.
Ter zweite gali betraf beu Sd)iihntachcrftreif uom Auguft 1897. |
Auf bie fowoljl oon ber Sdjithmadjcrimtuiig, als aud) ber Streiffom*
utiffiou erfolgte Anrufung hin faub am J1. September gemäß §.63 beS
©cwcrbegcridjtSgefefcc* bie Wahl oon Veififccrn uub Vertrauensmännern |
fowic oon Vertretern ber Arbeitgeber uub Arbeitnehmer ftertt. Am
12. September fam oor beut ©tmgiwgSamte eine Vereinbarung
Stanbc. Tiefe würbe bann ber Vorfdirift beS §. 60 bes ©ewerbegeruht^
gefepes entfprechenb öffentlich belamit gemadjt. Wte nad)trägltdh befannt
iourbe, ift bic getroffene Vereiubarimg oon beit Vetheiligtcii Hießt fiw
gehalten worben.
Bidjt unerwähnt mag Ip cl ' bleiben, baß für bie bes
©cwerbegeritfjts als Ginigimgsamt auch bas Statut für baS ftäbiifdjc
Arbeitsamt eine cinftf)lägigc Vefttmmuiig aufzitweifeu hat. 9?nd) §. 11
hat nämlich bie .Kommiffion für bas ftäbtifdje Arbeitsamt bei Arbetts^
einfteüungen unb ?lrbeitsausfpcrrungen, fobalb fic 31t ihrer Äetintnif,
gelangen, ben Vetheiligten eine furz oemeftenc griff 001311 ftreefen, binnen
weldjer biefelben bas öinigungsamt beS ©ewcrbegerichtS emsuruten
haben, ©efehieht btcS nicht ober fonunt ein SdjtebSjpruchTmch* Z«
Staube ober unterwerfen fich bie Vetheiligten bem Schicbsfprud)*uidu,
fo fann bas Arbeitsamt für bas beteiligte ©efdjäft ober ben betheö
ligten ÖefchäftSzweig feine Ihätigfeit eiufteücn. Xiefc bem ArbettSaim
ZuerFannte Vcfugniö z* c H barauf ab, bie Anrufung beS ©ewerbrgeridits
als (5-inigungsamt ben Vetheiligten möglichft nahe zu legen.
(5'S ift alfo aitdj hier ber enge guiamntenhang ( ^wifrf)eii ©ewerbe-
gericht unb ArbeitSoermittelung im Statut felbft zum AiiSbrucf gebradjt.
Berrdjiebfnc?.
$ctfi$er*Smhtt(|iiti0eit. Öiue Vereinigung ber Arbctuiehmcr-Vci-
fiper beftel)t in Altona (Vorf. V?. Vötcll. Tic Arbeitgeber-Veifiprr
nehmen an ihr uidft tljeil.
Uetbati^-^ngelegtiibeiten.
Veitritt $iim Vcrbanb. Veigeircteit ift bas ©ewerbegerithi ^ 11 b w i g s -
Ditrg, Württemberg; Vorphenocr Stabtfdiultheifj .(Sartenftcin.
©itigegaiigen fiitb bie Berichte ber ©emerbegeriihte Verfiu, Varmeii,
Vrombcrg, Vurg, Vreuteu, Xcffan, C^Ibcrfelb, granfjnrt a. ffi., Crfcu*
bach, Stuttgart, Weimar.
Anträge. Veififcer bes ©ewerbegerichts ©era haben einen Antrag
geftellt, burch beu bas ©ewerbcgecidjt unter Vezugnaljme auf bie Alter-
fenuung, wcldte bic Satfjlidjfeit ber Verathungen in beu bartigen gr--
wcrffdjaftlicheu Verfammlungen feiteitS beS ©ewerbe*gnfpeFtors gcfimbni
habe, fid) gegen febc Verfchärfitug beS §. 153 ber ©ewerbe*£rbmmg
ausfprechen fall.
ßriefhöften.
.SieicheMbach i. V. Wir finb für Vtitthcilungcn über bic
Tljätigfcit ber öfterreidjifdjeu ©cwcrbcgeridjtc fchr banfbar uub werben
bem Aitsfdjuh 0011 3h^m Sdjreibcn Äetmtnifj geben. Brief folgt.
V^ochenfchrtfi „Soziale $ragt8, Sentralblatt für Soztalpolitit''.
(Herausgeber: I)r. ©. gfranefe, Berlin; Verlag oon 2) und er &
Hum blot, ßetpjig. 3 u beziehen burch fämmtliche Ißoftanftalten
unb Vuchhaublungen zum greife oon 2 J(. 50 $f. für baS Viertel*
jahr einfdjliefjli^ ber GKonatsbeilage „ 2 )aS ©ewerbegericht".)
3nhalt ooit Ar. 18: Material zur 3rage ber H^uuziehuug
oon Arbeitern zur fidjerhcitSpolizeilidjeit Beauffichtigung ber ©ruben*
arbeit. Von Dr. greiherrn oon Berlepfd), StaatSminifter,
Seebad) II. — T)as SunalibenoerfidjcruiigSgefcb. Von Dr. jur.
Aidjarb a relt 11 b, Vorfijjcitbctu ber ^noalibitätS* unb AlterSoer*
iidjermigs-Auftalt Berlin. - - Sozialpolitifd)e Debatten im VeidjS*
tage; Tic Wohnungsfrage uub Biinifter ooit Biiquel; Sd)tth ben
Augeftellten in ^abcugefdjäften. — prciifzifd)cr Stäbtctag;
Arbeilerausfdjüifc unb ArbcitSorbuung itt beit ftäbttfd)cii Kattalifa*
tioiiswerfeu in Berlin; Stabtratf) uub ArbciterFaiumer in 3ürich;
Stiibtifdje Viiscellcn. — Ter (Gewerfoereiusbuub in (fuglanb. Von
Cfrneft Aoes, VoubouJ Tas Moalitiousredjt ber bentfd}eu Arbeiter
in Theorie unb präzis; Bewegung ittt Schueibergeioerbe: Ter
Ausftanb ber £refelber ©ammetweber; Verein ^Arbeiterfchufe 4 *;
©efeerftreiF unb Bopfolt beS w fiofaI*AnzcigerS" in Berlin; ©iiüid)e
Vereinbarung sroifc^cii Bteifter unb ©ehülfen im Bäcfergeroerbe
VerlinS; ©h r u«9 e iueS ©ewerfoereinsfefretärg burch Arbeitgeber
unb Arbeiter in ©nglanb. — Äoufereuz oon Vorftänbcn ber 3u*
oalibitätS*Verfi(herungSauftalten; ©rgebitiffe be8 3»ualibität8* uub
AlterSoerricherungSgefeheS: Aerzte=©treiF bei ben Drtsfranfenfajfen
£oImar i. (ilf.; Tie Bopfottirung ber Wiener Apothefen. —
! Ardjio unb Bibliothef beS VerbanbeS beutfeher Arbeiten ach roeife
in Berlin; Arbeitsnachweis für lanbmirth|chaftltch e Arbeiter in
Hamburg; Allgemeine ArbeitSnad)wciS*Anftalt Äöln; Tie ^ofnng
ber Preisfrage über bie ArbeitSoermittelung in ber ©djulj* uni»
^eberinbnftrie. — ©rtrag unb Befteuerung ber einfonuncnitcuer*
pflichtigen ©cfellfchaften unb ©enoffenfihaften in Preußen. Bon
Dr. ©. Hii’fthöerg, ©hurMcnburg; Tie Begriinbuiig beS Äonfuut*
Bau- 1111 b ©par*VereinS „probuftion", (5. ©. m. b. H-, in H«m*
bürg. — Aus ber fiäbtifdjen WohnungSfommifrton in ©traßburg
i. ©lf.; Arbeiterwohnungen in Wiilhaufen i. ©If. — Tev Tuber*
fulofefongreß. — Inhalt beS ©ewerbegeri<htS G?r. 5.
©eroerbegeridjt" erfcheint am erften ©omterftage Jcben SJtonatfi im SWinbefhimfange bon V* Bogen zum greife bon 1 SJi jdhtU<h. — BefteUungen
nehmen fämmtliche $oftanftatten ($oftzeitungSnummer 2877) unb Buchhatibluitgen an; ein biteltec Bezug oon bet BetlagSbu$h<*nblung finbet nicht ftatt.
iitüat »on »ander A hmublot, Seipiig. — «ebrudt bet 3 ultu« «ittenfelb in Berlin W. — Berantworilth für bie Reböftton: Btabtrath Dr. ^lef^ ffrantfurt <fc »t.
IV. Sahrgattg.
©erlitt uttb ^ratiEfurt a. beit 2. 9Jlärs 1899.
Wurnmer 6.
fas ©crafrkiu'riilit.
Zltitthetlungen bes Verbattbes beutfcfyev (gewerbegeridite.
SRcbafttonäauäfdjiijj: Stabtrntlj Dr. Jlefttj in gfrnnffurt n. 3W. nnb ©emeinberatlj $to«kmatjer in Stuttgart.
gfWtt»f •« «Um ^»luifrftag t<&<u ?Honals.
SSctlag üon ©undet & Jpumblot, Seipatfl.
t*9rfi4 1 £R«rfc.
Äoftenfteie SBetlaflc jut „©oatalen Sßrajiß".
3nljalt
3ur Jtompeten 3 bet ©ctüetbe*
neriebte. 93on ©tabtrattj ©uno,
ÄöniflSbetg t. $r.65
©iiigerticbeS ©efefcbud) uitb
©etoerbeorbnung.69
gerfolTung unb JJerfaljreit .... 70
3ft ^t op ort ton a Iw ab t
mittelbare SBaljl" im ©inite
beß §. 12 beß ©emerbegeticbtS*
gefefceß?
Sedjtrpreibung. 71
£aben geroetblicbe Arbeiter 91nfprudj
auf SSeaablwng ber §eft* unb freier-
tage? (©eioerbegetiebt unb 2aitb-
geritbt 33ertin.)
3ft ein öebrbertrag nur bon bem
\*ebtbenn unb bem Satcr beß ßeljr*
lingS fcbriftlicb abgefebtoffen, fo liegt
ein fdjriftlicber £et}rüertrag mit bem
2eT)tlinge nicht bor uttb bet Sebrljert
fanit eine ©ntfdjöbigung wegen S3er-
Iaffenß ber \Jebre bont Sebriinge
nicht berlattgen. (©enterbegeriebt
Aiiilljeim, SRubr.)
3ufab bet 33oflftrecfung8Tlaufel ju
gemerbegericbtlicben Urtbeilen. (®e«
werbegeriebt Öeipaig.)
Unter toeldjen Umftänben ift ber
a3ädergefelle jur SSertoeigeTung ber
Slrbeit unter SSetufung auf bie 93er.
orbnung beß Söunbeßratbß, betreffenb
ben betrieb bon SBadfexcicn, be*
reebtigt? (©emerbegeriebt 9Jtaina.)
ILUgenuitteg über (Bemerbeßerttbte
nnlt &rb*tt*Mrtra0. 74
©ewerbegeriebte unb 9lrbeitß-
nach weiß.
9Iuß ben Sabreßbericbten bon ©e*
werbegeridjteu.
friefkaßen.76
©ericbtßfcbreiberei beß ©emcrbegeridjtö
2flünd)en. — ©tabtmagi)trat©cbiocin*
furt.
Snbattßangabe ber „©oaialen SPtajtß".
91bbrud fämmtHcbet Hrttfel ift 3eitungen unb 3ettfd)riften geftattet, iebodj nur mit
boQer Duellenangabe.
3nr fionipetenj ber (ßetoerbegertdjte.
©on ©tabtratfj duno in Königsberg i.*$r.
3n 9h*. 16 ( 6 p. 423 ff.) ber „So 3 ialeit Sßrajis" mirb baS
©erliner ©emcrbegericht tunt feinem ©orfifcenbeu gegen ben ©or*
ttuirf einer Arbeiteroerfammlung in Schuft genommen, feine 3a=
flänbigfeit ohne ©runb unb llrfache befeftränft 3 U haben. 3 <h muft
geflohen, ba| id) itadj Kenntnisnahme oon ben brei oon §errn
o. Sd) 11 I 3 mitgetfteilten dntfdjeibungcn beS berliner ©emerbegerichts
bem feunfdj jener ©erfammlung mich burdjauS anfcfjliefte, 3 ioar
nicht in ber Sorm — bie Darlegungen beS §errn 0 . Scftul 3 er*
geben ja, baft baS ©erliner ©eroerbegericht feinen SRechtSftanbpunft
31 t begriinbeit meiß —, moljl aber in ber Sache. Qd) möchte bie
©i'einungSäufterung jener Arbeiteroerfammlung bahin umbeuten,
baft baS ©erliner ©emerbegeridjt 311 erfucheit fei, feine $Re<htSanficht
über bie (Trensen feiner 3 uftänbigfeit nochmals 311 prüfen. ds ift
in ber Dhat nicht erroünfdjt, toenn bem ©erliner ©emerbegeridjt
nachgemiefen merben fanti, baft e§ bei 9(bmägung oon 3 uftcinbigfeit§*
fragen nicht ben geiftigen Inhalt ber gefehlten S^orfchriften ge*
roürbigt h n t, fonbern an einer 3Bortau^legung hüngen geblieben
ift, mährenb ba§ al^ ©crufung£inftan 3 fprechenbe orbentliche Bericht
bem ®efeb eine roeitherjigere Vluölegung giebt. 6 eitbem ein fdjarf
juriftifdh gefaulter SSorfipenber unter $Simoeiä auf bie Ausführungen
001 t dcciuS (bei ©rndjot ©b. 36 6 . 142) behauptet hot, bah ein
Itrtheil beS ©croerbegeridjts in einer (Sache, 311 bereu dntfdjeibitng
es nicht 3 uftänbig fei, nidjt als llrtheil eines ®erid)tS angefehen
merben fönne, toirb mit peinlicher Aengftlichfcit bie 5 rage ber 3 n s
ftänbigfeit geprüft itub, toie mir fcheiut, nad) bem ©rutibfap ent*
fchieben: im 3 meifel gegen bie 3 uftönbigfeit.
§err o. 6 chul 3 tnufj 3 uaeftehen, bah in brei Säfleu bas (9e*
merbegerid^t ©erlin uom ^anbgeridjt abgeäubert ift. dr flicht aber
bie s Jiechtfprechung beS ®eroerbegerid)tS 31 t bcgrüuben, bie 9iedjt*
fprechung beS Öanbgerid)tS als irrig nad) 3 umeifen. Das oeranlaSt
mich 311 bem ©erfuch, ihn 00 m ©egentheil 311 überzeugen.
Am eheften ift nod) ein 3meifel geredjtfertigt, ob bie tnt Kantinen*
betrieb einer ©rauerei (einer ArbeitermohlfahrtSeinrichtung) angeftelltc
9)latnfeU ©etuerbegebilfin fei. Qcb glaube aber auch S^r, bafi bie
Ausführungen beS l ? anbgeri(hts, Das biefen ©etrieb als Dheil beS
gefammten djeraerbebetriebeS beS Unternehmers anfieht, 3 utreffen;
beim als ©rioatmann, abgefeheit oon feinem dJemerbebctrieb, mürbe
ber ©ranereibefifeer bie Kantine nicht betreiben. Da hi** dr*
rcägungen thatfächlidjer 9iatur mitfpielen, mill ich ben Öoß nidjt
meiter erörtern. — DaS aber bie 3 u M eru ng beS Arbeitgebers, er
merbe bem treuen unb fleißigen Arbeiter eine Spareinlage als
©rcirnie 311 m Arbeitslohn machen, ein 00 m ArbeitSocrbältniS un*
abhängiges Sd)enfungSoerfprechen barfteUe, mie 0 . Sdjuß mit bem
dtemerbegericht ©erlin im ©egenfap 311 m ßanbgericht annimmt, ift
mir unfaßlief). Selbft bie in reine 9öillfiir gestellten 2öeihnad)ts*
unb 9leitjahrSgef^enfe ber Angeftellten merben mit ooüem 9lecht
nidjt als Aft reiner Liberalität, fonbern als freimiflige d)egeu*
leiftung für bie im Laufe beS QahreS geleisteten Dienfte angefehen.M
Die Spareinlage follte 3 roeifelIoS eine dj’traoergütung für bie
Arbeitsteilung fein, ebenfo mie bie „ Prämie", bie bem Arbeiter
oerfprod)cn ro\rb, ber ein größeres Quantum 3 in! aus bem 9ioh=
material geminnt. 2 ) Db biefe dytraoergütung gefchulbet mürbe ober
nicht, ob bie 3umenbung berfelben reiner SöiHrür beS Unternehmers
oorbehalten mar ober nicht, baS mar gerabe ber Streitpunft, über
ben bas ©emerbegeridjt entfeheiben follte. Der Kläger ocrlaugte
bie Prämie als „eine ihm 3 uftehenbe Leiftung ans bem Arbeits*
oerhältniß". Da ift es hoarfpaltenbe Diftelei, menn baS ©emerbe*
Ö annimmt, es fei ein SchenfimgSoertrag äußerlich mit bem
Soertrag 3 ufammeugebracht, für erfteren aber baS ©eraerbe*
gerieft n i d) t 3 uftänbig!
Unb enblid) freue ich mich barüber, baß enblid; baS Laub*
gerid)t ©erlitt bie engherzige Auslegung beS ©emerbegeridjts ©erlin
mißbilligt hat, meines fid) nad) bem ftrengen SSortlaut beS ©e*
feheS 3 ioar für Streitigkeiten über bie AuShänbiguitg unb ben
Snhalt beS 3^gniffeS für 3 uftänbig hält, aber dntfdjäbigungS*
aufprüd)e megeu oer^ögerter AuShänbigung ober unrichtigen Sn*
halts nicht als „dntfd)äbigungSaufprüche aus bem ArbeitSoerhältnifs"
anfehen rciU.
3nt erfteit Saljre hat baS ©erliner ©emerbegerid)t bie ©egriffe
„Leitungen unb dntf^äbigungSanfprüchc aus bem Arbeits 0 er*
b ä 11 n iß" bahin aufgefaßt, ba& auch nüttelbar burch ben
ArbeitSoertrag begriinbeten ©e 3 iehungen 3 ioifchen Arbeitgeber unb
Arbeiter barunter fallen, inSbefonbere auch Anfprüdjc auf heraus*
gäbe beS KranfenfaffenbitdjS, ber CuittungSfarte ober älterer bei
ber Annahme übergebener 3^ngniffc, bie Aitfpriiche auf Verausgabe
oon © 3 erf 3 cug, ArbeitSfleibern, fomie bie dntfdjäbigungSanfpriiche
megeu oermeigerter ober oerjögertcr AuShänbigung beS Arbeits*
bud)eS, 3 c u 9 n iffeS, KranfenfaffenbnchS ober ber fcmttungSfarte.
Später mürbe fdjarffinnig bebi^irt: Alle biefe Ansprüche be*
ruhen nidjt auf bem ArbeitSoertrag. Söeitn ber Arbeiter bem
Arbeitgeber aus Anlafe beS ArbeitSoertragS 3 c ngniffe, CuittungS*
farte, Kranfenfaffenbudj iibergiebt, ober fein ©erfreug jur Arbeit
mitbriugt, fo fchließe er neben bem ArbeitSoertrag einen befouberen
©ermahrungSoertrag; fein Anfpruch auf Verausgabe mährenb ober
nach beenbetem ArbeitSoerljältniß habe nidjt in bem ArbeitSoertrag
feinen ©edjtSgruitb, fonbern in feinem digenthum ober beffereu
©efitj ober in bem befouberen ©ermahrungSoertrag. 3 ) Die Aus*
*) llugcr, dntfdjeibitngen bc« ©eiocrbcgcridits ©crliu, Ar. 21.
3 ) ©emerbegeridjt, I. ^aljrg. 3p. 4.
3 j lluger, Ar. 198, 199, 203, 204, 205.
e n
$)aS Eeroerbegerlcht. SRltthellungen bei Berfanbel bcutfd^r bewerbe gerichte. Nr. 6.
68
hänbigung beS Arbeitsbuchs ober ^uflniffeS bei Beenbigung ber
Arbeit gehöre nicht gu ben uom Arbeitgeber auf ©runb beS ArbeitS*
oertragS gu erfüllenben ^ßpftd^ten, fonbern Berufe auf ausbrüeflidjer
gefebltd)er Borfcbrift ber §§. 107 unb 112 Abfafc 2 ber ©ewerbe*
orbnung. 4 ) Unb feitbem entftanb bie ^orberung, bafe bem un*
abroeisbaren praftifchen Bebürfnifj baburd) abgeholfen roerbe, ba&
bie 3«fiöubigfeit beS ©ewerbegerichtS auf alle biefe <JäIIe er*
weitert werbe.
Sri) felbft h a &e tnicb fcfjliegHc^ oon ber fdjeinbaren ßogif jener
Begriinbung gewinnen iaffen, bin aber bei nochmaliger eingebenber
Prüfung, bie id) bei Neuauflage beS SRugbanfchen Kommentars
gum ©ewerbegerid)iSgefefc anfteUen muffte, gu ber Uebergeugung
gelangt, baff biefe Argumentation bem SBefen ber @ad)e nicht
gerecht wirb.
28enn bie ©ewerbeorbnung beftimmt, baff ber minberjäbrige
Arbeitet bem Arbeitgeber baS Arbeitsbuch abliefern muh, baft ber
Arbeitgeber es ihm nach Beenbigung beS ArbeitSoerbältniffeS gu*
rücfgeben muff, baff er bem Arbeiter ein 3 eu 9™fi auSfteHen muß
(S§. 107 unb 112), fo beifet eS .fraarfpalterei treiben, wenn man
barauS, baff biefe Pflichten im ©efefc befonberS b ero *>rgeboben finb,
ableiten will: SDiefe Pflichten beruhen nicht auf bem Arbeitsertrag,
fonbern auf befonberer aefefclicher Borfdprift. §. 630 beS bürgerlichen
©efefcbucbeS wacht bie AuShänbigitng beS 3eugniffeS allgemein gur
Pflicht beS $)ienfiberechtigten. 6o wenig wie man fagen fann, baS
in §. 559 beS Bürgerlichen ©efefcbudjeS geregelte ^ßfanbrecbt beS
BermietberS an ben eingebraebten Sachen beS 9RietherS beruhe
nicht auf bem BtiethSoerhältniS, fonbern auf befonberer gefehlter
Borfcbrift außerhalb beS BertragSrecbtS, fo wenig barfman fagen,
bie Pflicht gur Aufteilung eines 3^gniffeS entfpringt nicht aus
bem ArbeitSoertrag, fonbern fwt feinen NedjtSgrunb in einem be*
fonberen ©efefc! $5aS ©efe(j regelt, was Inhalt beS BertragS fein
foll. 107 unb 112 ber ©ewerbeorbnung enthalten einfach eine
Erweiterung ber Ned)te unb pflichten ber Parteien beim ArbeitS*
oertrag. £>ie AuShänbigung beS Arbeitsbuches unb 3 cu 9™ff e 8
erfolgt erft nach Beenbigung beS ArbeitSoerbältniffeS, aber noch
als eine B ertrag Spflidjt beS Arbeitgebers, wie bie Nücfgabe ber
SRietbfacbe nad) bcenbigtem BJiethSoerhältniS eine BertragSpflicbt
beS SRietherS ift. Erft wenn er biefe Pflicht erfüllt hat, hat ber
Arbeitgeber ben ArbeitSoertrag gang erfüllt unb wenn er biefe
Pflicht nicht erfüllt ober bei Erfüllung berfelben ein Berfeben be*
ebt (Bergug, Ausfallen eines unrichtigen 3 e WQ n tffeS), fo ift ber
arauS entftebenbe SchabenSerfafeanfpru^ ein fontraftlidjer, auf
bem ArbeitSoertrag beruhenber, nicht ein aufferfontraftlicher, auf
©efejj beruhenber. $>ie bei llnger Nr. 201 unb 202 mitgetheilten
Entfcfaibungcn beS Berliner ©ewerbegerichtS unb bie Ausführungen
oon o. Sthulg:
„als ein EntfchäbigungSaufpruch aus bem ArbeitSoerhältiüS fann
ein Derartiger Anfpnicb nicht erflärt werben, weil bie Pflicht gut*
3cugmftcrtnei(ung im ©efep felbft, nicht iin ArbeitSoertrag ihren
Nedjtsgrunb hat unb weil biefe Pflicht ihrer Natur nach erft
nach Beenbigung beS ArbeitSocrhältniffes gu erfüllen ift", 5 )
beljanbelu ben ArbeitSoertrag nicht mehr als einheitliches NedjtS*
inftitnt mit burch Eioilrccht unb ©ewerbeorbnung geregeltem Snhalt,
fonbern als ein burch Eioilrecht geregeltes NechtSoerhältnifj, bem
burch bie ©ewerbeorbnung noch eine Neibe oon eingelncn auf
„©efefc" beruhenben Pflichten hingugefügt ift. 3d) Qlaube, in biefer
Bcgiehung liegt ber Srrthum in ber fcheinbar fo logifefeen NechtS*
ausführuna beS Berliner ©ewerbegerichtS auf ber frnnb.
Nun bringt weiterhin bas ArbeitSüerfjältniff es mit fiel), baff
ber Arbeiter entweber oom Arbeitgeber Vanbroerfgeug ober einen
SDienftangug geliefert befommt, ober baff er fid) fein giaubwerfgeug
gur Arbeit mitbringt, oielleicht auf ber Arbeitsftclle läßt, ba| er
feine «Straffenfleibung irgenbwo im Arbeitsraum unterbringt, oiel*
leicht ben ArbeitSangug über Stacht bort läßt. Sofern ber Arbeit*
gelier Verausgabe ber anocrtranten Bkrfgcuge, 6djabenerfah wegen
Befchäbiguug ber bem Arbeiter anoertrauten 9Rafd)inc ober beS 1
übergebenen ArbeitSmaterialS forbert, wirb baS wohl gweifelloS
itorf) als Aufprall) aus bem ArbeitsoerhältniS angefehen unb nid)t
noch ein befonberer HeberlaffungSoertrag neben bem ArbeitSoertrag
fonftruirt. ©enn aber ber Arbeiter, ber nach bem ArbeitSoertrag
gnm galten eigenen B?erfgeugs ocrpflichtet ift, auf beffen VerauS*
gäbe flagt, fo jagt bas Berliner ©ewcrbegericf)t:
„Aus bem Arbcitsurrtragc lägt fiefj eine Berpfliditimg für ben
Arbeiter, bic ihm cigeuthümlicheu Arbcilsitteuftlien im Mrwabriain
bes Arbeitgebers gu belnffen, ebeufowenig hcrleitcn, wie anberer*
4 I llnger, Nr. 2<»1, ‘202.
5 I -Bogiale ^raris Nr. in 5p. 42s.
fetts für ben Arbeitgeber, bie Sachen tu Berwahrung gu nehmen;
ber Anfpruth auf Verausgabe hat feinen NedfjtSgrimb nicht in
bem Arbcitsoertra^e, fonbern fann nur in bem Eigenthum beS
Arbeiters an beit machen ober ttt bem Berwahruugsoertrag be*
grünbet fein."*)
3<h meine, in biefen Ausführungen ift baS SBefen beS ArbeitS*
oertrageS überfeheu. SRit ber Berpfltchtung beS Arbeiters gur Aä*
beitsteiftung unb ber Berpflichtung beS Unternehmers gur ßofjn*
gahlung ift ber Schalt ^cS ArbeitSoertrageS nicht erfchopft. 2)er
ArbeitSoertrag Bebingt, bafe SRafchineu, Söerfgeug, ArbeitSmatcrial
oorhanben fei, gleichgültig, oon welcher «Seite es geliefert wirb;
eS ift nötljig, bajg ber Arbeiter mit feiner Sjterfon bort fei, wo bie
Arbeit geleiftet werben foH, bafe er baher an ber Arbeitsstelle feixt
unb Nodf oblegen, ben ArbeitSangug angiehen, ben anberen auf*
bewahren fann. §. 120b Abfah 3 ber ©ewerbeorbnung macht fo*
ar bie Bcfchaffung befonberer AnHeiberäume gur Bfli<ht ^eS Ar*
eitgeberS. $)aS alles ift ein fo nothwenbiges 3 u ^ e hör gum
ArbeitSoerhältuife, wie bie Benufcung beS gemeiufamen Vai^HurS,
ber kreppen beim SRiethSoerhältnife. Kann ber Arbeitgeber bem
Arbeiter befehlen: Nocf unb V u * fommen uid)t mit in bie 3Bcrf*
ftatt, laß fie braunen? SRan barf auch nicht enghergig bie ©rengc
fo giehen: folange ber Arbeiter arbeitet, ift fein Äerfgeug, fein
Noa unb feixt auf ©runb beS ArbeitSoertrageS in ben Näumen
beS Arbeitgebers, wenn er biefe @ad)en aber nach beenbigter Ar*
beitSgeit über Nacht ba läßt, bann ftfjließt er einen befonberen Ber*
wabrungSoertrag! 3<h meine, auch ba bleiben bie (Sachen im ©c*
waprfam beS Arbeitgebers auf ©ruub beS ArbeitSoertrageS, genau
fo, wie wenn ber Arbeitgeber bem außerhalb ber Sabrif arbeiten*
ben SNonteur geftattet ober aeftatten mufe, baS ihm übergebene
Söerfgeug auch über Nacht in ©ewahrfam gu behalten ober auf ber
ArbeitSfteKe gu Iaffen, ftatt eS nach beenbeter ArbeitSgeit gurficf*
guliefern. ^)ie gegenfeitigen Anfprüche finb nicht nach beit Negeln
eines befonberen BerwahrungSoertrages, fonbern nach bem gu be*
urthcüen, was in Anfehung oon Söerfgeug, 9Raterial, Kleibung
beim ArbeitSoertrag ,,^reu unb ©lauben mit Nücfficht auf bie
BerfehrSfitte" (§. 242 beS Bürgerlichen ©efefcbuthS) erforbern. 2S?ie
ber BeooHmächtigte feine Auslagen nicht auf ©runb eines befon*
beren NechtSoerl)ältniffeS neben bem Auftrag, fonbern mit ber
actio mandati einflagi, fo oerfolgt ber Arbeiter feine Anfprüche
wegen SBerfgeng unb Kleibung ni^t auf ©ruub eines Neben*
oertraaes, fonbern als Nebenleiftungen aus bem $>ienftoertrag.
Nur biefe Auffaffung wirb bem feefen beS ArbeitSoertrageS
gerecht; bie £ogif beS Berliner ©ewerbegerichtS föft ihn auf, ger*
ftüdelt ihn.
Enblich h Q beu bie BerftcherungSaefehc bie Begiehunaen gwifchen
Arbeitgeber uub Arbeiter mannigfach erweitert. Bkil Dem Arbeit*
geber auf ©runb biefer ©efefce gewiffe Pflichten erwach)en finb,
ift es üblich geworben, ba& baS Kranfenfaffenbud), bie CuittungS*
farte oom Arbeiter bem Arbeitgeber bei Beginn beS ArbeitS*
oerhältniffeS in Bermahmng gegeben werben, oon lefeterem gum
3wecf ber Berficherung benufet uno bei Schluß beS ArbeitSoerhält*
niffeS gurürfgegebeu werben. 5)aS ift fo allgemein, bafj man eS
als thatfächliche Uebung (Ufance im ©egenfafe gum ©ewohnheits*
recht) betrachten barf. B$er ben ArbeitSoertrag fc^Ueßt, fennt bie
Hebung; DuittungSfartc unb Kranfenfaffenbud) finb thatfächlich
Arbeitspapiere geworben, bie auf ©runb beS ArbeitSoertrageS
hingegeben unb gurütfgegeben werben. Bkmt baher ber Arbeiter
feine CuittungSfarte nach «Sdjlufj beS ArbeitSoerbältniffeS gurücf*
forbert, fo braucht er fich flar n i^t a »f §• 1C) 8 beS SnoalibitätS*
oerficherungSgefeheS gu berufen (beffen Beftimmungen ihm gu Vülfe
fommen, wenn ein anberer als ber Arbeitgeber bie DiüttungSfarte
oorenthält), fonbern er flagt meines Erachtens auf ©ruub beS
ArbeitSoertrageS auf beffen Erfüllung, weil bie Nücfgabe ber aus
Anlafe beS ArbeitSoerhaltniffeS übergebenen Rapiere bei Beenbigung
beS ArbeitSoertrageS ftiHfd)ioeigenbe BorauSfehung beiber Zfytxlt
beim BertragSfchluft ift, weil „Streu unb ©lauben mit Nücffid)t
auf bie BerFehrSfitte" auch biefe Öeiftung gur Erfüllung ber Pflichten
aus bem ArbeitSoertrage erforbern.
SÖenti man aber aud) baran fefthalten will, bafj bie gegen*
feitigen Ned)te unb Pflichten aus bem ArbeitSoertrag über bic
^fli%teit ber ^)ienftleiftung einerfeitS, ber Vohugahlung anbererfeits
nicht hiimusgehen, fo möchte id) fd)ließlid) barauf oerweifen, baß
bic 3»)tänbigfeit ber ©ewerbegerid)te nirgeubs baoon abhängig
gemad)t ift, bafe bie 53eiftungcu unb Entfd)äbigimgsanfprüchc
gerabe in bem ArbeitSoertrag ihren NedjtSgrunb höben. §. 3
Nr. 2 beS ©ewerbegerid)tSgefefceS fpricht oon Seiftungen unb Ent*
i; » llnger Nr. 2n.‘>.
69
So* ©ewetbegtelty. ©titlrtiungi« bei Sterten ba# beUtfd&e* ©eroerbegeridbte. R*. 6.
70
fchäbigungSanfprüchcn öuS bem „ArbeüSoerhältnth*- $)as ift
ein weiterer begriff als ArbeitSoertrag. §. 108 ber ©emerbe*
orbnung oom 21. 3uni 1869 befchränfte bie angeorbnete Bor*
entfcheibung geujerblid^er Streitigfeiten auf „gegenfettige ßeiftungen
mährenb ber ©auer beffelben" (beS ArbeitSuerhältniffeS); §. 120a
ber Rooelle oom 17. Quli 1878 erweitert ben begriff ba^in:
„Qegenfeitige Stiftungen aus bemfelben". ©enn nun je^t in J. 3
Rr. 2 beS ©eroerbegerichtSgefebeS noch ausfcrücflich auch bie „©nt*
fchäbigungSanfprüche aus bem ArbeitSoerhältniffe" als gewerbliche
Streitigfetten hegeicfjnet finb, fo Ijat man barin moi)i bie Abft<ht
jtu feljen, ber mieberum erweiterten Raffung eine auSbehnenbe
Auslegung $u geben.
Scbenfaffs glaube ich bargetljan m hoben, bah alle bie
oon mir begegneten Anfprüche mittelbar aus bem ArbeitS*
oerhättniffe entfpringen, felbft roettn mir beftrüten werben fällte,
ba& fie im ArbeitSoertrag ihren ©runb hoben. 3<h bin aber
überzeugt, bah ein oorurtheilslofes |>ineinbenfen in bie gegenfeitigen
RechtSbegiehungen gmifcher Arbeitgeber unb Arbeiter auch baS ©e*
werbegerid)t Berlin bagu fuhren wirb, alle jene Rebenleiftunaen
als St^eil beS als einheitliches RechtSinftitut zu beurtheilenoen
ArbeitSoertrageS aufgufaffen, gu erfennen, bah man burch eine
fdfjeinbar fcharfe logifcbe $)ebuftion gu einer baS ©efen beS Ber**
tragSoerhältniffeS auflöfenben Unterfd)eibung gelangt ift.
fifirgerHdjtf ©efc|tmdj ttnb flktorrbrorinmtg.
(Bergl. Rr. 4 u. 5 beS „©eroerbegerichtS".)
3u ber SJrage über baS Berfjältnifc ber §§. 123, 124 ©em.D.
gn §. 626 B. ©.B. fdßreibt uns £err Brofeffar non Blume
(Roftocf):
„deiner Anficht nach wirb B. ©.B. §. 626 aud* auf bie Redf)t$*
oerljältniffe ber ©efellen, ©ehülfen, gobrifarbeiter angumenben
fein, unb gmar in ©rgängung ber Beftimmungen ber §§. 123, 124
©ew.D.
„$>ah bie §§. 123, 124 burd) baS B. ©.B. nicht haben auf»
gehoben werben füllen, wirb nicht bezweifelt werben. ©S fann nur
eine ergängenbe Anwenbung beS §. 626 B. ©.B. in Srage fte^en.
0b fie guläffig ift, wirb am ftdfjerften feftgeftefft, wenn man ben
heutigen RechtSguftanb prüft. Sinb ^eute für bie Aufhebung
beS ArbeitSoertrageS ber ©efellen, ©eljülfen, 8fabri!arbeiter neben
ber ©emerbeorbitung bie Beftimmungen beS partifularen büraer*
liehen Spechtes mafjgebenb, fo wirb fünftig für baS bürgerliche
ReichSredjjt, bas an Stelle beS ßanbeSrecf)tS tritt, baffelbe gelten
müffen.
„2>ah nun bur<h©em.D. §§.123,124 bie Anwenbung beS bürger*
liehen Rechts habe auSgefdjloffen werben foHen, ergtebt fl<h aus
bem ©ortlaut Des ©efefceS ficber nicht. Aber and) nia)t aus feinem
3we<f. 2)ie Auwenbbarfeit beS bürgerlichen Restes auSfd&liehen, heifet:
ben ©runbfäfeen ber bona fides ihre ©inmirfung auf bas Ber»
bältnih ber ©efellen, ©ehülfen, Sabrifarbeiter nehmen, h^ifet biefe
RechtSoerhältniffe unter jus strictum ftellen, bah folcheS burdh bk
©em.D. beabfidjtigt worben fei, fann nicht angenommen werben.
,,©S ift auch bisher wohl überwiegenb nicht angenommen worben.
©enigftenS hat baS Reichsgericht (©ntfeheibungen Bb. 38S.114fa.)
entfehteben, bah baS ßanbeSrecht für ben ArbeitSoertrag ber Be»
triebsbeamten, ©erfmeifter, £ed)ni!er neben ben Borf<hriften ber
§§. 133 a—133 e ber ©em.D. gelten, unb gwar aus ©rünben, bie für
bas Berhältnifj xmifdien ben §§. 123, 124 ©.0. unb bem ßanbes»
rechte ganz ebenfomohl ©eltung beanfprudhen. ©S ift auch fdfjon
in biefem Urteil barauf htngewiefen worben, bafe
BrayiS beS ^anbelSrechtS lein Bebenfen tragen, neben bem Art. 62
beS 0t. ©.B., ber ben §§. 123, 124 ©em.D. oerwanbt ift, bie
©runbfähe beS ßanbesredjts in Anwenbung z« bringen.
„©in ©runb für bie auSfdhlie&lidje ©eltung ber AufhebungS*
grünbe ber ©ewerbeorbnung fönnte nur aus ber ©riftenz beS §. 124a
©em.D. entnommen worben. Bton fönnte nämlich im ©tnoerftänbnife
mitbem in $r. 5 biefer 3ntf(h r ifi mitgethcilten 0<häfer’fd)en ©utachten
fagen: ba fchon §. 124 a fubfibiär neben ben §§. 123, 124 alle
wichtigen ©riinbe beriicffichtigt, wenn auch wx unter ber BorauS»
febung, bafe baS ArbeitSoerhältniS auf eine längere SDaucr aus»
gegangen ift, fo fönnen bie „wichtigen ©rünbe" mdht zugleich
bem ßanbeSrecht ober aus B. © B. §§. 626 ihre Äraft entnehmen.
3<h holte inbeffen biefen ©ebanfengang nicht für richtig, benn ba
§. 124a ©em.D. nur für beftimmte ArbeitSoerträge oon ©efellen,
©ehülfen, Sabrifarbeitern gilt, fo ift auch nur \m £>inblicf auf
biefe bie Anwetibung oon entfprechenben Beftimmungen beS ßanbes»
rechtes ober oon B. ©.B. §. £26 auSgefchloffen. Auf Berträge
bte §. 124a nid>t trifft, fann B. @.B. §. 626 unbebenflich ange»
wenbet werben.
„Btan wirb übrigens gut thun, zur ßöfung einer Sfrage wie
ber oorliegenben nicht nur theoretifche ©ebuftionen, fonbern auch
praftifdje ©rwägungen anzufteüen. Unb z^ar um fo mehr als
bie 9fooelle zur ©ewerbeorbnung unferer ©efefcgebung (Gelegenheit
bietet, ben ftther h^chft unerfreulichen S^e^feln über baS BerhältniS
beS B. ©.B. zur ©em.D. burth eine authentifdje 3nterpretation ebenfo
ein ©nbe jui bereiten, wie bas im Art. 14 beS ©.©. zum $.©.B.
oom 10. Btai 1897 hinfi<htii(h c ^ ncr ähnlichen Streitfrage gesehen
ift. darüber ob eine ben §. 626 B. ©.B. entfpredhenbe Beftimmung
für alle Arbeitsoerträge oon ©efellen, ©ehülfen, gfabrifarbeitem
münfchenSwerth fei, ift nun fchon bei ber Beratung ber ©e»
werbeorbnungSnooelle oon 1891 im Reichstage geftritten worben
(BrotofoKe oer VIII. Segislaturperiobe, Seffion I, Bb. III,
0. 2182 fg). 3<h h fl lie bie ©riinbe, bie bamals gegen eine folche
gefefeliche Regelung oorgebracht würben nicht für zutreffenb, meine
oielmehr, bah & cr ArbeitSoertrag unter allen Umftänben nach ben
©runbfäfcen oon £reu unb ©Iauben im Berfehr beljartbelt unb fomit
bem Richter in ber ©ürbigung ber BertragSaufhebungSgrünbe eine
gewiffe Freiheit gelaffen werben mu&. ©te alle gretheit, fo bietet
auch *ü e f c ©efohten, auf beren Ueberwinbung man bo^ mit Sicher*
heit rechnen barf.
„Snbeffen glaube ich, bah eine 2)i$fuffion gerabe über biefe
Sfrage oon befonberer ©ichtigfeit ift unb möchte hiermit bagu angeregt
haben, ©eine Ausführungen gur Sache, bie ich h^ auf baS
Rothwenbigfte befchränft höbe, hoffe ich an anbrer Stelle nod) er*
gangen gu fönnen."
3m bireften ©egenfafc hi^u fchreibt $txt Dr. ßubwig Sulb
in ©ding:
„3m Berhältnih gu bem B. ©.B. ift bie ©ewerbeorbnung als
Lex specialis gu bezeichnen, bas B. ®.B. bilbet ihr gegenüber
bie Lex generalis. Runmehr ift ber AuSlegungSfah: Lex gene¬
ralis posterior non derogat legi speciali priori allgemein, ober hoch
faft allgemein anerfannt. ©enoet man benfelben auf ben gur
Beantwortung ftehenben Soll an, fo ergiebi fid), bah §. 123 ber
©em.D. burch §. 626 B. ©.B. nicht abgeänbert wirb, trofcbem bas
fpätere ©efeh in biefer 3?nige minber weitgeht. S)ah auch bie
ReichSgefefcgebung auf biefem Stanbpunft fteht, fann aus ber Be*
ftimmung beS §§. 34 beS ©inführungSgefeheS gum ^anbelSgefeh*
buch entnommen werben, wonach §. 69 beS Börfengefe^eS Durch
§. 769 beS B. ©.B. nicht berührt wirb."
* *
*
€$ liegen uns gur gleichen Anfrage noch mehrte ©infenbungen
oor. ©enn wir biesmal gerabe bie beiben oorliegenben bringen,
fo gefchieht bieS, weil beibe oon Herren h^rühren, bie wiffenfehaft*
lieh wohlbefannt finb, bie aber im ©egenfafc gu ben beiben ©ut*
achtern ber oorigen Rümmer, nidjt unmittelbar in ber BrajiS ber
©ewerbegerichte ftehen. ©S ift intereffant, bah auch biefe beiben
©utacf)ter gu einanber wiberfprechenben Refulttiten gelangt
finb. ©s fteht alfo zweifellos feft, bas unfere $rage nicht wie
oon einigen ©utaef)tern angebeutet wirb, leicht unb einfach gu löfen
ift. ©S befteht eben über eine ber wichtigften fragen
aus bem wichtigften &ontraft, ben baS bürgerliche Recht,
etwa mit Ausnahme beS ©heoertrages, überhaupt fennt, ooll*
ftänbige Unflarheit. 3)a eine authentifche 3nterpretation nicht
mehr möglich ift, wirb es oon bem fubjeftioen ©rmeffen ber ein*
jelneit ©ewerbegerichte abhängen, ob fie bie jebergeitige Auflöfung
beS ArbeitSoertrageS „aus wichtigen ©rünben" geftatten ober für
ungefehlich erflären. ©ir folgern hieraus, bah, gong wie wir es
in ber erften Rümmer biefer Qeitfchrift (o. 2. Apnl 1896) bereits
auSge[prochen hoben, bie Beorbnuna beS ArbeitSoertrageS burch
bas öffentliche Recht, alfo eine Reoifion ber ©ewerbeorbnung
unerläßlich ift. $)ie Rebaftion.
UetfofTnng null Detfaljttn.
3ft B^ohorttoualwahl //unmittelbare ©ab^ im Sinne beS §. 12
beS ©ewrrbegerichtSgefebeS?
Befchluh-
S)er B^ooingialrath in Gaffel hat in feiner heutigen Sifcung
befchloffen, bie Befchwerbe beS ©agiftrats ber Stabt öranffurt a. ©.
71
$o* ©eioesbegeridrt. VHtthdlungenbeS Berbanbei beufyher ©cmetbegerichte. 92s. 6.
72
gegen ben ©efdjlnfj be$ BegirfSauSfchtiffeS in ©ie&babeit vom
6 . 3nli 1898, burd) welchen ben vom Rfagiftrat ber ©tobt
^ranffnrt a. 3)2. am 10. $)egember 1897 unb oon ber ©tabtoer»
orbneten*Berfammlung am 25. Sanuar 1898 befdjloffenen Slenbentn*
gen ber §§. 14 unb 18 be$ DrtSftatutS oorn 21. grebruar 1896
bie ©enehmigung oerfagt morben ift, gurüdfgutoeifen.
©rünbe.
J)ie non beut BegirfSauSfchufj Beanftanbete Aeuberuttg h<*t Bie
©inführung beS ^roportional-SBahlwrfahrenS für bie BSahl ber
23eifiöer beS ©eroerbegerid)tS 31 t grranffurt a. 5J2. gum ©egenftanb.
JHe Beanftanbung ift non bem BegirfSauSfthuh unter ber Be*
grünbung erfolgt, bah biefes SBahloerfahren — roelcheS, foroeit
befannt, noch Bei feinem Oeroerbegericf)t im Reiche in Anroenbung
ftehe, feine 3roedfmähigleit alfo noch feineSmeaS Bemiefen ^a&e —
eine Beffere unb alle ttyik gufriebenftellenbe 3ufammenfeBung be£
©crichtS nicht fid^erftclle.
@3 fonnte baljin geftettt Bleiben, ob btefe lebiglici) bie 3roedf*
mäfeigfeitsfrage berücf|i<htigenbe Begrünbung 3 U BiEigen fei ober
nicht, toeil bie non bem SJtagifirat unb ber ©tabtoerorbneten*Ber*
fammlung befchloffenen Aenberungett beS §. 14 beS DrtSftatutS
00 m 21. SeBruar 1896 mit bem ©efefc betreffenb bie ©eroerbe*
geriefte nont 19. Suli 1890 im SSiberfprudj fielen, unb tneil fefjon
behhalb bie 3urüdfroeifung ber Befchmerbe geboten mar.
©enn §. 12 beS genannten ©efefceS Beftimmt, bah bie SSaljl
eine unmittelbar unb geheime fein foHe, fo Bat ber ©efejjgeber
offenbar Bei geftfefeung biefer Beftimmung norfcBreiBen moHen,
bah es jebem Wähler frei ftefjen folle, unter ber ©efammtgahl ber
wählbaren Sßerfonen, ohne jebe Vermittelung burcB britte klonen,
biejenigen auSgufuchen, benen er feine ©timrne geben roolle, unb
baf$ baS Wahlergebnih unter Beriicffichtigung aller fo abgegebenen
©timmen feftgeftellt merbe.
Unb menn ba§ ©efefc in §. 13 bie „Näheren Veftimmungen
über bie Wahl unb baS Verfahren Bei berfelben" ftatutarif^er
Regelung überlä|t, fo bürfen bo<B bie Veftimmungen foIcBer ©tatute
gegen bie gefehlid) feftgelegten ©runbfähe nicht oerftofeen.
©olche Verftöhe mußten aber in ben Veftimmungen beS 11.
unb 12. Abfafces be$ §. 14 (in ber abgeänberten gorrn) gefuitben
merben.
$)enn menn Bort feftgefefct ift, bah 3 ur Vorbereitung ber Wahl
ininbeftenS 8 Sage oor bem Wahltage WahloorfchlagSlifien
ein 3 ureicBen finb, . bafe nur fol<f>e VorfchlagSliften in Betracht
fommen fönnen, bie oon mmbeftenS 20 Wahlberechtigten
untergeidfjnet ftnb unb bah ©timmgettel, bie nid^t in foroeit einer
biefer VorfchlagSliften eitifprechen, bah fie minbeftenS 20 Flamen
in UeBereinftimmung mit einer berfelben enthalten, feine Verüdf*
fuBtigung finben fotten, fo miberfprechen biefe Veftimmungen bem
©runbfafce ber Unmittelbarfeit ber Wahl unb Bebingen aufeerbem
eine unguläffige Befd)ränfung besi freien Wahlrechtes ber Wähler.
@3 muhte baher biefen mit ben ©runbfäteen beS ©efe^eS in
Wiberfprudj ftehenben Bestimmungen bie nachgefuchte ©enehmigung
oerfagt merben.
ifcurcf) bie beabfichtigten Aenberungen beS ©tatute mürbe ba$
©rgebnifj bef Wahl nicht mehr unmittelbar oon ber nach freier
©ntfchliefjung ber eingelneit ©übler erfolgenben Abftimmung, fonbern
oon einer — menn auch nicht nachfolgenben, fo hoch ber eigentlichen
©ahlhanblung oorauSgehenben — oermittelnben JHjätigfeit geroiffer
Drganifationen abhängen unb baS thatfächlidf) oielleicht ohnehin
ftch geltenb madhenbe ilebergeroicht organifirter ©Ühlergruppen über
bie nichtorganifirten ©ähler mürbe ftatutarifch gebilligt unb befeftigt
mittels einer nach bem ©efebe nicht 3 U rechtfertigenben Befchränfung
be3 ©ahlrechte^.
konnte bi crncu B Bern §. 14 bie nathgefudjte ©enehmigung
nicht ertheitt merben, fo mufjte fie auch bem §. 18 oerfagt merben,
beffen Snhalt nur im 3ufammenbang mit ben beanftanbeten Be*
ftimmungen beS §. 14 in Betracht fommen fann.
©affel, ben 26. Sßooember 1898.
^er ^rooin3ialrath ber ^rooinj .§effen*92af)an.
gej.: 3)2agbebnrg.
HfdjtfpwiCjötig.
•^abeii gemerbliche Arbeiter ?tnfprurf) auf Vcjahlnng
ber /Veft* intb Feiertage? (Crutfcheibniig be^ (^cinerbegertdjtö
Vfrlin uom 24. 2tpril lsim. 1 3on/%4. Borf. SRagiftraWnffeffor
Ur. Brafch unb beS ftonigl. ÖanbgcrUht« I Berlin 8 . 00 m
18. September 1896.)
5tlager mar oon 1893—1896 gegen SBochmlobn als ©efeHe bc=
fdf>äftigt. SBahretib biefer 3^it finb -ih m Bie gefeblichen geiertage (©h«r»
freitag, 0 ftern 2 c.), ber Dienstag nach Dftem unb ^fingften unb bie
3eit jroifchen SBeihnachten unb 9teitjahr gefürjt morbeu, ohne baft er
bagegen proteftirt ^dtte. Älagenb oerlangt er jefet bie ©rftattung ber
Hbaüge aus beu fahren 1894—1896 mit 105 ,50 «49. @r toar aD=
gumeifen.
?fuS ben ©rüuben: SSeber im ©efejj/ noch — fomeit Befannt —
in ber ßitteratur unb SjuMfatur ift bie Srage, ob ben HrBetiero bie
gefehli<h en geiertage gu begahlen finb, ermahnt. Bei ben ©eroerbe*
gcrichten ift bie ^rajis fthmanfeub. ^aS Berliner ©eroerbegcricht bat
ben mit SBochenlohn Befchafttgten Arbeitern bie Begahlung ber gefttage
gugefprodhen. ©ollte jeboch ein äBodjjenlohn nur als Bielheit beS tage*
IohneS feftgefefet fein, fo mürben nur befonberc Itmfiänbc, g. SB. Brauch,
biefe $lnftcbt red^tfertigen. tiefer SfuSführung fann aber nur befchranfi
beigetreten merben, g. B. bei 5feHnem, ba biefe Beftimmte tägliche
BeitSgeit überhaupt nicht h fl üen, Ueberftuuben auch nicht begahlt bc=
fommen. §ier aber mirb bie grage ber Begahlung ber geftttage faft
eine aftueüe, ba JfcIIner au allen gefttagen arbeiten. 3 n f n ft rtHcn
anberen gällen ift bie ?tb|lcht ber Parteien, bag ber Arbeiter gegen
©ochenlohn eine beftimmte Seit gu arbeiten Ijut, lleberftunben ejetra
vergütet erljalt unb ihm für Unterlaffen ber Arbeit mahrenb ber 2lrbeii^
geit Äbgiige gemacht merben. 2)agu fommt, baß burch gefepliche ?tn s
orbnuitg für ben Slrbettgefar eine unoerfdhulbcte Unmöglichfett, ben
Arbeiter gu befchäftigen, Befiehl, ein StedfjtSgrunb, h«rfür benfelben gu
entfefjabigen, Hegt nid^t oor. 2>er Arbeiter fann aber nur für geleistete
Arbeit Sohn forbem. 3ut oorliegenben galle fonnte ber Kläger aber
überhaupt nichts mehr nachträglich oergütet oerlangen, ba er ftch 3uhr f
hinbutch geftänbUch bic Äbgüge ohne ^roteft h«t gefallen laffen.
2)ie hiergegen eingelegte Berufung mürbe gnrücfgeroiefen.
©rünbe: 2)er Kläger mar feiner eigenen Slngabe nach bei bem
Beflagten gegen SBodjjenlobn als ©efeUe befchäftigt; er ftanb alfo in
einem bem §. 121 unb nicht bem §. 133 a ber ©emerbeorbming rnt=
fprechenben StrbeitSoerhüItnih unb fchon biefe ©teüimg fpricht böfnr,
ba bie in bem lefcteren Barographen begeidhneten SBerfmeiftcr unb ahn*
liehen HngefteHtcn gerabe babur<h ; baö ihre Bergntung in feften, gehatt*
artigen Begügen beftehh ftch uuS bem Greife ber übrigen gemetblicheu
Arbeiter h c roorhebt, ba& ber ooit ben Parteien als Vergütung oerein»
barte, ©ochenlohn nicht bie Statur berartiger Begüge gehabt hat, fonbern
oielmehrnur als ©ntgelt für bie feftftehenbe SirbeitSgeit oon 6 ©odifu*
tagen Bllbete; auch an biefen Klagen hobelte eS fidj um bic Arbeit*»
leiftnng mahrenb beftimmter ©tunben, mie Bereits ooni ©emerbegericht
unb gmar ohne bah ber Kläger, bem in biefer Snftonj miberfprocfjcn
hat — feftgeftellt morben ift. Xer unter ben Parteien gefächenen
Bereinbarung ber Vergütung als SBodfjenlohn mar baher nur bie Ve*
bentung beigutegen, bah bas für feftftehenbe £age unb ©tunbeu am
©chluh ber SBodfje gahlbare ©ntgelt nortnirt morben ift. 2>cm ftlager
mar fonach nicht eine ©efammtoergütung für eine mahrenb bcs 3 cils
ranntS ber SBoche etma unbeftimmte SlrbeitSleiftung, fonbern bie Ver=
gütung für beftimmte ©iunben unb Jage gngefagt. ©inen SCnfprurfi
auf Vergütung h at er baher auch nur iufomeit, als er burch Arbeit
mahrenb biefer le^i beftimmten 3 e d oorgeleiftet hat- &n ben gefehUchcn
geiertagen mar nun megen beS Beftehenben Slrbeitsoerbots bie ßeifiuiig
ber Arbeit objeftio unmöglich; nnch ber Kläger mar nicht in ber ßage,
an biefen Jagen feine ^ienfte bem Beflagten gur Verfügung gu [teilen unb
Arbeit gu leiften (ogl. ©ntfeheibigung beS Reichsgerichts in ©ioüfacfint
Banb III 6. 183, §. 910 I. 11 Allgemeinen ßanbrechts); ber mit brr
Älage oerfolgte Anfprudj auf Vergütung für biefe Jage mirb bafter
hinfällig. J)er Äläger h®t nun noch meiterhin für bie ^ienfttagc naäi
Cjtem nnb ^fingften, fomie für bie Wochentage gmifthen ©cihnacbtni
unb Rcujahr mahrenb ber 3 a h re U °B l 895 eine Vergütung um
ber Begrüitbung eingeflagt, ber gabrifbetrieb beS Beflagten h^be in
biefer 3 c ü geruht. J)er Anfprnch auf biefe Vergütung märe nun nie-
berechtigt angnerfennen, menn bas Ruhen beS Betriebes nur in ber
orbrnmg beS Beflagten feinen ©ruitb gehabt unb ber Kläger an ben
eingelnen Jagen ftch auSbriicflich bem Beflagten gur Arbeitsleiftung er'
boten hätte. J)ah ßehtereS gesehen, h^t ber Kläger in biefer ^sixftang
aber nicht gu behaupten oerfucht unb oor bem ©emerbegericht bai er
bereits gugeftanben, bah er mäfjrenb feines ArbeitSoerhältniffeS bei«
Beflagteu niemals fein Verlangen, an bett ermähnten Jagen gu ar=
beiten, funbgegeben habe.
3ft ein ÖehJ* üertra 9 nitr üon Bern ßehrh^rrn nnb bem
Vater beS ßehrliugS fchrtftlid) abgefchloffcn, fo liegt
ein fchriftlicher ßebroertrag mit bem ßehrliitge nicht oor
unb ber ^ebrberr fann eine ©titfchäbigurtg mögen Bei-
78
Das ©emerbegericht. ©ttttbetlungen b«S ©erbanbeS beutfdjjer ©eroerbegeridfjtc. 9lr. 6.
74
faffenS bei* Sefj re nom Sefjrlinge nicht oerlaugen. (©emerbe*
gor. ©Jitlfjetm, ©uljr. 28. Dea- 1898.)
Der Kläger Ä. forbert oon bem DeFlagteu Seljrliugc ©., bcr bie
Seljre bet ihm oerlaffen ljat, entmeber bah ber ©eflagtc in bie Sef)rc
aurücfFehrt ober il)nt bie nach betn mit bent ©ater beS dcflagteu im
AprÜ 1898 abgefdfjloffeneit fdjriftüdfjen Sehrocrtrag für biefen galt
uerabrebete ©ntfdfjäbigutig oott 50 M. aahle.
Der ©eflagte behauptet nicht redfjtSroibrig bie Sehre nerlaffen ju
haben, meigert ftch in biefelbe gurütfjuFehren unb beantragt Abroeifung
bes ÄlägerS. Der im April 1898 non bem Kläger unb bem ©ater bes
©eFlagten abgefthloffene Sehrocrtrag ift non bem Sehrtinge, bem ©e*
{tagten, nicht unterfdjrieben.
©rünbe: Der ©eFlagte meigert fich in bie Sehre jurüdaufehren,
ber Äläger fann baher megen SRtdfjterfüllung beS SefjroertrageS eine
©ntfdfjäbigung nerlangen. (21. S.A. I. 5. 408).
9tach §• 127 f. ber ©emerbeorbttung Fann ber Kläger, menn ein
Sehrltng nor Ablauf ber nerabrebeten Sehrjeit bie Sehre redfjtSroibrig
nerlaffen h ö h nur bann ©ittfdjäbtgung nerlangen, menn ber Sehr*
nertrag fcbrtftlidfj abgefchloffen ift. Der notliegenbe Sehmertrag ift non
bem Sehrlittge nicht unterfdjrieben, erfüllt alfo nidjt bie gorberung beS
§. 126 b ber ©eroerbeorbmtng: „Der Sehroertrag ift non bem ©emerbe*
treibenben, bem Sehrlittge unb bent ©ater beS Sehrlings $u unter fdfjreiben".
Schriftliche Verträge erhalten ihre ©ültigFeit erft mit ber Unterfdjrift
ber ©ertragfdjliehenben (A. S.9t. I. 5. 116. 117) unb es liegt baljer, ba
bie Unterfdjrift bes SeljrltngS unter bem Sehroertrage amtfdfjen Äläger
unb bem ©ater beS ©eFlagten fehlt, ein Sehroertrag in fchrtftüdfjer gorm
jtnifchen ben Parteien nicht nor.
Der ftläger fann baher bie in bent norgelegten Vertrage ans*
bebungene ©ntfdjäbiguttg nicht forbern unb tnirb baher mit feiner Älage
abgemiefen. (AetdfjSgeroerbeorbmutg §. 127 f.)
3ufafc ber ©ollftrecfnngsFlaufel jn geroerbegcridjtltdjen
Urthcilen. (©ntfrfjeibung bes ©croerbegeridjts Seip^ig nom 30. Sep*
tentber 1898.)
Am 10. September b. 3- erhoben bie Kläger bei bem ©einerbegericht
Seipaig ftlage mit bem Anträge, feftjufteHen, bah bie ©eflagte nerpflichtet
fei, ihnen am 14. September b. 3. je 27 M. uub biefelbe Summe je
am 21. September b. 3- ju äaljlen, bepp, joroeit gäüigfeit ber geforberteit
Beträge im Saufe bes ©roacffeS eintrete, bie ©eflagte jit bereit 3ahütng
au nerurtheilen. Am 18. September b. 3- erlief bas ©einerbegericht
Sctpftig baranf folgcnbc* (fnbnrthcü: (5 s tnirb feftgeftellt, bah bie ©e*
ftagte nerpflichtet ift, einem jeben ber beiben Kläger am 14. September b-3-
27 M. unb am 21. September b. 3- je bie gleiche Summe ju zahlen,
menn ertoiefert ift, bah ftch bie Äläger ihr folange jur Verfügung ge*
halten haben. DiefeS Urtheü mürbe ben Klägern am 16. September b. 3-
augefteHt; am 20. September b. 3- reichten fte bei bem ©eridjt folgenben
Srfjnftfafe ein: „2Sir beantragen hiermit, bas Urtljeil beS ©emerbe*
geridjtS nom 18. September b. 3- für oorläufig ooUftrecfbar ju erflären."
Dem Antrag mürbe nicht ftattgegeben unb aroar au« folgenben ©riinben:
Der Antrag ber Äläger Fann nur fo aufgefajjt merben, bah baS
ItrtfjeÜ beS ©eroerbegeridjts nom 18. September b. 3- burch 3ufajj ber
©oüftTecfungSflaufel ergäbt merben fott (nergl. §. 654 (£.©.0.). 9tun
fann es aroar einem gmeifel nicht unterliegen, bah btefer Antrag inner*
halb ber im ©efefc ~ nergl. §. 292 Hbf. 2 <£.$.0. — norgefchriebenen
eiumöchigeit grift gcfteHt morben ift unb bah er bie im fCbfa^ 3 cit.
uerlaitgte gefefeliche gornt erfüllt, benn ber 9Wangel ber Sabung be§
Olegnerö a ur ntitublichen Serhattblung fchabet in bem Verfahren nor
ben ©emerbegeridjten ber ©ültigfeit beS Antrags auf (£rgänauttg beS
Urthcilö ebenfomenig tnie bcr ©ültigfeit ber lagichrift (§. 280 <5.$.D.),
tneil bie Sabung ber Parteien Sadje be£ ©erichtö ift (ngl. 2Bilhelmi*gürft,
Montmentar, 9tote 1 a« §• 34 Seite 146). 3 m merf)in fteHt ftch ber An¬
trag ber Kläger alö unbeachtlich bar, beim biefe begehren bantit etmaö
redjtlid) Unntöglidjeö. greilitfj fihreibt §. 56 2tbfah 2 beö ©efeheö nont
29. 3nli 1890 nor, bah non 9lmt$megen alle Urthcile für oorläufig
ooUftrecfbar au erfiaren feien, in benen ber ©egenftanb bcr Serurtheilung
an ©elb ober ©elbeSmertl) bie Summe non 800 M . nicht überfteige.
Diefe ©eftimmung bezieht ft<h Feittegmegä auf biejeuigen Urtheile,
bie auf eine gefiftellungöflage ergangen pnb, ma$ ber ©efehgeber fchoit
burch bie Sorte „©egenftanb ber ©crurtheilung" aum Sludbrucf
gebracht hat. ©ereitö bie SRotioe aur CSioilproaehorbnuttg erfläreit eö für
fclbftncrftänblich, bah nur folchc ©nburtheile bie ©ollftredungsflaufet
erhalten fönnett, bie ihrer Statur nach einer ©oUftrecfung fähig ftnb.
§ierait)5 folgt, bah alle Urtheile, bie’ailein bie geftftellung beo ©eftehenö
einer ©erpflidfjtuug au-Sfprechen, hiernon auöannehnten ftnb (nergl. Strucf*
mann*tod), Kommentar aur (£.©.©., 4. 2lufl. Stotc 1 a« §. 644 S. 686).
Da mm aber ein Urtheü ber Iefotgenannten ^Irt im gegentnärtigeit gaDe
uorlag, fo muhte ber Antrag ber Kläger fchon non WmtSroegen awrücf-
gemiefen merben. hieran Fonnte auch baburdö it.id;W geänbert merben,
bah bic Kläger in ihrer ftlagc beit ©nentualautrag gefteüt hatten, bie
©cflagte aur Safjlung a» nerurtheilen, fällig bie gäHigfcit ber geforberten
©eträge im Saufe beä ©roaeffc^ eintreten folltc; benn ber ©roaefj h a ttc
burd) ben Grlah beö Urtljcilö feinen Hbfchluh in erfter Snftana gefuitben,
unb menn ba$ ©erlangen ber Kläger auf ©rgänauitg biefeö Urtheilv
gerichtet ift, fo muhte ba3 ©emerbegericht lebiglich prüfen, ob bic ©ichtcr,
bie baö Urtheü gefällt hatten, etrnaS barin übergangen hatten, morüber
bamalö auf Antrag ober non SlmtSmegen au erfennen mar. Dieö ift
aber nid)t ber gall, benn bie Kläger haben Seiftung nur für ben gall
oerlangt, bah *üe gättigfeit ber geforberten ©eträge im Saufe bes ©ro=
aeffeS eintrete, unb geben felbft a«, bah öer erfte Dheil threö Snfprudjö
nidht nor bem 14. September fällig gemorben ift. 3n golge beffen ner*
mochten bie batnaligen dichter meüer nichts als bie geftftelluug bes
©eftehenS einer ©erpflichtung auSaufprechen unb bürften aus ben oben
angegebenen ©riinben bem Urtheile bie ©oIIftrecFuugsFlaufel nicht bei*
fügen.
Unter meldjeti Umfiänbeit ift ber ©äcfergefelle anr ©er*
meigeruttg ber Arbeit unter ©erufnng auf bte ©erorbung
beS ©unbegratljS / betr. beit ©etrieb non ©äefereien, beredhtigt?
(Urtheil beS ©emerbegerichtS ©taina.)
©eftü^t auf bie ©eljauptung, bah ihn ber ©erflagte am ©adjjmit*
tag bes 20. Slpril b. 3. ohne rechtmähigen ©runb unb ohne Äüttbigung
eutlaffen habe, nerlangt ber Kläger eine ©ntfdjäbigung. ©r mar an
betn genannten Dage non bem ©erflagten beauftragt morben, bei bem
©erbringen non Äofjlen, bie für ben ©efdjäftsbetrieb beftimmt mareu,
an ben HufbemahrungSort behülflich a u fein, lehnte aber troh mieber*
holter Slufforberuttg feine SRühiilfe an ber Arbeit unter ber Ärflärung
ab, bah er bc eits über bie auläffige ?lrbeitSaeit hinaus für ben ©er¬
flagten thätig gemefeu unb beSljalb a 11 weiteren Dienftleiftungen nidjt
nerpflichtet fei. Daraufhin erfolgte bie fofortige ©ntlaffung. Kläger
mürbe mit feinem Kttfpruch auf ©runb bcS §. 123 3*ffer 3 ber ©emerbe*
orbnuitg abgemiefen.
©riinbe: Dah ber Kläger nerppidjtet mar, ftch bei bem SBeg*
fchaffen ber für ben ©etrieb ber ©äeferei beftimmten Äoljlen au betheiligen
unb biefe Arbeit, bie in allen ©äefereien non ben ©efeüen anftaubSloS
bethätigt mirb, an ben ihm Obliegenheit ©erpfUdjtungen gehört, barüber
befteht Fcinerlei ©teinungsnerfchicbenheit. ©adj ben auf ©runb bes
§. 120 e ber ©emerbe*0rbnung über ben ©etrieb non ©äefereien uitb
©onbitorcien non bem ©unbeörath erlaffeneu ©orfchriften barf bie 9lr*
beitsfchicht jebeS ©eljülfen bie Dauer non 12 Stunbeit ober, falls bie
Arbeit burch eine ©aufc non minbeftens einer Stunbe unterbrochen
mirb, eiitfchliehlicb biefer ©aufe bie Dauer non 13 Stunbeit nicht über*
fchreiten. Äuherbalb ber awläfftgen Slrbeitsfchichten bürfen bie ©ehülfen
nur an gelegentlichen Dienftleiftungen nermenbet merben. 3n>if'ihen je
aroei ÄrbeitSfdjichten muh benfelben eine ununterbrochene ©nlje non
minbeftenö 8 Stunben gemährt merben. Huherbem bürfen ©eljülfen
unb Sehrlinge u. fi. an jährlich 20 ber ©eftimmung beö SlrbcitSgeberS
überlaffenen Dagen über bie norftehenb feftgefehte Dauer befchäftigt
merben. 3 u 8 e 8 e &en nnn felbft, bah bie SlrbeitSfdjidEjt beS Klägers an
bem fraglichen Dage bie anläfftge Dauer überftbritten habe, fo mar fetne
Steigerung gleichmohl nid^t berechtigt. Das Slbtragen non Äoljleu,
non §ola, ©teljl u. bgl., alles Slrbeiten, bie nicht täglich norfomnten,
fällt gana unamcifelhaft uub raie non bem Äläger felbft augegeöett mirb,
unter bie gelcgentlidjen Dienftleiftungen, au meldjeit bie ©ehülfen auher*
halb ber auläffigen Slrbeitsfdjichten herangcaogen merben Fönnett. 39”
bem h<*t ber ©eflagte burch ©orlage feiner Äalenbertafel ben ©emeis
geliefert, bah ihm für Ueberarbeü noch eine ganae ©eihe non Dogen
aur ©erfügung ftanb, eine ©erle^ung ber gefeblichen ©orfrfjriften foljiit
nicht ftattgefunben h«t. Äläger hatte atterbütgS Sitfprudj auf eine un¬
unterbrochene ©tthe non minbefieitS 8 Stunben awifchen 2 Slrbeits*
fdhichten. 0b biefer Slnfpruch auch an bem fraglidjen 20. Slpril erfüllt
morben märe, braudjt nicht unterfucht au merben, ba bie ©ntlaffung
bes ÄlägcrS fchon norher unb innerhalb ber auläfftgett ©efdjäftigungs*
aeit erfolgt ift. _
Allgemeinem übet (Remerbegertdjte unb
Arbeitmnechrag.
^ewerbegerifhte unb 2lr6ettSua(hwetS.
©Sir entnehmen ben Jahresberichten ber ©emerbe^erithtc
Bremen unb ©Seintar folgenbe Dhatfachen, bie jeigen, mte enge
unb mte naturpentäh bie Beaiehungen amifihen betbeit uermanbten,
bem gleiten 3trf bes fo^ialen Ausgleichs bienettbett Snftituten fittb.
Auf ©runb bes §.-70 Abf. 3 beS ©eroerbegerichtSgefefeeS hat
baS ©emerbegericht Bremen ben Senat im ©tära 1895 erfudjt,
baS ©rforberlidhe a« neranlaffeit, bamit für bie Stabt Bremen ein
ftäbttfehes Arbeitsamt aatn 3^^ befferer Arbeitsoermittelung
75
ta« ©ewerBegericht. fütt|eilimgen beS UerBcmbeS betitfdfje* #ewerBegeri<hte. Rr. 0.
76
Swifdjen Arbeitgebern unb Arbeitnehmern errietet werbe, tiefer
Anregung 3*>Ige gebenb, hat Ber (Senat in einer SRittheihing oom
15. Sebruar 1898 oit bie Viirgerfchaft bie Rieberfeßnng einer ^De¬
putation beantragt, um bariiber 311 beraten unb 31 t berieten, ob
unb in welcher Vteife, fowie unter welchen näheren Veftimmungen
bie Errichtung eines ftäbtifchen Arbeitsnachweis fich empfehle.
Diefe Deputation ift ins Leben getreten, ©ie hat befcfjloffcn, AuS-
funftSperfonen aus beit Greifen ber Arbeitgeber unb ber Arbeiter
über bie 3wecfmäßigfeit ber Errichtung eines ftäbtifchen ArbeitS-
nachtoeifeS 311 oernehmen. Der Vorfißenbe beS ©ewerbegerichts,
welcher SRitglieb ber Deputation ift, erhtelt ben Auf¬
trag, bie Arbeiterbeififcer bcS ©ewerbegerichts 3 U oer*
anlaffen, oier foldbe AuSfunftSperfonen aus ihrer SRitte
3 U wählen. Dief e SBahl h<*t am 2. 2Rai 1898 ftattgefunben.
Die gewählten Herren ha&en fid& bei ihrer Vernehmung am 9. 9Rai
1898 ber Deputation gegenüber mit Entfchiebenheit für bie Er¬
richtung eines ftäbtifchen ArbeitSnadbweifeS auSgefprochen. Die
Deputation hot noch nid^t über baS Ergebnis ihrer Verhanblungen
an ©enat unb Vürgerfdjaft berichtet.
Die in §. 70 beS ©emerbegerufjtSgefebeS oorgefehene Dhätig-
feii hat baS ©ericht Söeimar nur in einem 3 ufoIge Erfud>enS beS
©emeinbeoorftanbeS in ber ©efammtfifcung am 15. Se&rnar 1898
beratenen unb mit SRehrheit befdjloffenen ©utachten, betreffenb
einen Arbeitsnachweis, entwidfelt, baS folgenben Wortlaut hatte:
„Das ©efammtaemerbegericht empfiehlt, mit bem ©emerbeoerein
hier eine Vereinbarung bahin b e *bei 3 ufübren, baß biefer Verein
bei ber Leitung beS oon ihm 3 U errichtenben ArbeitSnachweifeS
eine Vlitwirfung ber Arbeiterfchaft 3 uläßt unb baß ber Arbeits¬
nachweis auf aue Arbeitskräfte, einfchließlid) ber weiblichen, auS-
gebehnt wirb, fo baß sunächft nur Dienftmäbchen, Unechte, Tage¬
löhner auSgefcfjloffen bleiben." Diefem ©utachten entfprechenb ift
»erfahren worben.
Ans ben 3ahre*Beriihte« Hon ©etterbegeruhteit. Stad) bem
Verwaltungsbericht beS ©ewerbegerichts ©tettin (©tabtbegir!) für
bie 3eit oont 1. DFtober 1897 btS 30. ©eptember 1898 waren bei
biefem ©ericht 530 Klagen anhängig (im Vorjahr 487). Daoon
finb oon Arbeitnehmern 513 unb oon Arbeitgebern 17 Klagen er¬
hoben worben. Diefelben waren in 302 Säuen auf Lofjnsahlung
gerichtet, bie übrigen auf Entfdjäbigung wegen unrechtmäßiger
Entlaffung, oor 3 eitiger SRieberlegung ber Arbeit u. f. w. Erlebigt
würben: Durch Vergleich 170, ourd) Älagesurücfnahme 16, burd)
Anerfenntniß 2 , burd) Verfäumnißurtheile 31, bur<h fontrabiftorifcheS
Enburtheil 210 , in anberer SSeife 92 Klagen. Der größte Tljeil
berfelben entfällt auf baS ©chneibergemerbe einfcpließlich ber
ÄonfeftionSbranche mit 69, herauf folgt baS äRaurergewerbe mit
51 unb bann baS ©chanfgewerbe mit 50 Klagen. 3n einem gaUe
war baS ©ewerbegericht auf ©runb beS §. 91 Abf. 6 ber ©ewerbe-
orbnungSnooeUe 00 m 26. 3uli 1897 (Uebergang ber Entfcheibung
einer ©treitigfeit an baS ©ewerbegericht an ©teUe beS 3nnungS-
fchiebSgerichteS) tljätig geworben. — 3nt VerichtSjahre ift baS
©ewerbegericht gum erften s lRale als EiniaungSamt angerufen
worben unb 3 war anläßlich beS ©treifeS ber '©teil- unb Rab-
machergefellen. Dem am 20. Auguft 1898 erlaffenen ©<hiebS-
fprudje haben fich beibe Theile unterworfen unb bie getroffene
Vereinbarung auch gehalten. Vei einem weiteren AuSftanb, bei
bem etwa 1000 Arbeiter betheiligt waren unb ber nach ca. £iv*ci
SRonaten mit bem Unterliegen ber ©treifenben enbigte, fam es 311
feiner Anrufung beS ©ewerbegerichts. Daffelbe führt in bem Sp¬
richt weiter aus: ES wäre 311 h°ff cn , Baß baS ©ewerbegericht
fortan häufiger bei AuSftänben in Anfprud) genommen würbe, um
fo mehr, als bie Heber 3 eugung allgemein oerbreitet ift, ba& bei
einem AuSftanbe beibe Theile ©dhaben haben, ©ollen aber
EinigungSoerfuche Erfolg haben, fo ift eS bringenb nothmenbig,
baß bie Anrufung gleich im Anfänge beS AuSftanbeS, beffer noch
oor beffen Ausbruche, ftattfinbet. ^at ber AuSftanb bereits längere
3eit gewährt, fo glaubt fich jebe $artei oor ber Anmfung hüten
3 U müffen, weil jie befürchtet, ber ©egner werbe barauS auf bie
©chmäche ber Vofttion beS anrufenben TheilS fchließen.
Ueberficht über bie Ttjätigfeit beS ©ewerbegerichts Hamburg
im 3ahce 1898. Die 3®hl ber anhängigen Klagen betrug 3166,
bie ber neu angeftrengten Klagen 3068. Von ben neu angeftrengten
Klagen würben angebracht oon Arbeitgebern gegen Arbeitnehmer
96, gegen Lehrlinge 15, oon Lehrlingen gegen Arbeitgeber 75, oon
Arbeitnehmern gegen Arbeitgeber 2875, gegen Arbeitnehmer 7. Die
3ahl ber Aubien 3 en betrug 299, bie ber Verhanblungeit 4302, bie
ber Labungen 4613. Die 3ahl ber Vergleiche betrug 1428, ber
VerfäuniniBurtbeile 456, ber Einfpriiche 164, ber Vef^lüffe 1567.
Klagen würben erlebigt burch SSergleidh 1440, burch rechtSfrüftiges
Verfäumnißurtbeil 321, burch Anerfenntnißurtheil 55, burch rechts*
fräftigeS Urthetl 3 U ©unften beS Klägers 262, beS Veflagten 348,
bureb 3wrüc!nahme 386, burch Versidjtleiftung 223. 3m (Hansen
wuroen erlebigt 3035 ©ad)en.
Vei bem ©ewerbegericht LubwigShafen a. Rh- (umfaffeitb
bie ©emeinben Altrip, LubwigShafen, SRunbenheim unb Rhein¬
gönheim) finb im 3ahre 1698 323 Klagen anhängig gemacht
worben (oon Arbeitern gegen Arbeitgeber 258, oon Arbeitgebern
gegen Arbeiter 20 unb oon Arbeitern beffelben Arbeitgebers 45).
Von 312 Klagen fonnten burch Vergleich 116 (37,i%), burch
3urücfnahme ber SHage 2 c. 143 (45,8%), burch Anerfenntnifc 1
burch Verfäumnißurtbeil 12 (3, 8 %), burch anbereS Eirb-
urtheil 40 (12, 8 %) erlebigt werben; 11 ©achen blieben unerlebigt.
Von bem Rechtsmittel ber Berufung gegen Enburtbeile würbe in
einem Salle ©ebraueb gemacht. Dem ©treitwerthe nach bewegte
fich bie größere 3ahl ber ©treitigfeiten — 243 — in ber erften
SBertbSftufe (bis 3 u 20 dt ), einen ©treitmertb über 100 dt hatten
8 Klagen. 3n weniger als einer 2So<be fonnten 152, in weniger
als 2 Wochen 101, in 2 SBocben unb mehr 59 ber anhängigen
©achen erlebigt werben. — Als Einigungsamt war baS &e-
werbegericht nicht tbätig.
firtefkaßen.
©erichtSfchreiberei beS ©ewerbegerichts IRitiei. Die gcwunfditen
SnhaltSoer 3 eichntffe 3 um 1 . u. 2 . 3 al)rgang werben Shneit in aller
Äür 3 e 3 ugel)en.
©tabtnsagiflrat ©chweiufurt. ©in Abbrud ber ©afeungen, bie 3 .^:.
oon bem Ausfdjuß einer eingehenben Durchficht untersogen werben, wirb
3hnen fofort nad) fJcrtiöftcUiing ber Arbeit 3 ugeftcüt. — Der 3ahrev=
betrag beträgt 20 Jt. f wofür gleichseitig ,,© 03 iale $rariö" imb
werbegericht" geliefert werben. 3« §olge BeS gefteUteif Erfiuhcus Inn
aUfeitig eine Erhöhung auf 25 M. u. 30 M. ftattgefunben. — V?egen
ber unliebfant oersögerten (Srlebignng bitten wir um Entfdjulbtgung.
9So«heuf<hrift „©oliale %Gentrnlblatt für ©sgialpolttif^
(Herausgeber: Dr. E. Stande, Verlin; Verlag oon Duncfer &
Humblot, Leipsig. 3 « besiehen burch fämmtliche Voftanftalten
unb Vud^hnnblungen sunt greife oon 2 dt 50 Vf. für baS Viertel¬
jahr einfchließlich ber SRonatSbeilage „Das ©ewerbegericht".)
9ir. 22 enthält u. A.: Ein beutfcheS SRufeum für © 03 iale
VrariS. Von Dr. Ern ft Stande, Verlitt. — Die gefeßli^e Re¬
gelung ber EigarreubauSinbuftrie. Von &ötjfd)fe, Voftor a. D.,
s fcinben. — Rationalliberaler Antrag auf genteinfame Drganifation
oon Arbeitgebern unb Arbeitern ber © roßinouftrie; Das SloalitionS-
redjt ber Arbeiter unb bie parlameiitarifchen Debatten in Deutfeh-
lanb; Einrichtung eines unteren ©rubenauffid)tSbienfteS in V^ c ußen.
- ©osiale Veglciterfcheinungen wirtlifdhaftlicfjer 3Banblungen in
Verlin. Von 9t. Thtcß, Cffenbad) a. VI.; ^inberarbeit in Eng-
lanb; Achtftnnbentag für bie ^ohlenbergleute in Amerifa; Rew-
| 5 orfer Arbeiterftatiftif; Arbeitslöhne in ber inbifdjett Vaumwofl*
inbuftrie. — Veauffichtigung ber ©ruben burch Arbeiteroertrcter
in ©roßbritannien, Sranfreich unb Belgien; amtlicher ^ommiffionS*
bericht. — Der Eentraloerein für Arbeitsnachweis in Verlin:
Arbeitsnachweis in Belgien. — Eine SRüller-Ein- unb VerfaufS*
oereinigung. Von Dr. ft. VHebenfelbt, ©runewalb-Verlin:
Der ©djwei 3 erifche ©enoffenfehaftsbunb; SFooperatiogefellfchaften
in Belgien. — Eine 28obnungSunterfud)ung in Heibeloerg. Von
SRay 3Rap, Heibelberg; VJohnungSnoth in beutfehen ©täbteu:
^BohnungSpolisei in Düffelborf; Vau oon Arbeiterwohnungen:
Verficherungsanftalten. — ftunfthiftorifche N lRufeen für bie ft'fein*
ftäbte in Ocfterreidf). Von Heinrich Abler, VHen: Ein Verfucfi
mit untauglichen 3Ritteln; H am ^ ur 9 er Volfsfdfjüler im ©tabt*
theater; AbeubfortbilbungSfchulen in Lonbon 1898. —■ ©chulärstc
in Verlin unb Eharlottenburg; 3 U * ©onntagSruhe auf ben fran-
Söfifdjen Eifenbahuen.
„®a8 ©etoexbegeri^t" erjetjetnt am erften Donnerftage Jeben SWonat« im SHlnbefhmtfange oon V. Vogen )um greife bon 1 89t — VefteOimgen
nehmen fammtlicbe Voftanftalten (Voftaeitungfmumnet 2877) unb VuchBanblimgen an; ein b irettet ®ej«g bon ber VetlagSbuCbhanblung finbet nicht flntt
«etlafl oon »uatfer * Dumblat, Sehnig. - •ebrutft bet gnltui «tttenfttt tn »ernn W. - »erantmortlU* für bie Rebaltlon: «tabtratb Dr. frCef*, gwmffitrt a. m.
IY. 34rgang.
'«Berlin ltnb $ranffuri a. SW., bcn 6. Slpril 1899.
Siummet 7.
fas ©ciofrbfgfridjt.
Utttthetlungen bes Uerbanbes beutfcfyer cßewerbegenchte.
Serantoortli# für bic Webaftion: b«r @ef<f)äfi§füF)Kr beS S3erbnnbcS, ©tabtratTj Dr. flefty, ^ranffurt a. SW.
grifft*! •* Mo|MMf|l<| J«*« _ _ r _. tM*Ü4 *
* 1 '■ ; •*“* CST - 1 ’ ■'V 8 ' ‘ ”
Betlag non * «nrntlot, 8ri«l0. “ Jtoftenfrele Beilage jur .©ojtalen qätajris*.
tnlj
2>tc SHiiWenbbatfeit bet §§. 611
btfl630 befi Bürgerlichen ©efefc*
bucf>efi (©ienftöertrciß) auf bie
©ienftberträge mit geroetb»
litten Ärbeiietn. Bon ©ewerbe*
richtet Dr. ©djalljotn, Berlin . 77
3ut rechtlichen Stellung bet
.Heimarbeiter. Bon ©mitffiolff,
Botfifcenbfn bet ©ewerbegcricht«
Offenbar...79
9 *rftfluvg unb ftrMrm .... si
»ollfttecJuns bet feiten« bet
©ewerbegerichtc berljängten
&aftftrafen.
Jteihtfprnhiiag. 82
^Mangelhafter ,Yleife unb mangelnbefi
gntereffe befi Lehrling« giebt beni
SHeifter nicht bafi 9techt jur foforti»
gen 9luflöfuiig befi Sef)tber^a!tniffe«.
(©etüerbegertcht Berlin.)
Bemeffung bet Bergfitimg für bie
$robebienft$eit bet glettbjettiget
Beteinbarung befi Sohnes ffit bafi
fpätere fefte 9lrbeitfiberhältni§. (©e» ]
iberbegeticht Veipjig.)
Siufibanbigung befiiürbeitfibuchefi. (©e*
werbegeritbt Meumfinfter.)
Slmbcnbbarfeit befi §. 122 bet @c»
metbeorbnung (SRedjt auf 14 tägige
ftfinbigung) auf ben 8(ngefteIIten in
einet Butterhaublung. (©etüeTbe»
geriet Sftoftocf)
©in Arbeitgeber, bet bet bet perfön»
liehen Borfteflung befi butcb Brief
alt
angenommenen Arbeiters erfährt, bafi
bet Arbeiter fo fdjroerbörig ift, bafc
et ibn fut fein ©efebäft nicht braunen
fann, ift befugt oon feinet Annahme*
etflätung aurüd au treten, (©eroerbe»
geriet SRfilheim, 9tubr.)
Unter welchen Sorawfifefcungen !amt
tierbientet £ohn alfi Sicherheit befi
Arbeitgeber« für ©djäbigungen burd)
fd)led)te ©efebäftfiffibrung fetten« befi
Arbeiters aurücfbebalten werben?
ttnanwenbbarfeit befi §. 119 a auf
biefen gfall. (©ewerbegeritbt .Ham*
bürg.)
©eiten, wenn petitanb natb feinem
Austritt au« einem Berhftltnijj alfi
SBerTmeifter wieber in baffelbe ein»
tritt, obtte ©eitere« bie für bafi
frühere Berhältnijj bereinbarten Be*
bingungen? (©ewetbegetidjt ^am<
buTg.)
|Uiif m tw § Iber #*w trfc*gerügte
vmb 3Urb*tt*»tmn£. 87
Aufi ben Sab««berichten bet ©e*
metbegerkbte.
Petition befi Berliner Beteln« „grauen»
wohl" betteffenb SSahlrecht bet
grauen ju ben berttflitben ©chiebfi*
gerieten.
#rteffcaptn. 88
©ewerbegericht ©anaig.
Snbaltfiangnbc bet „©oaialen B*anö".
Abbrud fämmtlicber Artifel ift 3ettungen unb geitfötiften geftattet, feboeb nur mit
boKer Quellenangabe.
Bit Ättwcttbbarhett ber §§. 611—630 be$ ßürgrr-
lid)en ®rfrbbud)es (Blcnjltirrtrag) auf bie Birnfl-
uerträge mit gemerbliiben Arbeitern.*)
Bon ©eioerberidjter Dr. @^all;orn, Berlin.
Öür bie rec^Ui^e S3eurt^eilung be^ ^ienfioertrageö mit ge*
roerblic^cii Arbeitern bleiben bie Borfcfjriften ber ©eroerbeorbnung
(£it. VII unb §. 154 be£ Sit. X) aud^ mit Snfrafttreten be§ Bürgers
liefen ©efebbu^e« in erster ßinie mabgebenb. (Bat. SOtohoe gum
1. dnimnrf, Bb. II @. 455; Senffd^rift gum (Intnmrf, 311 §. 604 ff.)
Ser innere ®runb hierfür ift ber, ba& fid; bie be^ftglid^eit Be*
ftimmungen ber ©eroerbeorbnuna im Berljältnifj jum allgemeinen
bürgerlichen 3^cd^t als ein Sonberredbt barfteUen, ebenfo rcie es
begüglicb beS Sienftnertrages mit fmnblungSgeljülfen baS §anbelSs
gefe^buth tbut; gegenüber älteren ©pejialuorfTriften aber befifct
ein neues allgemeines ©efeb bei nur tnljaltliiffem ©iberfpruc^
mit jenen — unb lebiglid) ein foldfjer fomrnt l>ier in fjrage —
*) Sir 2 trttfel 31t 626 B. ©.B. in ben betbeit lebten Hummern
btrfoi? Blattes haben bet 9 ?icJ>erfrfjrtft biefeS ^Inffa^eS noefj ntdht oor=
gelegen. llcbrigeiiS u>irb bei ber biesfritigeu ?(uffa|fnng oerblieben.
feine auf^ebeitbe Söirfung. Sie Borfchriften beS Bürgerlichen
©efejjbudbes über ben Sienftoertrgg finben ba^er auf beit gemerb»
lidben Stenftoertrag nur infomeit ?lnroenbung, als jtef) aus bem
Sn^alt unb ©inne ber Paragraphen ber ©emerbeorbnung
Segeln nicht entnehmen laffen.
hiernach f^ ei beit junädhft biejenigett Beftimmuttgen bes
Bürgerlichen ©efefebucheS attS, welche oon ben entfpredjenben ber
©eroerbeorbnung auSbrücflid) abmeichett. Sa§ finb:
1. §§.621 unb 623 beS Bürgerlichen ©efefcbudfjeS (^ünbigung
bes SienfioertrageS). Sie ©eroerbeorbnung oerlangt — fofern ni<f)t
befonbereBereinoarungen ober befonbere©rünbeoorliegen ober höhere
Sienftleiftungen in 0 rage fommen —- oier 3 ehntägige Sfünbigung.
Sagegen giebt ber §. 621 beS Bürgerlichen ©efebbudheS mangels
anbermeiter Slbrebe ÄünbigungSfriften, welche ben 3 e üräumen ent*
fpredhen, nach benen bie Bergütung bemeffen ift (Sag, Äalenber*
woche, 3J?onat 2 c.). Siefe bireft abweichenben Beftimmungen greifen
baher für gewerbliche Arbeiter nicht piafc. SBenn alfo 3 . B. Sage*
lohn, aber nichts über $hmbigung oereinbart ift, gilt nicht bie ein*
tägige $imbigungSfrift beS §. 621 Slbfafe 1, fonbern bie oier 3 ehn*
täaige ber ©ewerbeorbmtng. Unb wenn §. 621 ?lbfab 2 bei B3od)en*
lopn ft'ünbignng nur 311 m Schluffe ber 5falenberwothe suläfet, fo
fann bie oier 3 ehntägige ^iinbigung bes gewerblichen Arbeiters
nach roie D *>r 3 U jebem SSodhentage erfolgen.
©benfowenig gilt §. 623 bes Bürgerlichen ©efehbudhS (jeher*
3 eitige fiöfnng, faus nicht 3 ritlohn oerabrebet ift, jeboch swei*
wöchentliche ^ütibigung, falls bie ©rwerbsthätigfeit beS Arbeiters
hauptfächlich ober gan 3 in ^Infpntdh genommen wirb). Senn bie
^ünbigungsoorfchriften ber ©ewerbeorbituttg §. 122 finb allge*
mein^, ohtte ^Kücfficht auf bie §lrt ber £öhmtng gegeben.
Stud) als blofee ^luSlegiingSregeln fommen ote §§. 621 unb
623 bes Bürgerlichen ©efefcbiiches faunt in Stage. 3ft 3 . B. Sage*
bhn unb tägliche ©ntlaffung oereinbart, fo fann im 3 ™eifel nicht
etwa nach S- 021 Slbfah 1 wünbigung 3 um nächften Sage oerlangt
werben, oielmehr ift bie betreffenbe Bereinbarung nach allgemeinen
Regeln, inSbefonbere unter Berüdfilchtigung ber BerfehrSfitte (§. 157
B. ©.B.) auSguIegen.
2. §. 626 bes Bürgerlichen ©efebbudhcS (befonbere HuflöfungS*
griinbe). Sie ©ewerbeorbnung giebt für Arbeiter unb Öehrlinge
— abgefehen oon ben Säßen ber §§. 124a, 133b — beftimmte
SluflöfungSgrünbe; bie mangels befonberer Äbreben auSfchliefelich
ntafjgebettb "finb (§§. 123, 124). Ser §. 626 B. ©.B. bagegen Iäfct
bie fofortige Sluflöfung allgemein aus „wichtigen" ©rünbett 3 U.
Siefe Beraßgemeinerung fann baher auf gewerbliche SlrbeitSoerträge
— Ieiber! — nicht 2 lnwenbung finben. Slnbernfaßs hätte auch
§. 124a ber ©ewerbeorbnung, ber nur bei HrbeitSoerhäUniffen oon
oereinbarter, mehr als oierwödjentlicher Sauer unb längerer als
oie^ehutägiger ÄünbigungSfrift Äuflöfung aus „wichtigen ©rünbeu"
3 utäj 3 t, auSbrüdflich aufgehoben werben müffen.
3ebod) wirb jeber ©ntlaffungSgrunb ber ©ewerbeorbnung
3uateich als ein „wichtiger" im ©mite beS §. 626 gelten müffen
unb baher bie Wnmcnbuitg wenigftenS bes §. 628 beS Bürger*
liehen ©efejjbucheS, ber bet wichtigen ©ntlaffungSgrünben bie
©djabenserfafepflicht regelt, ermöglichen.
Serner erfdheinen einige Beftimmungen bes Bürgerlichen ©efe^
buchs beshalb nicht anwenbbar, weil fie nach ihrem Snhalte fich
nicht auf gewerbliche Sienftoerträge beziehen:
1 . §. 617. Siefer Paragraph ftatuirt eine Sürforgepflicht beS
Sienftberechtigten bei Sfranfheit beftimmter, in bie häusliche ©e*
meinfehaft aufgenommener Sienftoerpflidjteter. ©r fdjliefct aber
biefe Pflicht aus, falls bie .Mtranfeuoerfidjcruiig eingreift. Sa
I le^teres für bie gewerblichen Arbeiter 3 utrifft, fo entbehrt ber Para*
70
Tag ©eioerbegcricht. SRittheilungen beg Berbanbe* bcutfcher ©eroerbegerichte. 3^r. 7.
so
graph für gewerbliche Berhältniffe bcr Sebeutung. Stuf etwa nicht
franlenoerficheninggpflichtige Öc^rltngc fann er nicht begogen
werben,*) ba eg ftef) bei biefen int ©efentlicfjen um ein ßeljmer*
hältnih, nicht aber um eine ©rwerbathätigfeit hanbelt, ber §.617
aber ooraugfefct, bah bag Tienftoerhältnih bie drroerbgthatigleit
beg Serpflichteten in Anfprudf) nimmt. Auf nicht oerfidherungg«
pflichtige ©erftneifter enblich finbet §.617 nicht Anwenbung, ba (
bei biefen non einer Aufnahme in bie haugliche ©emeinfehaft ttidgi j
gut bie Sebe fein fann unb ba fte ihre „fefiett" Bezüge aud)
währenb ber 5?ranfheit, bei ©ntlaffung aber bie Vergütung noch
6 ©ochen — alfo analog ben Seftimmungen beg §.617 — fort«
besiegen.
2. §. 622 (längere tünbigunggfrift für SCngefteKte leerer
Art). Besieht fidfj nach feinen eigenen ©orten wefentlich auf ße|rer,
©rsteher, ^rioatbeamtc 2 c.
3. §. 627 (Äünbigung Tienftoerpflidhteier in befonberer Ser«
trauengftellung). SBegie^t fid) auf §>augärgte, 9te<htganwälte 2 c.,
alfo nid^t auf gewerbliche AngefteEte. (Sgl. T)entf<hrift $u §. 618
beg lebten ©utrourfg.)
©nblich finbeit §. 618 Abfafc 1 (Öurforaepflicht gegen ©e«
fäfjrbung oon ßeben unb ©efunbheit beg Serpfltchteten) unb §. 630
beg Bürgerlichen ©efefcbudheg (Sedf)t auf 3*ugni&) feine An«
wenbung, ba bie ©eroerbeorbnung in §. 120a bejw. §§.113 unb
127 c analoge unb augfüfjrlicbere Sorfc^riften giebt.
Tagegen bürften gegen bie Anwenbbarfeit namentlich ber
folgenben Barographen beg Bürgerlichen ©efebbucheg auch auf ge«
roerbliche Arbeitgoerhältniffe Beoenfen nicht obmalten, benn oie
©eroerbeorbnung enthält für bie barin geregelten Sanfte feine
Sorfchriften:
§. 612. Sergütung ohne befonbere ßohnabrebe.
§. 615. folgen beg Ser$ugeg beg Tienftberechtigten.
§. 616. Secht beg ®ienftoerpflic^teten auf gortbegug ber
Sergiitung bei unoerfdfjulbeter Serhinberung oon relatio fur^er
Tauer.
Seboch ift 3 U bemerfen, bah ber ©ntlaffungggrunb beg §. 123
Abfafc 8 ber ©eroerbeorbnung (Arbeitgunfähigleit) auch in ben gaEen
beg §. 616 burchgreift, ba eg nach jenem auf Urfacfte unb Tauer
ber Ünfähigfeit begro. Serhinberung nicht anfommt (ogl. o. Schulg
a. a. JD. 393).
§.618 Abfafc 2, 3. ©rftreefung ber gürforgep flicht beg Be«
rechtigten auch auf ©ohn« unb Sdhlafrautn beg Arbeiterg, foroie
0feftfteEung ber eoentueEen @chabengerfafcpflicf)t.
§. 624. Becht jur ^ünbigung lebenglänglicher Tienftoer«
hältntffe. 3ft alg groingenbeg 9tetf)t gegeben. Sgl. Tenffdjrift
jutn ©ntrourf §. 615.
§. 628. Sergleiche bie obigen Slugführungen $u §. 626.
§. 629. Beurlaubung beg gefünbigten Arbeiterg gum Auffuchen
eineg neuen Tienftoerhältniffeg.
Schliefelidh wirb §. 625 (ftiEfchroeigenbe Serlängerung eineg
abgelaufenen Arbeitgoerhältniffeg auf unbeftimmte 3 e ü) oielleicht
alg Sluglegunggregei in Betracht fommen fönnen, roenit bie aEge«
meinen Auglegunggregeln oerfagen foEten. Tie Sfünbigung beg
oerlänaerten Tienftoerhältniffeg beftimmt fi<h natürlich nach & er
©eroerbeorbnung.
3nt redjtltdjcn Stellung bet Heimarbeiter.
Bon ©mil ©olff, Borftpenbett beg ©ewerbegertdjtg Offenbart).
Aus Aitlah Des in Ar. 1 Des ©eiocrbegerid)ts oont 6 . Oltober 1898
aussugsmeife abgebrudten ©utachteng bes Begutadffunggaugfchuffeg beg
©ciuerbcgericffts Offenbach über bie „rechtliche (Stellung ber Heimarbeiter"
bat ber Herr Borfipettbe beg ©eioerbcgcrichts Berlin in ber Ar. 8 u. 4
ber genannten ^eitfehrift firf) über bie beregten fragen oerbreitet unb
gelangt in mehrfachen Begiebungen ju anberen Slefultaten, alg bag
jraglicbe (Hutachten. Um bie Slnroenbung beg (Hrunbfafeeg: qui tacet
consentire videtur, ju oerbinbern unb fobamt, roeil in §olae beg nur
tl)eilroei[en Slbbrucfg jenes (Hutachtens roofjl SÄißoerftänbniffe über ben
(ibarafter unb bie CHrunblagen beffclbcn entftanben fein fönnen, glaube
idj fur^ auf bie Aragen jurücffonimen ju foHen.
(^s liegen nunmehr Dreierlei Sluffaffungert oor:
1 . Tic .v>anbelgfammcr Cffenbacb, in fraglichem Jvall um eine Be=
gutadjtung angegangen, hatte fiefj mittelft ausführlicher Be*
grüubung baljin ausgcfprocheu:
bah auf ben fraglichen Slrbeiter unb überhaupt auf TjauS*
gcroerblidjc Slrbeitsfräfte in bcr Bartefeuille*
Slbroeidieub: u. Sdinl,^ im Slrdiio für nv.iale i^enlup'lnmq, XIII,
l. loi.
inbuftrie gleicher Slrt bcr §. 122 ber ©eroerbe*
orbnung leine nnroenbung finbe.
2 . Ter $err Sorftpenbe beg ©eroerbegeridhtg Berlin fommt ju bireft
entgegengefejjtem 9tefultat unb ift, geftü^t auf ein Urteil bes
oon ihm geleiteten ©erirfjtg, ber Änftcht:
bafe bie gegen @tü cf lohn thätigen Dffenbacher Heimarbeiter,
fobalb fie einem Arbeitgeber fi<h binben, alg unfelbftftänbige
f [eroerbli<he Arbeiter betrachtet werben muffen. SÄangelg be*
onberer Bereinbarung ftehe ihnen baber Mc oierjehntägige
StünbigungSfrift aug §. 122 ber ©eroerbeorbnung ^u.
3. Ter Begutadhtunggaugfchuh Offenbach hat eine mittlere SteEuug
eingenommen. ($r fotnmt auf ©nmb forgfältiger Sadhunter*
fudhung 511 bem Befultat:
bafe eine grobe Anzahl ber fogenannten Heimarbeiter in ber
Sortefeuide«, Bofamcntir« unb Schuhinbuftrie in Dffenbacb
mit einer Selb ftftän big feit ju Hanfe arbeiten, bie Derjenigen
fogenanntcr felbftftänbiger „Hauggeroerbtrcibenber'' ooll«
fommen gleidhfotnmt unb bah btefelben nach Sage ber
berjeitigen Berhältniffe im AH gemeinen feinen Anfpruch
auf bie in ber gabrif übliche ober oie burd) §. 122 ber ©e*
roerbeorbnung gegebene oieriehntäaige Mnbigunggfrift
haben unb eoenforoenig eine foldje einhalten müffen.
Ter Sdhroerpunft ber gaujen Srage liegt meineg ©rachteng in bem
3uftanb, ber auf Seite 20 ber SRotioe ju f. 2 beg (Sntrourfg beg ©e=
fe^eg 00 m 29. 3wli 1890 (cfr. T. ©ilhelmi unb Sfaft Anm. 2 ju §. 4)
rid^tig auf folgenbe ©eife gefdhilbert ift:
„Tie Stellung biefer B^fonen (ber Ha u *ial>aftrt e ) 1” ben
oerfdhiebenen ^nouftricen unb ©ebieten fei eine feljr mannig«
faltige, fobah biefelben halb iiberroiegenb alg felbftftänbige ©e*
roerbtreibenbe, halb als Arbeiter erfdjtenen. ©ine bur^greifenbe
SRorm, nadj welcher bie in ber Hauginbuftrie befchäftiaten B^*
fonen alg Arbeiter angefehen werben follten, fei Deshalb für bie
groeefe beg ©efefceg niqt angängig unb nud) eine nur bigpofittoe
Borfdjrift, nadh welcher jene Begel in Ermangelung einer ent*
aegenftehenben ftatutarifdhen Befttmmung Anrocnbung fioben
foffe, roerbe bei ber fdfjwer 31 t iiberfehenben Tragweite einer Der*
artigen Borfchrift am beften oerntieben/
©an 3 in llebereinftimmung mit biefen ©runbfäjjen unb im ©egen*
fap 311 Herrn 0 . Schuld bin td) ber Anftcht, bah bie Beurtheiluirg auch
ber Bechtgoerhältniffe ber Hausinbuftrie in ©rmangelung pofitioer ge*
fefelicher Regelung gan 3 roefentlidj nach ber tf)atfädhltc^en lofalen ©nt«
rotcfelung unb ben thatfächlidhen Berhältniffen ftaÜ 3 u}mben habe, unb
beghalb hat jeneg ©utachten auch ausbrücflich bie 2 age jener äwbuftrie*
jroeige „in Dffenbadh" unb bie „ber 3 eitigen Berhältniffe*
Hieran Dürfte auch feinegroegg eine anberroeite ©ntfeheibung bes
©eroerbegerichtg Berlin etroag änoern, 3 umal ba bag ©eroerbegetidn
3 u Öffenbach ben Offenbarer Berhältniffen näher fteht alg bag foorbi*
nirte Berliner ©eroerbegertcht.
Sm ©inseinen glaube ich auf einige Abführungen jener Auf fahr
noch eingehen 3 U foHen.
Herr 0 . Sdjuls bemängelt bie Augführung in ben ©utachten, wo*
naefi „Heimarbeiter" ber genereHe Begriff unb „Hauggeroerbtreibenbe“
im AHgemeinen ber felbftftänbige Heimarbeiter fet — H«r 3 u fei sunächfi
bemerft, bah bie fragliche Augführung Des hieftgen ©utachteng — in
erfter 2tnie polemifch gegen bag oben erwähnte ©utachten ber Hanbels*
Jammer gerichtet ift, in bem behauptet wirb, ber Begriff „Heimarbeiter"
lomme in ber ©efebgebung überhaupt nicht uor. Temgegenüber
würbe auf bag ©efep betreffenb bie ©ewerbeaerichte oerwiefen.
Aber auch bie Hiaweifc auf bie Berhaublungen in ber Äontmijftou
aus Aniah ber sweiten Sefung fönnen jumal in HtnbHd auf bie oben
citirte SteHe ber Bfotioe feiueSwegg bie Unrichtigleit ber meinerfeits
auf ©rnnb ber hieftgen tljatfächlicheu Berhältniffe gegebenen Teftnttioii
ergeben. — Bei ber auherorbentlidjen ©tttwidelung ber fraglichen Ber*
ffaltniffe in ber bü*fig«n Bortefeuillc* unb Bofamentierinbuftrie begreift
man aHgetnetn unter bem Begriff „Heimarbeiter" Denjenigen, ber für
einen anbern Arbeitgeber „ 31 t Haufe" ober „bal)cim" arbeitet, ber ntii
anberen ©orten „Heimarbeit" liefert, unb biefe Auffaffung fcheint audi
ber erwähnten Berorbnung oont 31. SWai 1897 oorsufchwebcn.
Ter Brobusent oon „Heimarbeit" tarnt aber 3 meifellog „uurth*
fdjaftlid) felbftftänbig" fein ober „unfclbftftänbig", unb baff man bem
Sefcteren im AHgemetnen nicht bag S^abitat „Snbuftriefler* (Haus*
inbuftrieHer) 3 ufpricht, bürfte fdfjon aug fpracftHchen Aücfftchteit ge*
boten fein.
Taff ja über bie hier üblichen Begriffe oielfach Unflarhcit herrfcht
unb baff toohl befonberg auf biefe Unflarbeit in ihren oerfdhiebenen
Nuancen nadh örtlichen Berhältniffen toohl Die Hauptfdnoierigfeit für
eine ^Regelung im ©ege ber ©efefjgebnng liegt, totrb biegfeitg ntdit
oerlannt. Um fo mehr aber fd)ien es mir alg bem Berfaffer jenes
©utachtcns angeseigt, bie aug Beobadjtung ber hieffgen BerbäUniiic
gefcfjöpfte Tefinition 31 t fi^tren unb baraug Sdilitffe 3 U stehen.
©aS bag SRaterienc ber ©ntfeffeibung beg ©utachteng betrifft,
meldjcs wefentlid) besweclte, ben SnbuftrieHen eine Tireltioc su geben
unb Streittgfcitci! oorsubeugeit, fo ftel)t baffelbe im Aflgeuteiucit auf
bem Stanbpunft ber Hanbelsfautmer, mobifi 3 irt benfelbeit jebodj aus
juriftifdieu ©rwägungeu auf ©ruub ber ^iatur ber $roetfeitigen Bei¬
träge. — Tie wirtbf<haftltd)c Selbftftänbiglcit ift bei biefer Betrachtung
81
Ta$ ©ewerbegericht. SttUheilungen be$ Perbanbes beutfcher ©ewerbegerichte. 9tr. 7.
82
ber maßgebenbe ©efidhtspunft gewefen, wofjl in gleicher ©eife, wie Bet
ber Perliner ©ntfdfjetbung. ©eitn Herr o. Schuig tu Bern g weiten Auf-
[ab befonberS httoorhebt ben Umftanb, baß bie fraglimen Arbeiter
gegen Stücfloßn arbeiten unb baß ber eigne Petrieb erforberlidj
fei, um jene Selbftfiänbigfeit als beftehenb angufehen, fo fönnen meines
©rachtcnS biefc Argumente nicht ausfdjlaggebcnb crfrfjeinen.
Tie Arbeit gegen ©tiicflohn bebentet bod) nichts anbcreS als
einen ^ahlungSmobiiS, ber auf bie Statur bes Vertrags unb bte ©elbft-
ftänbigfeit ber Pertragfchließenben einen ©influß nid|t hat. (Cfr. B«rju
§. 7 meines SchriftdtienS „Ter gabrtfarbeiter unb feine rec^tlid^e
Stellung.")
GBcnfo ift ber Begriff „eigner Setrieb'' gu fli'tfpg, als baß er
maßgebend httangegogen werben famt. ftum eignen Setrieb ift bodf)
mo|l nicht erf orberlich, baß mit fremben £mlfsfräften gearbeitet werbe.
Arbeitet aber ein Betriebsinhaber allein ohne fretnbe HülfSfräfte, fo ift
wofjl bie ©egenüberfieöuug: „Lohn" ober „Unternehmergewinn"
hinfällig; beibe beefen fiefj unb es ift beSljalb bie J&erangieljung biefer
Merfmale als ein SemeiSmittel für bie roirthfchafiliche Selbftftänbigfeit
nicht febr beweisfräftig.
©ic unßchcr berartige Merfmale übrigens toären, geljt audf) aus
ber ©ntwitfclung hitt Ijttüor: 3nnäd)ft arbeitet ber $ortefeniIIearbeiter,
ber etwa auf einem benachbarten Torf wohnt, in Dffenbadfj in ber
Fabrif. Tcmnädjft, wenn er btnreidjeub befähigt ift, erhält er bie
Rohmaterialien nach Haufe unb arbeitet allein auf bem Torfe; gu
Hülfeleiftungen lernt er ftch wohl bie grau an; bemnächft nimmt er ftch
einen Lehrling; fpäter bleibt berfelbc auch als ©efelle; nach einigen
fahren befdjaftigt er meileicht 3—8 ©efeflen. — Ter Arbeitgeber hat
Icbiglidj mit feinem früheren ^abrifarbeiter gu thun. Tie wirthfehaft-
liehe Selbftftänbigfeit jenes ift aber ftets bie gleiche, einerlei, ob er
allein, mit ber '^rau, mit bem Lehrling ober ©efellen arbeitet. — liefen
Serhältniffen trägt baS ©utadjten Rechnung; bie ©ntwicfehmg, wie
hier gefchilbert, erheifcht befonbere Bereittbaritng, fofern bie beftanbene
Kiinbigung aufgehoben werben foll. — ©eljt jeboefj ber fragliche Ar¬
beiter fpäter gn einem anbern Arbeitgeber über, ober arbeitet er für
mehrere Arbeitgeber, fo entftebt biefem gegenüber an fidfj ein Künbigungs-
ocrtjältniß nicht.
Ties ift nach Anpdjt beS ©utadfjtenS in jebem Stabiunt ber ge-
fchilberten ©ntwirfelung ber Fall-
Taß bie Folgerungen aus ben mittelft ber 9?ooeüen gur ©ewerbe-
orbnung eingcfchobenen Paragraphen nicht (ehr ficher finb, beffen war
ich mir bei Abfaffnng bes ©utacfitens fehr wohl bewußt, wie auch bie
an bem 8ufab gu §. 125 gefnüpften Ausführungen, bie in polemifrfjer
©rife gegen bas mehrerwähnte ©ntaäjten ber panbelsfammer gerichtet
Fmb, beweifen.
©ine gefefeliche Regelung ber oielfachert gweifelhaften Fragen be*
güglich ber jpansinbuftrie ift ja wohl unerläßlich- $tt Sorfchlag beS
Herrn u. 3djulg, einen befonbern Abfchnitt „Heimarbeiter" bem iitel VII
ber ©ewerbeorbnung eingufiigen unb int §. 119 b fowie §. 125 Abfafc 3
angugeben, baß beibe Seftimmungen lebiglich für bie „HanSgewerb-
treibenben" gelten, bürfte jeboch roefentliqjett Sebenfen unterliegen.
Tiefe Unterfdfjeibnng ift nicht nur bem Sprachgebrauch, fonbern auch
ben thatfächlühen Serhältniffen theilweifc bireft wiberfpredjenb. ©er
„baheim" arbeitet ober „gu Haufe" ein ©ewerbe betreibt, fann wirth*
fchaftlich felbftftänbig ober uufelbftftänbig fein. Mit poptioeu gefefc-
liehen Sorfdjriften in thaifäcßliche Scrhältuiffe abäitbcrnb eingugreifeu,
ift bebenfltcß. Tie 8rf)affung eines Abfdjuitts: „Heimarbeiter", fofern
barin gemäß bem biesfeitigen (Gutachten nur ber generelle Segriff,
alfo fowofjl felbftftänbigc als unfelbftftänbige Arbeiter (im ©egenfafc
gn bem ftets uorhanbenen Arbeitgeber) gu erblicfeit fei, bürfte mehr an¬
gegeigt unb bem Sprachgebrauch entfpredjenb fein. Fnnerhalb biefeS
AbfchnitteS wären getrennt bie beiben Abftufungen gu beljanbeln. Selbft*
oerftänblich wären ber Sehanblung genaue ©rhebuugen über bie that»
fächlichen Serhältniffe an ben ni^t fehr gleiten dentren ber Haus*
inbuftrie gu ©runbe gu legen.
^as weiter geäußerte Sebenfen aus §. 70 bes ©ewerbegerid^ts-
gefehes oennag ich nicht gu tljeilen.
l^aS ©ewerbegericht, ein ftaatlidjes ©cricht, unb beffen Sorfifcenbcr
haben bod) wohl ben Gb arfl fter einer „0taatsbehörbe", bie um ein
©utachten nachfucht. Ober foll man es auch für unguläfpg erachten,
bah be* SegutadjtungSauSfchuh einem orbentlichen ©ertcht auf Anfuchen
ein ©utachten ertheile?
lleberbies ift hitt ber Sorfi^enbe bes ©ewerbegertchts gleuhgeitig
Sürgcrmeifter = Seigeorbneter, alfo SorftanbSmitglieb ber Kommune,
©erabe in berartigen F^gen erfd^ien es angegeigt, nicht nur uon ber
HanbelSfamnter, fonbern auch anbermeit oon 0adhoerftänbigen ein
©utachten einguholen. ®ic gerichtliche ©ntfeheibung ift ftets nur fa =
fuifttfeh, ber ©erth eines berartigen ©utadjtenS ift: bie generelle
Fijrirung ber’mahgebenben ©runbfäfce.
Uerfa|fung nnb JBttfafjmi.
SoOfircdfuHfl b« ffttcnOtr ©etoetbegeti^le verhängten ^nftftrnfen.
2>aS ©roßhergogüd) .f)e f [i fchc ÜVinifteriutn be$ Innern hat
folgenbe SSerfüguna erlaffen, bie fidj im Söefeiitlicheu ber preu»
Hi fd>eii äRinifterialuerorbnung gleichen Setreffs aufchliefet;
Stach §• 36 Abf. 8 unb §. 24 beS 9ieid)sgefebeS betreffeub bie ©c-
werbegerichte oom 29. guli 1890 fönnen bie auf ©runb beS oorbegeidj*
neten ©efe^eS errichteten ©ewerbegerichte H^ftf^fen gemäb §§. 178,
179 unb 182 beS ©eridjtsuerfaffungsgeiefceS unb §§. 345 unb 855
Abfah 1 unb 2 ber ©ioilprogefjorbnung feftfefeen. iüc Sollftreduug
ber begeidhneten Strafen liegt gefehlid) unmittelbar bem SorFtfcenben
©ewerbegerichts als SoUftrecfungsbehörbe ob.
gut Sefeitigung oon Zweifeln, bie hiiifidjtlich ber Art biefer So0-
ftreefungen entftanben ü«b, unb gur Herbeiführung eines gleichmäßigen
Serfaljrens, nehmen wir im ©inoernehmen mit ©roßhcrgoglidjem Sti*
nifterium ber 3«ftiS Seranlaffung Sic auf FolQenbcs hinsnttjeifen:
I. Sofern am Crte bes ©erichtsfifccs gur Scrbüßuug geeignete
©emeinbe- ober poligeilidje ^»aftlofale oorhanben finb, ftnb bie
oerhängten .^aftftrafen in biefen gu oollftrecfen. ©egen Aufnahme unb
Uebcrfiihrung ber Häftlinge, fowie wegen bes ©rfafces ber burch bie
Strafooflftrectung entftehenben Äofteu finben bie nachftebenben Seftim¬
mungen unter II äifftt 2—4 einfdjHeßlich, ftnngemäße Anwenbung.
II. C'» ©rmanglung geeigneter Haftlofale ber unter I oorftehenb
begeid;neteub Art greifen folgenbe Sorfdjriften plap:
1. Xie ^aftftrafen fmb, fofern fie oon einem imterhnlb ber Amts*
gerichtsbegirfe Xannftabt, ©ießeu ober Staing belegenen ©ewerbegerichte
oerljängt worben fmb, in bem betreffenben prooingialarrefthaufe, im
llebrigen in bem ^aftlofale beSjenigen Amtsgerichts gu oollftreden,
innerhalb beffen Segirf baö bie Strafe üerfjangenbc ©ewerbegericht
feinen Siß hat.
2. $ie Aufnahme ber mit Haftftrafe Selegten in ber oorgenaunten
2luftalteu erfolgt gegen Sorlage eines oon bem Sorfifcenben beS ©c-
werbegerid)ts auSgufteQenben, ben beftchenben Sorfchrifteu entfprechenben
AufnahmefdjeiueS.
3. Tie Seranlaffung ber Ueberführung etwaiger Häftlinge in bie
Strafanftalt ift Sache beS Sorfipenben beS ©ewerbegerichts. Auf ©r-
fneben bcffelben finb bie Poligeibeljörbcn verpflichtet, bie Ueberführung
burch bie ihnen unterftehenben poligeiorgaite bewerfftelligen gu laffen.
4. Ten nach §. 8 Abfap 2 bes eingangs genannten ©efefccS ben
©ewerbegeridjten in ©innahme gugewiefenett Strafen fteljeu bie burch
Sotlgug oerhängten Strafen erwadjfenben Äoften (Haft unb etwaige
ItcberführuugSfoften) als Auslagen ber ©crichte gegenüber cf. §. 79 bes
©eriebtsfoftengefefces oon 18. 1878). ©s finb baher foroohl bie
nach Ziffer 3 oben coentuell entftehenben Ätoften, als audj bte, burdj
Fhre Permittelung ben Porftgenben ber ©ewerbegerichte etwa gugehrnben
.Moftenliguibatiouen ber ©roßfjttgogliehen Staatsanwaltfdhafteu unb
Amtsgerichte über Perpflegmtg oom Häftlingen ber in Siebe ftehenben
Art, entweber aus ©innahmen ber ©ewerbegerichte, ober in ©rmaugeluug
folcher aus’SKitteln beSjeuigeu üommunalocrbanbeS für beffen Pegirf
baS betreffenbe ©ewerbegericht errichtet ift oorlagSweifc gu begleichen.
Pleibt baS gegen bie Sdhulbtter ber Auslagen eiugeleitcte Peitrebungs-
oerfahrett] ergebnislos, fo hat bie beftnitioe Ueberuahme ber für unein¬
bringlich *gu* erflärenben poften auf biejenige tfaffe gu erfolgen, welche
oorlagSweife 3aht un 9 geleistet hat.
JUdjtfprtdjtrag.
Mangelhafter ^letfe unb mangelttbcS Fntcreffc bes Lehr¬
lings giebt bem Meifter nicht baS ftcdjt gur fofortigen Auf-
löfung beS LehroerhältniffeS. (Urthcü beS ©ewerbegerichts
Pcrlin, Kammer 1, oom 9. 9?oocmber 1897. — Porpfcen&tt:
giftratSaffeffor Tedjow.)
Ter Pormunb beS Klägers hat mit bem Peflagten ben fcbriftlichcn
Lehroertrag oom 11. Auguft er. oereinbart, welcher ©egenftanb ber Per-
hanblung gewefen ift. Ter Kläger ift in ©emäßheit ber barin auf-
genommetten Peftimmungen oom 1: Sult er. beim Peflagten in bie Lehre
getreten, aber bereits am 11. Dftober er. entlaffen worben, ba er an¬
geblich pdj oernachläfpgt nub nicht mehr ben früheren Fkife Auf-
merffamfeit gegeigt hat.
Peflagter fühlt ftch auch besmegeti gur fofortigen ©ntlaffung bes
Klägers Berechtigt, ba biefer wegen ©eigerung feines Pormunbes gur
Herausgabe ihm fein Arbeitsbuch nicht gebracht habe. Kläger hat be¬
antragt, ben Peflagten gn ocrurtheilen, baS Lchroerhältniß mit bem
Lehrling K. in ©rinäßfjeit beS LeliroertrageS oom 11. Auguft 1897 fort-
gufejjcn unb an ben Kläger oom 11. Dftober er. ab bis gu bem Sage,
an weldjem ber Lehrling wieber bei ihm ober in eine nnbere Lehre
eintritt, eine ©utfdjäbigung oon täglich \,u gu gal)leu.
Perflagter ip uadj biefem Anträge oerurtheilt.
©rünbe: Mangelhafter FtriB unb Futereffe eines Lehrlings giebt
bem Lehrmeiftcr nid)t bas Stecht, fofort unb ohne ©eitereS baS Lehr-
oerijältniß als gelöft gu erachten. Pei Ausübung bes ihm guftehenben
güchtigungsredits joäre Peflagter wohl in ber Lage gewefen, feiner Pe-
fchwerbc Abljülfc gu fdjapeu, unb gutnal, wenn er fid) beswegen mit
bem Pormmtb bes .Klägers ins ©iuoeruchmen gefept hätte. Tie ©eige¬
rung bes Pormunbes, bas Arbeitsbild) bes Klagers hcraiisgugebeii,
hätte Peflagter burdj cjeciguete geridulidie ©diritte befeitigeu müffeii:
baß er biefelbe bem Kläger will entgelten laßen, ift nidjt gu billigen,
88
£)a$ Geroerbegertcßt. S&ittßeüungen beS Verbanbes beutfcßer Gerocrbegericßte. Ar. 7.
84
Pmal er nicht fofort bei Antritt bes geßrocrßättmffc* ba* Such ein«
geforbert ßat. $er tägliche VerpfCegungSfaß oon 1,» Jt. ift ortSiibluß
unb gebührt bem Kläger pom Jage ber Gutlaffung, ba btefe ungerecht«
fertigt erfeßeint.
Venteffung ber Vergütung für bic probcbienft 5 cit bei
gleichseitiger Vereinbarung bes BoßneS für ba* fpäterc
fefte Arbeitsuerßältniß. (Gntfcßeibrotg beS GeroerbegericßtsBetp«
3 ig pom H. Cftober 1898.)
Jer Kläger ift in ber 3eit vom 15. bis 24. September b. 3-/ fflfo
im Ganjeit neun Jage, bei bem Veflagten als KeEner beßßäftigt ge-
ipefen. Jer Veflagte ^at i^m für biefe 3 e ü außer freier K oft unb
Vtoßnung ben betrag oon 4 /5 o JK in barem Gelbe, alfo 50 für ben
Jag gemährt, Vei ber Aitiiaßnte bcS Klägers finb bie Parteien bahin
übereingelommen, baß eS beui Veflagten in ber geil bis 511111 , 1 . DjftoBcr
b. 3* jeberseit freifteße, baS ArbeitSperßältmß $u löfen, baß er aber,
menn er bleibe, oom X. Oftober an gegen einen monatlichen Soßn poit
15 Jt bei oierjeßntägiger Künbigung feft angenommen fei. Kläger
perlangt für bie 3eit feiner Sefchäftigttng einen Jagelohn 001 t 2 Jf,
mithin Aadtaaßlung auf 13,6o Jt. Jie Klage mar ab juro cif eit.
Grüitbe: SBenn ber Kläger feiner Klagforberung einen Jagelohn
oon 2 M ju Grunbc legt, fo besieht er ffcß babei nicht auf eine unter
ben Parteien getroffene Vereinbarung, jonbern auf bie Aitgenteffenßeii
feiner Beiftungen. Ja$ Geroerbegericßt ift jeboeß ber Meinung, baß
biefer ©tanbpunft beS Klägers un$utreffenb ift, eS oielmeßr barauf an«
fommt, bie bei ber Annahme beS Klägers erfolgten Verabrebungen
nach ben für bie Auslegung pon Vertragen geltcnben Grunbfäßen aus*
Siilegen. Autt enthalt smar biefe Vereinbarung nichts barüber, me!<be
Vergütung bem Kläger roäßrenb ber bem 1. Cftober uoraufgeheuben
Vrobejeil su geroähren ift, rooßl aber Besagt fte, baß ber Kläger, roenn
er bei bem Veflagten perblcibe, vom 1. Cftober an bei pierseßntägiger
Auffünbigung einen SftonatSloßn pon 15 M erhalten foEe. SBäßrenb
alfo besüglich bes ^anptfäc^Iid^en beS Vertrages, nämlich roegen
bcS feft eit ArbeitSperßältniffcS, eine flare Veftimmung über ben Boßn
getroffen ift, fehlt eine [olcße nur ßinficßtlitß neben fachlichen
Vrobeseit. Jaß bie Parteien es unterlaßen ßabett, auch hierüber Ve*
ftimmtes s u vereinbaren, ift bureßaus erflärlith, roeil fte aber SBaßr*
ftheinlicßfeit nach barauf fein großes Vernicht gelegt haben. JaS Ge*
roerbegericht meint nun, roegen ber Vejaßlung bes Soßnes für bie
probejett fei ber oertnutßlttße VHEe ber Parteien bei bem Abfcßluffe
beS Vertrages baßin gegangen, baß bafür eine bem SAonatsloßtte non
15 M entfpreeßenbe Vergütung maßgebeitb fein muffe, roeil biefe Aus¬
legung am meiften mit ber roegen beS Soßnes überhaupt getroffenen
VertragSbeftiutmung im Gittflange fteßt, ein Jageloßn pon 50 /$ aber
mit einem SRonatSloßn pon 15 M anttähernb gleichbebeutenb ift. (Vgl.
$ 812 beS Vürgerlicßen GefeßbucßeS für bas Königreich ©aeßfen.)
AuSßänbigung bes Arbeitsbuches. (Gntfeßeibung beS Ge*
iuerbegerießts Aeumünfter oom 20 . gebruar 1899.)
Kläger roar oom 27. Januar b. 3 s. bis jum 15. Februar er. bei
ber Veflagten als ©trumpfrotrfer gegen ©tücfloßu befcßäftigt unb hat
mit bem letztgenannten Jage bie Arbeit uiebergelegt. Aadß ber gabrif*
orbnung roar Künbigung sroifcßeit ben Parteien ausgefchtoffcn. Jie
Aushänbigung bes Arbeitsbuches roirb non ber Veflagten oerroeigert
mit ber Vegriinbung, baß fte gegen ben Kläger eine Gegenforberung
im Vetrage Pon 9,60 M habe, beftcheub aus einem bem Kläger ge¬
roährten Vorfcßuß an Arbeitslohn oon 5 M unb beut Ae ft eines baaren
JarlehuS. Kläger habe ftrfj perpfliditet, bis jur JUgung biefer Olegeu-
forbenntg bet ber Veflagten in Arbeit 51 t bleiben. Kläger erfennt bie
Olegenforbcrung an, beftreitet aber bic Gingeßung ber genannten Ver¬
pflegung unb oerlangt bis jur AuShättbigung bes Arbeitsbuches eine
Gutfdiäbigung uon 2 .// für jebcu Jag.
Jie Klage roirb, foroeit auf bic Verausgabe bes Arbeitsbuches
gerichtet, für begriiubet erfannt, im Uebrigen erfolgt Abroeifung, ebenfo
roie für bie t^egenforberung ber Veflagten.
oiriiube: Jie Aieberlcgung ber Arbeit feiten© bcS Klägers roar
eine red)tmäßige Böfuug bes ArbeilsoerhältuiffeS, ba Künbigung ^roifeßen
ben ^arteten nusgefdiloffett roar, bas Arbeitsuerbältnis mithin jeberjeit
eiufeitig aufgehoben roerbeu fonnte. Jem fteht and) uidd entgegen bie
poh ber Veflagten aufgeftellte Vehauptung, Kläger habe fich perpffießtet,
bi‘S ,ymi Abtrag feiner ©rfjulb bei ber Veflagten in Arbeit 511 bleiben.
SSärc Kläger, roie er beftreitet, thatfädilidi eine foldie Verpflichtung
eiugegangen, io roären bnreh ioldic Abrebe bie Küiibtgungsfrtftrn für
betbe Jheile uerfdiiebcn gcroorbrn. Jtes roürbc aber bem $ 122 ber
oieroerbcorbmmg roiberftreiten unb bie Abrebe baburd) niditig gemadtt
fein. Gs hätte troß einer ioldjen Verabrebung bei bem Anfangs oer-
eiubarten Aiisfcßluß ber Künbigung fein Veroeuben behalten. Gefolgte
bie Böfuug bes Arbeitsuerhältuiffes redilmaßig, fo roar audj ber Arbeits¬
geber und) § lol ber (^eroerbeorbuuug oerpflidjtet, bas Arbeitsbud) bem
| Arbeitnehmer fofort bei Aufhebung bes ArbeitSperßäitniffeS eiuSju-
ßänbtgen. § 112 Abfaß 2 ber ©croerbeorbnung ßat ber Arbeii-
iiehmer roegen unredjtmäßigcr Ginbeßaltnng bcS ArbcitsbudjcS aEer-
bingS einen GntfdjäbigmigSanfpruch gegen beu Arbeitgeber. J)er Sledhts-
gruttb foldjer Grttfdjäbigungsanfprüchc ift jebodj uießt ber ArbcitSvertrag,
foitberu bie unerlaubte Vanblpng ber Arbeitgeber, uub ift baßer bas
öeroerbegerießt nlcßt suftänbig, über biefen Gntfcßäbiguitgsanfpriith 5 u
cntfdjeiben. Gbenfo feßlt bem Oleroerbegertchte bie guftmibtgfeit jur
Gittfcßctbuitg über bie oon ber Veflagten geitenb gemachte Regelt*
forberung gegen ben Kläger. Jer oom Arbeitgeber beut Arbeiter ge¬
leitete Vorfcßiiß ift als Jarleßn auf^itfaffen. Jie ©egenfotberung ßat
mithin ißren VccßtSgrunb in einem srotfdjcit ben ^arteten abgefcßloffeneu
JarleßnSoertrage.
AntoeubbarfeU bes §. 122 ber GJeioerbeorbnung (9ted)t
auf 14 tägige Kütibtgung) auf ben Augeftellteu iK einer
Vutterßanblung. (Urtßeil beS (^croerbegericßtö Aoftotf.)
Ja ber Veflagte fcßlteßlidh ctngeräutttt ßat, bem Kläger aus rüd-
ft an big em Soßnc nod) 5 ,m Jt . fcßulbig ju fein, fo tPär er roegen
biefeS VetrageS, fo rote gefdjeßen iff, 5 U oerurtßeileit. VSenu ber Kläger
bann aber roeiter 26 JL als Gntf^äbigung bafür eingeflagt ßat,
baß er am 29. Januar b. 3- vom Veflagten, oßne baß er 14 Jage
juoor gefünbigt fei, euilaffen fei, fo ßat jroar ber VeFlagtc zugegeben,
baß ein SBocßenloßn oon 18 Jt. bei ber AnttaßmebcSKlägerS sroifdjeu btefem
unb ißm uerabrebet fei, ßat aber beftritten, baß bem Kläger bas 5Hecßt auf
14tägigeKüubigung 5 ufteße, unb behauptet, baß er febenfafls 5 m* Gntlaffung
beS Klägers um beSroiEen berechtigt geroefen fei, roeil biefer fein
mißhanbelt ßabe. Jie leßtere Vcßauptung bebarf eiueS roettcren Gin*
geßens nießt, roeil bie erftere, baß bem Kläger tm ArbettSperßältniffc
beim Veflagten ein Vecßt auf 14 tägige Künbigung nießt jugeftanben
ßabe, begrüubet erfd>eint.
J)er Veflagte betreibt einen Vutterßanbel, ift alfo sroeifelSoßuc
©croerbetreibenber tm ©ittne ber Oleroerbeorbmtttg. Jer Klager ßat
fteß bet ißm als Arbeiter irt feinem OJeroerbebetrieb, inSbefottbere 51 U 11
AuSfaßren ber Vutter an bie Kunbelt oerbungeii, er ift alfo geroerb*
Iidjer Arbeiter im ©inne bes Jit. Vll ber Gteroerbeorbnung, unb bic
Veftimutungen bes AbfcßnittS I ^AEgentetne Verßäitniffe^ ffiibeii auf
ißn Aitroenbung. 3n Mefetn Abfcßnitt ift aber nießt bte Aebe oott
KunbigungSred)t, fotibern ber bieS beßanbelnbe §. 122 jteßt m bem
II. Abfdpiitt, ber bte Ueberfcßrift trägt: „Verßältniffc ber Wcfeüeu unb
OJeßüIfen", unb bur(ß §. 134 ift bte Anroenbbarfeit bes §. 122 nur auf
„fabrifarbeitet" auSgebeßut roorben. Ja ber Kläger in feinem Arbeit*-
perßältniffe beim Veflagten fußer fein Sabrifarbeitcr geroefen ift, fo
fantt ber §. 122 nur bann auf ißtt jur Auroeubung gelangen, roeun feft*
fteßt, baß er unter ben Vegriff # ©efcEc uitb ©eßülfc" ju fubfutnmiren
ift. JaS ift aber feineSroegS ber gab. ©cßon ber gemeine ©praeß-
gebrauch fteßt bem entgegen, unter ©efeEen ober (Seßülfen roirb gatij
aflgemetn ber tecßitifcß oorgebilbete Arbeiter tut V an t>roerfSbetriebe per*
ftanben, unb bie GntfteßungSgefcßtcßte ber Geroerbeorbmttig seigt beui*
ließ, baß aueß tn ißr unter Gefeiten uttb Geßiilfen uidjtS anbereS »er*
ffattbeit roirb, als roaS ber gemeine ©praeßgebraroß fo benennt.
©cßon in ber Geroerbeorbnung oom 21. 3unt 1869 gerfäfli ber
Jit. VII, ber pon ben „Geroerbegeßülfeit, GefeEen, 2eßrlingen, gabrit*
arbeitem" ßanbelt, in 5 tuei Aöfißnitte, oon benen ber eine bie „Ver*
ßältniffe ber Gefeflen, Geßülfen uub fießrltnge", ber anbere bie „gabrif-
arbeiter" betrifft, uttb ber erftere biefer Abfcßnitte ßanbelt sub. 1 ooit
ben „Verßältniffen ber GefeEen, Geßülfen unb Beßrlinge im Aflgc-
meinen", sub. 2 aber irtSbefonbere a, pon ben Gefenett unb Gcßülfni,
unb b poh beu üeßrlingen. Jiefe Giutßeilung roirb oon ber Olcroerbe*
orbnung in ber gaffung beS GefeßeS Pont 17. 3uli 1878 int SBefent*
ließen beibeßalten, roaßrenb ber Jit. VII 0011 nun ait bie Ueberjcßrift
trägt: „Geroerblicße Arbeiter (GefeUett, Geßülfen,. Beßrlinge, gabrif*
arbeiter)", uttb bie Geroerbeorbmmg irt ber gaffung beS GefeßeS pom
1.3unt 1891 ßat im Uebrtgen bie gletdje Gintßctlung (AEgeineinrS,
GefeEen unb Geßülfen, Beßrltuge, gabrifarbeiter) beibeßalten, mir baß
Sroifcßett „Beßrlingc" unb „gabrifarbeiter" eine neue Abtßcilung: „Vc s
triebsbeamte, Vkrfmciftcr, Jecßttifer" eittgefdtoben ift. 9fiut ergiebt ftdi
aus beu §§. 109 imb 114 ber Getperbeorbnuttg ooit 1869, roclcße betbe
Paragraphen tu bem „ittSbefoubern" uon beu GefeEen uub Geßülfen
ßanbdnbcu Abfdjnitte II a bes Jit. Vll fteßen, baß unter GefeEen imb
Geßülfen tedjuifd) ausgebilbete im VanbroerF befcßäftigte perfotten 511
perfteßen fiub, beim ber §. 109 befttmmt, baß bie Gefeüen unb Geßülfen
perpfliditet ftitb, beu Auorbitungeit ber Arbeitgeber in Ve 5 ießuug auf
I häitsliritc Giuridituugen golge 51 t leiften, foroie baß fte nicht pcrbunbeii
j finb 511 häuslidieu Arbeiten, imb in 114 ift feftgefeßt, baß eine Ver=
pfltditimg ber Gefeiten uub Gehülfett 511111 SBanbertt nidit mehr ftatt-
j fiubet 1111 b baß fie feinen Aufprudi auf Unterftüßung feiten* ihver
| otcroerbsgeitoffen haben -- alles Veftimntungcu, bic tn Vf 511 g auf ge-
, roölmlidie Arbeiter crlaffcu, feinen ©iutt haben roürbeu.
86
85 $5a$ ©ewerbegeridjt. HRitiheiluitgeu be$ HJerbnnbeS beutfcßcr ©emerbegericßtc. Htr. 1 .
$arauS « 6 er, baß ber §. 109 fomobl bet bei* SReurebaftioit oon
1878 als bei ber oon 1891 unoeränbert itnb an berfelben Stelle er«
halten tft (NB. ber jc^ige §. 121 ), folgt, baß betbe HRale unter „©e*
feite uttb ©ebülfc" baffelbe oerftanbeit ift, tute in ber ©ewerbeorbnung
non 1869, mtb bas umfomebr, als es itttbettfbar tft, baß eine fo etn*
feßneibenbe 9 ?efttmmung wie bie, baß fortan bie unter ber Hhtbrif „©e*
feilen unb ©ehülfen" enthaltenen 93orfcßriften ber ©ewerbeorbnung auf
äße gewerbliche Arbeiter Anwenbuttg fittben foßen, nicht bitrd) anber*
meitige ©Iteberung beS Stoffes ftar junt AttSbrurf gebracht fein foßte,
wäßrenb hoch baS, was für aße gewerblichen Arbeiter 1878 unb 1891
neu eingeführt werben foßte, 3 . 93. 1878 bic 93eftintmungcn über bas
Arbeitsbuch uttb 1891 biejenigen über bic Sonntagsruhe/ betbe HRale int
litel „Aßgemcine 93erßältniffe" $laß gefuttben haben. (SS erübrigt
noch, barauf ßi^itwetfen, baß bte gortlaffung beS §. 114 bei ber 9?eu*
rebaftton ber ©ewerbeorbnung im gaßre 1878 oorftehenben Ausführungen
nicht eutgegenftcht, ba bie 9*eftimnmngen bicfeS Paragraphen als felbft*
oerftänbltd) imterbriicft ftub. (cf. bie H?ote 311 §. 121 am ©nbe in ber
bei ©uttentag 1898 erfchienettett Ausgabe ber ©ewerbeorbnung oonBerger.)
©nbltcß ift noch heroorjuheben, baß in bem neuesten ©efeße, be*
treffenb bie Abänberung ber ©ewerbeorbnung oom 26. guü 1897 in
bem oon ben Innungen ßanbelnben Abfchnitte überaß ©efeße unb ©e*
hülfe als ibentifch gebraucht ift, wie barauS ßeroorgeßt, baß, fo oft
bas 9 Bort „©efeße" gebraucht tft, in klammern ßinsugefiigt ift ,,©e*
hülfe* 7 , unb baß biefen ©efeßett unb ©ehülfen (cf. 3 . 93. §. 81 b ber ©e*
werbcorbnung sub. 8 unb 4 ) bic gewöhnlichen gewerblichen Arbeiter
ausbrütflich gegenübergefteßt finb. (cf. auch Htohmer: bie $anb werfer*
ttoocße, Htotc 4 31 t §. 8 la ber ©ewerbcorbnung.)
©rgiebt fich aus Allem, baß unter ©efeßett unb ©ehülfen, wie
überhaupt in ber ©ewerbeorbnung, fo auch im Abfchnitt II bcs lit. VII
berfelbctt auch heute nodj baSjentgc 31 t uerfteßen ift, was bte ©ewerbe*
orbituttg oon 1869 banmter oerftanbeit wißen woßte, näntltd) tccßuifd)
auSgebilbcte Arbeiter ber .fmttbwerfer, fo folgt im 9Beißalt beS oben
93 cmer!tcn oon felbft baraus, baß gewerbliche Arbeiter, wenn fte nicht
citlweber .^anbioerfsgefeßen ober gabrifarbeüer ftnb, ein Stecht auf
14 tägige Winbigung n i d) t haben.
gnfoweit alfo war ber .Wäger abjitweifett, bic floften aber waren
entfprechenb ben Beträgen, mit benen ber Wäger obgeftegt hat, refp.
betten er unterlegen ift, 311 ! /c beut 93cflagten, jtt 8 /« bent .Wäger auf*
juerlegen.
Antnerfuttg ber Hiebaftion: 35$tr bringen biefeS Urtßeil um
feiner ausführlichen 93egrünbung wißen, jebodj mit beut ausbrütflicßen
93etnerfen, baß wir unfererfeitS mit bem Urtheil nicht einoerftaitbrit ftnb,
wie uns audj fein ©eroerbegeridjt befannt ift, beffeti Praris ftch auf
biefen Staubpunft gefteßt hat. ©efeße unb ©«hülfe in ber Ueberfdirift
beS betreffenbett Abfrfjnitts bes Titels VII ftnb nicht ibentifche AttSbrücfe,
fottbern einanber ergänjenbe unb ertlärenbe.
©in Arbeitgeber, ber bei ber perfönlichen Sorftellung
beS bureß 93rief angenommenen Arbeiters erfährt, baß ber
Arbeiter fo ftßwerßörig ift, baß er ihn für fein ©efchäft
nicht brauchen fann, ift befugt oon feiner Annahmeerfläruttg
jurüefjutreten. (©ewerbegericht HRülßeim, oom 22 . ^ej. 1898.)
$>er Scßußmacßermeifter 93. hatte eine ©ehülfenfteße auSgefchrieben,
darauf inelbet fuß ber Wäger &. oott $>. fcßriftlid), 93. fdjreibt ihm
am 2 . b. HR. fofort 3 U fommen, St. teilt barauf bem 93. am 8 . b. HR.
mit, baß er fcßwerßörig fei unb forbert, baß er eine Scßlaffteße aßein
für fich ^halte. hierauf antwortete 93. nicht, am 7. b. HR. tritt St. bei
3$. an. $te Sd)werhörigfeit beS St. ift fo ßarf, baß 93. unb St. ftch nur
fcßriftlidj oerftänbigen tonnen unb beSßalb bort ©ittfteßuttg oerweigert
wirb, hierauf forbert St. eine ©ntfehäbigung non 18 JC.
©rünbe: $)er Wäger W ift mit feiner Wage abgewtefen. AIS
ber 93eflagte 93. ben Wäger St. aufgeforbert hat, 3 u ißm in Arbeit
31 t fommen, hat ber leßtere feine ©chwerhörigfeit nidht erwähnt, erft
in bem jweiten 93riefe oom 8 . b. HR. teilt er bieS betn s S. mit, ber
barauf gar nicht antwortet unb bei ber perfönlichen 93orjleÜung erfährt
ber 93eflagtc 93., baß ber Wäger Ä. fo fdjwerhörig ift, baß er ftd) mit
ihm nur fdjriftlid) oerftänbigen fann.
AIS ber 93eflagte bem Äläger fdjrieb $u fommett, war er berechtigt
attjunehmen, baß ber Äläger gefuttbe Sinne habe, wie bieS bei jebent
Arbeiter oorausgefeßt wirb. J?a nun bei ber perfönlichen Begegnung
ftrf; herausfteßte, baß ber Kläger fo feßwerhörig war, baß ftch bie
Unterhaltung nur fcßriftlidh führen ließ, bem Wäger alfo eilte ©igenfd)aft
fehlt, welche gewöhnlich oorauSgefeßt wirb, fo war ber 93eflagte be*
rechtigt, oon ber Annahme bes 5f. jurüdjutreteu. (A. Ö.Ht. I. 4. 81.)
33ei ber 93erhattblung oor bem ©ewerbegcrichte fonnte mit bem Wäger
nur fchriftlich oerßanbelt werben.
Unter welchen SorauSfeßuu^eu fann oerbieuter ^ol>u
als Sicherheit bes Arbeitgebers für ^chäbtgungen bureß
l'djlccßte ©efcßäffsfithrung feitenS beS Arbeiters äurfiefbe-
halten werben? Unanwcnbbarfeit bes §. 119a auf biefen
SaII- (Urtßeil bes ©ewerbegerießts Hamburg.)
©S flagt ber 9?äcfermetfter SB. gegen ben Wtecßt HR. auf gaßlitug
etttes Sdjabenerfaßes oon 9 M weil leßterer ben iienft oßue Äünbi*
guttg oerlaffen habe, erhöht aber tut HJcrhanblungStermine biefc
gorberung auf bie gcfeßlicßc 9?itße oon 18 at., bie ihm nach §. 124 b
ber ©ewerbeorbnung für ben angegebenen gaß jufteße. 2 )er s 3 eflagte,
9R., erwiberte, baß er nießt in feftern Öoßn bei bem ©äefermeifter 93.
geftanben, fottbern nur gegen ^rojente, 7% oom 93erfauf, gearbeitet
habe. $>en ^ienft habe er oerlaffett, weil biefer ißm bte Zahlung bcs
Lohnes oerweigert uttb nur 3 JC. k conto gezahlt habe, unter bem
93orgeben, 10 M . für etwaiges HRattfo cinbej)nlteu 31 t tttüffen, oott
benen er aber täglidj 2 Jt aßabettblicß in ben folgettben hagelt abheben
föttne. ©. gab 31 t, an H)?. ben fioßn fchulbig gewefeit 311 fein, bod)
habe fid> am leßten 2age eine S)iffereit 3 oon 7 JC 311 feinen ©unflett
ßerausgefteßt, weshalb er als gidjerbett für fernere £iß'eren 3 en 10 M.
einbeßalten habe. $aS ©ewerbegerießt wies febod) ben Säcfermeifter
mit feiner ©ntfcßäbigmtgSflage foftenpflicßtig ab, ba er ttießt berechtigt
getoefett, ben Soßtt oßtte ©ittwißigung beS SIR. einjiibehaltcu. A'ad)
§. 115 ber ©ewerbeorbnung fiitb ben Arbeitern bie gefcßutbeteit Söhne
baar auS 3 U 3 ahIett, aud> fteße bem SB. nießt ber §. 119 a 3 ttr (Seite, ba
er ben Sohn nießt etwa als Sicherung für ißm bureß eilt plößlicßeS
Oerlaffen bei* Arbeit feitenS beS HR. entftchenbeit Scßaben einbehalten,
fottbern als Sicherheit für ein ißm bureß .bic ©efdjäftsiührmtg biefeS
angeblidj entftaubencS ^efi 3 it. Aucß tut erfierett gaßc ßntte bie l*ol)tt»
einbeßaltuug bei ber eitt 3 elnett SohttauSsahlung ßödjftenS V 4 beS Sohnes,
ber hici’ I 9 M. bie 9Bodje war, betragen bitrfett. 9Soßte ber Arbeit*
geber für ben 3 wciten gaß ftdjcr gehen, fo hätte er beitu Abfcßluß bcS
ArbeitSoertrageS 31 t biefem ^aerfe oon feinem Arbeiter ftd) eine Sidjcr*
heit, refp. .Kaution fteßen laßen füllen, ntd)t aber burfte er einfeittg,
ohne ©inwißigiiitg beffelben, über ben biefem gefcßtilbetcn Voßn oer*
fügen.
©eiten, wenn gemaub uad; feinem Austritt aus einem
93erhältniß als Serfmeiftcr wieber tnbajfelbe etuiritt, ebne
Weiteres bie für bas frühere 93erßältttiß oercinbartctt 93e*
bingungen? (Urtheil bes ©ewerbegerid;ts Hamburg.)
£er SBäcfer g. war oon ber gtrttta u. © 0 . feit Sommer 1896
als 98ertmcifter bet einem HRonatSgeßalt oott 100 ji. unb freier HBohnuug
unb einmonatlicßer gegenfeitiger Äünbigung augefteßt. 93 ?cgett einer
gegen einen 93erwaubteu ber 93eflagteti angeblich oeriibtett Unrecßt«
fertig feit hatte g. eine breiwöcßtgc ©efängnißftrafc 3 U oerbüßen unb
trat banadß am 1 . gebruar b. g. wieber in feilte Stcßung citt, oßjtc
baß irgettb eine Aenbertutg in ben 3?ebiitguugett cintrat, nur fiel bic
freie HBoßnung gegen eine ©ntfcßäbigung oon 4 M. pro HSodje fort,
fo baß er 28 M. pro 9S3ocße erhielt. £a er nun am 4. April oßue
Äünbigung entlaffen würbe, flagte g. auf 3 aßluug eines etumouatlid)cit
ScßabenerfaßeS oott 112 JC uub auf Ausfteßuug eines ©utlaffuitgs*
fcßeineS, inbent er baS Sdjrctben ber 9?eflagteu oorlcgte, gruub befielt
mit ißm eine eimnonatlicße Winbigung oereittbart war. ^ic 93eflagteu
behaupteten, baß nadjbent ber Wäger wegen eines HkrtrauenSbrucßcS
eine breitoödjige ©efängnißftrafc oerbüßt, fte tßit nur auf 93 ittctt feiner
grau wieber etngeftellt hätten, jeboeß fei ber urfprüngltcße Vertrag burd)
bie bantaltge ©ntlaffung beS Klägers ungültig geworben unb fei nun*
meßr bic ben ©efeßen gegenüber in ihrem ©efdjäfic gcltenbe Arbetts*
orbnung, bie als $lafat in beit ArbeitSräumeu oßenfidjtlid) ßätige uub
naeß weld)er Winbigung überhaupt uidjt eriftire, aucß für ben Wäger
ntaßgebeitb geworben, dagegen wies ber Kläger barauf bin* baß er
wieber in feine alte Steßung als HBcrfntcifter eiugctreten. ^aß ber
Äläger btefelbc £ßätigfett wie früßer fortgefeßt, mußten bic Söeflagteu
3 ugeben, beßarren aber bet ißrem fonftigen 93orbrittgeu. 3ur 93e*
urtßeilung ber Sacßc felbft jei oon ber grage auS 3 ugcßen, ob unb
wie toeit bie 93eftintmuugen bes Sdjrcibcits oont J9. Anguß 1890 and)
für bic Höiebcreinftcßuug bcS Klägers aut 1. gebruar 1897 maßgebeub
feien. Abgefeßett oott bem Htecßte auf freie SBoßmtng, fei btes 3 U bejahen,
^er Kläger fei für bte gleidjen Seiftungen wieber in bie Arbeit ein*
getreten; eine Aettberuitg itt ber Winbigung fei ißm nidjt tiiitgetßeilt,
wäßrenb es ein anerfamttcr HtedjtSgrunbfaß fei, baß Acttbcruugcu bc=
fteßenber 3 u flänbe uttb 93erßältniffe redjtlidi nießt oermutßet werben,
oielmeßr fpe^teß mitgetßeilt werben müßten. So fei and) bie 93eftim=
tnung wegen ber freien SBohmtttg fpesieß aufgehoben uub bafiir eine
Sohnerhöhung 3 ugebißigt. gaßs bie 93cflagten glaubten, baß für beu
HBiebcreintritt beS Silägers bte früheren 9?eftitmmutgeu überhaupt uidjt
in 93etrad)t fäntett, fo habe gar leine l^eranlaffung oorgelegen, eine
einzelne SBeftimmung 3 U äitbent, noch gar au Stelle ber aufgehobenen
93eßitmuuug fuß 3 U einer anberen Sctftung 311 oerpfHcßteti. Auberfeits
hätte es feßr ttaße gelegen, jugleid) mit ber greiwoßnuug atuß bie
monatliche Winbigung aufsnßeben. Soweit alfo bie früheren 93eftim=
mungen nid)t aufgeßoben feien, müßten fie aucß nach betn 1 . gebruar
TaS ©emerbegericbt. 3J?Utfjcilmigen beg BerbanbeS beutfäct ©eroerbegeridjtc. Ar. 7.
fortbeftcbeii. Ter Kläger fotinte bei feiner gleiten Tl)ätig!eit iiid)t an*
nehmen, baß er jebent Bäcfergefclleu gleidjgeftcllt werben follte, unb fei
gur ©inhaltung einer cinmonatlirijen Münbiguiigsfrift bcrcdjtigt gemefen,
bei ©rinaugelung einer foldjen an Stelle ber nadj §. 124b ber ©ewerbo*
orbmtng feftgefeßten ©ntfdjäbigung einen Srfiabcnerfaß gu forbern. Tiefer
beftefie in bem ibut mäbrenb eines? Atonal* entgangenen ©ciuiun oon
112 M., unb bedürfe es? md)t eilte* weiteren Bcweifcs, ba ntd)t be*
bauptet worben, baß ber Kläger wäbrenb ber 3rit 1,01,1 4. April bis?
4. SAai anberweit eine loljneube Tbätigfeit gefunben.
An nt. ber Aebaftioti. ©S wirb nitfjt überleben werben fömieit,
baß gerabe bei berartigen fragen bie tbatfäd)lid)ett Berijältuiffe bes
einzelnen ftafle* eine befonbere Aollc fpieleu. ©in allgemeiner ©aß,
baß g. B. ein Bauarbeiter obuc Weiteres bei einem Acuengagement bic
früheren Bebingungcn geniest ober geltenb madjen fann, wirb fid) nid)t
behaupten laffeu.
Mgemetnes über (Btwerbegertdjte unb
^rbeiteoertrag.
9 foS ben SabreSberidtien ber ©etoerbegertdjtte*
Abnahme ber Klagen. — ©eringeS Sntereffe ber Arbeitgeber. —
Tie Beifißeroereinigung ber Unterweferorte. — (Gutachten unb
©inigungSämter.
Aeu eingegangen fiiib bie Beriete ber ©ewerbegeridjte nort
Bannen, Tarmftabt, Teffau, ßberswalbe, ©eilbronn, Königsberg,
Btannheim, Btagbebitrg, Ölbenburg, Saatfeld a. b. ©., Itlm unb
Bkimar. ©in Tb e ^ üiefer Scripte, barunter leiber aud) ber bes
fo wichtigen ©ewerbegerichtS Btagbeburg, befdjranft fid) auf wenige
ftattfiifdje Taten. Anbere, inSbefonbere bie non Königsberg,
Bromberg unb Mannheim, fowie bie in ber nötigen Ar. 5 ©p. 74
erwähnten ©ewerbegericf)te Bremen unb Bkitnar bringen aber
wid)tige Beiträge gunt lieben ber ©ewerbegeriebte, auf bie gum
Tdjeil in befonberen Referaten gurüefgufommen fein wirb.
Sntereffant ift, baß mehrere ©ewerbegerichte, namentlich Teffau,
Barmen, Bkintar unb Bremen Fonftatiren, bah bie 3<*bl & er . atts
geftrengten Klagen unb ber Anbrang an bie ©ewerbegeridjte
wefentltcb abgenommen h a & c - Königsberg berichtet, baß bie 3 Us
nähme gegen baS Borjahr nur eine geringe fei (1503 gegen 1458),
alfo 3 0/0 3unabme, währenb 1897 eine 3uo a hm e oon 42 /8 %
aufweift, dagegen wirb oon Btannheim eine relatio erhebliche
Steigerung (922 Klagen gegen 859 im Borjahrc) berichtet, unb
bei bem fleinen ©ewerbegerid)t in ©aalfelb a. b. ©. betrug bie
3unahme fogar über 40 °/ 0 , ba 95 Klagen gegen 55 im Borjahre
geftettt würben. Natürlich ift bei Heineren ©cwerbegerid)ten baS
©chwaufen ber 3 fl hl ein me h r gufättigeS. Smmerhin aber beweift
bie ^hatfache, baß an fo oieleti ©ewerbegeruhten bie 3 a ht. ^ cr
Klagen gurüefging, bah bie SLhätigfeit ber ©ewerbegerichte feines*
falls ben Aniah 31 t ©treitigfeiten gwifdjen Arbeitgebern unb Arbeit*
nehmern vermehrt, fonbern eher oenninberte.
Sn mehreren Berichten, inSbefonbere in bem oon Btottnheim
unb Bromberg, wirb lebhaft barüber geflagt, wie fid) namentlich
auch bei ben Arbeitgebern eine auffaUenbe Unfenntniß ber gefeß*
liehen Borfdjriften ber ©ewerbeorbnnng unb ber Berfid)erungS*
gefeße bemerfbar mache. Königsberg unb Söeimar heben nberbieS
bie änherft fchwache Betheiligung ber Arbeitgeber an ben Btehlen
heroor. „Bon ben .vmnberten oon Arbeitgebern haben nur 17 ihre
Anmeldung gur Bkljllifte bewirft unb nur 25 berfelben fid) an
ber Sßahl betheiligt." (Bkirnar.) An ber 5BaF)l in Königsberg
1 haben fid) überhaupt nur 113 Arbeitgeber gegen 244 im Sahve
1895 betheiligt. Tie geringe Betheiligung mag gum eil eine
! Solge ber B$al)Hiften fein, gum TJEjeil hängt fie aber eben mit bem
I geringen Sutcreffc, bas bie Arbeitgeber bem ©ewerbegericht uiel=
I fach entgegenbringen, gufammeu.
©S wirb baher intereffant fein, wenn im ©egenfafc 51 t bieten
! Klagen eine äRittheiliiug ber Bereinigung ber (bewerbe*
gerichtsbeifiher ber Unterweferorte (Bretnerhaoen, ©eefte^
utiinbe unb i'ehe) gur Kenntnih gebrad)t wirb. SDiefe Bereinigung
fenbet uns bie Berichte, welche bie Arbeitnehmerbeififjer bon
über jeben in ber ©ifeung oerhanbelten Satt bem Dbmann ber
Bereinigung erftatten. 2)iefelben enthalten auf einem fehr praf-
tifchen Sormular SRarne ber Beififeer, ber Parteien, foroie ben
©egenftanb ber Klage unb AuSgang beS BrogeffeS, worauf bann
auf ber Bücffeite bes für jeben eingelnen Satt auSgufüttenben Soi>
mularS eine furge Begrünbung beS UrtheilS nebft fonftigen Be*
Wertungen ber Beifijjer fich anfdE)Xiehcn. 2)iefe Bemerfungen finb
faft burchweg giemlid) ausführlich unb machen ben ©iitbrucf, als
ob bie Bericbterftatter fich e i” er burchauS unparteiifchen T>arftettung
j beS Sattes befleißigen, ©ie ergeben in ihrer ©efammtheit eine
Art Kafuiftif bes ArbeitSoertrageS unb fie beweifen, wie eifrig bie
Beififeer bei BJahrnehmung ihres Amtes waren. T)aß auf biefe
Art, namentlich I1)enn anguttehmen ift, baß wichtige SäKe in ben
Beifiheroerfatnmlungen ober in ben ©ewerffdjaften bentnächft be*
fprod)en werben, bie Arbeitnehmer genauer über baS ArbeitSredjt
informirt werben müffen, als bie Arbeitgeber, bie höthfteuS ben
©ißungen beiwohnen, liegt auf ber £mnb; nnb wenn beit
Arbeitnehmern biefe genauere BedjtSfenntniß bann oielfach gu
Auheu fomrnt, fo ift Dies nur natiirlid). ^Ter ©ah, baß Rechts*
unfenntniß benachtheiligt, gilt eben aud) oor ben ©emerbeqeridjten
unb barf nicht, wie es jefct feitens ber unterlegenen Arbeitgeber
oft gefchieht, gegen bie ©ewerbcgerid)tc angewanbt werben.
lieber ©utadjten berichtet mir Königsberg (welche ©tunben
finb für ben ilnterrid)t ber $aubwerferlehrlinge in ben gu Königs*
berg beftehenben Sartbübungsfchulen angufehen?),B3eimar (Arbeite?*
nathweis), Bremen (Arbeitsnachweis), Ulm (©iufdjränfung ber
Sonntagsruhe, Borfd)riften für baS Biefcgereigefd)äft). Als
©inigungSautt augerufen würben Königsberg (oon benBiaurettt,
bie Arbeitgeber lehnen bie Berhaitblungen ab), Bremen (Streif
ber Arbeiter einer BtöbelfabriJf, eine Bereinbarung fommt gu
©taube), T) a r tu ft a b t (3immerer*AuSftanb; bie Arbeitgeber lehnen
baS ©inigungSamt ab).
Petition btS Berliner gereift# „Srauentoolü" betreffend
ber Sennen gn ben beruflichen ©fhiebSgeridjtcn. Ter Berliner Berein
„^rauemoobl" (unb in bereu Anmen SWiua ©auer, 3»aria Aafdjfe, Dr.jur.
Anita Augscpurg) weubet fid) in einer längeren Britttoit an ben Aetd)? s
tag um für bic grauen bas affine nnb paffiuc 3Sal)Irecht gu ben
bcruflidicn ©chiebvgeridjten, alfo inSbefonbere gu ben ©ewerbege 1
rid)ten gu erlangen. Tie Petition madjt, uitfereS ©rächten* unb mir
Aedjt, barauf aufuterffam, baß ber Wortlaut be* ©efepe* fdjon jrpt
bem nid)t eiitgcgenftehe, imb baß aud) in Deßcrretdi nnb Italien ben
Arbeiterinnen Stimmrecht wenigftens für baS ©ewerbegericht guftebe.
ßriefhafte»-
©etnerbegericht Tougig. Beiträge über bic grage ber Auffid>t über
bie ©e[d)äftsfül)ruitg ber ©ewerbegerichte finb bis jebt nidjt eingegangeii.
©ine Befpredjuug aus ben Kreifen ber ©ewcrbegerid)te würbe allerbiini?
crwünfdjt fein.
Smhcnfihrift „Sogiale B ra £‘^ ©entralblatt für ©ogialpolitif".
(Herausgeber: Dr. ©. Srancfe, Berlin; Berlag oon Tundfer &
Humblot, ßeipgig. 3 U hegiehen burch fämmtliche ^5oftanftaItcn
unb Budjhanbiungen guw B re U^ oon 2 J( 50 Bf- für baS Biertel*
jahr einfchließlich ber ttRonatSbeilage „T)aS ©ewerbegericht".)
Inhalt oon Ar. 27: Befdiränfung ber Heimarbeit in ber
KonfeftiouSiiibnftrie. Bon Affcffor Dr. Alfreb s Beber, ©har*
lottenburg. — ArbeiterberufSoereine unb ^ßarteipoütif; Aus ber
ArbeitS*©cfeßgebung AeufeclanbS oom 3°h r ^ 1898. — Sürforge
für ftäbtifche Bebienftete imb Arbeiter in Btaing; ©ogiale Sürforge
ber Stabt ©traßburg; Tie ftäbtifche Knaben*ArbeitsanftaIt gu
Taruiftabt; ©täbtifche KioSfe für anttalfoholifcßc ©etränfe in lianbs*
borg a. B*. ; ©täbtifeße Anneniinterftühung für ftreifenbe Arbeiter
in ©nglanb. — Tie ArbeitSlofigfeit in ©roßbritannien im S^hoe
1898; BöUige Unterbriicfung ber Bettelei in Sronfreid). — Ter
Berein ber Snbuftrietteu bes BegierungSbegirfS Köln; ©efammt*
oerbanb beutfeher Btetattinbuftriettcr; Berbanb ber Arbeitgeber für
baS ©chrteibergewerbe in BHinchen. — Ter Berfud) beS attgemeineii
AuSftanbes in Sraufreid) int Dftober 1898. Bon Tctaoe Seftn,
Baris; Arbeitgeber unb Arbeiter im Berliner Baugewerbe; Brauer*
ftreif in Sranffurt a. 9».; Tic ©tucfarbeiter*AuSfperruug in ©ng*
lanb; ©ine fatholifche Bereinigung ber Arbeiter beS Buchgewerbe*
in Soanfreid); Tl)ättgfeit ber Bnnfei' ArbeitSbörfe im Sah« 1898.
— Ter Arbeiterfchuß in ber 3ünbholgfabrifation; Arbeiteroertretung
in ber preußifdjen BergwerfSiufpeftioit. — SahrpnüSermäßiguug
für ber Arbeitsoermittlnng itt Bßürttemberg; ©rhöl)ung be*
ftäbtifcben 3ufd)uffe* für bie Allgemeine ArbeitSnadjmeiSauftalt in
Köln; ©täbtifdjeS Arbeitsamt in 3ürith. — Staatliche Befd)äfti*
gung ber Arbeiter=Kooperatiügenoffenfd)aften in Qtalien; ©enoffeu*
fdjaftliche BerfaufShäufer in Hamburg; Bio^nWogenoffenfehafteu
in Sranfreich-
©e®etbegetid)t" erfc&emt am erften Tonnerftage jeben SKonat» im SRinbeftumfange öon V« Bogen jum bon 1 WL jö^rlic^. — BefteUnngen
nehmen fftimnKlcfte ipoftanftalten (BoftgeitungSnummet 2877) unb Bnchhonblimgcn an; ein biteftet Begug bon bet BerUft!bu4h<tnblung ftnbet nU|t ftntt
Gerinn t»ou ^mtcfcc * Cminülut, SJeipjifl. — «ebnuft bei Julius etttcnfelb In öerllu W.
IY. 3<rfj*0«tt9<
Berlin unb ^-ranffurt a - SK-/ ben H- SKai 1899.
Kummer 8,
Das ©fiDfrbfjrrtrlit.
ZHitttjeilungen bes Derbanbes beutfcfyer < 8 emerbegerid)te.
©crantmortlidj für bic Kebaftion: bcr ©efdjäft8fül)rer be$ ©crbanbe§, ©tabtratl; Dr. Ulefrij, ^ranffurt a. SK.
Srf^/Ul «w erlni ponturflag j/b/n 3 HonaU.
- r\r-
©etlag bon ©undet & ■ftumblot, Sctpjig.
ITttis ti|r(i 4 1 Start
■'l/'B
ßoftenfreie ©eilage jut „©ojialen PrajrtS".
3nljalL
S)er §.626 beS ©ütgerlidjen ©e» ]
fefcbud )8 unb baS ÄünbiguttgS*
recht in ber ©ewetbeorbnung.
89
©enjcrbcgertcbt, Arbeiterf efre»
tariat, AuSfunftöftclle.91
jjerfaflung uni Uerfaljren .... 93
Erweiterung ber 3 u f^nbig!eit ber
©ewcrbegerichte.
#edjtft>«$un0. 93
§§. 115,117 ber ©ewerbeorbnung Sohn*
einhaltung jur ©erfung eines bem
Arbeiter jum SelbftfoftenpreiS über»
laffenen gcthrrabS. 9ted)t beS Ar*
beiterS jur Üiücfrorberung biefer
5 lbaüge fro# feiner Einwilligung 3 U
benfeiben. begriff einer „Einrichtung
3 ur ©erbefferung ber ßage beS Ar¬
beiters“ im Sinne beS §. 117 ber
©emerbeorbnung. (©ewerbegericht
unb Önnbgerid)t ©Magbeburg.)
Unfelbftftänbiger Arbeiter ober Unter»
neunter? (©ewerbegericht unb Sanb»
geriebt granffurt a. ©M.)
©ebarrlicbe ©ermeigerung einer 0011
einem Arbeiter »erlangten AuSfunft
ift ©runb 3 U beffen fofortigen Ent»
laffung. (©ewerbegericht Qffenbad)
a. ©Main.)
3u einer ©djabenSflage bon ©au»
arbeitern ift, wenn fie für ben gan 3 en
©au engagirt waren unb ber Sohn
im ©an 3 en mebt als 150 M. be*
trägt, im ©ebiete beS Allgemeinen
2anbrecbtS Scbriftform bon ©öthen.
(©ewerbegeriebt unb 2 anbgerid)t
Stettin.)
©eginn beS ArbeitSbertragS? (©e»
werbegeriebt Hamburg.)
lUlgemeiuw über ©merbcgcrtdjte
unb ILrbtltsutrtrng. 100
AuS ben SahreSbcrichten bon ©e«
werbegeridjten.
Abbrud fämmtlitber Ärtifel ift Seitungen unb Seitfcbriften geftattet, jebodj nur mit
boUet Quellenangabe.
Ser §. 626 bes SürgerUdjcn ©efebbudjesi uitb
bns Üttnbieiuussreibt in ber ©emecbeorbniing.
3n ber gfrage beS ©erhältniffeS beS §. 626 bes ^Bürgerlichen
©efehbudjeS unb ber §§. 123, 124 ber ©letoerbeorbmiug liegen nod)
eine Keif)e ©Meinungsäußerungen oor. jur 3eü eine 5lnjal)I
Abätibernngeit ber ©emerbeorbnung beratl)en wirb, erfdjien es an*
gemeffen, bie Aufmerffamfeit bes Reichstags auf bie für bie ©e=
iuerbegerid)te fo bebeutfame Angelegenheit 311 lenfen. 2 )a£ ift burd)
bie unten abgebruefte Petition gefdjehen, bie, aus Mangel an 3 *it
3 ur Einholung eines ©efdjluffeS beS AuSfdjnffeS, ber ©efd)äftS-
fü^rer jufammen mit §errn £)berbürgertneifter Dr. ©af 3 ner=©iain 3
unter 3 eid)net hot. Es märe ttü(jlid), raenn [ich ©emerbegerichte, bie
in ben nächften Klagen plenarfibungen hoben, ber Petition ait-
fdjlöffen. Außer bem ©Wortlaut bcr Petition, bie fid) einer be*
ftimmten Stellungnahme — 311 ber eS uns an einem ©Manbat ge*
fehlt hotte — abfidjtlid) enthält, bringen mir unten nod) eine auf
ben ©egenftanb be 3 Üglid)e 3 u f c h r U^ beS §)errn Kollegen Werfer*
$öln.
2 )er ©efchäftsfiihrer.
Slefd).
$ie Petition hot folgenben Wortlaut:
bcu 1. Sftai 1899.
^ranffurt a. 3R.
9?iain3
21 n ben h°h cl1 Reichstag.
Petition
beö CberbürgermeifterS Dr. ©afjner in SDiaiitj unb be» 3tabtratf)S
Dr. 5t. glefd) 31 t granffurt a. 2)L, SWitgliebcr beS AuSfdjuffeS beS
©erbaubeS beutfdjer ©emcrbegevidjte.
Aad) §.626 beS ©ürgerlidjcn ©efehbudjS fann ein Sieuft*
oerbältnib uou jebem 2 heil oh»e ©inhaltuug einer ftünbigungSfrift ge*
fünbiat merben, meim ein midjtiger ©runb oorliegt.
9iach §§. 123, 124 bcr ©emerbeorbnung fann bas Arbeitöoer*
hcilbiiß 3 mifd)en ©efellen 1111 b ©ehitlfen urtb ihren Arbeitgebern ohne
Einhaltung einer Ätiinbigung nur gelöft merben, roenn einer ber bort
finjeln aufgeführten 13 ^hotbeftänbe oorliegt.
^iefc ©eftimmungen ber ©emerbeorbnung merben ooti bem Art. 36
bes EtnfuhrungsgefcßeS 311 m ©nrgerlid)en ©efefebudj, ber eine Anzahl
bcr Paragraphen bcr ©emerbeorbnung formell mit ben ©orfdjriften bes
©ürgcrlidjcn ©cfchbuchS in Uebcrcinftimmung bringt, nidjt ermähnt.
©eftehen fie fort, ober finb fte burch bic ©eftimntung beS ©iirger*
liehen ©efehbudjs erfe^t toorben?
Xie ilnterscichneten moflen bie grage nid)t erörtern; aber fie er=
lauben fidi, bie Aufmerffamfett beS hohen 9teid)Stags barauf m lenfen,
bafj eine An 3 al)l Snrifteit, meldhe fid) auf ©eranlaffung bcr Aebaftiou
ber HJMttheilungen beS ©erbanbes bcutfäier ©emerbegeri«hte 311 ber grage
geäußert hoben, oerfdjiebeuer Anfid)t über fie finb. ^ic
©Meinungsäußerungen finb in ben beiliegenben Stummem ber 31 m Seit
uou mir int Aufträge bcs ©erbattbeS bcutfd)er Ofemcrbegeriehte heraus¬
gegebenen Seitichnft enthalten.
©S ftel)t alfo feft, baß biefe grage — bie praftifth mithtigfte
beS gefammten ArbcitSrcdjtS — ftreitig ift.
©Mehr als bie £>älfte aücr oor ben ©emerbegerichten behaubelteu
AechtSftreitiafeitcn brehen fxch um bie grage:
ob bic foforüge, ohne Einhaltung einer ftünbigungßfrift cr=
folgte ©ntlaffung (ber fofortige Austritt) eines Arbeiters aus
bem Arbcitsoerhältniß gerechtfertigt mar ober nid)t?
Aad) bem 1. Januar 1900 merben bie einen ©cmerbegeridjtc biefe
grage aus §. 626 ©ärgerlichen ©efefcbuchS entiefjeiben, alfo unterfucheu,
ob ein „midjtiger ©runb" , 31 fr ßöfuna beS ©crhältttiffcS oorlag, bie
anberen merben nach mie oor bie §§. 123, 124 ©emerbeorbnung mit
ihren, bem freien ©rmeffen beS 9iid)terS faft feinen ^aum gebenbett,
genau präsifirtcu ©orfdtriften 31 m Anmenbnng bringen.
.ftierburrf) toirb ein S u ftonb ber Aed)tSunfidicrheit gcfchaffen, ber
um fo fd)limitier ift, als es au einer l)öd)ftcu, für alle ©emerbegerichte
titaßgebcnbcit gttftati 3 befanntlid) mangelt.
$ie int (ilattge bcfittblichc ©erathung oon Abänberuttgcn bcr ©e*
merbeorbttung giebt nun ©clegenheit, biefe 3 tocifeIhafte AedhtSlage 311
flären. §ier 3 u märe nötl)ig, baß entmeber bcr Art. 626 ©ärgerlichen
©cfefcbud)S als unanmenbbar auf bas ©erhältuiß ber gemerblid)eu ©e*
hülfen unb "Arbeitgeber erflärt mürbe ober, toaS oielleid)t mehr 311
empfehlen märe, baß ber ©ingang ber §§. 123, 124 ©emerbeorbnung
burch 3 ufejjung einiger, ben 3 ll, eifel ausfd)Iießettber SBorte crgäu 3 t
mürbe, ©r tonnte inSbefonbere oiellcid)t bie folgenbe gaffuttg er¬
halten:
©or Ablauf ber oertragSmäfjigcn Seit unb ohne Auf-
füttbiguttg föitnen ©efellcti uttb ©ehülfett entlaffen merben
(be 3 to. in §. 124 bie Arbeit oerlaffen), toenn ein mistiger
©ruttb oorliegt.
"Als ein midjtiger ©runb ift, fofern nidjt be»
f 011 berc Umftäube eine attbere ©eurtheilung rcd)t-
fertigett, namentlich anjufehen:
1 . u. f. to.
^icje SSortfaffuug entfprädjc genau ben §§. 71, 72 .$aitbclS(jefch 5
bud)S, fd)üfe alfo iti biefetn punft gleid)eS ©ed)t für bas ©erhaltniß
bes pritt 3 ipals 31 t feinen faufmännifchen unb 311 feinen gemerblichett
©ehülfett, unb mürbe bie ©ingangS ermähnte .Hontrooerfc befeitigett.
SSettn and) ohne ©ollntadjt, in biefer Sadje für bie übrigen ©emerbe-
gerid)te 311 fpred)en, finb mir bod) fichcr, baß eine fold)e Höfling oielfach
miHfommen geheißen mürbe.
(ge 3 .) Dr. ©aßner,
Cberbürgeruteifter oon ©Maitt 3 ,
ftelloertretenber ©orfitjettber beS
OlemerbegeridjtS in ©Maitt 3 .
(gc 3 .) Dr. glefch,
ßorfthenber beS ©emcrbegerid)tS
granffurt a. ©M.,
©efehäftsführer bes ©crbanbeS
beutfd)cr ©emerbegerichte.
*
*
*
£)err Werfer, ©orfifoenber beS ©emerbcgerichtS 5töltt, fenbet
anläßlich bes in s Dh. 7 beS „©emerbegerichts" abgebrueftett Auf-
fafecS beS Jterrn ©emerberichterS Dr. fechalhortt-©erlitt folgettbes
0 d)reiben:
©ei ber ©efprechuitg ber Anmettbbarfeit beS §. 626 bcS ©ürger-
lichett ©efeftbud)cS auf bie ^ienftoerträge mit geroerblid)ett Arbeitern
ift oon mancher 6 eite als ©eroeis gegen bie Anmenbbarfeit bie
91
$a$ Eeroerbegeridjt SRiti^cilungen bef berbanbeS bcutfdjer Eewerbegerichte. 9h:. S.
92
$enffd)rift jum Entwurf beS bürgerlichen ©efeßbucheS 311 §§. 604 ff.
genannt worben.
©crabe biefe Hbfä^e ber ®cnfftf>rift (preßen aber für bie
Anroenbbarfcit. Unter ber Ueberfcfjrift: „Xenftoerhältniffe oon
nicht beftimmter $)auer" wirb gefagt, baß für eine beiße non
Xcnftocrhältniffen, fo auch bei benen für gewerbliche Arbeiter, bie
Slünbigung burd) befonbere borfchrift georbnet fei, unb baß baS
bürgerliche ©efeßbud) nur bei folcßen Xenftocrhältniffen eingreifen
folle, wo es an hierauf besüglühcit beftimmungen fehlt.
$>ann ^anbelt aber ein ganj befonberer Abfaß oon bem
„außerordentlichen $lünbiguugSred)t", unb hier mirb ansgeführt,
baß baS bürgerliche ©efeßbud) für alle Xenftoerßältniffe ohne
Ausnahme jebem £h c üe baS Specht gewähre, ohm‘ Einhaltung einer
grift 311 fünbigen, wenn ein wichtiger ©runb oorliegt. — £)kr ift
alfo feine Ausnahme gemacht, wie in bem erstgenannten Abfaße.
Es wirb aber noch ferner auSgefprocßen, baß biefeS StünbigungS*
recht für ©ienftoer^ältniffe höherer $frt einer erweiterten Anroenbung
bebürfe.
©erabe biefer ©egenfaß 3 wingt 3 U bem Schluffe, baß ber
§. 124 a ber ©ewerbeorbnung burd) ben §. 626 beS bürgerlichen
©efeßbucßeS abgeänbert be 3 w. oeratlgemeinert wirb itub baß bie
123 unb 124 ber ©ewerbeorbnung eine $Reiße oon wichtigen
©riinben aufsäßlen. Welche ferneren ©rünbe als wichtige an 3 u*
fehen finb, ift ber richterlichen beurtheilung oorbehalten.
$öht. E. A. ®ecfer.
•en>etbegerid)t, Ärbdterfekretariat,
SRacß unb nach finb in ben lebten fahren in einer beiße oon
Stabten, fo in Nürnberg, Stuttgart, SRündjen, £>annooer, granf*
furt a. 5R., beuthen, Arbeiterfefretariate entftanben, in anberen
Stäbten, in &annftabt, Altenburg u. f. w., bann auch in berlin
finb folcße in ©rünbung begriffen. $a fich bie £ßäiigfeit biefer
Sekretariate oielfach mit betten ber ©ewerbegeridjte berührt unb
freu 3 t, ift eS wohl am blaß, hier auf bie Einrichtung ein 3 ugehen.
$)aß bie geroerffdjaftlich organifirten Arbeiter fich auf bie
^Dauer nicht bloß mit ber freiwilligen Xßütigfeit ber borfißenben
u. f. w. begnügen föttnen, liegt auf ber §anb. Anfänglich mochte
oielleicht bte §ülfe genügen, welche bie SRebafteure ber fo 3 ialbemo*
fratifchen Blätter, bie Abgeorbneten ber Partei, oermögcitbe Partei*
genoffen u. f. w. freiwillig 3 U werben ließen. 3 e mehr fich
baS gewerffcßaftliche £eben aber oer 3 weigte unb oertiefte, um fo
mehr mußten bie Arbeiterforporationen ebenfo wie bie Unter*
nehnteroerbänbe auf ©ewinnung tüchtiger beamten Bebacht
nehmen, liefen beamten fällt baS Stubium ber Arbeiter*
Bewegung, ber Arbeüergefeßgebung, ber Sage ber Arbeiter,
ihrer Stonfum*, WohnungSoerhältniffe u. f. m., unb überhaupt alle
ber für bie fo 3 iale Entwicfclung, für bie b r obuftionSuerbältniffe
beben tfarnen gaftoren als wid)tigfte Aufgabe 3 U. Sic werben
naturgemäß bie gathntänuer in allen oon ben ©emerff(haften be*
hanbelten Angelegenheiten, beren $Rathfd)Iäge bei Streitigfeiten mit
ben Unternehmern, Unterhanblungen mit ben behörben u. f. w.
oon beftimmenbem Einfluß unb. Xnt ©ewerbegericht fann bieS
nur angenehm fein. Xe Streifs werben nidjt oermehrt, aber ihr
gütlicher AuSgleid) wirb erleichtert, wenn bie Sache ber Arbeiter
nicht oon Leuten geführt wirb, bie gufällig als bie fräftigften
SRebner in berfammluugen u. f. w. 3 U Wortführern ber Arbeiter
gemacht werben, fonbern oon folcßen, welche bie Berhältniffe ber
betreffenben Subuftric 3 um ©egenftanb genauen StubiumS gemacht
haben unb in golge beffen im Staube finb, Arbeiter oor über*
eilenben Sdjriticn 3 U warnen, baS 3 u treffenbe in ben Erflärmtgen
ber Unternehmer unbefangen 311 würbigen unb weldjen iiberbieS
bie gürmen unb bie gefcßäftlidje ©ewanbtheit 3 U ©ebote fielen,
burd) welche bie Rührung berartiger berhanblungen fo wefentlid)
erleichtert wirb. s lRatt fann fogar oon einem noch allgemeineren
Stanbpunft ans eS nur begrüßen, wenn bie Arbeiter auch jenen
böcßft wichtigen 3:f)cil ber praftifchcn bcrwaltung aus eigener Er*
fafirmtg fenneu lernen, welcher in ber beftetlung oon "beamten,
ber gedfeßung ber AitftellungSbebingnngen u. f. w. beftcht.
Wenn hiernach bie bilbung biefer Arbeiterfefretariate in feiner
Weife pringipieü 31 t beanftanben ift, unb für bie berhanblungen
oor betn Einigiingsamt, für bie 00 m ©ewerbegericht ausgehenden
(Gutachten unb Einträge fogar bireft 31 t begrüßen iit, fo entließt
bod) eine anberc, bie .vwupttßätigfeit ber ©ewcrbegerichte, bie
SReditfpredjung berührenbe ginge. 7 ^-aft überall haben bie Arbeiter*
fefretariate neben ben bisher ff^irten Aufgaben auch bie ber
fRathSertheiluug in SRechtSfadjen, iuSbefonbere in ©ewerbegerichts*
ftreitigfeiten, ber ülroeiteroerficherung u. f. w. Unb gerabe
oon biefer ^h^tigfeit ber Arbeiter fefretariate machen bie Arbeiter
ungemein häufig ©ebrauch, fo häufig, baß fueiburch ^ er ?lobeiter*
fefretär oielfadj oon ben erfterwähnten Aufgaben abgehalten wirb,
unb baß man mitunter, wie 3 . b. in Sranffurt, mit ber 2 lnftettung
oon 3 wei 5lrbeitcrfefretären oorging, beren einer roefentlicf) jene
allgemeineren Aufgaben, unb ber anbere wefentUch bie beratljung
ber SRedjtfuchenben 3 U bewirfen hatte. ÜRun oerfteht fich sunäd))t
oon felb)t, baß bie unentgeltliche 2luSfunftSertheilnng in bedhtsfachen,
inSbefoubere in Sragen beS Slrbciterrechtes, nicht nur eine hoä)ft
oerbienftliche, fonbern eine gerabe 3 u nothwenbige Aufgabe ift. Sn*-
befonbere auch bk 9>iechtfpre(hung ber ©emerbegerichte fann nur
baburd) erleichtert werben, wenn bie Parteien rechtsfunbig ßnb,
unb es ift gerabe an biefer Stelle fchon oft beflagt worben, baß
bie Arbeitgeber in biefer be 3 iehung fo oft hinter ben Arbeiten!
3 urücfftehen, unb eS ift im haften ©rabe 3 U begrüßen, baß eine
Stelle oorhanben ift, welche oor ber Aufteilung oerfehlter Älagen
warnen unb welche bie Arbeiter über ihre 9te<hte unb Pflichten au^
bem ArbeitSoerhältniß in ^uoerläffiger Weife belehren fann.
Eine gan 3 anbere Soage aber ift, ob gerabe biefe ^hätigfeit
bei ben Arbeiterfeftetären, 0 . h- bei ben angefteüten beamten ber
Arbeiterorganifationen, in ben richtigen $änbcn ift. BUemanb fann
3 wei Herren bienen. i)ie Arbeiterfefreiäre aber follen auf ber einen
Seite bie ©cfcßäfte ber Arbeiterorganifationen beforgen, bie 3itter*
effen ber Arbeiter oertreten, bie Sache ber Arbeiter als mirthfehaft*
lieber ftlaffe führen, b. h- ftc foHen bie ^arteibeftrebungen ber
Arbeiter förbern, unb fie [ollen auf ber anberen Seite bem
einseinen Arbeiter SRath geben, ihn oon unnüßen Klagen abhalten,
ben Stanbpunft auch &eS Arbeitgebers 3 U beit oom Arbeiter er*
hobelten befchmerben würbigen, b. h- ftc füllen über ben $ar*
teien ftchen. Erfüllen fie bie leßterc Aufgabe nicht, fo fönnen
bie bathfchläge, bie fie geben, leicht 3 ur berbitterung beS berhält-
niffeS 3 wifchen Arbeitern unb Arbeitgebern führen, unb un*
erfreuliche, geregte berhanblungen oor bem ©ewerbegericht unb
fchließlich Mißtrauen gegen beffen, mit bem SRafb bc S Arbeitet*
fefretärS fcfjlccfjt übercinftimmenbcr Entfdjeibung hetootrufen.
3m anberen gaffe fefcen fie ftd) ber ©efahr ans, baß bie Arbeiter
Zweifel an ihrem Eifer, an ihrem Willen sur riicffichtslofen ber*
tretung ber Rechte ber Arbeiter 3 um fd;arfen stampf gegen bie
Unternehmer erheben. beibeS ift faum mit einanber oereinbar,
aud; ben beften Willen ber Ar beiter fefretär e oorauSgefefct, unb noch
weniger ift 311 erwarten, baß ber ©egner beS Arbeiters, an ben
fie fich etwa 3 ur gütigen Erlebigung oer Sadße wenben, bie be«
hörbe, beren bermittelung fie anrufen, ihre ^hütigfeit als eine 1111 =
befangene unb unparteiifche betrachtet.
$od) fchlimmer wäre es natürlich, wenn bie Arbeiterfefrctäre
über bie SRatbertbeilung an bcchtsfuchenbe htnauSgingen unb bie
©ewerbegerichtSbeifißer über baS 3 U fäHenbe Urtheil 3 U untertoeifen
unb an 3 umeifen fuchten. 5)aß biefe ©efahr nicht aHsufern liegt,
fann faum geleugnet werben. 2 Rau benfe nur an bie SRecht^
ftreitigfeiten, bie häufig bem Ausbruch oon Streifs oorauSgehen
ober folgen, oon benen bie bertreter ber Arbeiter faft itets unter¬
richtet finb, ehe bie Silage angefteHt ift, bei benen alfo eine Ein-
wirfung auf bie beifijjer feljr wohl möglich ift. ^aß burch einen
berartigen llebcrgriff, wenn er nachweisbar ober auch nuo Qearg-
mohitt wirb, baS bertrauen 3 U ber $Red)ifpreihung ber ©eroerbe-
geriete aufs Schwerste gefchäbigt wirb, ift flar; aber auch ab*
gefeheit baoon, auch ^ei ber bcfchränfung beS SefretariatS auf bie
zRatljSertheilung an bie Parteien werben ihm hoch 3 wei S)inge ^u-
gemnthet, wel^e gait 3 oerfchiebenartig fmb: ^ie giihrung oon
©efdjäften, bie auSfdjließlid) im gntereffe ber Arbeiter liegen, uuf
bie gührung oon ©efdjäftcn, bie ebenfo im Sntereffc beS Arbeitern
wie beS Arbeitgebers unb beS Staates felbft gelegen finb, nämlich
bie unparteiifche AuSfunftSertheilung über 5Red)tSfragen.
Xiefe Arbeit müßte, gerabe weil ßc nicht im gntereffc einer
klaffe, fonbern aller klaffen liegt, oon einem Drgatt geüb:
werben, baS außerhalb beS ^laffenfampfeS fteht. Xe ©croerbe
geriete fomnten babei weniger in betracht. Es fann fehr mißlut
fein, wenn fie auf bie Anfrage einer Partei AuSfunft ertbciler,
biefe AnSfunft bann einer anjuftelleiiben Älagc ober gar einer er¬
hobenen Einrebe 311 ©runbe gelegt wirb unb bie Entfdjeibung banr
anberS als bie gegebene AuSfunft ausfällt, weil fid) bei ber 'bei-
banbliutg herausftellt, baß bie 5l)atfachen ga »3 anberS liegen, aMs
ber Aiifragcnbe angegeben batte, beffer wäre eS fd)Oii, rren;
wenigftenS bie größeren Stäbte befonbere Crgaite hiermit lu-
! trauten, AuSfunftSftcllen, bie mit ber bechtfprechung feil *
93
BaS ©ctuetbegcridji. SJtitthetlungen beS BerbanbeS beutfdjer Eewerbegeridjte. 9h. 8.
94
nichts gu thun ^abcn unb bic durch ihre 3 ufatmnenfeputtg, burd)
bie SteEung bcr Beamten u. f. m. über ben SSerbadjt ber Partei*
lidjfett ergaben fittb. 3n einigen Stabten, 3 . 93. in SBaing, §ai
man hiermit bie ArbeitSoenmttelungSfteEe betraut, unb biefer Bkg
fann, bei paffender Auswahl ber Beamten, ein durchaus richtiger
fein. 3Biirben berartige unparteiif^e Stellen in größerer 3af>l
entfielen, fo mürbe bie Sfjätigfcit ber Arbeiterfefretariate nicht be*
fdjränft, fonbern erleichtert, unb bie Schwierigfeiten, bie jefet mit*
unter entfielen, menn ein Arbeiter, geftüfct auf ben Bath des Ar-
beiterfefretär^, eine Mage ergebt unb bann ben Berluft beS
BrogeffeS ber 93efepung beS ©eridjtS, bem mangelnben Berftäitbrnfj
für bie Söebürfniffe des Arbeiters u. f. ro. gufchreibt, mürben oer-
mieben.
Uerfftflutig traÄ Bnfafjmt.
Erweiterung ber Bnjtäitbigleit ber Eewerbegeridjde. lieber bie
inSbefonbere für Heinere Eemerbegeric^te fo unbebingt
not^menbige Ausdehnung ber Kompeteng auf faufmctnmfdhe unb
Bienftboten * Streitigfeiten fagt ber Bericht beS ©eroerbegeridhtS
©olingen feljr gutreffenb:
Leiter finb im Berichtsjahre bem ®emerbegerid)t häufiger
Sdjmierigfeiten bezüglich ber 3uftänbigfeit beffelben aus ber gfrage
entftanben, ob bie betreffende Partei gur Kategorie ber gewerblichen
Arbeiter gehörte, ober als unter ben Begriff ber Eefinbeorbnung
faHenb gu betrauten, ober ob fie als §>anb!ungS- ober Eemerbe-
gel)ülfe angufehen mar. Um fol<he Hompetengfonflifte für bie
§ufunft gu oermeiben, foE an biefer SteEc nicht unterlaffen
werben, barauf ^ingumeifen, mie fowoljl aus biefem Erunbe als
aud) aus ber Erwägung, bafj bie fdpteüe Suftig, meld)e bie <Be*
merbegeridjte üben, für bie Beteiligten oon nicht gu unter*
fcfyä&ehbem Böertlje ift; eine Erweiterung ber Suftänbigfeit ber
Eemerbegerichte bringenb geboten erfd)eint. So ift baS am
1 . 3uli 1898 in Defterrcidf) in Kraft getretene Eeroerbegericf)ts*
gefefe ooin 27. Booetnbcr 1896, meines, mie itt ben SJtotioen her*
oorgeboben mirb, baS beutfehe Eefep gunt SSorbilb genommen unb
unfere Erfahrungen fidf) gu Bupe gemalt hot, auch guftänbig „für
aEe bei £>anbelsgeroerben gu faufmeinnifchen SMenften oermenbete
^erfonen". gfiir biefe Streitig feiten ift eoentueE eine befonbere
Abtheilung gu bilben, bereu Söahl aud) getrennt gu erfolgen h®t.
$£)ie §anbelsfammer für ben Kreis Solingen hot fürglich baS
Bebürfmfg für Errichtung eines befonberen faufmännifchen SchtebS*
gerichts für ben h^ftQ^n ^anbelsfammerbegirf abgelehnt. 33ie
nöthig eS aber ift, ben ^anbelSanaeftellten ebenfo mie ben (Be*
roerbegehülfen bei ben häufigen ßohnftreitigfeiten burd) eine biEigere
unb fdjneEere Sftechtfpredfjitng gu ihrem Sterte gu oerhelfen, als es
burch bie jefcige Snanfprudjnahme ber orbentlichen Berichte er¬
möglicht merben fann, beroeifen bie häufigen Klagen berfelben
(namentlich ber oielen 93erfäuferinnen) beim hefigen Eemerbegericht,
bie auf bie Unguftänbigfeit beS ©emerbegeridjts aufmerffam ge¬
macht, in ben meiften gäflen auf eine (Mtenbmachung ihrer An¬
sprüche oergühten mit Bücf ficht auf bie ihnen erroachfenen erheblichen
Höften unb barauf, bafc fie noch 2£od)en, ja oft Btonate märten
müßten, bis ihnen ihre oft roiberrechtlicf) einbehaltenen ©ehaltsbe*
güge gugefprochen mürben.
2>ie gleiche Erfahrung machte bas Eemerbegeridfjt bei ben
oielen SMenftboten, welche fid) um Sdhuh in Sohnftreitigfeiten an
baffelbe manbten.
§. 115, 117 ber Eemerbeorbnng SofjnetnbaUung jur
$)ecfitng eines bem Arbeiter gum ©elbftfoftenpreis über-
laffenen gahrrabs. Bedjt be§ Arbeiters gur Büdforberung
biefer Abgüge trop feiner Einwilligung gu benfelben. be¬
griff einer „Einrichtung gur Bcrbefferung ber Sage des
Arbeiters" im Sinne beS §. 117 ber Eemcrbcorbnung.
(Uribeil beS EewerbegeridjtS SBagbeburg, beftätigt burch Urthcil
beS SanbgerichtS bortfelbft; etngefanbt 00 m SJorfipenben beS Eemerbe-
gerichts SRagbeburg SSalther.)
1. Urthcil beS 65eroerbegcrichtS 5ütagbeburg oom 19. ^e-
gernber 1898.
3n Sachen beS Schleifers S. 8. wirb bie bcflagte girma
H. & Eie. oernrt eilt, au ben Hläger 2s» Jl nebft 0 % ^infeu oont
17. ^egember 1898 ab gu galilen unb bie Höften git tragen.
Erünbe: ^ie 93eflagte hat bem Hläger, ber bei ihr als Sdjlctfer
oon Enbe gebruar 1897 bis 30. September 1898 in Sohnbefchafttgung
geftanben hat/ ^fingften 1897 unb SKitte guui 1898 gmei gahrräber
auf Hrebit übergeben unb gur Berichtigung beS oercinbarten ^Bretfeö
bem Hläger mit feiner 3afrtmmung in ber 3^it oon ^5fiiigftcn 1897 bis
Enbe gebruar 1898 unb 3J?Ute guni 1898 bis Enbe September beffelben
3al)reS bei ben Sohngahlungcu 55bgitge oon bem Sohne oon inSgefammt
285 M. gemacht, ^er Hläger beanfpru«ht nimmehr bie nachträgliche
3ahlung be§ abgegogenen Betrages unb hat beantragt, bic Beflagte
foftenpflidhtig gu oerurtheilen, an il)n 285 M. nebft 5°/ 0 Stufen baoon
feit HlagegufteEutig gu gahlen. Qu Beflagte hat auf Slbmeifung an¬
getragen. ier flägerifche 9lnfprud6 ift begrünbet. 9tach §.115 &bfaj)2
ber Eeroerbeorbming ift es bem Arbeitgeber oerboten, bem Arbeiter
SBaaren, alfo bewegliche Sachen aüer Art, auf Hrebit, b. i. unter
Stunbung ber Begahlung beS HaufpreifeS gu oerfaufen, gu oerntiethen
ober fonft gegen Entgelt abgugeben. tiefes Borgoerbot ift eine
Honfegueng beS im Abfap 1 beS §. 115 auSgefprochenen BerbotS bcr
Begattung mit Surrogaten. Bach §. 116 fönnen bal)er bie Arbeiter,
benen für eine oerbotSwibrig trebitirte SSaarenfchulb, menn auch mit
ihrer Snftimmung, bei ber Sohngahlung Abgüge gemacht worben finb,
biefe nadjträglid) noch forbern, ohne baft ihnen eine 3ahlungS-, ober
eine BereidjcrungS-, ober eine HompenfationS-, ober eine fonftige Ein*
rebe entgegen gehalten werben fann.
2. Urtheil beS SanbgerichtS SKagbeburg, Eioüfammer J, oom
20. gebruar 1899:
$>ie Berufung ber Bcflagten gegen bas Urthcil bes Eewerbegerichts
in 3Wagbcburg, Hammer II, oom 19. £egember 1898 wirb gurüefgemtefen
^hatbeftanb: S)te Beflagte hat bem Hläger, ber in ihrer gahr-
rabfabrit oon Enbe gebruar 1897 btS 30. September 1898 als Schleifer
gegen 2ol)n befdjäftigt gewefen ift, Bfingften 1897 unb Btittc Suni 1898
je ein gahrrab auf Hrebit übergeben unb gur Berichtigung bes oerein-
barten HaufpreifeS bem Hläger mit feiner Sufttmmung in bcr $c\t oon
Bfingften 1897 bis Enbe gebruar 1898 unb oott HJlitte guni bis Enbe
September 1898 bei ben wöchentlichen Öobngablmtgen Abgüge oon je
5 inSgefammt oon 285 gemacht. 2:er Hläger beanfprud)t mit
feiner vHlage bie nachträglidje AuSgal)Iung biefeS SohncS unb hat bc=
antragt, bie Beflagte gur Saljlang uon 285 M . nebft 5% 3tnfen feit
bem 2age ber Hlagegufteflung gu oernrthcilen.
®aS Eewerbegerid)t in SBagbeburg hat bie Beflagte bem Klage¬
anträge gemäfe oerurtheilt unb gwar mit bcr Begrünbung, bafe bie
3 wifdjen ber Betlagten unb bem Kläger gefdjlüffencn Kaufoerträge auf
Hrebit gegen §. 115 ber Eewerbeorbnung oerftiefjen unb bem Kläger
nach §. 116 am angeführten Orte ein burch feine Einrebe entfräftbareS
Be<ht auf Bachgablung ber gurücfbehaltenen Sobnbeträge guftehe. Olegen
biefeS Urtheil hat bie Beflagte frift- unb formgerecht Berufung eingelegt.
Sie beantragt, unter Aufhebung bes angefochtenen Urteils bie Klage
foftenpflichtig abguweifen, unb rechtfertigt bie eingelegte Berufung
wie folgt:
$a$ Bcrbalten bes Klägers fpredje ben elemcntarften AnftanbS-
begriffen C>ohn, benn nur auf fein uuausgefcfctes Eräugen habe er oon
ihr baS erfte gahrrab oerfauft erhalten, baS il)m überbies gum Selbft-
foftenpreife überlaffen worben fei, unb er felbft habe gebeten, ihm oom
Sohne wöchentlich 5 Jl abgugiehen unb auf ben Kaufpreis gu oerrcchnen.
5)er Kläger habe baS ihm Sßfingften 1897 oerfaufte gahrrab fdbann mit
10 bis 20 M. Bortheil oerfauft unb habe bann auf fein erneutes Bitten
ein gweiteS Bab oon ihr, ber Bcflagten, unb gwar wteber gum Selbft-
fofteitpreife gefauft unb nicht ooEftänbig begaljlt. Es fei alfo gerabegu
dnfanös, wenn er jept, nachbcm er aus bem ArbeitSoerhältniffe oon ihr
auSgefchieben fei, Bachgahlung beS gurücfbehaltenen Sohnes forbere.
Einen derartigen gaü habe ber Eefepgeber ber Eemerbeorbnung ficher
nicht im Auge gehabt, als er bie §§. 116 unb folgende gefebaffen habe.
$iefc Bfeiuung theile auch nach einer elngcholtett AuSfnnft bcr Eewcrbe-
infpeftor Beumann in 9Bagbeburg. Ob aber bie Anficht bes Eewerbe-
injpeftorS richtig fei ober nicht, ber flägerifdje Anfpruch fei jebenfaEs
deshalb unbegründet, weil ber Kläger, nachdem er bereits aus bem
ArbeitSoerhältniffe bei ihr auSgefchieben gewefen fei, fich gu ben beiben
oon ihm mit ihr gefd)loffenen Berträgen befannt unb auSbrüdlidfj Bach*
gahlung ber reftltdjen KaufpreiSforberung oerfprothen habe, gu dem
Anerfenntnib ber Berträge unb bem mit ihm oerbunbenen 3ahlungS-
oerfpredjcn liege ein Bergicht auf Bachforberung bcr während bcS
ArbeitSocrhälhtiffcS eingehaltenen 2of)ubeträge. ^ie Bcflagte hat fo-
bann noch oorgebracht, baß bic Ucbcrlaffung oon gahrräbern au ihre
Arbeiter gunt Selbftfoftenpretfe als eine SSohlfahrtSetnridjtung im Sinne
ber Eewerbcorbmtng angufchcn unb bafj deshalb bie Anrechnung auf
ben Sohn ftattl)aft fei.
£er Kläger beantragt, bie Berufung foftenpflidjtig gitrüdguweifcn.
Er beftreitet baS oon ber Bcflagten behauptete Ancrfenntniß unb wieber-
1 holt feine Ausführungen erfter Jnftang, baß bic abgcfdjloffcuen Berträge
Jas ©croerbegeridfjt. 3Rittbcilungen beS VerbanbcS bcutfdfjer ©eroerbcgerichte. 3tr. 8.
96
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gegen §. 115 ber ©eroerbeorbnung oerftiepen unb ihm itad^ §• 116 ba*
felbft ein Siecht auf SJtadj^aplung beS 3 urüdgehaltenen ScpiteS 3 uftepe.
EntfdheibungSgriinbe: Jie Veträge, burdj roelcpe bie Veflagtc
bem Kläger bie beiben gaprräber unter Stunbung ber Seja^Iung beS
KaufpreifeS, alfo auf Krebit abgegeben, unb in golge bereu fie jur
Tilgung beS Kaufpreises bei bett wöchentlichen Öofjnjablungen bem
Kläger Sopnbeträge non minbeftenS 285 Jt. abgewogen hat, fittb nach
§.115 Abfap 2 ber ©eroerbeorbnung in ber Jl)at oerboten, unb nach
§. 117 Abfap 1 bafelbft nichtig, unb bem Kläger, ber bie 9 ?ach 3 ablung
ber einbebaltenen betrage forbert, fann nach §. 116 ber ©eroerbeorbnung
nicht einmal eine Einrebe aus ben an 3ahfangSftatt ©egebenen ent*
gegengefept roerben. Jaran fann auch nichts änbern, bap bie An*
rec^nung bes KaufpreifeS auf ben 2oIjn beS Klägers mit beffen 3 U *
ftimmung erfolgt fein mag, ba bie ermähnten Veftimmungen ber
©emerbcorbnung abfoluter Statur ftnb unb nicht burch ^arteiroiUlür
abgeänbert roerben lönnen. Aud) ift nicht anjuerfennen, bap bie frag*
lieben Öobnabjiige, roie bie Veftagte auSjufübren fudfjt, ber Ausnahme*
oorfeprift beS §. 117 Abfap 2 ber ©eroerbeorbnung ju unterftellen feien,
roeil fid) bie Ueberlaffung ber gaprräber an ihre Arbeiter jum Selbft*
foftenpreife als eine Einrichtung barfteHe jur Verbefferung ber Sage
biefer Arbeiter, unb roeil beSpalb bie Verroenbuttg bes ArbeitSoerbienfteS
jur Vetpeiligung an biefer (Einrichtung ftattbaft fei. 3 um e ^ ner
SBoblfahrtSeinricptung gehört eS namentlich, baß fte einem größeren
Greife non ^erfonen 31 t ©ute fommt. Jas aber Iäpt ficb oon ber
Ueberlaffung eines gaprrabeS au biefen ober jenen gewerblichen Arbeiter
niept fagen, unb ben Ausführungen beS VorberridfjterS roar baper, fo*
roeit fie bie Verurtpeilung ber Vellagten auf bie Veftimmungen ber
©eroerbeorbnung ftii^en, beijutreten.
Jie Veftagte bat nun aber in jroeiter 3 nftan 3 noch oorgebraept,
bap ber Kläger nach Auflöfung feines ArbcitSoerpältniffeS mit ihr ficb
ju ben ftreitigeu Verträgen befannt unb 3 a hfang beS SfeftlaufgelbeS
oerfprodfjen pabe. ® uc b baS ift jeboeb für bie fß^epentfepeibung
gleichgültig. Aus §. 2 beS©efepeS oont 21. 3uni 1869 in Verbittbung
mit §. 116 ber ©eroerbeorbnung ergiebt ficb nämlich bie 9?idjtigfeit
auch biefer nachträglichen Abmachungen, benn einmal fann nicht angc*
nontmen roerben, bap ber Kläger neben feiner aus §. 118 ber ©eroerbe*
orbnung ftch ergebenben Verpflichtung ben fßreiS für bie erhaltenen
gabrräber an bie im §. 116 ber ©eroerbeorbnung bejeidbnete Haffe ju
jaljlen, auch noch eine Verpflichtung pabe übernebmeu wollen, biefen
felbeit $reiS auch an bie Vertagte 31 t entrichten, unb ^roeitenS rnup
auch in ber urfprünglichen Velaffung ber non ber Vellagten gemachten
Sobnabjüge in ber $anb berfelben 3meds Tilgung beS gabrrabpreifeS
eine, roemt auch nach §• 2 beS ©efepeS nom 21. guni 1869 unjuläfftge
Verfügung über biefe Sopnforberung gefunben roerben, bie ber Sohn*
forberung im Sinne beS §. 1 beS ©efepeS nottt 21. guni 1869 gleich*
ftept, fo bap auch bie nachträgliche Verfügung über biefe Sopnforberung
nach §§. 1 unb 2 cit. rechtliche SBirfung nicht haben fann. Von einem
recbtSroirffamcn Verzicht beS Klägers auf feine £opnanfprüd)e aber ift
fchon bespalb nicht 3 U reben, roeil biefer als einfeitigcS 9lechtSgefchäft
bcS Klägers nach §. 134 Jitcl 5 Jpeil 1 beS Allgemeinen SanbrcchtS
fdjriftlid) unb nach §• 381 Jpeil I Jitet 16 bafelbft auSbrücftich patte
erfolgen müffen, roaS VeibeS nicht behauptet ift.
Jie Verufung ber Vertagten roar besbalb, roie gef «heben, juritc!*
juroeifen.
Anmerlung ber 3tebaltiou: Jie obigen Urtbcile fittb nicht nur
praUifch non 28id)tigfeit — für bie Vertagte fämen eoentueH 9fach*
jabtuugen bis 311 80 000 Jt. in Vetracfjt —, fonbertt fie fittb auch iu*
rtftifch oon böchftem gntcreffe. ^öffentlich fniipft ftch a,t f lc XiS*
fuffion an, 31 t bereit Einleitung mir nur einen > 5 rxietfcl anregen möchten:
5:ie ©eroerbetreibenben finb oerpflichtet, bie Söhne .... in Vaar aus*
3 U 3 at)len. Sie Veflagte roirb in obigem gaH ucrurtbeilt, roeil fie bieS
nicht getfjatt hat. 33äre ber §. 115 ber ©eroerbeorbnung auch oertept
roorbett, roenn fie ihren Arbeitern bett Sohn in Vaar ausbe 3 ablt, fte
aber ^uglcidj oeranlafjt hätte, an jebent 3 a b^ a 9 na( b Empfang beS
Sohnes att einer anbern Haffe bie Abfcblags 3 af)lung auf bas gelieferte
9iab 311 iitadteu? 5öas toäre 9lechlettS, roetm ber Arbeitgeber bem betr.
Arbeiter nicht etroa ben Kaufpreis beS AabeS frcbitirt, fonbertt ihm
beim Verfauf ein Darlehen in .^öhe beS 5iaufpreifeS gegeben hätte, baS
ber Käufer jur Tilgung beS Haufpreifcs 31 t oerroettben uttb ratenroeife
3 uriicf 3 U 3 ahlen hätte?
littfelbftftänbiger Arbeiter ober Unternehmer? (Urtheil
bes OU'iuerbegcrichtS 31 t granffurt a. Vc. unb bes bortigen Königlichen
Sanbgericbts.)
Sic Kläger haben bei ber beflagten girttta mit einem Scheich ge¬
arbeitet, um ben an einem Sdfjleufenbau in ber 9iäfje 001 t 0., ber oon
ber Vcflagten übernommen roar, gebaggerten HieS fort^itfchaffcn. Sie
bezogen ls Ji. für ben gatt 3 cn lag, toouon fie fid; jeber 5 Ul. Sohn
ben Jag unb ber Kläger S. Sdj., ber Eigentümer bes SdjeldjS ift,
s Ut für Reparatur* unb ltnterbaltuugsfoftcn bes Sd;cld;S red;nen. Sie
oerlangen ©ntfdjäbigung toegen Entlaffung ohne Künbigung. ^ic
flagte hat bie Einrebe roegen llit^uftäubigfeit bes ©eroerbegericf)t£ er¬
hoben, inbem fte geltenb gemadjt hat, bie Kläger feien felbftftänbige
Unternehmer.
AIS unftreitig ift 3 toifcben ben Parteien golgettbes feftgeftellt: Qex
Kläger S. Sch- ift Eigentümer eines Scheichs, toelcher neu 12 bis
1500 Ut. foftet unb ben er für ben $reis oon 500 Ui. im gebrauchten
3 uftanbe erroorben hat. 9Rit biefent Scheid) fucht ber Kläger S. 3dj.
unter 3 w httfcnahme feines VruberS, beS Klägers 9W. Sch-, feinen (Sr*
roerb. Unter Anberem fchöpjen bie beiben Kläger, roenn fi<h ©elegen*
heit ba 3 u bietet, Vlainfanb an oerfchiebenen Orten beS gluffeS, ben fte
nach JranSport au geeigneten Steden oerfaufen. 3m oorliegenben
gaHe fmb bie beiben Kläger angenommen roorbett, um bett bei ben
Scpleiifenbauten ber Vellagten gewonnenen Kies fort 3 ufchaffen. Sie
haben täglich brei unb mehr guhren gemacht, je nachbem bie AbtabungS*
fteHe oon ber VaggerfteHe entfernt roar. 2)er Ort, roohin ber HieS ge¬
fahren roerben muffte, roar ein oerfchiebener unb rourbe feioeils oott ber
Vellagten br 3 to. ihren AngefteHten beftimmt. Jh^ilroeife rourbe ber Kies
3 u einem Sdjleufenbau an anberer Stelle, theilroeife 3 U einem S)ammbau
an britter Stelle oerroenbet. 2)ie ArbeitSseit für bie Kläger roar oon
6 bis 7 Uhr. $)ie 3 a h Iuit 9 beS oereinbarten VetrageS erfolgte alle
14 Jage. 3ar Kranfenoerfid;erung unb 3noalibitätS* unb AlterSoer*
ftcherung roaren bie Kläger feitenS ber Vellagten nicht angemelbet.
3ebodj hatten fte ihre gaoalibenlarten im Vureau ber Vellagten ab¬
geben müffen.
Jas ©eroerbegericht hat ftch für 3 uftänbig erllärt aus folgenben
©rünben:
Jer Vegriff beS Arbeitnehmers ift in ber ©eroerbeorbnung nicht
befmirt. Jiefer Vegriff roirb beShalb für ben Stabmen biefeS ©efepes
aus allgemeinen ©efichtSpunlten hrrgeleitet roerben müffen. jabei roirb
man fagen lönnen, bap „Arbeitnehmer berjenige ift, roeldhcr feine Arbeits¬
kraft einem Anberen (Unternehmer) gegen eine im Voraus ohne 9tiicf=
ftchtnahme auf bie weiteren Scbicffale beS ArbeitSprobulteS feftgefepte Ver*
gütung (Arbeitslohn) überläfct, toährenb ber Unternehmer über bas
ArbeitSprobult oerfügt unb ben über bie ^robuftioitSloften gegebenen
SBerth als Unternehmer be 3 iebt." (Vgl. Schönberg, VoItSroirtbfdtaftS-
lehre, 3. Aufl. Vb. I S. 61.) Jer Arbeitnehmer befinbet fid) fomtt, toas
feine ArbeitSleiftungen anbetrifft, in Abhäitgigleit gegenüber bem Arbeit*
geber. 3 m oorliegenben galle haben nun uttsroeifelhaft bte beiben
Kläger ihre Arbeitskraft ber Vellagten 00 H 3 ur Verfügung geftettt, in*
bem fte in einer beftimmten Arbettöjeit oon VtorgenS früh bis Abettbs
3 ur JiSpofttion ber Vellagten fein muffen. 3hre Arbeiten hatten fie
genau nach Angabe ber AngefteHten ber Vellagten auS 3 uführeu, anbere
Arbeiten als bie ihnen oon ber Vellagten übertragenen burften fte gleich 1
3 eitig nicht übernehmen. Sie be 3 ogen bafür nicht mehr als einen, toetttt
auch h°5 cn Jagelohn, ber ihnen roie üblid) alle 3 toei SBodjeit auSge 3 ahlt
rourbe. Jcmnach tonnte ein Vebenten au ftch nicht bagegen beftehett,
bah bie Kläger ber Vellagten gegenüber als Arbeitnehmer baftatiben.
Jas Vebenten ergiebt ftch er fh menn in Ertoäguttg ge 3 ogen roirb, bag
neben bem Jagelohn oon 5 M. bem Kläger 2. Sch- auch nod) ber Ve*
trag oon 8 Ut. ben Jag für Venupung bes SdjelchS 3 uftel, fo bap fid)
baS Verhältnis eoentueH fo beulen lief 3 , ber Kläger 2. S«h* fei felbft*
ftänbiger Unternehmer geroefett, uttb ber Kläger 3)1. Sch- habe in feinem
unb nicht ber Vellagten Jienft geftanben. JiefeS Vebenten errocift ftch
jeboch als hinfällig. Jettn es ift eine Erlernung, bie öfter oortommt,
bap ber Arbeitnehmer bem Arbeitgeber auper feiner Arbeitskraft neben*
bei SBcrtseug 3 ur Verfügung ftcllt uttb bafür eine befonbere (Entfcfjäbi*
gung erhält. JieS lomntt 3 . V. oor bet ben Vilbpauern, bie roerthoollc
2 Sert 3 euge mit 3 ur Verfügung halten müffen, in ber Schreineret uttb
ben optifdjen gabrilen. ES geljt biefer ©ebraudj hinunter bis 3 ur ©e*
fteüung oon Schippe bei Jagelöhnern unb beS SpeiS 3 uberS bei bett
Vtaurern. SSirb in folcpent gaHe ber beftimmte 93od)enlohu gc^a^It, fo
tritt bie eoenlueHe Entfchäbigung 4 für ©efteHuitg bes 23erl3eugs ohne
SBeitereS in Erfcheinung. AnberS ift es beim Altorboertrag, bei bem
oielfach bann fchon 3 meifel fein löttnen, ob es jich nicht um ein über¬
nommenes SBcrl hanbelt. ©ierbei ift ber Vctrag, ber 3 ittreffenbeti gallv
für gepelltes SBerfyeug 3 U rechnen ift, nach Sdpäpung 3 U greifen. So
liegt es oorliegenb. Jer Kläger 2. Sch- redjnet ftch ben Vetrag oon
8 Jt. für bie ©eftcllmtg bes Sd)clch. Ertoägt man hierbei, bap 5lepa*
raturloftcn unb Vei^infung beS genannten KaufpreifeS nebft Abnupung
in 9iechnimg gefteflt roerben müffen uttb ber Scheid) nicht bas oollc 3ahr
über benupt roerbett latttt, fo ift ber Vetrag nidjt 311 hoch, als bap man
in ihm bereits einen lliitemehmergciuiun fitibctt müpte. Jie Ver 3 iniuug
eines beftimmten Kapitals enthält einen llniernebmergeroinit att fiep nodi
nicht. Vielmehr läpt pd) biefer Vetrag, unter 3»grunbelegung ber oben
angeführten Momente lebiglid) als Entgelt für ©efteHuitg bes Scheidts
betradjtcn. 3ft biefes aber ber gall, fo fällt baS Vebenfen, roelches
gegen bie Arbeitereigenfchaft ber Kläger erhoben roerben lattn, fort, ba
OS
S)a3 ©ewerbegeritfjt. SDMtheilungen be$ VerbanbeS beutf^ er ©eroerbegert dfrte. 9fr.
fic bann mir iuic jcber aubcrc Arbeiter 31 t einem bcftiuunteu Tagelobu
in Ticnfien bei Veflagten geftanbeu haben.
Tyiir bie Arbcitercigeufdjnit bei Kläger fpridjt jubeln Die Gablung
bev Lohnes alle 14 läge unb bie Annahme bei Totualibcnfartc. ^eptere ift
>unädj[t um im Vefip non Arbeitnehmern unb wirb gcwohnljettvinähig
beim Eingang eines Arbeitsoerbältmffes uom Arbeitgeber cingcforbrrt.
Tan bie Kläger, wenn fic nidjt in einem feften Arbeitsuerhältuih
[tauben, beit 3dioid) unb ihre Arbcüsfraft anbenueitig oermertbeten unb
[elbititänbig «ics fdjöpften, fnnn ihre Arbcitcrcigeufdjnft im einjelueu
A-alle nicht berühren. Tie -2a di läge mürbe fi di fclbft bann nodi nidit
änberu, menn bei «läger 9K. Sri). oon bem «Inger s 2. Sdj. in Arbeit
angenommen wäre, ba es häufig oorfommt, bafj ein Vorarbeiter,
Variier o. bgl. Arbeiter felbftfiäubig einfieüeu barf.
Tiefes Urtbeil ift in bei Vcrufungsiii[tan 3 betätigt worben unter
folgeitben Grwägungeit:
Tie ^viage, ob eine V^fon als Arbeiter ober fclbftftänbiger Unter*
nebnter nujuicheu ift, ift am? allgemeinen ©efidjtspunftcn 31 t cntfdieibeu,
unb ift hierbei ba* gauje Verbältnif? 311 bem Arbeitgeber, wie bie Art
bei Arbeit unb eublicb and) bie gärige [o^iale Stellung ber betreffenben
Verton in Votrndjt 31 t sieben. ©as junäefift bas Abljäugigfeitsucrljält*
liifj angebt, in wcldieiit bie «läger 311 ber Veflagten geftanben haben,
[o fanu ec- feinem Zweifel unterliegen, bah es berartig ift, luie foldjeS
regelmäßig swifdien Arbeiter gegenüber ihrem Arbeitgeber besw. Unter*
uebmer begebt, Tabci fanu cs ba hingefieflt bleiben, ob beibe «läger
bireft oott bei Veflagten engagirt worben finb, ober ob 3)i. Sdj. nur
burd) feinen Vrubcr 31 W Arbeit luitgebradjt worben ift. Tettu aisbann
würbe SW. Sdj. jebenfalls al^ gcwöljnlidjcr Arbeiter ati 3 ufehen, alfo bie
3uftäubigfeit für ihn begrünbet [ein unb cS bliebe nur bie fept ttidjt
31 t pritfenbe Trage begeben, ob er materielle Aufpriidjc gegen bcu 9)fit*
fläger ober gegen bie Veflagte bat. Tic Arbcitsftcllung ber ^cptcreti
gegenüber war übrigens für Vcibc bie glcidje. 3ic waren oerpflidjtct,
wie gcmühulidjc Arbeiter mit ihrer ganjeu Arbcitsfraft ber Veflagten
Sitr Verfügung 311 fteljen unb ohne Viicffidjt auf ihre eigene Vcftimmuug
ben «ies wegsufabreu, wenn foldjer in geitiigenber Vfengc ansgebaggert
war. Cb gerabe aitSbriicflich eine feftc Arbeitszeit bebungeu worben ift
ober nicht, fanu babingeftellt bleiben: auf jeben ah 11 waren es nidjt
bie «läger, tocldjc ^cit, ^auer unb Art ihrer Arbeit beftimntten, oiel*
mehr waren fic burdiaits? abhängig oon bcu Verfügungen unb Au*
weifungen ber Vcflagten. Sic lieferten ferner ber Veflagten für bie
oereinbarte Vergütung nidjt etwa ein feft beftimmtes Arbeitsprobnft,
fonberu [teilten lebiglidi für ben Arbeitstag ihre Tienftc ber Veflagten
jur Verfügung, bie Ve^aljfung erfolgte nidjt cntfprcdjenb bem gelcifteten
Arbeitserfolg, fonbern uadi feftent Tagesfape in oiei^eljntägigen Seitab*
frfniittcn, wie es bei Arbeitern üblich ift. ©enn and) feiten# ber Ve*
flagtcn ein oerbältniginäfiig hoher Öoljn gc 3 afjlt würbe, fo gebt berfelbe
bemtodj, wenn man bcrürfiidjtigt, bah in bemfelbcn bie Gntjdjäbiguug
für Vcmiptuig bes Srfjeldjcs einbegriffen ift, nid)t erbeblid) über beit
Turdjjdjnitt bcS ber Arbeit ctitfpredjeubcn Lohnes hinaus. And) ift bie
in bentfelbeu enthaltene Vergütung für bie Venupung bes SdicldjeS,
wie bei elfte dichter sutreffenb auf ©raub ber Sarfjfimbe bes ©ewerbe*
geridjts ausführt, immerhin in ben ©renjen bemeffeu, baft biefelbc luohl
ein angciitcffenes Gutgelt barftcllt, nidit aber ilnteruebmergrmiuu ein*
fdjliefit.
UebrigenS würbe baS Vorhanbenfeiit eines Unternchmergcmiunes
für ftd) allein bie Arbeitereigenfchaft ber «läger nidjt uottjwenbig aus*
fdjlieheit. Tenn aud) fouft fommeu Vcrfjältniffc uor, in beucn ein Ar*
beiter ( 3 . V. ein parlier, Siegelmcifter) trop Veilchens oon Unternehmer*
oortheilcn bie Gigenfdjaft eine» Arbeiters nidit uerliert. 3Birb nur bie
Art ber oott ben «lagern gelcifteten Arbeit geprüft, fo weift aud) fic
barauf hin, bap bicfelben nicht als felbftftäubige Unternehmer bei ber
Veflagten gearbeitet haben. Tiefelbctt [teilten nidit etwa burdj ihre
Tbätigfeit ein V^obuft höherer Art bar, eS Ijanbelte fidj oieltttehr nur
um gaus gctoöbulidie ^anbarbeit, welche irgettb welche befonbereu
gähigfeiteu unb «enutuiffc nidjt erforberte.
Gnblid) ift itt Vctradjt 31 t pichen, bafj bie «läger, wie bie obrig*
fcitlidjcu Armutbsattcfte, auf ©rutib bereu ben [eiben baS Anneuredit
bewilligt worben ift, ergeben, ifjrcr gauseit fojialen Stellung itadj
offenbar ber «laffe ber uufelbftftänbig befdiäftigten Verfouett atigehörett.
Cäge nur bie eine ober attbere ber hier feftgcftellten Thatfadieu oor, fo
föunte bie Gutfdjeibung zweifelhaft erfdjeinen. Jn ihrer ©efammlljeit
begrititbeu fic bie Auffaffuttg bes erfteti Vichters.
Attmcrfung ber Vcbaftion: 2^ir Ijabcn bie beibett Urtheile
in ausführlidjeut Aussage wicbcrgegcben, weil bie baritt, inSbefottbere
oon bem «öniglidjcn ^anbgeridjt, auSgefprodienc Auffaffuttg uns oon
allgemeiner unb grunbfäplidjer Vebeutuug 31 t fein fdjeiut.
Vebarrlid)e Verweigerung einer oon einem Arbeiter
oerlattgteu Ausfauft ift ©rttnb 31 t beffeti fofortigeu Gut*
laffuug. (Gutfdieibuug bes ('u’werbegeridjts 311 Cffeubad) a. Viain.)
Ter Veflagte bat ben «läger cutlnffen, weil er bem ©erfmeifter
eine auf Arbeiten Vesug habenbe Ausfunft nicht ertheilt habe. Tas
©eridjt gellt baooit aus, baft eS 3 U ben burdj ben ArbeitSoertrag ge*
hörigen Verpfltdjtungeu (©.C. §. 121) gehöre, bafj ber Arbeiter bem
Arbeitgeber ober beffen 2tefloertreter bie burch bie Regelung ber Arbeit
unb Aufredjtcrhaltnng ber Crbttung in ber gabrif erforbcrlidjcn
AitSfünftc 31 t geben habe unb baf 3 eine beharrüthe Weigerung, bies 31 t
thuu, als Gntlaffungsgrunb im 2ittne ber ©ewerbeorbuuug §. \'2&
Vofition an 3 ufel)en fei. Turch bie AnSfagen ber ^eugett 2B. unb V. ift
nunmehr feftgcftellt, bafj ber ©erfmeifter ©. ben «läger fragte, ob er
Aiitter für 3d)iihe, mcldjeS fehlerhaft sugefchnitten war, zugefdjnitten
habe? «läger gab 3 uuä<hft überhaupt feine Antwort unb äußerte auf
bie micberholte Arage: „Waffen Sie mich in < fHuhe"! Taraufhiu
tnclbetc ber ©erfmeiftcr bieS bem Arbeitgeber, ber bie Gittlaffung oer*
anlafstc. ©enn bas ©eridjt auch ber Anftcht ift, baf 3 bie alSbalbige
Gutlaffuug eine harte Strafe war, uttb bag ber Arbeitgeber wohl burd)
pcrfönlidics Ginfdireiteu bei einem ©erffiihrer, beffen Autorität nidjt
grofj fein foll, wofjl bie erforberlid)c AuSfunft erlangt hätte, fo fann
bodj anbererfeitS nidjt bie Veredjtigmtg atterfattnt werben, bah ein
Arbeiter berartige 3 U 1 * Auffläruug erforberliche AuSfünfte oerweigent
barf unb mufjte beshalb uadj obigem ©runbfap auf Abweifuttg erfaunt
werben.
3u einer SchabenSflage oon Vauarbeitern ift, wenn fic
für ben gansett Vau engagirt waren unb ber Soljn int ©attsen
mehr als 150 ,4t. beträgt, im ©ebiete beS Allgemeinen Öanb*
rechts Sdjriftform oon Döthen.
1. llrtheil bes ©ewerbegeridjts Stettin oorn 5. April 189S.
Vorfipetiber: 9)fagiftratS*Affeffor Öaubüttger.
Aus ben OU'üttben: «läger waren für bie ganje Tauer beSVaues
alS Steinträger engagirt unb waren jur 3 e *t ber Gntlaffung bereits 12
©odjett thätig. Sie tjaben pro Vlantt unb ©odpc inb er erften 3eit in ben
furzen Tagen toödjentlidj 20 bis 30 M., fpäter über 40 Jt. oerbient,
©enn nun auch an 3 unefjmen ift, bah ber „erfte SD?anu" V. lebiglidj als
Veoollmächtigter bes Veflagten gehanbelt hat unb behhalb mit jebetit
einzelnen ber «läger ein bcfottbcrer Annahmeoertrag gefchloffen ift, fo
liegt hoch auch in biefem Aalle überall ein Vertrag oor, ber ein IDbjeft oon
mehr als 150 M. 3 um ©egenftanbe hat; bemi jeber ein 3 elne ber «läger
folltc nach bem ©illeit ber Vartcieu für bie ganze Vauseit berechtigt
unb ocrpflidjtet fein. Ter Vertrag beburfte beshalb gentäh §• 131 I. 5
Aflgemeiuen £anbredjts 311 feiner ©ültigfeit ber Sdjriftform. ©emäfj
$. 155 ff. 165 ff. 1. 5 Allgemeinen ÖanbredjiS finbet ans bem Vertrage
beshalb feine SchabenSflage ftatt. 0b «läger biefe Veftimmungen ge*
fannt haben ober nicht, ift nadj §. 12 ber (Einleitung 3 unt Aflgemeiuen
Öanbredjt gleichgültig.
Tie «läge war beSljalb ab 3 uweifen.
2. Unheil ber Gioilfammer III beS SaitbgerichtS Stettin 0011 t
3. SRooentber 1898.
Aus beit ©rütiben: ^ebenfalls wirb bie Abweifung ber «läge
burch §. 163 I. » beS Aflgemeiuen ÖanbrerfjtS getragen. Tentt eS ift nidjt
ridjtig, bah bie «läger auf unbeftimmte 3«t 3 U ber Arbeit engagirt
finb. Ausbrücflich ift in biefer Vcsiehuug bei ihrem Gttgagemcnt nidjts
oercinbart worben. GS ift baljer an 3 unehmen, bah für bas Gtigagemeitt
bicjettigen Vebiugungett mahgebenb fein foflten, unter welchen berartige
Verträge gefchloffen 311 werben pflegen, weldje nach ber Vcrfcfjrsauf*
faffung als ftiflfdjweigenb oereinbart gelten. 3» biefer Ve 3 iefjung Ijat
ber Satbsmaurermeiftcr T. als Sadjoerftänbiger begutachtet, bafj bei
berartigen Verträgen oon ber VcrfcljrSanfchaiutng auSgegaugen wirb,
bah bie Steinträger nicht für unbeftimmte 3 nt/ fonbern für bcu gatten
Vau engagirt werben. GS befteljt für bie Steinträger ein beftimmter
Tarif, itadj welchem bie «eiftuugeit pro Gtage besahlt werben. Tiefe
«eiftuugeu bauertt baljer folange, als ber Voljbau noch nidjt becubigt
ift. Alsbattit T)örcit biefe Arbeiten oon felbft auf, ohne bah erft
einer «iinbigung bebarf. Gtne «üttbigung tüäljrettb biefer 3 c *t ift fa*
wohl auf Seite bes Arbeitgebers, wie bes Arbeiters ausgefchloffett, weil
eben baS Arbeitspeufuut in fidj beftimmt ift. Tafj bieS auch bie Auf*
faffung ber Arbeiter ift, geht aus ben ciblidjeu AnSfagen ber Stein*
träger VL uttb Vf- h cruor / tocldje befnitbet haben, eS fei bei ihnen
Sitte, bafj he ben ganzen Vau über bis 311111 Schluffe blieben, oh
bieS aber ber fyaU, gelten bie Steiuträgcr nidjt als auf unbeftimmte
3eit engagiert, fonbern für ben gatten Vau, fo fanu cei feinem ^lucifcl
unterliegen —, ift audj unter bcu Parteien gar nidjt ftreitig - bah bas
Cbejft 150 Ul. überfteigt; ein berartiger Vertrag bebarf ber Sdjrift*
form. $11 Grutangclung berfclbett fattn weber auf Grfülluug gellagt,
nodj eine GutfdjäbigungSforbcrung wegen Aidjterfüflutig gelteub ge*
madjt werben. (§. 168 l. 5 A.^.V). Tie Auffaffuug ber «läger, bah,
wenn ber Vertrag mangels Sdjriftform ungültig fei, bie gefeplidje Tolge,
nämlich bie 14 tägige «iinbigung einsutveten habe, geht fehl. Tenn
einmal ift ein ber Tdjriftfovm bebürfeubev Vertrag beim Mangel ber
5)o3 ©eroerbegericßt. SRittljeitungen beS VcrbanbeS beutfeßer (Sewerbegericßte. Sir. 8.
100
‘H*
Scßriftform unuerbinbltcß, ein unocrbinbließer Vertrag aber ergeugt
fein AecßtSuerßältniß, beffen Veenbtgung abhängig gemacht inerben
fönnli’, iobotnt aber mürbe bei biefer Auffaffuttg auch bie Attwettb*
barfeit be§ §. 168 I. 5 beS Allgemeinen ÖanbreeßtS für berartige Ver*
tragSocrßältniffc gerabejit tlluforifcß fein.
Steht ben «lagern bennoch eine GntfeßäbiguitgSforberung nicht gu,
l'o ift bei* «lageattfpnuß hinfällig unb bie Berufung ber Kläger baher
guriief&uweifen. Diefe AecßtSfolge trifft auch gegenüber bem in 1. £>ii*
ftanj int Ickten Verßanblungsterntitic tiidjt erfdiicnetteti Kläger S. ein.
Senn etn ttaeß §. 41, 42 beS Oefe^ejg uorn 29. Juli 1890 ergangenes
Urtßeil gilt, abgefehen non ben ASirfuttgen beS §. 42 Abfaß 1, nidjt als
Verfäummßurtßeil (§. 42 Abf. 2 ). GS ift baher gegen eilt folcßes
Urtheil ebenfalls bie Berufung guläffig.
beginn beS ArbeitSuertrag«? (Urtheil beS ©ewerbegeridjts
Hamburg.)
Sic SRaurergefeffeu G. unb St. waren non bem polier beS Maurer*
nteifterS St. gum 26. September gut* Arbeit beftellt, unb gtuar 31 t bent
üblichen Sohne ooit 60 pro Stuiibe refp. 36 JC pro SBodje. SBegett
SRaterialmangels tourbett fte jeboeß, als fte Borgens bie Arbeit antreten
mollteit, guitt Mittag beftellt; auch bann mar bas Material noch nießt
eingetroffen, unb fo füllten fte am 27. September SRorgenS beginnen.
AIS ttadj grühftüdf an biefent läge enblid) bie Steine attFattten, legte
ber polier ben beiben ®efellen einen AeuerS gut* Unterfchrift oor, wo*
nach bie Äünbigung für beibe Steile ausgefchloffen toerbe. Diefett
Steuers gu uitterfcßreibeit tueigerteit fid) bie beiben SRaurer unb würben
baruut noch uor beginn ber Arbeit entlaffen. Sie flagten nunmehr
gegen ben SRaurermeifter St. auf 3aßlung oon je 72 M. für gwei
Wochen als Scßabenerfaß, ermäßigten jeboch biefe gorbenmg, ba fte
injtuifcßen attberc Arbeit erhalten hatten, auf je 31,so M. 3n ber 33er*
hanbluitg betätigten ber VeFIagte unb beffen polier bie oben gefchilberten
Dßatfacßen, behaupteten aber, bemgemäß gu Stecht bie «läger entlaffen
gu haben, wogegen ber Vertreter ber Seßteren bie Anficßt uertrat, baß
bas ArbeitSuerßäliniß bereits am 26. September HBorgenS begonnen
habe, ba fie guerft gur Arbeit angenommen toorbeit. SBenn ber Veflagte
am folgenbett Sage mH einer neuen Vebingmtg ßeruortrat, fo hätte er
jebettfaHS bei beren Atcßtannaßme bureß bie «läget* bie gefeßließe 14 tägige
StiinbigungSfrift beobachten müffen, ober er hätte bie Sfünbigung fofort
bei bei* Annahme ber Kläger auSfcßließen müffen. Das ©erießt trat
biefer Anfteßt beS Vertreters ber «läger nießt bei, wenn es aueß ju*
geftanb unb in bem Urtßetl auSfpracß, baß ber VeFlagte gweifelloS
beffer getßan hätte, wenn er bie Kläger feßott bet ber Veftellung gur
Arbeit ober aueß gleich bei beren Gintreffen auf ber Arbeitsftette ben
Steuers unterfeßreiben ließ. 3Benn bie Äfläger bann folcße Unterfcßrift
ueriueigerten, fo hätten fte aueß feinen Anfprudj auf Scßabetterfaß ge*
habt, benn baS ArbeitSuerßältniß wäre noeß nießt abgefcßloffen gemefen.
Aber aueß am folgenben Sage, ben 27. September, als bei Vegtnn ber
eigentlidjen Arbeit, habe ber VeFlagte nodj forreft gcßanbelt, wenn er
ben Äflägern ben Steuers gur Unterfcßrift uorlegte unb bei beren 2Bei*
gcrung fie entließ, ba eine für ißn tuefentlicße Vebingung uon ben
'Arbeitnehmern nießt angenommen worben. Stur für bie SBartejeit unb
aueß für ben 27. September, ba fte bureß feine Stßulb fteß für biefen
lag feine Arbeit meßr fudjen fonnten, fei ber VeFlagte ben Klägern
gum Sd;abenerfaß uerpflicßtet. demgemäß rourbe Grfterer gur Saßlnng
uon je 8,70 M. an biefe oerurtßeilt.
Attmerfung ber AebaFtton: Das obenfteßenbe Urtßetl wirb
uon bem Hamburger Vlatt, bem tuir es entnehmen, heftig angegriffen,
u. G. mit Unrecßt. ©erabe im Vaugewerbe ift es fogar uielfacß iiblicß,
baß bie näheren Arbeitsbebingmtgen erft bei Vegtmt ber Arbeit felbft
mitgetheitt werben. Das Gngagentent beS Arbeiters serfäHt bann
juriftifdj in ben Voruertrag: baß bie Parteien einen ArbeitSuertrag gu
nblicßen, in ber £)auptfadjc uieHeicßt fogar bereits befannten Vebtttgungen
ein gehen wollen, nnb in ben ArbeitSuertrag felbft, ber erft mit
Vcgiuii ber Arbeit (am anberen borgen, — ttad) Anfunft beS Vau*
material* — nach Vollenbung ber Arbeiten eines anbereu §anbwerferS —)
in Mrnft tritt. Der $ 122 ©ewerbeorbmmg begießt fid) aber natürlich
nur auf ben ArbeitSuertrag felbft, nießt auf jenen Voruertrag. Die
gleiche Streitfrage bat übrigens and), wie wir bem „Defterreicßifcßen
Metallarbeiter" entnehmen bem Wiener ©ewerbegerießt Vorgelegen, unb
ift bort gegeutßcilig,’ gu OUntfteu beS Arbeiters entfdjiebert worben,
liefe Gutfcheibung warb bann in ber Vlenarfißuug beS „Äicbcröfter*
reidüfiheu oiewerbeuereins" gu ebenfo bitteren «lagen über bas neue
(»lewerbegeriditsgeieß benußt, wie wir fte in Deutfdjlanb gu hören ge*
wohnt fiub.
JUl0emettte$i über <Benierbegerid)te unb
ArbeitSuertrag.
WuS ben Jahresberichten non Cüetoerbegertißien«
5leu eingegangen ftttb bie Vericßte ber (^ewerbegerießte Gattin
ftatt, SBraunfcßweig, Goburg, Gffeit, .^eibelberg, ^arl*s-
ruße, iHel, Vlülßeitn a. b. dl., Nürnberg, Dffeubitrg,
Solingen, 0cßweinfurt ; Vßürgburg.
fieiber befeßränfen ftd) bie weiften biefer Vericßte faft gattg auf
bie notßwenbigften ftatiftifeßen 3 a ^ c ”- Einige barunter felbft bie*
jettigen fo bebeutenber ©ewerbegeridjte wie Nürnberg, «arlSruße,
Gffett, Vrauttfd)weig fittb nur oeroielfältigt, nid)t gebrueft, alfo nur
für gang geringe Verbreitung beftimmt. ilnb bod) geben gerabe bie
Vericßte ber ©ewerbegeridßte eine fo oorgüglicße Glelegenßeit gur
SKittßeilüng ber lofalett Grfaßrungen, unb gur Vetonung ber nad)
ben lofalen Verßältniffen im gewerblichen £ebeu toicßtigen Vor*
Fommtiiffen unb für baS Verßältniß ber betßeiligten Volfstlaffen
gu einanber wicßtiaeit Dßatfacßen. VJir möcßteu in biefer £)infid)t
g. V. auf ben feßr intereffanten Vericßt beS ©ewerbegerießts
0olingen oerweifett.
Jm Gingelnett mag nur beuierft werben:
Gannftatt berießtet über bie Venußung beS DelepßotiS: eine
Angaßl Satte feien bureß telepßonifcße Vermittelung oor Aufnaßmc
ber Klagen erlebigt worben.
Vrannfcßweig melbet eine Venneßrung ber 0treitfätte um
8 % — oon 590 auf 637. Da fid) ittbeß aus ben im Verist
enthaltenen 3 a ^^ 1 sugleidt) ergiebt, baß biefe 3aßl faft mu bjr*
jettigen übereinftimmt, welcße ber erfte Jahresbericht atiSu-eift
(621), unb baß g. V. 1894 580 gatte (gegen bie 590 uon 1898)
gu erlebigen waren, fo folgt ßierauS nießt etwa ein befonbercs
Anwaeßfen ber Streitluft, fonbern lebiglid) eine ber 3nnaßme beS
VerFeßrS unb ber VeoölFeruna folgenbe Vermehrung ber StreitiaFeiten.
Äiel ßat eine gang äßnließe Steigerung (oon 422 auf 480),
bie aber uaeß bem Verießt auf einen gang gufättigen Umfianb
(52 «lagen gegen 2 Unternehmer!) gurüefgufüßren ift.
§ et beiberg berießtet oon ber auffattenbett Steigerung ber
oon Arbeitgebern gegen Arbeiter erhobenen «lagen (33 gegen lo);
oerfeßtebene Arbeitgeber, bie bisßer wegen ber materiellen Grgebniß*
loftgFeit oon einer «lagefüßrung gegen oertragSbnicßige Arbeiter
Umgang genommen ßatteit, hätten nunmeßr wenigftcnS bie SHeeßts*
wibrigFeit beS gefeßeßenen VertragSbrueßS öffentlich Fonftatiren
wollen. Von biefen «lagen werben 3 uotn VeFlagtcn anerFannt,
roäßrenb in 9 gätten gu (fünften ber «läger Urtßeil erging. (Dem
fteßen gegenüber 223 «lagen oon Arbeitern, oon benen 52 burdi
Vergießt unb «lagerüefnaßme, 103 bureß Vergleich, 23 bureß Uilßeil
gu (fünften unb 40 bureß Urtßeil gu Ungunften ber «lägcv er*
lebigt würben). GS wäre feßr gu wüitfeßen, baß aueß in anberen
Stäoten bie Arbeitgeber gegebenen gatteS ebenfo oerfiißren; bas
unentgeltließe unb rafeße Verfahren oor bem ©emerbegerießte ift
reeßt geeignet, bureß rafeße £>erbeifüßrung eines unter VUtwirFuitg ber
«laffengenoffen beS ©egnerS ergeßenbett UrtßeilS bem öffentließen
SieeßtSgefüßl Genugtßuung gu gewähren, aueß wenn ber Sieger
materiellen Vortßeil oom Dbfieg nießt ßat unb nießt erwartet.
Solingen fueßt in feinem Verießt ben immenoiebcrFeßrctibcn
«lagen über bie UnFenntniffe beS befteßeitbeit S^eeßtS bureß eine
feßr Flare unb leießt oerftänbließe 3ufamutenfaffung ber praftifd»
wteßtigften 9ted;tSfäße ittSbefonbere über Älünbtgung unb Füubi*
gungslofe Gittlaffung entgegen gu arbeiten; ein Verfahren, baS
fießer in ßoßem ©rabe naeßaßmenSwertß ift. Die feßr beaeßtenS*
wertßen Ausführungen biefes Verießts über bie «ompeteng ber
©ewerbegerießte folgen ißrer VMcßtigFeit ßalber, an befonberer Stette
in biefer Kummer (Vergl. Sp. 93). Als GinigungSamt warb bas
©ewerbegerießt nur in VSürgburg unb gwar oon ben Väefergefctteit
angerufen; bie 2Reifter leßnten jeboeß bie Verßanbluna ab. lieb?:
baS Verßältniß beS ©eroerbcgcridjts gur ArbeitSoc,*
mittelungSftelle berietet ber gleitße Verießt bas golaeube:
2SaS enblteß bie ftäbtifeße ArbeitSnaeßweiSftette anbetrifft, ift
ber aus bem Vorfißenben beS ©emerbegeriißts unb einem Dßetl
ber Veifißer berfelbeit befteßeube Vorftaitb im VerießtSjaßrc nteßt
in V^irFfautFeit getreten, wie bie ArbeitSnaeßweiSftette überhaupt
außer gweier Grfueßett ber ginna «rupp in Gffen um Ueberweifuttg
ooit Seßloffertt 2C. im Jaßre 1898 weber oon Arbeitgebern ttoeß
oon Arbeitnehmern in Aufprueß genommen würbe.
„Da« Qeftctbegethßt* etfßeint am elften Donnetftage leben SWonat« im 3Wnbeftumfange bon Vx Vogen gum greife oon 1 SR. jößtliß. — VeßeRungcn
nehmen iümmtlicße ^oftanftalten (VoftgeitungSnummex 2877) unb Vucßhonblungen an; ein biteftet Vegug oon bet Verlagftbucbhottblung ßnbet nießt ftatt.
Scrlag oon 2>un<fer A ^umblot, ßeipjlg. — Oebrudt bei Sutiu« ©tttenfctb in öerltn w.
IV. Solpgang. ©erlitt unb gtamffurt a. SB., ben 1. 3iunt 1899. Stummer 9.
Jlas (Bfroerbrgeridit.
Htittheilungcm bes Vetbanbes beutfcfyer < 5 en>erbegerid?te.
Verantwortlich für bic Stebaftion: bcr ©efdjäftsführer beS Verbautes, ©tabtrath Dr. Iflefdj, JJranffurt a. 9K.
grf4ri«t mü rttni |»nnt«f |f*f« IPtacf». __ I*|rit4 1 piA
- rviw » ■■ ■ .
Setlag boit ©uncfet & jpumblot, Seidig. Äojlenfreie Beilage jut v Sogiaten ^prajciÄ*.
Inhalt
©ie Sotjnjaljlung bei borflbet«
gebenbet AtbeitSbeblnbening
nach §. 616 bei Bürgerlichen
©efefcbud)«. Bon ©tabtratb «$.
öon Qrtanlenberg, Borftbenbem
bei ©ewerbegerid&tö Braunfcötoeig.
101
§. 626 bei Bürgerlichen ©efefc*
bu<bi unb §§. 123, 124 bet ©e*
toetbeotbnung.104
. 106
Begriff bet „groben Beleibigung* im
©inne bei §. 123 Abf. 1 3%«' 5 bet
8fcei<bi*@enjetbeotbnung. (©emerbe*
geriet Subtotgibafen a. 9%b- unb
©enterbegericöt einet gröberen ©tabt
©übbeutfcblanbi.)
8tbjug bon ^nbalibii&ti« unb Äranfen*
faffen • Beiträgen. (@etoerbegeridf)t
©olingen.)
£at bet Arbeitet AttfptuA auf Au8*
aablung bei tollen AfforbloljneS,
autb toenn bei fteftfefcung bet Bet»
gfltung ein 3rrtf)um unterlaufen iftf
(@etterbegertd)t ©reiben.)
Ätann bet SKeifter einem ©efetlen für
mangelhaft auigeführte Arbeiten
einen Sofjnabjug machen? (©enterbe*
getimt Hamburg.)
£at bet Aftorbarbeiter Anfpnidj auf
©ntfdjäbigung für bie Seit, toäbrenb
bet et megen Btatetialmangeli nicht
arbeiten fann? (©emerbeger idjt ©tei*
tin.)
JUlgnsttoe* SUmx
»nb &rbtitmrtritg.m
Au8 ben 3abte4beri(htcn bon ©e»
toerbegerithten.
SnljaltSangabe bet „©ojialen fßtagä“.
Abbtucf färnrntlicbet Artifel ift Seitungen unb ßeitfchriften geftattet, feboch nur mit
fcottev Quellenangabe.
Bie «oljnjflijiuwg bet oorübergeljettber Arbeite'
bebinberung nad) §. 616 be$ Bfirgecliibett ®efeb-
budjs.
Bon Stabtratb §. ooit granfenberg, Borftjjenbem bei ©ewcrbe*
geridjtS in Braunfdjwcig.
3« ben Veftimmungep beS neuen SleichSredjtS, bie für ben
Arbeiterftanb ein gewiffeS Entgegenfommen enthalten unb bie Sienft*
berechtigten gu Geifiungen ohne tfjatfächliche ©egenleiftnng oer*
pflichten, gehört §.616 beS bürgerlichen ©efefcbuchS:
„Ser gut Sienftleiftung Verpflichtete wirb beS Sin*
fprud)S auf bie Vergütung nicht baburdj oerluftig, bafe
er für eine oerhältntfjmä&ig nicht erhebliche 3^it burd)
einen in feiner Vcrfon Iiegenben ©runb ohne fein Ver*
fchulben an ber ©ienftleiftung oerhinbert wirb. Er mufj
firf) jeboch ben betrag anrechnen laffen, welcher ihm für
bie 3eü ber Verhinberung aus einer auf ©runb gefefc*
lieber berpflichtung beftehenben Traufen- ober Unfaß*
oerficherung gufommt."
Es unterliegt feinem Steifet, bafj biefe borfchrift, bie im
^egenfafee gu bem geltenben Ved)te fteht, bemnächft gu häufigen
Erörterungen im praftifchen Geben Anlafj geben wirb. Sie begieht
fich gang allgemein auf alle Sienfioerträge, mit Ausnahme ber
Verhältniffe tm öanbel^ftanbe (Slrt. 63 be$ neuen ^anbel^gefeh*
buch§) unb im ©efinbebienfte (Slrt. 95 Slbf. 2 be$ Einführung^*
gefepeö gum b. ®.b.). 6ie erfaßt insbefonbere auch ben gern erb*
liehen Örbeitöoertrag, weil bie borfd)riften bcö bürgerlidjen ©e*
fepbuch^, welche nicht mit ben fonöergefeplichen formen ber $tei<h3*
©ewerbeorbnung in Söiberfpruch ftehen, auch für ba£ ©ebiet ber
lefcteren ©eltung erlangen. 1 ) Slllerbing^ gehört fie nicht gu bem
! ) Bgl. 2p. 57 unten, 2p. 77 bis? 79 be» 4. 3aljrgang§ bc^
worbegeriebt", Br. 5 miö 7.
nothwenbigen Snhalte jebeS SlrbeitSoertrageS. 3»h rc ©cltuitg
fann be^Ejalb burch Uebereinfunft ber betheiligten (Slrbeitöorbnung
u. bgl.) eingefchränft ober auSgefchloffen werben. Sftur in begug
auf bie in §§. 617, 618 bem $)ienftbered)tigten auferlegten Pflichten
oerbietet §. 619 baf. eine Slenberung, währenb in §. 63 Slbf. 2 beg
|)anbefegefepbuchs eine Vereinbarung be3 3uhalt§, bafe ba0 5franfen*
gelb oon bem ©ehalte in Slbgua gebracht werben fofie, für nichtig
erflärt ift; bie §anblung8gehülfen unb »ßehrlinge finb alfo beffer
gefteßt.
bei ber Slu$legung beg obigen S^edjtSfaßc©, ber eine Ab¬
weichung oon ber attgemeinen, in §. 323 be8 bürgerl. ©efehbudjS
aufgefteuten Siegel über ßeiftung unb ©egenleiftung enthalt, ift
gunächft baoon auSgugehen, bafe in ber be§ ©ienfioer*
pfüd)teten ohne feine @chulb ein $inberung§grunb eintreten ntufe.
S)ie SluSbrutfgwetfe ber Vorfdjrift ift abfid)tlich fo gefaßt, bafe fie
nicht nur oon einer förperlidjen ober geiftigen Arbeitsunfähigfeit,
fonbern auch oon anberen Verhältniffen gu oerftehen ift, welche ftch
ber bertragSerfüttung entgegenftetteu. S)agu gehören g. b. öffent*
Hd)*red)tUd)e pflichten, wie bie Vernehmung als 3 eu 9 c /^> ® Cs
fud) einer militarifdjen Sfrmtrotoerfammlung, bie Ausübung beS
SBahlred)tS, ferner ein £>anbeln unter moralifchem 3mange (Sob
ober fchwere Äranfhcit ber nächften Verwanbten u. bgl.; f. 3rif<her*
§enle, Anm. 1 gu §. 616 b. @.b.).
i)aS gembleiben beS ©ienftoerpflichteten oon ber Arbeit rnufc
unoerfchulbet fein; eS fReiben alfo aus bie gätte beS „blau*
tnachens", bie rechtmäfeip erfolgenbe ©ingiehuug in UnterfuchunaS*
ober Strafhaft, fowie bte behinberung burd) oorfäfclich ober fapr*
läffig herbeigeführte ^ranfheiten. §nSbefonbere fann niemanb
eine Vergütung bei berjenigen ArbeitSoerfäumnife forbern, bie burch
fchulbhafte betheiligung an Schlägereien ober Slaufhänbeln, burch
Srunffäüigfeit ober gef<hled)tliche AuSfchweifunaen ^crüorgcrufen
ift (ogl. §. 6 a Sir. 2 beS ÄranfenoerrtcherungSgefeheS).
®ie Unterbrechung barf nur eine oerhältnijgmäfeig nicht
erbebliche 3 ei t 111 Anfprud) nehmen. ©aS herunter gu oer¬
ftehen ift, barüber wirb bie SßrafiS aßmählid) fefte ©runbfäfce
fchaffen müffeu. bei einem betriebsbeamten, Auffeher :c., ber auf
ein ootteS 3^h r -eingefteHt ift, fpielt bie Einberufung gu einer
6* bis 8 wöchigen militärifchen £)ien}tteiftung feine bebeutenoe Stoße.
Selbft bei fechSwöchentticher ober monatlicher ^ünbigungSfrift wirb
man für Uebungen in ber Steferoe ober Ganbwehr, bie nid)t länger
als 14 ^age währen, noch bie Sßeitergahlung ber bergiitung gu*
geftehen; für einen Arbeiter, ber bie gefefclid)e MnbigungSßift oon
14 Sagen gu beanfprudien h^t, fäßt inbefe eine berartige Sienft*
leiftung gang anberS ins ©ewidjt, unb ich glaube nicht, ba& et
feinen Gohn in ber UnterbrechungSgeit forbern fann; befanntlich
erhält ja auch auS SteichSmitteln feine Samilie für bie Sauer ber
Uebung eine berforguug nach bem Steidjögefeb oom 10. Vtai 1892.
UebrigenS würbe es oorauSüchttid) ben gewerblichen Arbeitern
nidjt Vortheile, fonbern Sladjtheile bringen, wenn in fold^en gäßen
ber Sienftberechtigte ihnen für 14 Sage ben Gohn weitergahlen
foßte. Auf einem fehc bequemen Auswege böte ft<h bie Möglich*
feit, biefer Ausgabe gu entgehen: ber Arbeitgeber brauchte nur
bei Eintritt ber Vehinberung burch Einberufung gur Hebung bie
fofortige Entlaffung auSgufpredjen, bie nach §. 123 Steid;S*©ewerbe*
orbnung guläffig ift, wenn ber Arbeiter gur Sortfefcung ber Arbeit
unfähig wirb (Unger, Entweihungen S. 110 Sir. 103). Ser Ver*
9 ) 3n 3 u l i mft wirb besbalb nach §■ 2 Abf. 3 ber 3eugengebül)ren*
orbnung ben Arbeitern, bei beiten bie SSettergaljlung beS ÖoljncS für
bie £erminS 3 cit nicht oertragsmäfeig au^gefrfiloffcn ift, bie 3cufjcngebütn*
nur in §öhe beS niebrigften Sahcs (10 ^ ftiinblicfj) gu gewähren fein.
103
SaS OeroerBegertdfjt. IRiithetlungen beS VerbanbeS beutfc^er ©ewerbegcridjte. 9h:. 9.
104
Iuft bcr SienftfteHe wäre alfo bie häufige Solgc, unb bcunit würbe
bcm Arbeiter mehr gefdjabet als genügt, An fid^ macht baS Oefcfe
in §. 616 freilief) gwifd)en bauernbem unb oorübergeljenbem ArbeitS*
oerhältnife nicht ben Unterfdjieb, welcher in §§. 617, 630 enthalten
ift. 3 ) ©S liegt aber in ber Statur ber Sache, bafe bas Vcrl)ältnife
xwiftf)en ber Sauer beS Arbeitsoertrages unb bern Umfange ber
ÖnterbrechungSgeit für bie Qrage ber Vergütung auSfdjlaggebenb
fein taufe. 3inmer^in wirb bet ben gewöhnlichen ArbeitSoerhält-
niffen beS gewerblichen SebenS bie SSorfd^rift bei förderen Unter*
Brechungen (etwa bis gu brei Sagen) bebeutfam werben unb baS
geltenbe Verfahren umgeftatten, nach welchem g. 23. bei 23efuch ber
Sfontroloerfammlung ber ßohnanfpruch wegfällt (Unger a. a. D.
0. 40 SRr. 28). Selbft bei einer Vefd)äftigung, bie nur einen
Arbeitstag bauern füllte, ift eine Verfäumnife oon weniger als
einer Stunbe für unerheblich gu h a ^ cn (ogl- @ä)üfee, SaS 23. ©.23.
S. 39).
Welcher Art bie 23ergütung, alfo bie ©egenleiftung beS
Sienftberechtigten ift, erfcheint oon praftifdjer 23ebeutung. 23aar-
gahlungen finb unoeränbert fortguleiften, mag ber Arbeiter im
Sage*, ©odjen*, 9ftonatS* ober auch Stücflohu (Afforb) geftanben
haben. Safe gerabe int lefeten S a H e bie 2Seitergewäl)rung uom
©efefcgeber beabfid)tigt ift, ergiebt fich aus ber ©utftefeungSgefchichte
(ÄommiffionSbcricht 0. 47). Sie geftfteflung ber £>öt)e beS gu
gablenben 23etrageS wirb fich bei Afforb nad) bem Surd)fcf)nittS*
oerbienfte ber 3 e it oor ber 23ehinberung richten. 0inb ftatt baaren
©elbes ober baneben Vorteile anberer Art im Sienftoertrage be*
bungen (223ohnung, $ojt u. f. w.), fo ftefet bem geitweilig beljinbertcn
Arbeiter baS 9led)t hierauf ebenfalls gu, einfchlicfelich ber etwaigen
SKitaufnahme feiner gamilie in bie Vehaufung unb Verpflegung
beS Sienftherrn. ©r felbft fann, falls ihn baS ^inbernbe ©r*
eignife gu einem auswärtigen Aufenthalte nötigt, feine ©elb*
entfdjäbigung für bie ihm entjjehenben SRaturalbegüge forbern. —
Ser Vegriff „Vergütung" ift infoferit eng auSgulegen, als bar¬
unter nur baSjenige fäut, was oertragSmäfeig feitenS beS Sienft¬
herrn aeleiftet werben mufe. Sie bei ©elegenfeeit beS SienfteS
oon anoerer 0eite guftiefeenben ©innahmen, auf bie fein flagbareS
Siecht befiehl, g. 23. bie Srinfgelber ber ©äfte an bie Kellner, laffen
fuh fdjwerlid) mit unter ben ©efichtSpunft ber Vergütung in biefem
0inne bringen, obgleich ber ©aftwirth bei oorgettiger ©ntlaffung
auch infowett ©ntfehäbigung nach ben weitergehenben ©runbfäfeen
über entgangenen ©ewinn gu gewähren hat (ogl. §§• 249 ff.
V. ©.V.).
©ine 0chranfe für bie gortgewährung ergiebt fich aus bem
0chlufefafee beS §. 616. Sen ©runbgebanfeit biefer 23orfdjrift, bie
einen hoppelten Vortheil aus ben Mitteln beS Arbeitgebers unb
auS betten einer ftranfen- ober Unfallocrficherung ausfdjlicfeen will,
mag man anerfeitnen, wenngleich bie §>anblungSgel)üIfen nach
§. 63 beS §anbelSgefefebuchS giinftiger behanbelt ftttb. Ser AnSbrucf
aber, ben baS ©efefe gewählt hat, giebt gu einigen 3weifeln Ver-
anlaffung. ©S ift fraglich, inwieweit bie Traufen- ober Uitfall-
oerfidjerung „auf ©runb gefefelicher Verpflichtung" befiehl. 23ei
ber llnfafloerfidjerung liegt bie 0ad)e oerhältutfemäfeig einfach: es
fann lebiglich bie burd) SieidjSgefefe, oereingelt für Veamte unb
attbere ©ruppen auch burch £anbeSrecht ober ©cnoffenfdjaftsftatut
oorgefchriebene, im 2Sege beS 3 raa ngeS erfolgeitbe Sid)crftellung
gegen ^Betriebsunfälle in 23etrad)t fontmen. Vegieht ber Verlebte
auf ©ruttb eines oertragSmäfeigen Vriuatoerfid)erurigSoerhältniffeS
ober in Qolge freiwilliger 23ctl)eiligmtg an einer 23ernfSgenoffen-
fdjaft eine linfallrente, fo hat er baneben auf feine uoüe Vergütung
Anfprud), benn feine Veriicfeerung beftanb nicht auf ©runb gefefe-
lidjer Verpflichtung, fonbern er f)at aus freien Stiicfcn oott ber
Vefugnife ©ebraud) gemacht, fid) ber für ocrfid)erungSpflid)tige
^erfonen errichteten Verufsgenoffenfchaft angufdiliefeett.
Vei ben itranfenfaffen ift es ebenfalls auSfchlaggebeub, ob
ber Sienftoerpflichtete beut ftranfenuerfidjerungsgmangc unterfteht.
©rljeblidje 3.meifcl fönnen bariiber cntftchen, ob and) bie Vtitglicb-
fdjaft beS Arbeiters bei einer eingefchriebenen £nilf$faffe bent
Sienftberedjtigten bie Ginrebe ber Aitred)nung beS ftranfengcIbeS
auf ben £ol)n gewährt. Obgleich bie Arbeitgeber gu ben §uilfs*
faffen regeltnäfeig feine 23eiträge gahleit, glaube id) bod) auS bem
©efefee folgern gu tnüffen, bafe biejenigen .f)iilfStaffen, weld)e bie
Viiubeftlßiftungeu nach §. 75 beS M'ranfenoerficherungSgefepeS bieten,
in biefer .^infidjl ben 3wangSfaffen glcichftchen, fofern ber Attlafe
gu bcr ttaffenmitgliebfdjaft beS Vctreffenben in ber gcfefelichen
SemcrfenSwertfi ift, bafe ber erfte Gntimirf beS Vürgcrlidjen
©cfe^budjs lij. 5G2) bei furgen ArbettSocrl)äItniffcn bie Vergiinftigung
gang ausfdjliefjen wollte.
Verpflichtung, gegen tonfheit oerftchert gu fein, gu fudjen ift.
2öoÜte man ben ^ülfsfaffenmitgliebern ihren ßohn neben bem
^ranfengelbe ooll gugeftehen, fo läge barin eine erhebliche 23enach*
theiligung ber DrtS-, VetriebS-, SnnungS- unb fonftigen 3manaS-
faffen. ©S ift faum angunehmen, bafe nach & eTn 8 e lbguge, ber
gegen bie £mlfsfaffen im Sohre 1892 burch bie Ä'ranfenoer-
ficherungSnooelle unternommen würbe, jefct ein folcheS 3ugeftänbnife
habe gemacht werben füllen. Srofcbem oerfenne i^ nicht, bafe bie
feortc beS ©efefeeS auch bie gegenteilige Auslegung gulaffen.
Voth fdjnneriger ift bie 23eantwortung ber §rage, ob bei
Soppelocrficherung (ogl. §. 26a baf.) baS ^ranfcngelb beiber
Waffen auf bie Vergütung angureehnen ift, ober welche oon beiben
aufeer Vetratt bleibt. Surch bie hoppelte Anrechnung würbe ber
Sienftberedjtigte in ber Siegel gang entlaftet werben; inbefe baoon
fann nicht bie SRebe fein. 9Ran mufe fich fragen, meld)er ber
beiben Waffen ber Verfecherte auf ©runb gefehlter Verpflichtung
angehört. SaS wirb regelmäfeig biejenige fein, ber er guerft
beitrat, alfo nicht nothwenbiger Sßeife immer bie 3 ro angSfaffe.
§ält er es als befonberS oorfidjtigcr Viann fpäter für wirthfehaft-
Itdj geboten, auch ber gweiten £affe fich angufd)liefeen, fo beftefet
bie VUtgliebfchaft bei biefer nicht in Sotge beS gefefelichen 3mangcS,
fonbern gur ©rlangunq eines ferneren UnterhaliSgufchuffeS neben
bem, was bie erfte Sfaffe leiftet. SarauS ergiebt fid) eine gleich*
mäfeige 23eurtheilung, fei cS, bafe 3temanb guerft ber 3wangS- unb
bann ber fnilfsfaffe angehört ober umgefchrt; in jebem Salle ift
bie gunächft erworbene 9Jfitgliebfd)aft entfdjeibenb.
2öegen ber ©eitenbmachung ber Rechte auS §.616 mag
barauf h^ngewiefen werben, bafe {ebenfalls ber Anfpruch auf
fBeitergahlung ber Vergütung gu ben £eiftungen auS bem ArbeitS*
oerhältniffe gehört unb bcShalb bei gewerblichen Arbeitern ber3u*
ftänbigfeii beS ©ewcrbegerichts unterliegt. Sie ©igenfehaft ber
Vergütung als ArbeitS- ober Sienftloljn bleibt auch für bie 23e=
hinberungSgeit befielen. 23efchlagnahme ober Aufrechnurg finb
beShalb regelmäfeig auSgefhloffen (ogl. §. 394 23. ©.23.).
§. 626 bt$ fiürgerUd)t£ unb §§. 123,
124 ber ®eiuerbeorbnuug.
SaS ©ewerbcgericht ^forgheim tfeeilt mit, bafe es fich in
ber oorigen Kummer abgebrueften Petition an ben ^Reichstag an-
gefhloffen ha&e. wäre gu wünfehen, bafe auch anbere ©ernerbe*
geriete biefem Veifpiel folgten, fo lange es nod) 3 e it ift.
$>err Vrofeffor Dr. oon Vlurne (Voftoc!) hat ingwifdjen feine
Anficht, bafe §. 626 VürgeriicfeeS ©efefebuch fiinftig auch für
©ewerbegehülfen gelte, weiter begrünbet, unter ausführlichem ©in¬
geben auf bie Viotioe gum Vürgerlid)eti ©efefebuth bk juriftifche
Öitteratur über bie ftoflifton oon SiechtSnormen. Semgegcnüber
will £>err Amtsrichter a. S. V rau bis (23erlin) mit ©ntfd)icben-
heit ben gegenteiligen 0tanbpunft oertreten. 2Bir bringen feine
Aeufeerung gum Abbrucf, weil uns anbere VHttel, biefe ho<h ro i^tige
Qrage ber Aufmerffamfeit ber gefefegebenben Safloren gugufiibren,
nicht gu ©ebote flehen.
* *
*
Sie ©rüitbe gur fofortigen Auflöfung beS gewerblichen Stern#-
Vertrages nach 3«frafttreteu beS bürgerlichen ©cfe^bnchcS.
Surh ben an bie 0pifee beS gweiten AbfchnitteS beS ©in¬
führ ungSgefefeeS gum Vürgcrlichen ©efefebud)e geteilten ©runbfafe,
bafe bie Vorfd)riften ber SReichSgefefee in $xaft bleiben, werben atte
älteren, and) bie ootn 23ürgeriid)en ©cfefebuche abweichenbcn prioat»
Rechtlichen Vorfdiriften jener ©efefee, gleid)werthig neben biefeS
gcftellt. Sie foilen nur aufeer ^raft treten, wenn fie im 23ürgcr*
liehen ©efcfebud)e ober im ©infiihrungSgefefee aufgehoben finb.
SieS ift nun betreffs bcr §§. 123 unb 124 ber ©ewerbeorbnung
weber in bem einen nod) in bem anberen ©efefee gefächen. Aus
bem Viirgcrlidjen ©efepbud)e §. 626 folgt bie Aufhebung nicht,
benn baS Vürgerlid)e ©efefebuch ift baS allgemeine unb bie
©ewerbeorbnung baS Spcgialgefefc für befonbere Verfeältniffc.
3m ©inführumjSgefefec Artifei 36 werben nur Vorfchriften ber
©ewerbeorbnung über bie Stellung ber ©ewerbefrau unb über bie
crforberlid)e ©iuwilligiuig oon Später unb Vormuub gu SRechtS-
gefd)äften geänbert. Sie §§. 123 unb 124 ber ©ewerbeorbnung
über baS 5Red)t bcr Auflösung beS SicnftoertrageS ohne Auf*
fiinbigung bleiben bal)er in .^raft. — 9Ber meint, biefe Varagraphen
ber ©ewerbeorbnung feien burch Vürgferlid)eS ©efefcbuch §. 626
105
$5a$ ©ewerbegeridjt. aJKttßeilungen beS BcrbanbeS beuifcßet ©ewerbegerießte. 92c. 9.
106
ftiHfcßmeigenb aufgehoben, muß folgerichtig auch annehmen, baß
fämmtlicße übrigen Beftimmungen ber ©ewerbeorbnung, welche bie
prioatrecßtlicße ©eite beS S5ienftoedrageS regeln, aufgehoben finb,
alfo auch g. 33. bie §§. 115—119 über HuSgahlung ber Sohne im
baarett ©elbe, ibie §§. 119a unb 124b über ßohneinbeßaltungen
gur Sicherung wegen eines BertragSbrucßeS. Bei ber forgfälligen
Borberatßung beS bürgerlichen ©efeßbucßeS ift es unbenfbar, baß oet
©efefcgeber oerljältnißmäßig untergeorbnete Borfcßriften ber bewerbe«
orbnung, wie bie oben erwähnten, auSbrücflicß aufhebt, währenb er
bei wichtigeren fünften fidj mit ftiüfcßweigenber Aufhebung begnügt.
gür bie Sfticßtigfeit biefer Huffaffung glaube ich mich auf bie
SJlotioe gu Hrtifel 32 (Hrtifel 9 beS I. Entwurfs) unb auf baS
neue HanbelSgefeßbucß fiüßen gu tonnen.
Sn ben SKotioen ju Hrtifel 9 h^fel «S, „baß eine ältere
$orm burch baS Bürgerltcße ©efeßbucß nur bann als aufgehoben
betrachtet werben fann, wenn ber HufßebungSwiHe befonberS h^r*
oortritt." 2)ie Hauptaufgabe bei Söfung ber ©cßwierigf eiten wirb
„ber Auslegung beS Bürgerlichen ©efebbucßeS" gu*
gewiefen unb h^bei barauf aufmerffam gemacht, baß bie Be*
ftimmungen ber älteren SReidjSgefefce iiberroiegenb berjenigen SUaffe
angehören, welche bie 9techtSoerhältniffe eines beftimmten engeren
Greifes regeln. ©S werbe baher ber Siegel nach fein Hnlaß fein,
ben allgemeinen formen beS Bürgerlichen ©efefcbucheS ©htfluß
auf bie Beftimmungen ber SleichSgefehe gugugefteßen.
2Bie wenig ber B&tfc beS ©efeßgeberS baßin ging, burch ben
allgemeinen ©aß beS §. 626 Bürgerliches ©efeßbueß, gur fofortiaen
Huftöfung beS ©ienfioerhältniffeS genüge „ein wichtiger ©runV,
bie befteßenben befonberen Borfcßriften aufgußeben, ergiebt baS
neue HanbelSgefeßbucß, * n welchem ber allgemeine ©runbfaß
beS §. 626 groar im §. 70 eine BMeöerßolung gefunben, aber ba*
neben hoch in ben folgenben Paragraphen auSbrücflicß ßeroor*
gehoben wirb, was „namentlich 7 ' als wichtiger ©runb beiberfeitS
angufehen ift. 35er ©efeßgeber hat alfo bie Huffiellung jenes
allgemeinen ©aßeS für baS ^anbelörecht, ohne näheres ©ingehen
auf bie befonberen SSertjältniffe beS Hanbels, nicht für auSreicßenb
gehalten, ©r beläßt eS grutibfäßlicß bei bem alten Siechte. 3)iefer
©eftchtSpuntt ift für bie ©rfenntniß beS SöiHenS beS ©efeßgeberS
ber auSfchlaggebenbe; er trifft gleichermaßen für baS ©eroerbe*
geriet gu unb zwingt gur Hnerfennung ber fortbauernben ©eltung
ber §§. 123 unb 124 ber ©ewerbeorbnung.
Slur wenn baS HrbeitSoerßältniß minbeftenS auf oier SBocßen
ober wenn eine längere als oiergehutägige ^ünbigungSfrift oerein*
bart ift, h^t gegenwärtig, gemäß §. 124 a ber ©ewerbeorbnung,
ber ©eroerberießter bie gleich freie Stellung, wie ber ©iuil* unb
ber HanbelSricßter gegenüber ber Prüfung beS SlücftrittSgrunbeS.
Sn ben regelmäßigen gälten beS HrbeitSoertrageS, wo feine
3)auer beS BertrageS unb feine längere als oiergehntägige $ünbi*
ung oereinbart ift, fleht ber ©emcrberichter fchon jeßt unfreier
a, als ber ©ioil* unb HanbelSricßter, inbem nicht fein ©rmeffen,
fonbern baS ©efeß bafür maßgebeitb ift, welcher ©runb gur fo*
fertigen Söfung beS BcrtragcS berechtigt. 35iefe tßeilweife Un*
gleußßeit ift burch öaS Bürgerliche ©efeßoueß unb fein ©infüßrungS*
gefeß nießt befeitigt.
Bei ber Beratung beS Bürgerlichen ©efeßbucheS unb feines
©infüßrungSgefeßeS ift, foweit bie protofoUe ber II. 5fommijfion
unb ber SleichstagS^ommifftonSbericht ergeben, biefeS eingefdjränfte
begw. umfaffenbere Becßt beS SKücftrittS oom gewerblichen HrbcitS*
oertrage, je ttaeßbem eine fürgerc ober längere ÄünbigungSfrift
für benfelben gilt, überhaupt nicht ©egenftanb ber ©rörterung
gewefen. 3)iefelbe wäre hoch unerläßlich gewefen, wenn bie erft
burch b« ©ewerbeorbnungS^Pooelle oom 1. 3uni 1891 eingeführte
nnterfcßieblicße Beßanblung beiber Hrten beS gewerblichen HrbeitS*
oertrageS hätte befeitigt werben folfen.
3>agu bebarf es einer Henberung ber ©ewerbeorbnung. ©ine
folcfje, etwa in ber Hrt beS §anbelSgefeßbucßeS, würbe woßt un*
feßroer gu erreichen fein, wenn naeßgeroiefen würbe, baß bie Huf*
gäßlung ber ©rünbe in ben §§. 123 unb 124 ©ewerbeorbnung
fieß als ungureießenb in ber Praxis ßerauSgefteHt ßat
Berlin W. 30. Dr. jor. SBerner BranbiS.
* *
*
9fa<hf<hrifi
3)ie ©ewerbegericßtSfommiffion beS SleicßStagS ßat auf Eintrag j
beS Hbgeorbneten Baffermann befcßloffen, in bem §. 124a ber
©ewerbeorbnung bie 2Borte:
„wenn basfelbe minbeftenS auf 4 B$ocßen ober wenn eine
längere als 14 tägige StünbigungSfrift oereinbart ift"
gu ftreießen. 35amit wirb ben in ber Petition (oetgl. oorige Stummer
biefer 3citfcßrift) SluSbrucf gegebenen SBünfcßcn woßl ©enüge ge*
leiftet fein, unb eS muß jeßt nur erhofft werben, baß ber Steicßstag
bem Befcßluffe ber Jfommiffion Beitritt. 3)er Berbanb 35eutfcßer
©ewerbegerießte fönnte in ber hiernach erwirften Befeitigung ber
bisherigen Unflarßeit einen erfreulichen ©rfolg erblicfen.
Begriff ber „groben Beleibigung" im Sinne beS §. 123,
StBf. 1 3iffer 5 ber SleicßS* ©ewerbeorbnung.
1. Urtßeil beS ©ewerbegericßtS SubwigSßafen a./SIß. oom
9. guni 1897. Borfißenber: Stabtfcßreiber ©üntßer.
Kläger, ber als SKüDer bei ber beflagten girma befcßäftigt war,
erflärte eines 2agcS bem BetriebSbireltor gegenüber, ber als Betriebs*
leiter bei ber Besagten fungirenbe Sngenieur ©. oerfteße nicßtS oom
©efcßäfte, er, Kläger, ßabe opr ©. leinen Stefpeft. ©r wieberßolte biefe
Äeußerung unmittelbar barauf in ©egenwart beS ßerbeigerufenen ©.
mit bem 3 u faße: „(Sie fmb fein Ingenieur, (Sie haben mir nichts gu
fagen." Stuf ©runb beffen würbe Kläger oom BetriebSbireltor fofort
entlaffen unb beanfprueßte, unter Berufung auf §. 9 ber oon ber Be¬
flagten erlaffenen 9lrbeitSorbnung, welcße beiberfeitige achttägige tfünbi»
gung oorfeßreibt, flagenb eine achttägige Soßnentfcßäbigung.
9?acß §. 9 ber 9lrbeitSorbnung für bie SWüßle ber beflagten girma
fann baS in biefer SJJüßle begrünbete jDienftoerßältniß, foweit nießt bie
SlrbeitSorbnung anberS beftimmt, beiberfeitS nur am ©eßluffe einet
SSBocße bureß tfünbigung mit wödjentli^er griff gelöft werben. ?U2
eine „anbere Beftimmung" im (Sinne oon §. 9 gilt bie Beftimmung in
§. 23 Hbf. 3 ber HrbeitSorbnung, wonach ungebührliches Betragen
gegen Borgefeßte unb BHtarbeiter mit fofortiger ©ntlaffung beftraft
werben fann. ^er Begriff beS „ungebüßrließen Betragens" unb
baS Slecßt ber fofortigen ©ntlaffung ift abguleüen aus §. 123 Hbf. 1
3iffcr 6 ber PeicßS*©ewcrbeorbnung, wonach ©efellen unb ©eßüifen
oor Hblauf ber oertragSmäßigen 3 e lt unb oßne Huffünbtgung entlaffen
werben fönnen, wenn fie fteß einer „groben Bcleibigung" gegen
ben Hrbeitgcber ober feine ©telloertreter fcßulbig.machen.
3m Hllgemeinen ift jebe gegen bie ©ßre eines Hnberen gerichtete
oorfäßließe unb recßtSwibrige 5funbgcbung als eine Beleibigung angu*
feßen, oßne baß eS barauf anfommt, ob biefe Äunbgebung eine oer-
Ießenbe S3irfung aueß in ber &ßat ßeroorgebraeßt ßat, ferner fann eine
Beleibigung auch in einer an fieß nießt eßroerleßenben Heußerung ober
§anblimg gefunben werben, wenn biefe, in ber Hbficßt, bie Beracßtung,
Bcrßoßnung ober ©eringfcßäßung eines Hnberen gu erfennen gu geben,
in einer SBeife ober unter Berßältniffen oorgenommen würbe, baß bem*
felben jeher 3mecf ißrer Bomabme oerftänblicß würbe (oergL 2)aube,
(Strafgefeß, 6. Hufl. ©. 176).
©egenüber biefeu ©runbfäßen beS ©trafrecßteS, naeß welcßen,
wörtlich genommen, ein Unterfcßieb gwifeßen einfacher unb grober
Beleibigung nießt gemaeßt ift, ift naeß bem ©inne oon §. 123
Hbf. 1 3ifie* 5 ber BeicßS=©emerbeorbnung gur geftfteDung beS SteateS
einer groben Beleibung gu unterfeßeiben gwifeßen einfachen ©cßimpf*
Worten unb Beleibigungen anberer Hrt unb ift hierbei immer ber
BilbungSftanb beS HrbeitgeberS ober feines ©teHoertreterS, fowie ferner
gu beaeßten, ob bie Hcußerungen unmittelbar gegenüber bem Hrbeü*
geber in bem Betriebsraum ober außerhalb erfolgt finb (©cßenfel,
BeicßS=©ewerbeorbnung Bb. II ©. 867).
Bei Söürbigung ber ©aeße ift baS ©erießt gu ber Uebergeugung
gefommen, baß in ber oom Kläger getßanen Heußerung eine „grobe Be*
leibigung" gegen ben BctriebSfüßrcr ©. gu erblicfen ift.
3u einem georbneten Berßältniffe gwifeßen Hrbeitgeber unb
Hrbeitncßmer gcßört oor Hllem gegenfeitige Hcßtung. ®ie Hcßtung beS
HrbeitgeberS bem Hrbeitneßmer gegenüber befteßt in einer bem Stecßte
unb ber guten Sitte gewibmeten Bcßanblung; bie Hcßtung beS Hrbeit*
neßmerS bem Hrbeitgeber gegenüber 3 <ügt fieß im fcßulbigen perfönlicßen
9tefpeft, ße seigt fteß in bereitwilliger Unterprbnung. Söenn alfo ein
Hrbciter feinem Hrbeitgeber gegenüber runbmeg erflärt, baß er oor ißnt
feinen 9icfpcft ßabe, baß er ißn als baS nießt anerfenne, was er naeß
feinem Berufe, naeß feiner gangen Borbilbung unb Traft ber ißm über¬
tragenen Stellung ift, fo oerlcßt bamit ber Hrbciter bie bem Hrbeit-
, geber fcßulbige Hcßtung, er giebt bureß biefe Heußerung funb, baß er
bie perfon, bie Stellung unb bie Befeßle feines HrbeitgeberS ntißacßtet,
unb ben Betroffenen auf eine ©tiefe ftedt, welcße biefen beS. HnfeßenS,
welcßeS er genießt, nießt würbig maeßt.
£)b in oorliegenbem. galle ber BetriebSfüßrer bureß bie oom
Kläger getßanen Henßerungen tßatfäcßlidß fieß au feiner ©ßre angegriffen
107
108
$a$ ©cmerbegertcßt. SRittßciluugen be$ BcrbanbeS heutiger ©crocrbegericßte. 8r. 9.
füllte, fidf) bureß bicfc 8eußerungen in feiner ©teflung als gefcßäbigt
eracßteie, war nacß ber bnrgelegteu BedjtSauffaffung nicht zu unierfudjen;
{ebenfalls aber war bie beflagte girma gefeplicß berechtigt, ben Kläger
gemäß §. 123 8bf. 1 3iff er 5 ber föeidjs* ©cwerbeorbnung fofort zu
entlaßen.
2. Urtßeil beS ©ewerbegericßts einer gröberen ©labt ©üb*
beutfdjlanbs.
Sßatbeftanb. Kläger, ber Bei ber beflagten ©cßußfabrif als
3wicfer in 8rbeit ftanb, uitb am 15. Sezembcr 1898 ohne Künbiguitg
entlaffen warb, forbert wegen ber fünbigungslofeu ©ntlaffung für bie
3*it oom 15. bis 23. Sezcntbcr 1898 32 Jt an Loßn. Beflagte, welche
ben eingeforberten Betrag ber £>öße nach jngeftefjt, ßält fich zur ©nt*
laffuHg beS Klägers für berechtigt, ba Kläger fie grob beleibigt ßabe,
inbem er *ftc gelegentlich eines anbereu am 14. Sezember 1898 ab*
gehaltenen ©eridjtstermine als „©djttmibelfirma" bezeichnet ßabe.
Kläger beftrcitet bieten SluSbrud; er habe lebiglich, nadjbcm ber Ber*
treter ber Beflagten im bamaligen Termine, Kommis 8., ihn als fojial*
bemofratifdjer Slgitator, BoIfSrebner, frecher ÜKeitfcß bezeichnet habe,
geantwortet: „SSenn ic^ ein freeßer SJknfdj Bin, fo ftnb fte ein
©cßwinbler." lieber bie beiberfeitigen Behauptungen ftnb ergangenem
BeroeiSbefcßluß gemäß bie 3eugen, ber Borftpenbe beS ©ewerbegericßts,
im Sennin oom 14. Dezember 1898, ©erießtsfeßreiber ©cß. unb KommiS
8 . gehört worben.
9?a<h ber Beweisaufnahme ift als burd) bie 8uSfagc beS Kommis
8. unb beS ©ericßtSfcßreiberS beS ©ewerbegericßts ©cß. feftgefteDt zu
eraeßien, baß ber Kläger im Sermin oom 14. Dezember 1898 in Bezug
auf bie beflagte girma baS SBort: „©cßwinbelfirnta" gebraucht. 8. hat
bieS ber Beflagten mitgetheilt, unb biefc hat ben Kläger, ber bis bahnt
bei ihr befd)äftigt war, barauf hin ohne Künbiguitg entlaffen. Kläger
bat alfo jebenfallS bie beflagte girma beleibigt. Sie grage, welche
baS ©erießt zu unterfuchen hatte, fonnte einzig barin befteßen, ob nach
ber 8rt unb in ilmftänben, in welchen baS SBort auSgefprodjen war,
als grobe Beleibigungeu gegen ben Arbeitgeber (§. 128) als oorßanben
anjunebmen ftnb. 3a biefer Beziehung fommt golgenbcS in Betradjt;
3m Termin, ber am 14. Dezember oor bem ©ewerbegeridjt ftattfanb,
oertrat Kläger feine Ehefrau, ber oon ber beflagten girma 11,26 M.
an rücfftänbigent Loßit einbehalten worben waren. SaS ©ewerbegericht
hat bemnächft berbatnaligen Klägerin auf ben eingeflagten Betrag
oon 11 , 2 e M., 9,95 Uf. zugefprochen. Bei ber erften Berhanblung über
biefen ©treitfaü nun, bei welcher Beflagte nicht attwefenb, fonberrt bitrd)
ben KommiS 8. oertreten war, bat ber Kläger, wie 8. angegeben hat,
wäßrenb ber Borfipenbe bie Bebinguttgen ber 8rbeitSorbmmg oerlaS,
auf ©runb beren Beflagte ftdj z» ben oon ißm gemadjten Slbziigen be*
reeßtigt ßiclt, bem 8. zu ©eßör gefagt, bieS fei eine „©djminbelfirma".
Ser Borfipcnbe, oor meldjem beibe Parteien ftanben, hat bie Sorte
nießt gehört. Ser ©erießtsfeßreiber, ber befunbet, baß beibe Parteien
erregt getoefen feien, hat fte geßört, ohne ftdj an ben 3ufammcn*
hang genau 51 t erinnern, inSbefonbere weiß er nidjt, ob bie Sorte ge*
fagt worben, naeßbent 8., was er zugefteßt, beim Borftpenben beantragt
hatte, ben Kläger als Bertveter feiner ©ßefrau nießt jujnlaifen,
weil er ein fozialbeutofratifdjer 8gitator unb BoIfSrebncr fei, ober ob
bie Sorte, wie 8. angiebt, fdjon oorber gefagt worben feien. ©S
fann- nun baßitt geftcHt bleiben, ob Kläger bureß bie Bezetdjmtitg:
„fozialbemofratiidjer 8gttator unb BoIfSrebncr" fteß als beleibigt er*
ad)ten fonnte, unb ob er, wenn bieS ber gall wäre, mit einer Bcleibi*
gung ber beflagten girnta antworten fonnte. gcbenfaflS, ift audj wenn
baS Sort oorßer, alfo ehe jene 8cußerimg beS 8. erfolgt uoit ißm
auSgcfprodjeit war, baoott auszugeßen, baß Kläger in einer ge*
wiffen ©rregung war, weil ber Sohn feiner ©Ijcfrau in
einer feines ©rmeffcnS unberechtigten Seife eingeßaltcn warb,
©r hat bctnnädjft baS Sort: „©djminbelfirma" gefagt, währenb über
bie ©inwenbuugcn ber Beflagten gegen bie Lohnzahlungen oerhanbclt
würbe, weldie bas ©eridjt bemnächft ber $nuptfncße nach als tljat*
fädjlid) unberedttigt bezeicßnetc unb er hat biec- nicht etwa in einer bc=
fonbers auffälligen Seife geäußert, wie fuß am heften barauS ergiebt,
baß fie ber Borupenbe überhaupt niefit gehört hat unb baß and) 8.
niiht etwa oeranlaßt war, fid) bcs wegen beim Borfipenben zu be*
fdjweren. 8idjt außer Betragt fann aud) bleiben, baß 8. felbft bureß
bie "Sorte: „fozialbeutofratifdjer 8giiator utib Bolfsrebuer", einerlei
ob biefelben objeftio beleibigenb fiub, zweifellos bie 8bftd)t befunbet
hat, ben Kläger in ben 8ugen bes Borfipeuben herabzufepen. SicS
ftellt, wenn cs in golge jener 8eußcrung gcfdjalj, eine fdjarfe 3nrücf*
weiiung, be.zw- eine 8rt Äompenfatiou ber erfolgten Beleibt*
gung bar, unb mußte, wenn eS oorber erfolgte, ben Kläger allcrbiugS
prooozireti, ba bie Bezeichnung ben 3 wert haben füllte, ihn an ber
Bcrtrctuug ber Rechte feiner ©Ijefrau 511 ßinbern. Tas ©erießt ging ßter*
nadi bauen aus, baß nicht etwa eine bösartige Berleuwbuug ber be=
flagten Atrma oorliegc, fonbern ein ungehöriges Sort, baS ber Kläger
äußerte, um feine 8 nßcßt über bie Becßtswibrigfeit ber gemadjten Ab¬
züge 8 uSbrud zu geben. ©S ift zweifellos, baß eS ©adje beS Bor=
ßßenben gewefen wäre, biefe Ungeßörigfcit zu rügen, wenn er fie gc=
ßört ßätte. ©ie erfdjeint aber meßr als ein Berftoß gegen bic bem
©eridjt gebüßrenbe 8 d)tiing, als baß in ißnert bie 8 bfußt einer Ber-
ächtlicßmacßung ber Beflagten zu erfennen wäre. SBenn ber ©cfepgclifr
baS 9iedjt ber fofortigeti ©ntlaffung wie baS Siecßt ber fofortigen
Sfieberlegung ber 8 rbcit auSbriirflicß auf ben gaH ber groben Belcibi*
gungeit befeßränft, fo fprid)t er bamü auS, baß nießt febe in her
Uebercilung begangene ungehörige 8 eußernng unb nicht jcbeS an
fich beleibigeitbc ©ort zur 8 uflöfung bes 8 rbeitSücrhältnfc
berechtigen fod. ®ieS ift aber ganz befonberS 311 berücffiditigen, wenn
bie fraglidjen 8 eußernngcn nicht etwa gegen ben Beletbigten ober gegen
unbetßeiligtc dritte, fonbern gegen baS ©ericht, alfo in ber 8 bficßt her
SftechtSoerfoIgimg gemad;t whrb. ©S würbe gcrabezu auf eine Siedjtv*
nerfiimmerimg ßinauSfommen, wenn jebe hierbei begangene Uebercilung
feitenS eines ^rozeßgcguerS ben anbent fofort bcred)tigte, nunmehr ben
anfänglich üielleidjt nicht oorßanbenen ©runb zur ©ntlaffung ober zum
fofortigen 8 uStritt ßierauS abznleiten. ©S war baher zu erfennen, wie
gefcheljen.
8 nmerfung ber Bebaftion: JDBigcS Urtßeil fcheint intcreifnm,
nicht nur, weil feine thatfädjüdjen 8 uSfüßrungen bie mehr jurifiiirficn
beS oorigen ergänzen, fonbern audi weil es ein Beifpicl ift, wie bie
8 ngriffe gegen bie ©ewerbegeridjte entfteßen. ©ine 3 eitung brachte einen
Bericht über ben gall, — ber uns burdjauS zutreßenb entfehieben fdjeint
— unter ber Untcrfdjrift: ,,3dj wiubelfirma feine Beleibt gung!'
5 )aß fidj an biefen merfwürbignt 9kd)tfaß bann ebenfo merfwüröige
8 ugriß'e gegen bas ©ewerbegericht nnfdjloffen, bas biefen ©aß angeblich
ausfprath, funn nid)t wunbern! Bielleicht führen mand^e 8 nfciitbimgen
beS ©ewerbegcridßts auf ähnliche thörichte Berichte zuruef.
8 bzug oon gnoalibitätS* unb Kranfenfaffen*Beiträgcn.
(Urtheil beS ©ewerbegerichts ©olingen.)
Kläger h a * 14 Bfonaic lang bei bem Beflagten als Bärfergefelle
gearbeitet. $cr Loßn mit wöchentlich 9 M. würbe ißm alle 14 Jage
ooll auSgezaßlt. Bei feinem 8uStritt aus bem 8rbeitSüerbällntB hielt
ber Beflagte bem Kläger an 3uoalibcngclb 7,20 M . unb an Krcmfengr/b
7,28 *4t>. ein. ^en juoicl eingchaltenen Betrag oerlangt Kläger oom
Beflagten erstattet. $er leßtcrc erfanute bie 9iid;tigfcit ber Uageriidjcu
8uSfüßrungen an, beantragte aber 8bweifung ber Klage, foroeit fidi
bicfelbe auf ©rftattung bes guoalibcngelbcS richte, ba baS ©emrrbc*
geridjt zur ©nticßeibuug hierüber niefjt zuftänbig fei.
8ncrfanntcrmaßcn hat Bcflagtcr bent Kläger bei feinem Sustriu
auS bem 8rbcitsocrhältniß eingeßaltcn 00 Socßen 3uoalibenbeiträgc
a 12 4 = 7 / 20 Kranfcnfaffcnbciträgc zum Jßcil bie Sodjc mit 12 4r
Zum Ußeil mit 22 4? inSgefammt = 7,28 JL Sas nun junädifi ben
cingeßaltenen Betrag für bie 3uoalibitätS* unb HlterSuerfichenuig an*
betrifft, fo mußte Kläger bezüglich biefeS mit feinem 8nfprud) abgewicicn
werben. J)enn ©treitigfeiten zwifdjen 8rbcitgebcru unb 8rbcitcrn über
bie Beredjnung unb 8nredjuung ber für biefe zu entrießtenben
Beiträge werben oon bet* unteren BerwaltimgSbeßörbe bcs Bcfd)äftigung?*
orteS enbgiiltig cutfcßiebcn (oergl. Silßclini unb gürft, ©owerbegerichtC' 5
gefeß ©. 31). 3u Bezug auf folrfjc ©treitigfeiten auS ben 311 Ieiftcnbeu
Kranfenfaffeubeiträgen ift inbeß bas ©ewerbegeridjt gemäß §. 3 8 r. <\
beS ©cfepcS oont 29. 3uli 1890 allein zuftänbig. 9?acß §. 53 bcs
KranfenoerficberungSgefcpcS ftnb bic auf ben 8 rbcitneßmer entfallenbeii
8 ntßcilc ber Beiträge bei jeber Lohnzahlung in 8 bzug zu bringen.
Unterbleiben bic 8 hzügc für eine Loßiizaßlumgspcrtobe, fo bürfen Ic
nur nod) bet ber Loßnzaßlnng für bic nädjftfolgcnbe Loßnzaßluugs*
periobe nadjgeßolt werben.
Siefen Borfcßriftcu hat ber Beflagte oorliegenb feine Sfccßnimg
getragen. Sa bic Lohnzahlung alle 14 Jage ftattfanb, war er nur he*
reeßtigt, für bie lepte LohnzablungSperiobe 44 4 unb für bic oorlcpic
periobe ebenfalls 44 ahzußalten. Sen 9ieft oon 0,40 jfc ift er oer*
bmtben, bem Kläger 311 erftatten.
.^at ber 8 rbciter 8 nfprudi auf 8 uSzaßIung bcs wollen
8 fforblohueS, audj wenn bei geftfepung ber Bergütung rin
3rrthunt unterlaufen ift? (©ntfeßeibung beS ©ewerbegeridiw
Sresben.)
Ser Kläger hat hei ber Beflagten als ©eßraubenbreßer gcarbciie:
unb zulept 19 200 Biefrmganfapfd;raubcn im 8 fforb angefertigt, für
weldie ißm oon bem Serffüßrcr ber lepteren ein 8 fforbloßu oon 1 .H.
für 1 (M) ©djraubeit jugefagt worben, frterauf hat Kläger reftlid) uod
12 M. 31 t crßalten, bereit Bezahlung mit ber Begriinbung oerweigen
wirb, baß ber Kläger bicfclhc 8 rt ©djraubcn bereits friißer 511111
8 fforbpreife oon 55 3'( für baS §unbcrt angeferttgt unb gewußt habe,
baß nidjf mehr als 55 Pf- bezaßlt werben, baß Kläger auf Befragen
beo ScrffüßrcrS erflärt habe, bicfc ©djraubeit früher nod) nidjf äuge*
109
$o* ©erocrbegerießt. äRtttijettmtgett beS BerBanbeS. beutfcßer ©ewerbegerießte. 9x. 9.
110
fertigt gu haben unb baß ißm erft baraufßtn bet unüerßältnißmäßig
pp Affotbloßn oon 1 JC gugefagt worben fei, baß Kläger überbieS
feinen ArBeitSfoßegen auf befragen felBft erflärt habe, baß er für baS
$unbert nur 55 ff. erßalte unb baburcß funbgegeBen, bab er auf einen
Boßeren AfforbloBn feinen rechtlichen Änfprucß Babe. Bie §anblungS*
weife beS Klägers fteffe fleh als Betrug im ©inne non §. 885 beS
Bürgerlichen ©efeßbueßs bar, unb Balte fie — bie Beflagte — fieß ba¬
ßer nicht für oerpflicßtet, beut Kläger ben burdj Bäufcßung erlangten
Aff orbpreis auSgugaßlen.
Dem Klageantrag war ftattgugeben. Site Betrug, ber bem Be*
trogenen baS Becßl gur Anfechtung be$ BertragS gieBt, gilt naeß §. 835
beS Bürgerlichen ©efeßBitcßS bie ©rgeugung eines grrtßumS burcB
läufcßung, iugleicßen bie Benußung eine« feßon oorßanbenen 3rrtßums,
oorauSgefeßt in Bcibeu gäßen, bab Söaßrßeit unb Aufflärung über baS
BerBältnib, rücfficßtlicß beffen geirrt würbe, naeß Sreu unb ©tauben gu
erwarten war. SSemt nun ber Kläger feinem eigenen 3 u 0 e ftäubniffe
jufolge gewubt Bat, bab für bie in grage fteßenben ©cßrauben non ber
Beflagten in ber Siegel BiSßer ein Afforbloßn non 55 ff für 100 ©tücf
gegaßlt worben fei, fo fonnte er felbftoerftänbließ nicht barüBer im
3weifel fein, bab ber SBerffüßrer B. Bei ber 3uficßerung eines Afforb*
loßttes oon 1 JC. für 100 ©cßrauben in einem Srrtßum Befangen war.
Der Kläger Bat baBer gweifelloS einen Bei bem SBerffüßrer oorBanbenen
grrtßum Benußt, um für feine Arbeit eine Begaßlung gu erlangen, bie
iBm unter anberen Umftänben nicBt gu Dßeil geworben wäre.
©S fragt fidj nur, ob ber Kläger nacB $reu unb ©lauBeit oer»
pflichtet war, ben SSerffüßrer B. über feinen grrtßunt aufguflären.
Siadj ber Anfteßt beö ©ericßts lag für ben Kläger eine berartige Ber*
pflicßtung nicht oor. Der Berfäufer, ber einen Boßeren SBertß forbert,
obfeßon er weib, bab bie ©aeße weniger wert!) fei, ober ber Käufer,
ber einen geringeren SBertß mit bem Bewubtfein Bietet, bab bie ©aeße
nteBr wertB fei, oerfäflt nacB ber im Berfeßr BerrfcBenben 9tecßtsauf*
faffung nießt bem Borwurfe beS Betruges. Umfoweniger fann biefer
Borwurf gegen benjenigen erBoben werben, ber nur ben iBm gebotenen
BöBeren SBertB annimmt mit bem Bewubtfein, bab bie ©aeße weniger
wertB ift. ©ans rbenfo liegt bie ©aeße für ben Arbeiter, ber Bei Ber*
einBarung beS gu gaßlenben ÖoßnS für bie gu liefernbe Arbeit ben iBm
gugefteßerten Uoßn annimmt, obwoBl er weib, bab biefer öoßn iBm oon
bem Arbeitgeber gweifelloS irrtßümlicßcr SBeife gugebißigt worben ift. SBemt
ber Arbeiter biefen 3rrtßum auf ©eiten beS Arbeitgebers benußt, um
eine Beffere Bettung feiner Arbeit gu erlangen, fo macBt er ficß ba-
bureß fd^IechterbingS nicht einer wiberrccßtlicßen Ausbeutung beS auf
©eiten beS Arbeitgebers oorßanbenen 3rrtßumS fcBulbig unb nur wenn
ein folcher oorliegt/ fann oon einem Betrüge bunB Benußung eines
oorBanbenen SrrtßumS bie Bebe fein. Die weitere BeBauptung ber
Beflagten, ber Kläger Babe burcB bie waBrBeitSwibrige Angabe, bab er
berartige ©cBrauben nodj nicBt angefertigt Babe, in bem SBerffüBrer
einen Srrtßum ergeugt, ift burcB bie AuSfage beS 3eugen K. gunäcßft
nicBt erwiefen worben. Seßterer Bat oielmeBr Befunbet, bab woßl
möglich fei, bab er ben AfforbloBn oon 1 JC. für 100 ©cßrauben felBft
falfulirt unb gugefießert Babe, oBne mit bem Kläger oorBer Bücffpraeße
barüBer genommen gu BaBen.
SRacß ber Anftcht beS ©ericßts würbe aber aucB eine folcBe waBr*
Beitswibrige SlngaBe beS Klägers aDein nicBt genügen, um ben $Bat»
Beftanb beS Betrugs im oorliegenben fjalle feftjuftellen.
BacB affebem ift bie Beflagte oerpflicBtet, ben oon tBrern SBerf¬
füBrer bem Kläger jugefuBerten SfforbloBn ooK auSjusaBIen. $at fuB
ber SBerffüBrer jum ©cBaben ber Beflagten BierBei geirrt, fo ift es ber
Beflagten unbenommen, an ihrem SBerffüBrer Slegreb Su neBrnen, ben
Arbeiter fann p« ben einmal jugeBilfigten AfforbloBn aber ebenfowenig
oorentBalten, als ber Arbeiter eine Bpere BejaBIung nachträglich ver¬
langen fann, wenn er ftcB 3 u feinem ©d^aben Bei ber UeBernaBme ber
?lfforbarBeit feinerfeits in einem SrrtBum Befunben Bat. $)ie Beflagte
war BiernacB, wie gefcBeBen, ju oerurtBeilen.
Äann ber SKeifter einem @efeilen für mangelBaft aus*
gefüBrte SfrBeiten einen BoBnaBjug machen? (©ntfcBeibung
beS ©ewerbegericBtS hamBurg.)
2)ie XifcBIergefeHen Sf. unb %. flagten gegen ben grotteur unb
5tifchIermeifter B. auf BejaBlung oon 161 JC. für baS Segen oon
BarfettfufjBoben im BtorienfranfenBaufe unb in einem Bau auf ber
hoBenmeibe, bie jie fpäter auf 124 M. 91 ff. ermäßigten. $er
Beflagte Beftritt bie Sorberung nicht, oerweigerte aber bie 3aBlung,
ba er in golge ber mangelßafteti ?luSfüBrung ber Arbeit 88 M 12 3f.
für Sfad^Befferungen unb 87 M. für neues ©rfaßmaterial Babe auf*
wenben müffen unb beSBalb nocB 50 M. 21 ff. oon ben Klägern
BeanfprudBe.
$)aS ©ericBt oerurtBeilte ben Beflagten jur 3aBiang oon 81 M.
69 ff. an bie Kläger unb in a /3 ber Hoffen, wäBrenb es ben Hlägent
bie mangelBafte Arbeit im BtarienfranfenBaufe mit. 48 Jt. 22 ff. $ur
Saft legte.
ÄnS ber feBr eingeBenben Begrünbung beS UrtBeilS feien folgenbe
©äße B e roorgeBoBen: SBenn ein hanbmerfSmeifter eine für einen Be-
ftefier auSgufüBrenbe Arbeit nicht allein auSfüBren fann ober will,
fonbern baju ©eBülfen Biagugiep ober bie gange Arbeit burcB folcße
auSfüBren läßt, fo ift eS felbftoerftänblich feine ©acBe, fold^e ©eBülfen
gu wäßlen, bie bagu fäßig finb, unb ße ferner Bei ber Arbeit gu leiten
unb gu Beaufficßtigen. Die ©eBülfen fmb oerpflichtet, ben bieSBegüg-
Ucßen Änorbnungeit ißreS SlrBeitgeBerS golge gu leiften. (§. 121 @.-D.)
Bemerft ber ÄrBeitgeBer, baß bie angenommenen ©eßülfen nießt bie
gäßigfeit Beftßen, bie übernommene Arbeit orbnungSmäßig auSgufüßren,
ober leiften fte feinen Slnorbnungen feine golge, fo muß er, um pcß
gegen ©cßaben gu feßüßen unb bie $erfieHung beS oerfproeßenen SßerfeS
gu erreießen, bie Arbeiten ben Bisherigen ©eßülfen entgießen unb fte
anberen ©eßülfen übertragen. SSBenn bie SlrBeitneßmer ben Slnorb*
nungen beS Arbeitgebers burd^aus feine golge BaBen leiften wollen,
alfo fuß BeßarrlidB weigern, ben ißnen oBUegenben Berpflicßtungen
naeßgufommen, wirb ber Arbeitgeber bann feinen ©cßaben erleiben,
beim er fann fie auf ©runb §. 123 3 ber ©ewerBe-Drbitung oßne Hünbi*
gung entlaffen. SBenn bie ©eßülfen nießt bie gäßigfeit Befißen, bie
Arbeit orbnungSmäßig gu oerrießten, fo fann ber Arbeitgeber, wenn er
fo oorficßtig gewefen ift, oon oornßerein Bei ißrer Slnnaßme gu oerein*
Baren, baß baS ArbeitSoerßältniß oßne oorßerige Hünbigung jebergeit
gelöft werben fönne, fie ebenfalls oßne SBeitereS fofort entlaffen. 3ft
bie gefeßließe Hünbigungsfrift aber nießt auSgefcßloffen worben, fo muß
ber Arbeitgeber, wenn er fie nießt Bei einer anberen, etwa Ietcßteren
Arbeit Befcßäftigen fann unb baßer burcB bie (Stnftedung ber neuen
©eßülfen ©cßaben erleibet, biefen ©cßaben in ber Begel felBft tragen.
Heinesfalls barf ber ArBeitgeBer ben unfähigen ober feinen Anorb*
nungen nießt golge leiftenben ©eßiilfen ben oereinbarten Soßn für ißre
Dienftleiftungen oorentßalten, Iebtglidß mit ber Begrünbnng, baß bie
Arbeiten fcßlecßt ausgefallen unb oom Befteßer Beanftanbet feien, baß
ißrn bureß bie Umarbeitung ein ©cßaben erwaeßfen fei, ben er ben ®e-
ßülfen in ©egenreeßnung Bringen woße. Durcß ben Dienftoertrag wirb
berjenige, ber Dienft gufagt, nur gur Seiftung ber oerfproeßenen Dienfte
oerpfließtet; eine ©arantie bafür, baß bureß biefe Dienfte baS gu oer*
arbeitenbe SBerf aueß gur 3 u friebenßeit eines Dritten (beS BefteßerS)
auSgefüßrt werbe, übernimmt ber Arbeiter felbftoerftänblicß nießt.
©inb bie Dienfte mit ©inoerftänbniß beS Arbeitgebers gu ©nbe
gefüßrt, fo Bat biefer bie oereinbarte Bergütung gu gewähren, einerlei,
ob baS ArbettSprobuft oom Befteßer angenommen wirb ober nießt,
Begw. ob bem Uebemeßmer bureß bie Bicßtabnaßme beS SBerfeS etwa
ein ©eßaben erwäeßft.
9fur in einem gaße fteßt bem Arbeitgeber etn Regreß gegen feine
©eßülfen gu, nämlicß bann, wenn er ftrifte naeßweift, baß bie Sfticßtab-
naßme beS SBerfeS Begw. ber ißm babureß erwaeßfene ©cßabeii tßat*
fäcßließ nur ober ßauptfäcßlicß bureß ißr Berfcßulben BerBeigefüßrt ift.
(Bergl. Dernburg, $anbeften. Bb. II §. 37, ©eßluß.)
3m oorliegenben gaße ßat nun ber Beflagte bie Kläger ißre Ar¬
beiten rußig gu ©nbe füßren Iaffen, fte ßaben baßer Anfprucß auf ÄuS-
feßrung beS ißnen noeß nießt gegaßlten BoßnrefteS. Die Beweisauf¬
nahme ßat ßinpcßtließ beS Baues auf ber §oßenweibe nießt ben Beweis
erbracht, baß bie ©cßulb an ber fcßleeßten Arbeit nur ober ßauptfäeßließ
bie Kläger treffe. Der Beflagte ßat fteß wenig um bie fraglichen Ar¬
beiten Befümmert unb bureß bie Kläger fämmtlicße 3imnter fertigfteßen
Iaffen, oßne bie Arbeiten gu fiftiren. ©eine eigene 3 u friebrnßeit mit
ben Arbeiten erßeßt aus bem Umftanbe, baß er aße Soßngaßlungen auf
biefe Arbeit oerreeßnet unb Bis auf einen Keinen Beft oon 11 JC begaßlt
ßat. Den fiegeplan ßat ber Beflagte ben ©eßülfen nießt OTitgetßeilt.
Baeß aßebem erfeßeint bie ©egenforberung beS Beflagten, fomeit pe
fieß auf ben Bau $oßenweibe Begießt (44 M. 90 ff. unb 87 JC.) un-
Begrünbet.
Änbers oerßält es fteß mit ben in ©egenreeßnung gefteßten Beu-
arbeiten im Btorienfranfenßaufe (43 Jt. 22 ff.) Das ©erießt ßat
namentlich aus ben AuSfagen ber 3 c «0 e tt ©«B unb 6 t« bie UeBergeugung
gewonnen, baß bie Kläger Bier außerorbentUcß naeßläffig gearbeitet unb
baß bem Beflagten leine ©cßulb baran trifft, ©in bem ©erießt oon
ben Klägern felBft oorgelegteS ©tücf beS Betreffenben 3immerBobenS ßat
bie Bießtigfeit ber 3 eu 0*nauSfage bargetßan. $ier trifft bie ©eßulb an
ber fcßleeßten Ausführung ber Arbeit lebiglicß bie Kläger. Daß bie mit
48 JC. 22 ff. Bereeßneten Beubauten tßatfäd^licß ßaben auSgefüßrt
werben müffen, nimmt baS ©erießt bureß bie AuSfage beS 3^*0«« ®«
als erwiefen an. Diefe ©egenforberung beS Beflagten ift alfo Be*
grünbet, unb war barum gu erfennen, wie gefcBeBen.
111
$aS ©eroerbegeri^t SJttttfjrilungen be$ ®erbanbeSbeutfcher©eroerbegeri(btf. 9h:. 9.
112
\Sat ber Aff orbarbciter Aitfpruch auf ©ntfchäbigung für
bte 3 eit, lüährcub ber er rocgett WatertalmangelS utdjt ar*
beiten faitn?
Heber bieie lüicfitige grage hat fid) bas ©erocrbrgcridjt in Stettin
-folgertbermafjcn ansgeiprodjrn: „Dtc Vereinbarung non Afforbarbeü ifi
in ber Stege! io 31 t ocrftelicn, bag bie Sciftung bcftimmter Arbeiter bcn
50?afjftab für ben 'Betrag bes beut Arbeiter 31 t jablenben Arbeitslohnes
abgeben fofl. 9?atürlirfje VorauSfcbnug, ift bann aber, baft ber Arbeit'
geber beit Arbeiter in bic &agc verfemen ntufe, ohne ?(nfrntf)alt flott
fortjuarbeiten, baft ber Arbeitgeber* atfo mSbefonbcre baS notbroeubige
Material bent Arbeiter bereitliattcn muf 3 , beim fünft mürbe bie 3 u*
oerläffigfeit jene* S.Vanftabe* ooflfoutmen oerfagenf — Der Arbeitgeber,
meldier bett Arbeiter auf Material batte märten laffeit, mürbe beshalb
, 5111 ' Gablung einer entfprrcfjenben (fntidiäbigitug uerurtbeilt.
jMgettteittep über (Bewediegerldjte und
^rbeitsuertrug.
Ans bett göhreSbcritfjten ber ©ctoerbegertdjde.
(fingegaitgcn finb bie Veridjtc ber ©eioerbegerichte Altona,
Iftefelb, Sßaiitg, Siitben, Drier. 2öir entnehmen biefen Ve*
richten bieSntal nur groei Stellen, bie eine — betr. bie größere
9ted)t^fenntni6 ber Arbeiter, unb bie 9te<htSunfenntni& fperteil
ber ft ein er en Unternehmer — bent (frefelber Verid)t, bie
aiibere — bie $otf)roeubigfeit unb Drganifation ber fauf*
nt ättnif d)en ©eroerbegerichte — bem beS 9}tainjer ©eroerbe* ;
geridjts. Veite fünfte ftnb f<f>on mehrfach in biefen ^Blättern bc*
banbeit; bei ber beroorragenbett 23id)tigfeit, roelcbe fie traben — ;
ber eine roegett ber gegen bie ©eroeroegerichte unaufhörlich er®
bobenen Angriffe,*) ber anbere megett ber in biefen blättern ftets
oertretenen, "inSbefoitbere für fleinere ©eroerbegerid)te gerabe^u un*
entbehrlichen AuSgeftaltung ihrer ft'ompeten 3 — erfd^eint bie lieber- 1
gäbe bet* Darlegungen in ^o^em ©rate roiinfd)enSroerth. ;
(Srefetb berichtet: „Die im Saufe bes gahreS gemachten Ve* ;
obadjfitngen hö&™ ergeben, bafc bie ftenntnife ber für baS geroerb* *
lidje Sebett roiehtigften ©efebeSbeftimmungeit ficb $mar immer
meiter ausbreitet, aber mehr in ben Greifen ber Arbeiter als unter :
ben Arbeitgebern. Von ben Sefcteren finb es oorroiegeitb bie ;
*l Diejenigen ftollegeu, melcbe in ber Verwaltung oon gcmerb!id>eu ;
Aurtbilbuug$fd)ulcn mit tfjätig ftnb, eutuebmeu aiis ber SBiebergabe
tiefer Klagen ein uietfeidjt feljr roillfoutmenes Argument für bic Aotl)*
mcnbtgfeit ber Einführung ber ©efejjesfunbe als Unterrichte* ’
gegenftanb in ben oberen klaffen bes gortbiIbnngs=Unter*
ridjtS. Die Sieb.
Heineren Unternehmer, melcbe ben gefeilteren Vefiimmurtgen
häufig gu ihrem eigenen Schaben nur geringes gntereffe ent*
gegenoringen. VemerfenSroerth ift meiter, ba& bauptfärf)ltcf) bie
fleiiteren ©eroerbetreibeuben es oielfach oerabfäumen, mit ihren
Arbeitern über bie roefentlichften fünfte beS ArbeitSoertrageS
(Höhe öeS Sohnes unb ^ünbigungSjeit) beftimmte Vereinbarungen
31 t treffen."
Das Sttainjer ©eroerbegerid)t, baS, wenn aud) nicht conti a
legem, fo bod) praeter legem, gefejjlicb unoerpfltchtet, uudj bie gütliche
Vermittelung oon Dienftboten*Streitigfeiten oerfud)t, fagt am
Sdjluffe feines Verirf)teS: „Sieben ber AuSbebnung auf bie im
©efinbebieitft befchäftigten ’ißerfoneti unb bte lattb* unb forftioirth 5
fdjaftlidjen Arbeiter mürbe aud) bte 3un)eifnng oon Streitigfeiteu
tpifdjeit Angehörigen beS 5faufmamtftaubeS eine banfbare Aufgabe
iir bie ©emerbegeridjte bilben. SBenn auch oielfach bie Chrirf)tung
felbftftänbiger fauftttänttifcher Schiebsgericbte oerlaitgt, an bereit
feitS toieber bie Anglieberung an bte Amtsgerichte befürmortet mirb,
fo biirfte hoch bic Vereinigung mit ben ©emerbegeridjteit —
oielletd)t mit Vilbuna befonberer itamntern — utnfontebr ben Vorzug
oerbienen, als bie Verhältniffe ber Angeftellteit im .fianbelSgerocrbe
mit benjenigett ber gemerblid)en Arbeiter in oielen fünften Achn*
lichfeit höben, bie Veftiutmungen beS ArbeitSoertrageS nid)t aÜ^ti*
meit 0011 einanbet* abmeidjen. Sücht sunt Viinbeftcn bte §anbIurtgS*
geplfen, bie jumeift einzig auf ihren ©ehalt angemiefen finb unb
bei nicht orbnungSmä&igcr Söfung beS Dienftoerhältniffe* felir
leicht in eine mifelidje Sage fonttneit fönnen, haben ein fyerDov*
ragenbeS Sotereffe an ber uugefäumten Schlichtung 6 e»tef>eitbcr
Streitigfeiten, ait einem einfachen, billigen ttttb ftbgefürjten
^rote&oerfahren, baS gleichmohl aber bitrcf) bie Anroenbmig ber
für baS amtsgerichtliche Verfahren geltenbeu Vorfdbriften ber (iioil*
projefeorbnnng einer ftrertg gefefeltdjen Siegelung nid)t entbehrt,
^ebenfalls fönnte burch bic AuSbehmtng ber 3uftäitbigfett auf bie
im .fianbelSgemerbe thättgeu ^erfonert ber oielfach — menigftenS
für ©emeiitben oon beftimmter ©röfee unb .mit entmicfcltem ©e*
merbebetrieb angeftrebte obligatorifche (SharaFter ber ©eroerbegeridjtc
dm eheften burchgefiihrt roerben. Da& biefelben aber reiht mohl
in ber Sage finb, auch Streitigfeiten ber Äaufleute mit (Srfolg
eiii 3 ugretfen unb ben ®efd)äbigten in furnier grift ju ihrem
Sterte jn oerhelfeit, bürfte AngefidbtS ber feitherigett Dhätigfeit ber
^eroerbegerichte mohl unbebenflid) 3 ugegebeit merbett. Das mit
bent 1. 3uli 1898 in 5Fraft getretene neue öfterreid)ifche CSemerbe*
aertchtSgcfeh, roeldjeS nach oerfchiebeitcn Stichtuitgen bemerfenSmevthe
Verbeffernngen aufroeift unb in ber fachlichen 3 uftänbigfcit otel
meiter geht, als baS beutfehe ©efefe, Frat bemt auch bie int fianbels=
geroerbe befchäftigten ^erfonen ber 3 öftänbigfeit ber ©eroerbe-
gerid)te unterftellt ttnb baburd), ba| bie hier oorfommenbcn
Streitigfeiten in befonberen Abteilungen gnr (£ittfd)eibung ge=
bracht merben fönnen, bie grage in ebenfo einfacher als 3 roe\f*
mäfetger Seife gelöft."
SM|e*f4*iffc ^entralblatt für So^^olUtf^.
(Herausgeber; Dr. ©. granefe, Verltn; Verlag oon Duncfer &
Humblot, Setpjtg. 3 U Bestehen burch fämmtliche ^oftanftalten |
unb Vuchhönblungen jutn oon 2 J(. 50 Vf. für baS Viertel* I
jahr einfchlte|lich ber VtonatSbeilage „DaS ©emerbegericht".) 1
guhalt 0011 9tr. ‘J5: Die Väcfereioerorbiimtg in ber VrariS. j
Von Vrof. Dr. ft. Dlbeiiberg, Vfarbnrg. — Der (Soaugelifch* 1
Soziale ftongreft in ftiel; Darifoereinigungeii; Die Vergebung
fisfalifdjer Arbeiten in V^nfjen unb bie Streifflaufel; 3 lir Aus*
legung bes fächfifchen VercinSrechtS; Die 93ahie 11 ber Arbeite*
fainmcru in Arnfterbam; internationaler ftongreg für jovial*
minenfdjaftlidjes llnterriditsmefen 1900 in VariS. — ©enteinb* 1
■liehe gürforge in ber 93ol'mungsfrage 311 9JMind)en; StäbtifdheS
■JRegulatio für Vergebung oon Arbeiten an ArbeitSlofe in Cffen*
bad) a. 9)Z.; AlterSoerforgung oon ©enteinbebeamten in ©lasgom 1
unb Dartmouth- — Vetradjtuiigen über bie biesjäljrigeu Sohn*
bemegnugen im Sdjueibngeioerbe. Von 3ol)a 11 ues Di mm,
Arbeiterfefretär, 3Rüiidjeit; Der zehnte internationale Vcrgarbeiter* '
fongreß; Der erfte ftoitgrefe chriftlicher ©emerffdjaften; Äongreg
ber öoangelifchcit Arbeiteroereine in Altona; Der Verbaub ber
fatholifchen Arbeiteroereiue in Sübbeutfchlaitb; diu Verbaiibsbaus
ber bcutfdjen ©eroerfoereine in Verlin: ©nbc beS Väcfcrftreifcs in
München; ftantpf um beit 3 f B u ftun&entng in Vrümt; (fine
9RatfenauSfperrung in Dätientarf; Vergarbciterbcmegung in Siib*
fraufreich. -p gahresberi^t ber h^fPfthc'» ©croerbc * giifpeftion:
Die ©emerbeaufficht in Söürttemberg. — Vrnportioital * 9Bahl für
bic Allgemeinen CrtSfraufeuFaffeu in grauffurt a. Vt. Von
gabrifaut Vh- Hcr 3 *i)tills, grauffurt a. 9tt.; Äongrefe ber
ftraufenfaffeu Deutfchlaubs: Die Arbeiter*ftiaufeuoerficheruiig in
Defterreich; Die Hauptergebuiffe ber öjtcrreidjifchen Uufallftätiftif
für bic gaf)re 1890 bis 1896; 3^r Drganifation ber gemerblidjen
ilufalloerfidjerung tu graufreid); DaS ftraufeu* unb Unfall*
oerfidjerungsgefep in ber Sthioc^; Verfichcrmtg gegen ArbeitS*
lofigfeit in Amerifa. — H- gioefeS Schrift „gabnfanteugliief":
Berichtigung. Der Duberfulofe * ftougreg in Verlin; Stäbtifd;e
©efuubheitsiiifpeftoriunen in (Suglaub. — inhaltSangabe bes
„©emerbegertd)ts" 9ir. 9.
©etoerbegetic^t* etföeint am erften ®oimcrftarge leben SRonatS tm 3Jllnbeftumfange t>on V> ©ogen jum ©telfe bon 1 2tt. — »efleHungen
• nehmen fämmtlitbe ©oftanftatten (©oftaeitungfinummer 2877) unb ©ud&b<mblungen on; e in bitettet ©eaug non bet ©exrag«bud&banbtung finbet ni^t flott
»erlag 001t »untfet * fcmn&rot, Seipjtg. - «ebrurft bei 3 aliu 8 €Utenfeib in ©erlln W.
IY. Sa^rgoitg.
«Berlin unb granffurt a. 2W., ben 6. 3uli 1899.
Slntnmer 10.
ins ©rroerbegeridit.
Zniitfjeiluttgen bes Derbanbes beutfcfyer (Semerbegertchte.
SBerantroortlidj für bie SWebaftion: ber ©efdjäftSfüfjrer beS SSerBanbeS, ©tabtraCI) Dr. granffurt a. 3 71.
frf#*ta! tm «fl» |*U« ___ ?«i« lljrfift I &«*&.
- r sr- >• — vi
©erlag oon Sundet ft £umMot, Seidig. ~ ’ ~ Koftenfrrie »eilage $ut „©ojialen ©rajrf«*.
Inhalt
S)te ßuläffigfeü bet ©erufung
gegen Urtbeile ber ©eteetbe»
getitbte. ©on ©tabtratb ©uno,
Königsberg i. ©r.113
3)et ©efefcentlourf jum ©d>ub
befl gern erblichen ärbeitSöer*
höltniffe«. ©on ©tabtratb Dr.
St. glefcb, granffuri o. 3J?-116
$*itrtrprtitiiiiig.117
gatten ©trafjenbabnen unter §. 6 ber
©etuetbeotbnung? (©etoerbegertebt
Stuttgart.)
.Unternehmet ober Strbeituebiuer?
SftecbtSöerbältnife eine« ttRanneö, ber
al« Scbadjtmeifter angenommen mar
unb im Slfforb eine Arbeit über»
nommen butte. (ßanögeriebt ©uiS*
bürg unb ©emerbegeriebt ©rauben*
bürg a. #.)
Sit ©orbalt eine« förderlichen ©e*
breeben« grobe ©eteibtgung im Sinne
bon §. 124* 96? (©emerbegeriebt
ÖubmigSbafen am Wbein.)
Kann ber ohne ©inbalten ber Kün*
bigungöfrtft au?tretenbe Arbeiter bor
Slblauf ber grift ein 3eugnife fotbern?
(©emerbegeriebt SDortmunb.)
2)ie bem Sebrling attmödbentlicb ein*
behaltenen ßobntbeÜbetrSge 'dürfen
bei ftuflöfung be« Sebroeslaltniffe«
nicht oorentbalteu metben. (©emetbe*
geriebt granfcntbal.)
JlUgfmritu* über rtt&t*
unb Jtrbfiteerirßg.123
9tu« ben 3abre«bericbten ber @e*
merbegeriebte.
gertanb*-3lttg*ltgettbetUn... 124
©eitrittöerflörung.
3nbalt«angabe ber „Sozialen ©raji« w .
Iflbbrucf fümmtlicber «rtifel tft Bettungen unb 3«itfdbriften geftattet, iebodj nur mit
oottet Quellenangabe.
Bit Juläfflgbtit ber fierafnttg gegen Mrtyelle
ber (beraerbegeridfte.
©on Stabtratb ©uno, Königsberg i./©r.
§. 55 be« ©eroerbegericbtSgefcpeS fd) reibt oor, bafj bie 23e-
rufung gegen Urteile ber ©eroerbegeriebte nur guläffig ift, „wenn
ber ©ßertb be« Streitgegenftanbe« ben ©etrag oon 100 ht. über«
fteigt". lieber bie Auslegung biefer ©eftimmung finb gang entgegen-
gefegte ©ntfd)eibungen ergangen.
$>a« &anbgerid)t ©erlin I, ©ioilfammer 8, in ben Urteilen
00 m 21. Öebruar unb 28. $)egember 1894 * 1 ) unb feitbem ftänbig,
ba« 0berlanbe«gerid)t ©Ründjcn 2 ) in einem ©efdjluffe Pom 20. Suni
1S92 ^aben angenommen, bafj eine gemäfj §. 138 ber ©ioilprogefc-
orbnung angeorbnete ©erbinbung mehrerer Streifacben mit einem
©ßertb je unter 100 Ji. bie Solge bot, bajj, wenn bei bem nach
ftänbiger 9ted)tfpred)ung ((gntfcf). be« Reichsgericht« ©b. 5 S. 354,
23b. 6 S. 416) crforberlicben 3 u f ammcnrct ^ nen ber oerfebiebenen
Streitfilmmen ein ©ßertb oon über 100 <AL fid) eraebe, nunmehr
bie ©erufung guläffig fei. 2lnbererfeitS ^at baS £anbgcri(f)t ju
©reSben, 5. dioilfammer, burtf) Urteil 00 m 29. Oftober 1897 3 )
bie ©erufung für unjuläfftg gehalten, obwohl ba§ ©emerbegeriebt
.burdb ©erbinben mehrerer ©ro 3 effe, beren jeber einen ©egenftanb
unter 100 </ft. betraf, über einen 6treitmert| oon me^r als 100 *4L
entfebieben ^attc; unb bie ßanbgericbte gu ©raunftbmeig unb
©remen b^cu, erfteres bureb llrtbeil 00 m 14. 2lpril 1898, 4 5 6 ) bie
©erufung in Stillen fü r guläffig erachtet, in benen bie gur 3 e ü
ber Klageerbebung 100 ,AL überfebreitenbe Klagefummc mäbrenb
beS gemerbegeritbtlicben ©erfabrens auf unter 100 <AL ermäßigt
mar, fo bafe in bem llrtbeil beS ©emerbegeriebts über einen Streit*
9 ©gl. Unger, ©ntfebeibungen be« ©emerbegeriebt« ©erltn, Wr. 229
iS. 264.
,J ) ©gl. ©I. [. fogialc ©raji^ 9lr. 83 ©. 39 ( 00 m 2. Sluguft 1894).
3 ) 3. Jahrgang 8p. 46.
*) 3. Jahrgang 8p. 118.
roertb unter 100 riC Gntfcbeibung getroffen mar. $>ie gulept ge¬
nannten brei ©eriebte berufen fid) gur ©egrünbung tbre« llrtbeil«
auf §. 4 ber ©ioilprogefjorbnung, meiner beftimmt:
^gür bte SBcrtbberecbnung ift ber 3ritpmift ber Klageerbebuug
entfebeibenb"
Sie folgern barau«, bafe für bie naeb S- 55 nötige ©e-
retbnung be« 2ßertbe« be« Strcitgegenftanbe« ,,ber in ben ©rogefe
in ber erften Stiftung bureb bie Klageerbebung eingefübrte 2lnfprud)
in bem Umfange gur 3 e it btv Mlageerbelumg mafegebenb ift".
(Sanbgerid)t Bresben a. a. D.) Sn biefer ©egrünbung roirb bem
§. 4 ber Gioilprogefeorbnung eine ©ebeutung beigelegt, bie er nid)t
bat. 2Bäre biefe Auslegung richtig, fo mürbe in jebem ©rogefe
ber ©ßertb be« Streitgegenftanbe« bureb ben urfprünglichen Klage¬
antrag, mie er in ber gugefteüten Kiagefcbrift (§§. 230, 460
d.©.D.) enthalten ober (im 2lmt«gericbt«progefe) ohne fcbriftUcbe
Klage münblid) oorgetragen ift (§§. 461, 471 &©.£).), ein für alle¬
mal fijirt. S)ie ©eftimmung in §.467 ber (Moilprogefjorbnung, roonad)
bei einer nachträglichen drroeiterung be« ursprünglichen Klageantrag«
auf mehr al« 300 JC. ba« öanbgencbt guftänbig roerben foü, mürbe
eine 2lu«nabme oon ber ©eftimmung in §. 4 barftcllen. Sn ber
£b<it beftimmt §. 4 nur, bafj ber ©eredmung be« SBertbe« bc«
— im Saufe be« ©erfahren« oielleicbt mecbfelnben — Streitgegen-
ftanbe« ber S^itpunft ber Klageerljebung gu ©runbe gu legen ift,
nicht ba& nur ber gur Qci t ber Klageerbebung geltenb gemachte
Streitgegenftanb bei ber 2öertbberecbnung gu beriieffübtigen fei
dine Senberung be« Streitgegenftanbe« nach ber Klageerbebung
fann eintreten:
1. bureb drmeiterung ober ©efcbräitfung be« Klageantrag«
(§. 240 Wr.2 a.©.0.);
2 . roenn ftatt be« urfprünglid) geforberten ©egeuftanbe« megeu
einer fpäter eingetretenen ©eränberung ein auberer ©egcnjtanb
ober ba« ^ntereffe geforbet mirb (§. 240 g^r. 3 d.©.D.);
3. burd) Antrag auf geftftellung eine« im Saufe bc« ©rogeffc«
ftreitig geroorbenen Stted)t«oerl)ältinffc« (§. 253 d.©.0.);
4. burd) drbebeit ber SSiberflage (§§.33, 251, 253 (£.©.£).);
5. burdi ©erbinben mehrerer ©rogeffe (§. 138 ©.©.0.);
6. burd) trennen mehrerer in einer Klage erhobenen Stn|prüd)e
(§. 136 ©.©.0.).
^)a6 in atten biefen gäEen — 0011 ber ©orfebrift be« §. 467
ber ©ioilprogefjorbnung abgefeben — eine 2lenberung ber 3n*
ftäubigfeit be« ©rogefeaerid)t«, etroa roeil in ben Sätten gu 1, 2
ober 6 ber 8treitmertb unter 300 <AL finft, nicht eintritt, ergiebt
ficb nid^t au« §. 4 ber ©ioilprogefjorbnung, fonbern folgt au« ber
auSbrürflicben ©eftimmung in §. 235 9lr. 2 ber ©ioilproge&orbnun^.
§. 4 beroeift alfo für bie hier SU erörternbe Streitfrage, ob für bie
©eurtbeilung ber 3 u Iöffigfeit ber ©erufung e« auf ben — feinem
©Berthe nach nach ber 3 e ü ^ Klageerbebung gu bereebnenben —
Streitgeaenftanb gur 3^it ber Klageerbebung anfommt, ober ob
nachträgliche Slenberungen be« Streitgegenftanbe« gu beriieffiebtigen
finb, gar nicht«.
2lu« ben ©efebeSmaterialien ift für biefe Streitfrage aud& fein
Inhalt gu gemimten. ©« ift im Reichstage nur barüber geftritten
morben, ob für bie 3ulaffung ber ©erufung ftatt be« 2Bertb« be«
Streitgegenftanbe« ber ©ßertb be« ©efebmerbegegenftanbe«, mie bei
ber Sleoifion (§. 508 ©.©.0.), maBgcbeub fein fotte. 2)er be-
güglidje Antrag be« 2lbgeorbneteu Klemm mürbe abgelebnt.
©Ht oottem SRedit mirb au« biefem Hergang bei ber ©eratbung
gefolgert, bafe nach 2lbfid)t ber gefebgebenbeit gaftoren, bem ©ßort-
laut ber ©eftimmung entfprecbenb, für bie 3 u läffigfeit ber ©e-
rufung nicht ber ©ßertb be« ©efdpoerbegeaenftanbeS entfebeibenb
fein fott, nicht ber ©etrag, um meieren ber ©erufungSfläger bureb
bie angefoebtene ©ntfebeibung oerfürgt fein roitt, Den er burd)
115
$)a3 ©eroerbegeridjt. Mitteilungen be« VerbanbeS beutfter ©eroerbegerichte. 9fr. 10.
11«
bie Berufung not S u erftreiten ftrebt, fonbcrn ber SSerth bes
0treitgegenftanbeS erfter gnftang. 5 ) das Urteil beS Sanb*
gerid)ts dreSben glaubt inbeffen au§ ber Vegriittbung, mit
roeldjer ber Antrag Klemm oom SRegierungSfommiffar unb anberen
Vebncrn befämpft mürbe, not einen roeitergehcnben 0 d)luf 3 sieben
gu föitnen. ©S mürbe gur Vegrünbung ber angenommenen gaffung
auSgefüfjrt, eS fei ermtinftt, oon oornljerein überfe|en gu
fönnen, ob in einem oor bem ©eroerbegericht anhängig gematten
s ]*rogeffe bie Berufung guläffig fein mürbe, daraus mirb ge*
folgert, es fei 5Xbficf»t ber gefefcgebenben gaftoren gemefcn, baf; für
bie 3uftiffigfeit ber Berufung ber Söertf) be^ ©treitgcgenftanbeS
gerabe gur 3eit ber Klageerhebung ohne Vücffidjt auf fpätere
Verätiberung mafcgebenb fein folle. 6 ) demgegenüber ift gu erroägen,
baß baS in jener Aeußerung begeidjnete 3iel aut erreitt mirb,
menu nur überhaupt im £aufe beS geroerbegerichtlichen Verfahrens
erfennbar ift, ob baS Urtheil berufungsfähig ift ober nitt. Aus
biefein oom ßanbgeridjt felbft als nitt fehl* ftithaltig begegneten
©runbe ift bie gijirung ber ©ntfdjcibitng über bie VerufungS*
fähigfeit auf ben Moment ber Klacjeerhebung nicht nöthig.
der SBorttant ber Vorfchrift jpritt nicht für bie Auslegung
beS £anbgerittS. §. 55 roid beftimmen, baß bie Vernfuttg gegen Ur*
theile ber ©eroerbegerichtc guläffig ift, meitn ber SSertß oeS Streit*
gegenftanbeS erfter gnftang 100 . <AC überfteigt; ber 0treitgegen*
ftanb fann fit im Saufe ber erften gnftang ändern. da liegt es
bot am nätften, ben 0treitgegenftanb als maßgebenb angufehen,
melter gu ber 3ctt oorliegt, ba bie Berufung in gragc fommt,
bas ift gur Qcit beS UrtheilS. ©S ift fünftlid), in bie V>orte ben
0inn hmcingutegen, baß bei ber Prüfung, ob baS Urtheil be*
rufungSfähig ift, ber Söerttj eines gur 3eit ber UrtheilSfädung
nicht mehr oorhanbenen 0treitgegenftanbeS maßgebend fein fott.
daß auf einen gu einer früheren yeit, gur 3eit ber Klageerhebung
oorliegenben 0treitgegenftand guriicfgugreifen fei, hätte auSbrücflich
befiimmt merben müffen, ähnlich mie nur bie befottbere Vor*
ftrift in §. 235 9fr. 2 ©ioilprogeßorbnung eS auSf fließt, baß bie
oom Serth abhängige 3uftänbigfeit fit mit Aenberung beS Streit*
gegenftanbeS änbert. diefe Auslegung, baß ber — nad) ber r $t\t
ber Klageerhebung gu beretnenbe — 9Berih beS gur 3*it bes llr*
theils oorliegenben StreitgcgenftanbeS für bie 3uläffigfeit ber Vc*
rufung inaßgebcnb fei, entfprid)t aut ^ cm 3me<f ber Vorfchrift.
Man hat baS ^Rechtsmittel ber Berufung nur gemähren modelt,
menn baS ©eioerbcgeridjt über ein Streitobjeft oon bebeutenbem
v Berth ©ntfdjeibung getroffen hat. £at ber Kläger nrfpriinglicf)
200 c M geforbert, feinen Anfprudj aber auf 20 Jt ermäßigt, fo
oerfagt ber gefefcgeberifdje ©rnnb für bie 3ulaffung ber ^Berufung.
§at er umgefehrt ben auf 20 JL lautenben Klageantrag im Saufe
beS Verfahrens auf 200 erroeitert, fo liegt ber gad oor, in
roeldjent ber ©efeßgeber bie Berufung hat gulaffen tooden. 9fad)
ber entgcgcngcieijten Auffaffuug, roeld)e bie 3uläffigfeit ber Ve*
rufung burd) beit Streitgegenftaub gur 3rit ber Klageerhebung
feftgekgt artfieht, hätte ber Kläger es in ber £>anb, bie ^Berufung
baburt auSgufdjließen, baß er gunätft unter 100 ,/({ einflagt unb
bann ben Klageantrag beliebig ermeitert. Slnbrerfeits fann ader*
bingS ber Kläger einem Verfahren bie VernfungSfähigfeit nehmen,
inbent er ben urfprünglid) auf über 100 dl lautenben Klageantrag
auf 100 c /// unb barunter beft^änft. das hat aber fein Vebettfen.
©nhoeber mufe er auf ben Mehrbetrag oergid)ten, fo bah ber gefefc*
geberiftc 3mecf beS SluSfihluffeS ber Vernfuitg gutrifft, meil nur
ttodj ein geringer VcrmögetiSmerth ftreitig ift: ober aber, menn er
feine höhere gorberung aufretterhält, unb nur ben Klageantrag
befdjrättft, bietet er bem Veflagten bie Möglitkit, bunh Erheben
ber SSiberflage bie geftftedung bes 9fittbefteheuS ber gangen
gorberuitg gu beantragen unb infomeit bie VerufuttgSfähigfeit gu
erhalten. §. 55 ift baljer fo ausgulcgcn, als ob bie Veftimmnng
lautet:
Xic Berufung ifi mtr gulaffig, menn ber l^crtl) bc$ bet SdjlutJ
bcrjenigcn miiublidien Verbatibhmg, auf meldic bai? llvtbeil ergeht, uor*
liegeuben StrcitgegfiifianbeC' beit betrag oon cinluutbert SKarf überfteigt.
5 ) Vgl. Urtbeil beS 2aubgertd)ts5 Aiiiiitdieit oom 'l'l. Märg lsii-3,
VI. f. fog. Vrariy ^ir. 70 3. «, bes? ^anbgertelils? Xuioburg oom 15. ?lprtl
lsoo, cbctiba ^ir. 103 0. 223. Xas 2aubgerid)t Königsberg i. 'pr.,
(iioilfammcr I, bat in einem ftafle, in locldieiii Vcflagter gur Gablung
oon 250 ji . oerurtlieilt mar, aber nur loegeu eines Iljeilbetrngcs oon
ss ji Verutuug eingelegt batte, burdi llrtljctl oom H. at lsiis bie
'-Berufung für uuguläffig eradjtet mit ber Vegriinbuug: „bau biermit
mir ber 'Biertlj bes in ber Verufungsinftang gelangeubeu 3treitgcgen=
ftatibes gemeint ift, fann feinem ^meifel unterliegen“ (!!) oin Vlid in
bie .Bi’atcrialien ober and) nur in einem Kommentar hätte bas 2aub*
geirdit Königsberg oom ötegeutbeil übcrgeugcn müffen.
ü j Meioerbegcridjt III 3. lls.
daraus ergeben ftdj nachftehenbe golgerungen: 3Beitn ber
VSerth beS 0treitgegenftanbeS gur 3cit ber Klageerhebung hoher
als 100 </tL mar, aber burd) Vefchränfung beS Klageantrags ober
burch gorbem eines anberen ©egenftanoeS ober beS gntereffe
megen eingetretener Veränberung ober burch drennen mehrerer in
berjeiben Klage erhobenen Slnfprüche fich geänbert hat, fo baf$ er
gur 3eü bes UrtheilS 100 vH, unb barunter beträgt, fo ift bie
Verufung nicht guläffig. lleberfdhreitct ber Vkrth beS 0treitgegcio
ftanbeS gur 3 e ^ ber UrtheilSfäuung in golge ©rmeiterung bes
Klageantrags, gorbemS eines anberen ©egenftaubeS ober bes
gntereffeS, Antrags auf geftftedung eines ^edjtSoerhältniffeS, Ver*
binbeus mehrerer $rogeffe ben Vetrag oon 100^, fo ift bie Ve*
rufung guläffig. SSirb gunächft ein dheilurtheil erlaffen, fo hängi
bie VerufuugSfäl)igfeit biefeS dheilurthcils unb beS ©nburtheiis
nicht oon bem Vetrage ab, über melden jebes ber Urtheile ent*
fcheibet, fonbern oott bem gangen Streitmerth, ber gur 3 e it ber
UrthcilSfädung oorlag.
0chmierigfeit bietet ber gad ber SBiberflage. 9fach §. 5 ber (Sind*
progeßorbnung ftnbet eine 3 ll fammenrechnung beS ©egenftaubeS
ber Klage unb ber 2Biber!(age nicht ftatt. daraus folgt, baß ein
Urtheil beS ©eroerbegerichtS nicht berufungsfähig ift, menn toebei
ber ©egenftanb ber Klage nod) ber ©egenftanb ber VtHbcrflage
100 M iiberfthreitet. die für bie SReoifion ergangene ©ntfcheibmtg
beS 9teid)Sgerid)tS, bafe oon einer entfpredjenben Slnmettbung bes
§. 5 nicht bie SRebe fein fann, menn ber SReoifionSfläger fid) burdi
bie ©ntfeheibung foroohl ber Klage als ber VHberflage befcfjroert
fühlt (©ntfeh. !Öb. 7 0. 315 unb *383), famt hiei nicht '$(nmcnbung
finben, meil für bie Sfeoifton ber SSerth bes Vef chm erbe gegen*
ftanbeS entfeheibenb ift. Man mirb aus ber Veftimmmtg in ij. 5
oielmehr folgern müffen, bafe bie VernfungSfähigfeit oon Klage
unb VMberflage je gefonbert git benrtheilen ift (ogl. ^artenftein
im gahrgang II 0p. 124). 9hir menn mit ber feibcrflage bie
geftftedung bes 9UchtbeftehenS beS in bem ^Srogeh ftrcitigen Rechts*
oerhältniffeS erftrebt mirb (g. V. ber entlafferte SBerfführer forbert
gunäd)ft für einen Monat 50 Ji. ©nifdjäbigung, behauptet aber,
bah ihm noch für grnei meitere Monate b'ief.e gorberung 311 *
ftehe, berVeflagte erhebt SBiberflage bal)in, bah ein ©ntfehäbigungs*
anfpruch überhaupt nicht befteht), mirb bie VernfungSfähigfeit ber
VHberflage auch bie ber Klage nach fich 3ieh en -
Ber ®efe|entaätttf jum Sdjn| de? getnetblidjen
3CrbeU?oerljöltni(]e?.
durch dageSgeihmgett unb bie „0ogiale ^ßrayiS" ift ben
©eroerbegericht.en ber Aufruf befannt, burch melden "bie Veifi^er*
Vereinigungen beS Verliner ©emerbegerichtS bie beutfdjen ©eioerbe*
geriefte gu Einträgen an ben VunbeSratl; unb 9teid)Stag gegen ben
Sntmurf beS ©efe^eS gum 0chufe bes gemerblid)en tHrbeitSoerhäU*
niffeS aufforbert. £hne hier auSführli^ auf ben ©ntmurf, beffen
0d)itffäl im SReidjStag befiegelt fcheint, eingugehen, mag in biefen,
ber ©ntmicfclung beS SlrbeitSoertrageS gemibmeten Vlättern, nur
golgenbes bemerft fein.
der ©ntrourf mit feinen ausführlichen 0irafüorfd)riften be*
ruht burdjauS auf ber formal gleid)mähigen Vehanblung ber
Arbeiter unb Arbeitgeber, alfo auf bcrfelben giftiou, auf melier
auch baS gange ©ioilrecht beS ArbeitSoertrageS beruht unb bereu
Unhaltbarfeit bisher noch fo feiten beleuchtet ift. Arbeiter unb
Arbeitgeber ftehen roirthfehaftlid) gleich hochftenS im Kleingemerbe,
menn beibe gleichmäßig fapitalloS ftnb, unb in jenen Arbeitsoer*
trägen, bei benen es fid) um Lieferung hädifter geiftiger Arbeit
banbeit, für bie ber „Arbeiter" eine Art Monopol befifct. gm
fiebrigen, bei ber unendlichen Mehrgahl ber ArbeitSoerträcje, ins*
befonbere bei bem Vertrag groifeben bem geroerblichen Arbeiter unb
bem fapitalfräftigen Unternehmer ift ber Arbeiter ber fd)toäd)cre
dheil, uttb eine burd) ftrafre<btlid)e ober cioilred)tlid)e
formen beroirfte ^Regelung beS ArbeitSoertrageS, bie ihn ben*
felben formen unterroirft, mie ben Arbeitgeber, — bie nid)t feiner
au fid) ungünftigeren ^ofition SRedjnung trägt, ift t^atfächlid)
nicht gerecht, mag fie auch formal bie $Rcd)tSgleid)beii nicht ocr*
lepeit. @S fann mtr als erfreulich bezeichnet merben, baß bics.
foroeit bie ftrafredbtlid)e 0eite in Vetrad^t fommt, burch ben tu*
Zeichneten ©efepeutmurf einmal gum adgemeinen Verou^tfein ge*
foittmen ift
Aber es fodte nicht überfehen merben, ba& bie bisher faü
ausnahmslos übliche rein cioilrechtliche Auffaffung beS Arbeits*
oertrageS forttrährenb bie gleiche Unbidigfeit heroorruft. V.Mrb
117
Da* Gewerbegeridjt. SRittheüungcn be* Derbanbe* beutfdfjer Gewerbegerichte. Rr. 10.
11 s
g. 23. erflärt, bafj für Arbeitgeber unb Arbeiter nur bic gleite
ÄünbigungSfrift befielen barf (§. 122 ber ©eroerbeorbnung), fo ift
bic* eine Verbeffermtg gegen ben früher burdjau* guläfftgen Vtadht-
mifebraud) einjelner Arbeitgeber, bie fid^ jebergeitige* EntlaffungS-
red)t oorbehielten unb bem Arbeiter längere ÄiinbigungSfriiten auf*
gwangen. Aber geregt ift e* nicht, wenigsten* nid)t für bie ©rofj-
inbuftrie! gür biefe bebeutet ber einzelne Arbeiter nicht*; er ift
leicht gu erfefcen unb leicht gu entbehren; für ben Arbeiter bagegen
ift/ K größer ber 23etrieb war, in bent er befcf)äftigt roarb, e* unt
fo fernerer, anberroeit untergufommen. Ein Arbeiter, ber oon
Ärupp ober Stumm ober oon einer jenen in fteinen (Stabten be-
Iegenen c^emifc^eit gabrifen, £>üttenroerf u. f. 10 . entlafjen roirb, ntufe
fogar ben 2öo|nort roedjfeln, fein Domigil oerlegen.
Äann es al* gerecht gelten, ba& beibe — ber ©ro&arbeitgeber,
ber bie Äitnbigung be* eingelnen 9Ranne* faum bemerft, uno ber
Arbeiter, ber nach ber Äünbigung fid) gang anbere Seben*bebtn-
B i fudfjen mu& — ben gleiten SBorfünften unterfteßt finb?
nicht bie ©eroerbeorbnung ben fdhwächeren Zfyixi, alfo ben
Arbeiter, ber in gabrtfen ober fonfügen ©rofjbetrieben eingefteßt
ift, anber* beljanbeln, al* ben ©efeßen eine* Äleinmeifter*? 2Rüf$te
fie ihn nicht bnr<h befonbere SBorfc^riften oor roißfürlidjer Ent-
laffuitg sichern? Die Arbeiter müffen fi<h oereinigen unb oerab*
reben, um burd) Drohung mit Arbeit*nieberlegung u. f. ro. ben
©roßarbettgeber gu beeinflußen; biefer aber f)at bem eingelnen
Arbeiter gegenüber bie fdjärffte Drohung burch ba* Recht ber miß*
fürlicben Äünbigung jeher 3 e it in ber $anb; er braudjt fidf)
mit Riemanbem gu oerabreben.
©erabe be*ljatb erfdjeint e* fo ungerecht, bafj ber Entwurf ihn
unb feine Arbeiter ber gleichen Strafoorfchrift unterroirft. Soßte
nicht aber auch Anlaß fein, bie ciüüredjtliche Seite be* Arbeit**
oertrage* nach ber gleichen Rücffidjt aufmerffam unb oorurtheil*-
frei gu prüfen? Der Sdjuh ber Arbeit*mißigen gegen willfür-
liehe — nicht au* bem Wefen be* ArbeitSoertrage* unb ben
roirthfchaftlichen SBerhältniffen folgenbe — Entlaffung ift
mtnbeften* ebenfo ber Erörterung roerth, roie ber gegen oerfuchten
3mang gunt Austritt.
granffurt (Vtain). glef dj.
fallen 8trabenbahnen unter §.6 ber Gcmcrhcorbnuttg?
(Entfdjeibung be* ©cmerbegeritfjt* Stuttgart.)
Dhatbeftanb unb Oürii 11 bc. Der Vertreter ber oerflagteu Stutt¬
garter Straßenbahn fdjüjjtc gunächft bie Einrebe ber Unguftänbigfcit be*
Wewerbegeritfjt* oor, iooiiir er fid) auf ben §. 1 Abf. 1 unb §. 2 be*
OJefefcc* über bie Gewcrbegcridjtc unb tu Vcrhinbung bamtt auf §. 6
ber Gcwerbeorbmmg [lüßtc. Der Kläger, Wagenführer W., überließ
btefc grage bem Ernteffen be* Gcrirfjts. Aus bem übrigen ^artrioor»
bringen mar golgenbe* feftgitficllen: Kläger ftanb feit 3. V?ai b. gs.
bet ber Veflagten al* Wagenführer fdjließlidj befiititio in Arbeit gegen
einen Rfonatloljn oon 84 <M. Er fonnte nur nad) oorauSgcgaugertcr,
jebem Df)eilc guftchciibcr, turnt 1. unb 15. jeben 2Ronat* ablaufcitber halb¬
monatlicher Aujfünbigung entlaffeu merbett begm. au* bctu Dieufte
fdjeibeit. Rad) einer Reibung rom 8. Rooember fuhr Kläger mit feinem
Wagen 141 auf ben Wagen 161 auf, fo baß ber Juffer oerbogen
mürbe. An Aeparaturfoften berechnete SBeflagtc 2 M. t bereu 2lbgug
Kläger nach anfänglicher Weigerung am 10. Degember 1897 nnterfdjrift-
lid) anerfannte. Atu 14. Degember fdjrieb Kläger an ben Direftor ber
(iJefeßfdjaft einen Srief, ber am 15. Degember in beffen SBefij) fam.
Wegen be* gnfjalt* biefe* Briefe* fprach SBeflagtc burch Verfügung
00 m 21. Degember auf (Mrunb be* §. 123 3- 5 ber Ecmerbcorbnung bie
fofortige Eutlaffung au*, bie bem Kläger am 22. Dcgember eröffnet
mürbe. 2?i* gu biefem Dag mürbe Kläger für bie 2. .Jmlfte be* SIRonat*
Dcgcmbcr mit i9,eo je. begm. über Slbgug ber 23erfichcrung*beiträge mit
18 M. au*Bcgahlt, fo bah 00 m Degember an ftd) noch 22 ,40 M. übrig
bleiben. Kläger hat für biefe 18 M. unter ff. 25orbrncf quittirt: „Durch
92amen*uuterfdjrift quittire ich hiermit über ben Empfang be* in
Spalte 13 an*gemorfenen öohnbetrag* unb bescheinige, baß ich bi* gitm
heutigen Dage feine roeiteren Sohnforberungeit git machen habe." —
Die* Me* ift unbestritten. Äläger bittet um Urtheil auf 22,40 M. für
ben Acft be* Degember unb auf 42 M. für bie 1. Hälfte be* ganuar,
gnfammeu auf 64 ,40 JC., inbem er beftreitet, baß ber 2?eftagten ein
9techt gu sofortiger Eutlaffung gugeftanben habe.
2?cftagtc bittet um Mmcifung ber ftlagc. gn bem 2?rief 00 m
14. Degember fei ber Werfnteiftcr S)l f ber nidjt bloß bem 9teparatur-
merfftättcupcrfoual, fouberu qud) ben gahrerit oorgefejjt unb fornit Ver¬
treter ber Veflagten bem Äläger gegenüber fei, grob beleibigt morbeit;
fornit treffe ©eroerbeorbnung §. 123, 5 gu unb fei bie fofortige Ent-
laffung gerechtfertigt gemefen. Dah 3R. auch Vorgefefcter ber gahrer
fei, fei in einem Erlaß ber Vetlagten 00 m 2. 9tooember 1895 au*ge-
fprocfjen; biefer Erlah fei bem aufUegcnbcn Dicuftbuch einoerleibt unb
fo gur Äenntnih be* Äläger* gefommen. 9R. habe nicht nur bie Prü¬
fung ber gahrer auf ihre ^Befähigung abgunehmett, fonbern e* unter¬
stehen ihm überhaupt bic Vebicnuug unb gnftanbhaltung ber Wagen
unb SJtotoren, ma* bem Äläger befannt gemefen fei. Der 9lufmanb
ber Veflagten für bic Reparatur habe in ber Dljat 2 M. betragen.
Der Äläger beftritt bie $öbe biefe* 9lufmanb* unb behauptete, e*
fei ilsm mitgcttjeilt morben, baß bic Reparatur meniger 3 p it unb Auf=
roanb oerurfadjt habe, al* ihm aufgeredjuet morbeit fei; be*ljalb habe
er, um ftd) gu mehren, ben Vrief 00 m 14. gefchrieben, ben 2 Jl. habe er
nicht beleibigen moßeu. Dafs 3Ä. Vertreter ber Veflagten fei, miffe er
nidjt; ihm fei nur befannt, bafj er bie Prüfung abnehnte, bah er nadj-
her noch ben gahrern breingureben habe begm. ihr Vorgefefcter fei, fei
ihm nid)t befannt gemacht morbeit, ba* Dieuftbitd) liege nicht auf. Der
Vertreter ber Veflagten beftritt nodj, baß ba* Dienstbuch nicht aufliege,
ohne itibefj Vemci* augutreten unb behauptete, coerttueß liege in ber
Cuittung 0011 t 22. Degember ihrem gnhalt nach ein Vergicht and) auf
bie eingeflagte gorberung.
Auf OJrunb ber Vemci*aufnal)mc fteßte ba* Oieridit feft, baft 0011
einer Ueberforbcnmg be* Äläger* feiten* ber Veflagten für bic Reparatur
feine 9tebc fein fönne, bafj aber Äläger auf (ytrutib oon Vtittl)eilungeit,
bie ihm tu ber 3 c ^i gmifd)eit feinem 9luerfenutnih oont 10. Degember
unb bem Vrief 00 m 14. Degember 0011 Viitarbeitern gemadjt mitvbcn,
geglaubt hat, bafj roefentlich meniger 3dtaitfmaiib geutad)t morben sei,
al* ber Werfführer 2 Jl. ber Direftion gegenüber angegeben hatte.
Wa* gunädjft bie Einrebc ber Unguftänbigfcit aitlangt, fo gab bic
Dhatfachc ber Ummaubluitg be* beflagtifdsen Unternehmen* 001 t einem
Vferbebahttbetrieb in einen eleftrifdhcu Vctrieb bem (Bericht feinen Sfotlaß,
oon ber tu einem früheren Urtheil gegen bie Stuttgarter Straßenbahnen
oertretcuen Auffaffung abgugeheit. E* mar bort barauf hingemtefeu
morbeit, bafj iit ben §. 69 be* Entmurf*, ber oon ben nidjt unter ba*
Ecroerbegerid)t*gefeß faHeuben 9lu*italjmctt haubclt (jefet §. 76 bc* Eei.)
nach ber Abfidjt ber oerbi’mbeteu Regierungen auch bic Streitig feiten
ber Vorftänbe ber unter ber 8taat*cifcnbahuocrmattung ftchenbcit Ve-
trieb*anlagen mit ben in biefeu betrieben bcfdjäfttgteu Arbeitern auf¬
genommen merben foßten unb baf 3 biefe Ausnahme oon ber 9tetdi*tag*-
fommiffton unb bem 9tcidj*tage geftridicit mürbe, gut Rcidmtagc mürbe
insbefonbere iit ber Sifcung ootit 23. gtttti 1890 oott bem Abgeorbueteit
Dr. $irfdj bemerft: „Wie bic Äontmiffion itt battfeit*mcrtl)er Weife bic
Daufenbc unb ^uubcrttaufeiibe oon Arbeitern, toeldjc ber Staat*eti'en-
bahtiocnoaltuug unb anbereit fiaatlidjctt Vetricbcn angehören, ber Wohl*
tljat ber ©cioerbegeridjtc theilhaft gemacht hat, fo 2 c." — ittib in ber-
felBen Sipiing ooit betitfclbeit 9lebiter in einer späteren Rebe: „alfo cs
mürbe baraus folgen müffett, baß auch bic Arbeiter ber Eifenbahnoer-
maltuitg bem Olemerbcgeridjt cutgogcu mürben, ma* bod) iit beut äoiii-
ntiffiousbcridjt feinesmeg* au*gefproihett ift. - Veibc Ausfithnntgeu
fattbeu feinen Wibcrfprud) unb ber Sd)lufj ift baljer gereditfertigt, baß
ltadj Anfidit bei* baiitaltgnt Regierungsoertreter uub Reidjstagsabgeorb-
tietett ber Strid) ber Ausnahme bie Vebeutiutg haben foßte, bie Arbeiter
ber beit Staatscifenbahnocrmaltnugen unterfteßteu Anstalten bem Ok*-
toerbegeridjte gu uutermerfeu. Was aber für bie Staatscifenbahuen
gilt, muß in ttodj höhereut ®rabe für ^rioat- unb Strafseitbahiien jeber
Art gelten. — Daß hiebei gmifdjen tmteretu unb äußerem Vetwcbe
uuterfdsiebeu merben foßte, gcljt, toeitn aud) bie HRotioc bie* uahegu-
legeti fdjeinen, au* beit mafjgebettben Äommif}toit*bcrid)ten begm. Rcid)*-
tagSoerhaublungeit nidjt heroor.
Run toirb biefer Stanbpuuft be* Eemcrbcgeridjt* in mehreren
Äommentaren angefochteu mit ber Vegrünbitng, bafj nidjt bic SKotioe
begm. Äomntifftons- nnb Retdjstagsocrhanbluitgcit, fonbern lebigltdj ber
Wortlaut be* (^efeßes iitafjgebenb fei. Danadi märe eutfdjeibeub 1, 1
unb §. 2 bc* ©emcrbegcrichtsgefeßcs, mottadj für beit Vcgriff „Arbeiter"
Dttel Y1I ber OJerocrOeorbnuitg mafggebcub ift uub bie 3nftänbigfett*-
frage mefcntlidj oon bett Veftimiituugen ber Ecmcrbcorbmtiig abhängig
märe. Dort heißt es in §.6: „ba* gegenwärtige Ofrfefc fttibei feilte An-
roenbung auf . .. beit Gewerbebetrieb . . . ber Eisenhahnuiiteruehmungcii
u. f. w." E* fann nun imbebcufUdj gugegeheu werben, bnf? in bem
Umfang, in bem ba* Gefeß beu Vegriff Eifeubahunternehmiuig gefaßt
Ijat, aud) bie Arbeiter bei* betr. Eifcubahmmtemehmung, gleidigiltig,
ob fie bem inneren ober äußeren Dieuft augehören, uid)t unter Ditcl VII
ber Gemcrbcorbmmg unb gemäß §. 1, 1 unb 2 be* Grwerbcgerichts-
gefetie* audj nidjt unter bie 3uftänbigfeit be* GJemerbegeridit* fallen.
Die grage sdjränft fi<h alfo bnljin ein, faßen Straficnbabucu begm. fällt
ba* ^iefige Slrafsenbahnunternehnien unter §. 6 ber Gewerbeorbnung.
Dabet ift oormeg gu betonen, baß ber Vegriff Eifenbaljn nidjt in allen
119
. £)a$ Öeroerbegericßt. SRtttheilungen be$ BerBanbeS beutfcßer ©emetbegericßte. Br. 10.
12 0
©cfcflcn, in bcncn er uorlommt/ ben gleiten Umfang hat, es tft oiel*
meßr bei jebem ©efeße für fidj gu unterließen, melden kreis ber ©efeß*
geber unter biefem tarnen umfeßreiben mofltc. Senn alfo g. B. itn*
beftrittenermaßen bic ©traßenbaßnen (ob mit Vfcrbe» ober Skotoren*
betrieb) unter bas |>aftpflid)tgcjcß ober unter baß ©efeß über bie Stud*
beßnung ber Unfall» unb kraufcuoerFußerung nom 28. 2Rai 1885 fallen,
fo folgt baraus nodj nicht, baß fic aueß unter bie ©emerbeorbnung §. 6
fallen. Senn bas Sort ©ijcnbaßn in allen (Beferen gleichbebeutenb
märe, fo mürben bie ©trabenbahnen oßne meitereS g. B. auch unter
bas mürttembcrgifche ©ifenbaßngejeß nom 3aßre 1843 ober bic reicßSgefeß*
liehen ©ifenbaßn»BetricbSorbnungen fallen, maS firfjerlich nicht jutrifft.
aus bentfelbeii ©runbe ift auch bie Begugnaßme ©eßiefers in feinem
kommentar (2. Slufl.) auf bas ©rfenntniß beS VeidjSgericßtS nom
19. Sftai 1885 bafür, bah Vferbebaßnen nicht unter §. 6 ber ©emerbe*
orbnuug faßen, nerfeljlt.
Bei Beurißetlung ber grage, ob Straßenbahnen unter §. 6 ©emerbe*
orbnung faßen, ift in erfter 2inie baran feftgußalten, baß bie ©emerbe*
orbnung bie ©emerbefreißeit (f. §. 1) einführen moßte, unb baß bem*
nach bie non ber ©emerbeorbnung ftatuirten auSnabmcn im 8u»eifel
nid)t auSbeßnenb, fonbern cinfdjränfenb aufgelegt merben müffeit. $er
3roecf ber auSuaßmcbeftimnumgen beS §. 6 mar nun nach ben STOaterialien
u. a. ber, gemiffe 3*ncige ber ©eroerbegejeßgebung ber Orbnung burch
©pegialgefcße anßeimgufteflen, fo inSbefonbere bie ©ifeubaßmmter*
nehmungen, meil bie CrbnungSbebürfuiffe btefcs VerfeßrSgemerbeS niel
gu umfangreidier Batur finb, um in ber ©emerbeorbnung untcrgebracht
merben gu fönnen, unb meil beiläufige abänberungen ber ©emerbe*
orbnung unter Umftänben tiefeinfdjneibenbe, nidjt beabfichtigte golgen
für biefe ©emerbebetriebSarten fonft mit ftch bringen fönnten. ©s mirb
baher gu fagen fein, ©traben* begm. ©ijenbaßnen überhaupt faßen nach
bem 3»necf unb Sortlaut beS ©efeßeS (cf. inSbefonbere auch §. 37) unter
bie auSnaßute beS §. 6, menn unb fomeit fie befonberen Reichs* ober
©taatsgefeßen untermorfen finb, ober merben; für bie ^iefige ©traßen*
bahn fönnen alfo baS mürttembcrgifche ©efeß nom 3aßre 1848 begm.
bie VeicßsbetriebSorbnungen nom 5. gnli 1892 (VeicßS»©efeßbl. 691
unb 764) in Betrad)t. ©S ift gmeifelloS, bab fie gur 3 e ^ biejen ober
ähnlichen befonberen ©efeßen nicht unterftchen unb barnuS folgt nach
Slnfidjt beS ©eroerbegerießts, bab fie gur 3ett auch uidjt unter bie aus*
nähme bes §. 6 ber ©emerbeorbnung, fonbern unter ©emerbeorbnung
§. 37 begm. unter bie ©emerbeorbnuitg überhaupt faßen. $ie kongeffion
ber ©trabenbahuen erfolgte auch nicht auf ©runb eines befonberen
©efeßeS, fonbern auf ©runb ber ©eroerbeorbnung unb ber in ihr ent¬
haltenen geroerbepoligeilichen Vefugniffe beS ©taatS.
$)ie 3 u ftänbigfeit beS ©emerbegerießts mar baher gu
Bejahen unb bie ©inrebe ber llnguftänbigfeit gu nermerfen.
2BaS bie materiefle Sürbigung bes gafleS anlangt, fo mar oormeg
bie ©inrebe beS Vergießt* gu nermerfen. ©S fann baßingefteflt bleiben,
ob Kläger bei ber Ouitürung feines Sohnempfangs nom 22. ®egember
ben Vorbrucf überhaupt gelefen hot, benn menn er auch 5« feiner
kenntniß gefommen märe, fo märe barin fein Vergtdjt auf nach bem
22. Segember erft gur ©yifteng gelangenben ©ntfcßäbtgungSforberungen
enthalten.
Seiter fonnte bahingefteflt bleiben, ob ber SBerffitßrer 9TO. als Ver¬
treter ber Veftagten bem Kläger gegenüber im ©inne ber ©emerbe*
orbnung gu betrachten mar, ba in bem Vrief beS Klägers nach ber
auffaffung beS ©erichtS feine grobe Veleibigung im ©inne non ©e*
merbeorbnung 123, 5, auf melche ©efeßcSbeftimmung Veflagter bie fo*
fortige ©ntlaffung grünbete, enthalten mar. ©S ift anerfannt, baß nidjt
jebe Belctbigung genügt, um eine ©ntlaffung gemäß ©emerbeorbnung
§. 123, r> gu redüfertigen, fonbern baß bie Veleibigung eine grobe,
fernere fein muß unb es ift meitcr anerfannt, baß bei Benrtßeilung
biefer grage afle Umftänbe beS gafleS ermogen merben miiffen. 3u
Betracht fommcu bie giuei VluSbritcfe „©runbnerlogen" unb „Öüge";
biefe Vormürfe finb gmeifelloS Vclcibigungen, fofern logifch unb fpraeß*
lief) bamit gejagt ift, baß Scmanb mieber beffereS Siffen bie Unmaßt-
heit rebe unb fofern biefer Vormurf nad) ben geltcnbcn fittlicßen ?ln*
fchauungen ein fdjmermiegenber ift. Slnbrerfcits ift nidjt gu oerfennen,
baß im gemeinen ©nradjgebraud) ber Vegriff „nerlogeu" unb „Säge"
etmn* abgefchlißcn ift unb halb für nur oüjeltiue, halb für fubjeftioe
Unmahrheiten gebraudit mirb, ohne baß fid) ber Stebner beS Unter»
idjiebs ftets flar bemußt mirb. Xorf) hat bas ©emerbegericht biefe ©r»
mägung für fidi nidit für burdjidjlagenb angejefjen, um bem Vormurf
begm. ber Veleibigung bie ©igeufdjaft „grob" abgufprcdien. dagegen
iü es oou folgcubeu Acftftcllungen begro. ©rmägungen ausgegaugen.
Sie fchou oben bemerft, mar bem Kläger auf ©runb ber Vemeisauf-
nähme uirfit gu miberlegen, baß er fid) — menn audj tßatiädjlid) irrenb
— auf ©runb non VfittliciUmgen non SWitarbeitern hin, im guten
©lauben befuubeu habe, es fei non 3)?. mehr Slrbcitsgeit angegeben
morbeu, als für bie Reparatur thatfächlid) aufgemenbet mürbe, ©s
fonnte auf ©runb biefer Seftfteflung bem Kläger auch baS Vecßf nidit
abgefproeßen merben, trofc feines oorauSgegangencn ^nerfenntniffeS, es
nochmals mit einer Vefcßmerbe bei ber Süreftion gu nerfueßen. !?as
©erießt nahm baßer an, baß Kläger mit ber 9lbfaffung beS Vriefes
berechtigte ^sittereffen gemaßrt ßaf-
9Sie ber ©trafrießter beim 3utreffett non §. 198 ©t©V. gur grei-
fpreeßung gelangen muß, fafls er trofc tßatfäcßlich norßanbener Vc*
leibigung naeß ben Umftänben beS gaflS bie Slbgcßt ber Veleibiguitg
negiren muß, fo muß begm. fann aueß ber ©emerberießter ben Vegriff
ber „©robßeit" negiren, menn er gu bem ©djluffe fommt, baß ber bc»
letbigenbe fluSbruc! nicht um beSmiflen geroäßlt ift, um bic ©ßrc bes
Angegriffenen gu oerleßen, fonbern um beSmiflen, eine menn auch ftarfe
(unb mie im gegebenen gafl fogar objeftin unbegrünbete) ^ritif an
beffen Vorgehen gu üben. 2)aS trifft im oorliegenben gafl gu. Kläger
moßte unb burfte ficß feiner $aut meßren unb burfte gu biefem 3wä
bie Äuffteflungen SPf.’S als unrichtige begettßnen; menn er ßtefür ben
an ficß beleibigenben SluSbrucf „nerlogen" begm. „Süge" nernjenbet hat,
fo naßm bas ©erießt an, baß es ißm ßiebei nußt fomoßl unt bie Stb-
fußt ber VeleiMgung als eben um befottberS beutlid;e ©ßarafterifirung
ber ben Kläger nermeintUcß in feinen Vedjten fränfenben .fpattblungs-
meife beS 3R. gu tßun mar, unb baß. beSßalb bie Veleibigung nidjt als
„grobe" im ©inne non ©emerbeorbnung §. 123, 6 gu betradjten fei.
2>ies untfomeniger, als ber Brief nicht für bie Äenntniß bes barin
Veleibigten, fonbern lebiglidj für bie ^enntniß ber gur Verfügung über
bie Vefcßmerbe berechtigten $>ireftion beftimmt mar.
alle biefe ©rmägungen mußten bagu fiißren, bie an fuß uorliegenbe
Veleibigung nach Umftänben beS gangen gaflS nießt als „grobe"
gemäß ben gemerbegefeßlicßen Veftimmungen feftgufteflen unb bemnaef)
baS 9ied)t ber Veflagten gu fofortiger ©ntlaffung beS Klägers gu oer*
neinen. 2)ie Äonfequeng füßrte gur Verurtßeilung gur Vegaßlung
einer entfpreeßenben ©ntfcßäbigung nom 23. $>egember 1897 bis
15. Januar 1898, bis gu melcßem Termine naeß bem arbeitsoertrage
früßeftenS ßätte gefüttbigt merben fönnen. Vacß ber non ber Veflagten
aufgefteflten Soßnberecßnung entfällt auf ben 9ieft beS $egentberS nom
22 . ab ber Betrag non 22, 40 M., ber bem Kläger an feinem §alb=
monatsloßn für bie gmeite Hälfte beS $egemberS mit 42 Jl gefürgt
mürbe. S)er SRonatSloßn pro 1.—15. Januar mit 42 M. ift an ficß um
Beitritten. ©S maren baßer bem Kläger insgefammt 64^o JH gugufprecßen.
Unternehmer ober arbeitneßmer?*) VedjtSnerßältnifj
eines VtanneS, ber als ©eßaeßtmeifter begm. Vorarbeiter,
Variier angenommen mar unb im atforb eine arbetf über¬
nommen hatte.
1. Urtßeil beS königlichen SanbgericßtS in Duisburg nom
6 . 3uli 1897.
S)er Bauunternehmer k. ftanb bei bem Bauunternehmer V. als
„©eßaeßtmeifter" in arbeit unb hatte in afforb bic abteufung eines
Brunnens übernommen, k. flagte bei bem ©emerbegericht gu SRülßeiin
a. b. 9iußr auf 3«ß^ng einer 9ieftforberung non 180 JL V. bejtritt bie
3uftäubigfeit beS ©emerbegerießts, meil k. Unternehmer fei. $aS C^e-
merbegerießt erflärte ficß für guftänbig; bie eingelegte Berufung mürbe
gurüefgeroiefen.
©rünbe: 3^ar ßat berkläger beim Veflagten in afforb gearbeitet
unb ferner aueß bie Befugniß geßabt, bie arbeiter anguneßmen unb gu
entlaffen; aber bieS reießt nießt aus ißn gum Unternehmer gu ntadjen,
benn bei ber anfertigung beS Brunnens mar kläger ftets ben an*
meifungen beS Veflagten untermorfen. aueß Veftagter fonnte ar¬
beiter anfteflen unb entlaffen. hieraus geßt ßeroor, mie bas
©emerbegerießt gutreffenb annimmt, baß Beflagter nur gu feiner
eigenen ©ntlaftung bem kläger Voflmacßt gur annaßme unb
©ntlaffung non arbeitern gegeben ßat. kläger Iößnt gmar bie arbeiter
aus, baß ©elb ßiergu muß er jeboeß oont kläger erhalten, aueß aus
bem geringfügigen Betrage feiner ©taatSeinfommcnfteuer folgt, baß ber
kläger gar meßt in ber ÜJage ift, felbftftänbigc arbeiten, mie ben hier
*) anmerfung ber 9iebaftion. Vielleicht ßätte bie Ueberßßrifi
einfach lauten füllen: Unternehmer ober Ueberneßmer? SBenigftcris
mürbe es in hoßent ©rabe gur klarfteflung ber fo nielfacß bimleln
9ted)tsnerhältniffe gmifdiett ben nerfeßiebenen bei auSfüßrung insbefonbere
non Bauten betheiligten ^erfonen füßren, menn nerfeßiebene ausbrüefe
ßergebraeßt mären für benjenigen, ber gemerblicße arbeiten felDftftänbicj
unb auf eigenes Vißfo auSfüßrt, unb benjenigen, ber im äuftraiK
eines anberen unb gegen Vegaßlung Sßeilleiftungcn für eine arbeit
ober ein V>erf bemirft, bas ber auftraggeber felbftftänbig — für eigene
ober frembe 9tedjnung — ßergufteflen gefonnen ift. S)er Umftanb, baß
ber auftraggeber mit bem foldjergcftalt Beauftragten abntadjungcu ge*
troffen ßat, meld)c ben Beauftragten an ber Verringerung ber kofien
ober ber f iß ne Acren Bcenbigung ber arbeit intereffiren, — baß bieier
einen 2:ßeil bes VififoS beß auftraggeberS übernommen ßat, madit
ben Beauftragten nießt gum Unternehmer.
121
SaS ©eroerbegericßt. Bttttßeitangen beS teerbonbeS beutfdjer ©emerbegerttßte. 9h:. 10.
122
fragliche Brunnenbau, 51 t übernehmen. genier ift Kläger banernb bei
einem Unternehmer, Beut Beflagten, gegen 2oßn Befc^äftigt, alfo er
felbft nur Arbeitnehmer beim Beflagten. Au<ß ber Beflagte felbft hat
ben Kläger als feinen Arbeiter behanbelt unb feine ©teßung als bie
eines Arbeitnehmers aufgefaßt. Sies ift Har erficbtlicb aus bem Ar*
beitSjeitgniß, melcßeS er bem Kläger am 23. April 1897 auSgefteßt hot-
Beflagter fd^reibt:
„Kläger mar in meinem ©efdjäfte als ©djaeßtmeifter tßätig unb
hat bie ihm übertragenen Arbeiten nach Borfcßrift ausgeführt."
©ttblicß läßt Beflagter, ohne fich unt ben Kläger ju fümmerit, oon
einem anbern Arbeiter ben Brunnen fertig ftetlen. Auch hieraus erhellt,
bafe er ihn nicht für einen Unternehmer anfießt, bem er bie Anfertigung
beS Brunnens übertragen hat. Aus Altem folgt: Kläger mar Arbeiter
beS Beflagten. SaS ©eroerbegeridjt ift mithin juftänbig für ben hier
fraglichen Anfprucß.
2. ©ntfdjeibuitg beS ©emerbegeridjts Branbenburg a. £>.
Ser Kläger oerlangt 001 t bem Beflagten 3oßhi n 0 bes ReftloßncS
für 001 t ihm übernommene Aff orbarbeit, oor bereu Beeitbigung er ent*
Iaffen ift. Bcflagter beftreitet, bah er ber richtige Beflagte fei. ©r miß
nicht bem Kläger, foubern einem Borarbeiter bie Arbeit übertragen unb
biefem iiberlaffeit haben, fiel) bie nötßigen ArbeitSfräfte felbft ju be-
fdjaffen. geftgefteßt mürbe, bah bie ©ntlaffung beS Klägers burch ben
Beflagten unb nicht burch ben Borarbeiter erfolgt mar. SieS fah ber
©critßtSßof als eutfeheibenb bafür an, bah Beflagter ber eigentliche Arbeit¬
geber fei, unb oerurtheilte bementfprechenb nach bem Klageanträge, obmohl
Beflagter einen Schein probujirte, in melchem nur ber Borarbeiter fich
jur Ausführung ber Arbeit mit feiner Arbeiterfolonne verpflichtete.
3. ©ttifcßeibuiig bes ©emerbe- unb beS 2anbgericßtS ju grattf-
furt a. Bf.
©ine Anjal)l Bfaurer hatten bet einzelnen Bauten auf Afforb ge¬
arbeitet. Als Abfcßlag hatten he nur ihren Sagelohn erhalten. Sen
Afforbmehrbetrag fonnten fie nicht einflagen, meil ihnen jebe Unterlage
für feine Berechnung fehlte. ©S mürbe besfjalb eine Klage auf Rech¬
nungslegung gegen ben Bauunternehmer aufgenommen, ber bas ge-
famntte Bfaterial auch in £>ättbett hatte, menn auch bie Kläger unter
ben befannten Berßältniffett lebiglich mit bem B°Her als Afforbanten
ju thun gehabt hatten. SaS ©eraerbegericht oerurtheilte, bas
2aitbgeriet hat ieboch bas Urthcil aufgehoben, meil lebiglich ber
parlier mit bem Beflagten einen Afforbuertrag abgefcßloffen habe unb
aus biefem bie Kläger als dritte feine Rechte Verleiten fönnten.
AuSfchlaggebenb für bas Urtßeil, b. b. 20. gebruar 1897, beffen
übrige Sebuftionen ßier übergangen toerben föntieit, mar bie AuSfage
bes BarlierS, melche, mie folgt, lautet: geh bin mit §errn R. ein
Afforboerhältniß für bie Bauten §.»ftraße 9 unb 11 eingegangen
unb habe biefe Bauten auch angefangen. Kläger haben baittals
noch nicht bei mir gearbeitet, oieltnehr fanten biefelben erft fpäter
auf Bermenbung bes £errn R. ju mir unb arbeiteten bann
mähretib fünf ^erioben mit Unterbrechungen bei mir. geh habe
benfelbett gefaßt, bie ganze Arbeit gehe auf Afforb, flc follten ft<h
befleißigen, menn etmaS bei ber Arbeit ßerauSfomiite, fo molle ich
fie bebenfen. Sie betreffeitben Bfaurerarbeiten follten 0011 mir fertig®
gefteflt toerben unb bann barüber mit §errn R. abgerechnet merben.
Als ©inheitspreife toaren h ier f ür etma 30 ^ofitionen feftgeftedt. Sie
Arbeiter habe ich im Sagelohn bezahlt, moju ich alle 14 Sage bas ©elb
nach Blaßgabe ber 2 ohnlifte oon £>errtt R. befam. geh felbft beftfce
fein Bertnögen, um berartige Arbeiten auf eigene Rechnung auSjuführeji.
SBie hoch fid) bie Arbeiten inSgefantmt belaufen, fann ich nicht fagen.
Sie BerficßeruttgSbeiträge johlte $>err R. unb mürben mir biefelben,
mit Ausnahme ber UnfallocrficherungSbeiträge roieber in Anrechnung
gebracht, gut galle ein Bleßroerbienft über ben Sagelohn ßinauS bei
ben betreffenben Arbeiten herauSgefommen märe, mürbe ich bie 2eute,
toeldje fleißig gearbeitet haben, feßon bebaeßt haben, geh habe felbft
per Sag 6 JL befommen, mofür ich bie Arbeit leiftete, bie einem polier
jufommt. Sie erften jroei Bauten habe ich int Sagelohn gemacht unb
bann erft bie anberen Bauten in Afforb übernommen. Bei biefen
Bauten habe ich etroa 40 SRaurer unb Sagelöhner befchäftigt. geh
johlte ben 2 ohtt immer mie er auf ber 2 ohnlifte aufgeftellt mar an bie
Arbeiter, ohne etmas für mich juriicfbehalten als meinen 2ol)n oon 6 M.
gft Borhalt eines förperlidjcn ©ebrechettS grobe Belei-
bigung im ©in ne oon §. 124* 96? (Urtheil bes ©emerbegeridjtS
2ubroigShafett am Rhein.)
Klägerin mar in einer ©aftroirthfeßaft als 3mtmemtäbchen be-
fcßäftigt; nach oorauSgegattgenen Streitigfeiten fiinbigte fie ben Sienft,
trat aber oor Ablauf ber KünbigungSfrift aus, meil fie fich burch bie
ttachherige Aeußerung ber Sienftherriu „©efpenft" gröblich beleibigt
fühlte. Siefe Aeußerung gefeßaß mit Bejug auf baS bei ber Klägerin
periobifd) oorfomntenbe Rachttonubeln. — Rach Rüborff Reid)S-©traf*
gefeßbueß ©eite 451 fann jufolge einer ©trafgericßtS-Sntfcßeibutig ju
Berlin 00 m 20 . Rooember 1874 burtfj Borhalt eines geiftigen ober
förperüeßen ©ebrecßenS eine Beleibiguttg begangen toerben. SaS ein¬
geholte amtsärjtlicße ©utaeßten lautet: „SaS Borfomnten beS Racßt-
manbeluS ift feßr feiten, fantt jebod) ttießt in Abrebe gefteflt merben.
töentt baS Radjtmanbeln mir fließ bei einem Blenfdjcn oorfomntt, fo
berußt es auf ©rfranfung, bejm. einem franfhaften 3uftanbc bes Reroen-
fpftemS, unb jrcar in ber Regel einer cßronifdjen ©rfranfung. ©ine
cßronifche ©rfranfung beS ReroenfpfientS ift jtoeifelloS ein ©ebreeßen;
baß bas Racßtmanbeln ein ©ebreeßen ift, geht feßon barauS ßeroor,
baß es faft ausnahmslos bei bem großen fßublifum eine gemiffe ©djeu
unb Beflemtnung, in oielett gälten fogar Angft unb gureßt ßeroorruft."
SaS ©erießt ift 31 t ber Annahme gelangt, baß ber Borßalt eines ©e*
brecßenS fi<ß nur bann als eine grobe ober feßmere Beleibiguttg qua-
lißjirt, menn er in rüber SSeife, prooofatorifdj ober fortgefeßt begangen
morben ift. — Borliegenb gefeßaß ber Borßalt beS ©ebrecßenS in ein¬
facher gortit; freiltd) hätte bie Sienftßerrin bie unmittelbar barauf
bureß ben §auSfnecßt getane Aeußerung ,,©eifter-©rfd)etnuitg" tiidjt
ungerügt Iaffen bürfen. SaS Borfontmniß bilbete aber für bie Klägerin
ttod; feinen gefeßlidjett AuStrittSgrunb unb cs tourbe ber Beflagten bas
Recßt juerfannt, oott bem 2oßngutßaben ber Klägerin ben cntfpredjcnbeit
Betrag als ©cßabenerfaß in Abjug ju bringen.
Kann ber oßne ©inßalten ber KünbigungSfrift aus*
tretenbe Arbeiter oor Ablauf ber grift ein 3 cu Q ni 6
forbern? (Urtßeil beS ©emerbegerießts Sortmuub; Borftßenbcr
RecßtSanmalt 0 . Köttgcn.)
Ser ©cßloffer ©. mar bis junt 12 . Sßai bei ber girnta ©cß. als
Blecßfcßloffer in Arbeit. Born 13. ab hatte er bei einer auSmärtigett
girnta Arbeit angenommen unb jmar oßne bie für fein Bertragsoer-
ßältttiß unftreitig geltenbe 14 tägige KünbigungSfrift $u beobachten. Sic
Beflagte iß m beSmegen, als er am 13. feine ©ntlaffungSpapiere
©erlangte, jmar bie gnoalibenfarte hrraitSgegeben, bagegett ißm be-
beutet, ben Abfeßrfcßein ber girnta ©cß. unb bie Befcßeittigung ber 3u-
geßörigfeit jur Krattfenfaffe bes SBerfeS befotttme er farnntt bem bis
juttt 12. oerbiettten 2oßn erft naeß Ablauf ber 14 tägigen KünbigungS¬
frift. Am 25. HJJai ftnb bem Kläger bie gebuchten fßapiere nebft feinem
2 oßtt ausgeßänbigt morben.
Kläger beantragt, bie Beflagte jur 3 a hl««9 einer ©ntfdjäbiguitg
oott 40 3Karf 31 t nerurtßeilett, meil fie in ber gebad)ten”3^ifchrnjeit
ißm bureß Borentßaltung ber Abfeßr oerßinbert ßabe, anbermeitigeu
©rmerb ju finbeit.
BJäßrenb bie 3 u*ö<ttmltung ber gnoalibitätsfarte bureß ben § 108
beS Alters- unb gnoalibitätSgefeßeS auSbrücflicß unterfagt toirb, aud)
eine 3uriidbeßaltung früherer Abfehrbefcßeittigungen beS Arbeiters
mangels eines gefeßlicßen RecßteS nicht ftattfinben barf, ift bejiiglidj ber
ttad) §. 118 ber ©emerbeorbttung bem Arbeiter jufommenbett Abfeßr-
befdjeittigung anjuneßmen, baß biefe erft bei bem orbnungStitäßigen
Abgänge beS Arbeiters auSgeftellt unb abgeliefert ju merben braudjt.
Sie AuSfteßung folcßer 3 e wgniffe gehört ju ben BertragSpfUdjten bes
Arbeitgebers, bo<ß tritt biefe Berpflicßtung erft mit ber Auflöfung beS
ArbeitSoerßältrtiffeS ein. 3 ur ^egrüttbung beS AttfprucßeS auf Aus-
fteltung eines 3*ugniffeS geßört alfo gemäß §. 271 Allgemeines 2anb=
recßt I 5 ber Racßmeis, baß ber Arbeiter feinen BertragSpflidjten naeß-
gefontmen ift, alfo bas ArbeitSoerßältniß orbnungsmäßig aufgelöft
ßat. Allerbings ftanb eS ber Beflagten frei, an ©teile ber Ausßaltung
bes BertrageS bie gemäß §. 124 b ber ©eroerbeorbnung rccßtlicß fijirte
©ntfcßäbigung ju oerlangen, ein 3^80 ober, biefe ©ntfcßäbigung ju
mäßlert, befteßt ttießt, bie Beflagte fann ebenfo rooßl ooHe ©rfüHung
ber Berpflicßtung beS Arbeiters bis jum Ablauf ber KünbigungSfrift
mäßlett, ben Arbeiter mäßrenb biefer 3eit als noeß in ißrem Sienfte
fteßenb beßanbeln unb bemgemäß bie Rapiere am ©cßluffe biefer 3 eit
ausfertigen.
Sie bem 2eßrling allmöcßentlidj einbeßaltenen 2oßntßeil-
beträge bürfen bei Auflöfung bes 2eßroerßältntffeS nidjt
oorentßalten merben. (Urtßeil beS ©emerbegerießts granfentßal.)
gn bem jmifeßen bemBater beS flägerifdjen 2eßrlittgS unb ber beflagten
girma oereinbarten fcßriftücßen 2eßroertrag mar u. A. auch bie Be-
ftimtnung enthalten, baß oon bem bem 2 eßrling ju jaßlenben ©tunbett»
loßn ein gemiffer Sßeilbetrag gutgefeßrieben unb erft nadj ooHenbcter
2eßrjeit ausbejaßlt toirb. Ser aus biefen Sßeilbeträgeit ftdj ergebettbe
©efammtbetrag oerfäßt bagegett (naeß bem 2 eßroertrag) ber gabrif-
frattfetifaffe, faßS baS 2eßroerßältttiß burd; Berfcßulben beS 2eßrlings
oorjeitig gelöft toirb.
Ser 2eßrllng ßat nun etioa 5 — 6 SBodjen oor Ablauf ber oer-
tragSntäßigeu 2eßrjeit — angeblich meil er ju Arbeiten ßerattgejogeu
mürbe, bie mit feinem 2eßrfacß nidits gemein hatten — bureß Berlaffeit
ber Arbeit bas 2eßroerhältniß gelöft, unb ba bie £>crauSjahluug bes
123
t*a8 ©eiücr&egeridfjt. 2Rittheiluitgen be$ BerbattbeS beutfdjer ©eroerbegerugte. m. iu.
124
%
ein behaltenen StunbenlohneS im Setrage von 70 ätfarf feiicnö ber
A-inita verweigert njnrbe, fucfjte bte 9Euttcr beS SJefjrltngS — als Ser*
treterin t^red ttttnberjährigett Sohnes — bied bnreh Mage ju ertoirFeit.
Beflagtc mürbe verurteilt, an Klägerin 45 9)tarf, auf welken
Setrag fie ihr ©utbabeit rebu&irte, 3 U Bejahen.
©rünbe: S)tc 2 eljruerf)ältiiiffe merben geregelt burd^ bte §§.126
nub 133, fowte §§. 105 — 120 e ber ©emerbe*£)rbnuttg, foroeit nidjtd
anberes Bcftimmt ift. §. 130 fagt, bah ber fieljrljcrr unter genügen
Borauöfebiutgen baS Aedjt ^abe, bie AitcfFefjr beS fontraftBrüc^tgen
Lehrlings ju erjmingen, bte §§ 132 unb 133 raunten bem Seljrfjerrn
bie Scfugntfj ein, Anfprudj auf ©utfehäbigung geltettb 51 t machen. (Sitte
Borfdjrift aber, wonadj ber verfallene Öoljn — benn unt foldjett banbeit
es fid) hü* unb nicht etwa um eine in baö Belieben ber BeFlagteit ge*
ftefltc 3umenbung — unter gemiffen BorauSfejjungeii einer krattFett*
Faffe sugemiefen ober in anberer SBcifc über benfelben verfügt merben
fönnte, enthält bie ©ewerbeorbmmg uidjt. Sohl fagt §. 105, bah bie
tfeftfefcung ber Berljältmffe jtoifchen beit felbftftänbigen ©ewerbetreibenben
unb ben gewerbltdjeit Arbeitern ©egenftattb freier Uebereittfunft fei,
vorbefjaltlidj ber burdj 91eidjsgcfefc begrüttbeteit Sefdjränfuttgett. Oierabe
bie Scftimmungen in ben §§ 132 unb 133 müffett aber als eine folche
SefchrättFuttg aufgefajjt merben, meil bort immer nur von einer ©nt=
fdjäbiguttg bie Siebe ift. unb eine meitergrbcttbe Verfügung über Sohn*
forberungett in fonfreten Streitfällen mit bettt ©eiftc beS ©efefceS nicht
in ©inflattg gebracht merben Fa tut. Sollte matt ber Aitfidjt 3 uttcigett,
baß nach ben chnlrechtltdjen Beftimmuttgen für bie ^falj bie ©iltigFeit
ber Bebingungett beS Sehrvertrages mohl anerFannt merbett muh, fo
märe bentgegenüber barauf hinjumeifen, bah bie lattbedgefe^lic^en Bor-
fchriften über ben nothroenbigen besto. unjuläfftgen Jnljalt beS SlrBeitd«
vertraget aufgehoben unb an ihre Stelle neue burdj bie ©enterbe*
orbnuttg geregelte Borfdjriften getreten ftnb. $er §. 105 ber ©emerbc*
orbnuttg h^t ben Schalt beS Arbeitsvertrages lattbedgefe^lic^en Be*
ftimmungen exogen unb eS müffett bie ©efcfceSoorfchriften als Aus*
itahmsbeftimmungen betrachtet uttb fonadj audj ftrengc aufgelegt merben.
$te Beftimmung, monach ber gan^e ritdftättbige Öofjtt ber krattfenFaffe
verfallen foDf, ftellt ftch ittbeffen auch als eine grohe Härte bar, metttt
man beriicfftdjttgt, bah ber Lehrling naheju feine Setjrjcit vollcttbet uttb
nun feines BerbienfteS verluftig gehen foflte, ber fich aus Einhaltungen
für bie ganje 2 efjt' 3 eit sufammetifejjt.
®er BeFlagteit ftanben fonadj anbere Mittel 3 U ©ebote, um bem
Lehrling fein Unrecht jtmt Bewußtfctn 31 t bringen, fo bie ©r 3 wingutig
ber StüdFehr in bie Üehre unb bie EittFlagmtg einer Entfdjäbigutig,
von weldjett Mitteln bie Beflagte Feines 3 m* Antuenbnng Fommcn lieft-
AIS gäfligFeitStermin ber gorberung muh baS ©nbc ber Sclj^cit
— 13. April 1899 — angenommen tverben.
Mgeweinep übet (BenierbegetWjte unb j
^rbeiteuertrag. 1
Ans beit ^|feSbeti«hten bet ©etuerbegeridjte*
©ingegangen ftnb bte Jahresberichte von Bresben (fatnmt
ber 9leurebaFtion beS DrtSftatutS vom 2. 1899); ferner von
£etp 3 ig, £rier unb Bern. Jür Iefetere ©iufenbung finb mir
befonberS banFbar uttb bitten auch an biefer Stelle bie auswärtigen
©eroerbegerichie, uns burch Sttittheilung von Jahresberichten u. f. m.
in kentitniß über ihre ShätigFeit 31 t fejjen.
3Son btefen Jahresberichten befdjränFt fidh Bresben auf
ftatiftifche Zugaben, bie von uns erft verroerthet merben Föntten
mettn bte in Vorbereitung befinbliche neue StatiftiF ber ©emerbe*
geriete gur Bearbeitung gelangen mirb. Girier hebt inSbefonbere
bte 9t üblich Feit ber SlrbeitSsettel hervor unb bringt Angaben über
bie Shätigfeit beS ftäbtifdjen SlrbeitSnadimeifeS, ber ber Sluffidjt
bcs ©emerbegerichtS unterließt ift. Seipsig hebt unter Slnberem
hervor, bah von ben tm ©anaen erhobenen 3325 Magen nur
266 = 8 /2 2 % (in Bresben bei 3945 Magen 724 = 18 /30 o/ 0 ) burdb
Urthetl (Verfäumnih s , 9InerFenntnih* ober FontrabiFtorifdbes Urtfieil)
hätten erlebigt merben muffen.
So erfreulich bieS von einer Seite aus fein mag, fo oerbient
hoch auch ber StanbpunFt 23cad;tuug, unb ift in btefen Blättern
bereits mieberholt h^oorgehoben tvorben, bem Berit, too von
302 Magen 166 burd) llrtheil erlebigt mürben, mit folqenbctt
Säfeen SluSbrucf verleiht: „SDie ^Insahl ber gefäßten llrtheile hat
tnt BenchtSjahre neuerbtugS sugenotnmeu. 2)ie bereits im lebten
Jahresbericht aufgefteUte Behauptung, bah bie Parteien meiflen*
tl;eilS bett UrtheilSfpruch einer gütli^en Beilegung ber StreitigFeit
vorsiehen, beftätiat fich bemnach je länger je mehr. SDen mciften
Magern ift in Der Siegel entfd)iebett mehr um baS Briniip 3 U
thuu, als um einen mehr ober roeniger groben ©elbbetrag."
©ie Magen ber Arbeitgeber über bie angebliche VarteilichFeit
ber ©emerbegerichte griinben ftch, wenn man ihnen nadjaebt, faft
me auf falfdje Urtheüe, fonbern faft ftets auf ungern einqe*
gangene Bergleidje.
c r *Z ic *r e§ ~'H bvi Z en * mit biefen Magen fteht, geigten beutlich
folgenbe Ausführungen beS ßeipgiger Berichts:
Jn benjeittgen burdj fontrabiFtortfdjeS llrtheil erlebtgteit Sadtett,
tu betten Vlrbeiter als Mager auftraten (inSgefammt 131), ergttiqen 85
( = ?°/ 5 /°) Flagabmeifenbe Erfeitntniffe, mährettb itt beit qleidifaüs
burdj FontrabiFtorifdjeS llrtljeil entfdtiebeuen ^rogeffen, itt beiten ?lrbeit=
gebet Flagten (11), mir 1 FlagabmeifettbeS ©rFcmttuih (== 9,09 er*
mnigen ift. 3u« hiefeit ^aljleit getjt aud) für biefeö »erirfiK'jnlir mit
jDeutltdjiett Ijervor, baß ber öfter gegen bie ©emerbegeridjtc erhobene
Bormurf, fie entfdjieben metft 31 t ©unften ber Arbeiter, unbegrünbet ift.
SRan Fönnte biefe Klagen auf ihrer ©runblofigfeit beruhen
laffen, menn fie nicht bie eigentliche Urfadhe baoon mären, bah bie
©emerbegerichte aud) ba, mo fte nicht einfeitig nur aus Sozial*
bemoFrateu sufammengefeht fmb, in ihrer michtigen Aufgabe als
©tmgungSbehörbe forlmäljrenb gehemmt mürben; gur Seit ift aber
in Solge biefer Abneigung ber Arbeitgeber bei StreiFs ber gemöfjm
liehe ©ang ber — auch Bresben berichtet roieber einen berartigen
Jaß —, bah bie Arbeiter baS ©eroerbegericht aurufen, bie Arbeit*
geber bie Berljanblung ablehnen unb fomit bie f<hiebsridjteriid)e
^hötigFeit beS ©eroerbegerichtS nicht einmal beginnen Faun!
£>ervorheben moßen mir noch, ^ah bas Berner ©emerbe*
gericht feinem Bericht eine 9Feihe mistiger llrtheile beigiebt, bic
mährenb beS JaljreS erlaffen tvorben, ein Borgehen, bas vielleicht
itadjahmenSmerth ift.
llerbatib$ ^-ÄngelcgcnljcUeii.
Beitritt gmn Berbaitbe beittfcher ©elverbegertchte.
©emerbegericht Solingen Ijat bnreh ^ufdtrtft vom
Beitritt 311 m Berbattb beutfdjer ©emerbegerichte erFIärt.
^aS königliche
30. 9Äai feilten
SBodjettfdjrift „Soziale ^ra£tS, ©entralblatt für Sojiatyolttif"*
(Herausgeber: Dr. ©. §rancfe, Berlin; Berlag von ®uncfer &
Humblot, Seip 3 ig. 3 u begießen burch färnrntlidie Voftanftalten
unb Buthhattblungen gutn greife von 2 </f(, 50 Vf. für baS Biertel*
fahr eitifchliehlich ber SJlonatSbeilage „®aS ©emerbegericht".)
Jnijalt von 9lr. 40: S)ie gefehliche Regelung ber ArbeitS*
verhältniffe ber ketlner unb keütterinnen. Bon Dr. Arthur
©oljen, Biündjctt. I.; ^)er Ausftanb ber Maurer vor bem ©e*
merbegericht als ©inigungSamt. Born Jabrifaitt D. Seigert,
Berlin. — i)as MoalitionSredjt ber iiieberlättbifdjen Arbeiter. Bon
Dr. v>. vatt Jaiitett, Auifierbatn; Seljrtraft unb So^ialrefornt;
©itte ©efaljr für bie ÄoiiFurrensfä'higFeit nuferer Jitbuftrie auf beut
SeltmarFt; ier Ceftcrreidjifdje HanbelSutinifter über bie Heim*
arbeit; ^aS neue Bliiiifterium unb bie SogialpoIitiF in JranFreich:
©ie Julaffung ber Jrauen gur 9iedjtSaiuvaltfdjaft itt SranFrcidj;
llrtljeil eines ruffifchen Sabrifanten über ben adjtitiiitbigen ArbeitS*
tag. — keine grauen als ©emeinbemaifetträtlje in breiigen; i
©IcFtr^itätStverfe in mittleren unb fleinercn Stabten TeiitfdjlanbS; |
®tabtif(fjeä ^tjgientfdjeä Suftitut für Serlin; ©täbtif^e @diuläntc
inSdjöncberg; 9feue SubmiffionSorbmmg in fDfann^cim;
Doer^auS gegen roriblidje ©eineinberöt^e in ©nglanb; kommunale
piagrcgeln gegen Subcifulofc in 4l?and)efter; St[|er 0 penfionen für
bte ©cmanbearbeiter in $ariä. — Äinberarbeit in Conbon »on
©rneft SfoeS, ßonbon. — 35er »Ung ber Stnpetenfabrifanten; 2)er
»erbattb beutfdjer Sd)uf)- unb @djäftefrt 6 rifanten; ©in 3 ?crbanb
ber füSroeitbeiitirfjcn 'Iliöbcifobrifanteii; ®er herein beutfdjer 2 ßerN
jcugtnafdjinenfabrifen. — fflergarbeiter = Unrtifjen im fRufineoier
3 um griebensfdjluffe im berliner Saugeroerbe; ®er 32. ^rnbe^
Union« SVongrefe: 3ur Sergarbeilerberoegung in granh-eidb —
® 03 talpolttif auf See; Sorfdjriften über bie Arbeitszeit in ©etreibc
ntufjicn; Söic Öabrifinfpeftoriunen in 'Beimar; $olueioerorbnunn
für Unterelfafj über SäcCcrcien; Hrbeiterfdjiig in ber enqlifdien
^unbtjolgfabnfation. — ©inljcitlidjc Drganifation ber brei Arbeiter.
oerfidjerungSjroetge; SerufSgenoffenfc^aftStag in tonftanj; ®ie Kraqc
ber «Üereoeriidjcrung in Cefterreidj. — Önfjateaiigabe bc«
„Weroerbegendjtö" Sir. 10.
„®aS ©eroerbegericht" erfdjeint am erften ©onnerftage ieben aiionatS im SUiinbeftunitanae bon Vt Öoaen »um «wH,» nnn l au — "
nehmen ffimmtltche glojtQnftaüen (Boftacitunggnummer 2877) unb Buchhanblungen an; ein birefter Beäug bon bre Berta^buchhanbfungaffet nidjfftitt U " Öen
«erlag von ®un«fer a ^umblot, fieipjig. - «ebrueft bei 3ultu« 6üteiifeib in »crltn W.
IV. Saugung.
©erlitt unb ^rattffurt a. 9W., ben 3. Auguft 1899.
üßmtttiter 11.
Jlas ©flDfrbfjcridii.
Zntttfydlungen bes Detrbanbes beutfcfyer (ßewerbegericbte.
©erantwortlicb für bic Sftebaftion: ber ©efdjjäftöfütyrer beS ©erbanbeS, ©tabtratb Dr. Jlefdj, ffranFfurt &• 2W-
frf4eUl ra nfm |»imn|li| ft*« JRmiU. _ |i|rli4 1 V«rt-
——— - v»»
©erlaß üon ©undet & Jpumblot, fidpjig. ßoftenfreie ©eilage jur „Sozialen $rajiS*.
Sn&alt
Eingriffe gegen eine geplante
Äompetenjetmeitetung bet
©en>erbegett<$te.125
abfinberung beS öenietbege*
ri(bt8gefe^e«.127
ferfaflfcng unb gerfafyrru... 129
2Ba^lbete(|ttgung arbeitSlofer
Arbeitet unb allein arbeiten«
ber Unternehmer.
ft 129
3ft ein 9)tilcf>futf<bet .fcanbluitgSgebtlfe
ober ©etoerbegebilfe? (©emerbegcritbt
^eibelberg unb iüanbßeridjt SDtann«
heim.)
Jft ber 3 u f c ^ nc *^ cr ©driebS beamtet?
©erbrennen bon ©djntttmuftern
Sadjbefcbäbigung? (©ewerbegericht
unb fianbgericht Stettin.)
Aufrechnung oon grorberungen auf
ben ^ohn. (©emerbegericht Sternen.)
3ft baS ©emerbegericht jur ©nt*
fchdbung in ber Sach* eines ©lauter»
polietS gegen dnen ein $anbelS*
gefchÄft ©etreibenben (gemerblicher
Unternehmer, © auuntemehmer,
©runbftüdSfpetulant)}U)tAnbig? (@e*
merbegericht Hamburg.)
Arbeiter im Sinne beS §. 2 beS ©e*
fefceS übet bie ©emerbegetichte.
(©emerbegericht Karlsruhe.)
f ... 136
©ingegangene Jahresberichte.
friefknften.136
#errn A. 91., ©emerbegericht Hamburg.
— £ettn £). St., £alberftabt.
JnhaltSangabe ber «Sozialen ©ra£iS M .
Abbrucf fümmtlicher Artifel tft Bettungen unb Beitföriften geftattet, jeboch nur mit
notier Quellenangabe.
Angriffe gegen eine gepinnte Äompetenj-
erneiternng ber (betnerbegeridjte.
£aS ©orgehen beS berliner ©ewerbegericf)ts (be^ro. ber Söei*
fitjeroereine ober einiger ©eifiber beS berliner ©emerbegericbtS)
bezüglich beS Entwurfs beS ©efepeS jum ©<bub ber Arbeite*
mittigen, ift in ber SageSpreffe oielfad) 3 um ©egenftanb oon An«
griffen gegen bie ©emerbegeriebte als folc^e oermerthet worben.
Heber bie 3TF)atfac^c felbft finb bie ©emerbegeriebte aus ber ,,©o«
Stalen $rajis" unterrichtet. &eren ©eurtheiluug anlangenb, fo
bürfte ber ©orfipenbe beS ©erliner ©cmerbegerichtS, £err
oon Scbnlj, {ebenfalls barin burcbauS im ©echt fein, bah etwas
llngefeblicheS in bem Antrag beS ©erliner ©emerbegericfjtS nidbt
gefunbett werben fann.
2 öir glauben, ber ©orfibenbe märe nicht einmal berechtigt ge«
raefen, bem Eintrag auf Einreichung einer Petition wegen Ab«
lebnung beS Entwurfs entgegensutreten, ba biefer Eintrag, infofern
bureb oen Entwurf baS gelammte ©erbältnih gwifeben Arbeitern
unb Arbeitgebern betroffen wirb, 3WcifelloS „gewerbliche fragen"
betrifft, welche „bie ber Oericf)tSbarfeit beS ©emerbegertcbtS
©erlin unterftebenoen ^Betriebe" berühren. (§. 70 ©emerbegerichts«
gefeb-)*)
2Bir oermögen aber im ©egenfab ju fterrn oon ©cfjufy nicht
31 t erfeben, inwiefern bie ©ßittbeilung eines Antrags in bieDeffent«
liebfeit — natürlich abgefebett oon ^erfonenfragen u. f. w. — etwa
llnjuläffigeg barfteflen fönnte; unb wir glauben, bah es gefährlich
war, bie ©löglicbfcit eines bementfprechenben gefefclicben ©erbotS
überhaupt attsuregen. $>aS ©ebiirfnih beS ©teinunaSauStaufcheS
muh gerabe unter ben ©emerbegerichten fogar itodj lebhafter oor«
hanben fein alä unter anberen ©ebörben unb öffentlichen $or«
porationen (^anbelsfammern u. bergl.).
: > Xer Entwurf berührt l'ogar, eben weil ©erlitt bie größte Jtt=
buftrieftabt Xeittidtlaiibw ift, ba^ ©crliner Glctoerbcgericbt in gatts be=
fonberem unb heroorragenbem ©rabe.
^Der ©erbanb, bei beffen ©rünbung ^Berlin allerbingS nicht
betbeiligt war unb oon bem es fi^b Iciber oor Sturgem au^ nicht
recht erfichtlichen ©lotioen loö gefagt but, legt {ebenfalls auf bie
ttRittbeilung ber oon ben ©emerbegeriebten geftettten Anträge fogar
größtes ©ewicht (§. 2 feiner ©afcungen), unb e 8 b^t bisher wie«
manb baran gebacht, bie$ als un^uläfftg 311 beseidfjnen.
AnbererfeitS wäre eS natürlich gan 3 falfd^, bie Angriffe auf
bie ©emerbegeriebte im Allgemeinen nunmehr mit bem unfereS Er«
achtens gefejjlich burcbauS 3 iiläffigen SSorgeben beS berliner ©e«
werbegerichtS bestiglich jener ©efehoorlage in 3uf<nmnenbang 3 U
bringen. C^iefe Angriffe würben oon ber ©eite, welche fogar bie
formale ©leichberechtigung ber Arbeiter unb ber Arbeitgeber als
Senachtbciligung ber Öefcteren betrachtet, ftbon lange erhoben, ehe
bas berliner ©emerbegericht feine ©timnte gegen einen ©efejj«
entwurf erhoben b^tte, beffen Schult cS Sebermann erfichtlich
machte, bafe jene formale ©leichberechtigung jebenfallS oor bem
©traf gef eh eine einfeitige unb beSbalb oerwerfliche Senach«
tbeiligung ber Arbeiter bebeutet. 2Sir bitten faft itt jeber
Kummer biefer SBlätter folche Angriffe 3 urücfgewiefen unb aus ben
QabreSberichten ber ©emerbegeriebte felbft bargetban, bafj auch bie
Arbeitgeber bie ©orsüge ber ©emerbegeriebte mehr unb mehr an«
erfennen. $>ie beiben neueften uns 3 ugegangeneit ©eriebte oon
flauen unb Äöln fprechen fi<h bicn’iher fel)r ausführlich aus; es
muh ^ biefem 3 nf a mmenbang auch ber Klagen gebaut werben,
weldje ber neuerbingS erfcfjicnene ©ericht ber ©ewerbeauffuhts«
beamten im Elfaft über baS faft gütliche Sohlen ber ©ewerbe«
geriebte bort erbebt, ©iel fchlimnter als jene 3«tungSangriffe ift
jebenfattS bie tbatfächlidbe ©chäbigung, welche bie Snftitution ber
©emerbegeriebte in ber neueften SRooette 3 ur ©ewerbeorbnung burch
bie 3 ula|fung unb ©tärfung ber juriftif^ unb fo 3 ialpolitifcb riitf«
ftanbigen SnnungSfchiebSgerichte erfahren bat.
Ünt fo erfreulicher ift, bah nunmehr bem ©eichstag auch ein
©efehentmurf xugegangen ift, welcher anfdjeinenb wenigfteitS eine
wichtige Aus Dehnung ber gemerbegericbtlicbeu ilompetens be«
beutet.
ES ift bieS bie ©orlage wegen Abänberung ber ©ewerbe«
orbnung (©r. 165 ber irutffachen), über bie feitenS ber
XVI. ©eichstagsfommiffion nunmehr ein ausführlicher ©ericht er«
ftattet ift (©r. 313 ber $>rutffatben beS ©eicbStageS). ©ach biefem
Entwurf, über beffen Snbalt im Ltebrigen an anberer ©teile
referirt werben fott, foß in ben £itel 7 ber ©ewerbeorbnung in
Abfcbnitt VI über bie ArbeitSbebingungen ber in offenen ©erfaufs«
ftellen tbätigen ©ebiilfen, Öebrlinge unb Arbeiter eingefchoben
werben. SBurben biefe ©eftimmungen, welche bie ^ommiffion
aujjer auf bie ©erfaufsftetten auch auf bie 3 ugebörigen ©chreib«
ftuben (^omptoire) unb ßagerräume aitSsubebnen oorfchlägt, ©efefc,
fo würbe — nach §. 2 beS ©ewerbegerichtsgefeheS — alle biefe
Sßerfonen auch ben ©emerbegprichten unterworfen fein, unb es
wäre bamit wenigftenS tbeilweife bie AuSbebnung ber ©ewerbe«
geriete aufs faufmäitnifthe §ülfSperfonaI, bie oon faft aßen ©e«
werbegericblen angeftrebt wirb, erreicht.
S)ie ©eratbung biefeS Entwurfs wirb hernach ©elegenbeit
geben, auch bie Stimmung ber ©arteien nnb ber ©egierung be«
3 Üglich ber ©emerbegeriebte aufs ©efte pin AnSbrnrF 31 t bringen.
3)ie SDurchfübrutig biefer $ompeteu 3 crweiterung wäre wichtiger als
alle bie 3 um Xtyil febr zweifelhaften ©erbefferungen, welche ber
Snitiatioantrag beS ©eichStagS an bem ©ewerbegeriebtsgefep oor«
nehmen will: ©ie wäre bie beftc Antwort auf alle unberechtigten
Anfeinbungen ber ©emerbegeriebte.
127
®ttS ©eroerbegericbt. SRittbeilungen beß »erbcmbe« beutf<ber ©eroerbegericbte. 9tr. 11.
12«
Abänderung öejs ®em*rbegerld)tegc|e|es5.
©cm SReidjßtag tft hierüber ein äußerlicher Script ($r. 286
ber ©rudffadben) 3 ugegangen, ber oon ber VII. ftomtniffion jur
Borberatbuttg beß ihr überroiefenen Antragß ber Abgeorbneten
©ritnborn, Dr. $ifee — 9£r. 85 3'ffer 2 ber ©rudffadben — be*
treffenb Abänberung beß ©efefceß oom 29. Quli 1890 über bie
©eroerbegericbte — außgearbeitet ift. Sir geben ben Antrag
fammt ben $ommiffionßbef<blüffen roieber:
««trag. ®ef«|(öffe.
Artüel I. Artüel I.
$>em §. 1 beß ©efefceß oom $em §. 1 beß ©efefceß uont
29. 3uli 1890 rotrb alß Icfcter 29. 3nli 1890 rotrb alß lefcier
Abfa£ bte folgenbc Borfcbrift bin* Abfafc bie folgenbc Borjdjrift bin*
jugefugt: jugefügt:
„ 3 n ©tabtgemeinben mit mehr „ 3 n ©emeinben mit mehr ctlß
als jroanjigtaufenb ©imoobnern swnnjigtaufenb ©inwobnern
mu& bie ©rridjtung eineg ©e* mufj bie ©rridjtung cineß ©e*
merbegeriebtg non ber ganbeß* roerbegeriebtß non ber ganbeß*
©entralbebörbe auf Antrag be* ©entralbebörbc auf Antrag bc*
tbeüigter Arbeitgeber ober tbeiligter Arbeitgeber ober Ar-
Arbeiter angeorbnet roerben." beiter angeorbnet roerben."
Artüel II. (9?eu).
$5em §. 3 folgenbe neue 93c*
ftimmung binsnjufügen:
„Iteuer ©ntfdjäbigungßan*
fpriitbe auß gefebrotbrigeit ©in*
tragungen in Arbeitßbücber,
3 eugni|fe, $ranfenfaffcnbüd)er
unb Gutttnngßfarten ber 3 n*
oalibitätß* unb Alterßoerftcbe*
rungß*Anftalten, forote wegen
ttnberredjtlidjer Borentbaltung
biefer Rapiere."
Artüel II. Artüel III.
3n §. 13 beß ©efefccß inirb alß $n §. 13 beß ©efe^eß wirb alß
Abfafe 5 bie folgenbe 93eftimmung Abfafc 6 bie folgenbe Befthnmung
^injugefügt: binjugefügt:
„Xie ©emeinbebebörbe bat „$ie ©emeinbebebörbe bat
auf Antrag beß ©eroerbegeridjtß eine lüfte ber SBab[berechtigten
eine gifte ber Sablbcredjtigten aufjuftenen. Poli 3 eibet)örben,
aufjuftetfen. ®ie im ©ejirte Stranfcnf affen, welche im 33 ejir!
beß ©cwerbegeridbtß beftebcuben beß ©ewcrbegcridj'tß befteben,
Äranfenfaffen ftnb oerpflicbtet, finb ncrpfUdjtet, ber ©emeinbe*
ber ©emeinbebebörbe jum gwecte bebörbe auf Verlangen bie für
ber Anfertigung ber Säblerlifte bie gertigung ber Säblerlifte
eine Abfdjrift ihrer SKitglieber* für Arbeitgeber unb Arbeit*
Serjeicbniffe einaureidjen unb nebmer erforberlicben Anßfmiftc
bte erforberlicben Außfünfte 311 ju geben, inßbefouberc ©utficbt
geben, $ie gifte ift fpäteftenß ber SKitgliebcr * Beqcidjniffe
nier Soeben nor bem jur Saht b^w. ber ©ewerbea^eigeu 51 t
beftimmten Sage ju Sebermannß gewähren. $ie gifte ift mäbrenb
©inftebt außaulegen, unb ift bieß nier Soeben nor bem 3 ur Saj)f
junor öffentlid) befannt 3 U beftimmten Sage 311 Sebcrmannß
machen. Ser biß 3 ur Sabl ©inftebt auß 3 ulegen, unb ift bieß
feine Sablberecbtigung naebweift, 3 uoor öffentlich befannt 3 U
ift nachträglich in bie Säbler* machen,
lifte ein 3 utragen." Ser biß 3 um Sa ge nor ber
Sabl feine Sablberecbtigung
naebweift, ift in bie Säblerlifte
cinjit tragen."
Artüel III. Artifel IV.
9?acb §. 62 beß ©cfefccg wirb Unneränbert wie Artifel III.
bie folgenbe neue Befiimrnung
eingefeboben:
§. 62 a.
©rfolgt bie Anrufung nur non
Seiten einer Partei, fo bat ber
Borfibenbe biernon einer ober
mehreren ber ihm alßHcrtrnucnß»
mätincr ber anberen Partei be=
fannten $erfon Äenntnifj 311
geben unb zugleich nach 5b?ög=
üebfeit baljin 311 wirfen, bafj
auch bie anbere Spartet ficb gur
Anrufung beß ©tnigungßautteß
bereit finbet.
Aitcfj itt anberen fällen fofl
ber 2?orfit>eubc bei Streitig feiten
ber in 61 be^ctibneten 21 rt
auf bie Anrufung beß ©inigungß*
Antrag. SBefcbliiffe.
antteß btttjittnirfcn fudbett ttttb
biefelbe ben Parteien bei ge=
geeigneter 9?eranlaffitng nabe
legen.
®er Ißorftbettbe ift befugt, an
ben ©treitigfeiten beteiligte
^erfonen nor 3 uIaben unb 311
nernebmen. @r fatin hierbei
für ben gall beß SRicbterfrf)einenß
eine ©elbftrafe biß 31 t einbunbert
2 ftarf anbroben. ©egen bie
geftfefcung ber ©träfe finbet
58efdf>merbe naäj ben Scftim*
mungen ber ©ioilproseborbnuttg
ftatt.
©er febr augfübrlidje ÄommtffionßBencbt ift für bie Sföitgüeber
beß Serbanbß nielleicbt [cbon beßbalb intereffant, roeil er ein
fdblagettber S3cweiß für bte 9 ^iiplid)feit unferer Bereinigung unb
für bie SRotbmenöigfeit eineß ©atntnelpunfteß barftettt, an beut
ficb ade ©emerbegeriebte betbeiligen fönnen, unb an bem mit*
3 uwirfen fid) fein ©ewerbegeridjt wegen ber ©röfec ber 0 tabt ober
auß fonftigen aufeer-faeblicben ©riinben weigern fann, ohne bie,
ben ftäbtifeben Berroaltungen burd) lleberlaffung ber ©eroerbegeriebte
übertragene SDMtroirfung an ber juriftifeben unb fo 3 ial*
politifc^en Außgeftaltung beß Arbeitßrecbteß 3 U fdjäbigen.
0o 3 iemlicb außnabmßloß alle Angaben, bie in bem Söeridjt über bie
St^ätigfeit oon ©ewerbegeridjteit, über 0 treitfragen auß bem @e*
werbegericbtßgefejj, über ©rfabruttgen Don©eroerbegerid)tß»orftfeenben
gemacht finb, finb uttfereit Btittbeilungen entnommen, ©ie
ftatiftifdbe 3 u f a mmenftetlung auß unferer ^eitfebrift uom 2 . April
1896 ift bem ga^en Umfang nach (alß Anlage 2 beß Bericbtß)
wiebergegeben unb b<U & e n Beratbungen über beit Artifel I beß
©efe^eß alß ©runblage gebient.
Allerbingß enthält ber ©ntwurf auch jefjt nicht AHeß, waß 311
roünfcben ift itnb in ber Sfommiffion gur Sprache fam.
Snßbefonbere bat bte Außbebnung ber 3afiänbigfeit ber ©e*
werbegeriebte auf anbere Berufe (fianbroirtbfebaft, §anbelßgewerbc,
©ienftboten) nid)t ftattgefunben, wobei wohl bie wenig erfreuliche
©batfadje inß ©ewid)t fiel, ba| ein Bertreter ber oerbünbeten .Ac*
gierutigcn biefeit Anträgen in allen ©b e ü cn wiberfpracb. Audj
eine 0 teHuncjnabnte 311 ber Srage, ob bureb Bereinbarung ber
Sßartei (0cbtebßuertrag) ober bureb Beftimmung ber Arbeit
orbnung bie 3 u fiänbigfeit beß ©eroerbegeriebtß außgejd)loi\eti
roerben fann, lehnte bie ilommiffion ab, ebettfo roarb ber Antrag,
ben Arbeiterinnen baß 2öablre<bt 3 U oerletben, gegen 4 Stimmen
abgelebut. Bei ber Beratbung über bie obligatorische ©inriebtung
oon SSablliften berührt febr fonberbar baß für bie (Einführung
ber Sablliftcn aeltenb gemad)te Argument, bafe cß in ben Greifen
ber Arbeiter alß 3 ur ncffebung empfunbett roerbe, bafe für bic
©croerbegeridjtßroablen nid)t bie gleichen Borarbeiten geleiftet roürbcn,
roie bei ben fonftigen Sablen, bei roeldjen bic Bebörbcn oon
©efebeßroegen oerpflicbtet feien, bte Sahlberecbtigtcu 3 n ermitteln.
Unß roar bißber oon einer berartigen ©iferfudjt nid)tß, rool)t aber
ooit einer oielfadj jum Außbrucf gefonttneneu Abneigung ber
Arbeiter gegen Schiliften befannt. ©ie Si'age beß proportional*
Sabloerfabrenß, bie in unferett „Sittbeilungen" roicberholt alß
befottberß rostig beroorgeboben toarb, ift in ber fiommiffion nur
int Allgemeinen geftreift toorben. Sir bebauertx bieß; benn gerabe
bie 9teubßtagß=5lommiffion roäre bie berufene 0teHe geroefett, um
ficb mit ber roi<biigeti Srage ber SJHnoritätenoertretung 3 U befaffen.
Biinbcftenß hätte cß ficb tuobl empfohlen, ben §. 12 , roclcber
unmittelbare unb geheime Sat;l oorfdjreibt, in einem 0 init 311
änberit, roeldjer bie nad) unferem ©rad)ten aderbingß unrichtige
Briöbeutung außfdjlieht, alß ob baß ©efefc bie Proportionalroaljl
oerbiete, ©er Prooinsialrath in Staffel bat bieß befanntlicb auß
ber Borfcbrift, bafe bie Sahi „unmittelbar" fein müffe, gefolgert,
unb cß hätte fid) oielleicht ber 3 meifel bureb eine außbriicflidie
Monftatirung in ben Bfotiocn, ober — beffer — bureb bk ©rfcpuug
beß buttfcltt Begriffß ber „unmittelbaren" Sahl bureb ben ber
„gleidjen" Sapl bcfeitigcit laffett.
©ß roäre auf biefe Art roenigftcnß freie Bahn für bie ©nl*
fdjeibung berjenigen ©emeinben getroffen roorben, roelcbe ben fo
roid)tigett Berfu^ machen roollen, bureb ©ittfübrung ber pro*
portionalroahl and) ben Biinoritäten 3 U einer Bertretung im ©e*
roerbegcrid)te 31 t Reifen.
Senn ber Antrag ber Äommtffton I;icrnarf) auch roeitauß iticfir
allen laut geioorbencn Siiitfd)en 9tcd}iumg trägt, fo ift er hoch
nametttlid) bcßhalb 31 t begrüben, roeil er bie ‘^hätigfeit ber
129
StaS ©erocrbegericht. SRittheiiungeu be« »erbanbe« beutf^er ©eroerbegerichtc. Ar. 11.
130
©eroerbegeri<hte als ©imgungSamt gu ftärfen berufen ift. Wirb
roenigftenS ber hierauf begüglidje §. 62 a angenommen, fo fann bie
SRücfroirfung auf bie gange Stellung ber ©eroerbegeridjte nic^t aus*
bleiben.
Wir erfudjen bie Witglieber bes VerbanbeS unb ber
©eroerbegerichte um recht jaf)lreidje Aeufcerungen gu bem
©ntrourf.
BerfaflTntig nnb B erfahren.
SBa^bere^tigung arbeitslofer Arbeiter unb allein arbetteuber
Unternehmer.
3u köln mar feitenS be$ königlichen ©eroerbegerichtS (AuSf<hu&
für geroerbliche ©utadjten) eine gfaterpretation be$ §. 10 be$ Sfteaula*
tioS (bei ben königlichen ©eroerbegeridjten, auf ©runb bes ©efe^eS
oom 11. Quli 1891 tritt nach §• 13 baS oom SRinifter für £anbel
unb ©eroerbe im ©inoernehmeit mit bem Suftüminifter eriaffene
SRegulatio an Stelle bes für bie rein reidiSgefefclichen ©eroerbe*
gerichte [§. 1 ©eroerbegeridjt8*©efeb] erforberten DrtSftatutS) bahin
angeregt roorben, bah roahlberechtigt feien:
a) auch biejenigen Arbeitgeber, roeldje gur 3*ü ber 2Bahl
oorübergehenb feine geroerblichen Arbeiter befchäftigen;
b) auch biejenigen Arbeiter, roeldje gur 3eit ber Wagl tror*
übergehenb arbeitslos fiitb.
^er barauf feitenS be$ #errn fianbelSminifterS ergangene
Söefcheib — b. b. 21. Auguft 1897 — lautet:
dagegen mu& ich eS ablehnen, eine Aenbemng biefeS 9te»
gulaitoS im Sinne ber bortigen Anträge h c ^ c i 4 u fbhren. $aS
©efefc oom 29. guli 1890 fann nur bahin oerftanben roerben,
bah bie einzelne ^erfon oon ber Crganifation eines ©eioerbe-
geridjts auSjdjltcfelidj bann unb nur für fo lauge erfaßt roirb,
als fie tbatfädjlidj entroeber getoerblidje Arbeiter befchäftigt ober
als Arbeiter in einem ©eroerbebetriebe befchäftigt roirb.
geh oerfenne nicht, ba& biefe Vedjtslage im einseinen gaHe gu
unerroüitfchten Schroierigfeiten, roie fie in bem bortfeitigen Berichte
bes Näheren bargelegt finb, führen fann, glaube aber, bah f ie
auf ein SWinbeftmaft hc^bjuminbem finb, roeuu, ums ich für
unbebeuflich erachte, bie ^ülijeibehörbe bei ©rtheilung ber in
§. 13 beS ÄeguIatioS oorgefehenen Vereinigungen in richtiger
Wiirbigung ber Sachlage beS ©tngelfalleS nicht allgii citgbergig
oerfährt.
$cr Sffinifter für §anbel unb ©eroerbe.
gm Aufträge
geg. Wenbt.
£ie ©ntfchlichung gibt inSbefonbere bezüglich berjenigen
Arbeitgeber unb Arbeiter su Vebenfett Aniah, bie ein fogenannteS
Saifongefchäft betreiben ober in einem folgen thätig fmb. &er
Inhaber eines konfeftionSgefchäftS feiert nothgebrungen im
Sommer; ber SRaurer roährenb grofigeiten.
SRuht ihre Wahlberechtigung roährenb biefer 3 e ü ber „tljaU
fächlichen" Aidjt*Arbett?
Unb roie fall ba, roo Wählerliften beftehen, — in köln h a *
man bie Wählerliften, u. ©. mit 9led)t, bei ber lebten Statuten*
Aenberung abgefchafft — oerfafjren roerben? Wie fott fid) bie
mit Aufteilung ber Wahlliften betraute Stelle bei ber Prüfung
ber gfrage ber „thatfädjlid)en Aichtbefchäftigung" oerhalten?
Ile d)lfj>ted) trug.
3ft ein SJHIchfutfcher .franblungsgehülfc ober ©eroerbe*
gehülfe? (llrtheil beS ©eroerbegeridjts §etbclberg unb beS 2aub*
gcridjts 27?annheim.)
g. roar bei bem SRildjhäitbler k. $. in £>eibel6erg feit 12. Vtärg
1896 laut Vertrag oom gleichen 2age bei oierroödjetitIid)cr künbigung
gegen einen monatlichen £ofjn oon 70 jl als SRildjfutfdjer in Stellung
unb rourbe am 1. Februar l. gS. — angeblich ohne gcfefelichen ©runb —
entlaffcu. g. $. flagte hi ffrau f beim ©eiocrbegeridjt ^eibelbcrg auf
AuSgafjlung einer <5ntfd)äbigung in .$öfje oon 70 JC.
$ad ©croerbegeridjt erflärte fiel) ieboef) für fachlich unsuftänbig unb
mies bnher bie klage mit llrtheil oom ftl.SRnrg I. gS. unter Vcrfäölmg
bes Klägers in bie koffen bes Verfahrens ab. Auf ©runb ber miinb*
lidjett Verhanblung h fl t baS ©eroerbegerirfjt in thatfächlicher §inficht
feftgefteüt:
a) baft bie Aufgabe beS klägers nach bem oben ermähnten fdjrift*
liehen Vertrag barin beftanben fjnbc, nicht nur ben kunben bes Ve*
flagteu täglich bie bcftellte Vtilch mittels beS bem Veflagten gehörigen
unb bem kläger ju biefem 3«)^ 5 ur Verfügung geftellteu ^uhrroerfeS
jusuführen, foroeit erforberlich, jusumeffeu unb baS ©clb für bie ge*
lieferte SKilch einjufaffiren, fonbern auch unbeftellte VUlchoorräthe, roeldjc
ber kläger geroöhniieh mit fidh führte, an irgenb roeldje Liebhaber,
je nach Umftänben, gu einem greife oon 16 ober 18 &f. pro Sitcr gu
oerfaufen;
b) bah ber kläger beoollmädjtigt geroefen fei, neue Vefteüungen
entgegengunehmen unb ihm für jeben neu gewonnenen kunben eine
Vrooifion oon 10 9f. oom Veflagten gugefagt geroefen fei;
c) bah ber kläger ermächtigt geroefen fei, mit ben neu gewonnenen
kunben ben $reiS für bie gu begiefjenbe Vlild) — 16 ober 18 3f. pro
Siter — gu oereinbaren;
d) bah kläger mit ber Veforgung beS guhrroerfeS be§ Vc=
flagten nichts gu thun gehabt h«be, für bie Wartung ber $ferbe unb
bie guftanbhaltung beS Wagens oielmehr ein befonberer knecht oom
Veflagten gebttngen geroefen fei;
e) bah ber kläger nur etroa l l ,'a Stunben täglich in ber Wohnung
beS Veflagten gearbeitet habe, roährenb ber übrigen $agc$geit bagegeu
mit bem SRilchtranSport begro. Verlauf befchäftigt geroefen fei.
Auf biefe ^eftftellungen ftiijjte baS ©erocrbegericht bie feinem Urtheilc
gu ©runbe liegenbe Annahme, bah bie ^hätigfeü beS klägerS im Ve*
triebe beS SRildjhänblerS $?. eine rechtSgefchäftliche, b. h- biejenige einer
$erfon geroefen fei, roeldje bem Vtild)häubler beim Vetriebe feines
^aubelSgeroerbeS — unb als foldjes fei bie SJttldjhanblung bes
groeifelloS gu betrachten — faufmännifche ^iilfsbienfte geleiftet habe,
alfo bie Shätigfeit eines .&anblungsgcf)ülfen im Sinne bes
ArtifelS 57 beS §anbelSgefehbucheS. ^ic Stellung beS klägerS im ©c*
fdjäfte beS Veflagten fei fogar infofern eine beoorgugte geroefen, als er
ermächtigt geroefen fei, im tarnen unb für bie Rechnung bes Veflagten
AechtSgefdjäfte oorgunehmen (Art. 58 ,$.©.V.).
Auf bie Verufung bes klägerS hob bie (Sioilfatnmer I bes ©roh 3
herzoglichen Saubgerichts Vfaunheim mit Urtheil oom 1. Dftober 1898
baS geroerbegerichtlidic Urtheil oom 31. Vfärg auf unb oerroieS ben
AechtSftreit gur roeiteren Verhanblung unb ©ntfeheibung au bas ©c*
roerbegeridjt §eibelberg gurücf.
tiefes Urtheil ging im ©egenfafc gum ©rfenntnih beS ©eroerbe*
gerichts oon ber Anfdjauung aus, bah ber kläger gern erblicher Ar*
beiter, nicht £>anblungsgebülfe, beim Veflagten geroefen, für bie ©nt=
fchäbiguugSflage bas ©croerbegerid)t fomit fachlich guftänbig fei.
3ur näheren Vegrünbung biefer Anfchauung nimmt bas lanb*
gerichtliche Verufungsurtheil auf bie ©ntfdjeibungsgrünbe eines am
21. STOai I. gS. oon bemfelben ©eridjt — ©ioilfammer I — in bem
Aedjtsftrcite ber gleichen Parteien roegen Aiicferftattuug einer oom kläger
f. 3t- geftellten kaution auf Verufung bes klägerS gegen bas ab*
roeifenbe Urtheil bcS ©rohbprgoglicben Amtsgerichts .^eibelberg oom
11. V?ärg I. gS. erlaffcnen ©rfenntniffes Vegug. ®ic ©utfeheibungsgrünbe
biefeS UrtheilS führen begiiglich ber ftreitigen 3 u ftänbigfcitSfrage ^ol*
genbes aus:
. . . Auch in fubjeftioer Vegtehung unterftehen bie Parteien als
Arbeiter begro. ©ehülfe unb Arbeitgeber im Sinne ber §§. 1 unb 2 bes
©cioerbegericbtSgefefceS uitb bes fiebenten JitelS ber ©eroerbeorbitung
bem ©eroerbegericht, fofem nicht bie im §. 76 bes ©eroerbegeriditsgefehes
oon beffeit 3ufiänbigfeit für „©chiilfen in $anbelSgefchäften" gemachte
Ausnahme oorliegt. Von biefer le^tcren gragc ausfdjliehlid) hängt fo*
nach bie ©ntfdjeibung beS 3wftänbigfeitsftreiteS ab. Unter „©eljülfeu
in ^anbelSgefd^äfteu" oerfteljt bas ©efeh/ roie fein ©runb unb 3^ crf
ergiebt, „.^aublungsgehülfen" im Sinne bes <£mnbelSgefefcbuchS 57 ff.;
ocrgl. Wühelmi u. ^iirft Anm. 2 gu §.76 bes ©eroerbegerichtsgefeheS.
^anblungogehülfeit fmb nun aber feinesroegs afle in einem .panbels*
betriebe auf ©runb eines $>ienftoertrageS bcfchäftigten ^erfonen. Xao
.t>anbelSgefehbuch felbft ermähnt neben ihnen in Art. 65 biejenigen,
roeldje bei bem Vetriebe bes §anbclSgeroerbeS ©efinbebienfte oei*
richten; für fte foH es bei ben für bas ©efiubebienftoerhältnih geltenbeu
Veftimmungen fein Verocnben hoben, ©s roirb aber in ber i)tcdit=
fprechuitg auerfauut, bah bieS nur eilt Vcifpiel ift unb bah nud) rein
geroerblidje Arbeiter, auf roeldjc baS ^anbclsgefehbudj feine Aurocubuug
erleibeti fann, in £>anbelsgcroerben fidj befchäftigt finbeu. ^iir bie
grage, ob bies im eingelueu gallc gutrifft, fomint cs auf beit Umfang
beS betreffeuben $attbelSbctriebeS gar nidjt an, fa es roerben gcrabe in
groben .^aubelsbetriebeu häufiger als in flcitten audj ©etoerbegehülfen,
g. 93. guhrleute, HJiagaginarbciter, befdjäftigt fein, ©ntfeheibeub ift oiel*
mehr bie Art ber bem ©ef)ülfcn gugetoiefeneit I'iettffe. gür beit ,J>anb=
lungsgeljülfen tuüffeii bies, minbeftens überioiegenb, faufmänuifdjc
181
tai ®eiüet6*$ertd&!. Sfeitthetluttgen be$ »erbcmbeS beutfdfjer ©eroerbegertdfjte. 9fr. 11.
132
dienfte fein (»crgl. Ijtcrgu ittib jum golgenben ©taub §§. 1 mtb 2 gu
Art. 57 £.©.V.). Solche faufmännifche dienfte erblicft nun baS ©e*
merbegeridjt unb mit ifjrn ber Kläger in ber Jptigfeit beS legieren
bauptfädjlich beSmegcn, metl biefclbe in bem $anbelsgemerbe beS Ve*
flagtrn eine rechtsgefrfjäftlid)e gemefett fei. der Kläger mar im
§aüfe mit iedjnifdjen Arbeiten nur etma l'/a ©tunben täglich befdjäftrgt,
hierbei jeboch nicht mit ber Sßferbemartung. SBäljrenb ber übrigen gelt
mar er mit feinem SAildjfnhrroerf untermegs, rnobei ihm noch ein junger
SBamt gur tinterfliifcung Beigegeben mar. ©r Ijatte nicht nur ben ©e*
fdjäftsfunben bte SRild) gugufüljren unb gugitmeffen, fomie baS ©elb non
ihnen eingugiehen, fonbern er führte in ber Siegel auch einen unbeftetlten
Vorrat!) mit fief), ben er erforberltdjenfalls an anbere als bte gcroöhn*
liehen tunben gnm üblichen greife abfe^en foEUe. ferner mar ihm für
bie ©eminnung jebeS neuen kunben eine $ro»iflott »on 10 &f. gu*
geftchert.
hierin fömten nun gtmädjft ©igenthüm lieh feiten, burdj melche ftch
bie ©teHung beS klägerS oon ber bei folchen 9J?tlchfutfd)ern gemßljn*
liehen erheblich unterfcheiben mürbe, nicht erblidt morben. ©S ift all¬
gemein üblich, beitfelben mehr als bie Beftefftc 9J?üch mitgugebeit, weil
häufig eingclne kunben mehr als gemöfjnltd) »erlangen ober meil 9?id)t*
funben aus befonberer Veranlaffung auSnaljmSmeife SJiild) auf ber
©trabe bei irgenb melchen Sfrldjfuhrleuten fjofen. die ^rooifion »ott
10 &f. ferner für bie Aeugeminnung eines ftunben ift fo geringfügig,
baft folche Acugeroinnmtg jcbenfalls feinen mefentlichen 2heil ber dhätig*
feit beS Klägers gebilbet hat.
£>ier»on abgeiefjen ift ber Abfchlufj non AechtSgefchäften entfeheibenb
für ben Vegriff bes .^anblungsbeoollmäcfjtigten, aber nicht für ben
beS .©anblung^ge^ülfen. der Iefctere tft als folcher gum Abfchluj)
oon .ftanbclSgefdjäftcn nicht ermächtigt (Art. 58 §.©.V.), ja er braucht
nicht einmal gur VHtmirfmtg berufen gu fein, mie birS g. V.
beim Vudjhaltcr nicht ber ^all ift- AnbererfeitS hat audj nidjt jeber
.^anblungSbeooIlmächtigte bie ©igenfehaft beS ^anblungsgehülfen. die*
felbe fanit ihm fehlen, meil fein dienftüertrag oorliegt; fie fantt aber
audj trofc oorliegenben dienftertrageS beShalb fehlen, meil bie abgu*
fchliebenben AedjtSgefdjäfte fo einfacher Art ftttb, bab fie feine fauf*
mänitifchen Sä3^igfeiten erforbern, unb aus biefem ©runbe ift
g. V. ber keflner, ber Dberfellner, ber Vferbebahufchaffner, ber guhr*
fnccht beS ©pebiteurS, aus biefem ©ruttbe auch ein SÄUdjfutfdjer, mie
bcr Kläger, fein -fmnblungsgebülfe. 3m ^iftorifc^en unb herföntmlichen
Sinne „faufmännifdje" dteitfte nämlich charafterifiren ben §aublungs*
gehülfen, dienfte, „gu benen biejenige Schulung unb ftertigfett gehört,
bie man iir ihrer VoDenbung bie faufmännifche diichtigfeit nennt. die
fanfmännifche Signatur ift es, melche ben ©ehülfen gum $anblungs*
geljülfen macht (Si.C.§.@. 99b. 17 S. 309)/ demgegenüber fann aber
fein 3meifel fein, bab für bie ©rlangung ber Stellung als VHId)*
futfeher, mie Kläger ftc inne hat, feine faufmännifche AuSbtlbuttg, fein
faufmännifcheS können erforberlich ift. der Abfdjlub ber SRedjtS*
gefchäfic ift h ie * in ieber Vegieljung non ber einfachften Art unb ge*
fdjicht faft gang medjanifd). das SBcfentliche an ber Stiftung beS
MlägerS ift — non ber erforberlichen (J-fjrlichfcit beim ©infafftrett ab*
gefeljen — bie Leitung beS juhrmerfeS nnb bie 99ertheiluug ber SRilch,
alfo dienfte gemerblich-tedjnifchcr Hrt. 3n ber 99egeichnung 3)?ild)futfd;er,
melche bie Parteien in ihrem Vertrag gcroählt h fl ben, fommt bieS gu
djarafteriftifchem HuSbrurf.
-•piernad) ift bie 3»ftä«bigfeit beS ©emerbegeridjts begrünbet. . . ."
diefc Slnfchauung beS SanbgerichtS befinbet fleh tm SBiberfpruch mit
ber bisherigen ^w?i^ ber ©emerbegerichte. So h fl i beifpiclSmeife bas
©emerbegericht Berlin in einem llrt^eil oont 24. September 1H96 einen
9)Hlri]fahrer, ber bie ®?i(ch an tfunben abfährt, ben Kaufpreis eingieht
unb felbft Samens feines SlrbcitgeberS ocrfanfl, aufjerbent auch mit ber
Sorge für Ererbe unb Sagen feines Arbeitgebers betraut ift, als .£>anb*
lung^beoollmächtigten unb ^anblungsgehülfen erflärt.
diefe ©ntfeheibung ftu^t baS ©cmerbegericht Berlin auf bie An*
nähme, bah auf bie reihtsgefdjäftlichc ^dfjätigfeit eines folchen SDfildj-
fntfdjers gegenüber ben rein thatfächlidjcn dienften, bte er burdj AB*
fahren ber beftcflten 2»iildj u. f. m. gu Ieiften l)at, bas ^auptgcmicht gu
legen fei. ©S mag babingefteflt bleiben, ob biefc Auffaffimg gutreffenb
ift. 3fbenfaHs giebt ber Stanbpunft beS üaubgcrichts, baf 3 für bett
begriff bes ^anblungSgehülfen bie l'eiftung iit herfömutlidjem Sinne
faufmäunifdjer, b. fj. eine faufmäunifrfje Ausbilbuug oorauSfehetiber
dienfte ein mefcutlichrs ©rforbemifj fei, gu ^ebenfen Anlaf?.
Aiir bie ©utfeheibung bcr Jyrage, ob eine ■Vitlroperfon, bie in einem
gemrrt'liehen ober einem .^anbelsbetnebe befihäftigt ift, als ©emerbe*
gchiilfc ober .fpaublungsgehülfc gu betradjten fei, fann prinzipiell nur
bie Cualität ber dienfte, bie fie gu Ieiften jjat, md)t aber bie ivrage
maf?gebenb fein, ob bicie dienfte eine gemiffe AusbUbung enorberu,
ober fid) lebiglidj medianifd) oollgiehen.
SaHen bie dienfte, bie eine folche ^ülfSperfon gu »errichten hat,
auSfchliehlich »ormiegenb in ben 99eretd) ber faufmännifchen, b. h-
auf ben SBaarertumfab gerichteten dljätigfeit, fo roirb bie betreffenbe
§ülfSperfon als ^anblungSgehülfe auch bann gu betrad)ten fein, menn
ihre dienftleiftungen eine faufmännifche Sorbilbung nicht »orauSfefcen.
99on biefem ©efidhtspunfte aus hat bas ©emerbegericht Berlin (Urtheil
»om 4. Sauuar 1895, lluger S. 200) eine ^rauensperfon, bie auSfchliefe*
lieh mit bem Serfaufe »on Sadfmaaren im Saben eines ^äcfermeifterS
befchäftigt mar, als £anblungsgehülfin erflärt. 9?ach ber Anfchauung
bes Sanbgerichts SKannheim müfete eine folche 99erfäuferin, ebettfo mie
bie in größeren ^anbelsbctricben befchäftigten defopifteu, ©ypebienten
u. f. m., als gemerbliche Arbeiterin ber Suftänbigfeit beS ©emerbegerichtS
unterftehen, ba alle btefe ©ülfsperfonen dienfte gu Ieiften ha&«V bie
eine faufmännifche AusbUbung, ^faufmännifche düchtig*
feit", abfolut nicht erforbern; atte biefe§ülfSperfonen mären bann als
gemerbliche Arbeiter gu betrachten, obmohl ihre dienftleiftungen aus*
fchltefclich bem 93ereichc ber faufmännifchcn dhätigfeit angeboren^ unb
feine gemerbli<h*technifche Seite aufmeijen. Sinb bie dienfte, bte foldje
§ülfSperfonen gu Ieiften haben, theilmeife faufmänntfeher nnb thcilmcife
gemerblich*techntfchcr 9?atur, fo fann bie ©ntfeheibung ber 3rage, ob
ber betreffenbe ©ehülfe ^anblungSgehülfe ober ©emerbegehülfe fei,
immer nur mit Siücffidjt auf bie fonfreien 99erhältniffe bes einzelnen
gaHeS, b. h- mit 9tüdficht barauf erfolgen, ob bcr Scbmerpunft feiner
dhätigfeit in bte faufmännifdjen ober in bte gemerbli<h*tedjmi(beit
gunftionen fäCft- Se^t in gäHcn biefer Art bie eine ber beiben in 9?c=
tracht fomntenben gunftionen eine gemiffe 99orbilbung »orauS, fo mtrb
aöerbings, fofertt nicht bie anbere augeitfdjeinlidj oorljcrrfchenb ift, für
bte ©ntfdjeibnng ber Srage, ob ber betreffenbe ©ehülfe aTS .^>anblung^
gehülfe ober als ©emerbegehülfe gu betrachten fei, biejenige Seite feiner
dhätigfeit entfdjeibenb fein, für melche eine gemiffe «orbilbung »er¬
langt mirb.
3ft ber 3ufchneiber «etriebsbeamter? Verbrennen oon
Schnittmuftern Sachbefchäbigung? (Urtheil beS ©eroerbegeridjt!?
mtb beS 2anbgeri<htS Stettin.)
Kläger hat 60 JC. rücfftänbigen ßohn unb 120 M. ©ntfchäbtgung
für ©ntlaffung ohne gf'iinbigung geforbert. Veflagte hat Sachbefchäbigung
ffe|duptet, meil Kläger aus ©efdjäftSpapier gefchntttene » Pl ' s
bräunt habe, das ©emerbegericht Stettin hat bie VcUagic »er*
urthetlt unb baS Urtheil gegen SicherhcitSIciftung für »oflftrerfbar
erflärt. das Öanbgeridjt hat cS in ber |>auptfache beftätigt unb öa/im
erfannt: _
daS Urtheil beS ©cmerbegerichtS für ben Stabtbegirf Stcttiu oom
20. September 1898, burdj melcheS bie Veflagtc »erurtbeilt morben, an
ben Kläger 180 M gu gahlett, mirb bal)iit abgeänbert:
1. dah ber Kläger »erurtheilt mirb, oon beit aus bem Urtheil
im SBege ber 3 ,ü angS»ollftrecfung gegen bie Veflagte betgeiriebeneu
186,ro M an bie Veflagte 10 M nebft 5% 3iufen feit bem 15. dftober
1898 gurücfgugahlen unb barin gu miUigen, bab 3 ur ©rfi'tIJinig bjefrc
Verbinblichfeit biefer Vetrag nebft ben 3i n f cn aus ben für ben Kläger
bei ber königlichen SiegieriingShauptfaffe in Stcttiu hinterlegten 180 Ji.
au bie Vcflagte hcrauSgegahlt merbe.
2. dab bie Veflagte »erurtheilt mirb, baritt gu rotlligeu, bab ber
Ueberreft ber »om Kläger hinterlegten Summe au biefen gurüdgegahlt
merbe.
die koften ber VerufitngSinftang merben ber Veflagtett auf¬
erlegt.
kläger, ber bei ber Veflagteit als 3ufchueiber gegen einen SSodjcn»
lohn oon 60 JC befchäftigt mar, ift plöhlich »h nc künbigung entlaffcu
morben, meü er bem »ott ihm tm 3ufd)neibeu auSgebilbeten ©. faltcfjc
Vhifter untergefdjobctt unb neue Schnittmufter oerbrannt hatte, obwohl
er mubte, bab bie lederen ©igenthum ber Veflagten maren unb gut
balbtgen Anfertigung einer |>ofenlieferung im Serthc »on 12 0(K) bi*
13 000 M. Vermenbung fiitbcu foüten unb meil er einen au bcr 5?ant>
Ijängenben 9iotiggettel, auf melchcnt bie V?abe gu ber fiieferuug aufge»
geichnet maren, abfichtUdj gerriffen haben füllte, der kläger begehrt ©nt*
fchäbigung für 14 dngc mtb rücfftänbigen Sohn für eine VJodje mit im
©angeit 180 Ut. der Veflagtc beftreitet bic 3uftäitbtgleit bcS ©enterbe*
geridjts, ba kläger mit 9tiicf|idjt auf bic SSidjtigfcit bcr Stellung eine*
3ufdjneibrrS in einem ^crrenfonfeftionsgefdjäft als 2s9erfuteificr
angefehen merben iniiffe unb fein ©infontmeit 3120 M jährlidj be*
tragen habe.
9fad) bem ©rgebnib bcr VcmeiSaufnahme hat ftdj bic dfiätigfeii
beS klägers in betn ©efdjäft bcr Vcflagtcn in ber |>auptfarf)e auf ba*
3ufdjuctben befdjräuft. Aur ber 3»fd)ncibcr ©., bett er im 3ufdnieiben
auobilbctc, arbeitete unter feiner Aufftdjt mtb ber eiiigigeu im ©cfiljän
arbcitciiben Aäfjtcrin hat er hier unb ba Arbeit gugetheilt. ©onfi bat
er tueber mit ber Auffidjt über bic Arbeit nodj mit ber Vcrtbeilmig ber
133
VaS ©emerBegericht. SÄittheilungen beS VerBanbeS beutlet ©cmerBegerichie. Rr. 11.
134
Arbeiten etrnaS gu t^uit gehabt; bie Sdljneiber arbeiteten nicht im ©e*
fchäft, fonbern gu $aufe. Vei ber Abnahme ber Arbeiten hat fr als
Sachoerftänbiger fein ©utadjten abgegeben, Soch mar bie Abnahme
felbft nicht feine Sache. hiernach ift nicht angunehnten, baf$ er V$erf*
mciftcr mar. Sag ©emcrbegericht mar baljer nach ben §§. 1, 2 beS
©efefceS über bie ©emerbegeridjtc oom 29. gttli 1890 gur ©ntfdjeibung
beS Redjtsftreits guftänbig. hiernach mar ber Kläger, maS roeiterhin
für bie ©ntfdjeibung in ber Sache felbft erheblich ift, ©ehiilfe im Sinne
ber §§. 121 ff. ber ©emerbeorbttung. Sie grage alfo, ob ber Kläger
oor Ablauf ber Dertragsmä&igen geil unb ohne Auffünbigung entlaffen
merben fonnte, ift lebiglich nach §. 123 ber ©etoerbeorbnung gu be*
an trn orten.
Ser §. 124a bafelbft, toonadf) noch fonft aus raichtigen ©rüttben
bie fofortige Aufhebung beS VertragSoerhältniffeS oerlangt merben
fantt, ift nicht anraenbbar, ba biefe Veftimmung oorauSfefct, bajj bas
ArbeitSuerhältnifj mtnbefienS auf 4 SBochen ober eine längere als
14 tägige ÄünbigutigSfrift oercinbart ift. SieS aber ift nicht ber gaß;
einftmeilig ift burch nachträgliche Vereinbarung groifchen ben Parteien
baS ArbeitSoerhältnifj beS Klägers auf unbeftimmte 3 eit oerlängert
unb eine nur 14tägige ÄiinbigungSfrift oereinbart. ©in ©ntlaffungS-
grunb au« §. 123 mar nicht gegeben. gnsbefonbere ift nicht ermiefen,
bafe Ber Kläger ftch einer Unterfchlagung (§. 123 Stbf. 2) ober einer
oorfäblichen unb rechtSmibrigen Sachbefchäbigung gum Sladjjtheile beS
Arbeitgebers (§. 123 Rr. 6) fchulbig gemacht hat. &ie oon Ö es!
fertigten Schnittmufter hat er gunt Sheil oerbrannt. Soch ftef)t nicht
feft, bah bie Schnittmufter ber Veflagten gehörten. Vielmehr mürben
fie, auch memt baS Rapier, aus bem fie gefchnitten morben, ber Ve*
flagten gehörte, burch bie Verarbeitung bcs Rapiers in Schnittmufter
nach §. 304 Sheil 1 Sitel 9 beS Aügettteinen Sanbredjts ©igenthum beS
ÄlägerS. Sah ber Kläger baS ©igenihutn auf bie Veflagte übertragen
hat, ift nicht behauptet; auch fonft hat fie feine Vehauptungen auf*
gefießt, aus benen auf einen ©igenihumSermerb ihrerfeits gu fchliehen
ift. SBenn auch ber Kläger, mie fie behauptet, auf ihre Anorbnung
neue VJufter gefertigt hat, meil bie alten nichts taugten, fo hat fie hoch
nicht behauptet, bah er biefe neuen Vtufter lebiglich nach ihrer An-
meifung mtb nicht uielmehr felbftftänbig oermöge feiner eigenen Sach*
fenntnih entworfen Fjat.
Ser 9totiggettel ferner, ben ber Kläger gerriffen hat, mar gmeifelloS
©igenthum ber Vellagten. Allein oon ihm fteht nicht feft, bah er trgenb
toeldjen VerntögeuSmerth hatte, ober hoch nicht, bah ber Kläger il)m
irgenbmelchen SSerth bemah, benn menn auch bie Veflagte behauptet
unb ©. befunbet, bah auf bem Settel Vta&e gu meiten §ofen geftanben
haben, unb gmar gerabe für bie oon ber girma 9t. 9t. befteßte §ofcn*
lieferung, fo erhebt hoch nicht, bah biefe 9totigen nicht fofort erfefcbar
maren, bah alfo ber Settel eben mehr als ein merthlofeS Stücf Rapier
mar. ^ebenfaßs macht ja gerabe megen ber §ofenlieferung an 9t. 9t.
bie Veflagte fchltefjlid) feinen Scfjnbenerfajjanfpruch geltenb, obroohl fie
einen folgen in erfter ^nftang in Ausficht gefteßt hotte, hiernach fteht
feinenfaflS feft, bah ber Kläger fich, als er ben 3ettel gerrif), ber 9ted)ts*
mibrigfeit biefer £>anbluitg bemüht mar.
Sa ber Kläger fonach oon ber Veflagten ohne ©runb entlaffen
ift, hat er noch für bie gmei VSodjen nach feiner ©ntlaffung ben Sohn
mit 120 M . gu beanfpntchen. Sen riiefftänbigen Sohn für bie SBodje
oor ber ©ntlaffung hat bie Veflagte an ftch anerfannt. Sie rechnet
bafür auf mit bem Anfprttdj auf ©rfafc beS Schabend, ben fie burdj
baS Verbrennen ber Schnittmufter erlitten hat. 2öenn biefe auch ©igen*
thum beä Klägers maren, fo mar er hoch auf ©runb feinet SlrbeitS*
oerljältniffeS verpflichtet, nach biefen Vtuftern für bie Veflagte gugu*
fchneiben unb jebenfaßg, fo lange fein SlrbeitSoerhältnih mährte, alfo
noch 14 Sage lang nach feiner ©ntlaffung ber Veflagten bie Venufeung
ber Schnittmufter gu geftatten. Sie Äoften baljer, bie ber Veflagten
burch bie 9ieuanfertigung entftanben ftnb, muh er ihr erfefcen. 9tach
bem 3eugnih oon ©. h fl t gmar bie Veflagte an biefen 3eugeit 25 M.
für 9teuanfertigung oon ©rfafcmuftcrn gegahlt, boch hat ber 3euge fo*
oiel garnicht geforbert; er märe mit 10 M. gufrieben gemefen. Äuf
biefen Vetrag hat bann bie Veflagte ihren Schabenerfafcanfpruch ein*
gefchränft. Ser ©erichtöhof nimmt an, bah 10 M. eine angemeffene
Vergütung für bie Anfertigung ber ©rfa^mufter maren unb hat baher
in Abänberung beS angefochtenen llrtheilö ben Kläger gur Viicfgahlung
oon 10 M. neBft Vergug^ginfeit feit bem 15. Cftober 1898, bem Sage
ber gmangsroeifen Veitreibung, oerurtheilt. %m Uebrigen ift bem An*
trage be§ Klägers ftattgegeben. Sa bie Veflagte ihren jefcigen Schabend*
erfahanfpruch fefjon in erfter gnftang, mo fie nur aßgemein ohne nähere
Vegrüitbuug einen ©rfahanfpruch au$ ber Verbrennung ber Schnitt*
mufter geltenb gemacht h ft t, hätte begrüuben fönnen, fo finb ihr bie
ti often ber Verufungöinftang nach §. 92 Ab fab 1 unb 2 ber ©iuil*
Vrogehorbnung gang gur l'aft gelegt morben.
Aufrechnung oon gorberungert aufbenßofjit. (©ntfdheibung
beö ©eroerbegerichts Vreuten.)
Ser Kläger hat 7 .//. riiefftänbigen 2ohn eingeflagt, morauf ber
Veflagte unter Anerfennung ber Vichügfeit gorberungen im Vetragc
oon 9,w M. aufrechuenb, gegen bie Ällageforberung geltenb macht.
gür bie ©ntfdheibung über bie ©egenforbernngen mürbe bas ©e*
roerbegericht nicljt guftänbig fein, menn ber Veflagte fie flagenb oor
bem ©eroerbegeriehte geltenb machen mürbe, ba e3 ftch bei ihnen nicht
um Seiftungen unb ©ntfchäbigungsanfpruche auö einem Arbeitsoerhält*
niffe hanbelt. (Vergl. §. 3 9?r. 2 be3 ©efefeeg, betreffenb bie ©enterbe-
gerichte.) Sa8 ©eroerbegericht ift beShalb auch nicht guftänbig über
biefe gorberungen gu entfehetben, menn fte einrebemeife im SSege ber
Aufrechnung geltenb gemacht merben; benn nach §. 293 ber ©ioilprogefj*
orbnung ift bie ©ittfcheibung über ba8 Veftehen ober 9?ichtbeftehen einer
mittels ©inrebe geltenb gemachten ©egenforberung bis gur £>ölje beS*
jenigen VetrageS, mit melchem aufgerechnet merben fofl, ber 9iechtSfraft
fähig. 2Bürbe baS ©emerbegeridht mithin über bie ©egenforberungen
beS Veflagten entfeheiben, fo mürbe eS rechtsfräftig über gorberungen
entfeheiben, bie feiner ©erichtsbarfeit nicht unterfteflt finb. Sem Kläger
mürbe auch baburefj ber 9iechtSmeg begügliifj ber Anfprüdhe beS Ve*
flagten in unguläffiger SBeife Befdhränft. SBäljrenb ihm, menn ber Ve*
flagte bie gorberungen oor bem Amtsgericht geltenb gemacht hätte,
gegen ein ungiinftiges Urteil beS Amtsgerichts baS VechtSmittel ber
Verufung an baS Sanbgericht guftehen mürbe, ift baS Urtheil beS ©e*
merbegerichts, meldjeS baS Veftehen ber ©egenforberung anerfennen
mürbe, unanfechtbar. Ser Veflagte ift beShalb megen Unguftänbigfeit
beS ©emerbegerichtS mit feinen ©egenforberungen gurüefgumeifen.
Vergl. Sernburg: ©efchichte unb Sheorie ber Äompenfation.
2. Aufl. §.62 9fr. lb S. 631. Äohler: Äompenfation unb Vrogefe in
Vufch 3tf<h- f. Vb. 20 S. 45.
3ft baS ©emerbegeridht gut* ©ntfdheibung in ber Sache
eines 9EaurerpolierS gegen einen ein #anb.elsgefchäft Ve*
treibenben (gcmerblicher Unternehmer, Vauunternehmer,
©runbftücffpefulant) guftänbig? (Urtheil beS ©emerbegerichtS gu
Hamburg. Vorft^enber: Dr. 9foacf.)
Kläger, ein Vfaurerpolier, oerlangt oon bem Veflagten, meldhett er
als Vauunternehmer begeidjnet, für 9Äaurerarbeiten mittelft Älage eine
9leftfumme oon 1571,60 M.
Ser Veflagte erhob oormeg ben ©inmanb ber fadhlithen Ungu*
ftänbigfeit beS ©erichtS, inbem er gur Vegrünbung golgenbeS auSfiihrte:
@r fei Kaufmann unb betreibe als foldher Agenturgefdhäfte. Sem Vau*
gemerbe ftehe er oößig fern unb befifce fein Verftänbnife beffelben.
©r habe gmei Vaupläfce getauft, für bie Ausführung ber auf ben-
felbett gu erridjjtenben ©ebäube einen Ardjiteften, ber auch ben Äontraft
mit bem Äläger oerfafet, engagirt, unb unter benfelben ben Äläger ge*
fteflt. ©r beabjidhtige, bie ©ebäube gmar nicht für feinen Vrioatgebraudh,
rnohf aber gu Veoenuengmccfett gu bettuhen. Aber auch ber Äläger
unterftehe in feinem Verljäftniffe gu ihm bem ©emerbegeridhte nicht,
meil berfelbe ein felbftftänbiger ©emerbetreibenber fei.
Ser Äläger hat bie ledere Shatfadhe beftritten; er fei lebiglich als
polier oon bem Veflagten eingefteßt, maS ber tn ben $änben beS Ve*
flagten befinblidhe Äontraft ergeben mürbe.
Sas ©emerbegeridht mies bie Älage megen fachlicher Unguftänbigfeit
ab unter folgettber Vegrünbung:
2BaS bie grage ber Selbftftänbigfeit beS ÄlagerS in bem Verhält*
niffe gu bem Veflagten betrifft, fo ift biefer für bie Unguftänbigfeit beS
©emerbegerichtS geltenb gemachte ©runb mtt Vücfficht auf ben Äontraft
als oößig ungutreffenb gurüefgumeifen. Ser Äontraft felbft Begegnet
ben Äläger als Vtaurerpolier unb menn er gleidfjgeitig als Unternehmer
genannt mirb, fo übernimmt er bie betreffenben Arbeiten nicht als
felbftftänbiger, baS SRaurergemerbe auSübenber ©emerbetreibenber, fon*
bertt in feiner ©igenfdhaft als Sftaurerpolter, refp. als ein beoorgugter
9Äaurcrgefeße. Sem entfpri^t auch ber gange 3«halt beS ÄontrafteS.
Ser Veflagte hat für bie SWittel gur Söhnung ber Arbeiter gu forgen,
unb firfj fogar oorbehalten, bie Söhne Mreft an bie Arbeiter gu gahlen;
ihm liegt bie Sorge für bie jeber 3 f M erforberlidhe §erbeifdhaffung beS
SKaterialS ob. Ser Sohn, melier ben ©efeflen uttb Arbeitern gu be*
mißigen, ift Umitirt unb barf bei Strafe ber Auflöfung beS ÄontrafteS
nicht Übertritten merben; ber Äläger muh VHtglieb ber SuoalibitätS*
unb ber Ärattfenfaffe fein; er ift oerpflichtet, mit ben Arbeitern bie Auf¬
hebung ber Äünbigung gu oereinbaren; er hat auch in Vetreff ber Drb*
nung auf bem Vau ben Attorbnungen beS Architeften golge gu leiften;
Arbeiter fteßt er nicht nach feinem, fonbern nach bem ©nneffett beö
Ardhitefteu ein unb hat biefelbett nach beffett ©rnteffen gu entlaffen.
SBefentUch für bie Vegriffsbeftimntung beS felbftftänbigen ©emerbe*
Betriebes ift, baß bie Shätigfeit beS ©emerbetreibetiben für eigene Rech¬
nung unb Verantmortlichfeit unb in Unabbängtgfeit oon ehtem biefe
135
$03 ©eroerbegerlcgt. SRittgeilungcn beS BerbanbeS beutfcger ©eroerbegertcgte. Ar. 11.
136
^^ättgfett befttmmenben unb überroadjenben dritten geübt roirb (oergl.
3. £aaS, Kommentar gum S^etc^jggefe^, betreffenb bie ©eroerbegeriegte,
21 Ar. s). $ieS trifft im oorliegenben gäbe offenbar nicht gu
SSar hiernach bie Uiiguftänbigfctl beS ©eroerbegeridjtcS auf ©runb i
ber Selbftftänbigfeit beS Klägers nidjt attguerfennen, fo war anberer*
feitS bie grage, ob ber Beflagte ber 3uftänbigfeit beffelben untermorfen
fei gu oerncinen, inbent nicht angunegmen roaiv bafe er als bern Maurer*
geroerbe angefjoriger, b. I). als ber ©eroerbeorbnung unterworfener,
geroerb lieb er Arbeitgeber in Betracht fommert fönne. 3 loar if* ber
Begriff beS OleroerbeS fo wenig, roie ber beS Arbeitgebers in unferer
an Begriffsbefinitionen giemlirfj bürftigen ©efcfcgebung befinirt. Allein,
bei folgern SDJangel roirb für ben Mangel ber gemeine 0pradjgebi*aucg
ma&gebenb fein unb biefem entfpric^t eS, unter ©eroerbe eine auf ©r*
roerb gcricfjtetc Xfjätigfeit gu uerftegen.
$er Begriff beS Arbeitgebers fotl nach ber übereinftimmenben Auf*
faffung ber Kommentatoren aus bem beS Arbeiters bebucirt roerben.
Xa nun unter Arbeiter im Sinne ber ©eroerbeorbnung nur gern erb*
tic^e Arbeiter gu uerftegen finb, ba ferner als geroerblidje Streitig feiten
nur folcge gu erachten, roeldje aus Anlag eines ©eroerbebetriebeS ent*
[legen, fo müfcte ber Bellagte ein gewerblicher Arbeitgeber im Sinne
beS XitelS VII ber ©eroerbeorbnung fein, wenn oon igm oor bem ©e*
roerbegeridjtc Aedjt genommen roerben bürfte. $a$ ift er aber ent*
[djtebeit nicht. $er Bellagte betreibt unbeftritten, unb bureg bie bei*
gebrachte ficgitimationSfartc naebgeroiefen, ein faufmännifcgeS ©eroerbe.
$em Betriebe beS Baugeroerbes ftebt er oöbig fern unb nicht aus
biefem ©eroerbe als folcgent roiH er einen ©rroerb ergieleit, oielntebr
läßt er burd) Bauoerftänbige auf oon ihm erroorbenen flöhen Käufer
bauen, um aus biefen Acoenuen gu begieben, ober fie ttt anberer Seife
gu oerroertben. $ie Abficgt ift nicht auf bas Bauen an ficb, fonbern
auf Spefulatton mit ben erbauten Käufern gerichtet.
Betreibt hiernach ber Beflagte fein ber ©eroerbeorbnung unter*
liegenbeS ©eroerbe, infouberbeit nicht baS Baugeroerbe, fo formte er
auch in folget* ©igenfdjaft ben Kläger nicht befchäftigen. M.
Arbeiter im «Sinne beS §. 2 beä ©efegeS über bie ©e*
roerbegeridjtc. (©ntfegeibung beS ©eroerbegeridjts Karlsruhe.)
Kläger übernahm nach feiner Behauptung oon ber Beflagten bie
Acbuftion ber $Iäne oerfegiebener ©emarfungen unb oerlangt für
biefe Arbeit ben Betrag oon 810 M ., roäbrenb nur 220 M. begablt
roorben feien.
Beflagte überlägt bie Prüfung ber 3 u Pttbigfeit beS ©eroerbe*
geridjts bem ©rmeffen beS ©erichtS; in ber Sache felbft roirb einge*
roenbet, baß bem Kläger bie Arbeit nidjt oon ber Beflagten, fonbern
oon bem Ingenieur £. übertragen roorben unb bag biefelbe im Uebrigen
unbraudjbar geroefen fei.
Als Arbeiter im Sinne beS §. 2 beS ©efefceS, betreffenb bie ©e*
roerbegeridjtc, gelten biejenigen ©efeUen, ©ebiilfen, gabrifarbeiter unb
Lehrlinge, auf roelche ber Xitel VII ber ©eroerbeorbnung Anrocnbung
finbet unb biefer Xitel gubet auf alle Arbeiter Anrocnbung, roeldje oon
fclbftftänbigen ©eroerbetreibenben gu geroerblichen Arbeiten oerroenbet
roerben unb bem Arbeitgeber ihre ArbeitSfraft, nicht blog eingelne
Neigungen, gur Berfügung ftellen; es fommt hierbei auf bie Art ber
Arbeit nicht au unb eS fönnen insbefonbere auch technifche unb fogar
fünftlerifdje Seiftungen beu ©egenftanb beS ArbeitSoertragS bilben. gut
oorliegenben gäbe ganbelt es fich groar um Arbeiten, roelche oertnöge
igrer tedjnifdjcn Aatitr gang gut Oiegenftaub beS ArbcttsoertrageS fein
fönnen, allein Kläger ift fein Arbeiter im Sinne bcs ©cfcjjcä unb giuar
gebridjt eS au groei BornuSfeguugett beS ©efefces; einmal liegt es im
Begriff beS „Arbeiters'', bag er gegenüber bem Arbeitgeber fidj feiner
Selbftftänbigfeit begiebt, foroeit eS fich um beu Botlgug beS Arbeit?*
oerbältniffeS ganbelt, roäbrenb ber Kläger bie in grage fteljenbc Arbeit
gang felbftftänbig übernahm unb ebeitfo felbftftänbig unb ohne jebc
Beauffidjtigung oollgog; fobann famt nur berjenige als Arbeiter im
Sinne beS ©efeges gelten, roelcher bem Arbeitgeber feine gange Arbeit**
fraft gur Berfügung ftetlt, roäbrenb ber Kläger nur gang befümnite
eingelne Arbeiten übernommen hat.
Kläger faun foutit nidjt als Arbeiter bcö Beflagten betradjtei
roerben, fonbern erfegeint als felbftftänbiger Unternehmer.
Oecbtmb^ 'Sütgdegettliettett.
©tttgegattgat ftttb bie Berichte bet ©enterbegeriegte ©fjarlotteiiburg,
Leipgig, flauen i/B., ber Arbeitsfainmer 3üridj.
firtefkaße».
Herrn A. A., ©etterbegeridjt Hamburg. 3 uieubuug baufenb cm*
I pfaugen. Weitere BJittljeilungeu erroüufcgt, roeuu möglidj auf Sdjreib*
i papicr.
Herrn D. St., ©alberftobt. Auf bie Anfrage, ob Bereinigungen
ber ©croer begeriegts * Betft {jer ber poltgeiliegen Anmclbitng
unterliegen, ift gu errotbern, bag bie preugifege Berorbnung über bie
Betgütung eines bie gefeglidie greigeit unb Crbnung gefäljrbenbeit
SÄifjbraudjö beS Berfammlungö* unb Bereinigungsrechtes oom 12. 9Käig
1850 fo nnbeftimmt gefagt ift, bag fiel; bie Bcredjtigung ber Boliget*
I bcljörbe „gur ©ntfcubmig oon Boligetbcamtcn als Abgcorbneten" itidn
mit ooller Beftimmtljeit beftreiten lägt. Xiefer llebcrroacgung unter*
Hegen — nad) §. 4 — fämmtlidje Berfantmlungeu, in roeldjen ö'ffeutlidie
Angelegenheiten erörtert roerben follcn. Xie grage ift alfo, ob bie Bor*
berat (jung ber Bctfiger über in ber ©croerbegertcgtS*Sigung gu fteüenbe
Anträge ober abguftetteube ©utaegten ögentlicge Angelegenheiten betreffen.
3Ran folUc beufeu, bag bieS nidjt ber galt ift, ba es ftdj um Angelegen*
beiten Ijanbelt, roeldje gutiädjft nur innerhalb beS 01 eroabegeriät*
felbft erörtert roerben füllen; inbeg roärc immerhin beufbar, bag bie
©ertegte aueg lebiglicg bie Aatur ber BerathmigSgcgcuftäube betraddeu
unb g. B. bie Borberatgung einer bem OlerocrbegeriVht 3 ugebeitbcn An*
regitng roegeit Stellung eines Antrags auf Abäitbening ber ©eroerbe*
orbnung, Berroerfung einer ©efegoorlage 2C. für eine „öffentliche Au*
gelegenheit" erflären.
Xie groeite grage beantwortet gd) bahtn, bag bas Steinigen ber
§änbe ebenfo toie baS Ablegen ber Arbcitsfleiber roohl in ber Siegel
in ben Raufen, alfo nadj Sdjlug ber Arbeitsgeit roirb gefdjegen muffen.
AnberS bürfte eS lebiglicg bei ben gefunbhcttsfdjäblidjen Betrieben fein,
bei roeldjen geroiffe Borfehrungen gur Bernteibuitg ber ge [unb beit**
fcgäblidjen golge ber Arbeit nicht unterlaufen roerben bürfen, »ielntehr
fofort nach Beenbtgung berfelbcn oorgenomnteit roerben müffen.
BBochenfcgrift „Sogiale ^rajiS, Qetttralbfatt für Sogia^rolitü".
(Herausgeber: Dr. Srancfe, Berlin; Berlag oon SDundPer &
Hnmblot, ßeipgtg. 3n begiegen burch fämmtlichc ^oftanftatten
unb Bucgganblnngen gum greife oon 2 Ji 50 ^f. für baS Biertel-
jagr einfcgliegUcg ber SKonatSbeilage „£)a3 ©eroerbegeriegt".)
Inhalt oon Str. 44; X)ie beutfegen BolfSbibliotgefen. Bon
Dr. ©rnft Scgnlge, Berlin. — ArbeitSfamnter ber Stabt 3»rich;
.v>oHänbifd)eS Arbeiterfefretariat; Arbeiterfefretariat in Breslau;
BHnimallolin unb BiarimalarbeitSgeit in Amftcrbam; gefter ßogtt
für Kellner in Hamburg. — HanSinbuftrie als golge beS ArbeitS*
mangels in ber ^forgbeinter Bijouterieinbuftrie; Arbeilsoergältniffe
in 9fiSeto*?)ovf: ßaubroirthfchaftlidje Arbeitslöhne in ©nglaitb, ßögue
bei foinimtnalen XrammaijS iit (inglanb; ßögne ber frfjroeigerifchen
©ifenbabnnrbcitcr; Berfdjicbung in ber ©noerbstgätigfeit junger
Baibdieii: Arbeitslöhne im englifdiett unb amerifanifegen Schiffsbau;
Arbeitslöhne in gnbien. — 3ur Arbeiterberoegung; ©griftlidger
Bfaitreroerbanb SeutfdjlanbS; ^ehnftuubentag in ber öfferretdjifd)en
Xertilinbuftrie; Streifs imb (finigungsämter in granfreid) 1898;
Belgifcger Arbeitertnnenfongreg. — ^oligetoerorbnungen gum Scgut>e
ber Arbeiier auf Bauten; Arbeitsgeit in ben ©etTiubeuuiglen;
StedjtSfräftigc Verlautbarung oon ArbeitSorbnungcn; Arbeiterfdjno
bei offentlidjen Lieferungen in Dcfterrctch; Arbeiter!ding in bei
j feramifdjen gubuftrie ©nglattbs; ArbeitSorbnuitgeu in '^Belgien;
! ^ie Konfereng ber banerifdjen gabrifen* unb ©croerbc*gufpeftoreii.
— Örganifation Der gewerblichen Unfalloerfidjentng in granf*
i reieg. Bon g. Schottgoefer, ^ariS; Xie llnfalloerftcgenings*
oorlage in ben Aicberlanbeit. Bon Dr. g. H- oan ganten,
Amftcrbam; AlterSoerforgung unb Arnumfiirforge in ©nglanb. -
Cbligatorifdjer ArbeitSnadjroeiS ber Bärferinnung in XrcSben;
Stäbtifcger Arbeitsnachweis für Schöneberg; görberung ber gadi*
auSbilbung burcg ben ArbeitSnadjroeiS in Xfiffelborf. — Stiftungen,
Bcrmädjtniffe unb Olcfdicttfe gu ©iinfteu ber Arbeiter. — Arbeiter*
roohmtngsioefen: SöognungSpflcgegcfeg in Liibecf; 2 feue Arbeiter*
folonic bei Berlin; BJobming*oerljältuiffe in anierifamfdien Stabten.
Regelung ber Arbeitszeit ber ^ugfii^rcr unb Heiger in granf#
reich; Betriebsunfälle auf ben groftbritannifegen ©ifenbagnen:
Arbeilsoergältniffe auf ben italienifdjen Bagnen. — gnrjaltSatignbe
beS ©etoerbegeriegts s )te. 11 .
@<»etbefler^cht ,, erfegeint am erften $omtetftafle jeben SRonat« im SRhtbefhimfange bon Vs Bogen gum B*eife oon 1 SK. jäbtlid&. — BefiellunacTi
nehmen f&mtnittdje Boftanftalten ($oft)eitung3mnmnet 2877) unb Buchhcmblungen an; ein bheftet Begug oon ber Berlaglbuchganblung pnbet nicht ftatt.
»erlag oon »untfet ä Oumblot, fieipiig. — 9ebrudi bei 3ullul 6tttenfe(b In »erlln w.
IT. dtefyrgimg.
©erKn unb grwmffurt a. SM., ben 7. ©eptetn&er 1899.
Sbmnuer 12.
in« ©eroerbegeridit.
Znittfyetlungen bes Derbanbes tfci?er (ßewerbegericbte.
SBerantroortUd) für bie SRcbüftion: ber Oef^dftSfü^cer be8 ScrbanbeS, ©tabtrat^ Dr. jfUfilf, granffurt a. SK.
% rf4d*I m aHa {«Nu
»erlag Don ©und« & $umblot, Seip&tg.
f «i» HOrfi» 1 JM-
■v» *' 1 ' 1
Äoftenfreie »ctlage jut f ®ojiaIen flrajll' 8 .
Inhalt
SRefultate bec 8Red)tf ptedjung
eines größeren ©emerbege*
ticbt».137
©er ©nttourf eine» ©efefceS be»
treffenb bie Abänberung ber
©emerbeorbnung.140
9*rffif|Tttitjr nnb ^erfahrt*... 141
©efterbegeriebtSwabl. UnrtdiHge SooS*
giebung. Söahlred&t ber »rofutiften.
Stdrtrprt^ung.142
3ft ba» ©ettierbegericbt gufiftnbtg für
Ätagen Don ÜRufTfern nnb Äflnfilern
nteberer ©aitung gegen Unternehmer
Don fog. ©peiialitöten-Sorftellungen ?
(©cioerbegericbt Hamburg.)
3ft bie einfeltige Äenberung ber
ÄünbigungÄfrift »fthwnb be« Ar*
beitSDerbSUniffe» für beibe Stelle
binbenb? (©etoerbegeridjt tfrefelb.)
3ft bie orbnungSmäfelg erlaffcne
ArbeitSorbnung für ben Arbeiter
oerbinblidj, auch toenn fte ihm nidjt
befannt gegeben ift? (@etocrbegeric&t
ftranffuct a. ÜJt.)
HtvftiiMtnts .143
Aleine SJüUtbellungen.
jUrbanbs-JlitffUgettbetttit... 143
Sur SRad&ric&t.
Srtefhaflni.143
_fi, ©armftobt. — »erfäiebene
Anfrage.
Abbtud fümmilitber Arttfel ift Seitungen unb Seitfdjriften gejlutiet, jeboeb nur mit
Doller OueQenangabe.
HefnUate ber Ked)t|pred)mtg eine« größeren
(Bemerbegeridjt«.
Ski ben Skrhanblungen beS ^Reichstages über bie 3 ur Ab-
änberung ber ©eroerbcorbituug unb beS ©ewerbegericbtSgefeßeS ge*
malten Vorlagen, cbenfo wie bei ber Skrbaitblung über bas ©efefe
Zum 0d)uö ber Arbeitswilligen werben üorcuiöfidjtlicf) aud) bie
üblichen Angriffe gegen bie ©eroerbegeriebte wieberbolt werben.
Sielleicbt wirb baber bie nacbfolgenbe Statiftif über bie SEhätigfeit
eines größeren beutfeben ©ewerbegeriebts beS granffurter ©ewerbc*
geriete) aus ben fahren 1887—1899, befonberes Sntereffe er*
weefen. ©S fonnte bis auf baS 3abr 1887 gurüifgegangen werben,
weil bas gewerbliche @<bieoSgericbt baS in granffurt a./5R. uon
1887 bis gur ©infübrung beS ©eroer&egericbtSgefebeS in Xbätig*
feit war, ganz auf bemfelben Skin^ip ber unmittelbaren unb ge¬
heimen Skifißerroabt ber öffentlichen Skrbanblung, ber Skrpflicbtung
ber Skifiber zur Annahme oon 6ibungSentfd)äbigung (J. 18 beS
©ewerbegeridbtSgefebeS) beruhte unb aud) ganz biefelbe wompetenz
batte, wie bie ©ewerbegeridjte beS ©efefceS notn 27. 3fuli 1890.
2)aS ©rgebitiß ber 3abkn ift tuie aüfeitig anerfannt werben
wirb, ein bbd)ft erfreuliches: $ie 3abl Sserfäumniß-ltrtbeile
(0palte 8), bie inSbefonbere feit oem Qabre 1892 fortwäbrenb
geftiegen war unb 1895 = 19, 8 o/ 0 betrug, beträgt jeßt nur 6, 6 %,
b. b- bie 3öbf berjenigen Klagen, in welchen bie Skrtßeibigung
ausficbtslos wäre, ober aus fonftigen ©rünben (3ablunaSunfäbig-
feit u. f. w.) unterlaffen wirb, b fl t fieb fortbauernb uno erheblich
oerminbert. ©s fommt feitener als früher cor, ba& Arbeit*
aeber flare Slnfprüdhe ber Arbeiter — bie ja meiftenS bie
ftläger finb — nicht beliebigen; bie Arbeiter erhalten ihren
£ohn prompter ausbegahlt. 1 )
Slubererfeits h Q t aber bebeutenb juaenommen bie 3ahi ber
eJräHe^ in bcneit bie. Älage oor ober in ber SSerhanblung jurücf*
genommen warb (0palte 6). $)aS finb nur ^um fleinen %ty\l
0treitfachen, in welchen ber Skflagte oor ber SSerhanblung ben
Kläger befriebigte, bie alfo baS eben ©efagte beftätigeu würben.
SfteiftcitS haabelt es ficb bei ihnen um biejenigen Qrälle, in benen
ber Kläger oon ber SRecbiSmibrigfcit feines 5ln|prucbs ficb über¬
zeugte, ober burtb ben Sorfibenben überzeugt warb; biefe m .t ber
©rlebigung umfaßt in bem lebten 3ah^ (Spalte 6) regelmäßig
17—18 o/ 0 fämmtlicber Klagen, mäbrenb fie früher 3^ (1887),
2, 8 (1888), 1,4 (1889) betrug.
$)iefe 3 af)t ift um fo intereffanter, als fie offenbar in 2 Se<bfel-
wirfung fleht mit ber %al}l ber 83eraleicbe ( 8 pahe 10 ). 2)iefe be¬
trug anfänglich 70— 800 / 0 ; jeßt 3 .^. 1897 = 47, 8 ; 1898 = 53, 3 ).
etat«.
jafjr
3af;l ber anhängig geworbenen
Btecbtsftreitigfeiten jwifcbeii:
©rlebigung oon SiechtSftreitigfeiten burdj’
©egen
©nbnrtheile
Arbeitern
unb
Arbeit¬
gebern
Arbeit¬
gebern
unb
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§. 277 b.
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9
10
1898/99
1431
47
1 1479
9
0,5
270
18,3 i — I —
97
6,6
307
20,8
796
53,8
7
2
3
1897/98
1374
66
4 | 1 444
6
0,4
251
17,4 1 4 1 0,3
181
12,5
812
21,6
690
47,8
6
2
4
1896/97
1 465
35
1 i 1 501
9
0,6
265
17,7 | 5 | 0,3
146
9,7
509
83,9
567
37,8
8
2
—
1895/96
1 690
30
11 1731
11
0,6
93
5,4 | 55 1 3.2
342
19,8
383
23,i
847
48,9
10
5
—
1894/95
1 836
23 |
2 1 1 861
5
0,3
16 5
8,9 1 68 | 3,8
361
19,5
373
29,i
889
47,4
2
1
1
1898/94
1 769
22 !
4 1 795
7
0,4
115
I 6,4 1 49 2,7
307
17,1
392
21,8
925
51,6
—
—
—
1892/93
1284 »
36
21 1341
1
0,7
64
4,6 7 0,5
183
13,5
305
22,6
781
58,1
1
—
—
1891/92
1 207 ;
56 !
1 1 263
2
0,2
39
3,i 5 ! 0,4
49
3,9
251
19.8
917
72,6
-
—
~) 3 J
1890/91*)
990 I
88 1
- i 1 078
86
3,3
14
1,3 ■ — : — |
81
7,5
196
18,2
751
69,7
—
-
-
1889/90
919 1
69 !
I 988
82
3,3
14
1,4 —! —
75
7,6
78
7,9
7S9
79,8
—
—
l
1
1888/89
607 ;
74 j
— 1 681
29
4,3
19
2,8 — I — !
20
2,9
46
6,8
567
83,2
—
—
-
1887/88
493
38 1
— 526
12
2,3
19 1
*•1 — 1 — 1
18
3,4
63
12
414
78,7
—
—
— )
J ) ©inen gerDtffen ?lntheil hieran bürfte aüerbingS auch btc fonftante Stecbtfprecbung beS granffurter ©ewerbegerirfjts bejüglirf) ber §intcr=
männer („.Uapitaliften") ber als Arbeitgeber oorgefebobeuen, oöllig mittellofen [ogenannten Unternehmer haben.
2 ) 23is 1*91 beftaub baS gewerbliche ©chiebSgerichte, gegen beffen Urteile Berufung in feinem gafl juläffig war.
189
©öS öemerbegeridht. SRttt$etlmtgeit be* Betbonbe* beutfd|er ©eroerbegertdhte. Rr. 12.
140
@8 fomtrt alfo feiten er als früher oor, bafe ber Beflagte
im BergleidhSroeg einen X^eil beS gegen ihn aeltenb gemalten,
fachlich ungerechtfertigten Anspruchs bewilligt; aber häufiger, ba&
foldhe ungerechtfertigte Anfprüche guriiefgegogen werben, ofene bafe
ber Kläger irgeub etwas erhält. ©S ift eine oft erhobene $Iage,
bafe oon beni §. 39 bcS ©ewerbegeridhtSgefefeeS ein allgu encrgifcher
©ebraud) gemacht roirb, fo bafe Sie oerftagte Partei bezahlte, um
bem ©rängen gum Vergleich ein ©nbe gu machen, unb bafe auf
biefc Art fetbft eine frioolc Silage gu einem gemiffen ©rfolg führte,
©iefer Brifebrauch fann natürlich auch ÜOr bim Amtsgericht geübt
werben; im ©egentheil wirft bie Befürchtung, bafe eine fnoole
5Hage in einen langwierigen unb fofifpieligen AmtSgerichtSprogefe
oerwicfeln fann, {ebenfalls noch abfehreefenber, als bie AuSftcfjt auf
ben unter allen Ümftänben Jürgen unb wenig foftfpieligen ©emerbe*
geri<ht§*$roge&. Aber gerabe gegen baS ©ewerbegericht wirb ber
Borwurf befonberS oft erhoben unb um fo intereffanter ift es,
bafe unfere ©abelle gwar erfennen läfgt, bafe nach roie oor ber
größere ©h e d ber Klagen burd) Bergleich erlebigt wirb, bafe aber
gugleich bie berjenigen Sälle, in benen ber Kläger bie Silage
gurücfnehmen ntufe, alfo nichts erhält, gemachten ift. 2öo flareS
Unrecht beS Klägers oorliegt, wirb alfo, wie bie 3 a ^ en
beweifen, mit fteigenbem ©rfolg berBerfuch gemacht, ihn
gur 3nrücfnahme ber Silage gu oeraitlaffen.
©nblich h Q i bk 3®&l ber ftreitigen Urtheile (Spalte 9) gwar
gegen bie ber aüererften Sabre beS gewerblichen ©chiebSgerichtS,
bas lieber ©chiebsfprüdje als Urtheile erliefe, nicht aber feit ©in*
fübrung bes ©emerbegericfjtsgefefees gugenommen. ©ie beträgt
nach wie oor burchfdjnittüch etwas über 20 o/ 0 ber Klagen unb
bie 3nh^ ber frlagefachen felbft, bie in ben lefeten Saljren, wohl
in golge ber giinftigen lüirthfd&aftUchen Stonjunftur, trofe ber ftarfen
Bergröfeerung ber ©inmohnergahl, wefentlid) gefallen ift, Ijnt fi<h
nie in einer Art oermefert, welche ben ©tauben erweefen fönnte,
bafe gerabe bie — nie gang oermeiblichen — frioolen Klagen in
bebenflicher Steife gunehmen.
Alle biefe 3 ö (tf e n, bie ja oon ber ©hätigfeit bes Borftfeenben
faft gang unabhängig finb, finb um fo wichtiger, als fie fith in
einer ©tabt ergaben, in ber bie Sührerfd^aft ber organiftrten
Arbeitgeber uno Arbeitnehmer ben Sampf um bie oermeintlichen
Sntereffen ber ftd> entgegenftehenben wirtfefchaftlichen Parteien in
befonberS feferoffer Böetfe führt, in ber g. B. Sie nicht fogial*
bemofratifd)en Arbeitgeber feit gwei fahren bie SSahlen gum ©e-
werbcgericht, unb bie fogialbemofratifchcn Arbeiter*Beififeer bes
©emerbegerichts bie Wahlen gur BerwaltungSfommiffion ber
ArbeitSoermittelungSfteHe oerweigern, bie ©inen, weil nach ber Be*
hauptung ber SnnungSoorftänbe ber ©influfe ber ©ogialbemofratie
auf bas ©ewerbegeridjt gu arofe, bie Anberen, weil er nach ben
Behauptungen beS fogialbemofratifchcn BrefeorganS bei ber
ArbeitSoermittelungSftelle gu gering wäre! Um fo bebeutfamer ift
ber Nachweis, bafe trofe ber aus anberen ©rünben fo fehr gu be*
flagenben etnfeitiqen BefefeungbeS ©emerbegerichts, bas feit gwei
Sahren ausfthlie^lidf) oon TOtglieberu ber fogialbemofratifchen
Bortei gufammengefefet ift, bie BMrffamfeit beS ©emerbegerichts als
©pruchbehörbc nicht Roth leibet, bafe oielmehr bie Bciftfeer ihr
S^ichteramt forgfältig unb gemiffenhaft auSüben.
B3ir gweifelti nicht baran, bafe biefe giinftigen unb für
Arbeiter wie Arbeitgeber gleidj eferenoollen S^efultate:
genauere ©rfiillung ber gefefelidjen Berpflichtung feüenS ber Arbeit*
geber, geringere Bkhrfdfeinlichfeit mit einer frioolen Silage im Ber*
gleidjSmeg, etwas gu erreichen, auch & c i anberen ©ewerbegcrichtcn
j'id) beobachten liefeen. 3e ben falls wirb ©erjenige, ber
Sie Borwürfe ber BarteÜidfefeit gegen bie ©ewerbe*
gcrichte mieberbolen will, fid) mit Siefen 3 a hlen aus*
eiuanbergufefeen hoben. diejenigen aber, welche bie ®e*
häffigfeit peinlid; berührt, mit ber bie fogialpolitifdien ttätnpfe,
insbefonberc, wenn and) nicht allein in ben Arbeiterblättern
unb in ben Arbeiteroerfammlungen, geführt werben, mögen ans
ben 3ahlen bie fidiere llebcrgeugung fdjöpfcn, bafe felbft in einer
©tabt, in ber bas ©ewerbegericht ausfd)Iicfelich in ben jiänben ber
fogialSemofratifchen Bortei ift, biefe jpefeereien nidjt oermocht hoben,
Sie gu Rid)tern berufenen Angehörigen ber fogialbeuiofratifdjen
Bartei in ihrer ©heilnaljmc au ber Bedjtfprechung ungüuftig gu
bceiufluffeu. llnb wenn bieS ben gefefelidjcit ©inn unferer Arbeiter
im giinftigen liefet erfdieincu läfet, fo wirb bie 9iuhanwenbung für
bie ©ingangS erwähnten, in Berathung bepnblichen ©efefee oon
felbft gegogen werben fönneu.
| Ber dtthotttf ti »es CReft^e? hetr. Me Äbättbtmng
| btt CRewerbeerbimttg.
©ie 16. Stommiffion bes BeidhStaaS h at ^' c f cn Entwurf
einen ausführlichen Bericht erftattet (wr. 393 ber ©rueffadjen be§
Reichstags); allein bie 3ufantmenfteltiiug ber Beftimmungen beS
©ntwurfs unb ber AbänberimgSoorfchläge ber ^omntiffion umfafet
nid^t weniger als elf ber grofeen ©eiten ber Reichstagsbrudffacheri.
©enn. gur 3 C ^ innerhalb unfereS BerbanbeS felbft bie
wichtigen fragen ber DrganifationSänSerung u. f. m. fdhwebten, fo
würben wir ben ©ntmurf wohl ähnlich wie f. 3*-. bie ben Arbeite*
oertrag betreffenben Beftimmungen beS Bürgerlichen ©efefebucheS
fämmtUchen BHtgliebern in befonberem Abbrucf gugänglich gemalt
unb fpegiell gu feiner Berathung eine Stonfereng ber ©ewerbegerichte
angeregt hoben. 3» r 3 c ü mufeten wir uns bamit begnügen, in
Rr. 9 ben für bie tägliche Arbeit ber ©ewerbegerichte mid)tigften
ber SfommiffionSoorfchläge: — bie burdl) uns augeregte gorberung
ber Btöglichfeit jebergeitiger Auflöfung beS gewerblichen
ArbeitSoerhältniffeS „aus wichtigen ©rünben" mitgutheilen
unb in Rr. 11 auf Sie burch ben ©ntmurf inbireft herbeigeführte
©rmeiterung ber Sfompeteng ber ©ewerbegerichte auf*
merffam gu machen.
©S follen aber nun auch rotchtigften ber übrigen Aenberungä*
oorfchläge, bie faft burdhweg Berbefferungen bes ©efefeeS bar*
ftellen würben, t)icr angegeben werben. Btenn bie ©ewerbegerichte
nicht gu © ii ta ch te it über ben ©ntmurf aufgeforbert worben fenb,
fo ftcht ihnen baS Recht, Anträge gu ftellen, gweifellos frei, unb
Sie folgenben BUitheilungen werben wohl bie Rothmenbigfeit einer
Briifung beS ©ntwurfs Har oor Augen führen.
1. 1 . 3ür gabrtfarbeüer ift oon SSidjtigfeit bie oott ber
Äommtffion als Arttfel 6 a beS ©ntwurfs neu oorgcfdjlagcnc
beftimmung gu 134b Abjafe I Siffer 2 ber ©ewerbcorbmtng; bie
ArbeitSorbming barf fortan ©onnabenb ober ©onntag nicht mehr als
regelmäfetge !L # ohngahlungStage oorfehen. ©ie Sohngahlung nuife oicb
mehr, falls bic untere BcrwaltungSbehörbe feine Ausnahme gefrattet,
an anberen ©agen gefthefeen.
2. ©em BunbeSratl) foH fünfttg (Arttfel 6 beS ©ntwurfs, §. 114 a
neu) baS Recht guftehen, für beftimmte ©ewerbe fiohnbücher ober
Arbeitsgcttel oorgufchreiben. ] ) 3n biefen ntiiffen Art unb Umfang ber
übertragenen Arbeit, bie Sohnfä^e, bie ©ebingungen für bie Siefenmg
oon SBcrfgcug unb Stoffen gu ben übertragenen Arbeiten unb bie
für $oft uno SBohnung angurechnenbe (Jntfcbäbigung eingetragen
werben.
3. ^ebenfalls foll aber ber Arbeitgeber fünftig (3ufafe ber Itom*
miffion gu bem ©ntmurf, gebacht als §. 134 Abfafe 3) für alle nünbet*
jährigen Arbeiter ein Sohnoudj einridhten, bas Bei oer Sohngahlung bem
Arbeiter ober feinem ge[c^lid;cn Bertreter auSjuhänbigcn unb ooit bem
©mpfänger oor ber nachften 2 olmgahlung gurücfguretchen tft.
©as Sohnbuch ift im ©ingetnen wie baS bereits für minberjabrige
Arbeiter beftehenbe ArbettSbud) eingerichtet.
4. ©er BunbeSrath famt ferner (Artifel 6 III ber ÄommifjtonS*
anträge, §. 137a neu) für beftimmte ©ewerbe,*) tu benen
Arbeiterinnen ober jugenblichc Arbeiter neben ihrer Befdfjäftigung
in ber Sabrif, gu £>auS bcfdjäfttgt werben, bie Befchäfttaung aufecr*
halb ber ftabrif befcfjrcinfcii, insbefonbere in ber Art, Safe ihnen für
bie Xage, in benen fie ooll befchäftigt waren, Arbeit nad) §auS über*
haupt nicht, für anSere Sage nur infoweit gegeben werben barf, bafe
bie für Sie betreffenben ©age gefefclicfie ArbeitSgeit nicht über*
fchritten wirb.
5. ©as Recht ber ©emeinbe für jugenbliche Arbeiter burdh ftatu*
tarifche Beftimmungen ben gortbilbungSfchulgwang einguffihren, foll
fünftig (Arttfel 6 a oeS ©ntwurfs, 3ufajjantrag ber Äomnüfpon) burd
entfpredjenbe Aetiberung bes §. 120 Abfafe III audj auf wciblidje
§anMungSgehütfintien unb Seferlinge auSgebebnt werben.
6 . ©er burch Sie ftommiffion auf Anregung unferer Bctition oor*
gefelicneu ©rweiteriing beS §. 124 a auf afie gewcrblidhcn Arbeiter,
(Arttfel 6 b 9) ift bereits gebadet, ©ie §§. 123 uttb 124 würben alfo
fünftig Iebiglidj Beispiele uttb nicht mehr oollftänbiae Sfataloge ber
ftälie barftcüen, in betten bic fofortige fünbigitngSlofe Auflöfung ber
Arbeitsoerbältniffe geftattet ift.
7. (Sine Reihe ausfcbltcfelid) auf bie Berhältniffc ber Betrieb**
beamten, Sßerfmeiiter unb ©edjttifer begüglidjcr Borfchriften (Artifel 6 c
neu; §. 133 a, §. 133 a, c) werben BtangelS ein Raunt nicht auf geführt;
fie idjreibcn itwbefotiberc ©Icidjheit ber 5fünbigungSfriften für beibe
Xlieile uor, ba bie cntfpredjeuSc Borfchrift bes §. 122 ber ©ewerbe*
orbmutg fidj nur auf ©cfcllen uttb ©ehülfen, unb nicht auf Sie be*
3 eid)ttetctt Angeftettten begiefet.
! ) ©er ©ntmurf war oon bem fpegieHen gaH ber burdfe ben grofeen
Berliner Streif unrühmlich befannt geworbenen ArbeitSbebingungen bn
Kleiber* unb BSäfdjcfonfeftion ausgegangen; bie Äommtfpon hat ben
©ntmurf oeraUgcmeinert.
*) Bgl. bic Amncrfung gu I, 2.
141
So* ©emerbegeridjt. Mitteilungen be* Berbonbe* beutfdjer ©eroerbegertcßte. 9h. 12.
142
II. ©eßülfen, Leßrlinge unb Arbeiter in offenen Ver¬
lauf §ft eilen. $>er unter btcfcr Vegeidjnuttg oon bem Entmurf gur
Einfdjaltnng in 52TttcI 7 ber ©emerbeorbnung oorgcfeßenc Abfcßuitt VII
umfaßt §. 139 c, d, e, ee, f, g, h, hh, hhb, i. Er orbnet für „offene
VeTfaufSftetten unb bie bagu gehörigen Scßteibftnbeit (Äontore) unb
Lagerräume" an, baß ben ©eljitlfen, Lehrlingen unb Arbeitern nadj
Veenbigung ber täglichen Hrbettö^eit, eine ununterbrochene Vußegeit
oon uitnbeftenS gehn Stunbcn gemährt merben muß/ bie in ©e*
meinben oon mehr als 20 000 Eiumoßnern für bie bort befinblicßen
offenen VerfaufSfieHeti, bie ntinbefienS gmei ©eßülfen unb Lehrlinge
befchäftigen, auf minbeftenS elf Stunbcn erroeitert ift. ES rnufj ferner
eine angetneffene MittagSpaufe für Leute, bie außerhalb beS ©efcßäftS effen,
oon mtttbeftenS 1 1 2 Stunbe gemährt raerben. Ausnahmen ßieroon
tonnen jeborf) für Arbeiten gur Verhütung beS VerberbenS oon SSaaren,
Snoenturarbeiten, Umgüge unb an jährlich ßöcßftenS 30 onberett Sagen
ftattfinben (§. 189 a).
Auf Antrag oon minbeftenS gmei dritteln ber ©efcßäftsinßaber
einer ©enteiitbe fann angeorbnet merben, baß alle, ober eingelne ©c*
fcßäftSgmeige gmifchen 8 Uhr AbenbS unb 6 Uhr Morgens, ober groifcßen
9 Ußr AbenbS unb 7 Ußr Morgens, ober mährcnb einer beftimmten
Stunbe um bie MittagSgeit gefcßloffen fein müffen.
Auf Antrag oon einem drittel ßat bie höhere VermaltungSbeßörbe
bie Setheiligten gur Acußerung über bie Einführung fold^cr Veftimmung
aufguforbern unb lann bie entfprechenbc Anorbuuitg treffen, meun
*/s Majorität eS befürmorten (§. 139c). ScbeufaHS muh «ber oon
9 Uhr AbenbS bis 5 Uhr Morgens Labeitfcßluß ftattfinben (§. 139ee),
natürlich mit Ausnahme oon beftimmten gällen. §. 139 f unb g beßncn
fobann, unter Vegucjnaßme auf §. 62 Abfaß 1 beS f>anbelSge|eßbucßeS
bie Veftimmung beS §. 120c begüglicß ber bei ber Einrichtung ber VetriebS*
ftätte gu mahrenben Sftüdficßteu auf ©efunbßeit unb Sittlicßfeit, auch auf
bie offenen Verfaufsftellen aus; §. 139h beSgleichen bie Verpflichtung ber
Lehrherrn (§. 127 ber ©emerbeorbnung) begüglicß beS Hinhaltens gum
Vefudj ber gortlülbungSfcßuIe bureß bie Lehrlinge, auf bie gnßabcr ber
offenen Verfaufsftellen.
Enblich feßreibt §. 139 hh für offene VerfaufSffeHen, bie in ber
Siegel 20 ©eßülfen befchäftigen, eine ArbeitSorbnung nach Analogie beS
§. 184a oor, unb oeroietet §. 139hhh baS übermäßige galten oon
Lehrlingen (Sinolog §. 128 ber beftehenben ©emerbeorbnung).
III. Sie Äommijfton mill gufäßlidj gu bem SRegierungSentrourf
baS ÄranfcitoerfidjerungSgefeß bahin abänbern, bah bie Äranfen-
oerficherungspflicht auf ^auSgemerbetreibenbe fünftig nicht
nur burch ftatutarifche Veftimmung einer ©emeinbe, fonbern auch burd)
Vefcßluß bes VunbeSratßS für befümmte ©emerbsgmeige ober örtliche
Vegirfe auSgebeßnt merben fann.
IV. Sie Äommiffion fdjlägt oor, burch Aenberung beS §. 381 ber
©emerbeorbnung ben Eentralbcßörben bie Möglidjfeit gu geben, ben
©efinbe* unb ©tellenoermittlern bie Ausübung ißreS ©emerbeS
im Umßergicßcn, fomic bie gleidjgeitige Ausübung beS ©aft* unb Scßanf-
rcirthfchaftSgemerbeS gu unterfagen unb fte gu oerpflichten, nicht nur —
mit bem StegierungSentmurf — ihre Sagen ber Sßoligeibeßörbe ein¬
gureichen unb in ben ©efcßäftSrä unten angufchlagen, fonbern auch bem
eingelnett Steflenfucßenben biefe Sagen oor Abfcßluß beS ©efcßäjtS
mitgutheilen.
3eber, ber bie Verßältniffe ber Arbeitsoermittelung fennt, meih
inSbefonbcre, mie bie Vereinigung ber ArbeüSoermittelung mit bem ©aft*
roirthSgemerbe bie ungefunben änftänbe auf biefent ©ebiete fovbert unb
f jerabe gur Srunlfucßt 2 c. leitet. Schon ber Uutftanb, bah bie öffent*
iche ArbcitSuermittelungsfteHe ben ArbcitSlofen beit Aufenthalt in
foldjcn Scßanfftellen erfpart, ift ein mefetttlicßer Vorthcil.
Berfaflhng »nt» OerfaJjrt».
©e»erbegmd)t$mößtt Unrichtige LooSgießimg. Sföüßlrcdjt btt
tytiänüfm* (Vefcßluß beS VegirfSauSfcßuffeS gu Stettin 00 m
4. 3nli 1899. Eingefanbt oom ©emerbegerießt für ben Stabtbegir!
Stettin.) Sie Vefcßmerbe gegen bie SiecßtSgüttigfeit ber Vktßlen
im III. unb IV. BSaßlbejirr ift frift* unb formgereeßt erhoben.
Sie Anfechtung ber ©ülhgfeit ber Wahlen ber Veiftßer aus bem
Greife ber Arbeitgeber im III. Vkßlbegirf erfdßeint auch begrünbet.
Sa bei ber VSahl ^cht Arbeitgeber bie gleiche unb gröhte Stimmen-
gahl erhalten hatten unb nur oier Veifther gu mahlen maren, hatte
gemäh §. 17 Abfah 6 beS DrtSftatutS für Das ©emerbegericht h^r
00 m {5 ^pt if ßooSgiehung ftattgufinben. hierbei hatten
nach feftftehenber ©erichtSpragiS oon acht je mit einem
tarnen befhriebenen ßoofen oier gegogen merben müffen. Statt*
beffen ift nach ben fiattgehabten drmittelungen oon gmei je mit
oier tarnen befchriebenen ßoofen eines gegogen morben. Siefer
Verftoh mar geeignet, oon mefentlichem Einfluß auf baS Söahl*
ergebniß gu fein, unb muß beShalb bie Ungültigkeit biefer Wahlen
auSgefprochen merben.
Sie SBahlen im IV. 2ßahlbegir!e müffen bagegen für gültig
erachtet merben. Sie Veftimmung beS §. 14 Abfafc 1 beS ©emerbe*
aeriitSgefeßeS 00 m 29. Sali 1890, baß ben Arbeitgebern bie mit
oer Leitung eines ©emerbetriebeS ober eines beftimmten 3®eifleS
beffelben betrauten Stelloertreter ber felbftänbigen ©emerbe*
treibeuben gleichftehen foHen, fann nur bahin oerftanben merben,
baß biefe ^erfonen als „Arbeitgeber", nid)t als „Arbeitnehmer"
mahlberechtigt fein foüen. Sie Annahme beS VefdjmerbeführerS,
baß biefe s ßerfonen nur in Stelloertretung beS an ber VSabl
behinberten ©efdhäftSinhaberS mahlen bürften, baß alfo für jebeit
©eroerbebetricb immer nur eine $erfon mahlen bürfe, finbet im
©efeß feine Unterftüßuna, erfcheint aber auch unbegründet. Senn
in biefem Sfatt mürben oie betreffenben $erfonen oon bem Sßahf*
recht überhaupt auSgefdjloffen fein, roeil fie als „Arbeitnehmer"
auch nicht mahlen bürfen.
Db ber Kaufmann 9t. thatfächlid& nicht roaMberechtigt mar,
fann enblich auch babingefteEt bleiben, ba feine Stimme auf baS
Söahleraebniß ohne Einfluß gemefen ift. Es mar bemgemäß nach
§. 15 beS cit. ©cfeßeS in Verbinbung mit 3iff er
EEinifterialerlaffeS 00 m 23. September 1890 (ERinifterialblatt für
bie innere Vermattung Seite 206) fo mie gefeßehen gu befdjließen.
Ser Vegirf$auSf<huß gu Stettin.
nu^lfpceiliitttQ.
3ft bas ©emerbegericht guftänbig für Älagen 0011
Mufifern unb Äünftlern nieberer ©attung gegen Unter=
neßmer oon fog. @pegialttäten*Vorftellungen? (Entfdßeibung
beS ©eioerbegericßts Hamburg.)
Äläger, melcße Mitglieber ber ÄapeEe beS ^anfatßeaterS fmb,
haben*oon bem Sireftor beS SßeaterS Ausgaßlung oon Lohnreften in
Veträgen oon 8 bis 11 *//., gufammen 174,ee M. geforbert.
VeHagter ßat Abmeifung ber Älage beantragt. erfter Linie
roerbe bie Einrede ber llnguflänbigfeit beS ©emerbegerichts erhoben, ba
bie Äläger nicht gemerblidje Arbeiter, fonbern Äiinftler feien.
Entgegen ber Auffaffung beS ©emerbegeridjts Berlin, melcßeS
aEe „5Hinftler" im meiteften Sinne nidjt als Arbeiter im Sinne bes
Titels VII ber ©emerbeorbnung anfießt unb fid) baßer für Älagcn
folcßer Berfonen gegen ißre Arbeitgeber in ©emäßßeit §. 2, Abf. 1 bes
©emerbegerießtsgefeßes nidjt guftänbig erachtet, ßat baS ©emerbegeridjt
Hamburg fieß in langjähriger fßragiS ftets auf ben Stanbpunft geftellt,
baß man gu unterfeßeiben ßabe gmifeßen Äiinftlern im engeren Sinne,
b. ß. folcßen, bei bereit Sßätigfeit ein ßößereS Sutereffe ber Äunft ober
SBißenfcßaft obmaltet, unb folcßen B^rfonen, melcße fuß groar aueß gerne
als „Äünftler" gu begeießnen pflegen, bereit $ßätig!eit flcß aber in 2Birf*
ließfeit lebiglidj als eine gemerbSmäßige barfteKt, mie Artißen, 5:ßier*
bänbigertt, Sängern in Cafös chantants, Mitgliebern uttbebeutettber
Mufiffapellen, Sdjaufpielerit oon Vari^t4=ißeatern u. f. m. Sie Älagen
oon ^erfouen ber leßtgenaiinteit Äiinftlergattung gegen ißre Arbeit¬
geber ßat bicS ©erießt ftets gugelaßen, oorausgefeßt, baß im EittgelfaÜe
(naeß ben fontraftlidjen Vefthnmungen) ber betreffenbe Äläger fidj in
ber 2ßat als ©eroerbSgeßülfe, unb nidßt als felbftftänbiger Unternehmer
ermieS.
3m oorliegenben fVaHe fmb nun im erften VerßanblungStermine
infolge ber Einrebe beS Veflagten beim ©erießt 3n>eifel barüber ent=
ftanbeit, ob bie bisßerige Sßragis genügenbe Vegrünbuitg in beit gefeß*
ließen Veftimmungen finbe, unb bas ©erießt eraeßtete es baßer für
münfdjeitSmertß, bie grage noeß einmal einer grünblicßen Prüfung gu
untergießen, unb gmar in oerftärfter Vefeßung unter Antoenbung bes
§. 10, Abf. 3 beS ©efeßes betr. baS §antburgifcße ©eroerbegefeß 00 m
13. gebruar 1892. $5aS Vefultat biefer Prüfung ift, baß eS uttbebenflicß
erfeßeint, bie bisßerige V?agiS beigubeßalten.
9?adj§.2 beS ©emerbegeridjtSgcfeßeS gelten als Arbeiter im Sinne biefeS
©efeßeS alle biejenigen ^Jerfonen, auf melcße ber Sitcl VII ber ©emerbc-
orbnuiig Anmeubung finbet, alfo aEe „gemerbließen Arbeiter" nur
mit ber ßier nießt in Vetracßt fomntenben Einfcßränfuttg, baß gemiffe
Äategorten biefer ^erfonen, nämlidj VetrnebSleiter, ÜLerfmcifter unb mit
ßößem teeßmfeßen Sienftlciftnngeu betraute Angeftclltc nur bann als
Arbeiter für bas ©emerbegeridjt gelten foHen, mentt ißr gaßresoerbienft
2000 M. nießt überfteigt. Unter ben Begriff „©cmerblidjc Arbeiter"
faEen nun nadj ber aßgemein ßerrfdjettbeit Auffaffung nidjt mir bic*
jenigen $erfonen, melcße im praftifdjen Leben einen ber ttt ber Älamttter
gur Uebcrfcßrift bes VII. SitelS aufgefiißrten Vegeidjttungen gu füßreti
pflegen (©efeEen, ©eßülfen, Leßrlittge, Vrtriebsbeamte, SBerfmeifter,
2ecßnifer, gabrifarbeiter), fonbern aueß afle in äßnlicßcn Stellungen
149
Saft ©eroerBegerieft. SHtt^etümgen be$ SerBcmbef beutfdfjer ©eroerBegerichte. 9h:- 12.
144
für ble Sroedfe eines ©eroerBeBetrieBeS Befchäftigte perfonen (oergl.
Öanbmann, tfommentar jur ©eroerBeorbnung, Sanb II, SorBemerfung
ju Xitel VII unter 6 ). @8 fommt alfo fjaupiffldjlicfj barauf an, bap e$
pdp um einen ©eroerBebetrieB ^anbelt unb bap bie Setrepenben ben felBft*
ftänbigen ©eroerBetreiBenben in irgenb einer ©eife ntütelft ihrer HrBettS-
fraft behülflidfj pnb, baS ©eroerBe ju Betreiben. Huch rnup eS pdp
natürlich um ein ©eroerBe im ©inne ber ©eroerBeorbnung hanbeln.
Xap nun bie HuSüBung fünftlerifdper Xhätigfeit (int weitern ©inne) pdp
al$ ein ©eroerBe im ©inne ber ©eroerBeorbnung barfteflen !ann, er*
fcfjeint nidpt jroeifelhaft, benn §. 33 a bortfelBft fdpreibt für bie 33er*
anftaltung non ©ingfpielen, ©efangs* unb beflamatorifdpen Sorträgen,
©dpaufteßungen non perfonen, ober theatralifdpen Sorfteßungen eine
geroerBepolijeiltche ©rlaubnip oor, oorauSgefept nur, bap bie 33er*
anftaltung geroerBsmäptg gefdjiefjt unb bap baBei ein höh^
Sntereffe ber Äunft ober ©iffenfdpaft liiert oBroaltet. Xie ©teHung ber
einzelnen Zünftler in bevartigen ©eroerBeBetrieBen im Serpältnip ju
ben felBftftänbigen ©eroerBetreiBenben ift nun niept nur eine ähnliche,
fonbern ganj bie gleiche, roie bie ©tellung eines HanbroerfSgehülfen im
Serhältnip jum HanbroerfSmeifter, ober eines gaBrifarbeiterS jum
gaBrifljerm. XaSjenige, worauf in allen biefen Säßen ber ©eroerBe*
BetrieB ^auptfäd^tic^ Beruht, rooburdp „erworben" wirb, baS ftnb bie
fremben HrBeitSfräfte (faflS unb foroeit foldje Scrroenbung finben),
alfo Beim $anbroerf unb gaBrifbetrieB bie Xfjätigfeit ber ©efeßen,
Begro. ©e^ülfen ober Arbeiter, ober roie fie fonft im einjelnen gafle
Benannt werben, Beim ÄunftBetrieB bie Xhätigfeit ber einjelnen fo*
genannten Äünftler. ©8 ift alfo fein innerer ©ntnb oorhanben, biefe
tfiinftler, welche ftc§ ihatfädplidp als ©eljülfen beS geioerBSmäpigen
$unpBetrieBeS barfteßen, anberS ju Be^anbeln, als bie ©eplfen anberer
©eroerBeBetrieBe; audp bie fojiale ©teßung ber ftünftler nieberer Hrt
ift in ber Flegel feine Öeffere, als biejenigr ber Beffer fituirten §anb*
roerfsgeplfen. ©8 läpt pdp ferner aus ben einjelnen Seftimmungen
beS XitelS VII ber ©eroerBeorbnung nidpts bafür entnehmen, bap ber*
artige ©eroerbSgehülfen unter biefen Xitel nidpt faßen. Xiefer Xitel
erftreeft pch fogar auf bie Hanblungsgehülfen, inforoeit für biefelBen
niefjt bie ©pejialbeftimmungen beS HanbelSgcfepBudpS in Hnroenbung
fommett (oergl. §. 105 b Hbf. 2 ); bap für biefe Kategorie ber Hrbeiter
baS ©eroerBegeridpt oidpt jufiänbig ift, Beruht nur auf ber auSbrüdt*
liehen 33eftimmung beS §. 76 beS ©eroerbegeridptsgefefceS. ©dpon hieraus
ergieBt pdp, bap bie Hrgumeutation beS Reichsgerichts (Sb. 17 Rr. 20
©. 91) aus bem aßgemeitien ©pradjgebraud) nicht jutrefieitb ift,
benn im praftifdpen SeBen pflegt man bie HanblungSBefliffenen auch
nicht unter bie Hrbeiter ju rechnen, eBenforoenig roie bie Zünftler. Xie
angeführte Reid)$geridpiSentfdpeibung, auf welche baS berliner ©eroerBe*
geridpt fief) für feinen ©lanbpunft hauptfädpHdj püfct unb auf welche
pdp hier auch ber 33eflagte Berufen h fl h ift übrigens f<hon beShalB
nicht mapgebenb, weil eS fich bort nicht um bie grage panbelte, wer
Hrbeiter hn ©inne beS ©eroerBegeridptSgefepeS, Bejro. ber ©eroerBe»
orbnung, fonbern wer Hrbeiter im ©inne beS ÄranfenoerftcherungS*
gefefces fei, unb weil in bem Betreffenben Säße offenbar nidjt Zünftler
nieberer Hrt, fonbern SDfitglieber eines höheren SfunftinftitutS in Setrachf
tarnen. HßerbingS h ai BaS Reichsgericht fid) auch einmal mit ber
Srage Befchäftigt, ob Zünftler nieberer Hrt (XhierBänbiger) HrBciter,
unb jroar im ©inne beS ©eroerbegerichtSgefeheS feien (Sb. 87 Rr. 19),
unb Bat biefe Sw* 6 c verneint. Xie ©rünbe biefer ©ntfeheibung haben
aber eBenforoenig überjeugenb auf biefes ©eridfjt roirten fönnen, roie
bie HuSführungen in ber erftgenannten ReidjSgcrichtöentfcheibung, fo»
weit fte ftdh auf ben Segriff beS gewerblichen HrBeiterS Beziehen. S3enn
gefagt wirb (Sb. 17 ©. 91), bafj baS ^robuft ber fünftlerifchen
Seiftungen (Bei ©chaufpielern) feine greifbare ©adje fei, bah ih rc
Xhätigfeit nicht auf bie ^erfteßung eines „©eroerbSerjeugniffeS" ge*
richtet fei, fo trifft bieS ebenfo gut auf bie SarBiergehülfen, bie Äeßner,
ja aud) auf bie ^aitblungSgehülfen gu, welche ja aße sroeifelloS als
HrBeitcr im ©inne ber Rcidjsgeroerbeorbnung anjufchen finb. Xer
Broecf ber geroerblidjen HrBeit ift überhaupt audh in uiclen fonftigen
Säßen nicht baS §eroorBriugcn eines fonfreten ©egenftanbeS, fonbern
irgenb ein aitbrer burcf) perfoitlidje Xicnftc ju erreichenber ©rfolg.
Huch in ber anberit ©ntfeheibung (Sb. 37 ©. 67 u. 68 ) wirb baS
Hauptgewicht barauf gelegt, bafj bie Betreffenbe S e rfon (XhierBänbiger)
fein ©eroerBSerjeugnifj Ijcrfteße, unb cs wirb bann weiter ausgeführt,
es Banbele ftch baBei im roefcittlicheu barum, 51 t Beroeifen, welche .perr*
fdjaft gerabe ber Betreffenbe Xompteur für feine ^erfon über bie oon
ihm oorgeführten Xhiere erlangt, roie er fte ju leiten unb ber ©efaljr,
bie ber Serfetjr mit ihnen mit fid) Bringe, 51 t Begegnen oerftehe. S3ie
Bei Sorftellungeu non ©djaufpielern, Sängern u. f. ro., liege auch Beim
XhierBänbiger ber Scfjroerpunft in ber Sorfiihruug ber eignen Seiftungen
bes XompteurS, gu bcueu auch bie Sethätigung feines perfönlidjen
Rfuthes gehöre; ber 3)?enagerieBefiBer fontme babei nur inforoeit in
Srage, als er bie Stätte, wo bie Sorftcflungen ftattfinben, befd;afft, baS
SWaterial, an bem ber Xompteur feine ihtnft unb feinen SButh jeige,
hergeBe unb baS finanjieße Riftfo trage. — XemgegenüBer muh Bemerft
werben, bah eS ftch Bei aßen artiftifdfjen Sorführuttgen, einerlei worin
"biefelBen im einzelnen Beftehen, thatfädhlich nur barum hanbelt, bem
^itBIifum ftnnliche ©enüffe ju Bereiten, Bejro. bie S u wrtreiBen,
eBenfo roie Bei ber Sßrobuftion oon ©chmucfgegenftänben unb anberen
SujuSartifeln. 3n bem einen Säße gedieht eS lebiglidh burch Bloh
perfönliche Xienftleiftungcn, in bem anbent Säße burch bie Hmror*
Bringung fonfreier ©egenftänbe. ^erfönltdher SRuth ift auch ju anbern
©eroerBcn erforberlidj, j. S. jum ©eemannsgeroerBe (oergl. §.31 ber
©eroerBeorbnung); bah bie ©eefcfjiffer nicht unter ben Xitel VII ber
©eroerBeorbnung faßen, ift nur jufäßig, weil ihre Serhältniffe BefonberS
geregelt ftnb (bie Sinncnfchiffer faßen unter ben Xitel VII). Xaf* bie
Xhätigfeit bes felBftftänbigen ©eroerBetreiBenben ftch barauf Befchränft,
nur bie ©tätte unb baS Rtaterial für bie HrBeitSleiftungen ju Befdhaffen
unb bas pnanjieße Riftfo ju tragen, fommt auch eBenfogut bei anbern
©eroerBen oor; ja eS fann üBerhaupt Bei aßen SetrieBen oorfommen.
Rothroenbig ift eS auch Bei artiftifdhen SetrieBen nicht.
Siegen nach aßebern feine triftigen ©rünbe oor, bie geroerBs*
mähigen Äfunftgehülfen Begrifflich 8 U unterfchetben oon anbern ©eroerBS*
gehülfett, fo faßen auch pe mangels auSbrüdlicher HuSnahmeBeftimmung
unter ben Segrip ber HrBeiter im ©inne beS XitelS Vll ber ©eroerBe*
orbnung, Bejro. im ©imte bes ©croerBegerichtSgefefceS. XaS ©eroerBe*
geriet HatnBurg hat alfo feine Serattlaffung, oon feiner langjährigen
$rajiS aBjuroeidhen. @S mag htfr nur noch mit einigen ©orten barauf
eingegangen werben, aus welchem ©runbe biefeS ©eriefjt baS fünft*
lerifche ^erfonal ber höh^i« Äunftinftitute nicht als HrBetter im
©inne ber ©eroerBeorbnung anfteht, unb jroar fpejieß audh nicht
©chaufpieler foldjer Hrt, obwohl ber §. 32 ber ©eroerBeorbnung
implidte bie ©dhaufpielunternehmer fdjlechtfjin für ©eroerüetreiBenbe er*
flärt, ohne bie in §. 33 a aufgefteßten Sebingungen ber ©eroerBs*
mäpigfeit unb beS S c ht enS höh™ ^unfüntereffes. Xer §. 33a
fpriept oon ben fünftlerifchen Sorführungen felBft unb erachtet biefe
als ©eroerBe, alfo pnb auch, wenn bie Sebingungen biefcS Paragraphen
oorliegen, aße ©eljülfen ber Sorführeitben ©eroerbSgehülfen, einfchließlich
beS Perfonais Bei theatralifchen 33orfteßungen, wenn pe geroerBsmäpig
oeranftaltet werben unb ein höheres Satereffe ber Äunft ober ©iffen*
fepaft babei ntdht oBroaltet. Xer §. 82 fpriept aber oon ©dfjaufpiel*
Unternehmern, hi^'Bei hat man offenbar an baS rein ©efchäftliche
gebacht (fonft wäre ja biefer Paragraph in §ittBIicf auf §. 33a über*
Pitfpg gcroefen, hätte alfo Bei ber Einfügung beffelben fortfaßen muffen),
bie ©ehülfett in biefem Unternehmen pnb alfo nur bte faufmanmfdhen
unb tcchnifchen Hngefteßten, nicht baS ftch an ben Sorführungen Be»
theiligenbe perfonal. Xap auch bie fojiale ©teßung biefer wirtlichen
Zünftler (im engem ©inne) pdp weit über baS Rioeau ber Hrtipen
u. f. ro. erhebt, Bebarf feiner weitern HuSführung. ©obalb eS pep hia*
gegen um ©chaufpieler nieberer Hrt hanbelt, müffen audh pe trop §. 32
als ©eroerbSgehülfen gelten, nämlich argumento §. 33 a, benn bann ift
ber ©dhaufpielunternehmer juglcich Seranftalter theatTalifdher Sor*
fteßungen im ©inne beS letztgenannten Paragraphen.
©aS nun bie jetzigen Kläger anBelangt, welche SRUglieber ber
42 2ßann ftarfen Sfapeße beS hifpö^n ©anfatheaterS pnb, fo fommt es
nach Sachlage nicht barauf an, oB biefe Äapeße, für pch aßetn ge*
nommen, ben Hnfprudf) erheben fann, bap Bei ihren Rhipfanfführungcn
ein höheres Satereffe ber Äunft oBroaltet, benn biefe Äapcfle ift fein
felbftftänbigeS Saftitut, fonbern fämmtlidhe Rfitglieber berfelben pnb
unmittelbar engagirt 00 m Beflagten Xireftor beS Hanfathcaters. Septeres
fann aber pdjerlid) uid;t ben Hnfprndj erheben, als höheres Äunft»
inftitut ju gelten, benn feine Sorführungen Beftehen hauptfädjlich in
ben probuftionen fogenannter Hrtiften unb anberer auf berfelben ©tuje
ftehenber Äünftler nieberer Hrt; ein höheres Sntereffe ber Sfunft ober
©iffenfdfiaft waltet hierbei nicht ob. Xie Stapefle hat biefe Sorführungen
mupfalifdj ju Begleiten. (SS roerben oon ihr jroar auch felbftftänbig
einige Stufifftücfe oorgetragen, biefelBen bienen aber im ©efentlichen
nur baju, bie 3 töifdf)enpaufen jroifchen ben übrigen progratnmnummem
auSjufüßen. Huf ben Umftanb, bap auf ben oom Scflagten cingereichten
Programmen Diele flaffifdhe ©erfe, unb jroar anfdjeinenb als H a «pt*
nummern mitpguriren, barf fein ©eroidfjt gelegt roerben, benn einmal
fommt es in ber $hmft Befanntlich weniger auf baS ,,©a£", als auf
baS *©ie" an unb ferner wirb jeher Scfudjer beS Hanfathcatcrs bei?
(Siubrucf gewinnen, bap biefe mupfalifchen Sorträge gegenüber beit
übrigen aüaßenblicben Sorführungen feine grope Roße fpieleit unb bap
ihnen bal;er auch oom puBIifum wenig Scad^tung gefchenft wirb. Xer
(Sharafter beS HanfatheatcrS Bleibt alfo trojj ber mupfalifchen Unter*
Brechungen ein fogenannteS ©pejialitäteuinftiftut, Bei beffen Sor*
führungen ein „höh ereö Älunftiutereffe" (nach ben Rtotioen jur ©eroerbe*
orbnung gleichbebeutenb mit „wirtliche* Äunpintereffe", oergl. i'anb*
mann, Kommentar, Hnm. 4 ju §. 33a) nicht oBroaltet. ©enn alfo bie
145
$o* ©eroetBegerichi 2Ritt$eiIungen bei BerBanbel beutfdjer ©erocrBegertchte. Kr. 12.
146
Htfiiglieber ber flapeße roirHich im Stanbe fern foßten, roirfliche ftunfi
3 U üben, mal ja gar nicht Beftritten ju merben Braucht, fo haben f lc
hoch im oorliegenben gaße ihre Kräfte in ben Sienft ber ntebern ßunfi*
gattung gefteßt, benen ber animus lucri faciendi (nach Sepbel, ©enterbe-
polijeirecht) aulfcfjliehlich feinen Stempel aujbrücft. Sie merben bem-
nach, fo lange fte in bireftem Engagement biefe! ©eroerbebetriebe!
ftehen, als ®ehüifen beffelBen ju Betrachten, unb fomit Arbeiter im
Sinne bei Sitell VII ber ©emerbeorbnung fein. 3 um Ueberfluh mag
noch barauf hi n Q e wiefen werben, bah bal ©ehalt ber Kläger burch*
fchnittlich nur 135 M. pro SWonat Beträgt. Spiele £anbroerf!gefeßen
unb Arbeiter oerbienen baffelBe unb mehr; bie ©agen roirflicher Zünftler
finb oiel höher.
Sinb nach aßcbem bie Kläger all Arbeiter im Sinne bei ©eroerbe*
geridjtlgefehel 311 Betrachten, fo ergieBt ftch bamit bie §tnfäßigfeit ber
oom Vellagfen erhobenen Einrebe ber linjuftänbtgfeit biefe! ©ericht!
unb mar baher auch ju prüfen, ob bie ftlage auch materieß be¬
grünbet ift u. f. m.
3ft bie einfeitige Aenberung ber flünbigunglfrift mäh*
renb bei Arbeitloerhältniffel für Beibe Steile binbenb?
(Entfcfjeibung bei ©eroerbegericht! $refelb.)
Ser §. 4 ber bent Kläger Bei feinem Eintritt in bie gabri! ber
33eflagten Behänbigten Arbeitlorbnung enthält bie Veftimmung:
„Sie gegenteilige tfünbigunglfrift Beträgt 14 Sage unb fann
täglich erfolgen."
Anfang! SWärj b. 3-/ nachbem Kläger Bereit! längere 3eit in ber
gabrtf ber Vertagten thätig gemefen mar, hat bie Veflagte eine Aenbe-
rung biefer Äünbigunglfrift in ber Beife oorgenommen, bah fte burch
Aulbang in ben gabrifräumen Befannt gab, bah nach Ablauf oon
14 Sagen oon bem 3<ütpmtfte be! Aulbangl ab geregnet, eine gegen-
feitige eintägige $imbigunglfrift $Iah greife. Sie auf ©runb ihrer
Arbeitlorbnung jur Sicherheit bei Erfahel eine! ihr an! ber roiber-
rechtlichen Auflöfitng bei Arbeitloerhältniffel erroachfenben Schaben!
ben Arbeitern oom 2ol)ne eingehaltenen ©eträge hat bie Ve!Iagte ihren
Arbeitern unb auch bem Kläger Bei ber nächfien 2ohnsal)Iung surücf*
gegeben. Veflagte hat nun am 7. 3uni er. bem Kläger ba! Arbeit!»
oerhältnib mit eintägiger Äünbigunglfrift aufgefüitbigt unb ben Kläger
am Abenb be! 8 .3»ni er. entlaffen. hiergegen hat Sehterer $lage
erhoben unb für fich bie 14 tägige ftimbigung in Anfpruch genommen.
El fragt fich, ob bie ben Arbeitsertrag Bilbenbe Arbeitlorbnung,
melche bem Kläger Bei feinem Eintritt eingebänbigt morben ift, unb bie
im §. 4 eine gegenfeitige 14tägige Äünbigunglfrift oorfieht, burch ben
oon ber Veflagten im 2Kärj b. 3- Bemirfteu Aulbattg eine Abättberuitg
erlitten hat ober nicht. Sal ©ericht hat biefe grage oeineint Kac|
Art. 1134 be! Kbeinifchen Eioü-©efepBuche! gelten gefehüch abgefchloffene
Verträge all ©efe^e für biejenigen, melche fie eingegangen haben.
Solche Verträge fönnen nur mit gegeufeitiger Einmißigung miberrufen
merben. Ser einmal unter ber Vebitigung einer gegenteiligen 14 tägigen
Auffiinbigung abgefchloffene Arbeitsertrag fonnte alfo nur burch eine
übereinftimmenbe aulbriicfliche Bißenlerflärung ber Parteien geänbert
merben. Eine foldje liegt Seiten! be! Kläger! aber nicht oor. 3n
bem oon ber Veflagten Bemirften Aulbange ift nur eine Offerte ber
Veflagten an bie Abreffe be! Kläger! 3 U erblidfen. Ser Äläger hatte
feine Verpflichtung, ftch auf biefe Offerte ju erflären. Aul bem Um*
ftanbe, bah Kläger bie Arbeit fortfehte, fann auch eine ftißfdjmeigenbe
3nftimmung ju ber oon ber Vertagten Beabfichtigten Aenberung nicht
gefolgert merben, ba Kläger, fo lange eine Auffünbiguttg bei urfprüng-
liehen Arbeitserträge! nicht erfolgt mar, jur Beiterarbett nicht nur
Berechtigt, fonbern fogar oerpflichtet mar.
hiernach hat Kläger mit Kecht ben Anfpruch auf eine 14 tägige
tünbigung erhoben.
3ft bie orbnunglmäfcig erlaffene Arbeitlorbnung für
ben Arbeiter oerbinbltd), auch menn fie ihm nicht Befannt
gegeben ift? (Urtbeil bei ©emerBegerichll 3 u granffurt a. SK.*) Vor*
ftfcenber: SKagifiratlaffeffor Sßohlmann.)
©egenüber einer Älage auf Sohnentfchäbigung megeu füitbigungö-
Iofer Entlaffung Berief fich ber Veflagte, gabrifbeftber, auf ben Schalt
feiner Arbeitlorbnung, in melcher bie Äünbigunglfrift Beiberfcit! aul*
gefchloffen fei. Ser Kläger Beftritt, oon bem Veftehen einer Arbeit!-
orbnmtg Äenntnife gehabt ju haben. Sa! ©emerbegericht erachtete ba!
Verufen auf bie Hrbeitlorbnung ohne SRachmei! ber Sfennttüb bei Ar¬
beiter! für nicht ftichhaltig.
©rünbe: El Befiehen hinftthtlich bergrage, mie meit eine Arbeit!*
orbnung auf ba! Vertragloerhältnib jmifchen bem Arbeitgeber unb bem
nach ©rlafj ber Arbeit!orbnung in ben Vetrieb eintretenben Arbeit¬
nehmer oon Einflug ift, brei Meinungen. Sie erfte hält bie Arbeitl-
*) Vgl. ©.©. II Kr. 5. Sp. 87., IV. 3ahrg. Kr. 8 . S. 26.
orbnung nur bann für gültig, menn fte Behänbigt morben ift. Sie
jmeite Begrünbet fi<h bamit, bafj fte oerlangt, bie Arbeitlorbnung foße
auf irgenb eine SBeife, fei e! au!brücfti<h, fei el ftiflfdjjmeigenb, Veftanb-
theil be! mit bem Arbeiter gefchloffenen ArBeitloertragel merben. Sie
britte hält bie Arbeitlorbnung mit bem Erlajj für aße fpäter eintreten-
b’en Arbeiter für rechtloerbinblich. Sie jmeite Anftcht, bah bie Arbeitl¬
orbnung Veftanbtheil bei mit bem Arbeiter gefchloffenen Vertrage!
merben muh» erfcheint all biejenige, ber ber Vorzug ju geben ift. El
ift babei oon folgenben Erroäguttgen auljugehen: Ser §. 105 ber @e*
merBeorbnung beftimmt: „Sie geftfefcung ber Verhältniffe jtoifchen ben
felbftftänbigen ©emerbetreibenben unb ben geroerblichen Arbeitern ift,
oorbehaltlich ber burch Keichlgefejj getroffenen Vefchränfuugen, ©egett-
ftanb freier Uebereinhmft." Eine Uebereinfunft fann nur bann oor-
liegen, menn Beibe Parteien ihren SBißeit funbgeben, fich über etroal,
mal ihnen Veiben befannt ift, ju einigen. Semnach fann bei befiehen*
ber Arbeitlorbnung ber Vorfchrift bei §. 105 ber ©emerbeorbnung nur
bann genügt merben, menn bem Arbeitnehmer befannt roirb, mal ben
Snhalt ber Arbeitlorbnung aulmacht. 3« ©egenfafc 3 U bem §. 105 ber
©emerbeorbnung mürbe man geraden, menn man ber britten Anftcht
folgen rooßte, , bah nämlich bie Arbeitlorbnung mit bem Eintritt be!
Arbeiter! ohne Weitere! rechtlmirffam fei. Siefe Anftcht ftüfct ftch in!*
befonbere auf jmei gefefcUche Veftimmungen, nämlich ben Sah beä §. 134 a
„ber Erlah (ber Arbeilorbnung) erfolgt burch Aulhang", unb ben
Sah bei §. 134c „ber 3«halt ber Arbeitlorbnung ift, foroeit er ben
©efehen nicht juroiberläuft, für bie Arbeitgeber unb Arbeiter recf)t!-
o erb in blich". Bern erften Sah Bel §. 134 a erBUcft man einen ber
©efehgebung analogen Aft. 3 u 5 u 9 e Ben ift jmeifellol, bah, menn eine
Arbeitlorbnung erlaffen ober abgeänbert roirb, biefe Arbeitlorbnung mit
bem Sage be! Aulhangl erlaffen, b. h- in ftraft getreten ift. Sie smingt
belhalB unbebettflich aße biejenigen Arbeiter unter ihre Veftimmungen,
melche 31 t biefem 3 e üpuitfie bereit! in bem Vetrieb befchäftigt roaren.
Eine meitergehenbe Vebeutung aber bem 3 ci tpunfte bei Erlaffel bei 3 u*
rneffen, erfcheint nicht richtig. Senn mie ftch au! ben SKotioen 3 U ben
§§. 134 a ff. ergiebt, hatte ber ©efehgeber oor Augen ben bamaligen that-
fächlidjen 3 u ftanb. Sanach gab e! 3 toar in ein 3 elnen gabrifen Arbeit!*
orbnungett, ein 3 ,üa ng, fte ein 3 uführen, beftanb aber nicht. 3 n bem ber
©efehgeber biefen 3 mang aulfpra^, muhte er gleichseitig erflären, mann
bie 3 U erlaffenbe Arbeitlorbnung, Bet beren 3 ll ftanbefotnmen mehrere
Abfchnitte 3 U unterfcheiben toaren (Anhörung ber Arbeiter, Einreichung
an bie untere Verroaltunglbehörbe), oerbinbüch fein foßte. Er muhte
biel utnfomehr thun, all er, toie unten roeiter aulgeführt, oon ber Att-
ftdjt aulgehenb, bah grunbfählich ber Arbeitloertrag ber freien Ueber¬
einfunft auch meiterljin oorbehalten bleiben foßte, beftimtnen muhte, ob
auf ©runb ber erlaffeuen neuen Arbeitlorbnung nunmehr mit aßen be¬
reit! befefjäftigten Arbeitern neue Verträge absuftljliehen feien, ober ob
el genüge, bah nach Anhörung ber betreffenben Vertreter ber Arbeiter-
fchaft bie Arbeitlorbnung erlaffen fei. Semnach fann aul ben ange¬
führten Borten be! §. 134 a ber ©emerbeorbnung ein 3 toingettber ©runb
für bie bahtit 31 t ftühenbe Anftcht nicht sroeifcllfret Tjergeleitet merben.
Sie Borte be! §. 134e ber ©emerbeorbnung „bie Arbeitlorbnung
u. f. m. ift rechtloerbinblich", ftheiitett aul ben gleichen ©ritnben ebenfaßl
nur ©eltung für bie im Vetriebe 31 er 3 e *l Be! Erlaffel ber Arbeit!*
orbttuitg fchon Befefjäftigten Arbeiter 3 U haben. Sie fönnten eitte meiter*
gehenbe Vebeutung lebiglicfj bann haben, menn el bie Abficht be! ©efeh-
gcberl geuefen märe, auher ben Veftimmungen ber Arbeitlorbnung,
inhaltlich im cinselneit gaße mit einem Arbeiter eilten befonberett Ver¬
trag nicht 3 U 3 ulaffen. Siefe Abficht ift, menn man 3 uttächft bie 3ßotioe
hcran 3 ieht, nicht aulgefprodjcn, fonbern el ift oielntehr oon bem ©egen*
tljeil aulgegangen. Senn bie Botioe befagett: „Sie Arbeitlorbnung
erleichtert ben Abfchluh bei ArBeitloertragel mit jebem ein 3 elnen Ar¬
beiter", ferner ber §. 134c bringt sum Aulbrucf, „bah bie Arbeitlorbnung
bie ©ruublage bei ArBeitloertragel ift"- Semnach hat ber
©efehgeber augenfcheinlich nicht gerooßt, bah nach Erlah einer Arbeit!-
orbnung nunmehr nidjtl Aubere! gelten foße, all beren Schalt, fonbern
bah P e getoiffermahen nur bal ©erippe fein foßte, an bal ftch Bie be*
fonberen Verabrebuugen be! Arbeitgeber! mit bem Arbeitnehmer an-
fchliehen fönnen. Siefe Abftcht bei ©efehgeber! ift im §. 134c amh
beutlidj 3 um Aulbrudt gefomnten. Senn bort 5ei&t c! im Abfah 2 :
„Anbere all bie in ber Arbeitlorbnung ober in ben §§. 123, 124 ber
©emerbeorbnung oorgefeheiten ©rünbe ber Entlaffung unb be! Aultritt!
bürfen im Arbeitserträge nicht uereiitbart merben." Ser ©efehgeber
hat ftch alfo hier flar auf ben Stanbpunlt gefteßt, bah mit bem Erlah
einer Arbeitlorbnung ber Arbeitgeber nicht aßer feiner Pflichten all
oertragfchlief 3 ettber Shell bei ber Annahme eine! Arbeiter! enthoben fei,
fonbern er hat bie au! bem Arbettloertrage ftch ergebettbe Pflicht ber
Vefanntgabe ber Arbeitlorbnung bem Arbeitgeber nicht erziehen tooßen.
Sie 3 U brei oertretene Anficht geht 3 ubem oon ber Voraulfehung aul,
bah Bie Arbeitlorbnung bie roefentlühen Vebingungen bei Arbeit!«
147
XaS ©ewerbegeridjt. flÄittheilungen befl Berbanbe« beutfcßer ©emerbcgertcßte. 9hr. 12.
148
oertrageS enthält. XieS ift muß bie Stupst ber SJtotioe. Sießt man
aber btc Beftimmungcn beS §. 184 b ber ©emerbeorbnung Br. 1 bis 5
burdj, fo enthalten fte im ©ruitbe genommen baS, maß ben 3nßalt beS
ArbcitsocrtragcS nuSmacßt, ntc^t. Xenn ber ArbcüSocrtrag als ein
jmeifeitiger Vertrag muß entljalteit bie gegenteiligen Bedjte unb Ipflidjten.
3u bem midjtigftcn S^cdjie beS Arbeiters ans feinem Xienftoertrage ge*
ßört moßl unjmeifelßaft, mie oiel 2 oßn er ju befommen l)at, nttb ju
feinen midjtigftcn spießten, roie lange er täglicß ju arbeiten ßat, unb
als britter $unft, unter melcßen BorauSfeßungen bas ArbeitSoerßältniß
geloft merbett fann. Heber bie erften beiben fünfte fagt ber §. 134 a
ber ©emerbeorbnung gar nichts. Er ermähnt ArbeitSjeit unb §öße MS
CoßneS in feiner SBeife, lebiglid^ bie Eintßeilung ber ArbeitSjeit mirb
ßeroorgeßoben.
.Jnnpcßtlicß beS britten $unfteS fagt §. 184 a ber ©emerbeorbnung
auch nur, baß er in bie ArbeitSorbnung aufgenommen merben fann.
geßlt biefer $unft alfo in ber ArbeitSorbnung, maS bemnaeß möglich
ift, fo enthält pe oon bem, maS baS SBefen beS ArbeitSoertrageS aus*
macht, überhaupt nichts. Xie ArbeitSorbnung ift bann non bem 3mei-
fachen, maS mit ihrer Einführung bejmeeft mar, nur baS eine, nämlich
ber 3nh<*lt üon formulirten CrbmmgSoorfcßriften, Me ben ArbeitS*
oertrag oöllig unberührt Iaffen. SSie fehr bem ©efeßgeber ber©cpcßtS*
punft beS ErlaffeS oon CrbnungSoorfcßriftcn unb mie menig ißm ber
©eficßtspimft eines Eingriffs in baS feiner Auffaffung rein prioatreeßt*
liehe ArbeitSoerßältniß jmifcßcit Arbeitgebern unb Arbeitnehmern oorge*
fchmebt ßat, geht aueß aus §. 134b Abf. 3 ber ©emerbeorbnung ßeroor.
Xort ßeißt es: „tem Bcpßer ber gabrif bleibt überlaffen, neben ben
im Abf. 1 unter 1 bis 5 bejeießneten, noch meitere bie Drbitung beS
Betriebes unb baS Berßaltert ber Arbeiter im Betriebe betreffenbe
Beftimmungcn in bie ArbeitSorbnung aufjuneßmeit." 3hm finb alfo bie
ArbeitSorbnungen mehr Crbuungsoorfcßriften für ben betrieb als Ber*
tragSoereinbarung jmifdjen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer. SBeim baher
bie Auftcfjt jit brei bie ArbeitSorbnung auch bcSßafö für allgemein oer*
binblidj anfehen miß, meil batnit ber ArbeitSocrtrag ber allein bisher
priuatrecbtlicben ©runblage entjogen unb unter öffentlich* rechtliche
©efichtspunfte gefteßt mürbe, fo fann ihm auf ©runb beS ©efefceS unb
auf ©runb ber SDcOtioe nicht jugeftimmt merben.
Auch aus praftifchen Ermäguttgen erjeßeini bie jn brei ermähnte
Anpcßt nicht empfeßleuSmerth- Sßraftifdje Ermägungen bienen nicht
baju, ein befteßeubeS ©efeß ju begrünten ober ju entfräften, pe föitncn
aber jur Stärfung ber einen ober anberen Anpcht bienen. Xarf ber
Arbeiter über baS, maS bie gabriforbnung beftimmt, im Unflaren ge*
Iaffen merben, ift er an bie ArbeitSorbnung gebunben mit bem Eintritt
in bie Bcfcßäftigung, fo ftcht er als Arbeiter in einer gabrif, menn*
gleich er bort feßon, mie bie 9Kotioc mit Stecht ßeroorßebeu, für ge*
möhnlich ju ben Bebtngungen arbeiten muß, bie ihm angeboten merben,
oljne meitere BSaßl ju ßaben, oiel fchlechter ba, als ber Arbeiter in
jebem aubereu betriebe. Xenn mährenb jeher anbere Arbeiter (nadj
freier Uebereinfunft) fagen fann, mit ber Uebcrlegung beffeit, maS ihm
geboten mirb, ob er arbeiten miß ober nicht, ift ber gabrifarbeiter
oöllig abhängig oon bem, maS ber Beftßer ber gabrif, fei es and) oor
einer längeren 3eit oon 3«h^n, einmal aßein gemoßt ßat. Xenn ber
Arbeitgeber ift in feiner SSeife gcuötljigt, auf baSjenigc einjugeßeit, maS
bei Erlaß ber ArbeitSorbnung oon Seiten feiner Arbeiter ihm als
SBuufdj oorgetraaen mirb, fonbern ift bei bem Erlaß oöllig felßftftänbig.
Xie Aüficßt beS ©efefcgcbcrs, burdj bie ArbeitSorbnung ftlarßcit in baS
gegenfeitige Bcrßältniß jmifdjen Arbeitgeber unb Arbeitnehmer ju
bringen unb'Streitigfeiten 511 oermeibeu (oergl. Blotioe), mirb jebeufaßs
baburdj, baß ber Arbeitnehmer ooflftänbig im Unflaren über ben
ber ArbeitSorbnung gelaffeu mirb, nidjt geforbert. 5ß?an barf bem*
gegenüber nidjt einmenben, baß ber Arbeitgeber oerppidjtet ift, bie
ArbeitSorbnung ausljängcn 3 u Iaffen. Xcuu uadjträglidj bie Vertrags*
^ebiugungen löfen unb bann aus bem betrieb pdj micber entfernen, ift
jebenfaßs praftifdj eine große 3djmierigfcit. 9?un fommeu aber audj
gälte oor, in benen ber Arbeiter thatfächlidj nidjt bie ©töglidjfeit
bie ArbeitSorbnung ju Iefen. ES barf nur barau gebaeßt merben, baß
er fofort nadj Eintritt, nadjbem er eben in ber Stabt jugereift ift, auf
Außeuarbeit gefdjicft mirb. Er meiß nidjt, ob in ber gabrif mehr mie
20 Arbeiter befdjäftigt merben, er meiß nidjt, ob eine ArbeitSorbnung
erlaßen ift, er feunt nidjt ben ^siiTjalt ber etma erlaffenen Sorfcßriften,
unb ihm gegenüber muß nadj ber Meinung ju brei bodj bie ArbeitS*
ovbuuug ,yir Anmenbuug fontmen. Xer Arbeitgeber, ber ihn oiellricht
meitljiu uerfdjirft lj a h ift ntöglidjer SBeife auf (ftrunb biefer ArbeitS*
orbnitug bercdjtigt, ihn bort oßne ffünbiguug 51 t entlaffcn. Xcr Eim
uumb, ber Ijicr gemadjt merben fann, bie ArbeitSorbnung gelte nur für
ben 0rt, mo bie gabrif ftdj Bepnbe, erfdjeint nadh bem SBorttant beS
©efefceS nießt ftidjhaltig. Xenn eine gabrif ift nach ber Xepnition ber
©emerbeorbnung febiglich ein betrieb, in bem 20 ober meßr Arbeiter
befcßäftigt merben. Xaß biefe immer an bemfelben Crte thätig fein
müffen, geßt aitS ber EJemerbeorbnung nießt ßftoor. Xie Anpdjt, baß
bie gabrtforbnuttg nur©eltung menn pe auSgeßängt mirb, feßeint
pcß ju eng an ben SBortlaut beS ©efe&eS ju flammern.
tltim« SKitthetfitttgeit. Xtejenigen ©etoeröfgeriete, bie, bem Sei*
fpiel beS ©emerbegerießts Serlin folgenb, ben Entmurf jum @cßub beS
gemerblicßen ArbeitSoerDältnißeS jum ©egenftanb einer ®efprecßung
madjen moßen, merben auf ben Auffafe beS Dr. S&proiu, 9^itglieb beS
®erbanbSauSfcßuffeS, aufmerffam gemacht, ber in ben Eonrab’fcßen
3 ahrbücßern für 9tationalöfonomie (gulifjeft) neuerbingS erfdjienen ift.
Xcr 3nljalt ergiebt fieß aus bem Xitel: Xie ®ebrohungber©eroerbe*
aerießte burq ben betrepenben ©efeßentrourf. ©euu aueß manche ber
3aftroro’fd)eit Befürchtungen meßr bem SSortlaut beS Entmurfs als
ber Abpcßt beS BerfafferS entfpreeßen mögen, fo bleibt eben boeß be=
fteßen, baß bei ber Neigung unfercr Beßörben jur ausbeßnenben 3 nter*
pretation folcßer ©efefji feine ©emäßr gebotoi ift, baß biefe Be =
füreßtungen nidht ju 2 öirflid)fetten merben fönnen.
B tr banb^i-Äuget Egmtjciten.
Sut *
Xie Unterjeicßneten hatten gegen Enbe 3 l tnt baS ißnen »om Äu^*
feßnß in beffen ©ißung 00 m 10 . gebrnar jn Berlin übertragene fflfanbat
joroeit erfüflt, baß fte bem Äusfcßuß Entmürfe jur fünftigen gaffung
ber Statuten unb. ©efcßäftSorbnmtg unb baS Bfaterial ber fünftigen
©eftaltung beö BerbanbSorganS oorlegten unb um bie Erflarung jum
Einoerftänbuiß mit Berufung einer AuSfcßußfißuitg auf Anfang ober
SDHtte Auguft erfueßten. ES märe aisbann DÖBig 3 ei l gemefen, bie
Befcßliiffe beS AuSjcßiiffeS ju formuüren nnb ben BerbanbSmitgliebern
jugleicß mit einer Einlabung einer BerbanbSfonferenj jugeßen ju
Iaffen, melcße tfonferenj pdj pafjenb, mie in ben Boriaßren, einem ber
großen rotffenfcßaftlicßeu Äongreffe angefdhloffen ßäU«-
ßeiber fonnte aber bie für Auguft beabpeßtigte AuÄf(ßußft|ung
megen Berßinbenmg mehrerer unb maßgebenber SJHtglicber ntcßt patt-
pnoen. ffiir faßen uns genötbigt, pe ju oerfeßiebett, unb f)aben pe
nunmeßr auf ben 11. September naeß Nürnberg anberaumt, baS pcß
außer feiner centralen Sage babureß emppeßlt, baß bortfelbft am 13. bie
XXIV. Berfamutlung beS beutfeßen BereinS für öffenttidße ©cfunbhcttS*
ppege ftattpnbct, meldher am 12 . September eine Bcfprecßung oon Ber-
roaltungSbeamten über fommunale Angelegenheiten oorauSgeßt. 9hm tft
es bicSmal aber unmöglich, im Anfcßluß an bie AuSftßußpßung eine
ftonferenj ftattßaben ju laßen, meil bie oon uns oorgelegtcn Entmürfe
unb Anträge möglicher Söetfe 00 m ÄnSfchuß mefentüd^ geänbert, eoentneß
nur in ber 00 m AuSfcßuß feftgefeßten gorm ben Bhtglieberu mitgetßeilt
merben fönnen. Unter biefen Umftänben muß für bieS Sößr auf Ein¬
berufung einer itoufercnj oerjidjtct merben.
Xagegeu mirb am 12 . September, AbenbS, im ^otel Bictoria eine
noanglofe Bcfprecßung ftattfinben, um ben in Nürnberg aumelenbrn
«erbanbSmitgliebern bie 2)?öglicßfeit ju geben, pcß über ben ©taub ber
BerBanbSangelegenbeiten eingeßenb ju unterrichten. 9Bir bitten bie in
Nürnberg anmefenben ftoßegen, Pcß hieran betßeiligen ju moHett.
gej. ©aßner, gej. glefcß,
Borpßenber ©efchäftsfüßrer
beS AuSfcßuffeS.
Uriefhafteu.
.... fl. Xftttstftebk Xie Äritif ber unS jngefcßtrften ff 30htinjer
BolfSjeitung" an bem Urtßeil beS Xarmftäbter ©emerbegeridßts 00 m
10 . Anguß erfdjeint uns nidjt jutreffenb. Xcr §. 629 beS Bürgerlichen
©efeßbucßcS, ber ben Xienftberedjtigteu oei-ppicßtet, bem Xtenftocr-
pßießteten nach erfolgter tfiinbigung angemepene 3 «t jur Äuffuchung
anberer Arbeit ju geroäßren, ift itocß nießt BecßtenS, unb bunte
baßer oon bem ©erießt nießt beachtet merben. Db bte oom Äläger ju»
geftanbene Berfäumnife oon neun Stunben, 3n)ccfS AuffucßcnS anbern
Arbeit, aber als „unbefugtes Berlaffen ber Arbeit" ober „beharrliche
Bcrmctgerung ber ißm oblicgcnbeu Bcrpflidjtung" (§. 123, 3 ber ©e-
merbeorbuung) angefeßen merben barf, ober nicht, hängt oon ben
ganjen Umftänben beS gafleS ab, bie aus bem Bericht nießt erfennt*
ließ finb.
Serfdjiebene Anfratien. Xie 9Rittßeilungen aus Sßß^bcrichteii
mußten leiber jurüdgefteßt merben, megen ber Botßmenbigfeü, bie bem
Beicßstag oorliegeitben ©efeßenmürfe ju befpreeßen.
„XaS ©ewerbegerießt 1 ' etfdjdnt am elften Xonnerftage leben äJtonat« im aKinbeftunifange Don V» Bogen jum greife oon 1 2R. jftßtUih. — tBeft efl— gen
nehmen f&mmtUcße Bopanpalten (BopjeUungSmimmet 2877) unb Bucbbrnibliatgen an; ein bireftet Bejug oon ber BerlagSbuchhanblung ßnbei nicht patt
«erlag non »umfet a fcumblot, fiehntg. — «ebrueft bet 3ulhi« 6tttenfelb tn »erltit W.